Unter den Schwingen des Horusfalken von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 6: Drei Türkise ----------------------- Merit war ein wenig verunsichert, hatte sie doch nie zuvor einen derartigen Bericht abliefern sollen, aber sie hielt sich an das Beispiel des Arztes und berichtete möglichst objektiv von ihrem Gespräch mit der Wirtin, bemühte sich auch darum ihre eigenen Eindrücke von den Fakten zu trennen. Ob Meruka damit einverstanden war, verriet dieser nicht. Erst als sie fertig war, meinte er: „Gut, danke. Ich werde nachdenken.“ Zum gewissen Erstaunen seiner neuen Mitarbeiterin erhob er sich und ging hinüber zum Bett. Dieses war, gedacht für Gäste des Königs, bei weitem nicht nur aus Ziegeln gemauert sondern aus dem teuren Holz. Das Kopfende stand auf Füßen, die in symbolisierten Gazellenhufen ausliefen. Das untere Ende befand sich, wie es üblich war, gleich auf dem Boden. Ein Brett verhinderte, dass der Schläfer hinabrutschte. Zu Merits Erstaunen nahm Meruka keine Kopfstütze, wie sie doch jeder benutzte, sondern legte sich einfach rücklings auf die Decken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, ehe er die Augen schloss. „Er denkt nach“, erklärte Nefer. „Wir können jetzt reden, über was auch immer – aber nicht über die Arbeit.“ Ptahnacht ergänzte hilfsbereit: „Denken ist seine Aufgabe, Merit. Und sei sicher, danach kriegen wir alle neue Aufträge. - Du bist doch ursprünglich aus Per-Bastet? Bastet ist doch eine Löwengöttin, oder? Aber jemand sagte mir neulich, sie sei eine Katze.“ „Nein, eigentlich schon Löwe.“ Sie begriff, dass abgelenkt werden sollte. „Aber sie ist eine sanftere Löwin, beschützt Frauen und Kinder – und natürlich den Herrn der beiden Länder. Sachmet ist viel angriffslustiger und bringt die Seuchen. Woher stammt ihr eigentlich, ursprünglich?“ „Aus Sau.“ Rahotep lächelte etwas. „Aber ich war mit fünf schon in Ibenu-hedj, in der Palastschule. Mein Vater ist der Stadtvorsteher und wollte, dass ich sein Amt übernehme. Allerdings wurde mir klar, das ich lieber Arzt wäre, und so machte ich nach den sieben Jahren der Schreiberlehre diese Ausbildung. Mein Bruder wird ihn beerben. Oh, und die Göttin der Stadt Sau ist Neith, Göttin des Krieges und der Heilkunst“ „Mein Dorf hat keinen Namen.“ Ptahnacht zuckte die Schultern. „Es ist ein Fischerdorf zwischen der Östlichen Wüste und dem Meer in der Gegend von Sauw. Ja, da wird Fisch aus dem Meer gefangen und getrocknet, kein Nilbarsch. Und auch Muscheln. Ich war, als ich erst hier in Ibenu-hedj war, wirklich sehr überrascht, dass hier hauptsächlich Süßwasserfische gegessen werden. Und auch, wie einfach die zu fangen sind. Auch, wenn das Meer zuhause ruhiger ist als das Große Grüne – es gibt immer Winde, die lästig werden und Sturm und sogar Regen bringen.“ „Ich stamme aus der Gegend von Abu, tief im Süden.“ Nefer, deren Aussprache nichts davon verriet, holte etwas Atem. „Aber da ging ich mit zwölf weg.“   Merit bemerkte, dass die beiden Männer neben ihr nur kurz nickten – nicht fragten. Sie kannten die Geschichte wohl, und doch lange Erfahrung sagte ihr, dass sie da besser nicht nachfragen sollte. Wenn Nefer wollte, dass sie das erfuhr, würde sie es ihr sagen. Jeder ihrer neuen Kollegen hatte seine eigene Geschichte und sie sollte besser behutsam sein. So warf sie nur einen Blick zu Meruka, aber der hatte noch immer die Arme unter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen.   Ptahnacht hatte es gesehen. „Spielen wir lieber etwas, das kann dauern. Kennst du das Schlangenspiel?“ „Ja.“ Natürlich, dachte Merit. Senet konnte man nur zu zweit spielen, das Schlangenspiel zu viert. Er holte denn auch eine Platte aus einer Ecke, die wie eine aufgerollte Schlange aussah. Rahotep folgte ihm und besorgte die kleinen Löwen, die Spielsteine, denen jeweils sechs Kugeln zugeordnet waren. „Spielen wir zusammen“, sagte Nefer. „Und ich bin sicher, wir bekommen unsere Kugeln näher in die Mitte der Schlange als unsere Männer auch nur einen Löwenschritt gehen.“ „Danke.“ Merit lächelte.   Meruka dachte nach. Etwas an der gesamten Sache war falsch. Ein Irrtum, dem aber wohl jeder unterlag. Nur, wo befand sich der Fehler? Zwei mittlere Beamte waren verschwunden. Nun, das Verschwinden an sich war nicht unmöglich. Der Fluss und die Wüste boten genug Möglichkeiten. Aber, war das in der Herberge geschehen? Ptahschepses hatte sie von seinem Vater übernommen. Er war seit seiner Kindheit bekannt, arbeitete dort zuverlässig und man konnte ihm nicht einmal schlechtes Bier nachsagen. Warum also hatte er versucht Merit und Rahotep zu belauschen? Warum waren genau bei ihm zwei Kunden vermisst? Oder war eben das der Denkfehler? Er war ein wenig neugierig, das hatte auch die Tatsache verraten, dass er sich zu seinen anderen Gästen gesetzt hatte. Nur einfach Neugier? Aber Sennefer und Menmire? Noch einmal, was hatten diese Zwei gemeinsam. Sie waren jung, auf einer der untersten Stufe der Beförderung, mit der Aussicht auf höhere Ämter. Menmire sowieso, der mit Chnummose und dessen Totengut so etwas wie absolute Sicherheit gepachtet hatte, wenn er keinen gravierenden Fehler beging. Aber zunächst war Sennefer verschwunden. Neu ernannter Leiter einer neuen königlichen Weindomäne im Delta. Auch hier – gute Aussichten. Wenn man nicht versagte, stieg man mit zunehmendem Alter im Dienst auf. Hm. Beide stammten aus keinen alten Beamtenfamilien, beide waren nicht in der Palastschule sondern in Iunu gewesen. Wenn er irgendetwas über die Verschwundenen wissen wollte, müsste er im Tempel des Re nachfragen. Womöglich hatten die Jungen dort etwas gemeinsam gehabt, von dem niemand der sab-Beamten in Ibenu-hedj auch nur wissen konnte. Sie waren ungefähr gleich alt, ungefähr gleicher Hintergrund, die gleiche Schule – sie mussten sich gekannt haben. Und Ptahschepses? Ja, das war eine gute Frage. Seine Frau war im Kindbett verstorben, ein nur zu häufiges Schicksal, und er hatte sich eine neue Partnerin gesucht, um seine Herberge weiter betreiben zu können. Für Baketbes war er eine gute Partie gewesen – sicheres Einkommen, mit genügend Boni um sie und mögliche Kinder zu versorgen. Die einzigen Punkte, die das Ehepaar verdächtig machten, war die zu große Neugier des Ehemannes, die schlichte Tatsache, dass zwei ihrer Gäste spurlos verschwunden waren – und der Fakt, dass Baketbes Schmuck aus Türkisen besaß. Das war königlicher Schmuck. Hatte ihn ihr ihr Ehemann geschenkt? Unwahrscheinlich. Das gehörte dem Schatzhaus des Königs und wurde höchstens an Verwandte oder als seltenes Ehrengeschenk ausgegeben. Von einem der Opfer? Aber, woher hätte ein gerade fertig ausgebildeter Schreiber mit noch so guten Aussichten diesen Schmuck erhalten? Chnummose? Wieso hätte der solchen Ehrenschmuck weiter verschenken sollen? Das trug man selbst bei königlichen Empfängen voller Stolz. Und wer hatte überhaupt dafür gesorgt, dass Sennefer Leiter einer neuen Weindomäne wurde? Wo und für wen arbeiteten dessen Eltern? Die Türkise. Ja, er musste sich in Iunu umsehen. Aber letztendlich waren die Türkise ein Faden, der ihn und seine Gruppe weiterbringen würde. Zu ungewöhnlich waren sie – und zu sehr mit dem königlichen Hof verknüpft. Meruka nahm nicht an, dass sich Merit und Rahotep geirrt hatten, wenn sie vermuteten es seien Türkise. Drei Türkise. Natürlich konnte man auch das Ehepaar befragen, sie würden nach einer Tracht Prügel sicher reden, aber … Ja, aber. Wenn Türkise im Spiel waren, dann bestimmt auch ein sehr hochrangiger Beamter. Und den aufzuscheuchen, was bei einer Verhaftung der Zwei garantiert passieren würde, wäre unklug. Da steckte noch mehr dahinter. Zwei verschwundene Beamte, deren Fehlen fast nicht aufgefallen wäre. Anchnefer hatte es nur zufällig mitbekommen. Zwei Beamte, jung, dynamisch, ehrgeizig. Türkise. Wo lag da die Verbindung – und wer steckte dahinter? Meruka wurde, je länger er nachdachte, das Gefühl nicht los, dass er aus reinem Zufall hier einen Faden in die Hand bekommen hatte, der ihn sehr weit führen würde. Und, dass das der größte Fall seiner Laufbahn werden würde. Umso vorsichtiger, umsichtiger, sollten er und seine Partner agieren. Die Schule, die Lehrer und die Türkise. Zwei Spuren, denen sie folgen sollten. Und Merit konnte sich vor allem bezüglich letzterem mehr als nützlich erweisen.   Er richtete sich auf und sah zufrieden, wie sofort alle vom Spiel auf ihn blickten. So erhob er sich und nahm wieder in der Runde Platz. „Ich sehe zwei Anhaltspunkte, an denen wir ansetzen können“, begann er. „Die beiden Vermissten selbst und die Herberge, aber auch der Türkisschmuck. - Wir sind uns einig, dass zwei Männer verschwinden können, freiwillig oder unfreiwillig. Nur letzteres geht uns etwas an. Aber nach allem was wir wissen, sind sie unfreiwillig verschwunden. So bleibt die Frage des Warum. Was hatten sie gemeinsam. Ich werde als sab-Beamter mit Ptahnacht als offizielle Wache nach Iunu fahren und mich dort an der Schule umhören. Wer waren sie, kannten sie sich, und anderes. Merit, du kannst dich doch bestimmt unauffällig mit einem königlichen Juwelier unterhalten. Wer bekommt Türkise und zu welchem Zweck? Gibt es womöglich doch Personen außerhalb der königlichen Familie, die sie tragen? Wer erhält sie geschenkt? - Rahotep, versuche herauszufinden, ob noch jemand vermisst wird. Es ist nicht gesagt, dass das Büro des tjati immer von allem weiß. Leider. Falls in dieser Stadt wirklich ein Serienmörder herumläuft, sollten wir ihn schleunigst finden. - Nefer, bleib in deiner Tarnung. Ich fürchte, wir werden früher oder später deine Talente benötigen. Ich habe ein ungutes Gefühl.“ Die Verkleidungsspezialistin sah ihn an. „Du meinst, früher oder später sollte jemandem auffallen, dass er immer die gleichen Leute sieht?“ Sie konnte mit Schminke und Schmuck durchaus Personen so verändern, dass sie kaum wieder zu erkennen waren, wenn jemand nicht aufpasste. Was, zugegeben, die wenigsten Menschen bei Zufallsbekanntschaften taten. „Auch das.“ Der Gruppenleiter wollte nicht mehr sagen. Aber er hatte das unbehagliche Gefühl soeben Sachmet am Schwanz gepackt zu haben.   Das hölzerne Nilschiff glitt mit der fünfundzwanzig Mann starken Besatzung und den wenigen Passagieren ruhig durch die Mittagshitze mit der Strömung nach Norden. Ptahnacht, in seiner gewohnten Kleidung als königliche Wache, saß neben seinem Vorgesetzten in der Kabine. Hier im Schatten war es doch angenehmer. „Du spielst in Iunu einen Ermittler des tjati“, sagte er mit Blick auf das Schakalamulett auf der Brust des Gruppenleiters. „Und ich?“ „Du kannst dich so umhören, wie die Schüler ausgewählt werden.“ Meruka sah unwillkürlich zu dem Dach auf. Oben stand der Kapitän am Steuer, aber der würde einem so leisen Gespräch bei dem stetigen Gegenwind aus Norden kaum zuhören können. „Irgendetwas haben die Zwei gemeinsam. Und ich bete zu allen Göttern, dass es nur diese zwei sind.“ „Denke ich schon. Es würde doch irgendwann aufgefallen sein, wenn reihenweise Beamte verschwinden. Ich meine, die meisten Leute in kemet können weder lesen noch schreiben, mich eingeschlossen. Einer von hundert?“ „Reihenweise ja.“ Der Stiefsohn des königlichen Sieglers atmete durch. „Aber vielleicht haben wir nur den Anfang einer Kette in der Hand. Vielleicht waren sie die ersten Opfer, aber nicht die letzten. Oder auch nur die, die im Büro des tjati auffielen.“ „Autsch.“ Ptahnacht verstand. „Das Andere wurde nie gemeldet, glaubst du? Und ich dachte, unsere Bürokratie sei perfekt.“ „Von Perfektion und absoluter Überwachung sind wir leider noch weit entfernt.“ Das würde Ermittlungen doch deutlich vereinfachen. „Irgendetwas haben die zwei Opfer gemeinsam. Und ich werde erst wieder ruhig schlafen, wenn ich nicht nur weiß was, sondern wer noch.“ „Ich weiß.“ Ptahnacht liebte an seinem Beruf die Aufregungen, das Gefühl, wenn bei Gefahr Hitze durch seinen Körper strömte. Aber bei Meruka war das anders. Der sah das immer nur vom Kopf her, nüchtern. Und dennoch war der Kämpfer sicher – auch der war ein Fanatiker, besessen von dem Wunsch jeden Auftrag zu erfüllen. Aber, das waren sie wohl alle, selbst Rahotep. Bei der Neuen mochte es anders sein, dazu kannte er sie zu wenig. Aber sie hatte sich aus irgendeinem Grund für diese Sache interessiert, der semer sie empfohlen.   In dem Lehmziegelhaus nahe des steinernen Tempels des Sonnengottes in Iunu schreckte Sobekhotep, der Leiter, förmlich zusammen. „Du bist sicher?“ erkundigte er sich bei seinem Schreiber. Der zuckte etwas die Schultern. „Siegel des Büros des tjati, hier auf dem Schreiben.“ „Ich bitte natürlich um den Besuch.“ Sobekhotep war ungefähr genau so begeistert, als hätte ihm jemand in Aussicht gestellt seine Schwiegermutter zu besuchen. Nun ja, lieber das. Ein Besuch eines sab-Beamten konnte leicht mit der eigenen Amtsenthebung enden, mit einer Verbannung in die Granitminen als Dreingabe. Was hatte der tjati an seiner Arbeit auszusetzen? Die letzte Visite war doch durchaus gut verlaufen? Aber man sollte lieber höflich bleiben und so neigte er den Kopf vor dem Eintretenden. „Werter Ptahmose, willkommen an dieser Schule.“ Meruka, der diesen Namen gewählt hatte und wie stets von Anchnefer mit „echten“ Papieren versorgt worden war, winkte ein wenig zu seinem Begleiter. „Du kannst gehen.“ Erst dann sah er zu dem Schulleiter, dessen Befürchtungen er durchaus nachvollziehen konnte. „Mein Auftrag lautet mich nach zwei Schülern zu erkundigen.“ „Oh, natürlich. Bitte, nimm Platz.“ Zwei Schüler? Hatten die etwas angestellt, was auf die Schule oder gar deren Leiter, leider ihn, zurückfallen konnte? „Sie sind noch hier Schüler?“ „Nein, sie waren es. Sennefer und Menmire.“ „Sagt mir im Moment nichts, aber ich kann natürlich die Unterlagen suchen lassen. Haben sie etwas angestellt?“ „Sie haben sich vermutlich umbringen lassen.“ Meruka betrachtete die Reaktion seines Gegenübers – Erleichterung. „Oh.“ Nun, das war bedauerlich, aber wohl nichts, wofür man ihn tadeln oder bestrafen konnte. Sobekhotep dachte nach. „Sennefer sagt mir etwas. Oh, natürlich, der tjati war letztes Jahr hier und hat ihn mitgenommen.“ „Der tjati?“ DAS war überraschend. Menmires Verschwinden war dem tjati direkt gemeldet worden, war doch dessen Vorgesetzter Chnummose. „Äh, ja. Genau kann ich es natürlich erst sagen, wenn ich die entsprechenden Bücher habe, aber soweit ich mich entsinne war Sennefer der Sohn einfacher Bauern von einer Domäne des tjati. Er fiel da wohl jemandem auf und so wurde er als Schreiber ausgebildet. Bei der Kontrolle unserer Schule vor einigen Monaten, nun ja, ein halbes Jahr mag es her sein, fragte der tjati natürlich speziell nach den Leuten, die ihm unterstehen. Sennefer ist, war, sehr intelligent, und nach einem Gespräch beschloss der tjati ihn, und ich glaube, noch zwei junge Männer, auf seinen Domänen einzusetzen.“ Das erklärte Meruka, warum Sennefer zum Leiter einer neuen königlichen Domäne ernannt worden war. Förderung durch den Mann, auf dessen Land man geboren war. So hatte es Chnummose mit Menmire wohl auch gehalten. Ohne solche Förderung, vor allem zuerst durch den eigenen Vater, wenn der zu niederen Standes war, durch andere Männer, wurde man nichts. „Und er kannte Menmire?“ „Der sagt mir momentan gar nichts, aber ich kann natürlich die Akten suchen lassen.“ „Tue das. Und erzähle mir doch mehr über Sennefer.“ „Lieber erst, wenn ich die Papiere sehe, ich mag mich sonst irren. Wir haben doch in jedem Jahrgang dreißig Schüler.“ „Das ist viel.“ „Ja, der tjati war sehr zufrieden, dass wir so viele neue Beamte jedes Jahr in das Land schicken können. Es bedarf ja doch vieler Schreiber.“ Der Stolz des Schulleiters war deutlich zu erkennen. „Und ich muss betonen, wir könnten sogar mehr Jungen aufnehmen, wenn ich nur neue Lehrer bekomme. Das sagte ich dem tjati auch.“ Er stand auf. „Ich lasse rasch die Akten suchen.“ Nachdem er seinem Schreiber die Anweisung erteilt hatte, setzte er sich wieder zu seinem unwillkommenen Gast. „Sennefer, ja. Ich erinnere mich langsam. Zuerst ziemlich dumm, aber er lernte dann rasch. Er war intelligent, fleißig und nur vollkommen verwildert. Sein Vater ist wohl Rinderhirte oder so etwas. Und der Junge hatte so eine Art an sich ...“ Sobekhotep zuckte die Schultern, ehe er doch erklärte: „Hungrig, wenn du verstehst, was ich meine. Er wollte unbedingt lernen, aufsteigen, Schreiber werden.“ „Wie wir alle.“ „Äh, ja.“ Der erfahrene Schulleiter kannte auch Jungen, bei denen das alte Sprichwort zutraf: „Das Ohr eines Schülers sitzt auf dem Rücken, denn er hört nur, wenn er geschlagen wird“. „Oh, Moment. Du sagtest den anderen Namen?“ „Menmire?“ „Ja. Genau der. Das Gegenteil von Sennefer. Still, unauffällig. Ich glaube, auch da ist der Vater ein Bauer. Wir waren durchaus verwundert, dass sich diese Beiden angefreundet haben. Sie waren ein Jahrgang, aber dennoch.“ „Sie waren befreundet?“ Meruka erhoffte sich einen weiteren Hinweis. „Ja, wenn ich mich recht entsinne. Sennefer und ein Junge … Doch, ich denke das war Menmire. Aus dem Süden, Nechen?“ „Ja.“ Sobekhotep war angetan, dass er so einfach den sab-Beamten zufrieden stellen konnte. „Ich muss noch die Akte lesen, aber ich denke, ja. Sie waren dauernd zusammen, obwohl sie dermaßen verschieden waren. Menmire war ernsthaft, still, fleißig. Ich muss zugeben, ich hoffte, er würde hier in Iunu weiterlernen, Architekt werden. Er hatte alle Fähigkeiten zum Bauleiter, gerade in Mathematik. Sennefer war auch fleißig und ehrgeizig. Sehr ehrgeizig.“ Sobekhotep dachte nach. „Sie sind beide ermordet worden?“ „Davon ist auszugehen.“ „Das verstehe ich nicht. Menmire … Wie gesagt, ich dachte, er würde Architekt werden, das Zeug dazu hatte er, aber als Chnummose ihn nach Nechen zurückrief war er natürlich begeistert. Tja, lieber gleich Domänenverwalter, als noch Jahre zu lernen. Und, das muss ich auch sagen, Chnummose wollte ihn weiter fördern. Ich stellte dem Jungen auch ein gutes Zeugnis aus. Was wurde er dann?“ Meruka verstand den Lehrer. „Leiter der Totenstiftung für Chnummose.“ „Ah, der erste Schritt auf dem Weg zum Verwalter des kompletten Vermögens. Schade um den Jungen.“ „Und Sennefer?“ „Wie gesagt, er gehörte zu einer Domäne des tjati. Der kam, redete mit ihm und versprach ihn zu fördern. So ging er selbstverständlich mit. Was wurde er?“ „Leiter eines königlichen Weinguts im Delta.“ „Auch ein guter Anfang. Aber, warum mussten diese beiden Jungs sterben?“ Ja, dachte Meruka. Wenn er das wüsste.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)