Und vieles mehr von jane-pride ================================================================================ Familienzuwachs --------------- Es kam einer Musterung wie bei einer Überprüfung der Eignung fürs Militär gleich. Nachdem die überschwänglichen Begrüßungen, Umarmungen und Küsse ausgetauscht worden, saß Vaughn Chelseas und Marks Eltern gegenüber. Aus irgendeinem Grund, den Vaughn noch nicht kannte, war Nathalie zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend. Er hatte kurz zuvor lediglich erfahren können, dass sie erst am Nachmittag auf der Ranch auftauchen würde. Bis dahin wurde der junge Mann eingehend von ihren Schwiegereltern gemustert. So viel dazu, dass er nicht allzu sehr im Fokus der Aufmerksamkeit und Neugierde von Chelseas Eltern stehen würde. Denn die Person, die das hätte verhindern können, fehlte gegenwärtig und würde erst in ein paar Stunden erscheinen. Für Vaughn waren es eindeutig ein paar Stunden zu viel. Die Geschwister plauderten und lachten mit ihren Eltern, wohingegen die Mutter immer wieder verstohlene Blicke in Vaughns Richtung warf und der Vater eine eher feindliche Sitzhaltung ihm direkt gegenüber eingenommen hatte. Sein strenger Blick ruhte auf Vaughn, wie ein Falke der seine Beute ins Visier genommen hatte und nicht bereit war, diese ungeschoren davonkommen zu lassen. Der Farmer war eine ältere Version von seinem Sohn Mark. Friedrich war ein überaus großgewachsener Mann mit breiten Schultern und großen Händen, die Zeuge von harter und körperlicher Arbeit waren. Eine Narbe zierte seinen linken Handrücken, die er sich bei Reparaturarbeiten mit einem unbeholfenen Lehrling auf seiner eigenen Farm zugezogen hatte. Obwohl die Wunde mit sieben Stichen genäht werden musste, hatte der Farmer keine Scheu gehabt die Reparatur am nächsten Tag mit seinem Lehrling fortzusetzen. Erwähnenswert wäre die Tatsache, dass danach nie wieder Unfälle dieser Art passiert waren und der Lehrling inzwischen ein verantwortlicher Mitarbeiter seiner Farm geworden war, den Friedrich unter keinen Umständen missen wollte. Des Weiteren hatte Friedrich ein hartes wettergegerbtes Gesicht. Eine schiefe Nase, die er sich in jungen Jahren bei einer Prügelei gebrochen hatte. Allerdings war er zu stolz gewesen, um sich seine Nase danach von einem Arzt richten lassen. Seine schiefe Nase war ein sichtbarer Beweis für seine Liebe zu seiner Frau. Denn bei der besagten Prügelei hatte er seine Lebensgefährtin zum ersten Mal gegenüberstanden und aus den Klauen eines gierigen und selbstverliebten Hornochsen befreit, als dieser dabei gewesen war, seine Frau alleine in eine dunkle Gasse zu drängen. Dies war der Beginn einer wilden und aufregenden Liebesgeschichte des Farmers und seiner Frau gewesen. Friedrichs Haare waren im Gegensatz zu seinem Sohn braun, woher die genetische Veranlagung geklärt war, von wem Chelsea ihre Haarfarbe her hatte. Denn die Haare ihrer Mutter waren blond und ihre Augen blau, was Marks Haarfarbe und seine und Chelseas Augenfarbe erklärte. Obwohl diese fehlende Übereinstimmung zwischen Mark und seinem Vater nicht gegeben war, konnte man dennoch die unverwechselbare Ähnlichkeit erkennen. Vom Körperbau und ebenso ihrer Haltung und Mimik waren beide identisch. Die harte und physische Arbeit auf der Ranch würde bei Mark garantiert denselben muskulösen Körperbau hervorrufen, wie bei seinem Vater. Friedrichs Frau, Ellie, war eine wunderschöne Erscheinung. Wie es zu ihrer Generation noch vermehrt üblich war, trug diese ein knöchellanges hellgrünes Kleid. Ihre langen welligen Haare hatte sie mit einer einfachen Spange zusammengebunden und kleine silberfarbene Ohrringe zierten ihre Ohrläppchen. Ihre Lippen waren voll, die durch ihre kleine Stupsnase vorteilhaft betont wurden. Ihre blauen Augen waren klar und die Neugierde eines Schulmädchens spiegelte sich darin wieder. Die Blicke, die sie hin und wieder ihrem Mann zuwarf, sprachen die innige und stürmische Liebe aus, die sie schon in ihren Jugendjahren für jenen Mann empfunden hatte, der sie einst aus einer schwierigen Situation befreit hatte.   Aufgrund dieser Beobachtung fühlte sich Vaughn extrem unbehaglich, doch auch Chelsea war nicht ganz wohl in ihrer Haut, obgleich es aus anderen Gründen als bei ihrem Freund war. „Nun denn,“, eröffnete Friedrich unvermittelt das Gespräch, worauf Vaughn idiotischer Weise gehofft hatte, dass es nicht dazu kommen würde, und wurde mit einem Mal von zwei Augenpaaren offensichtlich taxiert. Das Gefühl einem Verhör ausgesetzt zu sein, überkam ihn und wollte sich auch nicht wieder einstellen. „Du bist also, Vaughn. Der Freund meiner Tochter.“ Es war eine Feststellung, die aufgrund der Tonlage des Sprechers nicht die ganze Wahrheit bedeuten musste. „Und du bist der Neffe von Mirabelle?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Friedrich den jungen Mann an, der nervös auf seinem Stuhl hoffte, das Haus im Anschluss an diese Befragung lebend verlassen zu können. „Ja.“, antwortete Vaughn. „Vater, was soll das?“, flüsterte Chelsea ihrem Vater zu, obwohl sie ihm schräg gegenüber saß. Außerdem befürchtete sie, dass Vaughn von Friedrich abgeschreckt werden könnte und jeden weiteren Kontakt ausschlagen würde. „Und vorher hast du in einem Tiertransportunternehmen auf dem Festland gearbeitet.“ Friedrich sprach weiter, als hätte er seine Tochter nicht gehört. Ellie bedeutete ihrer Tochter sich nicht weiter einzumischen, nachdem sie bemerkte, dass Chelsea versuchte einen zweiten Versuch zu starten um ihren Vater zum Schweigen zu bringen. Währenddessen saß Mark am Rand des Geschehens und beobachtete belustigt das Schauspiel. Im Gegensatz zu seiner Schwester hatte er nämlich verstanden, was das herrische Verhalten seines Vaters sollte. „Hast du vor auf der Sonnenschein-Insel zu bleiben, um eines Tages die Tierpension deiner Tante zu übernehmen?“ „Wie bitte?“, verdutzt starrte Vaughn den älteren Mann an. Für einen kurzen Augenblick erwog er tatsächlich die Möglichkeiten, was die Leitung der Tierpension für ihn bringen würde, vergaß diese jedoch genauso schnell wieder wie sie gekommen war. „Ein junger Mann wie du muss schließlich wissen, wohin seine berufliche Perspektive ihn bringen soll. Vor allem muss er sich im Klaren sein, was er beruflich tun und erreichen will.“ Was zum Teufel sollten diese Fragen und diese neunmalklugen Phrasen? Als Chelsea erneut eingreifen wollte, deutete ihre Mutter ein dermaßen lautes „Pst“ an, dass sich Vaughn unwillkürlich fragte, ob er in einer Komödie gelandet war? Diese Meinung wurde auch noch verstärkt, als Ellie hinter vorgehaltener Hand anfing zu kichern und Mark es kurz darauf gleichtat.  Chelsea wiederum starrte perplex von einem zum Anderen. „Ein junger kräftiger Mann wie du…“, fing Friedrichs aufs Neue an, doch auch er konnte sich nicht mehr beherrschen und brach in lautes donnerndes Lachen aus. Wie auf Kommando folgten ihm seine Frau und sein Sohn. Alle drei lachten aus vollem Hals, nur Chelsea und vor allen Vaughn, sahen verständnislos drein. „Ich habe doch nur Spaß gemacht, Junge.“, brüllte Friedrich, immer noch lachend und ließ seine flache Hand auf den Wohnzimmertisch krachen. „Als ich hörte, dass meine Tochter einen jungen Mann gefunden hat, habe ich mir gedacht, dass ich ihm erstmal auf den Zahn fühlen muss. Zumindest so tun, als ob. Aber jetzt lach doch mein Junge. Es war doch nur Spaß! Du bist natürlich herzlich in unserer Familie willkommen!“ „Wir waren so aufgeregt dich endlich in natura zu sehen,“, erläuterte Ellie und wischte sich ihre aufkommenden Lachtränen aus den Augen, „dass wir überlegt hatten wie wir dir am besten gegenüber treten sollten. Natürlich haben wir uns sehr für unsere Tochter gefreut und hoffen, dass du sie nicht verletzen wirst!“ Die letzten Worte sprach die freundlich wirkende Frau, die den Anschein machte, als ob sie keiner Fliege etwas zu Leide tun könnte, mit einer Entschlossenheit aus, die die unausgesprochene Warnung beinhaltete: Wehe wenn doch. „Jetzt lach doch, mein Junge.“, wiederholte Friedrich, der inzwischen aufgestanden war und Vaughn kameradschaftlich auf die Schulter klopfte. Dieser war jedoch zu überrumpelt und schockiert, als die deutliche Freude der anderen zu genießen, die es auf seine Kosten hatten. Noch dazu dieses „mein Junge“, als ob Vaughn noch ein Kind wäre oder dergleichen. Solche Vertrautheit nach der ersten Begegnung für jemanden zu empfinden war ihm sichtlich fremd, was aufgrund seiner unschönen Kindheitserinnerungen mit seinem leiblichen Vater zurückzuführen war. Sein einziger Trost war Chelsea, die eine Miene zog, als würde sie am liebsten jemanden erschlagen wollen. Vaughn konnte es jetzt noch nicht wissen, aber auch sie fühlte sich irgendwie gedemütigt. Abrupt stand sie auf, funkelte ihre Familie aus zornblitzenden Augen an, die daraufhin schlagartig verstummten und stapfte bebend vor Wut die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Bis dahin hatte Vaughn diese dramatischen Abgänge nur von Nathalie gekannt. Zu überrascht blickte er für einige Sekunden in Richtung Treppe ehe auch er sich erhob und seiner Freundin hinterher eilte.   Verstummt und verwirrt blieben die restlichen Anwesenden zurück. „Ist wohl ziemlich zart besaitet der junge Mann.“, konstatierte Friedrich und kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Du irrst dich, Vater.“, lachte Mark nach wie vor noch. „Vaughn kann einiges einstecken und auch austeilen. Er liebt und beschützt Chelsea aufrichtig.“ „Das wollen wir hoffen, mein Junge.“, brummte der Angesprochene und wechselte einen vielsagenden Blick mit seiner Frau. Kurz darauf erhob sie sich und eilte ihrer Tochter hinterher. „Und, mein Sohn? Schon aufgeregt? Wann kommt eigentlich deine zukünftige Braut?“ „Gegen 15 Uhr. Ihr ging es in den letzten Tagen nicht so gut. Nathalie klagte häufig über Schwindelanfälle, und weil es nur noch eine Woche bis zur Hochzeit ist, hielten wir es für das Beste, wenn sie so lange noch bei ihrer Mutter und ihrem Großvater wohnt. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich selber ein wenig überfordert mit Nathalies…Launen.“ Den Blick, den er seinem Vater bei dem letzten Wort zuwarf, sprach Bände. Friedrich nickte und rollte dabei mit seinen Augen, was so viel ausdrücken sollte: Frauen sind nun mal so. Besonders vor einer Hochzeit verlieren sie gerne ihre Nerven. „Mach dir darüber nicht so viele Gedanken, mein Sohn. Sobald die Trauung vollzogen ist, wird sie wieder normal sein.“ „Ich hoffe, du hast Recht.“, seufzte der junge Mann. „Vertrau mir. Mit deiner Mutter habe ich dasselbe durchgemacht. Ich kenne keinen Fall bei dem es anders verlaufen ist.“   In Chelseas Zimmer ging die junge Frau mit geballten Fäusten auf und ab. Ihr Freund beobachtete sie halb belustigt, aber auch halb beängstigt. „Chelsea, ist alles in Ordnung mit dir?“ „Nichts ist in Ordnung.“, stieß die Angesprochene wütend aus. „Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Nachdem sie dieses Spielchen mit uns gespielt haben?“ „Äh, mit uns?“ Das war ein Fehler. Mit einem Schlag richtete sich Chelseas Wut gegen ihren Freund, der augenblicklich ein Kissen an den Kopf geworfen bekam. Zum Glück hatte sie etwas Weiches genommen und kein Buch oder Ähnliches. „Wie kannst du es wagen so etwas zu fragen?“ In diesem Moment flog die Zimmertür auf und Ellie betrat freudestrahlend den Raum. Aus Sorge auch von ihr etwas an den Kopf geworfen zu bekommen, nahm Vaughn von beiden Frauen gleichermaßen Abstand. „Nun beruhige dich doch, mein Kind.“ „Nenn mich nicht Kind, Mutter! Ich bin schon lange keins mehr. Was sollte das von dir und Vater gerade? Warum musstest ihr UNS demütigen?“ Bei der Verwendung des Possessivpronomens funkelte Chelsea ihren Freund giftig an. „Aber, Liebes, das hatte doch nichts mit demütigen zu tun. Wir wollten uns lediglich einen Spaß erlauben, um die Stimmung dadurch zu lockern.“, erklärte die sorglose Mutter und strich sich mit einer grenzenlosen Ruhe und Sorgfalt die Falten ihres Rockes glatt. „Verstehst du? Dein Vater und ich waren extrem aufgeregt, deinen Bruder und seine Verlobte und dich und deinen Freund kennen zu lernen. Euren Entwicklungen, die ihr beide fernab auf dieser Insel von uns macht, am Telefon zu lauschen oder in euren Briefen zu lesen, darüber haben wir uns stets aufs Neue gefreut und mächtig stolz gemacht. Natürlich wissen wir, dass ihr keine Kinder mehr seid, und ihr auf euren eigenen Beinen stehen könnt, allerdings hat gerade die Nachricht von der baldigen Vermählung uns vor Augen geführt, dass wir älter geworden sind und ihr schon sehr bald eure eigenen Familien gründen werdet. Wenigsten diesen kleinen Spaß musst du uns erlauben, Liebes. Wir wollten euch bestimmt nicht demütigen, das hatten wir gewiss nicht beabsichtigt.“ Bei den letzten Worten hatte ein trauriger Schimmer in Ellies Augen gelegen, wodurch Chelseas Wut sofort wieder verrauchte. „Ach, Mama.“ Ein breites Lächeln trat auf Ellies Gesicht, weil es schon Jahre zurücklag, als Chelsea zum letzten Mal ihre Mutter „Mama“ genannt hatte. Glücklich fielen sich Mutter und Tochter in die Arme. „Ich habe dich und Papa fruchtbar vermisst. Ihr müsst solange bleiben wie ihr könnt.“ „Das werden wir, meine Tochter. Immerhin haben wir noch einiges nachzuholen. Wie gemeinsam Backen und Kochen, Shoppen gehen, über unsere Männer herziehen.“ Beide Frauen fielen in ein freudiges Gelächter. Vaughn stand daneben und konnte nicht einmal ansatzweise begreifen, was gerade geschehen war. Er freute sich für Chelsea, dass sie ihre Mutter wieder bei sich hatte, aber seien wir mal ehrlich: Wer versteht schon die Frauen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)