Trauer, Rache und andere Gefühle von BloodyRubin ================================================================================ Kapitel 1: Die, die zurückbleiben --------------------------------- I miss you, miss you so bad. I don´t forget you, oh, it´s so sad. Avril Lavigne – Slipped away „Hallo, Natsume. Ich bin es, Tanuma. Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Mal hier war, nicht wahr? Hier hat sich so viel verändert, seit du fort bist. Shigure und Touko sind weggezogen. Das Ganze war zu viel für sie. Ich habe mich ein paar Mal mit Natori getroffen. Er ist gar nicht so übel, wie ich gedacht hatte. Allerdings raucht er immer noch. Du hättest ihm das bestimmt wieder ausreden können.“ Kurz hielt der Schwarzhaarige inne und als er weitersprach, zitterte seine Stimme. „Warum nur, Natsume? Wieso musstest du diesen Weg gehen? Wie könnte ich deine Worte vergessen oder dieses Lächeln, das mich jede Nacht verfolgt? Dieses schreckliche, traurige Lächeln. Ich wünschte, wir könnten über alles reden. Ich vermisse dich...“ Mit von Tränen verschwommenem Blick sah Tanuma auf den Grabstein, auf dem der Name seines besten Freundes prangte und ein leises, heftiges Schluchzen überkam ihn, bis er völlig aufgelöst dastand, den Blick gesenkt, damit so wenige Personen wie möglich seine Tränen sehen konnten. Es war inzwischen dreieinhalb Wochen her, seit Natsume sich von der Kagurashibrücke in den Tod gestürzt hatte. Seitdem hatte Tanuma kaum geschlafen, geschweige denn richtig gegessen. Die ganze Zeit über hatte er sich zurückgezogen und niemanden an sich herangelassen. Er wurde beherrscht von dem Schmerz, der ihn zu zerfressen drohte. Von Schmerz und von Hass. Hass auf den, der seinen besten Freund erst so weit gebracht hatte. Seiji Matoba. Seit er dem Exorzisten das letzte Mal gesehen hatte, schien dieser wie vom Erdboden verschluckt. „Ich werde ihn finden.“ versprach er dem Grab vor sich. „Und wenn ich ihn gefunden habe, wird er dafür büßen, was er getan hat.“ Eine Hand legte sich ihm auf die Schulter und er hätte vor Schreck beinahe aufgeschrien. Er wirbelte herum und sah in rotbraune Augen, die ihn ernst anblickten. „Natori.“ „Hallo Tanuma. Ich habe mitbekommen, was du gesagt hast. Wer wird büßen und warum?“ „Nicht so wichtig.“ erwiderte der Schwarzhaarige eilig. Natori kam sehr nahe an ihn heran. „Ich glaube dir nicht. Du verschweigst etwas, oder? Was ist an jenem Abend wirklich passiert?“ Tanuma zögerte, ehe er den Kopf schüttelte. „Das kann ich dir nicht sagen. Tut mir leid, aber ich möchte nicht, dass du da mit reingezogen wirst.“ Seltsamerweise lächelte der Schauspieler. „Das wirst du mir jetzt vielleicht nicht glauben, aber ich bin schon groß. Vielleicht bin ich sogar erwachsen. Denk daran, dass du jederzeit mit mir reden kannst.“ „In Ordnung.“ Kurz zuckte Tanuma zusammen, als Natori die Hand ausstreckte und ihm die Tränen abwischte. „Auch wenn wir oft verschiedener Meinung waren: Ich hatte Natsume gern. Wenn jemand für das hier...“ Er deutete auf den Grabstein. „...verantwortlich ist, will ich helfen, die Person zur Rechenschaft zu ziehen.“ Tanuma nickte und Natori zog seine Hand zurück. „Also dann...bis bald.“ Damit drehte der Schwarzhaarige sich um und wollte den Friedhof verlassen. „Warte, Tanuma.“ Dieser wandte sich wieder Natori zu. „Was gibt es?“ „Es wird gleich regnen. Hast du dir einen Regenschirm mitgenommen?“ „Ist das so wichtig? Schließlich ist es nur Wasser.“ „Natürlich ist es wichtig. Oder willst du dich erkälten?“ „Und wenn schon...“ Der Schauspieler blinzelte überrascht, ehe er sehr ernst wurde. „Sag mir eines: Lebst du alleine?“ „Nein. Ich wohne bei meinem Vater im Yatsuhara-Tempel. Wieso?“ „Ich muss mit ihm reden.“ Der Exorzist griff in eine Tasche, die ihm über die Schulter hing und nahm einen Regenschirm heraus, den er aufspannte, bevor er Tanuma ein Lächeln schenkte. „Komm, ich bringe dich nach Hause.“ „Nein, danke. Du bist immer noch ein sehr bekannter Schauspieler. Wenn du dabei bist, komme ich wahrscheinlich erst morgen nach Hause.“ „Wie gemein. Allerdings glaube ich nicht, dass du dir deswegen Sorgen machen musst. Bei diesem Wetter werden wohl kaum Leute unterwegs sein.“ Wie um seine Worte zu bestätigen, begann es heftig zu regnen. Automatisch stellte Tanuma sich unter den Schirm. Als er merkte, was er getan hatte, blickte er mürrisch zu Natori auf, dessen Lächeln eine Spur breiter geworden war. „Schon verstanden. Tu, was du nicht lassen kannst.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. „Tanuma.“ „Hm?“ „Wie alt bist du eigentlich?“ „Fünfzehn.“ „Also mitten in der Pubertät. Jetzt verstehe ich, warum du dich zeitweise so stur verhältst.“ „Was soll das denn heißen?“ erwiderte der Schwarzhaarige gereizt. „Dass du noch jung bist und deswegen dazu neigst, unüberlegt zu handeln.“ Tanuma schwieg und ging schmollend neben dem Schauspieler her. Erst als sie vor dem Tempel standen, sagte er wieder etwas. „Warum willst du überhaupt mit meinem Vater sprechen?“ „Das werde ich dir später noch verraten.“ Ach, tatsächlich?“ meinte der Schwarzhaarige überrascht. „Tatsächlich.“ bestätigte Natori leicht lächelnd. Die beiden betraten das Gebäude und schon kam ihnen Tanumas Vater entgegen. Er wirkte müde, aber als er seinen Sohn erkannte, lächelte er herzlich. „Hallo, Tanuma. Wer ist dein Begleiter?“ „Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ begann der Exorzist. „Mein Name ist Natori Shuuichi. Ich würde gerne mit ihnen sprechen. Gibt es hier einen Raum, in dem wir alleine sein können?“ „Sicher. Wir können in das Wohnzimmer gehen. Tanuma, würdest du schon einmal mit dem Abendessen anfangen?“ „In Ordnung.“ Während der Schwarzhaarige in der Küche arbeitete, fragte er sich, über was Natori und sein Vater wohl sprachen. Ob der Schauspieler wohl über seine Vermutung redete, die er gegenüber Tanuma hatte? Er schüttelte entschieden den Kopf. Darüber nachzudenken würde ihn nicht weiterbringen. Außerdem hatte Natori ihm ja versprochen, es ihm zu erzählen. Davon ermutigt, vollendete er das Abendessen, füllte es in drei Schalen ab und stellte diese auf ein großes Tablett. Dann ging in Richtung Wohnzimmer und blieb an der Tür stehen, als er gedämpfte Stimmen hörte. Kurz verharrte er unschlüssig, ob er den beiden zuhören wollte, ließ es dann aber und klopfte. „Das Essen ist fertig.“ Die Stimmen verstummten und kurz darauf erschienen sein Vater und Natori vor ihm. „Danke, Tanuma. Sie bleiben doch zum Abendessen, Herr Shuuichi?“ „Ähm...“ begann dieser verlegen. „Keine Widerrede.“ schnitt der Tempelpriester ihm freundlich das Wort ab. „Nun, offenbar habe ich keine Wahl. Und wir wollten ja auch noch mit Tanuma über alles sprechen.“ „Worüber wollt ihr mit mir sprechen?“ erkundigte dieser sich misstrauisch. „Bitte setz dich. Wir sollten erst einmal etwas essen.“ Tanuma sah ein, dass Argumentieren nichts bringen würde und stellte das Tablett auf dem Tisch ab. Während des Essens herrschte Schweigen, nur von leisem Vogelgezwitscher draußen unterbrochen. Nach drei Bissen verließ den Schwarzhaarigen der Appetit und er legte seine Stäbchen auf die Schüssel. Sein Vater und Natori blickten kurz zu ihm, sagten aber nichts und beendeten ihre Mahlzeit. „Also, sagt ihr mir jetzt, was ihr besprochen habt?“ fragte Tanuma. „Nun, wie du weißt, wurde ich zu einer Versammlung eingeladen.“ begann sein Vater. „Ja, das weiß ich. Und?“ „Nun, ich habe vorgestern erst erfahren, wie lange ich fortbleiben werde.“ Kurz atmete der Tempelpriester durch. „Es sind insgesamt vier Wochen.“ „WAS? Aber...warum denn so lange?“ „Ich weiß es nicht. Allerdings kann ich die Reise nicht mehr absagen. Eigentlich hatte ich die Zusage von Shigure und Touko, dass du bei ihnen bleiben kannst. Aber...“ „Aber das war vor der Sache mit Natsume.“ brachte Tanuma den Satz zu Ende. „Richtig. Und nun hat Herr Shuuichi hier angeboten, dass du bei ihm bleiben kannst.“ Kapitel 2: Ungewollt und unerwartet ----------------------------------- Cause I´m losing my Sight, losing my Mind, wish sombody would tell me I´m fine. Papa Roach - Last Resort „Er hat bitte was angeboten?“ Völlig fassungslos blickte Tanuma von seinem Vater zu dem Schauspieler. „Das soll doch hoffentlich ein Witz sein.“ „Bitte versuch, mich zu verstehen.“ meinte der Tempelpriester flehentlich. „Es ist der einzige Weg für mich, so kurzfristig noch einen Unterschlupf für dich zu finden.“ „Na super.“ erwiderte der Schwarzhaarige sarkastisch. „Und was ich will, ist wohl unerheblich, was?“ „Ich möchte nicht, dass du hier ganz alleine bleiben musst.“ „Warum kann ich nicht zu Kitamoto oder Nishimura?“ „Nishimura hat eine schwere Grippe und Kitamoto ist ab nächster Woche im Ferienurlaub.“ „Du musst dir keine Sorgen machen, Tanuma.“ warf Natori ein. „Meine Wohnung ist groß genug, um dir allen Freiraum zu geben, den du brauchst. Außerdem bin ich momentan mitten in einem Dreh und würde daher nur am Nachmittag zuhause sein.“ Seufzend ergab sich der Schwarzhaarige seinem Schicksal. Eigentlich hatte er vor, noch einiges mehr zu dem Ganzen zu sagen, doch der unglückliche Gesichtsausdruck seines Vaters hielt ihn davon ab. Er stand auf und blickte die beiden Männer vor sich an. „Schön, von mir aus. Ich werde ein paar Sachen packen. Kannst du mich dann am Sonntag abholen, Natori?“ „Selbstverständlich.“ antwortete der Schauspieler lächelnd. „Ich bringe Sie noch zur Tür, Herr Shuuichi.“ sagte Tanumas Vater, der unglaublich erleichtert wirkte. Tanuma selbst verzog sich auf sein Zimmer und musterte den Teil der Wand, an der er den Schatten des kleinen Teiches und der darin schwimmenden Fische erkennen konnte. Auch wenn er nicht in der Lage war, den Youkai-teich wirklich zu sehen, hatten die Schatten einen beruhigenden Effekt auf ihn. Nach einer Weile ging er auf seinen Schrank zu und begann, die ersten Sachen zu packen. Erst als es klopfte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und wandte den Kopf zur Tür. „Danke, Tanuma.“ „Schon gut, Vater.“ Der Schwarzhaarige trat an den Tempelpriester heran und umarmte ihn sanft. „Es tut mir wirklich leid, dass es so weit gekommen ist, aber...“ „Du kannst schließlich nichts dafür.“ fiel Tanuma ihm ins Wort. „Ich weiß, dass du nur das Beste für mich willst. Aber tu mir einen Gefallen, ja?“ Nun wirkte sein Vater verwirrt und Tanuma lächelte ihn an. „Versuch, dich etwas zu erholen. Und bring mir etwas mit.“ Auch der Tempelpriester lächelte nun. „Aber sicher. Und du benimmst dich, verstanden?“ „Ja, Vater.“ Der Schwarzhaarige bemühte sich, seinen letzten Worten einen genervten Unterton zu geben, schaffte es aber nicht, da das Lächeln immer noch auf seinem Gesicht lag. „Du bist ein guter Junge. Ich bin mir sicher, dass alles gutgehen wird.“ „Sicher. Also dann, ich wünsche dir eine gute Nacht.“ „Ebenfalls.“ Tanumas Vater ging und Tanuma legte sich auf sein Bett und sah dabei zu, wie sich die Decke seines Zimmers allmählich rot und dann dunkel färbte. Endlich beschloss er, zu schlafen, um für den nächsten Morgen rechtzeitig zur Schule zu kommen. Nach weiteren zwei Tagen erwachte er in dem Wissen, dass es schon Sonntag war. In ein paar Stunden würde sein Vater abfahren und Natori vorbeikommen, um ihn abzuholen. Als ihm das richtig klargeworden war, sprang er auf und hastete in dem Zimmer umher, um seine letzten Sachen zu packen. Danach raste er in die Küche, um das Frühstück zu machen. „Guten Morgen, Tanuma. Warum siehst du denn so gehetzt aus?“ fragte sein Vater, der gerade dazugekommen war. „Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass du heute schon abfährst. Du musst etwas Ordentliches essen, bevor es losgeht.“ „Das ist wirklich lieb von dir, aber ich muss doch erst in zwei Stunden los.“ „Du wirst sehen, die sind schneller um, als du denkst.“ Der Tempelpriester schüttelte lächelnd den Kopf. „Soll ich dir helfen?“ „Nein, ich bin fast fertig. Aber du könntest den Tisch decken.“ „Gut, dann habe ich etwas zu tun.“ Nach dem Frühstück war nur noch eine Stunde Zeit, die beide für sich verbrachten, ehe es an der Tür klingelte. Gemeinsam gingen sie zur Tür und sahen einen jungen Mann dort stehen, der Tanumas Vater freundlich anlächelte und sich tief verbeugte. „Guten Tag, Herr Kaname. Ich bin hier, um Sie für die Versammlung abzuholen.“ „Ah, sehr gut. Ich brauche nur noch eine Minute.“ Der Tempelpriester drehte sich zu seinem Sohn und wieder umarmten sich die beiden. „Pass gut auf dich auf.“ sagte der Schwarzhaarige leise. „Ebenfalls. Ich rufe dich heute Abend an, in Ordnung?“ „Mach das. Viel Spaß und gute Reise.“ Tanumas Vater löste sich aus der Umarmung und beugte sich hinunter, um seinen Koffer aufzuheben. „Lassen Sie mich das tun.“ bot der junge Mann sofort an und hob den Koffer hoch. „Vielen Dank, junger Mann.“ Damit gingen die beiden und ließen Tanuma alleine. Lange musste dieser jedoch nicht warten, ehe er Natori bemerkte, der auf ihn zukam. „Hallo, Tanuma. Und, hast du alles?“ „Ja. Ich muss nur noch die Tür abschließen.“ Als sich der Schwarzhaarige wieder umdrehte, bemerkte er, dass sich der Schauspieler seinen Rucksack über die Schulter geworfen hatte. „Das musst du nicht machen.“ „Unsinn. Das tue ich gerne.“ Während sie zu Natoris Auto gingen, sprachen sie nicht miteinander. Tanuma war zu sehr in Gedanken versunken und Natori hatte sich gerade eine Zigarette angezündet und schien ebenfalls über etwas nachzudenken. Als Tanuma jedoch den Wagen erblickte, huschte ein Grinsen über sein Gesicht. „Was ist los?“ „Ich dachte, du würdest als Schauspieler genug verdienen, um nicht so eine Klapperkiste fahren zu müssen.“ „Die Klapperkiste will ich überhört haben. Außerdem ist es gut, inkognito zu bleiben. Ich lege keinen Wert darauf, ständig von Fans umringt zu sein. Schließlich habe ich auch noch ein Privatleben.“ erwiderte Natori und trat seine Zigarette aus. Wieder musste Tanuma grinsen. „Tja, wie viele weise Männer einst sagten: Augen auf bei der Berufswahl.“ „Da könntest du Recht haben. Wie auch immer. Wir sollten los, bevor der Feierabendverkehr beginnt.“ Die Fahrt verbrachten sie erneut schweigend. Tanuma wusste, dass die meisten Menschen es nicht mochten, während der Fahrt zu reden und ließ den anderen daher in Ruhe. Erst als sie vor der Tür eines Apartmenthauses standen, konnte sich der Schwarzhaarige nicht mehr zurückhalten. „Hier lebst du?“ Diesmal war es Natori, der grinste. „Wo sucht man am wenigsten nach einem Baum? In einem Wald. Hier kümmert es keinen, wer ich bin oder als was ich arbeite. Solange ich die Miete rechtzeitig zahle, bin ich hier geduldet.“ „Verstehe...“ Sie fuhren in den dritten Stock und der Schauspieler öffnete eine Tür. „Nach dir.“ Tanuma betrat die Wohnung und staunte. Die Wohnung war riesig. Direkt hinter der Tür führte ein breiter, kurzer Flur in das Wohnzimmer, das hell und einladend wirkte. „Wow.“ entfuhr es ihm. „Komm, ich führe dich etwas herum.“ Also ließ sich der Schwarzhaarige die wichtigsten Räume zeigen. Dann führte Natori ihn in einen weiteren Flur, von dem zwei Türen in gegenseitige Zimmer führten. „Links ist mein Zimmer. Das rechte ist deines. Also dann, hast du Hunger?“ „Ja, sehr.“ antwortete Tanuma, der erst jetzt spürte, wie hungrig er war. „Dann kannst du in Ruhe auspacken und ich kümmere mich um das Essen.“ „Ich kann dir auch helfen. Schließlich mache ich dir unnötige Umstände.“ Natori blickte ihn an und strich dann mit der Hand über seine Wange. „Du machst mir keine Umstände. Es ist schön, wenn ich nicht ständig hier alleine bin. Außerdem bist du mein Gast. Ab morgen darfst du gerne mithelfen, aber heute werde ich mich um dich kümmern.“ „Wie du möchtest...“ sagte der Schwarzhaarige halb verwundert, halb verlegen. Natori zog die Hand zurück und lächelte herzlich. „Gut, dann kümmere dich darum, dass du deine Sachen auspackst. Und Tanuma...“ Dieser wollte gerade in sein Zimmer gehen, drehte sich aber noch einmal um. „Ja?“ „Willkommen in meiner Wohnung.“ Kapitel 3: Geständnisse ----------------------- How can you see into my Eyes, like open Doors? Leading you down into my Core, where I become so numb. Evanescence – Bring me to Life Das Auspacken dauerte nicht lange und Tanuma kehrte in die Küche zurück. Dort war Natori damit beschäftigt, Fleisch anzubraten und das Zimmer mit einem herrlichen Duft zu füllen. Dabei summte er leise vor sich hin. Der Schwarzhaarige blieb stehen und lauschte der Melodie. Sie kam ihm seltsam bekannt vor, er konnte aber nicht sagen, weshalb. „Das Lied hat meine Mutter mir früher immer vorgesungen.“ sagte der Schauspieler, ohne sich zu ihm umzudrehen. „Das war, als meine Kindheit noch friedlich und normal war.“ „Ich kenne das Lied auch.“ erwiderte Tanuma. „Auch durch deine Mutter?“ „Ich bin mir nicht sicher. Sie starb, als ich fünf war.“ Er setzte sich an den Tisch und beobachtete den anderen, ehe er sich ein Herz fasste. „Was ist mit deinen Eltern?“ „Sie empfanden mich als Ungeheuer, weil ich Youkai sehen kann. Sie haben mich in ein Heim gegeben und sind an das andere Ende des Landes gezogen. Ich habe seither keinerlei Kontakt zu ihnen.“ meinte Natori kalt. In der Küche schien die Temperatur um zehn Grad gesunken zu sein und der Schwarzhaarige fröstelte und beschloss, den Mund zu halten, bis der Schauspieler fertig war. Hätte er doch nicht gefragt, dachte er. Natori schien ziemlich wütend zu sein, wie seine hart glitzernden Augen verrieten. Als er sich mit den beiden Tellern umdrehte, bemühte Tanuma sich, nicht vor dem anderen zurückzuweichen. Das schien dem Schauspieler aufzufallen, denn er stockte kurz, ehe seine Gesichtszüge sich wieder entspannten. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist nur so, dass ich sehr lange nicht mehr an meine Eltern gedacht habe.“ „Mir tut es auch leid, dass ich gefragt habe, ohne nachzudenken.“ „Mach dir deswegen keine Gedanken. Komm, lass uns essen.“ Der Schwarzhaarige probierte und war überrascht, wie gut es schmeckte. „Das ist wirklich gut.“ „Danke.“ Natori lächelte und schien nun wieder bessere Laune zu haben. Allerdings nur, bis sie fertig waren. Wie aus dem Nichts spürte Tanuma, dass sie nicht mehr alleine waren. Natori wandte sich um und schien überrascht. „Was machst du hier, Hiiragi? Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass ihr hier nichts zu suchen habt.“ meinte er streng. Der Schwarzhaarige versuchte, etwas zu erkennen, konnte aber nichts sehen. War etwa ein Youkai in der Wohnung? „Verstehe. Nun gut, ich kümmere mich darum. Und es geht dich nichts an, warum Tanuma hier ist.“ Der Schauspieler stand auf und blickte Tanuma entschuldigend an. „Ich muss gehen. Offenbar treibt sich in der Nähe ein mächtiger Youkai herum, der nicht sehr friedfertig ist. Ich werde ihn exorzieren müssen. Du kannst hier tun und lassen, was du möchtest. Ich muss dich nur bitten, drinnen zu bleiben.“ „In Ordnung. Bis später.“ „Bis später.“ Nachdem Natori fort war, vertrieb Tanuma sich die Zeit bis zu seiner Rückkehr damit, fernzusehen und sich die Räume noch etwas genauer einzuprägen. Nur das Zimmer des Schauspielers ließ er aus Respekt vor diesem unbehelligt. Natori kam erst recht spät wieder. Er wirkte erschöpft, aber auch zufrieden. „Ich bin wieder da.“ „Willkommen zurück. Und, wie war es?“ „Ich konnte den Dämon versiegeln. War gar nicht so einfach. Er hat sich ziemlich gewehrt. Und dann ist auch noch Matoba aufgetaucht und hätte fast dafür gesorgt, dass der Youkai entkommen ist.“ Tanuma fühlte sich, als würde sein Inneres einfrieren. Die Tasse mit Tee, die er sich gemacht hatte, fiel ihm aus den Händen und zersprang klirrend auf dem Boden. Natori sagte etwas zu ihm, doch er hörte es nicht. Viel zu sehr hatte er das Bild des höhnisch lächelnden Matoba vor Augen. Ihm drehte sich alles und er hatte das schreckliche Gefühl, als würde er gleich umkippen. „Tanuma. Tanuma!“ Endlich registrierte er, dass Natori ihn schüttelte und ziemlich besorgt ansah. „Hast...du...gerade...Matoba...gesagt…?“ fragte er stockend. „Kennst du ihn?“ „Ja...“ Das Gesicht des Schauspielers wurde ernst. „Tanuma, was ist los? Erst die Sache auf dem Friedhof und jetzt verhältst du dich, als hätte ich vom Teufel geredet. Woher kennst du Seiji Matoba?“ Zweifelnd blickte der Schwarzhaarige den anderen an, ehe er beschloss, Natori die Wahrheit zu sagen. „Ich muss dir etwas gestehen. Ich war nicht ehrlich zu dir. An dem Abend, als das...mit Natsume passiert ist...da hat er mir etwas gesagt.“ Tanuma brach ab und starrte auf die Scherben der Tasse. „Er war an dem Abend sehr verzweifelt. Ich habe gefragt, was mit ihm los ist, aber er hat total abgeblockt. Ich bin wütend geworden, weil er immer gedacht hat, er müsste alles alleine schaffen. Ich habe ihn zu mir gedreht und dann gesehen, dass er sich offenbar… Er hatte angefangen, sich zu ritzen. Ich war geschockt und besorgt. Schließlich hat er mir gesagt, dass er...er...“ Wieder brach der Schwarzhaarige ab. Natori hatte kein Wort gesagt, während er sprach. Auch jetzt sagte er nichts, sondern legte nur den Arm um Tanumas Schulter und zog ihn an sich. Als dieser die Wärme des Schauspielers spürte, schaffte er es schließlich, sich wieder zu beruhigen. „Natsume...ist vergewaltigt worden. Mehrmals. Von...von Seiji Matoba.“ Der Körper neben ihm verspannte sich. „Matoba hatte Natsume gedroht, seiner Pflegefamilie etwas anzutun, wenn er irgendjemandem etwas erzählt. Ich konnte nicht glauben, dass ich nichts davon mitbekommen habe. Und dann hat Natsume noch gesagt, er könne nicht mehr, er würde sich hassen...und dann...dann...“ Nun war es sein Schluchzen, das Tanuma davon abhielt, den Rest der Geschichte zu erzählen. „Matoba...hat Natsume...vergewaltigt?“ fragte Natori erschüttert. „Ja...und dann habe ich ihn auch noch auf der Beerdigung getroffen. Es war ihm völlig egal, dass er Natsume in den Tod getrieben hatte. Im Gegenteil, er hat sich auch noch über meine Wut amüsiert und gesagt, dass jemand wie ich niemals gegen ihn ankommen könne. Hätte mich nicht einer seiner Youkai zurückgehalten, hätte ich ihn in diesem Moment umgebracht. Er ist es, den ich finden will, um ihn für das, was er meinem besten Freund angetan hat, bezahlen zu lassen.“ Tanumas Gefühle spielten völlig verrückt, nachdem er geendet hatte. Deutlich konnte er spüren, dass immer noch Tränen über seine Wangen flossen, doch nun war auch eine flammende, alles verzehrende Wut hinzugekommen. Er versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen und schaffte es schließlich. Dann löste er sich von dem anderen und sah diesem in die Augen. „Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe.“ Natori erwiderte den Blick, dann schüttelte er den Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen. Allerdings muss ich dir sagen, dass Matoba mit einer Sache Recht hatte. Du kannst es nicht alleine mit ihm aufnehmen. Lass mich dir helfen. Auch für mich war Natsume ein guter Freund. Und wenn es tatsächlich Matobas Schuld ist, dass er tot ist, werde ich alles tun, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Gemeinsam mit dir.“ „Bist du dir sicher? Matoba ist gefährlich und wird sicher versuchen, uns aufzuhalten, ehe wir ihn aufhalten können.“ Natoris Blick wurde weich und er strich Tanuma über die schwarzen Haare. „Manchmal erinnerst du mich sehr an Natsume. Auch du bist nicht bereit, deine Last mit anderen zu teilen. Aber ich werde schon auf mich aufpassen.“ „Versprich es mir. Ich will nicht noch einen Freund verlieren.“ Kurz weiteten sich die rotbraunen Augen des anderen, dann lächelte er wieder. „Ich verspreche es. Und jetzt versuch, etwas zu schlafen. Schließlich musst du morgen wieder in die Schule.“ Tanuma warf einen Blick auf die Uhr. Natori hatte Recht, es war schon ganz schön spät. „Ich fege nur noch die Scherben zusammen.“ „Darum werde ich mich kümmern. Nun geh schon.“ „In Ordnung. Gute Nacht, Natori.“ „Gute Nacht.“ Der Schwarzhaarige ging zum Flur, wo er sich noch einmal umdrehte. Der Schauspieler saß immer noch auf dem Sofa, den Blick gesenkt und mit bebendem Körper. Tieftraurig wandte sich Tanuma um und ging auf sein Zimmer, wo er eine schlaflose Nacht verbrachte. Kapitel 4: Ein gemeinsamer Gegner --------------------------------- Bring me home in a blinding Dream, through the Secrets that I have seen. Wash the Sorrow from off my Skin and show me how to be whole again. Linkin Park – Castle of Glass Die nächste Woche verging ruhig. Tanuma vermied es, dem Thema Natsume zu nahe zu kommen, um Natori nicht wieder so traurig erleben zu müssen. Er bemühte sich außerdem, so gut im Haushalt mitzuhelfen, wie er konnte. Dafür ging Natori ihm bei den Hausaufgaben zur Hand. Gemeinsam bereiteten sie das Essen zu und wuschen hinterher auch das Geschirr ab. Als dann der Freitag kam, setzten sie sich nach dem Essen gemeinsam vor den Fernseher. Normalerweise achtete der Schwarzhaarige darauf, dem anderen möglichst viel Freiraum zu geben und so waren sie bisher bis zum Abend immer für sich geblieben. Aber heute hatte Tanuma sich einfach nach etwas Gesellschaft gesehnt und hatte sich deshalb vor dem Fernseher auf das Sofa gesetzt. Natori schien zu spüren, was los war, denn er hatte sich ohne viele Fragen zu ihm gesetzt. Zunächst war es eine Weile ruhig, ehe der Schauspieler etwas sagte. „Dir scheint es besser zu gehen.“ Überrascht blickte der Schwarzhaarige zu dem anderen. „Ach ja? Woher willst du das wissen?“ „Du hast aufgegessen.“ Ohne es zu wollen, wurde Tanuma rot. „Nimm es als Kompliment. Offenbar scheinst du besser kochen zu können, als ich dachte.“ Das brachte Natori zum Lachen. „Vielen Dank auch.“ Nach einigen Sekunden wurde er wieder ernst. „Irre ich mich, oder bist du mir in der letzten Woche aus dem Weg gegangen?“ „Tut mir leid. Ich hatte nur das Gefühl, dass ich dir mit der Geschichte zu sehr zugesetzt habe und wollte dir etwas Ruhe gönnen.“ Der Schauspieler wirkte erstaunt, aber auch etwas gerührt. „Wie gesagt, ich bin froh, dass ich nicht mehr ständig alleine bin. Und danke für deine Sorge.“ „Hast du eine Spur zu Matoba gefunden?“ „Nein. Momentan ist er wie vom Erdboden verschluckt. Und selbst wenn es eine Spur geben würde, er wird garantiert gut bewacht.“ „Ja, vermutlich.“ erwiderte Tanuma bedrückt. Er hatte keinen Tag ohne Gedanken an Rache verbracht. Aber nach dem, was Natori ihm gesagt hatte, schien es - zumindest vorläufig – unmöglich, an den Exorzisten heranzukommen. „Wir sollten uns einen Plan überlegen, falls wir doch auf ihn treffen.“ sagte der Schwarzhaarige schließlich. „Immerhin muss ich mir wegen der Schule erst einmal keine Gedanken machen.“ „Ach ja, die Sommerferien fangen ja nächste Woche an. Du bist wirklich zu beneiden.“ „Ach, mach dir deswegen keine Gedanken. Ich werde an dich denken, wenn du zur Arbeit bist und ich noch weiterschlafen kann.“ Natori warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Erst nun wurde Tanuma klar, was er da gesagt hatte. Hatte er tatsächlich gerade zu dem anderen gesagt, er würde an ihn denken? Dabei hatte er Natori eigentlich nur aufziehen wollen. Er spürte, wie er knallrot wurde, sprang auf und suchte nach Worten, um die Situation zu retten. „Das war nicht so gemeint...ich wollte sagen...also...“ Ohne seinen Satz zu beenden, wirbelte er herum und verschwand in seinem Zimmer. Dort ließ er sich auf sein Bett sinken und verbarg das Gesicht in den Händen. Am liebten hätte er sich in Luft aufgelöst. Besonders, als es an der Tür klopfte und sein Gastgeber am Türrahmen erschien. „Kann ich reinkommen?“ „Ja.“ sagte Tanuma dumpf in seine Hände. Er hörte, wie Natori den Raum betrat und sich auf einen Stuhl setzte. „Warum bist du weggerannt?“ kam der Schauspieler gleich zum Punkt. „War das nicht offensichtlich? Weil ich mich bis auf die Knochen blamiert habe.“ murmelte Tanuma. „Was redest du nur? Mir war schon klar, was du sagen wolltest. Und eigentlich wollte ich dich dafür gerade mit einem Kissen verprügeln.“ „Mit einem Kissen?“ Nun blickte der Schwarzhaarige doch auf. Das bereute er sofort, denn Natori hatte das Kissen mitgenommen und warf es Tanuma voll ins Gesicht. „Hey!“ beschwerte er sich und der Schauspieler lachte so sehr, dass ihm die Tränen kamen. „Tut mir leid. Aber deinen Gesichtsausdruck war es wirklich wert.“ „Das kriegst du wieder.“ drohte Tanuma und ließ seinen Worten sogleich Taten folgen. Die nächsten Minuten verbrachten sie damit, das Kissen hin und her zu werfen, bis die Federn flogen und beiden durch die Anstrengung und das Lachen alles wehtat. Überall im Zimmer waren die Federn verteilt, einige flogen noch vereinzelt durch die Luft und schwebten sanft zu Boden. Erneut blickte Tanuma zu dem anderen. Der hatte sich wieder beruhigt und fegte gerade die Federn von seinen Haaren. Ein seltsames Gefühl überkam den Schwarzhaarigen. Wie merkwürdig...waren das etwa Schmetter…? Blödsinn! Wahrscheinlich nur eine Magenverstimmung. Genau, das musste es sein. „Was meinst du? Wollen wir hier aufräumen und danach einen Film schauen?“ „Gute Idee.“ Also sahen sie sich einen klassischen Horrorfilm an, samt grenzdebiler Reisegruppe, einem Monster, das irgendwie mit der Gruppe zu tun hatte und einem tragischen Happy-End. Sie wetteten, wer zuerst sterben würde, stellten Theorien an, wie man dem Monster am besten beikommen konnte und freuten sich, als die Gruppenzicke von der Bestie seziert wurde. „Der Film war eigentlich ganz gut.“ musste Tanuma endlich feststellen. „Finde ich auch. Allerdings habe ich nie verstanden, warum die sich dauernd aufteilen müssen.“ „Na, um die Stimmung zu erhöhen...oder um es dem Monster besonders einfach zu machen.“ gähnte der Schwarzhaarige. „Ab ins Bett mit dir.“ befahl Natori, dem das natürlich nicht entgangen war. „Jetzt schon? Aber es ist doch Wochenende.“ „Vielleicht, aber du schläfst sonst hier ein.“ „Wäre das so schlimm?“ „Nun, ich glaube, du kannst in deinem Bett besser schlafen als auf dem Sofa.“ Tanuma streckte sich ausgiebig, ehe er doch aufstand. „Gerade, als mir warm geworden ist.“ „Gleich ist dir bestimmt auch wieder warm. Also, gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Als Tanuma wieder erwachte, kam das durch einen köstlichen Geruch. Schnuppernd richtete er sich auf, öffnete die Augen und sah, dass der Schauspieler wieder in der Tür stand, einen Teller in der Hand, der offenbar diesen wunderbaren Duft verbreitete. „Du hast ganz schön lange geschlafen.“ begrüßte der andere ihn. „Wieso, wie spät ist es denn?“ „Schon nach zehn.“ Erschrocken schüttelte Tanuma den restlichen Schlaf ab. „So spät schon? Warum hast du mich denn nicht früher geweckt?“ „Zum einen: Es ist Wochenende. Und zum anderen ist das die erste Nacht, die du durchgeschlafen hast.“ „Woher weißt du...“ „Ich habe ein ziemlich gutes Gehör.“ erwiderte Natori nur. „Und wenn du etwas essen willst, solltest du in die Küche kommen.“ Der Schwarzhaarige tat wie geheißen und ging in die Küche. „Bedien dich.“ wies Natori ihn an. „Ich habe noch mehr gemacht.“ Das letzte bekam Tanuma kaum mit. Mit unglaublichem Appetit machte er sich über das Frühstück her und kurz darauf war sein Teller leer. „Da scheint aber jemand ausgehungert zu sein.“ kommentierte der Schauspieler eindeutig amüsiert. „Kann ich noch mehr haben?“ fragte Tanuma, anstatt auf den leichten Spott einzugehen. „Sicher.“ Nachdem er den Teller erneut gefüllt hatte, ließ sich Natori ebenfalls am Tisch nieder, eine Tasse Kaffee in der Hand und ganz offensichtlich ziemlich mit sich zufrieden. „Musst du heute auch zur Arbeit?“ wollte der Schwarzhaarige wissen. „Nein. An den Wochenenden habe ich frei. Und der Dreh ist sowieso fast fertig. Eigentlich wollte ich fragen, ob du Lust hast, morgen mit mir ins Kino zu gehen.“ „Läuft denn etwas Gutes?“ „Wieder ein Horrorfilm. Er ist eigentlich erst ab sechzehn, aber da ich dich begleite, wird das kein Problem werden. Und vorher könnten wir ins Schwimmbad.“ „Wirst du da nicht sofort erkannt?“ erkundigte sich Tanuma zweifelnd. „Nicht in dem Schwimmbad, wo ich hinwill. Es liegt abgelegen und ist recht teuer, deswegen kommen nicht viele dort rein. Also, wie sieht es aus? Hast du Lust?“ „Klar. Wird bestimmt lustig.“ Natori lächelte breit. „Ganz bestimmt. Verrückt. Es ist, als hätte ich plötzlich einen kleinen Bruder. Ich freue mich jetzt schon auf morgen.“ Nun gelang auch Tanuma ein ehrliches Lächeln. „Ich mich auch.“ Kapitel 5: Liebe...oder nicht? ------------------------------ I am trying not to tell you, but i want to. I´m just scared of what you´ll say. Colbie Caillat – Falling for you „Beeindruckend.“ war das erste, was Tanuma herausbrachte, als er am nächsten Tag vor dem gewaltigen Gebäude stand. „Warte, bis du es von innen siehst.“ erwiderte Natori und führte den Schwarzhaarigen in das Schwimmbad. Es war mit so vielen Extras ausgestattet, dass es fast an Luxus grenzte. Mehrere Rutschen, ein Whirlpool, ein Bistro und sogar eine Sauna waren vorhanden. Es war sonnenklar, warum der Eintritt so teuer gewesen war. Tanuma konnte es kaum erwarten, alles auszuprobieren. Seine Gedanken schienen sich in seinem Gesicht abzuzeichnen, denn der Schauspieler lächelte wieder. „ Geh schon. Wir treffen uns um vierzehn Uhr vor dem Bistro, in Ordnung?“ „Alles klar.“ rief Tanuma, schon auf halbem Weg zu den Umkleidekabinen. Nachdem er fertig war, stieg er ohne zu zögern die Stufen zum Sprungturm hoch. Von hier hatte man einen faszinierenden Ausblick. Ohne nach unten zu sehen, sprang der Schwarzhaarige und fand sich kurz im freien Fall, ehe er in das Wasser eintauchte. Adrenalin durchströmte seinen Körper und löschte sämtliche schlechten Gedanken. Selbst an Seiji Matoba dachte er nicht mehr, sondern genoss einfach nur den Moment. In den nächsten Stunden beschäftigte er sich hauptsächlich damit, die Rutschen zu benutzen und einige Runden im Schwimmbecken zu drehen. Erst als er davon genug hatte, machte er sich auf den Weg zum Whirlpool. Dort traf er auch Natori wieder, der völlig entspannt in dem blubbernden Wasser saß, die Augen geschlossen und offenbar ebenfalls die Ruhe dieser Schwimmhalle genoss. „Darf ich mich dazu gesellen?“ fragte Tanuma vorsichtig und der andere öffnete seine rotbraunen Augen. Bei diesem Anblick meldete sich die Magenverstimmung wieder bei dem Schwarzhaarigen. Sofort drängte er das Gefühl zurück. „Aber sicher. Und, hattest du etwas Spaß?“ „Ja, hatte ich.“ kam es von Tanuma, während er sich gegenüber von dem Schauspieler niederließ. „Sogar ziemlich viel.“ „Freut mich zu hören.“ Natori machte die Augen wieder zu, was den Schwarzhaarigen dazu brachte, den anderen genauer zu mustern. Deutlich konnte er die Muskeln sehen, die sich unter Natoris Haut abzeichneten. Bei seinem Aussehen war es kein Wunder, dass der andere Schauspieler war. Hastig schüttelte Tanuma den Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen. Was war nur los mit ihm? „Geht es dir gut?“ hörte er Natoris besorgte Stimme. „Wa...ja, alles in Ordnung.“ sagte er etwas zu hastig. Natori richtete sich auf, kam zu ihm und umfasste mit seinen Händen Tanumas Gesicht. „Bist du dir sicher? Dein Gesicht ist ganz warm.“ Nun berührte der andere mit seiner Stirn die des Schwarzhaarigen. Dessen Herz schlug momentan so schnell, als wollte es aus seiner Brust springen. Natori war ihm viel zu nahe...Er kannte den warmen Atem des Schauspielers auf seinem Gesicht spüren...Die Magenverstimmung war nun so heftig zu spüren, dass er nicht mehr wusste, was er denken sollte. Warum nur fühlte er so? „Fieber scheinst du nicht zu haben.“ meinte Natori dann und löste sich von Tanuma. Das brach die Spannung, die eben noch geherrscht hatte. „Wahrscheinlich...war ich nur...zu lange im Whirlpool...“ brachte der Schwarzhaarige heraus. „Dann sollten wir eine Pause machen. Ich bekomme sowieso Hunger. Wollen wir etwas Essen?“ „Okay...“ Während sie im Bistro auf ihr Essen warteten, schaffte es Tanuma, sich wieder in den Griff zu bekommen. Sie sprachen über unbedeutende Dinge und Natori schaffte es sogar, den Schwarzhaarigen zum Lachen zu bringen. Wann hatte er das letzte Mal gelacht? Er wusste es nicht mehr. „Du solltest öfter lachen.“ meinte der Schauspieler. „Es passt zu dir.“ Tanuma wusste dazu nichts zu sagen, daher nickte er nur. Schließlich wurde es Zeit, wieder loszufahren. Während sie in der Schlange vor dem Kino standen, wurde Natori allerdings erkannt und verbrachte den Großteil der Wartezeit damit, Autogramme zu geben und mit seinen Fans Bilder zu machen. Tanuma störte das wenig, allerdings fand er einige der weiblichen Bewunderer etwas zu aufdringlich. Besonders eine junge Frau schien an dem Schauspieler einen Narren gefressen zu haben und ging sogar so weit, ihn zu umarmen. Als er das sah, spürte der Schwarzhaarige einen Stich. Diese Dame machte ihn wütend. Natori löste die Situation aber sehr charmant, drückte die Frau sanft von sich und lächelte sie höflich an. „Aber, aber. Ich bin heute privat unterwegs und mein guter Freund hier ist noch nicht alt genug, um solch eine Vertrautheit mit anzusehen.“ Damit, so dachte Tanuma, sagte Natori ihr auf elegante Weise, dass er es nicht schätzte, von einer Wildfremden in aller Öffentlichkeit umarmt zu werden. „Sehen Sie?“ holten Natoris Worte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Er schaut schon ganz entrüstet. Er ist einfach zu gut erzogen.“ „Das ist in der Tat selten geworden.“ gab die junge Frau sich geschlagen. „Vielleicht sehen wir uns ja später noch einmal, Natori-san.“ „Ja, vielleicht.“ Bis zum Ende der Vorstellung blieben die beiden unbehelligt. „Wir sollten gehen.“ raunte der Schauspieler Tanuma zu, als die ersten Credits über den Bildschirm liefen. „Sobald die anderen Besucher merken, dass ich noch da bin, werden sie uns bis morgen nicht mehr gehen lassen.“ Sofort stand Tanuma auf und sie machten, dass sie aus dem Kino kamen. Draußen streckte sich Natori und zündete sich eine Zigarette an. „Hat dir der Film gefallen?“ „Er war gut. Danke, dass ich mitkommen durfte.“ Sie gingen zum Auto und kehrten zu Natoris Wohnung zurück. Dort ließ der Schwarzhaarige sich erst mal auf das Sofa fallen. Es war ein langer Tag gewesen. „Du wirkst erschöpft.“ „Bin ich auch. Ich wollte mich nur noch einmal bei dir bedanken.“ Der Schauspieler schüttelte den Kopf. „Das musst du nicht. Es hat wirklich Spaß gemacht.“ Ja...“ Etwas bedauernd erhob Tanuma sich wieder. „Ich glaube, ich gehe ins Bett. Bis morgen.“ „Schlaf gut.“ Doch als er im Bett lag, konnte Tanuma keinen Schlaf finden. Zu sehr war er in seine Probleme versunken. Problem Nummer eins: Offenbar war er schwul. Gut, damit konnte er leben. Problem Nummer zwei: Er hatte sich anscheinend ausgerechnet in Natori verliebt. Damit konnte er weniger gut leben. Von wegen Magenverstimmung. Ihm war inzwischen klar, dass es eben doch Liebe war, die er in der Nähe des Schauspielers verspürte. Aber was sollte er nun machen? Es dem anderen sagen? Lieber nicht. Frustriert vergrub er das Gesicht in seinem Kissen. Irgendwie würde er es schon schaffen. Jedenfalls hoffte er das. So in sein Bett gekuschelt, übermannte ihn doch der Schlaf. Doch seine Träume waren alles andere als friedlich. Natsume stand vor ihm und deutete anklagend auf ihn. `Du hättest etwas merken müssen.´ hallte seine Stimme in Tanumas Kopf wider. `Warum hast du mir nicht vorher geholfen?´ „Aber...ich konnte es doch gar nicht wissen...“ versuchte sich der Schwarzhaarige zu verteidigen. `Das hier ist auch deine Schuld, Tanuma.´ rief Natsume und begann, sich zu verändern. Entsetzt schrie Tanuma auf. Natsume blutete nun aus Nase, Mund und Ohren und sein Hals war furchtbar verdreht. `Du hättest es verhindern können, Tanuma.´ „Nein...nein...“ wimmerte dieser, wie gelähmt vor Angst. `Tanuma...Tanumaaaa...“ Natsumes Mund öffnete sich weit, bis er wie eine Horrorgestalt aussah. Dazu begann er, zu verfaulen und streckte seine abgezehrten Hände nach dem Schwarzhaarigen aus. „NEIN!“ schrie Tanuma und wachte so abrupt auf, dass ihm schwindelig wurde. Natori saß an seiner Seite und blickte ihn erschrocken an. Offenbar hatte er versucht, Tanuma zu wecken. „Natori...“ flüsterte der Schwarzhaarige matt und setzte sich auf. „Was ist passiert?“ Tanuma spürte, wie ihm die Tränen kamen. „Bin ich schuld, Natori?“ schluchzte er schließlich. Der andere umarmte ihn und strich ihm tröstend über den Rücken. „Es ist nicht deine Schuld.“ sagte er sanft. Nun weinte Tanuma stärker, geborgen in der Wärme und gefangen in der Frage, ob Natori wirklich Recht hatte. Kapitel 6: Fünf Sekunden ------------------------ Can´t go back, now it´s too late. It´s too late to look away, and unfeel what I feel for you. Olly Murs – Oh my Goodness Es dauerte dieses Mal länger, bis Tanuma sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Der Traum hatte ihn völlig verstört. Endlich schaffte er es und löste sich von Natori. „Willst du darüber reden?“ fragte der Schauspieler behutsam. „Ich habe Natsume gesehen...Er hat gesagt, mir hätte etwas auffallen müssen...und dann hat er sich verändert...Er hat geblutet und sein Hals war so schrecklich verdreht...Dann ist er vor meinen Augen verrottet...und er...er wollte mich packen...“ Tanuma begann zu zittern. „Schh...ist ja gut. Komm, ich mache dir einen Tee. Das beruhigt die Nerven.“ Der Schwarzhaarige folgte Natori in die Küche und setzte sich an den Tisch, während der Schauspieler begann, in den Schränken zu kramen und nebenbei den Wasserkocher anstellte. Kurz darauf setzte er sich zu Tanuma und schob ihm eine Tasse hin. „Vorsicht, er ist noch sehr heiß.“ Dankend umfasste Tanuma die Tasse und ließ sich von dem Tee die Hände wärmen. „Denkst du denn, dass du schuld an Natsumes Tod bist?“ fragte Natori ihn ruhig. „Ich weiß es nicht. Es ist nur so, dass er mein bester Freund war. Und ich habe nichts bemerkt...habe mich noch nicht einmal erkundigt...Selbst, als er nicht mehr beim Sportunterricht mitmachen wollte, ist mir nichts aufgefallen. Macht mich das zu einem schlechten Menschen?“ „Nein.“ antwortete Natori bestimmt. „Natsume hat nie gewollt, dass jemand aus seinem Freundeskreis in seine Probleme hineingezogen wird. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass Matoba auch dir etwas antut, wenn du von der ganzen Sache weißt und hat deshalb geschwiegen. Aber Tanuma, eines muss dir klar werden: Du bist kein schlechter Mensch und du warst Natsume auch kein schlechter Freund.“ „Danke, Natori.“ erwiderte der Schwarzhaarige und nahm einen Schluck Tee. Das Getränk war stark und süß, wärmte sein Inneres und beruhigte ihn tatsächlich etwas. Auch der Schauspieler hatte eine Tasse vor sich und nippte nun ebenfalls daran. Sie schwiegen, während sie ihren Tee tranken. Erst als Tanumas Tasse leer war, sprach Natori wieder. „Meinst du, es geht wieder?“ „Ich glaube schon. Tut mir leid, falls ich dich geweckt habe.“ „Unsinn. Versuch, noch etwas zu schlafen. Keine Sorge, ich bleibe bei dir, bis du wieder eingeschlafen bist.“ Tanuma wollte protestieren, sah aber ein, dass das nichts bringen würde. So kehrte er in sein Bett zurück. Natori setzte sich zu ihm und streichelte sacht über seinen Kopf. Langsam driftete der Schwarzhaarige ab. Die Hand des anderen war so warm… Er schlief wieder ein, dieses mal tief und traumlos. Die leisen Schritte und die Tür, die sich schloss, hörte er gar nicht mehr. Er wurde erst wach, als ein Sonnenstrahl ihn in die Augen traf. Gähnend setzte er sich auf und streckte sich ausgiebig. Danach ging er in das Wohnzimmer, wo er einen Zettel fand. `Hallo, Tanuma. Ich bin beim Dreh und etwa um zwei Uhr zurück. Falls etwas sein sollte, kannst du mich gerne anrufen. Natori.´ Richtig, Natori war ja bei der Arbeit. Deshalb hatte er ihn nicht geweckt. Tanuma überlegte, was er jetzt machen sollte. Dann fiel ihm etwas ein. Er wollte sich bei dem anderen für alles bedanken. Also schnappte er sich einige Sachen aus der Abstellkammer und begann, die Wohnung einer ordentlichen Reinigung zu unterziehen. Das dauerte bis zwölf Uhr. Danach ging der Schwarzhaarige kurz in die Stadt, kaufte einige Lebensmittel und kehrte in die Wohnung zurück. Zum Glück hatte Natori ihm einen Zweitschlüssel gegeben. Er begann zu kochen und war jetzt schon gespannt, was der Schauspieler wohl sagen würde, wenn er zurück kam. Kurz bevor das Essen fertig war, hörte er, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte und kurz darauf Natoris Stimme. „Tanuma? Ich bin zurück.“ „Ich bin in der Küche.“ rief er zurück. „Hier riecht es aber gut. Du warst ja ganz schön fleißig. So sauber war es hier noch nie.“ Tanuma grinste kurz, füllte die Teller und drehte sich um. Natori strahlte ihn an. Er saß bereits am Tisch und blickte sich bewundernd um. „Iss, solange es warm ist.“ wies der Schwarzhaarige den anderen an und setzte sich ebenfalls. „Das schmeckt großartig.“ „Sehr schön. Wie war es auf der Arbeit?“ „Wie immer. Nun, wo wir fast fertig sind, scheinen es auf einmal alle eilig zu haben. Das ist ganz schön stressig.“ Tanuma hörte sich das mit Interesse an. Es musste spannend sein, in einem Film mitzuspielen. „Hast du schon eine Ahnung, was du später machen willst?“ „Nein, noch nicht. Ich hatte darüber nachgedacht, eine Hilfsstelle für suizidgefährdete und depressive Personen zu eröffnen. Allerdings muss ich dafür studieren und das wird lange dauern.“ „Ich finde die Idee fantastisch.“ sagte Natori leise. „Dann kannst du dafür sorgen, dass weniger Menschen ihre Lieben verlieren.“ Tanuma merkte, wie er wieder rot wurde. „Hast du noch Hunger?“ fragte er, um vom Thema abzulenken. „Nein, danke. Es war wirklich gut. Vielen Dank dafür.“ „Keine Ursache. Dann packe ich den Rest in den Kühlschrank.“ „Ich helfe dir.“ Während sie die Küche säuberten, sah der Schwarzhaarige immer wieder zu Natori. Und immer schlug sein Herz dabei schneller, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er hatte gerade die letzten Sachen in den Kühlschrank getan, als er sich umdrehte und dem Schauspieler direkt in die Augen sah. „Ich bin froh, dass du hier bist.“ sagte dieser und lächelte ihn an. „Natori...“ Mehr brachte Tanuma nicht heraus. Er schaffte es nicht, sich von diesen wunderschönen Augen zu lösen. Er spürte, wie in ihm der Wunsch wuchs, dem anderen zu sagen, wie er empfand. Aber...das konnte er einfach nicht. Doch nun ergriff ein anderer Gedanke Besitz von ihm. Ehe er wusste, was er da tat, trat er an den Schauspieler heran, ergriff mit seinen Händen dessen Gesicht, schloss die Augen und legte seine Lippen auf die von Natori. 1: Natoris Lippen waren so weich...so warm… 2: Der andere erstarrte, offenbar komplett überrascht von der Situation. 3: Tanuma verstärkte den Kuss etwas. Er fühlte sich so leicht...als würde er fliegen… 4: Natori rührte sich immer noch nicht. Bestimmt schossen ihm gerade tausende Gedanken durch den Kopf… 5: Behutsam löste sich der Schwarzhaarige von dem anderen und erst jetzt erkannte er wirklich, was gerade geschehen war. Natoris Blick hatte etwas Seltsames angenommen. Er sagte nichts, schaute Tanuma nur an. Die Stille schien sich ewig hinzuziehen. „Was war das eben?“ fragte der Schauspieler tonlos. „Ich..ich… Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist.“ stammelte der Schwarzhaarige. Warum hatte er das getan? Er wollte gar nicht wissen, was Natori nun über ihn dachte. „Warum hast du mich geküsst?“ „Weil...weil ich dich...“ Tanuma atmete tief durch und blickte den anderen direkt an. „Natori...ich liebe dich.“ Die Augen des Schauspielers weiteten sich und er trat überrascht einen Schritt zurück. „Tanuma...“ „Glaub mir, ich habe das nicht geplant. Es ist einfach passiert. Mir ist bewusst, dass du meine Gefühle nicht erwiderst. Aber ich bereue es nicht, dir meinen ersten Kuss geschenkt zu haben.“ „Deinen...ersten…?“ Die beiden blickten sich an. Wieder blieb es lange ruhig. Dann straffte sich Natori und ging zum Sofa. „Setz dich, Tanuma. Ich glaube, wir sollten uns unterhalten...“ Kapitel 7: Gleiche Gefühle -------------------------- Every Inch of your Skin is a holy Grail I´ve got to find. Only you can set my Heart on Fire, on Fire. Ellie Goulding – Love me like you do Mit einem unguten Gefühl setzte Tanuma sich neben Natori auf das Sofa. Er hatte so eine Ahnung, was der Schauspieler zu ihm sagen würde. Dieser sah ihn ernst an, dann seufzte er. „Ich bin wirklich geehrt von deinen Gefühlen. Aber...“ „Tu das nicht.“ unterbrach der Schwarzhaarige. „Was genau meinst du?“ „Behandele mich nicht wie einen Fan, der dir seine Liebe gesteht. Ich liebe dich nicht, weil du berühmt bist. Ich liebe dich, weil du ein großes Herz hast, einen wundervollen Charakter und weil du mir das Gefühl gegeben hast, dass ich dir wichtig bin. Habe ich da falsch gelegen?“ „Nein, aber...wir können keine Beziehung führen. Ich bin acht Jahre älter als du. Und du bist zudem noch minderjährig. Wenn das herauskommen würde, würde ich in Teufels Küche kommen.“ Nun, das waren einige gute Punkte. Doch Tanuma hatte nicht vor, so schnell aufzugeben. „Schön, du bist älter als ich. Etwas, dass mich überhaupt nicht stört. Was deine Sorgen wegen meinem Alter angeht...Es ist mir egal, dass ich minderjährig bin. Wir müssen doch nicht jedem auf die Nase binden, dass wir zusammen sind.“ „Wie hast du dir das vorgestellt? Sollen wir etwa eine geheime Beziehung führen? Ist dir klar, dass wir uns nur hier näher kommen könnten? Und das willst du dir wirklich für die nächsten sechs Jahre antun?“ Der Schwarzhaarige beugte sich etwas vor und küsste den anderen erneut. Dieses Mal dauerte der Kuss länger und Tanuma bemerkte, dass Natori ihn nicht von sich drückte. Als er sich schließlich von dem Schauspieler löste, warf dieser ihm einen undeutbaren Blick zu. „Ich glaube, dass du mich auch liebst.“ „Ach ja? Und wie kommst du darauf?“ „Weil du mich sonst aufgehalten hättest.“ Natori stand auf und wandte sich von Tanuma ab. „Ich weiß nicht, was ich für dich empfinde. Momentan kann ich deine Liebe jedoch nicht erwidern. Und ich möchte dich bitten, mir vorerst nicht mehr zu nahe zu kommen. Ich brauche Zeit, um nachzudenken.“ Der Schauspieler ging und Tanuma fühlte sich elend. Trotzdem respektierte er Natoris Wunsch und achtete die nächste Woche darauf, den anderen in Ruhe zu lassen. Doch seine Gefühle drifteten in dieser Zeit immer mehr ins Negative. Er verlor wieder den Appetit und auch sein Schlaf verkürzte sich erneut. Nach nur diesen einen Woche sah er aus wie ein wandelnder Zombie. Der Schauspieler bemerkte dies natürlich, doch er schien selbst mit den Gedanken weit weg zu sein. Ständig hatte Tanuma denselben Traum von Natsume, den er bereits zuvor gehabt hatte. Immer, wenn er nach einem solchen Traum aufwachte, schlug er sich hastig die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien. Das gelang ihm, bis sich der Alptraum veränderte. Als er es an diesem Abend schaffte, in den Schlaf zu sinken, träumte er erneut von seinem ehemals besten Freund. Doch dieses Mal musste er mit ansehen, wie Seiji Matoba sich an Natsume verging. Er sah Natsumes toten Blick, Matobas höhnisches Lächeln, das Blut, das auf den Boden tropfte… Schreiend und um sich schlagend fuhr der Schwarzhaarige hoch, ehe er ungehemmt zu schluchzen begann. Sein Körper zitterte, sein Atem ging unregelmäßig und sein Herz trommelte gegen seine Brust. Er bemerkte zunächst überhaupt nicht, dass sich die Tür öffnete. Erst als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, zuckte er zusammen und sein Kopf ruckte hoch. Natori wirkte besorgt und erschüttert. „Tanuma?“ Angesprochener reagierte nicht, weinte nur noch heftiger. Dann spürte er die altbekannte Wärme Natoris, als dieser ihn in die Arme nahm und festhielt. „Tanuma...was ist denn los?“ „Nein…nein...“ schluchzte der Schwarzhaarige. „Warum...musste es nur so weit kommen…?“ Der Schauspieler drückte ihn noch fester an sich. Tanuma ließ es zu, war viel zu aufgewühlt, um etwas zu sagen. Erst nach einer ganzen Weile versiegten die Tränen des Schwarzhaarigen. Er blickte Natori an und berichtete ihm stockend, was er geträumt hatte. Als er geendet hatte, strich Natori ihm über den Rücken, wie er es getan hatte, als der Alptraum das erste Mal aufgetaucht war. Tanuma drückte sein Gesicht in die Brust des anderen, während dieser ihn immer noch tröstete. Keiner der beiden konnte später sagen, wer den ersten Schritt gemacht hatte. Was als sanfter Versuch des Tröstens begonnen hatte, wurde allmählich zu sinnlicher und leidenschaftlicher Begierde. Ehe Tanuma es richtig realisiert hatte, lag er auf dem Rücken auf seinem Bett, in einen intensiven Kuss mit Natori verwickelt, der sich über ihn gebeugt hatte. Seine Zunge lieferte sich einen wilden Kampf mit der des Schauspielers, bis er sich schließlich aus Luftmangel zurückziehen musste. Er atmete kurz durch, ehe er den anderen an sich zog und sie ihren Kampf fortsetzten. Während ihres Kusses merkte Tanuma, wie eine Hand sich einen Weg unter sein Shirt bahnte. Als weiche Finger begannen, seinen Brustkorb zu streicheln, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Er löste den Kuss und fing nun seinerseits an, Natoris Haut zu erkunden. Die Augen des Schauspielers blickten ihn verhangen an und seine Hände glitten über Tanumas Brust zu seinem Bauch und wieder zurück. Erneut küsste er Natori, welcher den Kuss fordernd erwiderte und dem Schwarzhaarigen kurz darauf das Oberteil auszog. Als er Tanumas Brust mit leichten Küssen überzog, keuchte dieser leicht auf. Ihm war so heiß…Er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören und keuchte erneut, als der Schauspieler sanft an seiner Brustwarze knabberte. Die weichen Finger fuhren seine Seiten entlang, bis sie von seinen Boxershorts aufgehalten wurden. Natori küsste ihn heftig und er erwiderte den Kuss ebenso heftig. Schließlich glitt eine Hand unter den Bund seiner Unterwäsche und weiter zu seinem Gesäß. Er stöhnte in den Kuss hinein, wollte mehr, so viel mehr. Bereitwillig ließ er zu, dass ihm die Boxershorts hinuntergezogen wurde. Dann stöhnte er heftiger, als Natori ihm über die Schenkel streichelte, wobei er Tanumas erigiertes Glied ausließ. Dieses Spielchen trieb er so lange, bis der Schwarzhaarige nur noch stoßweise atmen konnte. „Aaah...Nato-...“ Weiter kam Tanuma nicht, denn der andere umfasste seinen Penis und strich mit den Fingerspitzen darüber. Der Schwarzhaarige bog seinen Rücken durch und sein Blut schien nun zu kochen. Als der andere sein Glied nun komplett umschloss und begann, seine Hand in einem langsamen Rhythmus zu bewegen, hätte Tanuma beinahe aufgeschrien. Hastig verwickelte er Natori in einen wilden Kuss, um das Geräusch zu unterdrücken. Als er den Kuss beendete, fuhr Natori mit seiner Zunge über seine Hals zu seiner Brust. Tanuma schaffte es, ein wenig durchzuatmen. Zumindest solange, bis sich der Mund des Schauspielers über sein Glied legte. In diesem Moment konnte er einen leisen Schrei nicht mehr unterdrücken. Natori schien dies nicht weiter zu stören, denn er unterbrach seine Tätigkeit nicht. Doch irgendwann hielt Tanuma es nicht mehr aus. „Natori...ich...ahhh...“ Der Schauspieler leckte noch einmal über seine Spitze, dann zog er sich zurück. Tanuma war gerade dabei, den anderen dafür zu verfluchen, als er einen Stich in seinem Inneren spürte. Natori war mit einem Finger in ihn eingedrungen und Tanuma keuchte wieder auf. Nach einer Weile entspannte sich der Schwarzhaarige etwas und der Schauspieler nahm einen weiteren Finger hinzu. Dieses Mal war der Stich, der ihn durchfuhr, heftiger und er kniff kurz fest die Augen zusammen. Natori küsste ihn sanft auf die Wange, ehe er fortfuhr, Tanuma vorzubereiten. Das Stechen verschwand allmählich und wurde durch Verlangen ersetzt. Er entkleidete den anderen nun ebenfalls komplett und umarmte ihn kurz. Natori schien zu verstehen, denn er hob die Hüfte des Schwarzhaarigen etwas an und positionierte sich vor ihm. Dann flammte Schmerz in Tanuma auf, als etwas viel Größeres und Warmes sich in ihn drängte. Er schrie erstickt auf, doch als der andere sich zurückziehen wollte, hielt er ihn fest und hinderte ihn so an seinem Vorhaben. „Tanuma?“ „Es...ist in...Ordnung, wirklich...ich muss mich nur...kurz daran gewöhnen...“ Natori nickte und küsste ihn behutsam. Der Schmerz verschwand zwar nicht vollständig, doch nach einer Weile sank er auf ein erträgliches Maß hinab. „Du...kannst dich bewegen...“ Der Schauspieler tat wie geheißen und stöhnte nun ebenfalls auf. Tanuma spürte, wie sich seine Gedanken von ihm verabschiedeten. Er war nicht traurig darüber. Er wollte nicht denken, nur diesen Moment erleben. Seine Finger verfingen sich in den hellbraunen Haaren des anderen und er verwickelte ihn in einen leidenschaftlichen Kuss. Natori wurde etwas schneller und der Schwarzhaarige löste den Kuss und keuchte auf. So intensiv hätte er sich das alles nicht einmal vorstellen können. Ihre beiden Körper schmiegten sich verschwitzt aneinander, ihre Lippen schienen miteinander verwachsen zu sein und erst das Gefühl in seinem Inneren… Ohne jede Vorwarnung flutete eine Welle von Lust durch seinen Körper. Er schaffte es gerade noch, den Kopf zu drehen und den Schrei in dem Kissen zu ersticken. Heftig atmend blickte er Natori an. „Noch einmal...bitte...“ Wieder eine Welle der Lust und er spürte ein heftiges Prickeln auf seiner Haut. Der Schauspieler wurde noch schneller, traf weiterhin Tanumas Lustpunkt und allmählich steuerte dieser auf den Abgrund zu. „Aaah...ich...aaah...“ Er war nicht mehr in der Lage, sich verständlich zu artikulieren. Doch das schien sowieso nicht nötig zu sein. Auch Natori befand sich anscheinend kurz vor dem Orgasmus. Erneut traf er den Lustpunkt des Schwarzhaarigen und dieser kam mit einem letzten Schrei. Der Schauspieler folgte kurz darauf, nachdem er noch einige Male in Tanuma gestoßen hatte. Dann zog er sich zurück und Tanuma nahm ihn völlig erschöpft, aber auch glücklich in den Arm. Tanuma hatte sein Gesicht in der Halsbeuge des Schauspielers vergraben. Langsam beruhigten sich seine Atmung und Herzschlag und er zog den Körper des anderen näher an sich. „Ich liebe dich, Natori. Ich liebe dich.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, küsste er Natori leicht auf die Wange, ehe eine überwältigende Müdigkeit ihn ergriff und er fest einschlief. Als er wieder wach wurde, lag er alleine in seinem Bett. Er stand auf und zuckte kurz zusammen, als er ein Stechen in seinem Inneren spürte. Vielleicht sollte er heute keine zu schnellen Bewegungen machen. Während er unter der Dusche stand, überlegte er, wie er sich gegenüber Natori nun verhalten sollte. Er kam zu keinem vernünftigen Ergebnis und beschloss daher, einfach abzuwarten, was sich ergeben würde. Er ging in die Küche und fand den Schauspieler dort vor, wie er sich gerade einen Kaffee einschenkte. Tanuma blieb still, bis der andere sich zu ihm umdrehte. „Guten Morgen.“ Natori antwortete nicht und vermied es, ihm in die Augen zu sehen, als er sich an den Esstisch setzte. Sein Verhalten verwunderte den Schwarzhaarigen. „Ist alles in Ordnung?“ „Nein, nichts ist in Ordnung.“ antwortete der andere mit bebender Stimme. „Ich bin ein widerwärtiger Mensch. Das gestern hätte nie geschehen dürfen.“ „Eh...was…?“ Endlich blickte der Schauspieler auf und Tanuma erschrak, als er den verzweifelten Blick Natoris sah. „Verstehst du es nicht? Ich habe dir letzte Woche noch gesagt, dass ich deine Liebe nicht erwidere! Und jetzt habe ich mit dir geschlafen!“ „Aber...aber ich dachte, du hättest deine Meinung geändert...“ stammelte der Schwarzhaarige. Er fühlte sich, als hätte Natori ihn geschlagen. Dieser antwortete nicht, sondern starrte auf seine Tasse. „Aber warum hast du dann mit mir geschlafen, wenn du mich nicht liebst?“ wollte Tanuma wissen. Allmählich stiegen Wut und Schmerz in ihm auf, vermischten sich zu einem Hass, der es ihm schwer machte, die nächsten Worte des Schauspielers zu verstehen. „Ich weiß es nicht. Wie ich gesagt habe: Es hätte niemals geschehen dürfen.“ „Du bist tatsächlich ein widerwärtiger Mensch.“ zischte Tanuma wütend. „Ich sage dir, dass ich dich liebe, schenke dir meine Unschuld und du sagst, es hätte nie geschehen dürfen?“ Natori erhob sich und kam auf ihn zu. „Tanuma...bitte, versuch, es zu verstehen….ich-...“ Der Schwarzhaarige holte aus und gab dem anderen eine schallende Ohrfeige. „Du bist das Letzte. Komm mir nie wieder unter die Augen.“ Er stürmte in sein Zimmer, schnappte sich seinen Koffer, warf seine Sachen hinein und kehrte in das Esszimmer zurück. Der Schauspieler saß wieder am Tisch. Er regte sich nicht, als Tanuma den Zweitschlüssel auf den Tisch knallte und ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück aus der Wohnung stürmte. Kapitel 8: Doppelter Hass ------------------------- If our Love is Tragedy, why are you my Remedy? If our Love´s Insanity, why are you my Clarity? Zedd – Clarity Tanuma wusste nicht, wo er hinlief. Es war ihm auch egal. Er wollte nur noch weg von Natori. Erst als er in einem Park ankam, hielt er an und ließ sich heftig atmend auf eine Bank sinken. Nun gewann der Schmerz in ihm die Oberhand und er vergrub die Hände in seinen Haaren. Warum hatte Natori ihm nicht gleich das Herz herausgerissen? Dann würde dieses jetzt nicht so wehtun. Trotz seiner Wut, seiner Enttäuschung und seines Schmerzes war da immer noch Liebe für den Schauspieler. Genau dieser Umstand war es, der ihm die Kehle zuschnürte und in ihm den Wunsch weckte, einfach seine ganzen Gefühle ausschalten zu können. „He, du. Warum bist du denn so traurig?“ Überrascht fuhr der Schwarzhaarige hoch und erblickte ein kleines Mädchen, das höchstens fünf oder sechs Jahre alt war und ihn interessiert ansah. Ungewollt huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Jemand hat mir sehr wehgetan.“ erwiderte er. Das Mädchen begann in einer kleinen Tasche zu kramen, die es an der Seite trug und zog schließlich einen Schokoriegel hervor, den es Tanuma hinhielt. „Meine Mama sagt immer, wenn jemand traurig ist, hilft Schokolade am Besten. Die habe ich zum Geburtstag bekommen.“ „Dann behalte sie ruhig.“ „Ich habe noch einen davon.“ antwortete das Mädchen und streckte Tanuma weiterhin den Riegel hin. Dieser nahm ihn und streichelte der Kleinen kurz über den Kopf. „Vielen Dank. Darf ich erfahren, wie du heißt?“ „Sumi? Sumi, was machst du denn? Du darfst doch nicht einfach mit fremden Personen sprechen.“ Die Mutter des Mädchens war neben Sumi aufgetaucht. „Aber er war ganz traurig. Deswegen habe ich ihm Schokolade gegeben, damit es ihm bald wieder besser geht.“ „Sie haben wirklich eine wundervolle Tochter.“ sagte der Schwarzhaarige an die Mutter gewandt. „Es geht mir schon besser, Sumi.“ Das Mädchen strahlte und die Mutter verbeugte sich kurz vor Tanuma. „Ich hoffe, sie hat Ihnen keine Umstände gemacht.“ „Nicht im Geringsten.“ „Auf Wiedersehen.“ rief Sumi, ehe sie an der Seite ihrer Mutter davonging. Tatsächlich fühlte sich der Schwarzhaarige besser. Er stand von der Bank auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Fast eine Stunde war er unterwegs, ehe er angekommen war. Erschöpft ließ er sich in seinem Zimmer auf sein Bett fallen und aß die Schokolade, während er darüber grübelte, dass er am Abend wohl zum Supermarkt würde gehen müssen. Also räumte er seinen Koffer aus und legte sich noch etwas hin. Nachdem er erwacht war, zog er sich um und machte sich auf den Weg in die Stadt. Allerdings hatte er nicht bedacht, dass er auf seinem Weg am Kino vorbeikam. Als er das Poster für einen neuen Film bemerkte, blieb er stehen. Natori strahlte ihn von dem Bild an. Tanuma spürte, wie sich ihm das Herz zusammenschnürte. `Es hätte niemals geschehen dürfen...´ ertönte eine Stimme in seinem Kopf. Wieder wütend, kehrte er dem Poster den Rücken zu und ging weiter. Natori interessierte ihn nicht mehr. Er hasste diesen Dreckskerl, der so sehr mit ihm gespielt hatte. Zumindest redete er sich das ein. Dennoch tauchte ständig Natoris verzweifelter Blick vor ihm auf und machte es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Um auf andere Gedanken zu kommen, vermied er auf seinem Rückweg das Kino und dachte lieber darüber nach, was er zum Abendessen machen könnte. Die nächsten vier Tage vergingen und schließlich wachte Tanuma in dem Wissen auf, dass sein Vater nächste Woche wieder zurück sein würde. Deshalb wunderte er sich, als es überraschend an der Tür klingelte. Er ging durch den Flur, öffnete und blickte in rotbraune Augen. Sofort verfinsterte sich seine Laune und er wollte die Tür schon wieder zuschlagen. „Bitte warte, Tanuma.“ „Was willst du? Ich habe dir gesagt, dass ich dich nie wieder sehen will.“ „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und wollte wissen, wie es dir geht.“ erwiderte Natori, der ein ziemlich elendes Bild abgab. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, seine Haare waren völlig durcheinander und er wirkte, als hätte er kaum geschlafen. „Mir geht es großartig.“ fauchte der Schwarzhaarige. „Und jetzt verzieh dich. Ich brauche deine Sorge nicht.“ „Können wir nicht über alles reden?“ „Nein. Du hast deinen Standpunkt sehr deutlich gemacht. Ich wünschte nur, du hättest es getan, bevor ich dir mein Herz und meine Unschuld geschenkt habe.“ Damit schlug Tanuma die Tür zu und verriegelte sie von innen. „Tanuma...“ „GEH ENDLICH!“ schrie der Schwarzhaarige und sank an der Wand neben der Tür zu Boden. „Hast du mir nicht genug angetan?“ Die letzten Worte gingen beinahe unter, als Tanuma spürte, wie seine Trauer sich ihren Weg bahnte. Aufgelöst vergrub er das Gesicht in den Armen und versuchte, das Durcheinander an Gefühlen wieder zu bändigen. Nachdem er sich zumindest halbwegs wieder beruhigt hatte, stand er auf und öffnete kurz die Tür. Der Schauspieler war fort. Immerhin etwas. Er hatte dem anderen nichts mehr zu sagen. Er machte dir Tür zu und verzog sich in das Wohnzimmer, wo er sich vor den Fernseher setzte. Ablenken lautete die Devise. Er war in letzter Zeit sowieso viel zu nahe am Wasser gebaut, da musste er nicht auch noch über Dinge nachdenken, die ihn nur noch mehr runter ziehen würden. Doch gerade, als er begann, sich zu entspannen, klingelte es erneut. Verwirrt erhob sich der Schwarzhaarige. Wenn das schon wieder Natori war, würde er ihm gleich noch eine Ohrfeige verpassen. „Wer ist da?“ rief er, während er auf die Tür zuging. „Bist du es, Natori?“ Er bekam keine Antwort, was ihn in seinen Befürchtungen bestärkte. „Was verstehst du an >Verschwinde< nicht? Ich will weder mit dir reden noch dich sehen. So tief bin ich noch nicht gesunken, dass du denken kannst, mit einer Entschuldigung wäre alles wieder in Ordnung.“ Wieder klingelte es und rauchend vor Wut riss Tanuma die Tür auf. „Jetzt pass mal auf, du dämlicher Trottel. Ich will nicht mit dir reden. War das so undeutlich? Nur weil ich mit dir geschlafen habe, heißt das nicht, dass du weiterhin mit meinen Gefühlen spielen kannst. Also hör auf, dich lächerlich zu machen und-...“ „Sehr interessant. Du beginnst, Natsume-kun Konkurrenz zu machen, Tanuma-kun.“ Wie erstarrt blickte der Schwarzhaarige in glühendes Rot. Das war nicht Natori… „Matoba...“ „Mich scheinst du wohl nicht erwartet zu haben.“ Tanuma wollte sich auf den Exorzisten stürzen, doch dieser hielt ihn mühelos auf. „Du hast immer noch kein Benehmen.“ sagte er leichthin und verdrehte Tanumas Arme so sehr, bis dieser vor Schmerz aufkeuchte. „Lass mich los, du mieser...“ „Aber, aber. Kein Grund, gleich ausfallend zu werden.“ „Leck mich doch.“ Matoba seufzte schwer, griff nun Tanumas Handgelenke mit einer Hand und holte mit der anderen eine dünne Eisenstange aus seiner Tasche. „Was soll das?“ Fluchend kämpfte der Schwarzhaarige darum, freizukommen. Der Exorzist zerrte ihn nach draußen, ohne sich davon beeindrucken zu lassen. „Eigentlich wollte ich es vermeiden, den gewalttätigen Weg einzuschlagen. Aber offenbar habe ich keine andere Wahl.“ Mit dem letzten Wort schlug Matoba mit der Eisenstange zu und traf Tanuma an der Schläfe. Sofort wurde Tanumas Sichtfeld dunkel und er sackte zu Boden. „Du verdammter...Mistkerl...was...bezweckst du...damit…?“ „Ich werde dafür sorgen, dass du mir nicht mehr im Weg bist. Und Shuiichi-san auch nicht.“ Der Schwarzhaarige wollte noch mehr sagen, doch die Dunkelheit umfasste ihn nun komplett und er wurde ohnmächtig. Kapitel 9: Ausgeliefert ----------------------- You touched my Heart, you touched my Soul. You changed my Life and all my Goals. And Love is blind and that I knew when my Heart was blinded by you. James Blunt – Goodbye my Lover Mit einem Stöhnen erwachte Tanuma. Er wusste weder, wo er war, noch wie lange er ohnmächtig gewesen war. „Ah, das wurde auch Zeit.“ Der Klang von Matobas Stimme erinnerte ihn wieder daran, was passiert war. Er versuchte, sich zu bewegen, doch er war gefesselt worden. „Bevor Shuuichi-san hier auftaucht, habe ich noch einige Fragen an dich.“ „Warum sollte er hier auftauchen?“ fauchte der Schwarzhaarige. „Er weiß nichts davon, dass du mich entführt hast.“ „Oh, das lässt sich ändern.“ erwiderte Matoba ruhig, ehe er etwas hochhielt. „Du.“ sagte er dann an jemanden hinter Tanuma gewandt. „Leih ihm die Kraft deiner Augen.“ „Wa-?“ begann der Schwarzhaarige, doch ehe er mehr sagen konnte, überkamen ihn brutale Kopfschmerzen. Etwas Unwillkommenes breitete sich in ihm aus und er realisierte, dass er offenbar von einem Youkai besessen war. Doch nun konnte er erkennen, dass Matoba eine Papierfigur zwischen seinen Fingern hielt. „Das gehört zu Shuuichi-san. Sobald ich diese Figur freilasse, wird sie direkt zu ihm fliegen und er wird wissen, was passiert ist und sich von der Figur direkt hierher führen lassen.“ Die Kopfschmerzen verschwanden wieder, ebenso schnell, wie sie aufgetaucht waren und er konnte die Figur nun nicht mehr sehen. Offenbar hatte der Youkai sich wieder aus seinem Körper entfernt. Der Exorzist trat unterdessen an das Fenster, öffnete es und öffnete die Hand. Tanuma musste es gar nicht sehen, um zu wissen, dass die Figur fortgeflogen war. „Das wird dir trotzdem nichts bringen. Ich habe Natori gesagt, dass ich ihn nie wieder sehen will...“ „...weil du mit ihm geschlafen hast und er dich dann zurückgewiesen hat?“ unterbrach Matoba ihn kühl. „Oh, du kennst ihn nicht so gut wie ich, Tanuma-kun. Glaub mir, er wird kommen. Und mit dir habe ich das perfekte Lockmittel. Shuuichi-san ist viel zu sehr in seiner Beschützerrolle gefangen, als dass er nicht versuchen würde, dich zu retten.“ Matoba trat sehr dicht an Tanuma heran und pure Bosheit funkelte in seinem Auge. „Nun, Tanuma-kun. Wie war es denn so als Shuuichi-sans kleines Spielzeug?“ Der Schwarzhaarige antwortete, indem er dem anderen vor die Füße spuckte. „Wirklich, so schlechte Manieren...Warte, das war doch nicht etwa...“ Der Exorzist trat einen Schritt zurück und wirkte kurz überrascht, ehe er schallend zu lachend begann. „Du hast tatsächlich dein erstes Mal mit ihm verbracht? Kann es sein, dass du ihn wirklich geliebt hast? Oh, du bist ja so naiv. Als ob Shuuichi-san sich an dich binden würde.“ Er hörte auf zu lachen und sein Lächeln wurde zu einem bösen Grinsen. „Er hat nie gelernt, wie man andere Menschen an sich heranlässt. Er war schon so, als ich ihn das erste Mal getroffen habe. Genauso hitzköpfig wie du und außerordentlich unhöflich.“ „Was willst du, Seiji?“ fragte Tanuma eisig. „Nun, dich töten, natürlich. Aber keine Sorge, du wirst noch zusehen dürfen, wie ich mich vorher um Shuuichi-san kümmere. Ich bin mir sicher, dass du mir dafür noch dankbar sein wirst.“ Der Schwarzhaarige spuckte erneut aus und dieses Mal zielte er nicht daneben. Zorn flammte in dem roten Auge auf, als Matoba sich die Spucke mit dem Ärmel von der Wange wischte. Eine Sekunde später schlug der Exorzist Tanuma so heftig mit der Rückhand ins Gesicht, dass diesem Sterne vor Augen tanzten und er beinahe wieder ohnmächtig wurde. „Achte auf dein Verhalten, Kaname. Ich verliere allmählich die Geduld mit dir.“ Mit hämmerndem Schädel zwang der Schwarzhaarige sich, den anderen wieder direkt anzusehen. „Du hättest noch mehr verdient für das, was du Natsume angetan hast.“ zischte er. Darauf hatte Matoba nur ein verächtliches Schnauben übrig. „Sorge dafür, dass er sich ruhig verhält.“ sagte er nur, ehe er sich abwandte und den Raum verließ. Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, versuchte Tanuma, sich von den Fesseln zu lösen. Doch kaum hatte er damit begonnen, packte etwas seine Arme und hielt sie fest. Der Griff war stark wie ein Schraubstock und löste sich erst, als der Schwarzhaarige mit seinen Bemühungen aufgehört hatte. Welcher Youkai ihn auch immer bewachte, er nahm seine Aufgabe sehr ernst. Ungewollt schweiften Tanumas Gedanken zu Natori. Ob der Schauspieler wirklich hierherkommen würde? Sicher nicht. Selbst er würde doch nicht in eine so offensichtliche Falle tappen, oder? Besonders, da Matoba vorhatte, sie beide zu töten. Und auch der Umstand, dass Tanuma überhaupt nicht von Natori gerettet werden wollte, stand zwischen ihnen wie eine unsichtbare Mauer. Andererseits...was, wenn der Schauspieler wirklich kam? Was, wenn Matoba ihn wirklich vor Tanumas Augen umbrachte? Trotz allem, was zwischen ihnen geschehen war, zog sich das Herz des Schwarzhaarigen bei diesem Gedanken zusammen. Er wollte nicht, dass Natori starb… „Tanuma!“ riss eine Stimme ihn aus seinen Gedanken und er blickte zur Tür. Da stand der Schauspieler und sah fassungslos zu ihm herüber. Ehe der Schwarzhaarige etwas sagen konnte, machte der andere eine ruckartige Bewegung mit der Hand und rannte dann zu ihm. Offenbar hatte er den Wächter von Tanuma ausgeschaltet. Er löste die Fesseln des Schwarzhaarigen und musterte ihn besorgt. „Tanuma. Geht es dir gut? Was ist passiert?“ „Idiot.“ blaffte dieser ihn an. „Was zur Hölle hast du hier zu suchen? Ist dir denn nicht klar, dass das eine Falle ist? Oder bist du wirklich so dumm, wie du aussiehst?“ „Tanuma...“ „Warum musstest du hierher kommen? Matoba hat mich absichtlich entführt, damit er uns beide töten kann.“ „War er das mit deinem Gesicht?“ Der Schwarzhaarige berührte kurz die Stelle, wo Matoba ihn geschlagen hatte und zuckte leicht zusammen. Das würde eine üble Prellung geben. „Das ist jetzt unwichtig.“ fauchte er leicht panisch. „Wir müssen hier weg. Matoba und seine Diener sind zu mächtig für dich. Selbst ich weiß das, obwohl ich die Youkai nicht sehen kann, die ihn beschützen. Außerdem kann er-...“ „...jederzeit wieder zurück sein.“ beendete eine ruhige, kalte Stimme den Satz. Natürlich hatte der Exorzist Natoris Ankunft mitbekommen. Tanuma und Natori zuckten zusammen und drehten sich zur Tür. Das Lächeln, das er in Matobas Gesicht sah, gefiel dem Schwarzhaarigen gar nicht. „Shuuichi-san. Es ist so lange her.“ „Wage es nicht...“ zischte Natori in einem derart hasserfüllten Ton, dass Tanuma ein Schauer über den Rücken lief. „Wage es nicht, mich derart vertraut anzusprechen, Matoba!“ „Seiji genügt.“ erwiderte der Exorzist, während er näher auf die beiden zukam. Erst einige Schritte vor ihnen blieb er stehen und bedachte Natori mit einem langen Blick. „Du siehst furchtbar aus. Und du stinkst nach Rauch. Du solltest mit den Zigaretten aufhören, Shuuichi-san.“ Der Blick seines Auges wanderte von dem Schauspieler zu Tanuma. „Nun, offenbar ist Shuuichi-san nicht so dumm, wie du dachtest. Aber selbst seine drei Diener werden euch nicht helfen.“ Wie aus dem Nichts erfüllte eine drückende Kälte den Raum und Natoris Augen weiteten sich erschrocken. „Darf ich vorstellen, mein neuester Diener. Ihr seid die Ersten nach Natsume-kun, die ihn kennenlernen dürfen. Ich bin gespannt, wie viel du gegen ihn ausrichten kannst, Shuuichi-san.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)