Beweismittel Ag47 von Arcturus ================================================================================ Shafiq ------ 21. Dezember 2005 13:37 Uhr Whitehall; Britisches Zaubereiministerium; Flur City of Westminster London       Neun Stunden, ein Treffen mit seiner reizenden Schwägerin und eine große Portion Čupavci später war der Einsatz nach wie vor am Uranus. Er hatte nicht geschlafen. Lucinda Talky Talkalots sehr charmante und sehr wortreiche Abfuhr, die sich auf 'Komm wieder, wenn dir ein Gamotrichter Antrag A38 unterschrieben hat, in Schönschrift, bitte' reduzieren ließ, klingelte ihm wie ein Celestina Warbeck-Schlager in den Ohren. Sein höchst magischer, reinweißer, alles abweisender Schutzumhang stand vor Dreck und das Aroma von Nifflerexkrementen folgte ihm überall hin. Frisch gewaschen, umgezogen und immer noch müffelnd war er vor Daphne und drei Dutzend Hundewelpenfotos in die Spätschicht geflohen. Was ein kluger Schachzug hätte sein sollen, erwies sich als ein weiterer Eintrag für seine Liste der kompletten Reinfälle des Tages. Gut, es war für seine Stimmung selten zuträglich, wenn auf jedem Flur und in jedem Fahrstuhl des Ministeriums Weihnachtslieder in Dauerschleife dudelten – und in jedem ein anderes. Schon vor Wochen hatte das – seiner Meinung nach viel zu fleißige – Ministeriumspersonal die Musikzauber in den Räumen festgehext. Draco hätte sie dafür zwar nicht nur heute erschlagen können, aber heute war das Bedürfnis, einem der Facility-Magier den Hals umzudrehen, besonders groß. Schon das Atrium hatte ihn mit Jingle Bells in der Alle-Sprachen-dieser-Welt-und-in-Troll-Version vergrätzt und der Fahrstuhl machte es mit The Twelve Days of Christmas keinen Deut besser. Selbst, als er den zweiten Stock (und die „elven Pipers piping“) erreichte, besserte sich seine Laune nicht. Gut – seine Laune besserte sich nie, wenn das erste, was er nach Verlassen des Fahrstuhls sah, irgendwelche Zivilisten waren, die vor dem Eingang zur Rechtsmagie darauf lauerten, sich auf den nächstbesten Angestellten zu stürzen und ihn einmal kräftig zu schütteln. Und schütteln wollten die meisten. Nur die Anlässe variierten. Gelegentlich. Dieses Mal waren sie zu zweit, beides Hexen. Die Größere von Beiden trug ihr wallendes, schwarzbraunes Haar offen über den Rücken und neigte zu gewichtigen Gesten. Gerade deutete sie mit bebender Hand in Dracos allgemeine Richtung. Sie bemerkte ihn nur nicht, weil sie viel zu beschäftigt damit war, zu schimpfen wie ein Jarvey. „Unverantwortlich!“, hörte er sie zetern, „Wann verstehst du endlich, dass deine Unvernunft dich noch ins Grab – oder schlimmer! Nach Azkaban! – bringen wird? Als würde es nicht genügen, dass dieser dahergelaufene Kerl dir Flausen in den Kopf setzt!“ Mit jedem Wort sackte ihre Gesprächspartnerin, die Arme vor der Brust verschränkt und die Lippen zusammengepresst, weiter in sich zusammen. Draco konnte es ihr nicht einmal verübeln – seitdem er seinen Eltern Astoria vorgestellt hatte, kannte er diese Predigten besser, als ihm lieb war. „Lennon setzt mir keine Flausen in den Kopf!“ „Nein? Und wie kommst du dann auf die glorreiche Idee, dich bei diesem Bruchbude in der Le-Fay-Road herumzutreiben?“ „Diese Bruchbude in der Le-Fay-Road ist eine Suppenküche!“ „Erzähl mir nichts! Bruchbude ist Bruchbude!“ „Wir versorgen dort die Opfer der Schreckensherrschaft mit warmen Mahlzeiten-“ „Opfern? Werwölfe und Kleinkriminelle! Irgendwann wird einer von ihnen dich anfallen und dann? Warum setzt du dich diesem Gesindel aus?“ Draco sah, wie sie hilfesuchend den Gang hinab spähte. In dem Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, erkannte er sie – es war die Zivilistin von den Caves. Sie trug noch immer ihr Hijab, doch ein stahlblauer Umhang verbarg mittlerweile die Muggeljeans. Als sie verstand, dass er ihr nicht beispringen würde, reckte sie das Kinn. „Weil es meine Pflicht ist, Khalilah.“ „Pflicht?“ Khalilah warf die Hände in die Höhe. „Kalima, du siehst das als deine Pflicht? War es auch deine Pflicht, diese abstrusen Flugblätter in der Winkelgasse zu verteilen? Und die Eulerei in Hogwarts zu beschmieren? Unseren Hauselfen freizulassen?“ „Ja.“ Es war nur ein Wort, doch es ließ Khalilah schweigen. Vielleicht brachte es sie auch einfach nur zu sehr aus der Fassung, um ihren Ärger artikulieren zu können. Letztendlich war es Draco auch egal. Er nutzte den Moment, um den Kopf zu senken und an den beiden Frauen vorbeizumarschieren. War es feige, sich ihnen nicht als Mitarbeiter der Rechtsmagie zu offenbaren? Ziemlich sicher. Aber es war auch bedeutend einfacher. Erst, als er den Getränkeautomaten erreichte, den sonst nur die Auroren frequentierten, blieb er stehen.   „Unsere Eltern sind nicht dafür gestorben, damit du dich in Gefahr bringst!“, hörte er Khalilah sagen, selbst einen Gang weiter noch laut genug, um jedes Wort zu verstehen. Spätestens bei dem Wort Eltern wusste er, dass er nicht weiter hinhören sollte. „Unsere Eltern sind dafür gestorben, damit diese Gesellschaft lebenswert bleibt! Lebenswert wird. Auch wenn sie in Hogwarts keine Schüler mehr foltern, sind wir noch lange nicht da, wo wir sein sollten- nein, Aber Kalima! mich nicht, Schwester! Du erinnerst dich an dieses Jahr genauso gut wie ich!“ Dracos Mund wurde trocken. Er konnte nicht sagen, ob Khalilah sich an dieses Jahr erinnerte.  Er tat es. „Ich … Kalima-“ Draco hörte sich das Aber Kalima! nicht an. Er las die Angebotsliste des Getränkeautomaten, so lange bis sie vor seinen Augen schwamm. Kaffee. Café au Lait. Cappuccino. Eggnog Latte. Assam. Darjeeling. Ceylon. English Breakfast. Masala Chai. Schwarztee mit Sahne. Schwarztee mit Rosenblüten. Schwarztee mit Gurdyrootschalen. Schwarztee mit Schokofroscharoma-   * * *   „Mister, Ihr Tee wird kalt.“ Draco schreckte so sehr zusammen, er hätte beinahe auf drei Tee-Knöpfe gleichzeitig gedrückt. „Was- Wie?“ Grelle, weiße Schrift folgte seinem Blick – Masala Chai – Schwarztee mit Schokofroscharoma - Er blinzelte. Grüner Tee mit Apfelaroma wurde zu einer jungen Frau mit safrangelbem Hijab. Draco blinzelte noch einmal, schaute zu ihr und zurück zum Getränkeautomaten. Tatsächlich – im Ausgabefach stand ein Becher, ohne, dass er sich daran erinnerte, ihn tatsächlich bestellt zu haben. Er hatte English Breakfast gewollt, mit Milch und wenig Zucker, das wusste er noch. Langsam griff er nach dem Pappbecher. „Ich, ähm- Ich war abgelenkt“, gestand er, während er sein Getränk aus der Automatenhalterung zog. Sie – Kalima, wie sein Kurzzeitgedächtnis ihm nach einem Moment des Grübelns hilfsbereit mitteilte – lachte leise. „Ja. Ich fürchte, meine Schwester und ich sind so. Aber Sie können aufhören, sich zu verstecken. Der Nundu ist in seine Höhle zurückgekehrt.“ „Nundu?“ Draco hörte auf, an seinem Tee schnüffeln – Erdbeeraroma. Igitt! – und ließ den Becher sinken. „Dieser Vergleich ist … nicht sonderlich schmeichelhaft. Wenn ich das sagen darf.“ Kalima winkte ab. „Selbst Großmutter nennt sie so“, verkündete sie, als sei es das normalste der Welt. „Und es ist nicht so, als hätten Sie sich keinen Gefallen getan, Mister. Nachdem sie gehört hat, dass die Aurorenzentrale mich und Lennon festgenommen hat, war sie außer sich. Sie hat die Hälfte ihrer Mittagspause damit verbracht, Inspector Graves anzuschreien. Oder zumindest so lange, bis er ihr lang genug ins Wort fallen konnte, um ihr zu verklickern, dass ich a) auf freiem Fuß bin und b) die Rechtsmagie meinen Zauberstab hat. Seitdem hat sie hier darauf gelauert, dass ihr jemand die Tür aufmacht und-“ „Sich schütteln lässt.“ „Ich fürchte, ja.“ Während sie sprach, zupfte sie an einer Franse ihres Kopftuchs. „Sie sind Draco Malfoy, richtig? Mein Name ist Kalima Shafiq.“ „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Shafiq.“ Ja, es war nur eine Floskel – aber er war auch noch dabei, Ihren Nachnamen richtig einzuordnen. Draco wusste, dass die Shafiqs eine altehrwürdige, reinblütige Familie waren. Eine der Unantastbaren Achtundzwanzig, wenn er sich noch richtig an das Reinblutverzeichnis erinnerte und … Nein. An mehr erinnerte er sich nicht. Keine herausragenden Forscher, keine großen Namen im Ministerium. Sicher hätte selbst sein Vater nur ihren Blutstatus zu loben gewusst, wenn auch nicht ihr Kopftuch- Er verwarf den Gedanken und nickte stattdessen. „Und ja, ich bin Draco Malfoy. Ich fürchte, ich bin der furchtbare Rechtsmagier, der Ihren Zauberstab hat, Miss.“ „Kalima genügt. Ich- Meine Schwester erwartet von mir, dass ich Sie bedränge, bis Sie ihn mir wiedergeben. Aber ich weiß, dass Sie nur Ihren Job machen. Khalilah will das nicht hören, aber letztendlich helfen Sie damit auch mir.“ Draco warf ihr einen Blick unter hochgezogenen Augenbrauen zu. So dankbar er auch dafür war, dass sie ihn nicht schüttelte, er kannte auch diese Taktik. Er gönnte sich ein schiefes Lächeln. „Sie wären nur dankbar dafür, wenn ich ihn schnell erledige, oder, Kalima?“ „Nun… erwischt. Ja.“ Erneut an der gelben Franse zupfend, erwiderte sie das Lächeln dünn. „Es ist ein unangenehmes Gefühl, keinen Zauberstab zu haben, während alle um einen herum wutschen und wedeln und sogar ihre Schuhe mit Magie schnüren.“ Ja. Düster erinnerte er sich noch an die Zeit nach der Schlacht, während Shacklebolts Gamot darüber nachgedacht hatte, ob es ihn und seine Familie freisprechen oder doch lieber in Askabans tiefstes Loch werfen sollte. Wenn Draco in dieser Zeit etwas gelernt hatte – also abgesehen davon, dass es eine beschissene Idee war, sich einem nasenlosen Terroristen anzuschließen und anschließend den von selbigem angezettelten Bürgerkrieg zu verlieren – dann war es das Binden seiner Schuhe. Er schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben. „Es ist eine Routineuntersuchung“, erklärte er, auch, um sich selbst zu beruhigen. „Wenn ich feststelle, dass Sie mit ihrem Zauberstab in den letzten Tagen keinen schlimmeren Zauber gesprochen haben, als einen Alohomora auf das geheime Süßigkeitenversteck Ihrer Schwester, haben Sie ihn vor Dienstende wieder.“ „Und wenn Sie feststellen, dass ich schlimmere Zauber gesprochen habe, als den Alohomora, habe ich ganz andere Probleme, ich weiß.“ Trotz ihrer Worte – und ihrer Situation – grinste sie. Vermutlich konnte sie sich das erlauben. Hätte Morgan in ihr tatsächlich eine Gefahr gesehen, sie säße längst in Zelle D. „Ich wäre Ihnen allerdings sehr verbunden, wenn Sie diesen Alohomora weder gegenüber Khalilah, noch gegenüber Nasirah erwähnen würden.“ Amüsiert hob er eine Augenbraue. „Nasirah? Noch ein Nundu?“ „Nein, nein, nicht doch“, antwortete Kalima hastig, doch in ihren Augen glitzerte Schalk. „Nur ein Erumpent.“ „Klingt charmant.“ „Eher explosiv.“ „Liegt in der Familie, huh?“ Einen Augenblick lang starrte Kalima ihn an. Entrüstet öffnete sie den Mund, doch der Protest blieb aus. Stattdessen prustete sie. Selbst hinter der Hand, die sie sich vor's Gesicht hielt, sah Draco, wie sie rot anlief. „Ich- Nein, also ... Vielleicht ein wenig“, gab sie zu. „Khalilah meckert bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Nasirah hat einen richtig fiesen Furunkelfluch drauf und ich … eventuell neige ich dazu, mir Schlachten auszusuchen, die nicht ganz ungefährlich sind. Oder legal …“ „Sie müssen bei mir nicht beichten, Kalima.“ Kalima nickte. Einen Moment lang sah sie aus, als würde sie tatsächlich schweigen, dann sprach sie doch. „Wir wollten Flugblätter an die Scheiben hexen“, gestand sie. „Man sieht es Circe's Backyards unter all dem Gefunkel und Geglitzer nicht an, aber die Haltungsbedingungen sind katastrophal. Das Futter ist nicht artgerecht. Die Ställe werden nicht gereinigt. Es heißt, den letzten Veterinärmagier, den das Ministerium geschickt hat, haben sie mit einem Confundus belegt. Er hat die Anlagen nie gesehen.“ Draco sagte nichts. Nachts in einen Vergnügungspark einzubrechen, und sei es, um auf desaströse Haltungsbedingungen aufmerksam zu machen, war nichts, was er unterstützen sollte. Doch ihr zu sagen, dass sie im Unrecht war, konnte er nach der letzten Nacht nicht mehr. Er hatte es ja selbst gesehen. Die trostlosen Gehege. Den Rost. Den Dreck. Die Nifflersch- „Silversteen … er ist einer von Flamels Erben. Seine Söhne auch. Seine Frau – keine Ahnung.“ „Flamels Erben, huh?“, echote Draco leise. In Gedanken kaute er auf den Worten herum. Draco kannte die Erben – jeder Alchemist tat das. Sie waren ein loser Zusammenschluss von Magiern, die die ganze Innung in Verruf brachten. Schwarzmagier, alle miteinander. Auch wenn Kalima es nicht wusste, nicht wissen konnte, fügten sich für ihn gerade Puzzleteile zusammen. Das Zaubertranklabor in den Caves, die Niffler, das herumliegende Gold. All das stank nach illegaler Forschung und wenn die Silversteens tatsächlich zu Flamels Erben gehörten, dann wusste er auch, wonach sie suchten. „Sie betreiben den Park nur, um Geld für ihre Forschung aufzutreiben. Und die Tierwesen – die haben sie nur wegen ihrer Hörner und ihrer Haare und was auch immer sie in ihre Tränke tun. Vermutlich experimentieren sie auch an ihnen, aber das kann ihnen bislang niemand beweisen … Die Tierwesen sind ihnen egal, genauso wie die Sicherheit der Besucher.“ Draco nickte, in Gedanken bereits bei den Zaubern, die er prüfen wollte. Nachdenklich nippte er an seinem Tee – und bereute es einen Augenblick später. Aroma, das nicht in einen ordentlichen Tee gehörte, flutete seinen Mund. Fruchtig und süß und- Einen Moment lang wollte er spucken, schluckte dann doch und hustete. „Mr Malfoy?“, hörte er Kalima neben sich. „Haben Sie sich verschluckt?“ Er konnte nur krächzen. „Schlimmer … Erdbeergeschmack.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)