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Beweismittel Ag47

von

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Graves


 

21. Dezember 2005

04:11 Uhr

Circe‘s Backyards; bei den Golden Caves

North Bovey

Devon

 

 

 

Bei den Golden Caves handelte es sich um eine Reihe von Gehegen, eingebettet in einen magisch konstruierten Miniaturberg. Während der Öffnungszeiten glänzten und funkelten die einzelnen Caves wie magisches Gold, doch in der Nacht glommen sie nicht einmal.

Wie erwartet sah Draco sie dennoch bereits von Weitem.

Insofern keine äußerste Geheimhaltung von Nöten war, neigten die Angestellten der Magischen Strafverfolgungsbehörde dazu, nächtliche Tatorte bis in den letzten Winkel auszuleuchten, und Auroren waren keine Ausnahme.

Auch bei den Golden Caves hatte längst jemand seine Leuchtzauber gesprochen. Das gesamte Areal strahlte heller als der Tower bei Nacht. Der magische Schnee, der Circe's Backyards bereits seit Anfang Dezember in ein Winterwunderland verwandelte, verstärkte den Effekt noch. Wie ein weiter, weißer Spiegel reflektierte er die Leuchtzauber in jede noch so entlegene Ecke.

Selbst wenn Draco gewollt hätte, er hätte sich nicht in den Schatten zu den Caves schleichen können. Es gab schlicht keine Schatten.

Um den Lichtkreis schlängelte sich das typische, violett und weiß gestreifte Flatterband der Strafverfolgungsbehörde. In dem perfekten Kreis, das es um die Anlage bildete, konnte er die ersten echten Auroren ausmachen. Auf Anhieb zählte Draco fünf von ihnen. Zwei Magier in der offiziellen Uniform der Aurorenzentrale untersuchten gerade etwas, das ein Mitarbeitereingang sein musste. Etwas weiter links, bei einer der Bänke, von denen die Besucher tagsüber irgendwelche niedlichen Tierwesen beobachten konnten, redete eine Gruppe von Magiern miteinander, doch nur zwei von ihnen waren uniformiert. Ein letzter Auror, vermutlich ein Trainee, hetzte schließlich einem kleinen, schwarzen Fleck hinterher.

Leider schrie keiner von ihnen bereits auf zwanzig Metern Entfernung: „Hallo, ich bin ein Graves!“

Gut, den Vermutlich-Trainee konnte er sicher ausschließen – und das nicht nur, weil der Vorsprung des Flecks immer großer wurde. Trotzdem wäre ihm wohler gewesen, hätte er die zierliche Silhouette von Valeska Graves bei dem Bank-Grüppchen gesehen. Selbst mit Nenad Graves – soweit er wusste Valeskas jüngerer Bruder und kein Freund seiner verblichenen Tante Bellatrix – hätte er sich arrangieren können. Irgendwie.

Doch ein Graves, den er nicht kannte? Das bedeutete selten etwas Gutes.

Vor allem nicht, wenn besagter Graves seinen Namen und seine Anstellung gut genug kannte, um ihn an einem Mittwochmorgen um halb vier aus dem Bett werfen zu lassen. Wallace Graves, der diese Nummer bereits vor drei Jahren abgezogen hatte, war ein Albtraum für sich gewesen. Das er Richter beim Gamot war, machte es nicht besser.

Doch auch ihn konnte er nicht unter den anwesenden Gestalten ausmachen.

Dracos Stimmung, die sich dank der letzten Sticheleien deutlich gebessert hatte, sank zurück Richtung Gefrierpunkt. Unbegeistert ließ er Abercrombie den Vortritt, als sie das Flatterband erreichten. Das jedoch gab dem Auroren, der nach dem letzten Seitenhieb auffällig interessiert an den Gehegen am Wegesrand und auffällig uninteressiert an weiterem Smalltalk geworden war, offenbar die gute Laune zurück.

„Hier entlang, Sir!“

Mit mehr Elan, als um vier Uhr nachts angemessen war, hob er das Flatterband hoch genug, damit sie beide bequem darunter hindurch gehen konnten.

Draco spürte die Magie des Bandes wie einen kalten Schauer auf seiner Haut, kaum, dass er unter dem Band hinweg trat. Er hasste dieses Gefühl, hatte es schon seit seinem ersten Tag bei der Strafverfolgung gehasst, doch Abercrombie ließ es völlig kalt. Unbeirrt steuerte er auf das Trüppchen bei der Bank zu und Draco blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
 

 
 

* * *

 

Inspector Graves, so stellte sich heraus, war ein Mann um die Dreißig und ging Draco vielleicht bis zum Kinn. Er trug sein dunkles Haar kurz, seine Uniform eher praktisch als offiziell und seinen Zauberstab in einer Halterung unter dem linken Ärmel.

Leider stellte Inspector Graves sich auch als ein bekanntes Gesicht heraus. Also bekannt wie in Eigentlich hatte ich nach der letzten Weihnachtsfeier gehofft, dir nie im Dienst zu begegnen-bekannt.

Allein der Blick, den der Auror ihm über seine Schulter hinweg zuwarf, genügte, um Erinnerungen an eben jene Feier wachzurütteln. Erinnerungen an Gawain Robards Jahresrückblick, an Butterbierphilosophien, Shacklebolt-Witze und die Flucht vor Harry Ich-vermehre-mich-schneller-als-ein-Wiesel Potter. Erinnerungen an die Wette mit Michael Corner und alles, was dadurch den Regenbogen runter gegangen war.

Gerne hätte Draco sie alle dem nächstbesten Einhorn in den Rachen gestopft, doch das war genauso unmöglich, wie es das Ausweichen auf einen anderen Gesprächspartner war. Die einzige andere Aurorin der Gruppe war ausgerechnet Romilda Vane, für die Draco standardmäßig nicht einmal den Elan aufbrachte, sie Constable zu nennen. Bei den anderen beiden Anwesenden handelte es sich um Teenager: Ein Junge mit grünen Haaren und coolem Lederumhang und ein Mädchen mit Muggeljeans und safrangelbem Hijab. Beide waren eindeutig Zivilisten.

Alle drei waren eindeutig keine Alternative.

„Morgan“, würgte Draco schließlich hervor, das Gewieher von Einhörnern wieder halb im Ohr und den Geschmack von Irdessa‘s Best Rainbow Liqueur auf der Zunge.

Erst jetzt drehte Graves – Morgan – sich um. Die Bewegung gab den Blick frei auf einen Becherhalter, den er auf seiner rechten Hand balancierte. In zwei der vier Halterungen steckten Pappbecher mit Circe's Backyards-Logo. Zwei weitere Becher entdeckte er in den Händen der beiden Teenager, Vane hatte auch einen. Die düstere Erinnerung an die Getränkeautomaten, die der Betreiber der Backyards an jeder Ecke aufgestellt hatte und an denen die Besucher ein paar Sickel gegen abstruse Heißgetränke eintauschen konnten, nagte an ihm, doch Draco fragte nicht nach, erwiderte nur Graves Blick.

Einen Moment lang taxierten sie einander, beide auf der Suche nach dem Status Quo. Dracos Suche endete bei ihrer Begegnung auf dem Herrenklo und bei Fragen, die er besser nicht gestellt hätte. Ob Morgans Suche bei der gleichen Begegnung endete, war schwer zu sagen – in seinen braunen Augen funkelte es unheilverkündend.

„Draco“, erwiderte er schließlich. „Du bist schneller, als ich erwartet hätte. Und ganz in weiß, wunderbar.“

Draco verkniff sich das theatralische Seufzen. Stattdessen breitete er die Arme aus, um seinen Umhang zu präsentieren. Angesichts der Leuchtzauber wirkte er in dem Ding sicher blendend. Er hoffte, es tat weh.

„Genau wie bestellt“, antwortete er, ließ dann aber die Arme sinken. „Wenn du Albinowitze machen willst, tu es gleich.“

Morgan zog die Augenbrauen hoch.

„Albinos? Ich dachte, die Pfaue deines Vaters sind keine Albinos? Auch wenn der Rest passt – weiß und bissig, das waren sie doch, oder?“

Vage war Draco sich der Blicke der übrigen Anwesenden bewusst. In seinem Augenwinkel stellte Vane ihren Pappbecher ab. Abercrombie senkte seinen Zauberstabarm. Die beiden Teenager starrten sie an, als würde zumindest einer von ihnen jeden Augenblick explodieren.

Tatsächlich dachte Draco nicht daran, ihnen den Gefallen zu tun – er erkannte ein Friedensangebot, wenn man vor seiner Nase damit herumwedelte. Darauf zu verzichten, ihn ein Frettchen zu nennen, war eines.

„Sie beißen nicht, sie picken.“

„Ist mir einerlei, solang sie nachtaktiv sind.“

„Sind sie nicht“, gab Draco zurück, auch wenn er eigentlich keine Ahnung vom Tagesrhythmus eines Pfaus hatte. „Sie haben Spätschicht und können nachts nur auf Koffeinbasis existieren.“

„Wenn das so ist-“ Unzeremoniell hielt Morgan ihm den Becherhalter mitsamt Circe's Backyards-Albtraum entgegen. „Nimm dir einen. Vane, sag White, sie soll unsere Zeugen in die Zentrale bringen. Abercrombie, hilf Harper mit den Viechern. Oh und wenn die Presse hier auftaucht … sorgt dafür, dass sie nicht hier auftaucht, verstanden?“

Vane murmelte etwas, das nur entfernt wie „Ja … Sir“ klang. Sich in ihr Schicksal fügend griff sie nach ihrem Pappbecher und dirigierte die beiden Teenager in die Richtung, in der sich ihre Kollegin befinden mochte, davon.

Abercrombie hingegen blieb stehen, wo er war. Draco sah ihm und dem Blicktausch mit seinem Vorgesetzten nur nicht zu, weil er immer noch die beiden Pappbecher in Morgans Hand anstarrte.

„Ja, Abercrombie?“, hörte er Morgan fragen, während er in Gedanken die Angebotsliste der Getränkeautomaten durchging.

„Ich- Ist es nicht Aufgabe der Beast Division, sich um die entkommen Tierwesen zu kümmern?“

Stille antwortete ihm. Sie war zum Schneiden dick und so düster, das Draco davon absah, einen spitzen Seitenhieb bezüglich Morgans Heißgetränkewahl dazwischen zu werfen. Abercrombie war nicht so clever. Todesmutig, wie der Gryffindor, der er war, plapperte er weiter.

„Meine Ausbildung ist fast abgeschlossen, Sir. Sollte ich Sie nicht begleiten? Ich meine, ich könnte-“

Mit jedem Wort aus Abercrombies Mund verfinstere Morgans Blick sich weiter. Draco kannte sein Hogwartshaus nicht, doch bei dem Gewitter, das sich hinter seiner stoischen Miene zusammenbraute, blieben nicht viele Möglichkeiten. Entweder, entschied er, war er ein ehemaliger Slytherin oder aber ein sehr, sehr verärgerter Hufflepuff.

Als Morgan dem Trainee schließlich ins Wort fiel, hob er seine Stimme nicht. Es war auch gar nicht notwendig – die Drohung klang leise deutlich wirkungsvoller, als sie es gebrüllt je hätte tun können.

„Du kannst Potter begleiten, wenn er wieder etwas hört. Bis dahin wirst du diesen Zoo zusammentreiben, wenn du nicht willst, dass der Snitchnip dort drüben mit dir den Platz tauscht. Haben wir uns verstanden, oder muss ich mich auf Troll wiederholen?“

Abercrombie öffnete den Mund, doch der Protest blieb aus. Ohne ein weiteres Wort hastete er davon.

Sie sahen ihm beide nach.

„Und was ist mit dir?“, hörte er Morgan schließlich fragen. „Nimmst du dir jetzt einen?“

Auffordernd hob er den Becherhalter noch etwas weiter an. Einer der beiden Becher kam Draco dabei nah genug, dass er schielen musste, wenn er auf das Logo sehen wollte. Wollte er nicht. Skeptisch blickte er über den Deckel des Gefäßes.

„Was ist da drin?“, fragte er, während er nach dem Becher griff.

„Schwarzer Tee.“

„Und was sonst noch?“

„Lass dich überraschen?“

Wider besseren Wissens löste Draco den Becher aus seiner Halterung. Skeptisch schnüffelte er an der kleinen Öffnung, durch die er den Tee hätte trinken können. Er roch vieles, aber sicher keinen harmlosen Schwarztee. Ein fruchtiges Aroma kroch ihm in die Nase und er war sich sicher, Zimt zu riechen.

Langsam ließ er den Becher sinken.

„Er hat mehr Aufputschtränke intus, als die Ravenclaws meines Jahrgangs bei ihren OWL zusammen.“

Ohne noch einmal in die Richtung zu blicken, in die Abercrombie verschwunden war, setzte Morgan sich in Bewegung. Trotz ihres Größenunterschieds, der eindeutig zu Dracos Gunsten ausfiel, hatte er Probleme, mit dem Auroren mitzuhalten.

„Du weißt das. Ich weiß das …“, antwortete Morgan, während er auf den nächsten Personaleingang zusteuerte. Er klang nicht sonderlich beeindruckt. „Selbst Vane weiß das …“

„Aber?“

Morgan zuckte mit den Achseln. „Er ist Potters Trainee.“

„Wo ist dann Potter?“

„Auf dem Konzert meines Bruder, Merton. Das große Weihnachts-Benefizkonzert, blah, blah, blah. Gerüchten zufolge hat er noch kein Weihnachtsgeschenk für seine reizende Gattin und sie fliegt auf die Weird Sisters.“

Draco öffnete den Mund, verkniff sich den Kommentar dann doch. Er wusste nicht, was ihn mehr irritierte – dass Morgan nicht nur gefühlt mit der halben Strafverfolgungsbehörde verwandt war, sondern auch mit Cellist der angesagtesten Wizard Rock-Band Englands, oder das Potter seine Position in der Aurorenzentrale ausnutzte, um sich Autogramme und Merchandise zu erschleichen.

Wobei, nein, letzteres irritierte ihn mehr.

„Wenn Potter seine Nachtschicht gerade damit verbringt, so zu tun, als hätte er Backstage-Pässe, warum ist sein Trainee dann hier?“

Morgan machte ein Geräusch, das sich verdächtig wie ein Tsk anhörte.

„Es ist sein drittes Jahr. Du weißt schon-“ Mit einer knappen Bewegung löste Morgan den letzten Becher aus der Papphalterung. Ohne ihr weitere Beachtung zu schenken, warf er die Halterung in den nächstbesten Mülleimer, den sie passierten. Es war kein sonderlich sauberer Wurf und wäre sicher daneben gegangen, hätte der Mülleimer nicht just in diesem Moment eine lange, grüne Zunge ausgestreckt. Geschickt fischte sie die Pappe aus der Luft, schmatzte, dann schloss sich die Öffnung des Eimers.

Über die langsam leiser werdenden Kaugeräusche hinweg fuhr Morgan fort: „Es ist sein letztes Jahr. Das Jahr, in dem man die herausragend ausgebildeten, neuen Kräfte der Zentrale in die weite, britische Welt hinaus schickt, damit sie Erfahrungen machen, echte Schwarzmagier sehen und lernen, welchen Vorgesetzten sie den guten Assam bringen.“

Erneut schnüffelte Draco an seinem Tee. Nein, das war kein Assam – und erst recht kein Guter.

„Das heißt, entweder, er lernt jetzt schwimmen und wird Auror oder-“

„Er geht unter wie ein Stein.“

Hinter ihnen rülpste der Mülleimer zufrieden.
 

 
 

* * *

 

Der Teebecher, den Morgan ihm aufgenötigt hatte, war verhext. Draco spürte es erst, als sie das erste Gehege nah genug passierten, um die Feen darin erkennen zu können, die auf ein paar halb kahlen Ästen hockten und träge mit den Flügeln schlugen. Zu Beginn war es nur ein leichter Impuls, kaum mehr als ein Ziehen in der Hand. Nur die Idee, das Bedürfnis, es Morgan gleich tun und an seinem zu Tee nippen. Ein paar Schritte später kam die Gewissheit hinzu, dass der Tee ihm schmecken würde.

Als sie das nächste Gehege erreichten, war er sicher, zu wissen, welcher Zauber dahinter steckte. Eigentlich nur ein plumpes Stück Magie, das Verkäufer gern verwendeten, um Kunden zum Kauf zu animieren, und natürlich illegal. Und obwohl er es wusste, brachte Draco es da schon nicht mehr über sich, den Becher einfach in den Schnee zu stellen und zu tun, als habe er nie existiert.

Missmutig starrte Draco in die Gehege zu seiner Linken, auch wenn ihn weder Snitchnips noch Pixies sonderlich interessierten. Er stellte lediglich fest, dass der goldene Glanz fehlte, in denen die einzelnen Caves während der Öffnungszeiten erstrahlten. Und nicht nur der Glanz fehlte – aus dem Nifflergehege hatte man auch die Münzen entfernt, die die Besucher tagsüber durch einen Schlitz im Glas ins Gehege werfen konnten.

Alles in allem passte das, befand er. Nicht nur zu dem Bild, das Draco von Circe's Backyards hatte, sondern auch zu dem Schweigen, das sich zwischen ihm und seinen Begleiter ausgebreitet hatte.

Jetzt, da alles über Abercrombie gesagt war, was gesagt werden musste, war auch die Gewissheit wieder da, das er ihren neuen Status Quo nach der Sache auf der Herrentoilette noch immer nicht kannte. Es ließ seine Gedanken wandern – zu den Gesprächen vor der Wette, zu seinen dummen Fragen, zu Tee-

Zu spät ertappte er sich dabei, wie er nippte. Flüssigkeit ran über seine Lippen, dann über seine Zunge. Vage spürte er Morgans Blick auf sich – dann schmeckte er. Zuerst war da Sahne, viel zu viel davon, und viel zu süß. Schwach folgte das Aroma von Tee, darunter Gewürze, noch mehr Sahne und dann – Orange. Beinahe, als hätte er statt an Tee an Saft genippt und zwar an dem Billigzeug aus dem Muggelsupermarkt. Draco tat das erste, das seinen Geschmacksknospen einfiel – er spuckte.

Orangensafttee sprühte über seine Kleidung und über die Glasscheibe des Geheges. Nur von seinem Umhang perlte das Zeug ab. Hinter sich hörte er Morgan lachen.

Draco ignorierte den Blick. Ohne weiter auf die Spritzer auf seinem Ärmel zu achten, wischte er sich über den Mund.

„Du bist immer noch sauer“, stellte er fest, den Blick nicht auf Morgan gerichtet, sondern auf den Niffler hinter der Scheibe. Das Tier lag auf einem der Felsen, die man in seinem Gehege arrangiert hatte und wirkte ohne die Münzen, in denen es normalerweise spielte, seltsam verloren. Als es die hellen Spritzer bemerkte, die auf der Gehegescheibe glitzerten, sah es auf.

Hinter sich hörte er Schritte im Schnee. In der Spiegelung der Scheibe konnte Draco nur erahnen, wie Morgan hinter ihm die Arme vor der Brust verschränkte. Vor ihm war der Niffler von seinem Felsen gekrochen und patschte mit seinen Pfoten nach den glitzernden Tropfen.

„Wenn du kein Stillschweigen bewahrst“, verkündete er, „werde ich dich in einen Niffler verwandeln, dir ein buntes Schleifchen umbinden und dich den Weasleys zu Weihnachten schenken.“

Jetzt drehte Draco sich doch um, entgeistert. Er suchte nach einem Anzeichen dafür, dass Morgan seine Worte nicht ernst meinte, doch der war Auror – seine Mimik verriet nichts.

„Bitte … was?“

Zur Antwort schüttelte Morgan den Kopf. Als er schließlich aufsah, war das Funkeln von vorhin zurück.

„Das wollte ich dir sagen, nachdem du sämtliche Bitte nicht stören-Zauber ignoriert hast und in diese dämliche Klo geplatzt bist.“

Draco öffnete den Mund. Es gab viele Dinge, das er in diesem Moment sagen wollte. 'Es tut mir Leid' war eins davon, 'Das ganze Gelände war voller Magier, die alle möglichen Türen versperrt haben, ich konnte doch nicht ahnen, dass diese eine Tür ernst gemeint war!' ein anderes.

„Also wirklich, was erwartest du denn? Ich hatte Regenbogenkotze auf meinem besten Umhang! Das Zeug ist überall durchgesifft. Selbst meine Unterhose hat immer noch bunte Streifen!“ gehörte nicht dazu, machte aber trotzdem das Rennen.

Einen Augenblick lang starrten sie einander an.

Morgans Mundwinkel zuckten. Das Amüsement spiegelte sich in seinen Augen.

„Sag nicht, du trägst das Ding immer noch.“

Draco spürte, wie er rot wurde.

„Nein, tue ich nicht“, murrte er. Um den Umhang war es immer noch schade, doch Draco hatte nicht vor, dieses Thema weiter zu vertiefen. Er ahnte, dass er seinem Gegenüber damit nur noch mehr Munition geben würde.

„Du weißt“, sagte er stattdessen, „dass Mafalda Hopkirk sieben verschiedene Tränke schluckt, um in ihrem Alter noch Mal schwanger zu werden und dass Phoebus Penrose sich neuerdings mit Alihotsywurzeln einreibt, damit er besser bei den Hexen im Büro nebenan ankommt? Oder Dawlish sich Doxykot ins Haar schmiert, weil er glaubt, das würde gegen seine Geheimratsecken helfen?“

Morgans Blick sprach Bände – zumindest, was den Doxykot anbelangte.

„Ich weiß es“, fuhr Draco ungerührt fort. „Und weißt du, woher ich das weiß? Ich rieche es.“

Natürlich war das nur ein Teil der Wahrheit. Wenn man darauf angewiesen war, die Stimmung der Menschen in seinem Umfeld zu kennen, bevor sie einen an den Karren pissten, schnappte man irgendwann einfach Dinge auf.

Fakt war aber auch: Wenn man lange genug in der Rechtsmagie arbeitete, magische Objekte analysierte und Tränke braute, machte das irgendwann spannende Dinge mit einem. Mortimer Tripe, das wusste Draco von Priam Scamander, hatte nach zu vielen Doppelschichten im Tranklabor seinen Geschmackssinn komplett verloren. Priam selbst sah bestimmte Aromen neuerdings als Farben. Und Draco … allen schlechten Frettchenwitzen seiner Kollegen zum Trotz roch Draco Dinge.

Morgan sah ihn in etwa so entgeistert an, wie Draco seinerzeit die halb verblassten Narben auf Morgans Brust. Im Gegensatz zu Draco stellte er keine unangemessenen Fragen.

„Ich meine das wörtlich“, fuhr Draco fort, vielleicht um ihm doch noch die Chance zu geben, sich zu revanchieren, vielleicht auch nur, um sich selbst zu rechtfertigen. „Ich rieche dein Testosteron, ich rieche Hopkirks Aphrodisiaka und bei Merlin, ich rieche diese Doxyscheiße.“

„Okay“, verkündete Morgan schließlich, „Du hast gewonnen.“

Das Geständnis fühlte sich an, wie ein erster Schritt auf festen Boden. Draco gönnte sich ein zufriedenes Lächeln.

„Ich bin nicht auf Tierwesen spezialisiert, aber das weißt du sicher“, wechselte er das Thema, bevor einer von ihnen die Gelegenheit nutzen konnte, den Status Quo erneut zu kippen. „Also, warum bin ich hier?“

„Oh, ich weiß nicht.“ Morgan grinste unheilvoll. „Sag du es mir.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  _Delacroix_
2017-02-19T18:53:40+00:00 19.02.2017 19:53
Also dieser Getränkezauber ist böse, vor allem bei so einer Becherfüllung.
Orangentee und Sahne. Igitt, Igitt! Das klingt schon, als wollte man das nicht unbedingt probieren.
Armer Draco.
 
Aber die Frettchenwitze kann ich bei 'nem weißen Umhang leider nachvollziehen.^^
Antwort von: Arcturus
19.02.2017 21:15
Britische Magier, nicht wahr? :D

Er war ja auch ein weißes Frettchen. Wenn auch ein sehr niedliches.
Antwort von:  _Delacroix_
19.02.2017 21:16
Ich glaube da möchte er widersprechen. Vermutlich vehement. XD


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