Ta Sho von Turbofreak (die Outtakes) ================================================================================ Kapitel 1: die 1. Version vom Verschwinden ------------------------------------------ Nichts tat sich in den nächsten Wochen. Abgesehen von den schleichenden Veränderungen im Team. Ohne es zu beabsichtigen, hatten die vier Freunde in den Lauf der Geschichte eingegriffen und so ihre Zukunft geändert. Vor allem auf Ramrod machten sich die Veränderungen bemerkbar. Aus zwei Zimmern waren drei geworden, die Hierarchie änderte sich stetig. Zwar schleichend, aber mittlerweile war die geänderte Struktur auffällig. Nur Fireball bemerkte das alles nicht. Er machte mitunter die schwerste Zeit in seinem Leben durch, wurde mit alle dem schlecht fertig und so fiel ihm nicht auf, dass er Sabers Posten nach und nach übernahm. Selbstverständlich gab er seinen Freunden Anweisungen und sogar Befehle, taktierte und grübelte stundenlang über Schlachtplänen. Er tat all das, was ansonsten Sabers Aufgaben gewesen wären, ohne dass er es selbst wahrnahm. Das Abendessen war regelmäßig nur noch von April, Saber und Colt gemacht und verschlungen worden. Um den Schein zu wahren, blieb Fireball in der Flugstaffel seines Vaters und leistete Dienst. Oft kam er deswegen später als üblich zurück. Die drei hatten sich mittlerweile daran gewöhnt, denn immerhin meldete er sich kurz, wenn er das Abendessen verpassen würde. An diesem Abend war er vor der üblichen Zeit schon an Board von Ramrod gewesen, doch das Abendessen hatte er trotzdem ausfallen lassen. Fireball war still in seines und Aprils Zimmer gegangen und hatte sich aufs Bett gesetzt. Er hatte seinen Freunden noch nicht einmal gesagt, dass er schon zuhause war. Fassungslos starrte er immer wieder an sich hinab. Angst breitete sich in ihm aus und unweigerlich übertrug sich diese Angst im Inneren auch nach außen. Fireball zitterte. Er konnte sich ein gutes Bild davon machen, was unausweichlich auf ihn zu kam. Jesse Blue war vor kurzem auf den Plan getreten und hatte sich erstmals in die Geschehnisse der Vergangenheit eingemischt. Offenbar hatte der Verräter abgewartet, sich ein Bild von der Situation gemacht und beobachtet, wie sich die vier Star Sheriffs mit dieser eigenartigen Konstellation zurechtfanden und wo sie schließlich stehen würden. Wieder einmal hatte das Schicksal dabei dem Blauhaarigen in die Hände gespielt und es ihm leicht gemacht. Fireball war auf seinen Vater gestoßen. Dieser war ohnehin skeptisch gewesen und nachdem der erste Mordversuch an Fireball wegen des Vaters gescheitert war, hatte Jesse einfach Andeutungen gemacht und den Captain noch argwöhnischer werden lassen. Er hatte nur noch auf einen guten Zeitpunkt warten müssen. Und dann hatte er kurzerhand in die Geschichte eingegriffen. Jesse würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. April saß mit Colt und Saber noch im Aufenthaltsraum zusammen und unterhielt sich mit ihnen. Seit geraumer Zeit beschlich sie ein eigenartiges Gefühl, sie konnte nicht sagen, was es war, aber es machte sie unruhig. Inzwischen waren sie über einen Monat schon in der Vergangenheit und noch immer hatten sie keine Idee, wie sie wieder in ihre Zeit zurückkehren konnten. Immer wieder mussten sie Schwierigkeiten ausweichen, vor allem aber mussten sie Captain Hikari aus dem Weg gehen. Fireballs Vater war nach dem Attentat auf Fireball auf die Idee gekommen, dass mit der Bande etwas nicht stimmte, dass sie etwas zu verbergen hatten und bei jeder Gelegenheit ging er seiner Vermutung auf den Grund. Colt warf einen Blick zur Wanduhr. Fireball war überfällig, das machte ihn nervös. War etwas passiert? Er nickte in Sabers Richtung und versuchte sich abzulenken: „Egal, was sich ändert, auf Fireballs Pünktlichkeit hat das alles keinen Einfluss.“ Saber schmunzelte leicht und nickte. Wo Colt Recht hatte, da hatte er eben Recht. Auch das war ein unerschütterlicher und krisensicherer Fakt. Seine oft plump ausgedrückten Feststellungen trafen immer den Nagel präzise auf den Kopf. Selten lag der Kuhhirte mit einer Behauptung daneben. Auch was anderes war ihm schon aufgefallen, aber das war jedem zwangsläufig ins Blickfeld gesprungen. Spätestens nachdem alle ein eigenes Zimmer auf Ramrod bekommen hatten und die Blondine sich ihres mit dem Rennfahrer teilte. Da musste gehörig was in der Vergangenheit durcheinander geraten sein. April gähnte, sie war hundemüde und wollte nicht mehr länger warten. Sie stand auf und wünschte ihren beiden Jungs eine gute Nacht: „Schlaft gut. Und sagt Matchbox, dass er sich leise verhalten soll, wenn er doch noch ins Bett schleichen sollte.“ Colt stieß sich grinsend den Hut aus dem Gesicht: „Ach, Baby. Der macht sich schon anders bei dir bemerkbar, da verwett‘ ich meinen besten Gaul drauf, verwett‘ ich den doch.“ April reagierte wie geplant. Sie wurde rot und hob drohend die Faust. Angriff war immer noch die beste Verteidigung. Sie polterte: „Du siehst Gespenster, Viehtreiber!“ Nicht das beste Argument, wie April feststellen musste. Denn nun antwortete statt Colt plötzlich Saber. Auch er schmunzelte vielsagend und deutete auf das gemeinsame Zimmer der beiden jüngsten Teammitglieder: „Ein ziemlich handfestes Gespenst, ja.“ „Ich werd‘ ihm sagen, dass er sich möglichst leise zu dir kuscheln soll, Prinzessin. Alles andere ist dann nicht mehr mein Gebiet.“, das amüsierte Colt über alle Maßen. Er hatte sich früher schon über die beiden lustig gemacht, in ihrer Zeit. Aber damals waren das alles nur vage Andeutungen gewesen, hatte man nie mit Sicherheit sagen können, dass die beiden sich mochten. Hier, in dieser paradoxen Welt, war die Sachlage eindeutig. Zu eindeutig und Colt konnte sich darauf konzentrieren, zweideutige Wortspielchen mit den beiden zu treiben. Kopfschüttelnd verließ April den Aufenthaltsraum und ging den Korridor zu ihrem Zimmer hinunter. Colt würde nie aufhören, sich darüber lustig zu machen. Dafür tat er es einfach viel zu gerne. Tatsächlich war sie sogar noch froh darüber, dass Colt lediglich spekulierte, was April und Fireball tatsächlich machten. Sie hatten sich gerne, April hielt sich gerne in Fireballs Nähe auf. Für sie war der quirlige Japaner wie geschaffen. Mit den Gedanken bei den beiden Spottdrosseln im Aufenthaltsraum öffnete April die Tür und trat ein. Als sie das Licht anmachte, erschrak sie fast zu Tode. Fireball saß auf der Kante des gemeinsamen Bettes und starrte mit einem ausdruckslosen, leeren Blick auf seine Hände. Sofort schloss sie die Tür und trat auf Fireball zu. Sie setzte sich neben ihn und legte ihre Hände auf seine. Besorgt wollte sie wissen: „Fireball, was ist los?“ Die Blondine war sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Fireball war blass und fahl im Gesicht, fast als hätte er ein Gespenst gesehen. Irgendwie hatte April das Gefühl, seine Haut wäre durchscheinender geworden. Sie befürchtete das Schlimmste. Hatte Shinji Hikari etwa herausgefunden, dass er mit seinem Sohn um die Wette flog? Es konnte nur so sein. Wie hatte Fireballs Vater das alles aufgenommen? Angesichts des paralysierten Rennfahrers konnte er es nicht gut eingeordnet haben. Was hatte der hitzköpfige Vater dem Sohn da nur an den Kopf geworfen? April ahnte Schreckliches. Augenblicklich rutschte sie noch ein Stück näher zu ihm auf und legte eine Hand auf seinen Oberschenkel. Der Pilot schloss entmutigt die Augen und stand schließlich auf. Zitternd schob er sein T-Shirt ein Stück nach oben und gab den Blick auf seine bloße Haut frei. Dabei ließ er den Kopf sinken. Fireball konnte nicht reden, es hatte ihm die Sprache verschlagen. April schlug sich augenblicklich die Hände vors Gesicht und drehte den Kopf weg. Das durfte nicht sein! Leise wimmerte sie: „Nein…“ Schweigend setzte sich Fireball auf den Boden vor April. Er ließ seinen Kopf auf ihren Schoß sinken und umschloss ihre Taille mit den Händen. Angsterfüllt und wohl wissend, was weiter passieren würde, griff er fester nach April. Es war unausweichlich. Gerade jetzt, wo er April gestanden hatte, was er für sie empfand. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, vielleicht nur noch diese eine Nacht. April zitterte wie Espenlaub. Sie hatte schreckliche Angst. Diese wenigen Gesten hatten ausgereicht, um ihr Weltbild auf den Kopf zu stellen. Sie wusste, was das alles zu bedeuten hatte, es war der Beginn einer Konsequenz aus vergangenen Ereignissen. Fireball würde niemals das Licht der Welt erblicken. Sie hatten so massiv in die Vergangenheit eingegriffen, dass Aprils grausigste Befürchtungen noch harmlos im Vergleich dazu waren. Hilflos strich sie über seinen Kopf und flüsterte mit tränenerstickter Stimme: „Wie ist das…?“ Mehr brachte die Navigatorin nicht hervor, es schnürte ihr mit jedem Gedanken die Kehle ein Stückchen mehr zu. Sie verlor ihn. Sie würde Fireball für immer verlieren! „Jesse Blue hat sich eingemischt.“, heiser quälten sich diese Worte hervor. Fireball konnte kaum sprechen. April das alles antun zu müssen, sie dabei zusehen lassen müssen, brach Fireball das Herz. Denn sie konnte nichts tun, konnte ihm nicht helfen. Niemand konnte es noch verhindern. Der Rennfahrer schmiegte sich so eng wie möglich an April. Ihre Nähe, ihre Berührungen nahmen ihm zumindest die Angst davor. Und er hatte schreckliche Angst. Unbehaglich still war es in dem gemeinsamen Zimmer der beiden. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, sie rann ihnen dennoch unaufhaltsam durch ihre Finger, wie Sand. Sie konnten sie nicht anhalten, konnten nichts dagegen tun. Ihre gemeinsame Zeit war beinahe abgelaufen. Schneller, als sie es sich jemals hatten vorstellen können und überraschender, als ihnen lieb war. Fireballs Blick glitt über das Zimmer. Was hätte ihn in der neuen Gegenwart erwartet? Wäre er im Oberkommando aufgewachsen, wie April? Traurig blieb er an einem Foto hängen. Er würde es nie erfahren, denn er würde niemals existieren. Fireball würde niemals zu den Star Sheriffs kommen, April niemals kennen lernen. Er kämpfte mit den Tränen. Es war schmerzhaft, das alles bewusst mitzuerleben. Es tat weh, denn er würde seine Freunde niemals kennen lernen, keinen von ihnen. April schob Fireball mit sanftem Druck von sich und stand auf. Sie ging auf die kleine Stehlampe neben dem Bett zu und schaltete diese ein. Anschließend löschte sie das Licht der grellen Deckenleuchter. Warmes Licht tauchte nun das Zimmer in eine scheinbar ruhige und entspannende Umgebung. Doch der Blondine war das Licht immer noch zu grell. Sie dimmte die Stehlampe so weit herunter, dass sie gerade noch genug von ihrem Zimmer erkennen konnte. April blinzelte die Tränen fort und kniete sich zu Fireball, der immer noch auf dem Boden vor ihrem Bett saß, hinunter. Sie musterte ihn mit aufmerksamen, traurigen Augen. Behutsam legte sie beide Arme um seine Schultern, lehnte ihre Stirn an seine und schloss die Augen. April spürte, wie seine Hände sich um ihre Hüften legten, wie er seinen Kopf stärker gegen ihren drückte. Auch ihre Nasenspitzen berührten sich nun. Gebrochen flüsterte Fireball: „Ich werde dich immer lieben, April. In jedem Leben, jeder Zeit.“ Dicke Tränen lösten sich von Aprils Wimpern. Sie bebte. Warum nur musste es so kommen? Die Blondine hätte sich so sehr ein anderes Ende dieser Geschichte gewünscht. Ein Happy End, aber das schien ihr nicht vergönnt zu sein. Sie verlor ihren Seelenverwandten in einer Zeit, in der sie nichts zu suchen hatten und die sie so stark verändert hatten, dass sich ihr Leben drastisch wandelte. April schluchzte, während sie die Hände um seinen Nacken schlang: „Ich werde dich niemals vergessen, Shinji. Du bist in meinem Herzen.“ Sie schlossen sich in die Arme, drängten ihre zitternden Körper aneinander. Es würde ein Abschied für immer sein. Fireball hauchte April einen zarten Kuss auf die Lippen. Sie würde ihm fehlen, so unendlich fehlen. April erwiderte den Kuss, zaghaft und mit bebenden Lippen, denn immer noch weinte sie. Sie weinte bittere Tränen um den Mann, der sich vor ihren Augen auflöste und zu existieren aufhörte. Noch konnte sie seine Berührungen wahrnehmen, seine Wärme spüren, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis all das nur noch Erinnerung, nur ein Traum war. Sie sah Fireball immer wieder an. Der Eindruck, den sie beim ersten Anblick hatte, verstärkte sich immer mehr. Fireball wurde durchsichtig. Stück für Stück verschwand er. Als er sich vollkommen aufgelöst hatte, hörte sie noch einmal seine Stimme, die aus dem Nichts ihres Zimmers kam und sich von ihr verabschiedete: „Ai shiteru, Süße.“ Er war weg, Fireball war verschwunden. Gerade noch hatte er ihr einen letzten Kuss gegeben, seine Arme enger um sie gelegt und nun war er weg. April weinte herzzerreißend. Sie krallte ihre Finger in das Bettlaken, zog es zu sich auf den Boden und kuschelte sich hinein. Es roch noch nach Fireball. In dieser Nacht weinte sich April in den Schlaf. Und sie träumte von der veränderten Zukunft. Immer wieder wachte sie auf, suchte mit ihren Augen nach Fireball, doch er war weg. Es dauerte einige Momente, bis ihr wieder ins Bewusstsein kam, was passiert war. Aber vergessen würde sie nicht. Niemals. Kapitel 2: Spirit ----------------- Er hatte sich früher aus dem Oberkommando geschlichen an diesem Tag. Seine Freunde waren von einer mehrwöchigen Mission endlich wieder nach Yuma zurückgekommen und hatten kurzerhand beschlossen, an diesem Abend etwas gemeinsam zu unternehmen. Der junge Captain schickte seiner Crew noch gutgelaunte Feierabendwünsche durch den Hangar, ehe er endgültig die Segel für diesen Tag strich. Fireball war gerne Captain der Air Strike Base 1, auch wenn er länger gebraucht hatte, um sich das Vertrauen aller zu verdienen als auf Ramrod. Aber mittlerweile hatten ihn alle in ihr Pilotenherz gelassen und ihn öfter als einmal schon offiziell in der Familie der Staffel willkommen geheißen. Und dennoch vermisste er Ramrod an so manchen Tagen. Das Schlimmste für den Piloten war immer noch, wenn der große Cowboy ohne ihn abhob und es somit bedeutete, dass er seine Freunde und April wieder für längere Zeit nicht sehen würde. Geschmückt wie eine Kuh beim Almauftrieb, wie Colt das immer nannte, wenn er Fireball in der Uniform des Captains sah, war der Pilot im Begriff das Gelände zu verlassen. Er hatte ohnehin nicht übertrieben viel Zeit, denn seine Freunde hatten wieder mal nicht bedacht, dass ihr Feierabend nicht der selbe war, wie der von Fireball. Ramrod war nicht in das tägliche Geschehen des Oberkommandos eingebunden und hatte das, was einer freien Zeiteinteilung am nächsten kam, Bereitschaft. Da konnte man zumindest so etwas wie Freizeit unterbringen und das taten die vier immer wieder gern. Bestimmt brachte Colt an diesem Abend endlich wieder mal seine Zukünftige mit. Die hochschwangere Robin war der beste Beweis für die rosigen Zeiten, auf die sie alle irgendwann wirklich zusteuern würden. Der eine früher und der andere eben später. Sogar für Saber hatte sich in den letzten Monaten viel geändert. Der einsame Wolf, der er ohne Zweifel vor ihrer verrückten Zeitreise gewesen war, war er schon länger nicht mehr. Der Schotte hatte eine Frau gefunden, die seinen Sinn für Humor teilte und eine gewisse Erziehung genossen hatte. Aus Aprils Cousine June war im Laufe der Zeit eine gebildete, junge Frau geworden, die dem Säbelschwinger immer wieder mit Leichtigkeit ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Irgendwo musste er falsch abgebogen sein. Fireball hatte an diesem Tag den Kopf voller Gedanken, die ihm nachweislich die Konzentration nahmen. Als er vor einem geschlossenen Tor stand, bemerkte er erst, dass er unterbewusst nicht den Weg in seine Wohnung eingeschlagen haben dürfte. Fireball kannte das eiserne Tor mit unzähligen Verschnörkelungen, lief er doch jeden Tag öfter als nur einmal daran vorbei. Es war der Eingang zum Militärfriedhof, vor dem er sich befand. Er schob es ein Stückchen auf und schlüpfte hinein. Das letzte Mal war er hier gewesen, als die Gedenkfeier stattgefunden hatte. Diese Farce, bestimmt war sie jedem nur wegen der unzähligen, langatmigen und heroischen Ansprachen im Gedächtnis geblieben, wenn überhaupt. Der weiße Kiesel knirschte unter seinen Schuhen, als er den Weg entlang schritt. Fireball hatte sich bis dato immer geweigert, hier her zu kommen, bisher war er noch kein einziges Mal alleine hier gewesen. Ganz kurz hatte er das Mahnmal mit seiner Mutter besucht, vor der offiziellen Gedenkfeier. Es war eine kleine Stippvisite gewesen, Fireball hatte sich unbehaglich gefühlt und hatte es nicht lange ausgehalten. Und natürlich die pompöse Gedenkfeier zum zwanzigsten Jahrestag der Outriderangriffe. Das Theater hatte unglaubliche vier Stunden gedauert, in der größten Mittagshitze wohlgemerkt. Die Piloten der Air Strike Base 1 waren symbolhaft an dem Denkmal Spalier gestanden, jeder mit einem Foto der Helden, die damals gestorben waren, in Händen. Und natürlich hatte der Captain der heutigen Air Strike Base 1 das Foto des damals gestorbenen Captains in Händen gehabt. Und nun stand er hier, die tiefstehende Sonne im Rücken und warf einen langen Schatten auf das Kriegerdenkmal. Auf dem Steinblock waren alle Namen kunstvoll eingraviert worden. Es waren so viele, die damals gestorben waren. Viel zu viele. Über den Namen hatte man einen kleinen Spruch eingravieren lassen. ‚Niemals werden wir vergessen, Niemals aufhören euch zu vermissen‘ Fireball nahm sich zum ersten Mal wirklich die Zeit, über die Namen zu lesen, die alle auf diesem Steinblock standen. Nicht nur durch die Geste auf der Gedenkfeier, sondern vor allem durch den Dienst, den er in der Vergangenheit im Oberkommando geleistet hatte, hatten viele Namen ein Gesicht dazu. Mehr noch als das. Für den jungen Japaner hatten sie zu dem Namen auch Charakterzüge bekommen. Seine Gedanken drifteten weit weg von diesem Denkmal, sie sprangen förmlich in die Zeit zurück, wo die Helden alle noch gelebt hatten, in eine Zeit, in der er mit seinem Vater zusammen gearbeitet hatte. Er erinnerte sich nicht gerne daran, weil er jedes Mal auch daran dachte, wie sein Vater dann doch noch trotz besseren Wissens zu diesem gottverdammten Manöver geflogen war. Fireball hatte mit seinem Vater damals über das Sterben gesprochen… They asked me what I want engraved On the gravestone where I lie … Resignierend schüttelte Shinji den Kopf und trank den letzten Schluck von seinem Bier, ehe er einen Hinweis aussprach: „Welten sind nicht mehr ganz so unerreichbar wie vor Jahren noch. Merk dir eines, Kurzer, wenn du sonst schon nichts lernen willst.“, er legte Geld auf den Tisch und trat einige Schritte von Fireball weg: „Talent und Können allein machen nicht glücklich, wenn man seine Erfolge mit niemanden teilen kann. Das wird Firenza noch lernen und du bestimmt auch irgendwann.“ Nun ließ Fireball den Kopf hängen. Unbestimmt gab er zurück: „Das nicht. Aber man stürzt niemanden ins Unglück, wenn einem Talent und Können nicht mehr helfen und es zu spät ist.“… Stur und unbedacht hatte er seinem Vater widersprochen. Und dennoch. An Fireballs Meinung hatte sich bisher diesbezüglich nichts geändert. Immer noch glaubte er, niemals verstehen zu können, wie man seine Familie für etwas verlassen konnte, das einem niemand danken würde. Ja, man wurde dadurch für viele Menschen zum Helden, aber niemand verschwendete einen einzigen Gedanken an die, die dieser Held zurück gelassen hatte. Keiner konnte wissen, wie sehr Kinder ihre Väter und Frauen ihre Männer vermissten. Die Brüder, Schwäger, Onkel und Freunde brachten fromme Gedanken nicht wieder zurück. Talent und Können allein machten nicht glücklich, das war wahr. Fireball hatte reichlich davon, das hatte er mehr als einmal bereits unter Beweis gestellt. Richtig glücklich war er dennoch nicht. Tell them it’s just my bones that died there Man konnte von niemandem, der verheiratet war oder sogar Kinder hatte, verlangen, in den Krieg zu ziehen. Fireball seufzte unglücklich und schloss die Augen. Die Erinnerung an seinen Vater tat weh, mehr noch als zuvor. Für ihn war sein Vater nie mehr als ein Phantom gewesen, von dem ihm seine Mutter manchmal erzählt hatte. Für alle war der Captain ein Held gewesen, nur für den Piloten nicht. Oft hatte er Zorn und Groll gegen ihn gehegt, weil das Vermächtnis seines Vaters nicht zu tragen war. Das hatte sich mit ihrem Abstecher in der Vergangenheit geändert. Aus diesem übermenschlichen Schatten, der seit jeher über Fireball geschwebt war, war ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden. Aus dem Namen, den man selbst nie hatte wollen, war ein Freund geworden. Fireball hob den Blick und schielte auf den ersten Namen des Denkmals, Captain Shinji Hikari. Sein Vater hatte sein eigenes Schicksal doch in Händen gehabt, warum nur hatte er es trotzdem geschehen lassen? Shinji hatte alles von Saber und den anderen erfahren, er hätte sich anders entscheiden können, wieso nur hatte er sich dann immer noch gegen seine Familie, gegen seinen Sohn entschieden? Fireball war den Tränen nahe. To save the tears they’ll cry Der Japaner schluckte die Tränen hinunter und fuhr sich durch die Haare. Sein Vater hatte es für den Frieden getan. Er hatte sein eigenes Leben für die Menschen geopfert, die nach ihm kommen würden. Shinji hatte ihnen die Zeit verschafft, die sie gebraucht hatten, um sich von den ersten Angriffen zu erholen und Ramrod zu entwickeln. Er war letztendlich mit der Gewissheit gestorben, das Richtige getan zu haben, es für die Zukunft seines Sohnes getan zu haben. Denn nur dank seines Vaters stand er heute hier. Hätte sich der Captain anders entschieden, vielleicht hätte der quirlige Pilot nicht so unbeschwert aufwachsen können, wie er es schließlich getan hatte. Er war mit einer liebevollen Mutter gesegnet worden, auch wenn sie ihn als die Wiedergeburt ihres Mannes ansah. Natürlich, die Vergleiche seiner Mutter mit diesem, für ihn seither unerreichbaren, Helden waren schmerzhaft gewesen, aber… ‘Cause my spirit is still running Somewhere in this night …jetzt verstand er ihre Worte. Fireball verstand die Bedeutung ihrer Worte, denn er hatte es selbst bemerkt. Egal, wie sehr er sich dagegen auch gewehrt hatte, wie sehr er es abgestritten hatte, letztlich war er der Sohn seines Vaters. Obwohl er sich dagegen gesträubt hatte und alles getan hatte, um sich nicht so zu entwickeln, das Schicksal hatte sich nicht davon abbringen lassen. Er war geworden, wie sein Vater. Fireball führte das Erbe des großen Captain Hikari fort. Nicht nur als Captain der Air Strike Base 1, sondern vor allem, als das, was er war. Die braunen Augen des Japaners schimmerten wieder. Der Geist seines Vaters war niemals verschwunden, er war immer hier gewesen. Er war in Fireball, durch ihn lebte Captain Hikari weiter. And it’s these three words that come to me As I kiss this world goodbye Er hob den Kopf und trat an das Denkmal heran. Vorsichtig berührten seine Finger den ersten Namen unter dem kleinen Spruch. Es war der Name seines Vaters. Es war sein Name. Fireball hatte endlich gelernt, dass es keine Bürde war, der Sohn dieses Helden zu sein. Er musste nicht mehr dagegen ankämpfen, er brauchte nur zu sein, wie er eben war. Er spürte, wie dieser Krieg, der in seinem Inneren seit jeher tobte, endlich ein Ende nahm. Er konnte akzeptieren, dass er ohne seinen Vater aufgewachsen war. Fireball konnte das Erbe annehmen. Nach so langen Jahren hatte er begriffen, dass das Schicksal eines jeden vorherbestimmt war. Und das hier war sein Schicksal. Fireball konnte seinem Vater verzeihen. Denn er begriff, dass er nicht anders gehandelt hätte, wäre er in diese Situation geraten. Tief in sich wusste der Captain der Air Strike Base 1 plötzlich mit einer seltsamen Gewissheit, dass auch er jederzeit für den Frieden sterben würde. Er würde auch mit Familie die selbe Entscheidung treffen. Diese Gewissheit stärkte Fireball. Er warf noch einen letzten Blick auf das Kriegerdenkmal. Niemand hier war umsonst gestorben, die Familien, Geschichten und Schicksale hinter den Helden hatten dieses Opfer nicht umsonst gebracht. Nichts geschah in dieser Welt ohne Grund. Es hatte nur gedauert, bis Fireball das erkannt hatte. Never say die Innerer Frieden erfüllte Fireball mit jedem Schritt mehr, den er vom Denkmal wegmachte. Er war endlich soweit, wirklich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Fireball würde nicht mehr dagegen ankämpfen, das brauchte er nicht mehr. Denn so, wie es jetzt war, war es richtig. Sie wartete an dem großen Tor. Eigentlich hatte sie ihn im Büro abholen wollen, doch Fireball war schon weg gewesen. Martin hatte April gerade noch rechtzeitig gesehen, bevor sie wieder gegangen war und hatte der Navigatorin die hilfreiche Auskunft gegeben, dass ihr Liebster zum Friedhof gegangen war. April hatte ihn gesehen, als sie am Eingang angekommen war, das Kriegerdenkmal stand mitten auf dem grünen Platz, der nur von wenigen Kieswegen durchbrochen wurde. Augenblicklich hatte sie sich entschieden, Fireball mit seinen Gedanken alleine zu lassen. April hatte sich solange auf die Bank vor der Friedhofsmauer gesetzt und auf ihn gewartet. Als er das Tor hinter sich schloss, hob April den Blick zu ihm empor und stand auf. Fireball lächelte sie schweigend an, aber es war kein aufgezwungenes Lächeln. Sie erkannte sofort in seinen Augen, dass er für sich Frieden geschlossen hatte und ein schwieriges Kapitel, vielleicht sogar das schwierigste seines Lebens, abschließen konnte. Er brauchte dafür noch nicht einmal etwas zu sagen. April wusste es einfach. Schweigend legte sie ihm einen Arm um die Hüften und schmiegte sich an ihn. Nichts mehr als das hatte sie tun wollen, seit sie in Yuma gelandet waren. Seit geraumer Zeit brauchten sie sich nicht mehr zu verstecken. April genoss seitdem jede Berührung umso mehr, endlich gab es dabei keine Schmerzen mehr. Die Blondine konnte das unglaublich schöne Gefühl seiner Nähe genießen. Nichts stand mehr zwischen ihnen. Wirklich nichts. Fireball legte den Arm um seine Freundin. Ein Blick in ihre blauen Augen genügte, sie wusste, was gerade in ihm vorging. Sanft küsste er ihren Scheitel, während er sie noch enger an sich drückte. Leise hauchte er: „Lass uns zu den anderen gehen. Sonst glauben die, wir wollten Kinder kriegen.“ April schmiegte sich an ihn und schmunzelte. Sie schüttelte leicht den Kopf: „Nicht doch.“ Kapitel 3: Insiderinfos ----------------------- Durch das große Panoramafenster hatte er schon lange nicht mehr hinaus gesehen. Fireball stand neben seiner alten Satteleinheit und ließ den Blick über das Rollfeld schweifen. Momentan war niemand im Kontrollraum, sie hatten die Arbeit für diesen Abend mal wieder beendet. Wider Erwarten war auch Fireballs Vater eine große Hilfe bei den Berechnungen für den Zeitsprung. Einerseits war er Informationsquelle, welche Umstände bei seiner Zeitreise geherrscht hatten, andererseits kannte er unzählige Flugrouten um den Orbit des Königreichs. Fireball lehnte sich gegen seine Satteleinheit. Er war doch immer wieder erstaunt, welches Wissen und welchen Fundus an Spitzfindigkeiten sein Vater hatte. Der Knoten in ihrer Beziehung war lange schon geplatzt. Kein Wunder, immerhin hatte sich Fireball an jenem Abend wirklich alles von der Seele geredet. Seither fühlte er sich befreit. Der Captain war zuversichtlich, dass sie alles hinbekamen. Es bedeutete zwar, dass er seinen Vater wieder verlieren würde, allerdings wusste er nun, dass das der Lauf der Geschichte war und es auch bleiben musste. Der sternenübersäte Nachthimmel über dem Königreich war wunderschön anzusehen. Ein Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit hatte sich eingeschlichen. Fireball sank in die Satteleinheit des Piloten und lehnte sich entspannt zurück. Er hatte nie ganz vergessen, wie es sich anfühlte, auf Ramrod zu sein, das Gefühl wieder zu spüren und es genießen zu können, war zu herrlich. Fireball fühlte sich, als würde sich endgültig alles fügen und in sich stimmig sein. Seine Fingerspitzen glitten über das Metall, strichen an der Konsole entlang und über die Schubregler. Mit Ramrod konnte auch der beste Jet im Neuen Grenzland nicht mithalten. „Hier bist du also“, die einzige Frau kniete sich zur Satteleinheit des Piloten hinunter. Ihr war irgendwann aufgefallen, dass die kleine Toilettenpause länger als üblich gedauert hatte und hatte sich deshalb auf die Suche nach ihm begeben. Abgesehen davon herrschte ihr im Aufenthaltsraum einfach zu viel Trubel. Himmel, ihr hatten ihre drei Jungs an Bord locker gereicht, der Testosteronüberschuss, der momentan hier herrschte, spottete jeder Beschreibung. April setzte sich neben die Satteleinheit. Seit Ramrod hier war, hatte sie keine Gelegenheit gehabt, unter vier Augen mit Fireball zu reden. Das wollte sie nun nachholen. Die junge Frau war so unglaublich froh, zu Fireball wieder ein halbwegs normales Verhältnis zu haben. Sie waren sogar wieder Freunde. Deshalb empfand es April auch nicht, als würde sie sich mit Fireball hier vor den anderen verstecken. Mit einem versonnenen Lächeln sah Fireball zu ihr hinüber. Leise murmelte er: „Ich wollte Ramrod mal wieder einen Besuch abstatten, so wie früher.“ April nickte verstehend. Sie wusste, was er ihr damit sagen wollte. Mit einer Hand strich sie sich die Haare hinter die Schulter, die andere stützte sie auf dem Boden ab. Ramrod war immer so etwas wie ein Zuhause für sie alle gewesen, definitiv mehr als ein Jet es hätte sein können. Es war klar, dass sich Fireball auch jetzt noch hier wohl fühlte. Er hatte lange hier gearbeitet und auch gewohnt, hatte seine Freunde und seine Vertrauten hier um sich gehabt. Aber sie machte sich auch Sorgen. Sie waren seit einigen Tagen schon hier, Fireballs Vater war noch ein paar Takte früher hier gelandet und von Fireball hatte man bisher kaum eine Reaktion darauf gesehen. April wusste nicht, ob wirklich alles im grünen Bereich war. Beinahe schüchtern wollte sie wissen: „Geht’s dir gut, Turbo?“ Fragend zog Fireball die Augenbrauen zusammen. Er stand aus der Satteleinheit wieder auf und ging auf die große Glasfront zu. Dabei ließ er April allerdings nicht aus den Augen. Wie hatte sie die Frage gemeint? War er jetzt verstimmt, weil er die Flucht vorzog? April stand ebenfalls auf und ging zum großen Panoramafenster. Aufmerksam musterte sie ihren Freund und erkannte schließlich, dass er ihre Frage nur nicht zuordnen konnte. Ihre warme Hand legte sich auf seine Schulter, während sie ihm erklärte: „Ich mache mir ein paar Gedanken. Als wir in der Vergangenheit waren, hat dich das alles ziemlich mitgenommen. Und jetzt scheint es an dir vorbeizugehen.“ „Ich nehm’s nur, wie’s ist“, Fireballs Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Er ließ April wissen: „und ich versuch das Beste draus zu machen. Ich genieße die Zeit gerade. Mein Vater ist hier, meine engsten Freunde auch und es ist ein herrlicher Sommer. Es wird alles schnell genug wieder vorbei sein. Versteh mich nicht falsch, natürlich würde ich meinen Vater lieber hier lassen und Ramrod nicht auf eine Reise mit fraglichem Ausgang schicken müssen, aber ich habe eines gelernt. Man kann dem Schicksal nicht dreinpfuschen.“ „Jetzt bin ich platt“, erstaunt ließ April ihre Hand sinken und blinzelte zu Fireball hinüber. Hilfe, da hatte sich in den letzten Monaten einiges verändert. April bemerkte nicht nur eine gewisse Reife in den Worten ihres ehemaligen Piloten sondern auch die Wärme in seinen Augen. Sie strahlten wieder. Während ihrer Affäre hatten seine Augen manchmal leer gewirkt. Das war nun wieder anders und verdammt, sie verlor sich beinahe in diesem Augenpaar, das glänzte und in dem der Frohmut wohnte. Sie glaubte Fireball jedes Wort, das er ausgesprochen hatte. April genoss seine Offenheit. Sie spürte, sie waren endlich wieder an dem Punkt angelangt, an dem sie vor ihrer Beziehung gewesen waren. Sie würden sich auch wieder ohne die anderen treffen und die Dinge tun, die sie früher schon gemeinsam getan hatten. Unbewusst griff April nach Fireballs Hand und senkte schüchtern den Kopf: „Das ist eine gute Einstellung.“ Kaum spürte er ihre zarten Finger zwischen seinen, drückte er sie sachte. Es fühlte sich richtig an. Er genoss ihre Nähe, ihre Gegenwart. Sein Blick ging zu den Sternen hoch, als er ihr gestand: „War ein steiniger Weg bis zu dieser Erkenntnis. Ich weiß, dass der Tag, an dem ich Vater von hier verabschieden werde, ein harter sein wird. Gerade deswegen, und weil ich ihn nie kennen gelernt hätte, wenn alles nach Plan gelaufen wäre, will ich die Zeit mit ihm so intensiv und bestens nützen. Vater weiß von seinem Schicksal und er wird es erfüllen.“ Sie lehnte sich an ihn und sah mit ihm in den Sternenhimmel auf. Auch, wenn ihr Freund im Moment stark und in sich gefestigt wirkte, hatte sie Angst vor dem besagtem Tag, an dem Ramrod mit Shinji abheben würde um ihn wieder in seine Zeit zurück zu bringen. April hoffte da auf das Gespür von Martin. Er beobachtete die zwei Schatten, die da aneinander geschmiegt standen und die Ruhe für einen Augenblick genossen. Lächelnd lehnte er sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Shinji freute sich über diesen Anblick, sein Sohn und April waren sich also doch näher, als er zuletzt befürchtet hatte. Das junge Glück erwärmte sein Herz. Aber es schwang auch ein wenig Wehmut in seinen Gedanken mit. Shinji mochte die Bande um seinen Kurzen, vor allem die Stammbesetzung von Ramrod. Diese drei kannte er am längsten und auch wenn er bei Martin sofort erkannt hatte, dass dieser der Gegenpart zu Fireball in der Base war, so hatte er doch manchmal den Eindruck, dass Martin sich ihm gegenüber distanziert verhielt. Shinji konnte nicht ahnen, dass der Brasilianer und alle anderen von Fireball die strikte Anweisung bekommen hatten, nichts von der Zukunft zu erzählen. Das fiel naturgemäß allen schwer. Wie sollte man sich mit jemanden anfreunden, dem man nichts erzählen durfte? Plötzlich wurde er von jemandem angetippt. Es war Saber, der auf die Suche nach seinen verschwundenen Freunden gegangen war. Langsam war es spät geworden und zumindest den Freunden auf Ramrod stand der Sinn nach Schlaf. Der Schotte flüsterte ihm zu: „Wir warten auf dich.“ Shinji wandte sich mit einem sehnsüchtigen Lächeln um und ging von Saber begleitet aus dem Kontrollraum. Der ältere Hikari murmelte: „Sie wären ein hübsches Paar.“ Saber warf einen Blick über seine Schulter zurück in den Kontrollraum. Auch er sah das Gespann vor dem Panoramafenster eingehend an. Viel war nach dem Ausflug in die Vergangenheit geschehen, ein Anblick wie dieser erinnerte Saber daran, dass sich manches nicht so entwickelt hatte, wie sie alle gedacht hatten. Einige Dinge hatten ihnen zu schaffen gemacht, anderes wiederum war erfreulich gewesen. Die gravierendsten Änderungen hatte jeder von ihnen in seinem Privatleben erfahren. Saber glaubte sich manchmal noch daran zu erinnern, wie es vor ihrer Reise gewesen war. Meistens spielte er mit diesen Gedanken, wenn er mit June zuhause saß und in aller Seelenruhe in den Sternenhimmel aufsehen konnte. Einiges war schief gegangen, aber so wie es jetzt war, standen die Zeichen wieder auf Schönwetter. Sabers Augen glitten zum Captain zurück. Er dachte an dessen Worte. Shinji konnte es nicht wissen. Mit einem leichten Kopfschütteln führte Saber den Captain in den Aufenthaltsraum zurück. Er erklärte ihm: „Frag ihn lieber nie nach April.“ „Er schweigt sich diesbezüglich aus, aber ich hab Augen im Kopf, Junge“, Shinji blieb erneut im Flur stehen. Geradeheraus ließ er Saber an seinen Gedanken teilhaben: „Der Kurze hat April gerne, er ist nur zu feige, es ihr zu sagen!“ Saber verstand, was Shinji ihm da sagen wollte. Unweigerlich huschte ihm ein kleines Lächeln über die Lippen. ‚Gern haben‘. Saber fiel wieder ein, wie Fireball dieses gern haben vor einigen Monaten benutzt hatte. Es musste nicht immer das bedeutungsschwere Wort Liebe sein um zu beschreiben, welche Sehnsüchte in einem hausten, wenn man an den einen Menschen dachte. Saber war damals aufgefallen, dass Fireball niemals über Liebe sprach, wenn er von April erzählte. Sehr wohl aber hatte man dem jungen Mann ansehen können, was er für sie empfunden hatte und vielleicht immer noch für sie empfand. Gefühle ließen sich nicht wegreden und auch nicht durch Trennung ändern. Das wusste Saber. Schweren Herzens zerschlug der Highlander die unübersehbaren Hoffnungen des Captains, als er ihm eine Hand auf die Schulter legte und murmelte: „Sie sind Freunde, Shinji. Und das ist meines Erachtens auch besser so.“ Nach einer kurzen Pause fuhr Saber fort. Er wollte den Captain wieder ein wenig aufheitern. Schnell hatte er gemerkt, dass Shinji es bedauerte: „Keine Sorge, der Topf findet schon noch seinen Deckel. Er ist ja noch jung.“ „Er muss erst mal eine finden, die ihn erträgt“, mit einem unsicheren Grinsen wischte Shinji die Hand von seiner Schulter. Die Kinder hier wollten ihn trösten, ihn während seiner Zeit hier in Watte packen, in eine zuckersüße, rosa Welt stecken. Shinji wusste was in ihnen allen vorging. Die Kinder waren angespannt. Kein Wunder, trugen sie doch ein so großes Geheimnis mit sich herum und mussten es nun auch noch verstecken. Und bestimmt war es nicht einfach, einen Weg in die Vergangenheit zurück zu finden. Dann waren sich auch noch alle um ihn herum einig, einfach nichts Persönliches Preis zu geben. Er fand es ätzend. Aber er konnte sie auch verstehen. Mit einem wissenden Blick sprach Shinji weiter: „Wenn er wirklich mein Sohn ist – und Himmel diesbezüglich gehe ich mittlerweile jede Wette ein! – dann ist er gerade in einem unausstehlichen Alter.“ Saber wich erstaunt einen Schritt zurück: „Will ich wissen, woher du das so genau weißt?“ Shinji lachte indes munter auf. Die Reaktion von Saber gefiel ihm. Endlich konnte er mal aus dem Nähkästchen plaudern. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, erklärte er dem blonden Mann, wie er in Fireballs Alter gewesen war, welche Kämpfe er ausgefochten hatte, nur um sich Jahre später einzugestehen, dass sie allesamt unnötig gewesen waren. Selbst Ai, die er schon früh kennen gelernt hatte, war oft nicht im Stande gewesen, ihn zu beschwichtigen, ihn eines Besseren zu belehren. Bis er irgendwann Verantwortung übernommen hatte. Shinji wollte Saber keine Angst machen, das war nicht seine Absicht. Viel eher wollte er, dass Fireballs Freunde für etwaige bevorstehende kleinere und größere Krisen gerüstet waren. In jedem Fall waren manche Aussetzer leichter zu ertragen, wenn man wusste, dass es solche geben konnte. Der Schotte war mehr als dankbar für die guten Ratschläge. Er wusste, dass Fireballs Vater ihm ein Werkzeug in die Hände gab, den Wirbelsturm notfalls sogar von der Ferne aus etwas eindämmen zu können, sollte er losbrechen. Kapitel 4: Goodbye ------------------ Wieder einmal stand er am Fenster in seinem Büro, die Gedanken weit in der Ferne. Es war längst Feierabend, doch er wollte noch nicht nachhause gehen. Er hatte in Erfahrung bringen können, dass Ramrod an diesem Abend wieder in den heimatlichen Hangar kam. Und er wollte sie sehen. Fireball senkte wehmütig den Blick. Er vermisste die Landungen und Starts mit dem großen Cowboy manchmal. Es war eine größere Herausforderung, als mit einem kleinen Jet zu manövrieren. Aber das hier war sein Schicksal. Fireball würde in der Air Strike Base bleiben, bis an sein Lebensende. Endlich, nach beinahe einem Jahr in dieser Einheit, hatte sich das Gefühl eingestellt, hier richtig zu sein. Endlich wusste er, dass er hier mehr für den Frieden tun konnte, als auf Ramrod. Viel war in den letzten Monaten passiert, den Stein ins Rollen hatte ihre verrückte Reise in die Vergangenheit gebracht. Fireball blickte in den Glutroten Himmel hinauf. Saber würde demnächst heiraten. Einer seiner besten Freunde traute sich in den Hafen der Ehe. Der Japaner freute sich für den Recken. Manchmal hatte es für Fireball so ausgesehen, als würde sich Saber nur an Bücher und das geschriebene Wort binden. Aber auch den blonden Highlander hatte die Liebe eines Tages ereilt. Stetig war aus einer Bekanntschaft Liebe geworden. Bei Saber und June hatte man direkt dabei zusehen können, wie sich mit jedem Treffen wieder etwas bewegt hatte. Und nach ihrem Zwischenfall in der Vergangenheit hatte Saber Nägel mit Köpfen gemacht. Er hatte um Junes Hand angehalten. Fireball freute sich schon auf die Hochzeit, auch, wenn sie erst im nächsten Frühjahr stattfinden würde. Sein Freund Colt war in diesem Herbst Vater geworden. Er und Robin hatten eine bezaubernde kleine Tochter namens Rachel auf dieser Welt begrüßen dürfen. Sie war gesund und was Fireball von seinen Besuchen so mitbekam, ein richtiger Sonnenschein. Robin hatte irgendwann angefangen, Fireball zumindest einmal alle zwei Wochen abends zu sich einzuladen. Er wusste nicht, weshalb sie das tat, aber wahrscheinlich kam sie damit lediglich einem Wunsch Colts nach, der versuchte, über Robin an Neuigkeiten heran zu kommen. Aber weder Robin noch Fireball störten sich daran. Sie verstanden sich gut und gegen Freundschaftsbesuche hatte niemand etwas einzuwenden. Dabei übernahm Fireball auch schon mal die Rolle des Onkels. Er hielt Rachel auf dem Arm, beschäftigte sich mit ihr und gab ihr sogar ab und zu das Fläschchen, wenn Robin ihn darum bat. Fireball bekam fast mehr von Rachel mit, als Colt. Aber der arme Kuhhirte gondelte auch immer irgendwo im Universum herum, ganz im Gegensatz zu ihm. Fireball fristete sein Dasein auf dem Planeten Yuma. Den Planeten von Weitem hatte der quirlige Pilot schon lange nicht mehr gesehen. Alessandro stand ihm noch immer skeptisch gegenüber. Aber zumindest hatte Fireball ihm beweisen können, dass er es ernst mit April meinte. Der Italiener hatte ihm so manches Mal schwer zugesetzt. Nicht nur, weil er ihm Gas gegeben hatte, sondern auch, weil er seine Eifersucht geschürt hatte. Fireball hatte sich oft ausgetauscht gefühlt. Anfangs war es noch nicht so schlimm gewesen, aber mit der Zeit hatte er gemerkt, dass er kein Teil mehr von Ramrod war. In Verbindung mit seinen anderen Schwierigkeiten und dem Wissen, nicht zur Air Strike Base 1 zu gehören, war das eine unangenehme Erfahrung gewesen. Als er zwischenzeitlich sogar noch geglaubt hatte, Alessandro sei mehr als ein Freund für April, war es mit Fireballs Sympathien Alex gegenüber vorbei gewesen. Klar, sie waren auch jetzt noch keine Busenfreunde, aber sie standen sich auf Augenhöhe gegenüber und respektierten einander. Fireball warf einen Blick auf die Uhr. Ramrod würde hoffentlich bald auftauchen, ansonsten hätten sie wieder ein perfektes Timing hingelegt und er würde April verpassen. Während Fireball dem Fenster den Rücken zukehrte, glitten seine Gedanken zu ihr ab. Sie war etwas ganz Besonderes für den Piloten. In schwierigen Zeiten hatten sie zueinander gefunden, in für Fireball persönlich stürmischen Zeiten hätten sie sich beinahe wieder verloren. Aber der Captain hatte die Kurve im letzten Moment noch bekommen. Nicht zuletzt dank Martin, der ihm nicht nur einmal den Kopf gewaschen hatte. Noch standen sie offiziell unter Beobachtung, aber in absehbarer Zeit würden sie die endgültige Entscheidung zu ihrem Fall bekommen. Fireball hatte sich endlosen Nächten deswegen stellen müssen. Er hatte weder vor noch zurück gewusst und erst als April ihm den Warnschuss vor den Bug knallte und alles hatte beenden wollen, hatte er sich seinen Gefühlen gestellt. April war ihm wichtiger als ein Job oder die Reputation im Oberkommando. Er hatte um sie gekämpft und nach dem derzeitigen Stand der Dinge vorläufig auch gewonnen. Dadurch, dass er seine Beziehung öffentlich gemacht und sie der Dienstaufsicht gemeldet hatte, war ein unbändiger Druck von ihm abgefallen. Fireball hatte quasi im selben Atemzug nach der Meldung aufgehört, die Base und April zu trennen. Hatte er ihr davor nie erzählt, was er zu tun hatte und welcher Wind ihm mitunter bei den Piloten entgegenwehte, so kam er zumindest mit manchen Details nun zu ihr. April hatte dieses neu in sie gewonnene Vertrauen durchaus positiv aufgefasst. Sie merkte, wie sie sich nicht mehr so ausgenützt fühlte. An vielen Dingen allerdings mussten die beiden noch arbeiten und so gingen die meisten Treffen mit Reden drauf. Fireball setzte sich an den Schreibtisch und beschloss, bis zu Ramrods Ankunft noch etwas Ordnung zu schaffen. Er würde selbst in den nächsten Monaten nicht hier sein, also konnte es nicht schaden, wenn alles Unnötige vom Tisch verschwand. Vor knapp einer Woche hatte er die Mitteilung von Commander Eagle bekommen, dass nach zwanzig Jahren wieder ein Manöver im Königreich Jarr stattfinden würde. Und die Air Strike Base 1 hatte die große Ehre, das Oberkommando bei König Jarred zu repräsentieren. Während Fireball alles in Schubladen verschwinden ließ, schmunzelte er bei dem Gedanken. Was der König wohl dazu sagen würde, wenn er als Captain dort auftauchen würde? Hoffentlich dachte der dann nicht, er würde in einem Déjà-vu stecken. War immerhin schon genug, wenn Fireball manchmal das Gefühl hatte, in seinem eigenen Leben nur Zuschauer zu sein. Die Erinnerung an die Zeit mit seinem Vater holte ihn noch ab und zu ein, gerade dann, wenn er merkte, dass es wieder zu viel um ihn herum war. Wenn er eine Auszeit brauchte, sagte er kurzerhand alle Termine ab und stahl sich für einen Tag aus dem Trubel davon. Dann saß er irgendwo in der Botanik, wie Colt das nennen würde, und starrte in die Ferne. Verschwinden würden die Erinnerungen dadurch nicht, das wusste Fireball, aber es machte alles wieder für eine Zeit lang erträglicher. Irgendwann, wenn die Zeit reif dafür war, würde Fireball Martin davon erzählen. Der Brasilianer würde ihn weder für verrückt erklären, noch würde er darüber urteilen. Vielleicht würde Martin nicht sofort verstehen, was bei der missglückten Mission passiert war, aber er würde Fireball glauben und ihm trotzdem ein Freund bleiben. Fireball war sich sogar ziemlich sicher, dass Martin dann sogar manche Dinge im Bezug auf seinen Vater besser verstehen würde. „Klopf, klopf!“, sie klopfte an die offene Tür und trat ein. Obwohl es bereits später Abend war, wusste April, dass er in seinem Büro saß. Er hatte einfach nur ihre Ankunft übersehen. April hatte ihre Haare locker zu einem Zopf geflochten, ihr roter Catsuit begleitete sie wie immer in der Freizeit. Allerdings verschwanden ihre nackten Schultern und Arme unter einer leichten Wolljacke, abends war es etwas kühler in Yuma. Sie hatte sich schon auf ihren kurzen Aufenthalt zuhause gefreut. Seit sie sozusagen auf Probe mit Fireball zusammen war, kam sie wieder gerne nachhause. Sie musste nicht mehr im Schatten herum huschen um zu Fireball zu kommen. Endlich hatten sie wieder so etwas wie eine Beziehung, konnten sich wieder miteinander draußen blicken lassen. Und auch das durfte sie seither ohne schlechtes Gewissen. April kam auf Fireball zu, setzte sich auf seinen Schoß und gab ihm einen zärtlichen Kuss: „Hast du Ramrod nicht landen gehört, weil du immer noch hier oben versauerst?“ Fireball erwiderte den Kuss. Augenblicklich schloss er sie in eine warme Umarmung und nickte: „Hab ich wohl. Ich bin hier geblieben, um dich abzuholen und nun eist doch du mich wieder hier los, Süße.“ Zwar widerstrebend, aber dennoch bestimmt, hob der junge Spund die Blondine wieder auf ihre Beine. Er warf noch einen skeptischen Blick auf seinen blank aufgeräumten Schreibtisch und stand ebenfalls auf. Er nahm April wieder in den Arm und führte sie zur Tür: „Lass uns nachhause gehen.“ Mittlerweile hatte in Fireballs Wohnung doch noch die persönliche Note Einzug gehalten. Das hatten die vier Wände auf dem Gelände des Oberkommandos vor allem April zu verdanken. Nach und nach waren ihre Klamotten und persönlichen Gegenstände in der Wohnung geblieben, im Bett hatten ein weiteres Kopfkissen und ein Bettlaken seinen Platz gefunden und auch im Bad hing neben Fireballs Handtuch mittlerweile eines für April. Als die beiden im Bett lagen und April schon beinahe eingeschlafen war, setzte sich der Pilot noch einmal auf. Er forderte April auf, sich zu ihm zu kuscheln, als er sie in seinem Arm und nahe bei sich spürte, streichelte er ihre Mähne aus dem Gesicht. Leise murmelte er schließlich: „Süße? Ich muss dir noch was gestehen. Morgen Früh muss ich weg. Länger. Dein Vater schickt mich für drei Monate auf ein Manöver ins Königreich Jarr. Ich wollte es dir persönlich sagen.“ Da war es mit der schönen Dämmerstimmung auch schon wieder vorbei. April richtete sich halb im Bett auf. Ach, warum folgten bei ihnen auf schöne Momente immer so schnell die bösen? April hätte sich auf ein paar ruhigere Tage mit ihrem Freund gefreut, aber kaum war sie im Lande, verließ er sie. Ihrem Schicksal mussten sie unbedingt noch mal erklären, wie das Leben gehen sollte. Fragend blickte sie in der Dunkelheit zu ihm auf: „Seit wann weißt du, dass du weg musst?“ „Vorige Woche wurde es fixiert“, erklärte Fireball leise. Behutsam richtete sich der Rennfahrer noch weiter auf, immer darauf bedacht, April nichts zu tun. Er machte das kleine Schlafzimmerlicht an und holte aus der Schublade etwas hervor. Fireball musste es jetzt machen, auch wenn er wusste, wonach das aussah. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Er fühlte sich ansonsten nicht wohl und am nächsten Tag hatte er dafür keine Zeit mehr. Sanft nahm er Aprils Hand in seine und legte etwas in ihre zierlichen Finger: „Ich möchte, dass du das hier nimmst. Es ist für dich.“ Ihr Herz pochte wie wild. Was hatte er denn vor? Als Fireball seine Hand zurückzog, konnte sie einen Blick auf das erhaschen, was er ihr gegeben hatte. Ihre Augen wurden groß und ihr Herz konnte noch viele Schläge zulegen, wie sie gerade bemerkte. Mit einem Schlag allerdings verstand sie, weshalb er ihr den Schlüsselanhänger schenkte. Entsetzt drückte sie ihm den Bund gegen die Brust, sie schüttelte den Kopf: „Nein, Shinji.“ Inständig sah er April an: „Bitte, Süße. Nimm ihn“, mit einer Hand fuhr er sich durch die Haare. Sein Name fiel leider immer nur dann, wenn es ernst wurde. Und in dieser Situation beschwor es ein ungutes Gefühl in Fireballs Magengegend herauf. Es vermischte sich mit einer schrecklichen Erinnerung. Etwas melancholisch bat er die Blondine: „Nenn mich bitte nicht so.“ April setzte sich nun endgültig auf. Für sie war klar: „Das ist aber dein Name. Und nur, weil ich ihn ausspreche, heißt das nicht, dass du von diesem Manöver nicht wieder kommst“, sie hatte im Handumdrehen gemerkt, woher der Schlüsselbundwind wehte. Ihn plagte wieder einmal die Geschichte. Aber das war ihrer Meinung nach der falsche Weg. Bestimmt, aber auch neckisch erklärte sie Fireball, während sie über seine Schulter strich: „Abgesehen davon, du hast von diesem Manöver wieder zu kommen, sonst komm ich dir in die Hölle hinterher und hol dich wieder.“ Er schmunzelte verhalten. Ja, das war seine April. Er war sich sicher, dass sie das machen würde. Sie würde ihn von den Toten wieder auferwecken und ihn dann eigenhändig noch mal unter die Erde befördern. Aber momentan war er nicht zu Scherzen aufgelegt. Es war Fireball ernst. Er nahm den Schlüsselbund hoch und versuchte, April unverfänglicher davon zu überzeugen, dass sie den behalten sollte: „Hör mal, ich bin drei Monate nicht zuhause. Mir ist einfach wohler, wenn du die hier hast.“ April strich sich die Haare hinter die Ohren, bevor sie den Schlüsselbund mit seinem verräterischen Anhänger in beide Hände nahm und ihn betrachtete. Es war der ominöse Schlüsselbund mit dem roten Glücksdrachen. Allerdings gab der asiatische Drache nun auf mehr Schlüssel Acht, als damals. Fireball nahm Schlüssel für Schlüssel zwischen seine Finger und erklärte ihr: „Der Schlüssel zu Ais Wohnung in Tokio, der zu meiner hier in Yuma, der Wagenschlüssel von meinem Auto. Der steht in der Tiefgarage. Und der hier“, zuletzt hatte er den kleinsten Schlüssel in Händen. Ihm wurde bewusst, dass ihre Beziehung fester wurde. Fireball teilte mit April nicht nur die gemeinsame Freizeit. Er war nun endlich soweit, dass er sein Leben mit der Blondine teilte. Fireball schluckte kurz, eigentlich war das symbolischer als ein Ring am Finger. Ganz leise führte er aus: „Das ist der Schlüssel zu einem Bankschließfach bei der YNB.“ Er brauchte nicht mehr weiter zu sprechen. April hatte auch so eine genaue Vorstellung davon, was alles in diesem Schließfach zu finden sein würde. Versicherungspolizzen, andere wichtige Dokumente und alle wichtigen Bankkonten und –daten waren da bestimmt nur die Kurzversion. April verschloss ihm den Mund mit dem Zeigefinger. Es war unheimlich, wenn Fireball plötzlich so ernst wurde. Sie widersprach ihm: „Und noch einmal nein, Turbo“, ihre Stimme war dabei liebevoll: „Die Schlüssel bleiben hier in deiner Wohnung. Weil du nämlich wieder zurückkommst.“ Er seufzte erschlagen. April konnte stur sein, wie eine Wand, total unnachgiebig. Aber der Captain versuchte es hinzunehmen. Er nahm den Schlüsselbund wieder und verstaute ihn in der Schublade. Wegen dieser Bitte wollte er weder eine Diskussion noch einen Streit riskieren, also ließ er der hübschen Blondine ihren Willen. Fireball gab ihr einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: „Also gut. Lass uns schlafen, Süße, sonst verpass ich morgen ausnahmsweise mal meinen Start und nicht den von Ramrod.“ Entspannt nickte April. Sie rutschte wieder hinunter, suchte eine bequeme Liegeposition und zog sich die Decke bis über die Schultern hinauf. Sie murmelte noch ein „Schlaf gut, Turbo“ und schloss die Augen. Sie fühlte sich hier wohl. Endlich. Es hatte schon Zeiten gegeben, da hatte April zu weinen angefangen, sobald das Licht im Schlafzimmer aus war. Oder sie unter der Dusche stand. April wusste schon nicht mehr, wie viele Tränen des Schmerzes und der Einsamkeit sie in diesen vier Wänden vergossen hatte. Und obwohl es noch gar nicht so lange her war, fühlte es sich an, als wäre es vor Jahren gewesen. Sie spürte seine Nähe in ihrem Rücken und seine warme Hand in ihrem Nacken. Auch, wenn die Nacht nicht lange dauern würde, so würde sie gut und sicher schlafen. Dieses Mal war April es, die in den blauen Himmel hinauf starrte und ihrem Liebsten hinter her sah. War kein schönes Gefühl. April fühlte sich unbehaglich. Da half es auch wenig, dass Fireball ihr vor einer grölenden versammelten Mannschaft noch einen Kuss und ein „Ich liebe dich“ da gelassen hatte. Gerade standen ihre drei männlichen Kollegen um sie herum und versuchten sie wieder aufzuheitern. Colt tat das auf seine Weise. Er legte April einen Arm um die Schultern. Mit der zweiten deutete er auf die Kondensstreifen, die von den Jets in den Himmel gezeichnet worden waren. Jovial grinste er: „In den drei Monaten ist in Yuma endlich mal Ruhe, wenn die Rabauken nicht da sind, Prinzessin. Das heißt für unsere Zwischenstopps hier ausspannen und keine Dramen.“ „Dramen?“, empört fuhr April herum. Sie hätte Colt am liebsten gleich wieder eine Kopfnuss verpasst. Das war doch wohl nicht wahr! Es war für sie nicht gerade einfach, zurück bleiben zu müssen, wenn der andere ans Ende des Universums aufbrach. Saber versuchte indes schnell zu vermitteln, obwohl Colts Taktik eigentlich ganz schlau war. April war zumindest schon abgelenkt und dachte nicht mehr vorrangig an den Rennfahrer: „Colt hat es nicht so gemeint. Du kennst ihn doch.“ April holte zum Schlag aus: „Eben deshalb sollte man ihm eine drauf geben!“ Der Italiener in der Runde stand lediglich daneben und lächelte stumm in sich hinein. Er war da schon in eine ganz interessante Truppe hinein versetzt worden. Die waren alle ein bisschen irre. Genau wie er. Währenddessen ließ April ihre Hand wieder sinken. Sie seufzte und gestand Fireball etwas zu, was sie bis dato immer als Sensibelchenanfall abgetan hatte: „Ist ein mieses Gefühl, auf dieser Seite zu stehen und ihn ziehen lassen zu müssen.“ Auch darauf ging Colt mit der Brechstange ein: „Ja, die Heimchen am Herd Nummer ist nicht so prickelnd. Da kann man schon verstehen, wieso Fireball da immer grummelt, wenn wir wieder abzischen.“ Breit grinsend beteiligte sich auch Alessandro an der Debatte. Allerdings schlug er sich auf Aprils Seite. Sie konnte Beistand bei jemandem wie Colt gut gebrauchen. Es war gerade wichtiger, dass sich April keine Sorgen um den asiatischen Hitzkopf machte. Alex zählte Fireball zwar nicht zu seinen Freunden, aber April war für ihn wie eine Schwester, da nahm er den Schwager allemal in Kauf. Und das hieß zwangsläufig, dass es April nur gut ging, wenn dem blutjungen Piloten nichts fehlte. Dafür würden die Jungs und Mädels der Staffel schon sorgen, das versicherte er April sehr glaubwürdig. Kapitel 5: Nebel ---------------- Fireball schluckte. Er wandte den Blick von April ab und flüsterte niedergeschlagen: „Ich weiß es nicht.“ Seine Gefühle für April waren das einzige, woran Fireball noch nicht zweifelte. Aber waren es dieselben Gefühle in April für ihn? Hatte er die letzten Tage völlig umsonst über etwas nachgedacht? Fireball begann Angst davor zu haben, dass er sich in April getäuscht haben könnte. Die Blondine schlang die Arme um ihre Knie und lugte leicht auf. Es war wichtig, ihre gemeinsame Basis zu klären. Doch es fiel ihr auch schwer. Wie sollte sie in Worte fassen, was sie dachte, was sie fühlte? Unsicher begann sie deswegen: „Diese Nacht, in der wir…“, sie stockte und errötete. April war nicht in der Lage, es auszusprechen, aber sie umschrieb ihre Gefühle diesbezüglich: „Für mich war sie wunderschön. Aber ich weiß nicht, ob alles daran wahr war.“ Langsam stand Fireball auf. Immer noch sah er die Blondine nicht an. Er stützte die Arme auf die Tischplatte und sah zum Fenster hinaus. Nebelschwaden krochen langsam an das Haus heran. Sie hüllten alles dahinter ein, ließen es verschwinden. Der Rennfahrer wandte den Blick ab, senkte den Kopf und schloss die Augen. Schmerz schwang in seiner Stimme mit, als er April gestand: „Sie war wirklich. Und alles daran war wahr.“, traurig blinzelte er zu der Blondine in seinem Bett: „Aber verboten.“ April ging plötzlich ein Knoten in der Brust auf, sie fühlte sich besser. Es war ihr nicht wichtig, ob es verboten gewesen war, was sie getan hatten. Sie hatten es getan und es war zu spät dafür. Unsicher strich April sich die Haare nach hinten und neigte den Kopf schief. Sie konnte nicht glauben, was er ihr gesagt hatte. Für April war es das erste Mal, dass sie diese Gefühle so intensiv erlebte, es war ihr noch völlig fremd. Und deshalb wusste sie nicht, wie viel Wahrheitsgehalt in seinen Worten wirklich lag. Sie fragte heiser: „Wirklich jedes Wort?“ Fahrig drehte sich Fireball zu ihr um und ging auf sie zu. Die ganze Zeit über ließ er den Kopf hängen. Er hatte gedacht, er würde sich wieder besser fühlen, er würde leichter zu einer Entscheidung finden, wenn sie bei ihm wäre. Doch das Gegenteil war der Fall. Fireball brach mit jedem Gedanken an April das Herz. Die Erinnerung an die Geschehnisse vor ihrer eigentlichen Zeit hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Nicht nur, weil er zusehen hatte müssen, wie sein Vater ums Leben gekommen war, sondern weil er Gefühle zugelassen hatte, von denen er gedacht hatte, er wäre niemals fähig, so für eine Frau zu empfinden. Sein Herz machte automatisch einen kleinen Sprung, wenn er an die Nacht mit April dachte. Lautlos setzte sich Fireball zu April ins Bett, endlich hob er den Kopf. Er blickte in ihre wunderschönen, ozeanblauen Augen. Jedes Wort, jede Geste hatte er so gelebt, wie er es in diesem Augenblick wirklich empfunden hatte. Wie er es immer noch fühlte. Leicht nickte Fireball der Blondine zu und bestätigte seine Aussage von vorhin noch einmal. April hatte jede Regung verfolgt, ihre Aufregung, ihre Unsicherheit und ihre Angst hätten sie keinen Augenblick die Augen von Fireball nehmen lassen. Sie konnte spüren, wie sehr ihr das Herz in der Brust klopfte. Als er nickte und sie von ihren Zweifeln erlöste, ließ April ihre Beine los, die sie mit ihren Armen umschlungen hatte. Doch diese Erlösung hielt nicht einmal einen Augenblick lang an. Fireballs schmerzlicher Gesichtsausdruck brachte in ihr das Unbehagen gleich wieder hervor. Sie wusste nun zwar, dass er sie liebte, aber ihre Zukunft war ungewiss. Ängstlich blickte sie zu ihm auf: „Und war das alles?“ „Es muss alles gewesen sein.“, Fireball versagte die Stimme. Er zog die Beine auf das Bett hinauf und schlang die Arme darum. Der Rennfahrer wollte sich so klein wie möglich machen. Er fühlte sich so unsagbar schlecht, jede Sekunde mehr. Erschüttert begehrte April auf. Sie wollte nicht glauben, dass Fireball es hinnahm und akzeptierte. Bedeutete sie ihm denn gar nichts? Die Blondine richtete sich auf und riss die Augen auf. Sie flehte, dass er ihr das Herz nicht brach. Aber würde es helfen? Wenn er es nicht wollte, wenn er es nicht einmal versuchen wollte? April flüsterte aufgebracht: „Willst du das? Willst du das wirklich?“ Niedergeschlagen umklammerte Fireball seine angezogenen Beine noch fester: „Was ich will spielt hier keine Rolle.“ „Verstehe.“, gekränkt und mit Tränen in den Augen rückte April von ihm ab. Sie schob sich zur Bettkante und fragte sich, weshalb er ihr nur so weh tun konnte. Sie war nur eine von vielen gewesen, wie bei Rennfahrern so üblich. Ansonsten würde er darum kämpfen, würde alles in seiner Macht stehende tun, um mit ihr zusammen sein zu können. Aber Fireball nahm es einfach hin. Es stellte sich ihnen etwas in den Weg und er versuchte nicht einmal einen Ausweg zu finden. April schluckte die aufkommenden Tränen hinunter und stand auf. Sie ging zur Tür: „Dann hat es dir nicht so viel bedeutet wie mir. Und unter diesen Umständen ist auch egal, was ich will.“ Gequält sah Fireball wieder auf. Der Schmerz spiegelte sich in seinen Augen wider: „Es bedeutet mir mehr als jemals zu vor etwas.“ Der Rennfahrer fühlte sich hundeelend. Denn er war zu einem Ergebnis gekommen. Aber er war damit nicht glücklich. Im Gegenteil. Dadurch würde er verlieren, was ihm so sehr ans Herz gewachsen war und was er brauchte, um leben zu können. Deprimiert gab er April Auskunft: „Es ist nur. Egal, wie wir es drehen und wenden, es wird in einer Sackgasse enden, Süße.“ Warum war sie nun auch noch auf Distanz gegangen, wenn er ihre Nähe so sehr brauchte? Flehend sah er zu April hinüber, die an der Tür stand und sich fest vorgenommen hatte, zu gehen. Es brach ihm das Herz. April klammerte sich an den letzten Strohhalm, an ihre Hoffnung. Sie hob beschwichtigend die Hände und versuchte, es Fireball auszureden. Die Blondine wollte mit ihm zusammen sein. Das und nichts anderes: „Aber das wissen wir doch gar nicht. Wir haben doch noch gar nicht alles in Betracht gezogen. Es muss einen Weg geben.“ Der Rennfahrer hob den Blick wieder zu April. Er war es wieder und wieder durchgegangen, hatte gehofft, irgendwo ein Schlupfloch für sie beide zu entdecken, doch es gab keines. Für ihre Liebe war kein Platz: „Wir haben nur zwei Alternativen. Entweder wir verstecken uns, oder wir machen es hochoffiziell und ich gehe. Und Süße, ich bin mit beidem nicht glücklich.“ April ging einige Schritte von der Tür weg. Erschrocken sah sie Fireball an. Er hatte wirklich darüber nach gedacht. Sie schluckte schwer: „Du willst gehen? Willst du das Oberkommando verlassen oder dich nur in ein anderes Team versetzen lassen?“ Weder eine Versetzung noch eine Kündigung gefielen April. Sie konnte den Gedanken daran nicht ertragen, von Fireball getrennt zu sein. Aber das kleinere Übel war eindeutig eine Versetzung. Ihre blauen Augen suchten nach Halt. Sie suchten nach Fireball. Wieder zerschlug Fireball jede Hoffnung mit nur einem Argument: „Ich glaube nicht, dass eine Versetzung ginge, ohne Ausbildung und unter diesen Umständen. Abgesehen davon würd ich den Gedanken nicht ertragen, in welche Gefahr du dich mit Ramrod begibst.“ In Aprils Gesicht spiegelte sich ihr Kummer wider. Sie verlor alles, was sie gerade erst gefunden und lieb gewonnen hatte. Warum nur meinte es das Schicksal mit ihnen nicht gut? Ai hatte es ihnen prophezeit, sie hatte es gewusst, noch bevor die beiden von ihren Gefühlen füreinander etwas geahnt hatten. Sie durften sich nicht lieben. April sank neben Fireball wieder auf das Bett und kämpfte ihre Tränen hinunter. Sie biss sich auf die Lippen, die zu zittern begonnen hatten und brachte kaum hervor: „Wenn du gehst, haben wir nichts. Wenn du bleibst, haben wir auch nichts.“ Fireball streckte die Hand nach April aus. Erstickt flüsterte er: „Ich breche dir das Herz, egal wie ich es mache.“ Er sah die Tränen in Aprils Augen, doch er konnte April nicht trösten. Ihm war selbst nach heulen zumute. Sie liebten sich, sie liebten sich wirklich, aber sie durften nicht zusammen sein. Diese Erkenntnis wog schwerer und bekümmernder, als alles andere. Sie empfanden das selbe füreinander. Das war das schlimmste. Ramrods Navigatorin konnte ihre Tränen kaum zurückhalten. Aber sie wollte sie nicht weinen. Sie wusste, so bald sie anfing, würde sie nicht mehr aufhören können, dann zerfraß der Kummer ihre Seele. Traurig schloss April die Augen und rutschte zu Fireball auf. Sie lehnte den Kopf in seine offene Hand. Sie spürte seine Wärme auf ihrer Haut, seine sanfte Berührung. Instinktiv rückte sie noch näher. Sie drückte ihre Wange an seine Hand. Er sollte bleiben. Bei ihr. Todunglücklich flüsterte Fireball: „Es tut mir so leid, April.“ Seine Finger berührten ihre Wange und ihren Nacken. Sie vergruben sich in ihren Haaren, versteckten sich dort. April atmete schwer aus. Es fiel ihr so schwer, nicht weinend zusammen zu brechen. Sie brachte kaum hervor: „Es ist nicht deine Schuld.“ „Aber es tut so weh…“, Fireball schloss die Augen und zog April zu sich. Er lehnte seine Stirn gegen ihre und konnte ihren Atem auf seiner Haut spüren, unregelmäßig und schwer. Seine Lippen tasteten nach ihren. Er hoffte, es würde seinen Schmerz lindern. Als April seine Lippen auf ihren spürte, erwiderte sie den Kuss. Sie flüsterte heiser: „Ja.“ Sie öffnete den Mund leicht, gab den Weg für seine Zunge frei. April griff nach Fireballs Hand, sie verschränkte ihre Finger in seine und hielt ihn fest. Fireball löste sich leicht von der Blondine, befreite seine Hand von ihrer Umklammerung. Er schlang die Arme um ihre Taille und schmiegte sich an sie. Unglücklich wisperte er: „Was sollen wir nur machen? Ich möchte dich nicht verlieren, aber wie kann ich das, wenn ich dich nie hätte halten dürfen?“ Wieder stiegen die Tränen in Aprils Augen. Es schmerzte sie, Fireball zu verlieren. Es tat ihr unendlich weh. Aber sie wusste keine Antwort darauf. Alles, was sie spürte, war seine Nähe. Seine unglaubliche Nähe. April fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare und strich die widerspenstigen Strähnen aus seiner Stirn. Sie wollte ihn. Nur ihn. Wieder forderte sie einen Kuss von ihm ein. Fireball erwiderte das Begehren ihrer Lippen. Seine Hände wanderten ihren Rücken hinauf, hielten sich an ihren Schultern fest und führten sie noch näher an ihn. Der Schmerz und die Sehnsucht nach April wechselten sich ständig ab. Ihre Berührungen erfüllten ihn, gleichzeitig jedoch glaubte er, sich an ihr zu verbrennen. Auch April ging es nicht besser. Sie sehnte sich nach seinen Berührungen, seinen Küssen. Doch bekam sie, was sie sich so sehr wünschte, verletzte es sie. Und mit jeder Berührung wurde es schlimmer. April gab sofort nach, als Fireball sie sachte auf das Bett schob und sich über sie beugte. Sie zog ihn noch weiter hinunter. Er sollte ihr so nahe wie möglich sein. Zitternd suchten ihre Finger nach einem Weg unter sein Shirt. Immer wieder reckte sie den Kopf zu ihm hinauf, um seinen Nacken zu küssen. April flüsterte: „Ich liebe dich.“ Fireball legte seine Wange an Aprils. Ihre Haut war so zart. Mit geschlossenen Augen hauchte er ihr ins Ohr: „Ich liebe dich. Ich liebe dich wirklich, April.“ Es schien, als würde er sich für seine Gefühle entschuldigen und nach Verständnis suchen. Seine Stimme klang traurig und gepeinigt. Seine Lippen berührten ihr Ohrläppchen und seine Zungenspitze tastete sachte danach. Fireball schob ihr T-Shirt von den Schultern. April drehte den Kopf zur Seite. Sie konnte ihre Tränen nicht länger verbergen. Verzweifelt griff sie nach seinem roten Shirt und zog es ihm über den Kopf. Ihre Hände tasteten sich über seinen Rücken, ihre Nägel krallten sich dabei leicht in seine Haut. April schloss die Augen und biss sich auf die Lippen. Nichts wollte sie sehnlicher, als ihn, doch die Erfüllung dieses Wunsches tat ihr unglaublich weh. Ebenso schmerzerfüllt, wie April, flüsterte Fireball: „Ich will dich nicht mehr hergeben. Du bist alles für mich.“ Seine Finger verstärkten den Druck auf Aprils Haut, während er an ihren Seiten entlang nach oben fuhr und ihr dabei das Shirt abstreifte. Jede Berührung schmerzte wie ein Stromschlag, aber sie war alles, was er wollte. Fireball wollte sie spüren, mit jeder Faser. April nickte leicht, ihre Hände glitten zu seinem Gürtel hinab. Tränenerstickt flehte sie: „Bitte. Bitte nur noch ein Mal…“ Ihr Körper zitterte wie Espenlaub, als sie seinen Gürtel öffnete. Der Rennfahrer wandte sich leicht von April ab. Er fühlte sich miserabel. Es war das, was beide wollten, aber nicht durften. Es brannte wie Feuer und fügte den Verliebten immer mehr Wunden zu. Fireball griff nach der Bettdecke und hüllte sie beide darin ein. Er zog sie über ihre Köpfe, niemand sollte etwas von den beiden Liebenden sehen. Der Nebel umhüllte alles um das Haus herum, als sie sich ein weiteres Mal über die Regeln hinweg setzten. Er schien ihnen helfen zu wollen, ihr Geheimnis zu wahren. Er verschluckte alles in sich und gab nichts Preis. Kapitel 6: Versöhnung --------------------- Nachdenklich stand er am Eingang zur Fliegerhalle. Die Air Strike Base 1 war bereits gestartet. Zumindest vermutete Fireball das, denn sein Vater hatte sich am frühen Morgen von seinen Freunden auf Ramrod verabschiedet. Nun war später Nachmittag, es hatte seine Zeit gedauert, bis ihm Saber, Colt und April den neuesten Stand der Dinge eingetrichtert hatten. Fireballs Herz schlug trotz des Wissens, dass sein Vater nicht mehr im Oberkommando war, schnell. Er war angespannt, vermutlich auch, weil er wusste, wie der Ausflug der Air Strike Base im Königreich Jarr enden würde. Er selbst war nur noch wegen seiner paar persönlichen Sachen gekommen. Fireball wollte nichts hier lassen, was ihn in einer späteren Zeit verraten könnte. Ein tiefer Atemzug. Noch einer. Dann war Fireball endlich ruhig genug, um in den Hangar zu treten und seine Spuren zu verwischen. Er sah sich in der großen Halle um. Alle waren ausgeflogen, die Halle war gefegt und aufgeräumt worden. Eine ordentliche Truppe, aber wahrscheinlich hatte Shinji die Jungs alle zur Ordnung gedrillt. Fireball ging durch die Halle und auf seinen Spind zu. Irgendwie würde er diese Air Strike Base vermissen. Er war zwar nur wenige Monate hier gewesen, doch sie hatten ihn aufgenommen und als einen von den ihren behandelt. Er hatte dazu gehört. Dieses Gefühl hatte Fireball bisher nur einmal gehabt. Auf Ramrod. Sie waren seine Kollegen, seine Freunde, ein Teil seiner Familie geworden. Es kamen allerhand Mappen und Utensilien hervor, die Fireball in eine Tasche steckte. Er wusste nicht, ob er von diesen Unterlagen überhaupt etwas behalten sollte. Im schlimmsten Fall konnte jemand in ihrer Zeit Verdacht schöpfen. Er blickte auf einen Bericht, den sein Vater kommentarreich abgesegnet hatte. Es waren schwermütige Gedanken, die ihn gerade heimsuchten. Er hatte in der Einheit seines Vaters schöne Momente erlebt, es war oft lustig gewesen und zu seinem Vater hatte er ein gutes Verhältnis gehabt. Naja, zumindest anfangs. Fireball seufzte und verstaute den Papierhaufen. Er war alleine hier her gekommen, hatte niemanden dabei haben wollen. Fireball stellte sich dieser Aufgabe alleine. Was hätten ihm die anderen auch dabei helfen können? Es galt lediglich noch den Spind auszuräumen und möglichst unauffällig Abschied vom Oberkommando dieser Zeit zu nehmen. Bedächtig schloss Fireball die metallene Tür. Er lehnte sich mit dem Rücken dagegen und sah von dort noch einmal in den Hangar hinein. Es war leer ohne die Jets, ohne die Piloten. Gespenstisch still. Aber es schien ihm dennoch, als wäre er nicht ganz allein in der großen Halle. Quatsch! Beharrlich schüttelte Fireball den Kopf. Seine Gedanken spielten ihm schon Streiche. Wer sollte denn schon noch hier sein, die Air Strike Base war ausgeflogen, zu einem Manöver ohne Wiederkehr. Sie waren noch keine Geister. Noch nicht! Nun war es doch wieder passiert! Er hatte sich verquatscht. Shinji, der bereits alles verladen lassen hatte, war noch einen Sprung bei seinem Vorgesetzten gewesen. Er hatte sich ordentlich von Charles verabschieden wollen, das war er seinem Freund schuldig. Dieser war zwar etwas überrumpelt gewesen, doch hatte er sich über die Geste sehr gefreut. Gerade, als der Japaner das Büro verlassen wollte, war May mit April auf dem Arm zu ihnen gestoßen. Shinji brachte auch ihnen den Respekt entgegen, sich herzlich von ihnen zu verabschieden. April hatte er sogar kurz gehalten und sie wehmütig angelächelt. Ganz leise hatte er ihr zugeflüstert: „Es tut mir leid, dass ich dir deinen Freund nicht zurückbringen konnte. Ich hoffe, du findest andere Weggefährten, die für dich einmal das sein werden, was der Kurze für dein erwachsenes Ich war.“ Shinji hatte nach wie vor das Gefühl, versagt zu haben. Der Abschied von Ramrod war ihm sehr schwer gefallen, und nachdem Saber seine Erinnerungen an Fireball mit ihm geteilt hatte, hatte er sich hundeelend gefühlt. Nur schwer hatte er es fertig gebracht, so zu tun, als wäre dies ein Übungsmanöver wie alle anderen auch. Aber er war der Captain, man durfte ihm nicht ansehen, was los war. Jetzt aber hatte er es eilig, seine Crew wartete nur noch auf ihn. An diesem Tag lief nichts in geregelten Bahnen, alles war ein einziges Chaos. Zu allem Überfluss hatte Shinji auch noch etwas in seinem Büro liegen lassen. Nun spurtete er in den leeren Hangar. Mitten in der Bewegung hielt Shinji inne, als sein Hirn verarbeitete, was seine Augen gerade sahen. Zu Tode erschrocken stieß er einen Schrei aus. Im nächsten Moment schüttelte er heftig den Kopf und redete sich ein, dass ihm die Sinne einen Streich spielten. Sein sehnlichster Wunsch war aus seinem Kopf gesprungen und manifestierte sich in diesem Schatten nahe dem Ausgang. Er bildete sich das ein, ganz bestimmt! Durch den Schrei war Fireball zusammengefahren. Diese Stimme kannte er und nun schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er begann zu zittern und traute sich kaum, in die Richtung zu sehen, aus der der Schrei seines Vaters gekommen war. Langsam drehte er sich zu ihm um, die Augen richteten sich ängstlich zum Fußboden und seine Stimme brach: „Captain Hikari…“ Saber hatte Fireball erzählt, dass sie seinen Vater eingeweiht hatten. Das hieß, dass sein Vater genau wusste, wer da vor ihm stand. Sein Sohn stand da, ließ die Tasche sinken und wäre am liebsten weggerannt. Fireball fühlte sich schäbig, denn er hatte seinen Vater während ihrer gemeinsamen Zeit nur angelogen. Kaum ein wahres Wort war dabei gewesen, wenn sie miteinander gesprochen hatten. Beinahe wünschte sich Fireball in dieser Situation wieder zu verschwinden, sich in Luft aufzulösen. „Kurzer“, Shinji kam wankend auf seinen Sohn zu. Er konnte kaum glauben, was er sah. Er streckte die Hand nach ihm aus, berührte mit den Fingerspitzen Fireballs Stirn, strich ihm über das Gesicht, als ob ein Blinder ein Antlitz ertasten wollte. Erleichterung machte sich in Shinji breit. Als er sich davon überzeugt hatte, dass der laufende Meter vor ihm real war und keine Einbildung, schloss Shinji ihn stürmisch in die Arme. „Du bist da!“ Fireball konnte diese Freude jedoch nicht teilen. Er befreite sich aus der Umarmung, ungestüm und erschrocken zugleich. Er fühlte sich nicht würdig, so herzlich von seinem Vater behandelt zu werden. Fireball wich zurück, sein Kloß im Hals machte das Sprechen zu einer Tortur: „Sir…“ Immer noch blieb Fireball distanziert, verharrte in der Rolle des Piloten. Er konnte nicht anders, seine Schuldgefühle machten es ihm unmöglich auszubrechen und die Chance endlich wahr zu nehmen, sich seinem Vater zu offenbaren. Sein Verstand wusste es besser, aber Fireball konnte nicht anders reagieren. Shinji jedoch konnte anders auf die Situation eingehen. Sein Herz hatte einen Sprung gemacht, denn der Captain hatte sofort begriffen, was sein Tastsinn ihm bestätigt hatte. Er würde seine Frau nicht alleine zurücklassen, aber was noch wichtiger war: Ihre Zukunft hatte sich nicht grundlegend zum Schlechteren gewendet. Sie hatten immer noch eine Chance, den Outridern, wie Saber ihm erzählt hatte, Herr zu werden. Und er selbst hatte noch ein unglaubliches Geschenk bekommen. Shinji packte die Gelegenheit beim Schopf. Er hatte nichts mehr zu verlieren und zumindest einmal wollte er das ausleben, was ihm auf Lebzeiten verwehrt blieb. Der Befehlshaber der Air Strike Base griff nach der Hand seines Schützlings und zog ihn stürmisch mit sich: „Komm mit hoch, Kurzer!“ Shinji war sich dessen bewusst, dass sie hier im Hangar jederzeit gesehen werden konnten. Aber was sie noch zu besprechen hatten war privat. Ihre Worte waren nur für einander bestimmt. Der ältere Hikari zog den jungen nun in das Büro hoch. Vergessen war der Zeitdruck, unter dem sie standen. Es gab im Augenblick für Shinji Wichtigeres, als pünktlich im Königreich Jarr zu landen. Behände zog er die Tür ins Schloss. Als endlich klar war, dass sie niemand stören würde, biss sich Shinji auf die Unterlippe, bevor es überschwänglich aus ihm heraussprudelte: „Ich hab es geahnt! Mir war klar, dass mit dir irgendwas nicht stimmt. Du warst seltsam und doch irgendwie so… wie ich! Ich dachte manchmal, ich würde in einen Spiegel sehen und hab’s doch nicht wahr haben wollen“, Shinji ging auf Fireball zu und musterte ihn offen: „Lass dich ansehen.“ Fireball hatte sich mitziehen lassen, stand nun überrumpelt neben dem Schreibtisch und ließ den Wortschwall seines Vaters über sich ergehen. Spätestens jedoch, als Shinji ihn unverhohlen musterte, fühlte er sich wie auf dem Präsentierteller. Verunsichert fuhr sich der Wuschelkopf durch die Haare, wollte seine Stirnfransen aus dem Gesicht nach hinten streichen, doch sie fielen ihm widerspenstig wieder ins Sichtfeld. Mit schuldbewussten Augen brachte er schließlich hervor: „Du musst schrecklich enttäuscht sein.“ „Nein, aber warum denn?!“, heftig schüttelte Shinji den Kopf. Er widersprach dem Hitzkopf energisch, während er begann, vor Fireball auf und ab zu laufen: „Du machst Witze, Fireball. Ich könnte nicht stolzer auf dich sein. Du bist ein großartiger Pilot und du wirst in der Zukunft für den Frieden kämpfen. Welcher Vater wäre da nicht stolz auf dich?“ Fireball lehnte sich gegen die Tischkante, langsam wich sein Herzrasen wieder einem annähernd normalen Puls. Er blickte zu seinem Vater auf und gab zähneknirschend von sich: „Aber ich hab dich angelogen.“ Wieder verneinte Shinji schwungvoll, seine Augen leuchteten und strahlten. Im Augenblick war er der glücklichste Mensch auf Erden. Nach allem hatte es das Schicksal mit dem gläubigen Buddhisten gut gemeint. Shinji würde den Teufel tun und in sein Verderben ziehen, bevor hier nicht alles geklärt war. Er deutete auf die Gestalt seines Sohnes: „Du hattest keine Wahl. Ehrlich, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, ich hätte es dir sowieso nicht geglaubt. Also hör auf, dir deswegen Vorwürfe zu machen“, nun glitzerten die Augen von Captain Hikari: „Verstehst du denn nicht? Mein und Ais größter Wunsch wird in Erfüllung gehen. Und ich darf dich noch einmal sehen, bevor es Zeit ist für mich zu gehen. Ich könnte glücklicher nicht sein, mein Junge.“ Wieder wurde Fireball herzlich umarmt. Es gefiel ihm nach wie vor nicht sonderlich, vor allem nachdem, was sein Vater gerade gesagt hatte. Widerstrebend zog er sich zurück. Fireball zeigte auf das Foto von Ai, das auf dem Schreibtisch seines Vaters stehen geblieben war. Vorwurfsvoll murmelte er: „Du müsstest es besser wissen. Du lässt Ai alleine!“ Da waren sie, die Vorwürfe, die im Stillen immer in Fireball geschlummert hatten. Nie wäre ihm eingefallen, diese laut auszusprechen, seiner Mutter hatte er nicht einmal im größten Streit sagen können, was er von seinem Vater hielt. Fireball hatte es immer mit sich herumgetragen. Dieser stille Groll, das vaterlose Kind zu sein, und der Mutter auch den Vater ersetzen zu müssen. Wenn Shinji nur noch einmal was von glücklich erwähnte, würde Fireball alles vergessen, was sie auf Ramrod noch besprochen hatten. Mit einem harten Blick zu seinem älteren Pendant schluckte er die Worte, die ihm noch auf der Zunge lagen, hinunter. Schnell verstand Shinji, was Fireball mit seinem hilflosen Verhalten sagen wollte. Ruhig entgegnete er dem jungen Hitzkopf: „Es ist mein Schicksal.“ Tatsächlich glaubte Shinji daran, dass der ehrenvolle Tod im Königreich Jarr in einigen Wochen sein Schicksal war. Er würde es erfüllen, mit Stolz diese Bürde tragen, denn er wusste, dass er den Menschen im Neuen Grenzland damit einen großen Dienst erweisen würde. Sie würden wertvolle Zeit im Kampf gegen die Outrider gewinnen. Die Kinder von Ramrod, sie würden zumindest eine Zeit lang friedlich aufwachsen können. Shinji bedachte seinen Sohn mit einem vielsagenden Blick. Er hatte sehr genau in den Ohren, was Saber ihm über seinen Kurzen noch erzählt hatte. Und der Captain verstand dessen Bedeutung noch besser, als zuvor. Unvermittelt, aber mit einer unglaublichen Sicherheit in der Stimme brachte er hervor: „Du wirst mein Erbe fortführen. Ich weiß es.“ Tatsächlich wusste es Shinji. Er hatte gerade seine Zukunft gesehen. Die Zukunft seines Sohnes. Versonnen lächelnd fügte Shinji hinzu: „Ich hoffe, Ai wird dir meinen Namen geben.“ „Hat sie“, mit einer Mischung aus Wut und unendlichem Kummer nickte Fireball. Seine Mutter hatte ihm den Namen seines Vaters gegeben. Bissig fügte er hinzu: „Tausende Vergleiche mit dem Namensgeber waren inklusive.“ Shinji setzte sich auf den Tisch. Dabei blickte er seinen Jungen wieder aufmerksam an. So sehr er sich auch freute, dass er Ai nicht alleine zurücklassen würde und er obendrein noch seinen Sohn sehen durfte, von dem er unter normalen Umständen nie etwas erfahren hätte, so seltsam fühlten sich Fireballs Worte an. Er wollte wissen: „Welche Vergleiche?“ Er hätte doch jemanden hierher mitnehmen sollen. So redete sich Fireball in diesem Moment um Kopf und Kragen. Was er Monate lang erfolgreich vor seinem Vater verborgen gehalten hatte, platzte nun binnen weniger Minuten aus ihm heraus. Fireball ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. Jetzt war es doch auch schon egal. Es würde sich nichts mehr ändern, sein Vater hatte die Entscheidung getroffen und stur, wie die Hikaris durch die Bank waren, würde er seine Meinung auch nicht mehr revidieren. Fireball konnte getrost Tacheles reden. Es würde seinem Seelenheil vielleicht auch nicht schaden, wenn er seinen Kummer bei dem Betreffenden hinausposaunte. Fireball senkte den Blick auf seine Hände, beobachtete, wie sie sich öffneten. Er streckte die Finger ganz durch, betrachtete sie einen Augenblick lang aufmerksam, dann funkelte er seinen Vater an: „Ich weiß ja nicht, wie du mit dem Namen lebst, mir hat er dank deines heldenhaften Abgangs vor, in…“, die Sache mit dem Sprung in die Vergangenheit verwirrte Fireball immer noch, deswegen wählte er andere Worte: „na, bei Jarred eben, ganz schön was eingebrockt. Alle Welt vergleicht mich mit dem Superhero, der für den Frieden zur Hölle gegangen ist. Mein Ausbilder in der Akademie konnte mich nicht leiden, weil ich dein Sohn bin und auch sonst hat mir der Name nicht gerade die Türen eingetreten, bei dem, was ich mache. Fällt irgendwo der Name Shinji Hikari, kannst du drauf wetten, dass du damit gemeint bist. Betrete allerdings ich dann den Raum, ist die Enttäuschung schier maßlos. Und ich glaube, Ai wäre lieber ein Leben lang kinderlos geblieben, als dich dafür zu verlieren.“ „Sag das nicht“, alles, was sich Shinji von seiner Frau vorstellen konnte, aber so etwas nicht. Augenblicklich schwang sich der Captain wieder vom Tisch herunter. Niemals würde Ai ihr Kind spüren lassen, dass sie lieber seinen Vater an dessen Stelle hätte. Shinji stand vor Fireball, sah noch einmal an ihm hinab und versuchte zu verstehen, weshalb er das auch nur denken konnte. Noch intensiver als sonst erkannte Shinji sich in dem Teenager selbst. Er konnte sich vorstellen, dass auch Ai manchmal das Gefühl haben würde, ihren Mann vor sich stehen zu sehen, wenn es doch eigentlich ihr Sohn war. Shinji entkräftete Fireballs Worte ruhig, aber dennoch energisch: „Du weißt nicht, wie lange wir uns schon ein Kind wünschen, Kurzer. Deswegen denke ich, dass Ai, deine Mutter, dich aus einem guten Grund nach mir benennen wird. Sie wird verstehen, dass es Schicksal ist, was mir passieren wird und dass sie ausgerechnet dann ein Kind bekommen wird, wenn das Leben ihres Mannes, meines, enden wird, ist ein Zeichen. Dass Ai dieses Zeichen richtig gedeutet hat, sieht man. Sie war bestimmt die letzte, die dich vom Oberkommando überzeugen wollte.“ „Machst du Witze?!“, sarkastisch lachte Fireball auf. Tatsächlich hatte der Weg, den Fireball eingeschlagen hatte, nur eines bei Ai heraufbeschworen. Er strich sich die Haare nach hinten und gab Shinji bereitwillig Auskunft: „Ich darf deine Frau mal zitieren. Du bist genauso stur und leichtsinnig wie dein Vater. Wie kannst du nur die Ausbildung zum Piloten machen und dann vielleicht auch noch Kampfeinsätze fliegen? Du wirst genauso sterben, wie dein Vater.“ Fireball stieß die Luft aus und zog die Augenbrauen zusammen. Er erzählte seinem Vater lieber nicht, was er auf Ais Worte damals erwidert hatte, als sie begonnen hatte, Vergleiche anzustellen. Sonst bekam er am Ende noch einen Rüffel, weil er mit seiner Mutter so nicht umspringen durfte. Schließlich seufzte Fireball doch wieder: „Ich fasse noch mal zusammen. In deine Fußstapfen kann niemand treten. Und ich will es auch gar nicht.“ „Das musst du auch nicht“, pflichtete Shinji ihm sofort bei. Tatsächlich trat niemand gerne in die Fußstapfen seiner Eltern. Shinji erkannte für sich, dass Ai seinen Tod und die Empfängnis ihres gemeinsamen Sohnes als Zeichen sehen würde. Seines Erachtens war das auch richtig so, denn er sah in seinem Sohn den Spiegel in seine Vergangenheit und Zukunft. Doch damit würde er Fireball nicht weiter belasten, er war sich sicher, dass der Junge seinen Weg noch finden würde. Der Captain richtete sein Outfit zu Recht. Mit einem Schmunzeln im Gesicht wollte er noch in Erfahrung bringen: „Sag mal, Kurzer. Musst du eigentlich immer noch auf der Couch schlafen?“ Dieser Themenwechsel war zu schnell gewesen. Fireball runzelte verdattert die Stirn, der Argwohn glitzerte in seinen Augen. Der Pilot formte eine stumme Frage mit seinen Lippen, er hatte nun den Anschluss völlig verloren. Sein Vater hingegen schmunzelte vielsagend. Unbeholfen bis zur letzten Sekunde. Fireball war so herrlich naiv, wenn es um Frauen ging. Das erinnerte den Captain ebenfalls ein wenig an ihn selbst in Fireballs Alter. Bis bei ihm aus dem Fragezeichen über seiner Stirn ein Ausrufezeichen geworden war, hatte er auch selten bis nie verstanden, was Sache war. Es würde dauern, bis ihm selbst klar wurde, dass die Frau fürs Leben direkt vor ihm stand. Shinji hatte das im Handumdrehen an Fireball erkannt. Shinji schwang sich vom Schreibtisch und kam auf seinen Spross zu. Mit einem Zwinkern gab er ihm einen Tipp: „Nimm dir mal die Zeit und geh in dich. Überleg, was du für ein gewisses blondes Mädchen in deiner Umgebung empfindest, oder von mir aus auch, warum du dich ihretwegen so verhältst. Wenn du die Antwort hast, ist jede weitere Erklärung hinfällig.“ Energisch schüttelte Fireball den Kopf: „April und ich sind bloß Freunde! Wir kennen uns schon ewig. Außerdem ist sie zickig und shoppingsüchtig. Was soll ich denn mit so einer wie ihr?! Dauernd schleift sie mich irgendwohin, will dies und jenes, will mir das Rennfahren ausreden“, aus der energischen Verteidigung, er würde für April nichts empfinden, wurde mit jedem Wort weniger Widerstand, aus dem Schimpfen wurde allmählich ein warmes Schwärmen: „…Wie sie mich mit nur einem Wimpernschlag um den Finger wickelt. Wenn sie mich so ansieht, mit diesen blauen Augen. Sie kennt mich und meine Stärken, versucht nicht mich in eine Schublade zu stecken oder mich ernsthaft zu ändern. Ich bin gerne in ihrer Nähe, es… es…“ Obwohl er es nicht hatte wollen, hatte er seinem Vater sein Innerstes Preis gegeben. Aber das wichtigste war, dass er selbst endlich begriffen hatte, weshalb er sich immer nur halbherzig gegen Aprils Shoppingwut oder ihre Tricks ihm einen Gefallen abzuringen gewehrt hatte. Weil er die Zeit mit April genoss und es auch gerne tat, weil sich mit ihr alles richtig und gut anfühlte. Leise murmelte Fireball, mit einem unverwechselbaren warmen Schimmer in seinen Augen: „Ach du Schande…“ Es brauchte nicht mehr Worte, mit einem verstehenden Nicken umarmte Shinji seinen Sohn. Das hatte aber auch lange gedauert, bis bei Fireball endlich der Groschen gefallen war. Kapitel 7: alles wiederholt sich? --------------------------------- Der Bildschirm wurde schwarz. Mit einem gehetzten Lächeln und einem Kuss hatte er sich von ihr verabschiedet. April senkte betrübt den Blick und seufzte. Wie sollte sie ihm diese Nachricht beibringen, wenn er kaum für ein ‚Ich liebe dich‘ Zeit hatte? Gerade, als sie ihm erzählen wollte, dass sie dringend mit ihm sprechen musste, störte ausgerechnet König Jarred, der ihn brauchte. Und Könige ließ man nicht warten. Dazu war Jarred in den letzten Monaten ein zu wichtiger Bündnispartner geworden. Für dieses Mal ließ April fünfe grade sein und verließ den Kontrollraum. Einige Monate hatte sie den Rennfahrer schon nicht mehr gesehen. Aus dem dreimonatigen Manöver war eines geworden, das mittlerweile schon fünf Monate dauerte. Da kam sogar Ramrod öfter in die heimatlichen Gefilde als die Air Strike Base 1, wenn sie mal von der Leine gelassen wurden. Dieses Mal hatte Saber heimlich im Schatten der Tür gestanden und das Gespräch belauscht. Bevor sich die Blondine umgedreht hatte, hatte der Highlander bereits den Weg in die Küche angetreten, wo er sich zu Colt und Alessandro an den Tisch setzte. Wie zu erwarten hatte April sich ihm nicht angeschlossen, deswegen nickte der Schotte Alessandro nach einiger Zeit leise zu. Dass April nicht mit Fireball reden konnte, belastete mittlerweile auch die Männer auf Ramrod schwer. So gut wie jeder im Oberkommando wusste es, es war bei ihrem letzten Besuch nicht mehr zu verbergen gewesen, nur Fireball wusste es nicht. Für April war die Situation nicht gut, denn sie kam aus dieser Ungewissheit nicht heraus. Da half auch das Bauchpinseln ihrer Kollegen wenig. Saber und Colt verblieben also alleine in der Küche. Selten waren sich die Männer bei einer Sache so einig, wie bei dieser. Colt holte Kekse aus dem Schrank und stellte sie noch voll verpackt auf den Tisch. Er wollte von Saber wissen: „Denkst du, was ich denke?“ Saber lehnte sich zurück und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. Eindringlich sah er Colt an, ehe er nickte: „Ja, ich glaube schon. Das ist alles verdächtig.“ Der Cowboy fühlte sich bestätigt. Unwirsch riss er die Packung Kekse an sich und öffnete sie. Das alles nicht ohne Verluste, denn vor Schwung sprangen einige aus der Verpackung und verteilten sich ungraziös über den Tisch. Colt stopfte sich schnell einen in den Mund. Die restlichen sammelte er ein und tat sie zurück in die Packung. Als er geschluckt hatte, wandte er sich wieder an seinen Freund und Vorgesetzten. Die letzten Wochen hatte sich ihm immer wieder ein Gedanke, eine Erinnerung aufgezwängt. Und irgendwie hatte er das Gefühl, wenn er sie nicht aussprach, würden sie Wahrheit werden. Neben Alex konnte er das allerdings nicht tun, also packte er die Gelegenheit beim Schopf: „Da könnte man glatt meinen, die Geschichte wiederholt sich. Ich warte eigentlich nur noch darauf, dass uns hier irgendwo ein Shinji Junior Junior unterkommt.“ Es war offensichtlich, dass Colt versuchte, das alles in die lustige Ecke zu stellen, aber es gelang ihm nur schlecht. Nicht einmal dem Kuhhirten wollte bei seinem letzten Satz ein Lächeln über die Lippen huschen. Gruselig war der Gedanke daran schon irgendwie. Aber auch Saber erging es ähnlich. Er nickte lediglich nachdenklich. Obwohl er das alles in der Regel sachlicher durchdachte als Colt, kam er zu dem gleichen Schluss. Es roch verdammt nach Unheil in den nächsten Monaten, wenn nicht schon früher. Sabers rechte Hand verschwand nun ebenfalls in der Tüte mit den Keksen, währenddessen gestand er Colt: „Du wirst jetzt bestimmt lachen, alter Freund, aber ich träum in so mancher Nacht noch von der ersten Schlacht. Und das nicht gerade gut. Und seit ich das von April weiß, kommt auch für die nähere Zukunft ein unbehagliches Gefühl dazu.“ „Oh“, doch erstaunt sah Colt zu Saber hinüber. So ehrliche Worte ihren Ausflug in die Vergangenheit betreffend hatte der Lockenkopf nicht erwartet. Aber es tat gut zu wissen, dass nicht nur er von solchen Erinnerungen heimgesucht wurde. Leise stimmte er Saber zu: „Geht mir auch nicht viel anders. Manchmal seh ich sogar den alten vorbei huschen, wenn ich mit unserem Fireball spreche. Ob wir Mama Hikari mal anrufen sollten?“ Nun zog Saber die Augenbrauen nach oben, dieser Scherz gefiel ihm nicht. Deswegen tadelte er seinen Freund: „Um ihr was zu sagen? Dass sie Oma wird und ihren Sohn in der Umlaufbahn vom Königreich Jarr aufsuchen kann? Das will ich nach Möglichkeit vermeiden, Colt“, der Schotte nahm sich ebenfalls einen Keks: „Ich hoffe nur, wir müssen das dann nicht postum machen. Wer weiß, was Fireball bei dem Manöver rummurkst.“ „Was soll er da schon rummurksen?“, ehrlich gesagt wollte Colt nicht länger daran denken müssen, was alles passieren konnte. Aber es beruhigte ihn zu wissen, dass Saber in ähnlichen Bahnen dachte. Im Falle eines Falles würden sie schon die richtigen Maßnahmen ergreifen. Eines allerdings war für den Texaner aus Leidenschaft auch klar. Irgendwann, wenn alle seine Freunde damit einverstanden waren, würde er seiner Robin davon erzählen, wie sie im falschen Jahr gelandet waren. Colt konnte sich da nicht helfen, aber vielleicht war es besser für ihr aller Seelenheil, wenn auch ein unbeteiligter Dritter davon erfuhr. Während er sich die Krümel von den Lippen wischte, fing Colt noch einmal an: „Wie hat mir Alex das so schön eingebläut? Er ist erwachsen und nicht umsonst der Captain der Air Strike Base geworden“, schmunzelnd fügte er hinzu: „Okay, der Mafiosi kennt ihn nicht gut, aber spätestens wenn er mal merkt, dass sie bald zu dritt sein werden, wird er hoffentlich verantwortungsbewusster sein.“ „Du gibst die Hoffnung wohl nie auf, was alter Kumpel“, Saber zog die Mundwinkel leicht nach oben. Der Cowboy fand an allem noch einen Funken Hoffnung und der berühmt berüchtigte Silberstreif am Horizont war in Form einer Hilfsaktion immer in ihrer Nähe. Colt war für seine Freunde jederzeit da, das wusste Saber. Er passte auf seine Freunde auf. Was allerdings den Hitzkopf betraf, so war der Schotte nicht ganz davon überzeugt, dass da genug Verantwortungsbewusstsein für ein kleines Kind vorhanden war. Immerhin wusste er noch nichts von seinen Vaterfreuden und eine gewisse erbliche Vorbelastung konnte man ihm auch nicht abschlagen. Saber seufzte leise: „Es ist nicht gut, dass er nichts von Aprils Schwangerschaft weiß. Wenn Commander Eagle das Manöver der Air Strike Base noch etwas in die Länge zieht, kommt er am Ende nachhause und kann April gleich mit dem kleinen Wesen teilen. Ich weiß, sie will es ihm ins Gesicht sagen, aber ihr läuft die Zeit davon.“ Es war weniger die Sorge um Fireball als eher um Aprils Seelenheil. Saber wusste, dass Fireball bei manchen Nachrichten im ersten Moment ordentliche Kurzschlussreaktionen produzieren konnte. Das hatten alle in seinem näheren Umfeld schon mindestens einmal hautnah miterleben dürfen. Doch in Aprils Zustand wäre eine solche unbedachte Reaktion Gift. Ja, April wollte Fireball die Möglichkeit geben, es gleich in Ruhe miteinander zu klären, auszuloten, wie sie dazu standen und wie es weitergehen würde. Aber all das wollte die Blondine persönlich klären und nicht via Hypercom. Niemand konnte ihr das verübeln, aber noch stand in den Sternen, wann sich Fireball und April wieder sehen würden. Die Schatten hingen noch nicht bedrohlich über den Freunden, aber Saber meinte die ersten Ausläufer von dunklen Gewitterwolken schon ausmachen zu können. Während er sich noch einen Keks in dem Mund schob, überlegte er, ob sie nicht was arrangieren konnten. Commander Eagle wusste immerhin auch schon, dass er Opa wurde, er war nach den Freunden an Bord einer der ersten Eingeweihten gewesen. Während Saber so gedankenverloren an seinem Keks herum kaute, begann Colt einen weiteren Keks über den Tisch rotieren zu lassen. Auch der Lockenkopf spielte einige Gedanken durch. Unvermittelt sah er zu Saber auf und verkündete: „Was hältst du vom nächsten Heimaturlaub im Königreich Jarr? Auftanken und Polieren können auch Jarreds Jungs unseren großen Cowboy.“ Der Schotte runzelte die Stirn. Der Gedanke war ihm auch schon gekommen, aber es roch nach Verschwörung, wenn Ramrod ohne Grund einfach mal ein Wochenende vorbei schneite. Er wiegte leicht den Kopf: „Das macht alle Beteiligten sofort skeptisch. Aber vielleicht kann uns Commander Eagle als Trainingspartner für zwei Wochen oder so einbinden. Ewig kann April nicht mehr im aktiven Dienst bleiben“, besorgt fügte er hinzu: „Sie sollte eigentlich schon längst nicht mehr hier an Bord sein.“ Tatsächlich hatte Saber das Thema schon einige Male angeschnitten, er hatte April sofort nach ihrer Botschaft versetzen lassen wollen, zum Wohle und zum Schutz des kleinen Wesens und Aprils. Doch ihre Navigatorin hatte sich hartnäckig geweigert. Sie würde Ramrod nicht verlassen, bis sie es nicht Fireball mitgeteilt hatte. Natürlich hätte sich Saber darüber hinwegsetzen können, aber dann hätte er April jede Chance genommen, es Fireball persönlich zu sagen. Er wollte als Freund zu ihr stehen, nicht als ihr Vorgesetzter. Deswegen hatten sie sich zumindest auf einige Verhaltensregeln geeinigt. Solange sie nur auf diplomatischen Missionen waren, war Aprils Anwesenheit kein Problem. Sollte jedoch der Ernstfall eintreten, würden die Jungs ohne April starten. Das war der Deal. Colt sponn Sabers Gedanken weiter. Weshalb war ihnen die Nummer mit Commander Eagle als Mitwisser und Drahtzieher nicht schon eher eingefallen? Der herum gewirbelte Keks verschwand schließlich im Mund, danach erklärte er Saber überzeugt: „Frag den alten Eagle mal, ob er das nicht machen kann. Ihm wird doch sicherlich auch wohler sein, wenn April und sein Enkel so bald wie möglich festen Boden unter den Füßen haben.“ Saber nickte. Das war ein Argument, als ob Colt seine Gedanken gelesen hatte. Gleich nach dem Kaffee würde er sich mit Charles in Verbindung setzen und ihn bitten, ein wenig Schicksal zu spielen. Es ging immerhin auch um seine Tochter. Saber ahnte nicht, dass sie bald sowieso ins Königreich aufbrechen würden. Der Hilferuf erreichte sie in den frühen Morgenstunden, Saber war der erste gewesen, der das piepsende Warnsignal einer eingehenden Nachricht gehört hatte. Offensichtlich war es mit den ruhigen Zeiten auf Ramrod nun auch wieder vorbei. Als er den Code des Absenders auf seinem Display gelesen hatte, gefror ihm für einen Moment das Blut in den Adern. Das konnte nicht sein! Noch bevor der Recke die Nachricht überhaupt abhörte, trommelte er seine Freunde und Kollegen zusammen. Sie sollten alle gemeinsam hören, was los war. Als auch Alessandro zumindest halbwach im Kontrollraum stand, öffnete Saber die Nachricht und legte sie auf den großen Schirm. Er hatte noch niemandem gesagt, wer diese Mitteilung an sie gesendet hatte, lediglich, dass es ein Notfall war. Nun schob er sich unauffällig neben April und würde ihr beistehen, wenn diese Nachricht das war, wofür es Saber hielt. Tatsächlich erschien ein Bild von Fireball auf dem Bildschirm, im Hintergrund konnte man Alarmsirenen und Einschläge wahrnehmen. Gehetzt bat er: „Ramrod, Leute! Uns kokeln hier bei Jarred die Schwanzfedern an. Das Königreich wird angegriffen, wir brauchen dringend Verstärkung“, gleich neben dem Japaner schlug ein Projektil ein und verursachte einen Höllenlärm. Fireball zuckte aufgrund der Lautstärke zusammen und versicherte: „Ich halte die Stellung, bis ihr und John mit seiner Einheit hier sind. Aber hey, bitte beeilt euch!“ Colt und Saber warfen sich einen schockierten Blick zu. Sie hatten die Ruhe genossen, hier kam der Sturm! Ein weiterer Blick auf April. Saber entschied schnell: „Die Geschichte wiederholt sich bestimmt nicht. Also auf, schwingen wir die Hufe!“ Alessandro nickte und tat wie ihm geheißen, auch wenn er den Spruch mit der Geschichte nicht auf Anhieb verstand. Noch während Alex den Riesenvogel startete, programmierte Saber die Koordinaten für das Königreich Jarr ein und gab dem Italiener noch einen Befehl: „Hol alles aus unserem Baby raus. Jede Minute zählt, Alessandro.“ „Ist klar, Boss!“, damit ließ Alex Ramrod senkrecht abheben und ihn Richtung Jarr schießen. Es war Feuer am Dach. Alessandro spürte die Anspannung. Nicht nur, dass das Königreich angegriffen wurde, für seine Kollegen hier an Bord schien es auch noch andere wichtige Dinge zu geben, von denen er nichts wusste. Er konnte es ganz deutlich spüren und es hatte nur am Rande mit Aprils Schwangerschaft zu tun. Aber der Italiener tat alles, damit sie zur rechten Zeit am rechten Ort ankommen würden. Colt hatte April in ihre Satteleinheit geschoben, noch während Saber den Befehl zum sofortigen Start gegeben hatte. Seine Vorahnung bestätigte sich, als April sich angeschnallt hatte. Sie strich sich über den Bauch und meinte seltsam ruhig: „Ich hab ein ganz mieses Gefühl, Colt.“ „Das bleibt nur ein Gefühl, Prinzessin“, versicherte Colt, während auch er sich in seine Satteleinheit schwang. Alles, was recht war, hier würde niemand über den Jordan hopsen. Hoffentlich waren die Einheiten bei König Jarred nicht so ungeschützt und überrascht worden, wie damals. Er warf über die mittlere Satteleinheit hindurch Saber einen Blick zu. Er versuchte, gelassen zu klingen, als er mutmaßte: „Jetzt kann er mal zeigen, dass er den Posten auch verdient, den sie ihm da zugeschanzt haben.“ Saber nickte grimmig. Er hatte wenig Zeit, um sich mit Colts derben Sprüchen herumzuschlagen. Der Schotte versuchte gerade, eine Verbindung zum Oberkommando zu bekommen. Endlich bekam er Commander Eagle zu sprechen. Er wollte abklären, welche Einheiten zur Verstärkung ausrücken würden und wie die Lage beim König tatsächlich sei. Fireball hatte sich ja wieder einmal gehütet, genaue Informationen zu geben. Das war ihm eindeutig noch von Ramrod hängen geblieben. Saber bildete sich ein, dass es schon ziemlich kritisch sein musste. April wünschte sich endlich als Unterstützung für die angegriffenen Freunde dort einzutreffen. Vor allem aber wollte sie dort sein, um mit Saber und ihren Freunden schlimmeres zu verhindern. Nicht nur, weil sie helfen wollte, sondern auch, weil sie irgendwie das Gefühl hatte, einen Fehler von damals wieder gut zu machen. Fireballs Vater hätte nicht sterben müssen, denn Ramrod war im Schatten eines Asteroiden in Lauerstellung gewesen, hatte aber nicht eingegriffen. Und nun sollte es wieder so sein? Würden sie zu spät kommen und ein weiterer Hikari sein Leben verlieren bevor er erfuhr, dass er Vater wurde? April zwinkerte die Tränen in den Augenwinkeln weg. Sie musste sich beruhigen und sachlich bleiben. Sie würde niemandem helfen, wenn sie die Nerven verlor. Ohne Aufforderung überprüfte April ihre Sensoren, stellte sie richtig ein, sie musste sich auf etwas konzentrieren. April hasste dieses Gefühl, dass einem jede Handlungsfreiheit genommen wurde und man zum Zuschauer degradiert wurde. Diese Ohnmacht konnte sie nicht ertragen, die wollte sie nicht ertragen. Schweigend und mit Nerven zum Zerreißen gespannt, kamen sie im Luftraum um das Königreich Jarr an. Als die Sensoren nahe genug waren, brach April endlich das Schweigen. Sie vermeldete: „Wir sind gleich da, Jungs. Es tummeln sich allerhand Jets von uns und vom Königreich Jarr da draußen. Und vier große Kreuzer der Outrider. Von den Schwärmen an Hyperjumpern brauch ich euch wohl nichts zu erzählen.“ Der Schotte nickte. Sofort versuchte er, die Lage nach Aprils Schilderung richtig einzuschätzen. Er wies Colt und auch Alessandro an: „Colt, du konzentrierst dich auf die großen Kreuzer, um die Hyperjumper kümmerst du dich nur, wenn’s sein muss. Da draußen sind genug von Fireballs Jungs um die kleinen Fische in Schach zu halten. Alessandro, du siehst nur zu, dass wir nicht getroffen werden, okay.“ „Tutti capito, capitano“, bestätigte Alessandro, wobei er schon das erste Ausweichmanöver einleitete. Er flog einen scharfen Bogen nach links, um einem Schuss eines der Kreuzer ausweichen zu können. Das fing ja heiter an. Nun merkte Alex, wie man den Friedenswächter in der Praxis flog. Und das war ganz anders als mit einem Jet durchs All zu tigern. Wendig war Ramrod auch, aber leider aufgrund seiner Größe doch ein wenig behäbiger. Alex schaffte es trotzdem, den großen Cowboy aus der Schusslinie zu manövrieren. Von Colt kam lediglich ein „Hasnirjk!“, denn gerade, als er seinem Boss bestätigen wollte, dass auch er verstanden hatte, wurde er in den Sitz gedrückt. Sein Finger blieb jedoch fest am Abzug. Sobald er sich in einer halbwegs brauchbaren Position für einen ersten Schuss sah, würde er abdrücken. Vier Kreuzer? Das war lächerlich, wie Colt fand. Er fragte sich, wieso ein Schlachtschiff wie die Monarch Supreme denen keinen Garaus machen konnte. Waren die wirklich überfordert mit vier so niedlichen Raumfähren? Zum Bedauern aller an Bord fand Colt sehr schnell heraus, weshalb die Monarch Supreme und Fireballs kleine Jäger nichts ausrichten konnten. Der Schild dieser Outriderflieger war besonders strapazierfähig. Colt erklärte es Saber auf seine Weise: „Die sind extrem tapezierfähig, verdammt!“ Alex verzog unter seinem Helm völlig verwirrt das Gesicht. Was?! Also, er verstand den Lockenkopf manchmal nicht. Gott sei Dank wusste er, dass April und auch Saber den Cowboy lange genug kannten und ihm als Außenstehendem als Dolmetscher zur Seite standen. Dieses Mal fungierte April als Übersetzerin, als sie befand: „Die Kreuzer haben ein extrem gutes Schutzschild. Wir brauchen eine Weile, um die Schwachstelle zu finden.“ Saber gab April Recht: „Sieht so aus. Auf die Schnelle kann ich keine Lücke finden.“ „Ah! Jetzt versteht auch der Pilot, was der Schütze rechts von mir so von sich gibt. Ich flieg also noch ein paar Manöver“, ging Alessandro ein Licht auf. Da auch der Italiener selbständig zu denken gewöhnt war, wollte er von Saber wissen: „Soll ich uns näher ran bringen, Boss?“ Wieder erhielt Alessandro ein bestätigendes Nicken: „Das wäre toll.“ Er linste zu April nach hinten, auf Alex war Verlass. Auch, wenn sie es niemanden sehen lassen wollte, sie machte sich Sorgen. Deswegen versuchte Saber umgehend, ihren ehemaligen Piloten über Funk zu erreichen. Lange blieben seine Versuche erfolglos, bis er schließlich ein Knacken in der Leitung vernahm, gefolgt von der Stimme eines Rennfahrers, der ihnen nur allzu bekannt war: „Die Kavallerie ist da, jippie!“ Die Freude über die Ankunft von Ramrod war Fireball anzuhören. Sein Necken gleich darauf, gefiel vor allem Colt: „Mensch, Leute, ihr werdet langsam auf eure alten Tage!“ Der Lockenkopf parierte: „Sag das noch mal und ich komm im Bronco raus und versohl dir den Hintern, Kurzer!“ Saber musste trotz der prekären Lage schmunzeln. Das war wieder typisch für Fireball und Colt. Egal wie gefährlich und brenzlig die Situation auch sein mochte, für ihre kleinen Wortgefechte fanden sie immer Zeit. Das hatte sich augenscheinlich auch nicht durch die räumliche Trennung geändert. Der Schotte mischte sich ebenfalls ein, es baute Spannung ab: „Dafür musst du Fireball in dem Getümmel erst mal finden, Colt.“ Tatsächlich war es in diesem Schlachttoben nicht einfach auszumachen, welcher Jet der ihres Freundes war. Saber selbst bemerkte ihn erst, als ein Hyperjumper geradewegs auf einen Jet des Oberkommandos zugeschossen kam und dieser im letzten Augenblick auswich. Das Manöver war waghalsig wie gekonnt gewesen. Auch Colt und Alessandro hatten es gesehen. Der Italiener stichelte in den Funkverkehr: „Nicht ganz so schlecht, Babyboy. Aber für perfekt musst du noch ein bisschen üben.“ Die Antwort bekam der Italiener postwendend über Funk: „Ich hab gesehen, wie du Ramrod quälst. Alex, du brauchst eindeutig die Kampferfahrung, die du grad kriegst.“ Saber beobachtete ein weiteres Manöver von Fireball. Die Bande rund um ihren ehemaligen Piloten hatte alle Hände voll zu tun. Deshalb wollte der Schotte wissen: „Wo können wir euch unter die Arme greifen, Fireball?“ Dieses Mal dauerte es einige Zeit, bis er eine Antwort bekam. Allerdings hatten sie die Anweisungen an die Air Strike Base 1 mithören können, die in einem scharfen Tonfall den Ernst der Lage verdeutlichte. Erst danach fand der Rennfahrer Zeit um Ramrod zu bitten, ihnen zu helfen. Obwohl, so stellte Saber schnell fest, gebeten wurden sie hier nicht mal unhöflich. Fireball befahl: „Wir versuchen euch die Gleiter vom Hals zu halten, knöpft euch die vermaledeiten Kreuzer vor. Die machen mich-“. Er war einen Moment lang unaufmerksam gewesen, und diesen hatte einer der Kreuzer genützt, um ihn ins Fadenkreuz zu nehmen. Die Funkverbindung zu Ramrod war immer noch offen, als er einem Schuss ausweichen musste und dabei herzhaft fluchte: „Oh, verdammte Scheiße!“ Das war knapper als knapp gewesen. Um ein Haar hätte der Schuss den Flügel des Gleiters erwischt und der Rennfahrer hätte nicht einmal mehr die Möglichkeit gehabt, eine Notlandung zu wagen. Fireball kam langsam aber sicher ins Schwitzen. Diese Outrider waren schlimmer als eine Horde Büffel bei einer Stampede. Sie taten nichts anderes, als einen Gleiter nach dem anderen abzuschießen, aber für jeden Hyperjumper kamen drei neue. Nun vernahm er Saber wieder, der ihn fragte, ob alles in Ordnung war. Gereizt bellte er zurück: „Jaja, seht endlich zu, dass ihr den Pestizidhammer gegen das Unkraut auspackt!“ Colt fand in all dem Trubel noch die Zeit, sich über Fireballs Art aufzuregen. Während Alex Ramrod so nahe wie möglich an einen Kreuzer heranflog, maulte der passionierte Scharfschütze: „Hat man Töne? Der Pimpf hat vielleicht einen Umgangston drauf, der ist ja zum Davonlaufen“, er sah zu Saber hinüber: „Du, Boss? Sollen wir nicht einfach wieder umdrehen und heimfliegen? Die kleine Ratte hat doch gar keine Hilfe von uns verdient.“ Doch der Recke enttäuschte den Kuhhirten postwendend: „Sorry, Kumpel. Er gehört zur Familie. Da muss man auch helfen, wenn man nicht will.“ Colt zog die Augenbrauen zusammen und murrte: „Das ist ja wohl ein schlechter Scherz.“ Alex war zwar schwer damit beschäftigt, Ramrod aus allerhand Keilereien zwischen Menschen und Outridern herauszuhalten und an einen Kreuzer heran zu fliegen, aber auf Colts erbärmliche Tour musste er einsteigen. Der Italiener zuckte mit den Schultern und klärte den Lockenkopf auf: „Beruhig dich. Der Boss der 1er-Base hat in so einem Fall nichts zu melden. Das übernimmt der Boss von Ramrod.“ Der Cowboy stöhnte gespielt erleichtert auf: „Toll! Dann kann er grad nicht größenwahnsinnig werden.“ Saber warf den beiden einen Blick zu, richtete sein Hauptaugenmerk allerdings gleich darauf wieder nach draußen. Tatsächlich wurde das Getümmel immer wilder und verworrener. Eine derartige Schlacht hatte selten im Neuen Grenzland getobt. Es war schwer, da den Überblick zu behalten. Inzwischen war auch die Staffel von John Sheppard eingetroffen, also noch mal eine Verstärkung von dreißig Mann. Ramrod hatte es nicht unbemerkt in Reichweite eines Kreuzers geschafft. Den großen Cowboy erschütterte plötzlich eine Detonation. Sie waren von hinten angegriffen worden, ohne dass es jemand bemerkt hatte! April hielt sich so gut sie konnte an ihrer Satteleinheit fest und gab als erste Auskunft. Sie informierte ihre Jungs: „Wir sind das Ziel eines Renegades. Der Kreuzer muss warten, Jungs!“ Alessandro flog eine Schleife um dem Angreifer gegenüber zu stehen. Tatsächlich lachte ihnen die furchterregende Visage eines gelb schwarzen Renegades ins Gesicht. Und er zielte immer noch auf Ramrod. Schnell entschlossen befahl Saber: „Alex, Ausweichmanöver! Und dann drück das Knöpfchen. Es wird ernst.“ Kaum hatte Saber das ausgesprochen, leitete Alex schon die entsprechenden Schritte ein. Widerspruchslos! In diesen Augenblicken bewies sich Alessandro als einer von ihnen. Der Schotte hätte sich die Feuertaufe für Alessandro gerne anders gewünscht, vor allem weniger brenzlig, aber Alex bewies sein Können und seine Gehorsamkeit. Er passte perfekt in das Team. Von nun an ging alles Hand in Hand, ein eingespieltes Team agierte und kämpfte gegen den Renegade. Ramrod und der Renegade waren zu einem eigenen Schauplatz geworden, alle anderen kämpften immer noch mitten drin. Vor allem die vier Kreuzer machten den Streitkräften von König Jarred und dem Oberkommando das Leben schwer und dezimierten ihre Zahl unaufhaltsam. Selbst die Monarch Supreme hatte den mächtigen Schlachtschiffen der Outrider nicht viel entgegen zu setzen. Sie verloren immer mehr Schiffe. Fireballs Manöver wurden immer ausgeklügelter, dennoch konnte er so nicht viel gegen die Angreifer ausrichten. Ihnen fehlte ein Schiff, das sich um die Kreuzer kümmern konnte! Diese Situation kam Fireball seltsam vertraut vor. Wollte er seine Männer und alle anderen in Sicherheit wissen, musste er die Initiative ergreifen. Er wusste, was er zu tun hatte. Ziemlich ruhig öffnete er eine Funkverbindung zu allen Beteiligten: „So, meine Lieben. Ihr kümmert euch um den Kleinmist. Ich versuche an einen Kreuzer ranzukommen. Klein genug dafür bin ich ja.“ Ramrod kam zwar nicht dazu, darauf etwas zu erwidern, dafür aber Martin. Der hielt das Ganze für keine gute Idee: „Babyboy, denk nicht mal dran, das alleine zu versuchen!“ Nun wurde der Brasilianer nach feinster Manier runtergeputzt: „Du denk nicht mal dran, dich über meine Befehle hinweg zu setzen, Rubario! Halt mir einfach nur die Jets vom Hals. Den Rest mach ich schon.“ „Du bist ja total irre!“, Martins aufgeregte Stimme hallte durch alle offenen Funkkanäle. Das konnte er nicht zulassen. Der Brasilianer schloss sofort alle Funkverbindungen zu seinen Kameraden, lediglich der zu seinem Captain blieb offen. Als Martin das Manöver einordnen konnte, versuchte er noch einmal mit allen Mitteln, Fireball von seinem Vorhaben abzubringen: „Lass das, Captain! Willst du dich mutwillig umbringen?“ Doch Martins Bitten verhallte ohne Antwort. Der Sturkopf hatte seinen Entschluss gefasst, kein Grund der Welt würde ihn von seinem Vorhaben abbringen können. Hier ging es nicht nur um seine Crew. Es ging auch um ein Bündnis, das vor zwanzig Jahren schon eine Eiszeit erlebt hatte und das mit einem neuerlichen Angriff auf das schutzlose Jarr endgültig zerbrechen würde. Fireball sah die ganze Tragweite einer fehlgeschlagenen Verteidigung von Jarr vor sich. Das konnte er nicht riskieren. Zu viele würden sich noch an den letzten Angriff der Outrider hier erinnern und dieses Mal endgültig das Vertrauen in eine Allianz mit Yuma verlieren. Der junge Captain fasste sein Ziel ins Auge und befahl Martin abermals: „Bring die Jungs heil runter, Rubario! Wir sehen uns später.“ Ruhe breitete sich in Fireball aus. Ungewöhnliche Ruhe. Sein Herzschlag wurde langsamer, sein Puls regelmäßiger, seine Gedanken klar. Mit vollem Schub steuerte er seinen Gleiter auf einen der Kreuzer zu. „Boah, heißer Ritt, Pate!“, lobte der Cowboy gewohnt jovial. Tatsächlich war er froh, dass sie dem Renegade die Lichter ausblasen konnten. Es war ein harter Kampf gewesen, sie hatten nichts um sich herum mehr wahrgenommen, auch keine Funksprüche. Der Italiener nickte Colt zu. Das war tatsächlich ein heißer Ritt gewesen. Dieser Kampf war hart und anstrengend gewesen und er war noch nicht vorbei. Er bekam aus den Augenwinkeln mit, wie vor Ramrod noch gekämpft wurde, mit allen Mitteln. Sie würden also keine Verschnaufpause haben. April ließ sofort nach der Explosion, die den Renegade wieder in die Phantomzone befördert hatte, eines ihrer Diagnoseprogramme und einen Scan durchlaufen. Ramrod hatte einiges einstecken müssen, aber die wichtigsten Funktionen waren alle intakt. Sie wandte sich an Saber und erstattete Bericht: „Wir sind noch heil, Saber. Wie lautet also unser nächstes Ziel?“ Voreilig antwortete Colt: „Ich schlage vor, wir widmen uns unserem eigentlich Ziel. Einem Kreuzer. Und dann will ich endlich Frühstück haben.“ Der Cowboy hatte noch keinen richtigen Blick nach draußen riskiert, sonst wäre er nicht so vorlaut gewesen. Ihm war entgangen, dass König Jarred und auch die Jets so etwas wie einen geordneten Rückzug antraten. Die Jets der Air Strike Base hielten eine Linie vor allen anderen Schiffen, verteidigten die Monarch Supreme mit allen erdenklichen Mitteln gegen die Hyperjumper der Outrider. Saber hatte währenddessen versucht, den Befehlshaber der Jets über Funk zu erreichen. Allerdings bemerkte er schon bei den ersten Worten, dass seine Anfrage unbeantwortet bleiben würde: „Fire, wir sind wieder frei. Wo braucht ihr uns?“ Er versuchte es noch einmal, dieses Mal in einer offenen Frequenz. Nun bekam er eine Antwort, aber nicht von Fireball. Es war der Befehlshaber der Air Strike Base 2: „Ramrod, hier Captain Sheppard! Wir haben Befehl zum geordneten Rückzug erhalten.“ Unaufgefordert ergänzte Martin über Funk. Er scherte sich nicht um die üblichen Umgangsformen, wenn mehrere Einheiten zusammen arbeiteten. Der Brasilianer wandte sich an die Besatzung der Ramrodcrew: „Ramrod, vergesst das mit dem Rückzug! Babyboy ist noch da draußen.“ In diesem Moment blendete sie eine Explosion und sekundenlang herrschte gespenstische Stille. Colt sprang als erster aus seiner Satteleinheit und fluchte: „Das war jetzt bitte nicht das, was ich denke!“, er lief zur Glasfront, als ob er da mehr sehen könnte, als von seinem Platz aus. Panisch riss er sich den Helm vom Kopf und pfefferte ihn hinter sich. Kein Stein war da draußen auf dem anderen geblieben. Alex hatte genau die andere Richtung eingeschlagen. Er war zu April nach hinten gelaufen, hielt sie so fest er konnte, im Arm und versicherte ihr: „Das war nur der Kreuzer, süße Prinzessin. Nur der Kreuzer, verstehst du mich?“ April allerdings rang nach Luft. Das war nicht wahr! Sie nahm ihren Helm ab, starrte vor sich hin, ohne richtig zu atmen. Die Blondine konnte es nicht glauben. Ramrod war nicht da gewesen, hatte wie vor zwanzig Jahren von einem abgelegenen Platz nur tatenlos zugesehen. Endlich sog sie die Luft tief in ihre Lungen ein, machte dabei allerdings ein jämmerliches Geräusch, beinahe so, als wäre sie gleich ertrunken. Mit einer schmerzlichen Vorahnung machte sie sich von Alex und ihren Gurten los. Sie sprang auf, wusste nicht, wo sie zuerst hin sollte. Zur Glasfront nach vor um zu sehen, was geschehen war, oder gleich hinaus zum Aufenthaltsraum um mit ihrem Schmerz alleine zu sein. Der Lockenkopf hatte gesehen, dass Alessandro gerade nicht das war, was April brauchte und er sah auch ihre Ratlosigkeit, ihre Panik. Laufend kam der Scharfschütze deswegen auf April zu. Er nahm sie in eine feste Umarmung, ließ sie nicht los, egal, wie sehr sie sich auch wehren mochte. Sofort begann er April sanft zu wiegen. Colt redete April und auch sich selbst ganz fest ein: „Es ist nicht das, was du denkst. Fire ist da noch rausgekommen, er ist schließlich unser Turbofreak. Ihm ist nichts passiert, April. Er ist wohl auf.“ Saber war ebenfalls aufgestanden. Er sah zu seinen Crewmitgliedern. Alessandro fühlte sich hilflos, wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Verständlich, es sah schließlich ganz danach aus, als hätten seine Teamkollegen gerade einen guten Freund verloren. Sabers Augen wanderten weiter zu April und Colt. Die beiden lagen sich in den Armen, wiegten hin und her. Er war sich nicht sicher, ob April als einzige weinte, schließlich sah er von Colt nur dessen Rücken. Aber es wirkte, als würde ihr Scharfschütze nicht nur April trösten sondern als bräuchte er ebenfalls Halt. Saber blickte ins All hinaus. Der kalte Schweiß stand auf seiner Stirn, Schauer liefen ihm über den Rücken und seine Hände zitterten. Saber aber musste einen kühlen Kopf behalten, er war ihr Anführer! Der Schotte durfte sich nicht zu sehr hineinsteigern. Immerhin wussten sie nicht mit absoluter Sicherheit, dass es Fireball erwischt hatte. Und genau das war der Punkt. Saber wollte von Captain Sheppard eine Auskunft. Deshalb funkte er diesen gleich an: „Captain! Was war da draußen los? Sind alle Jets heil?“ „Meine sind alle da, aber bei der Einser“, man merkte das Zögern von John Sheppard ganz deutlich. Seine Stimme klang plötzlich entschuldigend: „Es sieht so aus, als hätte es der Captain nicht mehr geschafft.“ Saber schluckte hart und bedankte sich, ehe er die Funkverbindung beendete. Betreten sah er wieder in den Raum auf. Bedrücktes Schweigen legte sich über den Kontrollraum Ramrods. Hätte es schlimmer kommen können? Saber senkte den Blick und schüttelte den Kopf. Eine Familiengeschichte hatte sich wiederholt. Es war tragisch und Saber ertrug den Gedanken gerade überhaupt nicht. Er murmelte mit belegter Stimme: „Bring uns bei Jarred runter, Alex. Bitte.“ Mit einem traurigen Nicken begab sich der Italiener auf seinen Platz und flog Ramrod zum Planeten. Mit gehörigem Abstand hinter der Monarch Supreme, die der große Cowboy eskortierte, folgte schließlich die Air Strike Base. Drei Jets hatten sich noch weiter zurückfallen lassen. Sie flogen in Formation, ließen jedoch eine Lücke an der Spitze. Es sollte der stumme Abschiedsgruß der Base an seinen Captain sein. Er hatte eine Lücke hinterlassen. Auch hier wurde nicht mehr gesprochen. Die gedrückte Stimmung schwang über alle Jets und Schlachtschiffe hinweg. Sie hatten einen guten Piloten und Freund verloren. Die Schlacht war zwar gewonnen, aber zu welchem Preis? Martin schluckte immer wieder schwer. Fireball war zwar nicht lange in der Base gewesen, doch er war zu einem guten Freund für Martin geworden. Er war gerne die rechte Hand des Captains gewesen. Ihm standen Tränen in den Augen, denn schräg vor ihm war die Lücke. Dabei hatte sich doch gerade alles halbwegs positiv entwickelt. Fireball war in der Base als Captain akzeptiert worden, hatte sich endlich eingelebt und hatte auch seine Beziehung zu April öffentlich gemacht. An all dem waren Alessa und Martin nicht gerade unbeteiligt gewesen. Und nun sollte der kleine Japaner nicht mehr nachhause kommen? Wieder schluckte Martin schwer. Das war hart. Noch auf dem Flugfeld wurden die ersten Verluste ausgewertet, Verletzte Kollegen ins Krankenhaus gebracht. Ramrod landete am Rande des Rollfelds. Sie hatten den Landeanflug über geschwiegen und nun, da alle Maschinen still standen, rührte sich nichts mehr auf dem Schiff. Alle saßen in ihren Satteleinheiten, schweigsam und regungslos. Colt, der wie April, wieder seinen Helm aufgesetzt hatte, als der Befehl zur Landung ergangen war, biss sich immer wieder auf die Unterlippe und starrte vor sich hin. Als er April so fest an sich gedrückt hatte, damit sie den Halt nicht verlor, hatte er nicht nur deutlich ihre Rundungen gespürt, sondern auch ihr Zittern. Diese Aufregung hatte bestimmt beiden nicht gut getan. Er konnte aber nicht begreifen, was passiert war. Es wollte ihm nicht in den Kopf, deswegen saß er wie angewachsen an seinem Platz und war unfähig, die nötigen Schritte zu setzen. Ähnlich erging es auch Saber und Alessandro. Der Italiener hatte sich für seine erste richtige Schlacht mit Ramrod einen anderen Ausgang gewünscht. Ihm war auch in der Base klar gewesen, dass jederzeit etwas passieren konnte, aber das hatte er wie alle anderen auch immer verdrängt. Kein Mensch konnte diesen Job ordentlich machen, wenn er an die möglichen Unglücke dachte, die auf sie lauerten! Ihm zog sich alles zusammen. Wie mochte es wohl weitergehen? Alessandro dachte dabei nicht nur an die beruflichen Veränderungen, vor allem dachte er da an April. Sie hatte ihren Partner verloren und würde bald alleine ein kleines Kind großziehen. Das war nicht fair. Der Schotte hörte noch das Nachbrummen der Turbinen, es schien ihm, als fresse sich dieses Geräusch in ihn hinein. Auch der Highlander war noch nicht fähig zu reagieren. Es war zu schnell gegangen, keiner von ihnen war darauf vorbereitet gewesen. Saber sah nach draußen und beobachtete, wie in dem geschäftigen Treiben die letzten drei Jets landeten. Als er Martin aus dem Jet klettern sah, wurde ihm plötzlich wieder bewusst, was sie zu tun hatten. Schweren Herzens zog er sich den Helm vom Kopf und stand aus seiner Satteleinheit auf: „Wir sollten raus und helfen. Es sind einige verletzt.“ Niemand kam auf die Idee, Saber nun miserable Kameradschaft vorzuhalten. Alle hatten an seinem Tonfall bemerkt, wie schwer es ihm fiel, der Chef zu sein und ihnen allen diese Disziplin abzuverlangen. Saber schluckte schwer und drehte sich um. Während sich auch die anderen beiden Jungs erhoben, blieb April regungslos in ihrer Satteleinheit sitzen. Sie konnte nicht fassen, was passiert war, genau genommen wusste sie noch nicht einmal, was passiert war. Sie wusste nur, dass sie zu spät gekommen waren. April zog sich das Herz zusammen. Sie schien keine Luft mehr zu bekommen und plötzlich merkte sie, wie sich nicht nur ihr Herz zusammenzog, sondern auch ihr gewölbter Bauch. Sie bekam unglaubliche Schmerzen, etwas war nicht in Ordnung. Sie hatte Ruhe bewahren wollen, niemanden merken lassen, wie unvollständig sie sich ohne Fireball gerade fühlte, doch das alles hatte ihr mehr zugesetzt, als gut für sie und das kleine Würmchen in ihrem Bauch gewesen war. April griff nach der erstbesten Hand, die an ihrer Satteleinheit vorbeikam und zog denjenigen Kollegen zu sich hinunter: „Mir… geht’s nicht gut, Jungs.“ Es war Alessandros Hand gewesen. Er kniete neben der blonden Frau und zog ihr den Helm vom Kopf, als sie ihn angesprochen hatte. Leise versuchte er sie zu beruhigen: „Das wissen wir, süße Prinzessin. Wir sind da, alles wird gut.“ Mit einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck schüttelte April den Kopf und wies auf ihren Bauch: „Nein, Sandro… Ich… Mir und dem Baby geht’s nicht gut!“ Sofort begriff der Italiener und zog April sachte aus ihrer Satteleinheit. Sie würden sich vorranging um ihre Freundin kümmern müssen, die anderen würden sich schon zu helfen wissen. Auch die anderen beiden kamen April zu Hilfe. Während Saber und Alessandro April stützten, organisierte Colt auf dem Rollfeld einen Krankenwagen. Sie verloren weder Zeit noch viele Worte, als sie ihre schwangere Freundin in die Obhut eines Sanitäters gaben und sich selbst so schnell wie möglich einen fahrbaren Untersatz besorgten, der sie zu April ins Krankenhaus brachte. Sie dachten gar nicht erst daran, Jarred oder jemand anderem zu erklären, was sie gesehen hatten. Sie waren zu sehr in Sorge um April. Es hatte sie an diesem Tag bereits ein Unheil ereilt, ein weiteres durfte nicht folgen. Schweigend und bangend warteten die drei Männer vor dem Untersuchungszimmer darauf, dass sie zu April durften und ihr beistehen konnten. Als endlich die Ärztin zu ihnen hinaus trat, blickten sie erwartungsvoll zu ihr auf. „Wer von Ihnen ist der Vater?“, die behandelnde Ärztin fragte ohne Hintergedanken, ihre Patientin hatte nichts weiter erzählt, also ging sie davon aus, dass der Vater des ungeborenen Kindes einer der drei sein musste. Colt ignorierte die Frage der Ärztin einfach. Er stand auf und wollte wissen: „Wie geht es April? Können wir zu ihr?“ Auch Saber und Alessandro erhoben sich. Niemand beantwortete die Frage nach dem Vater. Sie waren nicht bereit, es auszusprechen. Es schien ihnen, als würde es Wirklichkeit werden, wenn sie es nur einmal laut aussprachen, dass Fireball gestorben war. Doch die Ärztin ließ nicht locker: „Es geht ihr den Umständen entsprechend. Sie braucht jetzt erst einmal Ruhe und die Anwesenheit ihres Partners. Ich kann Sie nicht alle drei zu ihr lassen. Deswegen noch mal meine Frage. Wer von Ihnen ist Miss Eagles Partner?“ Saber bemerkte, wie Colt zu einer Schimpftriade ansetzen wollte. Er legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter, womit er ihn zum Schweigen brachte, noch ehe ein Wort über seine Lippen gekommen war. Kummervoll beantwortete Saber die Frage der Ärztin: „Aprils Freund ist im Einsatz ver… unglückt. Wir sind ihre Kollegen.“ Das Gesicht der Ärztin hellte sich einen Augenblick lang auf, danach wies sie die drei Männer an: „Es kann trotzdem nur einer zu Miss Eagle. So leid es mir tut.“ In dem Punkt waren sich die Jungs schnell einig. Colt und Saber nickten sich zu, ehe sie Alessandro in Richtung der Zimmertür schoben. So gern sie auch selbst zu April gegangen wären und ihr beigestanden hätten, es durfte nur einer zu ihr. Und das sollte Alex sein, immerhin war er so etwas wie Aprils bester Freund geworden. Ihn würde April nun am meisten brauchen. Als Alessandro sie beide verdattert ansah, nickten sie ihm aufmunternd zu. Colt bat ihn allerdings: „Bestell ihr schöne Grüße. Und lass uns eine kurze Nachricht zukommen, wie es um sie steht, ja?“ Schweren Herzens fuhren Colt und Saber zu König Jarred zurück und halfen dort mit, so gut sie es konnten. Für die beiden stand fest, dass es kein guter Tag war. Als die beiden wieder auf dem Rollfeld ankamen, lichtete sich das Chaos langsam. Die beschädigten Jets wurden in den Hangar zur Reparatur gebracht, die verletzten Piloten waren bereits auf die umliegenden Krankenhäuser verteilt worden. Diejenigen, die ohne Blessuren davon gekommen waren, kümmerten sich nun um die rasche Aufarbeitung der Schlacht und später auch um den Papierkram. Saber fand John Sheppard, den Captain der Air Strike Base zwei neben zwei ihm wohl bekannten Piloten der einser. Heiser erkundigte er sich: „Wie ist die Lage, John? Haben wir viele Verluste zu beklagen?“ Kurz wurde vor Saber salutiert, dann schüttelte John den Kopf: „Nein, wir sind gut davon gekommen. Das meiste sind Blechschäden, wir haben zirka vierzig Verletzte in den Bases, nochmal dreißig von Jarreds Männern, aber niemand schwebt in Lebensgefahr, soweit wir jetzt wissen.“ Martin, der in dem ganzen Wirrwarr die Freunde von Ramrod zu einem Krankenwagen hetzen gesehen hatte, scherte sich einen Dreck um die Umgangsformen und sah zu Colt und Saber hinüber: „Was war bei euch los? Wo sind April und Sandro abgeblieben?“ Der Brasilianer hatte sehr wohl am äußeren Erscheinungsbild der Navigatorin sehen können, dass sie bald Mutter wurde, aber das wollte er neben John nicht besprechen. Er wusste nicht, dass alle bis auf die Einser Base von diesem Geheimnis bereits gewusst hatten. Colt schüttelte matt den Kopf: „April hatte wohl so eine Art Schwächeanfall… Verständlich nach Fireballs…“, er konnte es immer noch nicht aussprechen. Ein dicker Kloß im Hals ließ ihn den Rest des Satzes verschlucken. Er musste ohnehin nichts weiter sagen, alle wussten, was er meinte. Saber ergänzte: „Sandro bleibt bei ihr, bis sie sich erholt hat. Wir wollen sie in dieser Situation nicht alleine lassen.“ Bekümmert blickte er noch mal in die Gesichter der Piloten. Sie sahen alle mitgenommen aus. Martin hatte einige Blessuren davongetragen, sie zeugten von der Verbissenheit, mit der sie gekämpft hatten. Er nickte dem Freund zu: „Wieso bist du noch nicht verarztet, Rubario?“ „Ist nicht so schlimm. Alles nur Kratzer.“, natürlich hätte auch Martin sich von einem Arzt ansehen lassen müssen, aber er wollte hier nicht weg. Er dachte, er müsste nun die Aufgaben des Captains übernehmen, hier die Stellung halten und zusehen, dass alle aus seiner Mannschaft versorgt wurden. Er wollte nicht von diesem Rollfeld weg, obwohl er wusste, dass er hier im Grunde auch nichts mehr tun konnte. Noch eine Weile blieben die fünf auf dem Rollfeld, trugen Informationen zusammen und halfen, wo sie konnten. Doch irgendwann stand der letzte Jet im Hangar, waren alle Piloten zu ihren Quartieren gefahren, waren alle Telefonate gemacht und alle ersten Zwischenberichte erledigt worden. Sie hatten den ganzen Tag nichts gegessen, doch sie verspürten keinen Hunger. Als die Sonne hinter dem Horizont zu versinken begann, trennten sich die Männer schließlich doch. Colt und Saber gingen zu Ramrod zurück, John suchte sein Quartier auf und auch Stan wandte sich schließlich zum Gehen. Er war bis zum Schluss bei Martin geblieben, nun aber klopfte er ihm müde auf die Schulter: „Lass uns gehen, Marty…“ Martin allerdings starrte verbittert in den Himmel hinauf. Er wollte nicht wahrhaben, dass ihr Captain gestorben war. Er keifte den aufgehenden Mond an: „Wieso kommt der Idiot nicht endlich runter?!“ Alarmiert blieb Stan stehen. Was war in Martin gefahren? Er hatte doch gesehen, was geschehen war, wieso konnte er es nicht akzeptieren? Der blonde Schwede packte Martin an den Schultern und schrie ihn an: „Komm wieder zu dir Marty! Babyboy hat tapfer gekämpft, aber er hat es nicht geschafft. Er kommt nicht mehr.“ Martin schrie Stan an. Er wusste, dass der Schwede nichts dafür konnte, aber er musste mit seiner Ohnmacht irgendwie umgehen: „Ich hab ihm gesagt, dass er das lassen soll! Aber der sture Esel wollte nicht auf mich hören und ist trotzdem direkt auf den Kreutzer zugeflogen. Was soll ich Babygirl denn nur sagen?!“ „Es war doch nicht deine Schuld!“, Stan sah sich an einem Punkt, an dem ihm das Latein ausging. Er war immer eine Frohnatur gewesen, nie um einen Spruch verlegen, aber das hier war schlimm. Nicht nur Martin hatte einen Freund verloren, auch er. Sie mussten alle erst einmal damit umzugehen lernen. Er gab Martin den einzigen Rat, der ihm passend erschien: „Ruf um Himmels Willen erst mal deine Alessa an und sag ihr, dass es dir gut geht. Sie muss krank vor Sorge sein. Und dann geh heim und schlaf erst mal. Wir werden morgen sehen, wie es weitergeht.“ Damit wandte sich Stanley um und verließ das Rollfeld für diesen Tag. Es war viel gewesen und die Ereignisse hatten sich überschlagen. Der Schwede fuhr sich abgekämpft durch die Haare, ehe er die Hände in die Hosentaschen steckte und mit hängenden Schultern den Heimweg antrat. Wie würde es in ihrem Quartier diese Nacht wohl sein? Stan war nicht wohl bei dem Gedanken. Zu schnell hatten sie sich an die seltsame Männer-WG hier in Jarr gewöhnt und es auch genossen. Martin aber wollte nicht nachhause. Er schlich in den Hangar zu seiner Maschine und kletterte auf den Flügel hinauf. Dort setzte er sich und ließ die Beine hinunter baumeln. Mit zittrigen Fingern holte er sein Telefon aus der Tasche und rief seinen Vater an. Er brauchte nun seinen Dad, erst danach wollte er seine Verlobte anrufen. Wie zu erwarten gewesen war, hatte sich auch in Yuma in Windeseile die Kunde verbreitet, dass Jarr angegriffen worden war. Emilio und seine Frau waren tausend Tode gestorben, das Oberkommando hatte bisher keine genaue Auskunft geben können. Dem Brasilianer fiel ein Stein vom Herzen, als er die Nummer seines Sohnes aufleuchten sah. Martin sprach leise und erzählte, was geschehen war. Mit einer Hand krallte er sich am Flügel fest, als er seinem Dad erzählte: „Padre, kannst du herkommen? Deine Befürchtung hat sich bewahrheitet, die Geschichte hat sich wiederholt. Babyboy hat es nicht geschafft und Babygirl, sie…“, mehr brauchte der junge Brasilianer nicht zu sagen, Emilio verstand ihn auch so. Bereits, als er ihm erklärt hatte, dass Shinji nicht zurückgekehrt war und im selben Satz von seiner Freundin gesprochen hatte, war Emilio klar gewesen, dass April in anderen Umständen war. Der Brasilianer versprach, mit Alessa den nächsten Flug ins Königreich Jarr zu nehmen. Alessandro hatte sich einen Besucherstuhl an Aprils Bett herangezogen. Seit er eingetreten war, hatte April kein Wort gesprochen. Sie saß im Bett, unter der Bettdecke liefen Kabel hervor, offensichtlich hatte die Ärztin beschlossen, den Wehenschreiber dran zu lassen. Die blonde Navigatorin hatte die Hände auf ihren Bauch gelegt und ließ den Kopf hängen. Sie war blass und ihre Haare fielen in Strähnen über ihre Schultern nach vor. Schweigen war normaler Weise nicht Aprils Art mit Kummer fertig zu werden, Alessandro jedoch vermutete, dass es die schiere Fassungslosigkeit war, die April verstummen ließ. Sie tat ihm unendlich leid. Er hatte es vom ersten Moment an kommen sehen, das Unglück in Form des Rennfahrers. Er hatte Fireball zwischendurch nicht leiden können, weil sie heimlich eine Beziehung zueinander aufgebaut hatten und Alessandro den Eindruck bekommen hatte, April würde ausgenutzt werden. Der Japaner hatte sich den Respekt bei Alessandro hart erarbeiten müssen, doch zuletzt hatte er ihn gehabt. Alex formte seine Hände zu Fäusten. Das Schicksal hatten sie nicht verdient. Der Italiener fragte sich, wie April das alles alleine schaffen würde. Ihr war es doch in den letzten Monaten immer schlecht gegangen, weil sie das Geheimnis mit sich herumgetragen hatte. Nun war es vielleicht kein Geheimnis mehr, aber Vater war auch keiner mehr da. Er schluckte, weil ihm doch die Tränen kamen. April fühlte die Bewegungen ihres Kindes deutlich, noch immer hatte sich das Würmchen nicht beruhigt. So wie sie. April konnte nicht begreifen, dass Fireball nicht mehr da war. Er hatte nichts von seinem Kind erfahren. Die blonde Frau fing an, sich eine Mitschuld zu geben. Sie hätte es Fireball sagen können, es ihm über Hypercom auch zeigen, wenn sie es nur gewollt hätte. Vielleicht wäre er dann vorsichtiger in die Schlacht gezogen. Es klopfte nochmal an der Tür und Alessandro wurde abgelöst. Nicht ganz freiwillig, aber er hatte Martin angesehen, dass er bei April sein wollte. Schweigend bedankte sich der Brasilianer bei seinem ehemaligen Kollegen und setzte sich an den gut vorgewärmten Stuhl. Doch er hielt es nicht lange dort aus. Schon ein paar Minuten später schob er sich zu April aufs Bett und zog sie in eine Umarmung. Erstickt flüsterte er: „Es tut mir so leid, Babygirl. Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen.“ In der Tat fühlte sich Martin miserabel, er dachte, dass es vielleicht etwas geholfen hätte, wenn er Fireball nur mehr Feuer unterm Hintern gemacht hätte. Als er spürte, wie April ihre Arme um ihn schlang, versicherte er ihr: „Wir sind alle da. Du bist keine Minute allein, ja?“ April schluchzte und drückte sich näher zu Martin. Sie wusste, dass sie Freunde hatte und alle für sie da sein würden. Sie waren schließlich immer füreinander da gewesen. Aber ihr Partner würde fehlen. Niemand könnte diese Lücke jemals füllen. Endlich fanden die längst überfälligen Tränen an die Oberfläche. April vergrub ihr Gesicht an Martins Schulter und flüsterte: „Er wäre Vater geworden…“ Der Tag war eindeutig für nix gut gewesen! Die Landung mehr als holprig und der Shuttleservice zurück zur Hauptstadt des Königreichs eine absolute Katstrophe. Das hatte sich Fireball anders vorgestellt. Dabei hatte er sich im ersten Moment noch gefreut, dass er es überhaupt von der Explosion weggeschafft hatte. Er hatte durchaus damit gerechnet, dass ihn sein Manöver nicht nur den Kopf kosten konnte. In dem ersten Chaos hatte Fireball die Orientierung verloren, sämtliche Navigationsgeräte in seinem Jet waren ausgefallen. Erst nachdem sich Schutt und Asche gleichmäßig im All verteilt hatten und auch alle anderen Jets weg gewesen waren, hatte der Rennfahrer den richtigen Planeten anvisieren können. Im Laufe des Sinkflugs hatte sich dann auch gezeigt, dass nicht nur die Navigation im Eimer gewesen war, sondern auch noch etliche andere Systeme seines kleinen Fliegers den Geist aufgegeben hatten. Fireball war ziemlich holprig irgendwo im Nirgendwo gelandet. Bis er endlich die Stadt erreicht hatte, war die Nacht herein gebrochen. Nach seiner Landung hatte er noch einige Momente im Jet gesessen und versucht, mit irgendjemanden Kontakt aufzunehmen. Aber alles war tot gewesen. Verschwitzt und verärgert, weil er sich doch zu Fuß auf den Weg zurück in die Stadt machen musste, war er schließlich aufgebrochen. Erst im Laufen begann er zu begreifen, was im Orbit um den Planeten geschehen war. Fireball realisierte langsam, dass er das Manöver gegen den Kreuzer mit seinem Leben bezahlen hätte können. Er war knapp seinem Untergang entkommen. Wie der Blitz traf ihn schließlich die Erkenntnis, dass er dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen hatte. Fireball mochte einiges mit seinem Vater gemeinsam haben, aber er starb nicht im Manöver im Königreich Jarr! Im selben Atemzug fiel ihm auch ein, dass seine Freunde vorausgeflogen waren. Er hatte niemanden mehr erreichen können, ergo bedeutete es, dass sie ihn auch nicht erreicht hatten. Realistisch betrachtet mussten sie den schlimmsten Fall angenommen haben. Obwohl Fireballs Füße schwer wie Blei waren, wurde er immer schneller. Er musste zu April und den anderen! Er lief über das dunkle Rollfeld direkt auf Ramrod zu, der am anderen Ende geparkt worden war. Sein erster Weg führte ihn zu April und ihren Kollegen. Die anderen konnten warten, sie würden schon noch früh genug erfahren, dass er noch lebte. Wie von selbst öffnete sich die Rampe und der Japaner lief hinauf. Er rief in den Gang hinein: „April? Leute, hey, seid ihr da?!“ Fireball fand Saber und Colt im Aufenthaltsraum vor. Als sich die Tür öffnete, damit er eintreten konnte, waren die beiden Freunde aufgestanden, um nachzusehen, ob Alessandro wieder gekommen war. Sie starrten Fireball mit weit aufgerissenen Augen an. Ihm war klar, dass seine Freunde ihn entgeistert ansahen. Das war Fireball unangenehm und er versuchte mit einem platten Witz die Verwunderung zu lösen: „Ihr hättet mich ruhig mal auflesen können! Shuttleservice sieht anders aus, Leute!“, Fireball sah sich im Aufenthaltsraum aufmerksam um, von April und Alessandro war keine Spur. Sein Lächeln verschwand aus dem Gesicht. April musste gerade Rotz und Wasser heulen. Besorgt wollte er wissen: „Wo ist April?“ Saber kratzte sich am Hinterkopf. So ganz einordnen konnte der blonde Highlander nicht, was er sah. Noch weniger als es begreifen zu können, wusste er allerdings, was er Fireball zu Aprils Verbleib sagen sollte. Ihm war klar, dass der Hitzkopf sofort Kehrt machen würde und zu Fuß ins Krankenhaus laufen würde, wenn er ihm einfach schilderte, dass April die Nacht im Spital verbringen musste. Colt war so überfahren, dass sich in seinem Kopf alles überschlug und ihm nur eine Reaktion übrig blieb. Er schlug dem Japaner die geballte Faust gegen die Schulter und fuhr ihn aufgebracht an: „Du elender Armleuchter hättest keinen Shuttleservice gebraucht, wenn du das dumme Flugmanöver nicht gemacht hättest! Verdammt, du kannst sowas nicht machen! Hast du eine Ahnung, was hier heute wegen dir los war?! Normalerweise sollte man dich da wieder rauf schießen, das hättest du verdient, hättest du!“ „Schön, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast, Cowboy“, kommentierte Fireball trocken. Tatsächlich hatte er Colt seinen Hieb schon nach dem ersten Satz verziehen, er hatte gemerkt, dass sein Kumpel krank vor Sorge gewesen war. Er hatte wohl allen einen riesen Schrecken eingejagt. Und Colts Gebrumme hatte ihm auch bestätigt, dass sie gedacht hatten, er wäre umgekommen. Nun kam wieder mehr Leben in Saber. Er hatte beobachtet, wie Colt laut geworden war und wie Fireball das alles ruhig ertragen hatte. Der Schotte sah an seinem Freund hinab, er sah ziemlich zerschunden aus. Saber ging auf Fireball zu. Er packte den Rennfahrer an der Schulter und schob ihn kurzerhand wieder in den Gang. Sie würden ohnehin ein Krankenhaus aufsuchen müssen. Auf dem Weg von Ramrod zu einem Wagen erklärte er Fireball: „Wir sind froh, dass du es geschafft hast, Fireball. Du lässt dich jetzt bitte anschauen und dann suchen wir April auf.“ Ein bisschen verdattert hatte sich Fireball mitschieben lassen. Bei Sabers Worten wurde ihm allerdings klamm ums Herz. Hier war was faul. April war nicht auf Ramrod. Das konnte nur bedeuten, dass ihr etwas zugestoßen war. Panik stieg in ihm auf. Alles, was er an diesem Tag noch ertragen konnte, aber das nicht mehr. Seine Stimme zitterte, als sie in einen Jeep stiegen: „Was ist mit meiner Süßen?“ „Dein scheinbares Ableben hat sie ziemlich mitgenommen. Sie hat für diese Nacht in einem Krankenzimmer eingecheckt“, Colt verlor mit keinem Wort etwas über Aprils Zustand. Weder er noch Saber wussten offensichtlich, wie sie Fireball das beibringen sollten. Colt hatte sich bemüht, unbekümmert zu klingen. Er dachte, wenn er noch einmal einen kleinen Seitenhieb auf Fireball fallen ließ, würde dieser sich nicht allzu große Sorgen machen. Vorsorglich hatte sich Saber hinter das Steuer gesetzt. Colt fuhr für seinen Geschmack zu wild und bei Fireballs Erscheinungsbild hielt es der Schotte für angemessen, ihn zu schonen. Ihm wäre lieber, wenn sich sein Freund sofort durchchecken lassen würde, wenn sie im Krankenhaus angekommen waren, aber er bezweifelte, dass er den Sturkopf in eine Notaufnahme zerren konnte, solange er April nicht gesehen hatte. Er sollte mit seiner Menschenkenntnis nicht weit daneben liegen. Zielstrebig ging Fireball nach ihrer Ankunft im Krankenhaus tatsächlich an der Anmeldung zur Ambulanz vorbei, hin zum Portier. Obwohl ihm Colt und Saber mehrmals versichert hatten, dass April nichts Gravierendes fehlte, kam er vor Sorge um seine Freundin beinahe um. Seine Angst manifestierte sich in wachsender Ungeduld und gipfelte schließlich in verbalen Tiefschlägen. Der Hitzkopf hatte volle Fahrt aufgenommen, als ihm der Portier mitteilte, dass die Besuchszeit vorbei war und er gerne morgen wieder kommen konnte. Er würde niemanden mehr zu einem Patienten lassen. Colt zog Fireball von dem Fenster zurück, bevor er nach dem Nachtportier greifen konnte: „Hey, beruhig dich, Brauner!“ Währenddessen entschuldigte sich Saber und fasste noch einmal ruhig zusammen, weshalb sie hier waren. Mit den Kniffen der Diplomatie schaffte es der Schotte schließlich doch noch, eine Ausnahme zu bekommen. Er bedankte sich höflich bei dem Mann, ehe er mit Colt und Fireball den Weg zu den Stationen einschlug. Der Portier hatte sie bei der zuständigen Stationsschwester angemeldet, sie würde die drei zu April lassen, vorausgesetzt sie würden sich beruhigen. Als sie vor der Station ankamen und leise an die Tür klopften, regte sich der Sturkopf in Fireball. Skeptisch blickte er von Colt zu Saber: „Was machen wir auf der Gyn?“ Saber murmelte, er hatte so eine Reaktion schon befürchtet. Sie waren wieder einmal bei den großen W-Fragen angelangt: „Wir sehen nach April.“ „Sie liegt auf der Gynäkologie?“, nun war es wieder mit dem Frieden vorbei. Langsam begann er die Auswirkungen des Tages zu spüren. Ihm tat alles weh, er war erschöpft, durstig und hatte Hunger für zwei. Zu allem Überfluss witterte er nun auch noch eine Verschwörung. Fireball fauchte seine beiden Freunde an: „Was zum Geier ist passiert?“ In diesem Moment öffnete eine ältere, stämmige Dame die Tür zur Station und empfing sie mit einem energischen „Psst! Es ist längst Schlafenszeit meine Herren!“ Sie bedachte vor allem den kleineren der Männer mit einem strafenden Blick, der war schließlich am lautesten gewesen. Die drei huschten hinein. Saber erfragte höflich die Zimmernummer und versprach der Stationsschwester, dass sie in spätestens fünf Minuten wieder weg sein würden. Als die Schwester erfuhr, zu welcher Patientin die Herren wollten, horchte sie auf. Die junge Dame war erst am Nachmittag eingeliefert worden, sie hatte deren Krankenblatt gerade erst gelesen. Sie stemmte die Arme in die Hüften und sah die drei eindringlich an: „Ich habe erst vor einer Stunde die anderen beiden Herren nachhause geschickt. Niemand sollte mehr zu Miss Eagle, sie braucht Ruhe!“ Mit Fireballs Ruhe war es im Erdgeschoss beim Portier schon vorbei gewesen, jetzt verlor er schlichtweg seine Nerven. Er stand quasi vor Aprils Tür und die Schwester wollte ihn wieder heimschicken, ohne dass er sie gesehen hatte und ihr sagen konnte, dass es ihm gut ging? Nix da! Bitter böse fauchte er die ältere Frau an: „Hören Sie mal. Ich hatte einen bescheidenen Tag. Ich hab diesen Planeten verteidigt und dabei Kopf und Kragen riskiert und jetzt kommen Sie und lassen mich nicht zu meiner Freundin, die ich seit fünf Monaten nicht gesehen habe. Vergessen Sie’s!“ Unbeeindruckt stellte sich die Schwester vor die Tür zu Aprils Zimmer. Leise, aber umso giftiger, antwortete sie: „Ein Grund mehr, Sie nicht mehr zu Miss Eagle zu lassen, junger Mann! Sie regen das arme Ding maximal auf!“ „Die einzige, die hier irgendwen aufregt, sind Sie! Herrgott, lassen Sie mich zu ihr“, Fireball zitterte, er spürte deutlich, wie er die Beherrschung verlor. Noch flüsterte er, doch wenn die Stationsschwester so weiter machte, ging er ihr an den Kragen. Er stieß die Luft aus seinen Lungen, keuchte dabei mehr als er atmete, damit er sich beruhigte. Noch ein weiterer tiefer Atemzug, dann ließ er die Hände sinken, zu Fäusten blieben sie immer noch geballt. Er versuchte zu verhandeln: „Vorschlag zur Güte. Ich husch da jetzt rein, sag ihr, dass alles in Ordnung ist und gehe gleich wieder. Zwei Minuten und der Zauber ist vorbei.“ Die Schwester wollte bereits den Kopf schütteln, bestimmt schlief die Patientin bereits, niemand sollte sie mehr besuchen. Saber bat sie allerdings um Verständnis für die außergewöhnliche Ruhestörung. Er schob sich vor Fireball und verhandelte erneut mit ihr. Er hatte bemerkt, dass Fireball mit allem am Ende war, nervlich und körperlich. Kein Wunder nach einem solchen Tag. Leise erklärte ihr der Schotte, was passiert war und weshalb es so wichtig war, den jungen Mann doch noch ein paar Minuten zu seiner Freundin zu lassen. Die Schwester schielte immer wieder an Saber vorbei und musterte Fireball mit strengen Augen. Solange Saber mit ihr verhandelte, kümmerte sich der Hutträger um den asiatischen Mann. Schließlich ließ sie sich erweichen. Sie gab die Tür frei, machte aber klar, dass Fireball nach ihren Regeln hier spielen musste: „Sobald ich einen Ausschlag auf den Monitoren Ihrer Freundin sehe, fliegen Sie achtkant hier raus.“ Grimmig nickte der junge Mann, ehe er durch den Türspalt hinein huschte. Das Licht war bereits gelöscht, lediglich ein Monitor, der nach Fireballs Auffassung Herztöne aufzeichnete, leuchtete grünlich. Leise schlich er näher an das Bett. All seine Aufregung und Angst verschwand, als er April so friedlich schlafend daliegen sah. Erst, als er direkt neben ihr stand, bemerkte er, dass etwas an April anders war. Und es waren nicht die Kabel, die unter der Bettdecke hervorkamen und zum Monitor verliefen. Fireball konnte trotz der Decke und der Tatsache, dass April auf der Seite lag, einen gewölbten Bauch erkennen. Plötzlich verstand er gar nichts mehr. Als ob in seinem Kopf gähnende Leere herrschte. Einige Atemzüge lang beobachtete er seine schlafende Freundin, vergewisserte sich, dass ihre Atmung gleichmäßig war, dann verließ er leise das Zimmer. Fireball konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Nur eines war ihm klar. Er musste erst mal drüber schlafen. Ziemlich wortkarg und wie ferngesteuert ging er an der Stationsschwester und seinen beiden Freunden vorbei. Schweigend begleiteten Saber und Colt ihn ins Erdgeschoss zurück. Dort blieb Fireball stehen und verabschiedete sich von seinen Freunden: „Fahrt schon mal heim. Ich komm später nach.“ Als er Colts besorgten Blick auffing, erklärte er leise: „Keine Sorge, Colt. Ich lass mich vom Doc hier noch ansehen, wenn ich schon mal da bin“, er wandte sich an Saber: „Könnt ihr bitte Martin und den anderen Bescheid geben, dass es mir gut geht? Wir sehen uns dann morgen, ok?“ Ein wenig unwillig aber doch ließen Saber und Colt ihren Freund im Krankenhaus. Sie hatten sich noch vergewissert, dass er auch wirklich den Weg in die Notaufnahme einschlug, dann fuhren sie zum Militärgelände zurück. Sie waren sich einig, den überfahrenen Freund in der Obhut von Fachleuten zu lassen und selbst zu versuchen, Ruhe zu finden. Der diensthabende Arzt nahm den erschöpften Piloten in Empfang. Schnell hatte er die wichtigsten Untersuchungen vorgenommen und gezielt Fragen gestellt. Obwohl er keine äußeren Verletzungen feststellen konnte, behielt er Fireball über Nacht zur Beobachtung. Das Zittern des Rennfahrers hatte auf eine Übersäuerung und Überanstrengung schließen lassen, weshalb er ein Zimmer auf der Unfallstation für Fireball bereit stellen ließ. Trotz der Beteuerungen, dass er einfach nur müde war, hängte ihn die Schwester an den Tropf. Der Arzt hatte Fireball zur Sicherheit eine Glukoselösung verschrieben. Zumindest aber hatte sich Fireball bei der Kleiderfrage doch noch durchsetzen können. Er würde den Teufel tun und ein Krankenhaushemdchen anziehen! Nun lag er im Bett, betrachtete gedankenverloren das hübsche Armbändchen, das sie ihm umgelegt hatten. Fireball schloss erschöpft die Augen. Er würde am nächsten Morgen etliches zu erledigen haben. Mit wirren Gedanken schlief er ein. Obwohl er hundemüde gewesen war und sofort eingeschlafen war, hatte er keinen erholsamen Schlaf finden können. Seine Gedanken hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ihm hatte nicht so recht in den Kopf wollen, was er im Krankenzimmer gesehen hatte. Wie hatte das passieren können? Und weshalb hatte sie es ihm niemals gesagt? Sie hatten sich das letzte Mal vor fünf Monaten gesehen, sie war also zumindest im fünften Monat schwanger. Fireball drehte sich unruhig im Bett hin und her. Seine Reaktionen waren manchmal unberechenbar, das wusste er selbst. Sie hatten niemals über das Thema Kinder gesprochen, sie waren sich einig gewesen, erst einmal ihre gemeinsame Zeit zu genießen, dem Oberkommando zu beweisen, dass auch Beziehungen unter Kollegen gut gehen konnten. Sie waren noch nicht einmal zusammengezogen, weil es ihnen zu früh erschienen war. April hatte es ihm deshalb über Hypercom nicht sagen können, weil sie Angst vor seiner Reaktion darauf gehabt hatte, das verstand er langsam. Schon bevor vor den ersten Sonnenstrahlen die Schwester zum Weckruf erschienen war, hatte Fireball die Augen aufgeschlagen. Ihm war nicht wohl in seiner Haut. Seine Freundin, die Frau, die ihm alles bedeutete, wusste nicht, dass er es geschafft hatte und wohlauf war. Er wollte es April so schnell wie möglich selbst sagen, doch ihm war klar, dass er ohne die Zustimmung eines Arztes oder einer Schwester gar nicht erst versuchen brauchte, auf Aprils Zimmer zu kommen. Also übte er sich in Geduld. Mit Abstand eine der schwierigsten Disziplinen für den Hitzkopf. Erst nach dem Frühstück bekam Fireball grünes Licht für seinen Ausflug. So schnell hatte der Arzt selten jemanden aus dem Zimmer flitzen sehen. Barfuß, in seiner verschwitzten Unterwäsche und ungekämmt tigerte er zu der Station auf der April lag. Es war ihm herzlich egal, wie ihn alle anstarrten, er hatte was Wichtiges zu erledigen. Fireball wollte nicht darauf warten, dass Colt oder Saber vielleicht die Güte besaßen, und ihm frische Klamotten brachten. Die grummelige Schwester vom letzten Abend war nicht mehr da, ein Glück. Hätte sie Fireball so erblickt, sie hätte ihn gleich wieder weg geschickt. Das junge Ding, das da im Schwesternzimmer saß, bekam nur große Augen und ließ den Wuschelkopf zu seiner Freundin. Fireball stockte der Atem, als er die Tür öffnete und den Kopf vorsichtig hineinsteckte. April saß beim Frühstück und starrte gedankenverloren vor sich hin. Was sollte er bloß sagen, ohne sie derart zu erschrecken, dass er ihr gleich danach einen Arzt rufen musste? Leise schlich er ins Zimmer und schloss die Tür wieder. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf: „Guten Morgen, Süße. Ich hoffe, ich hab dir keinen allzu großen Schrecken eingejagt.“ Langsam stellte April die Tasse mit dem Tee ab und hob den Kopf. Die Nachtschwester hatte ihr heute Morgen von einem jungen Mann erzählt, der sie gestern noch dringend hätte sehen wollen. Der Beschreibung nach war es Fireball gewesen. Die Stationsschwester hatte April jegliche Bedenken, sie könnte sich irren, genommen, denn es waren Worte wie unwirsch und ungehobelt bei seiner Beschreibung dabei gewesen. April hatte kaum zu hoffen gewagt, dass er es wirklich geschafft haben könnte, seine Stimme aber hatte ihr Herz nun höher schlagen lassen. Sie war unsagbar erleichtert, doch gleichzeitig auch angespannt. Nun war ihr Bäuchlein gut zu sehen, sie mussten sich ihren Wirren stellen. April ging davon aus, dass Fireball am Vorabend schon von Colt und den anderen erfahren hatte, dass er Vater wurde. Es war im Endeffekt genau so gelaufen, wie es April hatte vermeiden wollen. Sie hatte es ihm selbst sagen wollen, ihn beschwichtigen, wenn er an die Decke ging. Angst und Unbehagen machten sich zunehmend in April breit. „Ich hoffe, du erwartest darauf nicht wirklich eine Antwort“, April konnte ihn kaum ansehen. Als er näher kam, machte sie ihm Platz auf dem Bett, damit er sich zu ihr setzen konnte. Fireball meinte, April wäre eingeschnappt, weil er alleine einen Angriff geflogen war, der ins Auge hätte gehen können. Das konnte er verstehen, aber im Krieg mussten Entscheidungen schnell getroffen werden. Er hatte sich dafür entschieden, König Jarreds Flotten und seine eigene nicht leichtfertig zu opfern. Nun, Stunden später war auch Fireball schlauer. Es wäre ihm beinahe ergangen, wie seinem Vater. April hatte allen Grund, sauer auf ihn zu sein. Er wollte sich nicht vorstellen, wie sie sich gefühlt haben musste. Fireball wusste zwar nicht, was er sagen sollte, aber er wollte April bei sich in der Nähe wissen, sie am besten sogar spüren. Er setzte sich zu ihr auf das Bett, suchte ganz bewusst ihre unmittelbare Nähe. Leise murmelte er: „War nicht meine beste Idee, den Kreuzer alleine zu zerstören“, sein Blick erforschte Aprils Bauch aufmerksam. Darin befand sich ein kleiner Mensch. Sein Kind. Fireball wurde klar: „Ich hatte gestern doppeltes Glück.“ April fühlte die Wärme, die Fireballs Körper ausstrahlte. Wieder blinzelte sie zu ihm hinüber. Wie er so da saß, beinahe als wäre er dem Arzt vor der Untersuchung einfach abgehauen. Er handelte manchmal so unüberlegt. April sog die Luft tief ein. Sie hatte gehofft, es würde sich ändern, es würde besser werden, wenn er sich an sein neues Leben gewöhnt hatte, wenn er einem geregelten Leben nachging. Sie war wieder einmal eines besseren belehrt worden. Ein Mann wie Fireball würde nie klüger werden. Das Wesen in ihrem Bauch begann sich wieder zu regen. Ob es spürte, dass sein Vater hier war? April senkte den Blick und legte ihre Hände auf die Wölbung. Sie flüsterte: „Tja, ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Sie sah ihn kaum an, berührte ihn nicht. Das behagte Fireball ganz und gar nicht. Er hatte das Gefühl, sie wollte ihn nicht sehen. Und so ganz nachvollziehen konnte er es nicht. Denn immerhin hatte sie ihm in den letzten Monaten, die sie nur hatten telefonieren können, immer wieder gesagt, sie würde ihn vermissen. Fireball ließ die Schultern hängen. Er hatte sie auch vermisst, sogar schmerzlich. Es war eine Sache, April in regelmäßigen Abständen zuhause in Yuma zu sehen, eine völlig andere jedoch, es über Monate hinweg ohne sie auszuhalten. Für Fireball stand fest, dass er April nicht mehr hergeben wollte. Da spielte es auch keine Rolle, ob ein Kind da war oder nicht. Er hatte sie nach seinem Manöver ohnehin fragen wollen, ob sie sich eine gemeinsame Wohnung suchten. So würden sie das wohl vorziehen müssen. Wieder musterte er die blonde Frau neben sich. Konnte es sein, dass sie eine kommende Kurzschlussreaktion befürchtete, weil sie gar so ruhig war? Fireball versuchte, April das Unbehagen zu nehmen, wusste aber nicht so recht, wie er das am besten machen sollte: „Ich kann verstehen, dass du es mir persönlich sagen wolltest. Aber dadurch ist es nicht einfacher geworden. ...Wir sind also bald zu dritt, das ist... schön.“ Schön? Irritiert sah April wieder auf. Meinte er das ernst? Es klang beinahe, als hätte er sich diese Worte über die Lippen gequält. Sie fasste Fireballs Worte als Vorwurf auf. Grimmig verzog April das Gesicht. Schon etwas lauter antwortete sie ihm: „Ja, ich wollte es dir selbst sagen. Was schwieriger daran geworden ist, ist aber dein Harakiri-Versuch und nicht mein Warten auf den rechten Zeitpunkt.“ Er hatte es geahnt. Aprils Angst hatte schon umgeschlagen. Sie klang nicht unfreundlich, aber an ihrer Wortwahl merkte er, wie unverantwortlich sie sein Tun fand. Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass April damit Recht hatte. Er hasste es, wenn sie ihn auf seine Fehler derart aufmerksam machte. April würde wohl noch einige Spitzen diesbezüglich fallen lassen. Fireball beschloss, sie alle ruhig zu erdulden, irgendwie hatte er es verdient. Er hoffte nur, dass April keinen Schlussstrich zog, in ihrem Zustand konnte es auch passieren, dass sie ihn zum Teufel jagte. Das hatte sie schon einmal gemacht, der Schuss vor den Bug war mehr als deutlich damals gewesen und so etwas wollte er nicht noch einmal riskieren: „Der war so nicht geplant, Süße“, lenkte er ein, doch er wollte wissen: „Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt gewesen? Das Manöver ist ständig verlängert worden, ich hab keine Ahnung, wie lange wir nach diesem Angriff gestern noch hier stationiert bleiben. Am Ende hättest du es mir erst sagen können, wenn ...unser Kind bereits auf der Welt ist.“ Es kam Fireball nicht leicht über die Lippen, es fühlte sich komisch an, nur daran zu denken. April und er bekamen ein Kind. Das war ziemlich seltsam, aber er war sich sicher: „Dabei wäre ich gerne bei der Geburt dabei.“ Leider hatte Fireball nicht so unrecht mit dem, was er sagte. Aus dem Manöver, das nur maximal zwei Monate dauern sollte, war eines geworden, das mittlerweile schon fünf Monate dauerte und der Angriff der Outrider vom Vortag ließ die Chancen drastisch gegen null sinken, dass Fireball bald nach Yuma zurückkehren würde. Sie hätte ihm von der Schwangerschaft vielleicht gar nicht erzählen können. Aber auch so war es denkbar ungünstig gelaufen. April seufzte frustriert und begann ihre Hände zu kneten. Sie hatte gehofft, einige Dinge mit ihm gemeinsam regeln zu können, nachdem sie es Fireball gesagt hatte. Nun aber schien es April idiotisch, Fireball in die Pflicht zu nehmen. Er war mit der Base voll eingespannt, er hatte doch gar keinen Kopf für den Kram. April murmelte erstickt: „Du solltest planen können. Nach der Geburt ist es besser für das Kind.“ „Nicht ich... Wir sollten planen können.“, sanft widersprach Fireball seiner Freundin. Endlich glitt seine Hand zu ihrer hinüber und verschränkte sie mit ihrer. Der Pilot ahnte, dass April in den letzten Monaten viel gegrübelt hatte und eine Menge unangenehmer Gedanken dabei in ihr Bewusstsein befördert hatten. Sie hatte auch versucht, auf seine Anforderungen einzugehen, hatte diese schließlich sogar über ihre Bedürfnisse und das gemeinsame Wohl gestellt. „Ich habe geplant. Ich weiß, wann ich aus dem aktiven Dienst gehe, wie das Kinderzimmer aussehen wird und wann ich die Hebamme treffen werde. Das einzige, das ich nicht geplant habe, ist die Geburt. Weil es da einfach nicht immer so läuft, wie man es sich denkt. Ich habe geplant. Für uns. Und du fliegst gegen den nächstbesten Outrider-Kreuzer. Guter Plan.“, April war zunehmend aufgebracht. Sie hatte versucht, es für sie beide alleine hinzukriegen. Sie hatte dabei an alles gedacht, nur nicht mit der Unvernunft ihres Lebensgefährten gerechnet. Er hätte im Handumdrehen aus der wachsenden Familie eine allein erziehende Mutter aus ihr gemacht und all ihre Anstrengungen wären umsonst gewesen. Das bekümmerte sie, machte sie gleichzeitig aber auch wütend. Mit Unbehagen zog sie ihre Hand aus seiner hervor. April wandte den Blick von ihm ab. Je länger sie ihn ansah, desto mehr stieg die Wut in ihr auf. Er war ein schrecklicher Hitzkopf, dachte nie weiter als bis zur nächsten Ecke. April bemerkte gerade nicht, wie sehr sich Fireball bemühte, ihr beizustehen und sie zu unterstützen. Dafür saß der Schrecken des letzten Tages viel zu tief. Allerdings ertrug Fireball Aprils Spitzen und ihre Anfeindungen ruhig und stoisch. Er ließ es über sich ergehen, wahrscheinlich durfte er sich noch einiges von seinen Kollegen und auch den anderen anhören, April hatte da den Vortritt. Sie war seine Lebensgefährtin, sie war eigentlich die Einzige, die ihm den Kopf waschen durfte. Er ließ April reden, keifen und mit ihm schimpfen. Als er keine Worte ihrerseits mehr hörte, ertrug er ihre abweisende Haltung allerdings nicht länger. Er wandte sich ihr zu, nahm sie in eine feste Umarmung und murmelte leise: „Ich mache das nie wieder, Süße. Ihr beide braucht mich, aber mehr noch brauche ich dich.“ Erst als April die Umarmung erwiderte, war sich der Japaner sicher, dass es eine gemeinsame Zukunft geben würde. Er spürte, dass sich auch bei April Anspannung löste. Sie lagen sich lange in den Armen, glücklich darüber, dass sie einander hatten. Fireball brach bald das Schweigen und wollte allerhand über sein ungeborenes Kind und Aprils Wohlergehen in Erfahrung bringen. Er lehnte den Kopf auf ihre Schulter, lauschte aufmerksam, bis ihn abermals die Müdigkeit übermannte. April tat es unheimlich gut, ihm endlich erzählen zu können, was sie in den letzten fünf Monaten verschwiegen hatte. Und sie war erleichtert, als er angefangen hatte, sie allerhand Dinge zu fragen. Da hatte sie gespürt, dass sie es gemeinsam schaffen würden, sie hatte völlig unbegründet Angst gehabt. Fireball sank immer tiefer an April hinab, bis sein Kopf leicht auf ihrem Bauch lag. Aufmerksam horchte er hinein, aber er konnte nichts hören. Nichts regte sich in Aprils gewölbten Bauch, ihr gemeinsames Kind schien zu schlafen. Schlaf. Der drohte auch Fireball jeden Augenblick zu übermannen. Vorsichtig sank er noch weiter hinab, auf ihren Schoß. Er hörte die Stimme seiner Freundin, die er so lange nur über Hypercom gehört hatte endlich wieder klar. Egal, wo sie gerade waren, bei April fühlte er sich zuhause. Ihre Stimme und ihre Berührungen ließen ihn alle Anspannung vergessen. Es zählte nur, dass sie bei ihm war. Sie war bei ihm, er spürte ihre Fingerspitzen noch, dann war er eingeschlafen. April kraulte ihm die Kopfhaut, als sein Kopf immer schwerer auf ihrem Schoß wurde, erstarb ihr Redefluss. War er doch tatsächlich eingeschlafen! Kopfschüttelnd bettete April ihren Liebsten in das Bett. Erst jetzt hatte sie gesehen, wie erschöpft Fireball gewesen war, sie hatte nicht einmal danach gefragt, wie er es zurück zu Jarred geschafft hatte. Eines allerdings stand fest, es musste eine ziemliche Tortur für den Piloten gewesen sein. April zog sachte die Bettdecke über den schlafenden Körper, so gut sie konnte, ohne ihn zu wecken. Sie hörte die tiefen, regelmäßigen Atemzüge des Japaners. Es ließ auch April ruhig werden. Glücklich, ihren Partner bei sich zu haben, zu wissen, dass ihre Zukunft eine gemeinsame war, machte April unendlich ruhig. Die Ärzte hatten bei der Visite nicht schlecht gestaunt, als sie einen männlichen Patienten bei ihrer Visite auf der gynäkologischen Station vorgefunden hatten. Der arme war so erschöpft gewesen, dass kein Weckversuch funktioniert hatte. Mitsamt dem Bett hatte man ihn in sein Zimmer zurück gebracht, April durfte ihn begleiten. Die junge Frau hatte alles gut überstanden und die Ärzte hatten sie entlassen wollen, doch keine zehn Pferde hätten sie von Fireball weg gebracht. Fireball verschlief den gesamten Tag, wurde nicht einmal wach, als Colt und Saber zu Besuch kamen. April hatte zwar immer wieder versucht, den Cowboy davon abzuhalten, den Piloten zu piesacken, aber er hatte nicht widerstehen können. Nur leider war Fireball so erschöpft, dass er nicht einmal zuckte, wenn Colt ihn anstupste. Da machte das Ärgern ja absolut keinen Spaß! Fast schon beleidigt ließ sich Colt auf der unteren Bettkante nieder und verfolgte aufmerksam das Gespräch, das Saber und April führten. April und Saber saßen auf den Besucherstühlen und unterhielten sich. Der Schotte hatte ihr kurz erzählt, welche Hebel Fireball am Vorabend noch in Bewegung gesetzt hatte, um sie sehen zu können. April neigte leicht den Kopf und hörte Saber aufmerksam zu. Bei der lebhaften Schilderung der Ereignisse schmunzelte sie immer wieder leicht. Ja, die Nachtschwester hatte ihr auch schon ähnliches erzählt. Das klang ganz und gar nach Fireball. Auch die Reaktion, als er ihren gewölbten Bauch gesehen hatte. Saber senkte den Blick, denn er wusste noch nicht, wie die Tatsachen nun wirklich angekommen waren. Vorsichtig formulierte er seine nächsten Worte: „Als er dich besucht hatte, war er völlig durch den Wind. Ganz eigenartig. Er ist von selbst noch in die Ambulanz gegangen, um sich ansehen zu lassen“, fast schon entschuldigend meinte er: „Wir haben nicht gedacht, dass sie ihn über Nacht dabehalten würden, sonst hätten wir uns um alles andere gekümmert.“ April lächelte Saber freundlich an: „Ich bin mir sicher, ihr habt euch auch so um alles weitere gekümmert.“ Ja, da hatte sie ihn wohl überführt. Als Saber an diesem Morgen bemerkt hatte, dass der Hitzkopf weder zu Ramrod noch in sein Quartier zurückgekommen war, hatte er die Initiative ergriffen und die wichtigsten Leute darüber informiert, dass Fireball am Leben war. Nicht zuletzt die Zeitungsartikel, die voll von dem Angriff gewesen waren, hatten ihm die Dringlichkeit nahe gelegt. Ein Telefonat mit Charles und ein zweites Frühstück mit König Jarred später hatte sich die gute Nachricht schon wie ein Lauffeuer verbreitet. Saber strich mit dem Finger an der Kante des Tischfurniers entlang, als er April wissen ließ: „Wir haben zumindest alle über den Stand der Dinge informiert“, er machte eine kurze Pause und wollte wissen: „Wie ist der Stand der Dinge bei euch?“ April lachte leise auf, Sabers Frage war so vorsichtig formuliert worden und sie hörte die Sorge darin deutlich heraus. Sie strich über ihren Bauch und ließ ihren Freund versonnen wissen: „Wir sind zumindest soweit, dass wir alle wissen, dass wir bald zu dritt sind. Fireball ist eingeschlafen, während ich ihm von den letzten Monaten erzählt habe. Wie es weitergeht, tja, das müssen wir erst noch genauer klären.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)