Der Saphir der Halbblüter von FanFicFreak98 ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Der Rest des Essens verläuft schweigend. Immer wieder schaue ich zu Melody, doch sie weicht meinen Blicken aus, was mir natürlich um so mehr verdeutlichte, dass ich sie gekränkt hatte. Ich überlegte, ob ich mich dafür entschuldigen sollte, entschied mich aber dann schnell dagegen. Denn ich werde mich definitiv nicht dafür entschuldigen, für das, was ich bin. Und nur weil meine unausstehliche Klappe nun sie getroffen hatte, werde ich mich deshalb nicht rechtfertigen. Zudem war es besser, wenn sie mich nicht leiden kann. Es würde vieles einfacher machen. Nachdem wir etwas gegessen haben räume ich das Geschirr ab und stelle es in die Spülmaschine. „Ich bin heute Abend nicht da. Musst nicht warten, bis ich komme“; gebe ich schließlich von mir und gehe ohne ein weiteres Wort in mein Zimmer. Ich gebe ihr nicht mal mehr die Chance, etwas darauf zu sagen, denn ich will ehrlich gesagt nur noch meine Ruhe.   Ich schaue auf die Uhr, sehe aber, dass es noch zu früh wäre, jetzt loszugehen. Zudem ist es noch nicht einmal wirklich dunkel und die Gefahr wäre zu groß, wenn ich mich in einen Wolf verwandeln würde, dass mich jemand sieht. Ich schnappte mir also meinen Block, einen Stift und meine Gitarre und setze mich aufs Bett.   Who I am. An unknown person. Don't know who I am. What happend the time before?   I live a life, I don't want that to live. I have got an assignment, I don't want that to have, I know People, I don't want that to know. I have powers, I don't want that to have.   Wütend knüllte ich das Blatt Papier zusammen und werfe es auf den Boden. So ein Mist. Ich stelle meine Gitarre zu Boden und ziehe mich um. Dunkle Hose und schwarzer Hoodie. Während ich an Melodys Zimmer vorbeigehe rufe ich kurzerhand „Bin weg“, und schon bin ich auch schon aus der Haustür verschwunden. Ich eile zum Waldrand, natürlich darauf bedacht, dass mich niemand sieht und bleibe hinter einer großen Eiche stehen. Mit einer Hand umfasse ich mein Amulett. Es ist ein runder Anhänger, in den das Zeichen einer Triskele eingearbeitet ist. Also ein Dreieck, dessen Ecken jedoch wie Schnecken aussehen. Darum herum befinden sich mehrere kleine Edelsteine, kleine Saphire. Es ist das Zeichen unseres Stammes, unserer Familie. Der Familie Swartz.   In meinem Kopf spreche ich die Worte „Verwandel mich“, und innerhalb weniger Sekunden, spüre ich ein Kribbeln, welches ich am ganzen Körper spüre. Ein zarter Wind umhüllt mich und der Körper leuchtet in einem gedämpften Licht auf. Schon werden aus den Fingern Krallen, aus den Händen und Füßen Tatzen und der Rest verwandelt sich ebenfalls in den Körper eines Wolfes und wird von einem warmen, flauschigen Fell überzogen. Ich habe noch etwas Zeit, streiche also so lange durch die Wälder, bis es los geht. Ich gehe zu dem abgelegenen See, mitten im Wald. Dort ist eine kleine Lichtung, umgeben von Bäumen und das Wasser spiegelt jede Nacht die Sterne wieder, so dass der See aussieht, als würde er glitzern. Ich liebe diesen Ort. Er ist das komplette Gegenteil des nächtlichen Schauspiels, als das, was ich sonst erlebe. Hier ist es ruhig und man ist allein. Alles ist friedlich und man hört nichts weiter, als die kleinen Wellen, wenn der Wind durch das Wasser gleitet. Ich lege mich an das Wasser, starre mein Spiegelbild an. Ich sehe in meine bernsteinfarbenen Augen, welche genau so aussehen, wenn ich ein Mensch bin. Mein Fell ist schneeweiß, lediglich ein wenig Dreck und Blut kleben an meinem Fell, was alles viel dramatischer aussehen lässt, als es eigentlich ist.   Ich liebe es ein Wolf zu sein, aber gleichzeitig verfluche ich dieses Leben. Als Wolf bin ich frei, muss mich nicht verstellen. Ich habe in meinem Dorf eine sehr „ehrenwürdige“ Aufgabe und bin dafür verantwortlich, mit ein paar anderen Wölfen, die Ältesten zu beschützen. Witzig nur, dass mich das Null interessiert. Sie sind die weisesten unseres Stammes, haben zu jeder Frage eine Antwort. Ohne sie würde unser ganzes Dorf zusammenbrechen und das blanke Chaos würde ausbrechen. Doch so wichtig es auch ist, dass wir sie beschützen, oder besser gesagt beschützen sollten, gibt es eine Regel, die wichtiger ist, als alles andere. Und zwar: dass unser Geheimnis geheim bleibt. Dass niemand etwas von uns erfährt. Warum? Ganz einfach. Was würden die Menschen tun, wenn sie wüssten, dass es uns gibt? Sie würden Experimente mit uns machen. Uns in Gefangenschaft halten und uns wie Zirkustiere behandeln. Unser Blut anzapfen, um an unsere DNA zu kommen und sie für eigene Zwecke zu nutzen. Ja, das war der Nachteil am Wolfsein. Du lebst in Angst. Aber Mensch zu sein ist auch nicht besser. Als Wolf hältst dich von allen fern, weil niemand etwas von dir wissen darf. Selbst dass ich Melody zu mir ziehen lassen habe war viel zu riskant. Aber ich kann auch nicht wegziehen. Eine günstigere Wohnung finde ich nicht und zum anderen ist hier meine Familie. Na ja, soweit man es Familie nennen kann. Wir sind zwar Rudeltiere, aber trotzdem ist es bei uns ziemlich kompliziert. Dadurch, dass wir die Ältesten schützen und alles tun, damit das Geheimnis bewahrt bleibt, werden viele Opfer gebracht. Näher muss ich nicht darauf eingehen.   Inzwischen ist es finster. Die Zeit ist also reif. Ich stehe auf und mache mich auf den Weg, um tiefer in den Wald zu gehen. Nach wenigen Minuten sehe ich schon die anderen Wölfe. Sie stehen im Kreis um eine kleine leere Fläche. Innerhalb des Kreises sind zwei weitere Wölfe. Der eine kohlrabenschwarz der andere eher bräunlich. Den Schwarzen kenne ich nicht wirklich, weiß nur, dass er sich einen guten Ruf erworben hat und ungeschlagen ist. Genau. Wir kämpfen. Besser gesagt: illegal. Die einen machen es zum Vergnügen, die anderen, um ihre Kräfte zu messen. Ich mach es, um genug Geld zu verdienen. Durch meine ach so besondere DNA, verzichte ich auf den Kontakt zu Menschen. Zumindest so gut es geht. Zum einen habe ich keinen Schulabschluss, oder zumindest keinen, der in der normalen Menschenwelt anerkannt werden würde und zum anderen habe ich keinen Job. Außerdem würde es kein Unternehmen zwei Wochen mit mir aushalten. Ich wäre vermutlich schneller gekündigt, als ich mit der Wimper zucken kann.   Ich stoße zu der Runde hinzu, sehe, wie der Schwarze um einiges stärker und auch vorteilhafter kämpft, als sein Gegenüber. Ich setze mich in den Kreis, benehme mich so, als würde ich gerade ganz normal im Kino sitzen und mein Popcorn genießen, während der andere kurz davor ist, sein letztes Stündlein zu erleben. Es sollte mir egal sein. Der Braune geht mich nichts an, aber irgendwie auch doch. Hier im Kampf ist jeder auf sich allein gestellt. Es zählen keine Freundschaften, denn hier werden Freunde tatsächlich zu Feinden und bringen sich sogar gegenseitig um, wenn es sein muss. Aber nein. Ich muss mich natürlich wieder überall einmischen. Kurz bevor der Stärkere zu seinem letzten Angriff starten kann, stelle ich mich schützend vor den Braunen. Mit einer einfachen Kopfbewegung zeige ich ihm, dass er abhauen soll, was dieser auch im nächsten Moment tut. Glückspilz und Feigling dachte ich mir zugleich. Den werde ich mir später vorknöpfen.   Sofort erheben sich die Anderen, höre das Fletschen ihrer Zähne und wie sie sich am liebsten auf mich stürzen würden. „Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn da? Ich dachte du hättest letzte Nacht deine Lektion gelernt, Daemon. Mischst du dich immer noch in die Angelegenheiten anderer ein?“, sagt der Schwarze und läuft von der einen Seite, zur anderen. Immer hin und her. Seine grünen Augen leuchten vor Zorn, vor Blutrünstigkeit. Doch er macht mir keine Angst. Im Gegenteil. Je länger er mich so anstarrt, um so lieber würde ich mich auf ihn stürzen und mich an ihm rächen. Seine Krallen kann ich immer noch auf meinem Oberkörper spüren. „Lass. Ihn. In Ruhe.“, antworte ich mit leiser Stimme. Aber nicht leise, im Sinne von ruhig, sondern eher bedrohlich. Meine Krallen, bohren sich immer mehr in den dreckigen Boden, mache mich darauf gefasst, ihm jeden Moment an die Gurgel zu springen. „Sonst was? Läufst du davon, wie jedes Mal?“, lacht der andere und scheint für einen Moment abgelenkt. Genau das ist meine Chance. Ich stoße mich kräftig vom Boden ab, und greife den anderen an. Ich stoße ihn zu Boden, beiße ihn nicht gerade sanft in den Nacken. Doch er rappelt sich schnell auf und die Rollen von Angreifer und Angegriffener werden schnell vertauscht. Ich spüre seine Krallen, wie sie mir über das Auge und an der Schnauze vorbei schrammen und ein stechender Schmerz sorgt dafür, dass ich winsle. Ich spüre die Wärme, wie sie sich über meine Gesichtshälfte ausbreitet und weiß nur zu gut, dass sich mein helles Fell gerade blutrot färbt. Auch ich greife erneut an und verletze ihn an der Seite, allerdings vermutlich nicht so stark, wie er mich. Wir fletschen mit den Zähen, bellen uns an und verletzen uns gegenseitig. Erst als ein paar Wölfe doch dazwischen greifen, bevor es völlig eskaliert, drehen wir uns den Rücken zu und gehen verschiedene Wege.   Ein paar Minuten, nachdem das Adrenalin wieder vorüber ist, spüre ich das wirkliche Brennen in meinem Gesicht. Auf dem rechten Auge ist die Sicht etwas verschwommen und ich merke auch erst jetzt, dass ich auf dem hinteren linken Bein humpel. Er hatte mich doch schwerer erwischt, als ich zu Beginn dachte, aber es sind keine Verletzungen, die irgendwelche Schäden hinterlassen. Schon morgen wird es besser sein. Zumindest rede ich mir das ein. Und meistens hilft es auch. Doch bevor ich nach Hause gehe, gibt es noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Ich bring ihn um. Ich muss nicht lange suchen, denn ich weiß, dass auch er regelmäßig am See ist. Er hat mir schließlich den Ort gezeigt und sagte selbst, dass er gern dort ist. Und ich befürchte, dass ich ihn ab sofort noch viel öfter um diese späte Uhrzeit dort vorfinden werde.   „Sag mal, bist du jetzt vollkommen bescheuert?“, frage ich ohne Vorwarnung, als ich den Wolf mit dem bräunlichen Fell, wie geahnt, am See vorfinde. Diese zuckt kurz zusammen und schaut zu mir. Ich sehe, wie er aufstehen will, seine Verletzungen aber offensichtlich zu groß sind, dass er wahrscheinlich nicht mal in der Lage ist, von allein zurück ins Dorf zu laufen. Als ich neben ihm stehe und sehen kann, dass es sowohl sein linkes Vorderbein, als auch den Rücken und die Seite ziemlich erwischt hat, braust sich in mir ein Gefühl zusammen, das ich nicht genau beschreiben kann. Es ist eine Mischung aus Wut und Mitgefühl. Verständnislosigkeit und doch Erbarmen. Aber am meisten plagt mich das Gefühl von Schuld. Wäre ich nur schon früher dort gewesen. Nachdem ich im Kopf die Worte „Verwandel mich zurück“ gesprochen habe und ich wieder die Körperform eines Menschen angenommen habe, ist dieser immer noch ruhig. „Du bist so ein Idiot. Warum bist du hier, Andrew? Ich hab dir gesagt, dass ich das regel!“, pfeife ich schließlich meinen kleinen Bruder zusammen. „Du kannst mir nicht befehlen, was ich zu tun und lassen habe! Und woher soll ich wissen, was du schon wieder im Schilde führst? Du meldest dich doch nie!“, gibt dieser genauso gereizt zurück. Er wird von einem gedämmten Licht umhüllt und verwandelt sich dann ebenfalls in seine menschliche Form zurück. Es ist jedes Mal unheimlich ihn zu sehen, denn er ist das absolute Ebenbild von mir. Genau, wir sind Zwillinge. Und ja, er ist mein kleiner Bruder. Ich bin genau sechs Minuten und zweiunddreißig Sekunden älter als er. Witzigerweise sehen wir uns in unserer Wolfsgestalt überhaupt nicht ähnlich. Liegt wohl an den völlig unterschiedlichen Charakteren. Andrew ist mehr der familiäre und ruhige. Jedes Mädchen, oder jede Wölfin, liebt seinen Charme und sein warmes Herz. Ich hingegen bin einfach ein Arsch. Auch er hat diese bernsteinfarbenen Augen. Sein dunkelblondes Haar ist leicht gelockt, genauso wie meines. Würde er stehen, wäre ich aber ungefähr fünf Zentimeter größer. Ich sag doch: Kleiner Bruder.   „Halte dich aus Sachen raus, die du nicht verstehst!“, gebe ich gereizt zurück, als ich mich schließlich daran mache, mich um seine Wunden zu kümmern. In Menschengestalt sieht das alles noch viel schlimmer aus. Sein T-shirt ist leicht zerfetzt und die einzelnen Wunden sorgen dafür, dass dieses beginnt, sich rot zu färben. „Du hast Glück, dass du nicht tot bist“, füge ich hinzu und hoffe ihm somit klar zu machen, dass das wohl die dämlichste Aktion gewesen war, die er hätte tun können. Er zuckt kurz zusammen, als ich mit etwas Wasser aus dem See, seine Wunde reinige. Dann nehme ich mein Halstuch und binde es ihm vorsichtig um die Seite. Das ist zwar nicht perfekt, hält aber provisorisch, bis er sich von den Ältesten helfen lassen kann. Die Ältesten haben die Macht uns zu heilen, leider aber auch nur sie. Denn niemand sonst, hat die Gabe erhalten. Wäre auch zu schön gewesen.   „Warum kommst du nicht mehr zurück?“, fragt Andrew mich nach ein paar Minuten des Schweigens. „Die Ältesten sind schon am überlegen, ob etwas mit dir passiert sein könnte. Und ganz nebenbei, ich mache mir auch Sorgen, Daemon! Du bist nicht mehr du selbst!“, fragt mich mein Bruder weiter. Ich wage einen kurzen Blick zu ihm, wünschte aber sofort, dass ich es nicht getan hätte. Denn seine Augen zeigen tatsächlich das Gefühl von Sorge, was mir sofort wieder Schuldgefühle bereitet. „Nicht mehr ich selbst? Wie würdest du dich fühlen, wenn du nicht weißt, wer du bist? Wenn du dich nicht mehr an dein Leben erinnern kannst? “, antworte ich darauf ziemlich ruhig. Ruhiger als gedacht. Ich setze mich hin und lehne mich rücklings an einen Baum. Meinen Arm stütze ich auf mein aufgestelltes Knie ab, um meinen Kopf daran anzulehnen. „Wenn wir keine Zwillinge wären, wüsste ich nicht mal, ob ich dir glauben kann, dass du mein Bruder bist“, füge ich hinzu und merke sofort, dass ich das lieber nicht hätte sagen sollen. Aber es ist doch so. Wenn man sein Gedächtnis verliert, wem soll man dann trauen? Andrew setzt sich neben mich, versucht ein gequältes Stöhnen zu unterdrücken, aber sein schmerzerfülltes Gesicht verrät ihn mehr als deutlich. Auch er lehnt sich mit dem Rücken an den Baum und schweigt für eine ganze Weile.   „Wir brauchen dich, Daemon. Wir sind im Dorf nicht mehr sicher.“, fängt er leise an zu erzählen und ich merke, dass es ihm wirklich schwer fällt, darüber zu sprechen. Klar, unser Dorf ist irgendwie meine Heimat, aber irgendwie auch nicht. Aber für meinen Bruder ist das Dorf alles. Nach dem Tod unserer Eltern, welche für die Ältesten ihr Leben gelassen haben, ist er ganz ins Dorf gezogen. Die Halbblüter, die er dort kennt, sind seine Familie. Aber ich? Ich kann das nicht. „Du weißt genau, warum ich nichts mehr mit dem Dorf und vor allem den Ältesten zu tun haben will“, sage ich leise und schaue auf die gleichmäßigen Wellen des Wassers, welche durch die leichte Brise erzeugt werden. „Und du weißt, dass die Ältesten die wichtigsten im Dorf sind. Es ist uns eine Ehre für sie zu kämpfen“, versucht er sich zu rechtfertigen, aber mir entweicht nur ein hysterisches Lachen. „Eine Ehre? Das heißt du würdest dein Leben für sie geben, obwohl sie für den Tod unserer Eltern verantwortlich sind?“, frage ich forsch und obwohl ich hoffe, dass er mich auch nur ansatzweise verstehen kann, weiß ich, dass er es nie tun wird. „Daemon... Natürlich vermisse ich Mum und Dad genauso sehr wie du. Aber.. die Ältesten sind nun mal der Grund, warum wir leben. Sie geben uns Sicherheit und ein zu Hause. Und du weißt, ohne sie, könnten wir unsere Kräfte nicht kontrollieren, wodurch unser Geheimnis gelüftet würde. Du weißt es!“. Ich beiße die Zähne zusammen. Ich weiß nicht, wie oft wir dieses Gespräch hatten, seit dem unsere Eltern tot waren, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Wie könnte man jemandes Leben schützen wollen, der für den Tod der Menschen verantwortlich ist, die man liebt.   Ich weiß sehr wohl, dass er Recht hat, Und ich weiß, dass wir ohne die Ältesten nicht lebensfähig sind. Die anderen des Dorfes sagen, sie seien 'Priester', auch wenn ich das ziemlich übertrieben finde. Sie unterscheiden sich von uns, weil sie kräftiger sind. Sie sterben nicht wie wir, an Altersschwäche oder einer anderen kleinen, für uns aber tödlichen Wunde, sondern können nur dann sterben, wenn der Saphir zerstört wird. Der Legende nach, sollen sie selbst aus dem kostbaren Edelstein geboren worden sein. Ob das wahr ist? Gute Frage. Sicher ist jedoch, sie haben die Macht uns zu heilen. Sie geben uns ein sicheres zu Hause, aber dummerweise sind sie auch der Grund, warum wir undercover leben können. Also, dass unser Geheimnis sicher bewahrt werden kann.   Jeder unseres Stammes hat ein Amulett. Jede Familie ein anderes, weshalb Andrew das Gleiche hat, wie ich. Unsere Eltern hatten ebenfalls das Gleiche. In jedes einzelne ist der Saphir eingearbeitet, dabei spielt es keine Rolle, ob es mehrere kleine oder ein großer Saphir ist, denn in jedem Amulett befindet sich die gleiche Menge. Saphir ist die Quelle unserer Kraft und ermöglicht es uns somit, in einen Wolf zu verwandeln. Doch da unsere DNA zur Hälfte aus Menschen DNA besteht, verwandeln wir uns unkontrolliert, wenn wir diesen Edelstein nicht mit uns tragen. Die Ältesten wachen über den größten Saphir des gesamten Kontinents. Er ist in einer unterirdischen Höhle versteckt und nur sie haben die Möglichkeit zu diesem Ort zu gelangen. Wir können nur mit der Hilfe der Ältesten diesen Ort betreten. Denn nur sie können das Tor zu der Höhle öffnen, da sie so eng mit dem Edelstein verbunden sind. Deshalb schützen wir sie. Zumindest die meisten von uns. Denn jedes mal, wenn ein weiterer Halbblüter geboren wird, wird von diesem Edelstein eine klitze kleine Menge entnommen und in ein neues Amulett eingearbeitet. Somit können wir unsere Kraft immer kontrollieren. Allerdings erst, wenn wir alt genug sind. Sollte das Militär oder der Staat die Ältesten jedoch gefasst bekommen, wären wir in größter Not. Klar, eine gewisse Zeit lang können wir durchhalten, aber da die weiteren Nachfolger nicht an den Saphir kommen, ist es nur eine Frage der Zeit bis man uns entdeckt. Zudem sind die Menschen herzlos und arrogant. Mit Hilfe der Ältesten, oder besser gesagt durch Zwang, würden sie direkt zum Saphir geführt werden, welcher von ihnen gestohlen werden würde. Und das nur aus Geldgier und Selbstegoismus. „Du bist einer unserer besten Kämpfer. Du hast durch die illegalen Kämpfe genug Erfahrung...“, „Vergiss es!“, unterbreche ich meinen Bruder und funkel ihn wütend an. „Willst du mich wirklich dazu überreden jetzt auch noch meinen Allerwertesten für die Schmarotzer von Ältesten herzuhalten? Willst du mich echt dazu überreden mich, deinen Zwillingsbruder, in die Schlacht zu begeben und mein Leben auf's Spiel zu setzen?“, fahre ich fort und schaue ihn mit einer Unglaubwürdigkeit an, die ich selbst nicht von ihm erwartet hätte. „Es geht nicht nur, um die Ältesten! Es geht um uns alle! Man hat uns verraten, Daemon! Mich, dich, das ganze Dorf! ​sie wissen über uns Bescheid!“, fügt er hinzu. Ich kann die Verzweiflung in seiner Stimme hören. Ich weiß selbst, dass das nichts Gutes heißt, wenn das Militär und der Staat tatsächlich von uns wissen. Gründe dafür gibt es genug. Aber ich will damit nichts zu tun haben. Nicht mit dem Militär, nicht mit dem Dorf, wo ich nebenbei sowieso niemanden kenne, und erst recht nicht mit diesen Ältesten. „Wenn ​sie unser Versteck finden, werden sie uns gefangen nehmen! Und viel schlimmer noch, sie werden früher oder später den Saphir finden! Und was dann? Sie werden ihn zerstören und uns unsere Kraft nehmen! Willst du das wirklich?“, fragt mich Andrew weiter. Ich schaue ihn nicht an, antworte auch nicht sofort darauf. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt nicht vollkommen auszuticken und meine Gedanken zu sortieren. Aber nein. Ein Wolf mehr oder weniger würde die Schlacht nicht ausmachen. Ich will damit nichts zu tun haben. Ich werde mich nicht für die Älteste opfern, dafür, dass sie es sowieso nicht interessiert. Nein. Niemals. „Tut mir leid, Andrew. Aber ich werde euch nicht helfen.“, sage ich leise und stehe auf. Ich will mich darüber nicht weiter mit ihm unterhalten geschweige denn, gibt es dazu auch nicht mehr zu sagen. „Du lässt damit nicht nur das Dorf im Stich. Sondern auch mich, Daemon!“, ruft er mir hinterher. Ich weiß, dass er etwas derartiges nie gesagt hätte, wenn es ihm nicht unglaublich wichtig gewesen wäre. Ich bleibe für einen Moment stehen, drehe mich aber nicht noch einmal zu ihm um. Es versetzt mir einen Stich ins Herz, das er mir das vorhält, aber ich kann es ihm nicht verübeln, denn er hat Recht. Mal wieder. Aber er muss mich auch verstehen können, auch wenn er das nie tun wird. „Ich weiß. Es tut mir leid. Wirklich“, sage ich, ohne mich zu ihm umgedreht zu haben und gehe schließlich weiter, zurück nach Hause. Mitten in der Nacht. Ungefähr vier Uhr in der Früh. Mit einem zwölf Zentimeter Kratzer im Gesicht. Und einem völlig miserable Gespräch mit meinem Bruder. Kann es denn noch schlimmer kommen? 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