Contest Trouble von Auraya ================================================================================ Kapitel 27: Getrennt -------------------- Keine halbe Stunde hatte es gedauert, bis Glurak sie in Graphitport City abgesetzt und Maike Drew zu einem Arzt gebracht hatte. Es blieb keine Zeit für großartige Erklärungen, und der Arzt musste sich mit der Information begnügen, dass sein grünhaariger Patient von einem Gengar vergiftet worden war. "Sie haben ihn noch rechtzeitig hergebracht", beruhigte der ältere Mann sie. Die Sorge musste ihr ins Gesicht geschrieben stehen. "Ein paar Tage, und er wird sich wieder gut genug fühlen um zu laufen. Zwei Wochen etwa, bis alle Symptome abgeklungen sind und er wieder ganz der Alte ist." Maikes Blick fiel auf ihren Rivalen. Wie erwartet hatte er auf dem Flug das Bewusstsein verloren und die Koordinatorin war beinahe am Ende ihrer Kräfte. Doch das war es wert gewesen. Nun würde er sich schnell wieder erholen. Und er war hier sicher, wenn sie zurückging um ihrer beider Pokemon zu holen. Egal, was noch passieren würde, zumindest um ihn musste sie sich jetzt erstmal keine Sorgen mehr machen. "Darf ich mir Ihr Gesicht auch mal ansehen?", wollte der Arzt wissen und riss sie aus ihren Gedanken. Sie lächelte ihn dankbar an, schüttelte jedoch den Kopf. "Danke, aber ich muss dringend wieder los! Später sehr gerne." Sie hatte ihr Spiegelbild kurz gesehen, als sie das Krankenhaus betreten hatte, und sie war froh, dass es bei einem flüchtigen Blick geblieben war. Sie sah einfach furchtbar aus. Sie blickte noch ein letztes Mal zu Drew, dann machte sie sich auf den Weg. Vor dem Gebäude wartete Glurak wie abgemacht auf sie. Es sah ungeduldig aus - verständlich, wusste es doch, dass sein Trainer seine Hilfe brauchte. Flugs schwang Maike sich auf seinen Rücken und ehe sie sich versah befanden sie sich schon wieder auf dem Weg zu den Bewahrern. Die gesamte kurze Zeit, die sie in Graphitport verbracht hatte, hatte sie mit dem Gedanken gespielt, Officer Rocky anzurufen. Doch Keith hatte so viel für sie auf's Spiel gesetzt - jetzt Officer Rocky hinzuzuziehen kam einem Verrat gleich. Nein, sie hatte es ihm versprochen, und daran musste sie sich auch halten. Als Drew aufwachte, befand er sich in einem ihm völlig unbekannten Zimmer. In einem unbekannten Bett. Mit einem unbekannten Mann in weißem Kittel vor sich. Natürlich war er im ersten Moment vollkommen irritiert. "Wo bin ich, und wer sind Sie?", wollte er misstrauisch wissen und versuchte dabei, die Schmerzen zu ignorieren, welche seinen gesamten Körper in Beschlag nahmen. Es fühlte sich an, als würde Feuer durch seine Adern fließen. Und es fraß all seine Energie auf, nährte sich von ihr. "Ich bin der Arzt hier. Ihre Freundin hat Sie vor etwa einer Stunde hergebracht." Der Arzt bemerkte seine Versuche, sich aufzurichten, und legte ihm sanft aber bestimmt eine Hand auf die Schulter. "Bleiben Sie liegen. Sie waren schwer vergiftet. Ihr Körper braucht jetzt Zeit und Ruhe, um sich davon zu erholen und auch das letzte bisschen Gift in Ihren Adern zu neutralisieren." Drew blickte den Mann vor ihm aufmerksam an. "Meine... Freundin? Sie hatte langes... ich meine: kurzes braunes Haar und blaue Augen?" Der Arzt nickte lächelnd. "Sie ist noch mal fort gegangen, schien wichtig zu sein, aber bestimmt kommt sie Sie bald besuchen. Sie war wirklich sehr besorgt. Außerdem muss ich mir das Gesicht der jungen Dame mal genauer ansehen." Seine freundlichen braunen Augen musterten den Koordinator. "Aber nun zu Ihnen. Sie haben die nächsten Tage noch absolute Bettruhe. Es war wirklich knapp, wären Sie später hier angekommen, so hätte Ihr Körper wahrscheinlich bleibende Schäden davongetragen." "Ich kann nicht einfach hier rumliegen und mich ausruhen! Ich muss Maike helfen!", widersprach Drew und versuchte erneut, sich aufzurichten - vergeblich. Es lag nicht an den Händen des Doktors, welche dieser noch immer mit sanftem Druck auf seinen Patienten gelegt hatte. Nein, auch ohne dieses kaum nennenswerte Hindernis wäre es Drew nicht gelungen. Er hatte einfach keine Kraft. Der Arzt lächelte mitfühlend. "Seien Sie vernünftig. So können Sie niemandem helfen." Dann sah er sich verstohlen um und kam etwas näher. "Ich habe Officer Rocky noch nicht Bescheid gegeben, aber... ihr zwei wart bei dem Anschlag auf den Pokemon-Fanclub dabei, oder?" Drew sah ihn mit großen Augen an. Er hatte die Geschehnisse dieses Tages schon fast ausgeblendet, nach allem, was danach passiert war. Langsam nickte er. "Wusste ich es doch!", murmelte der Arzt. "Ihr passt auf die Beschreibung eines anderen Patienten." Ein herzliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Danke! Danke, dass ihr den Mut hattet, euch den Bewahrern entgegenzustellen. Meine Enkelin..." Er stockte und plötzlich erkannte Drew die Schmerzen und Sorgen hinter den freundlichen braunen Augen, welche sich nun mit Tränen füllten. "Entschuldige. Meine... meine Enkelin war gerade im Pokemon Fanclub, als es passierte." Drew stockte der Atem. Er selbst hatte gar nicht mitbekommen, was genau bei den Trümmern passiert war. Im Gegensatz zu Maike hatte er die leblose Hand, die daraus hervorgeragt hatte, nicht gesehen. Er hatte nicht wahrgenommen, wie schlimm das Gebäude tatsächlich zerstört worden war, da er zu beschäftigt damit gewesen war, gegen Tormund zu kämpfen. Doch entgegen seiner Hoffnung war das Gebäude nicht leer gewesen. "Ist sie...?" Er konnte die Frage nicht aussprechen, doch zu seiner Erleichterung schüttelte der Mann den Kopf. "Sie lebt, zum Glück. Und sie wird auch wieder auf die Beine kommen. Das wird allerdings noch eine ganze Weile dauern... aber worauf ich hinaus wollte: Wenn ihr irgendetwas braucht, egal was, so lasst es mich wissen! Die Bergung wäre nie so schnell gelungen, wenn ihr die Bewahrer nicht in Schach gehalten hättet.“ Drew nickte, auf den Lippen ein angedeutetes Lächeln. „Das war doch selbstverständlich. Ich danke Ihnen für das Angebot. Wie viele Verletzte gab es?“ „Vier aus dem Gebäude“, zählte der Arzt auf, „davon zwei schwer verletzt. Es sah am Anfang nicht gut für den Einen aus, aber mittlerweile ist er stabil. Ansonsten noch drei Weitere, die sich bei ihren Auseinandersetzungen mit den Bewahrern kleinere Verletzungen zugezogen haben.“ Drew atmete erleichtert aus. Es hätte schlimmer kommen können. Zumindest war niemand ums Leben gekommen. Seine Gedanken schweiften wieder zu Maike und zu den Geschehnissen im Hauptquartier der Bewahrer. Wie er sie kannte, hatte sie sich wieder kopflos in etwas richtig Blödes gestürzt, kaum, dass sie der verfahrenen Situation entkommen waren. Ihre Pokémon waren noch dort, deshalb hatte sie sich sicher wieder auf den Weg gemacht. Bestimmt fühlte sie sich außerdem Keith in irgendeiner Weise verpflichtet, weil er ihnen geholfen hatte. Und der Koordinator wusste mit ziemlich hoher Gewissheit, dass sie Officer Rocky nicht zu Rate gezogen hatte. „Bitte, melden Sie es jetzt an Officer Rocky“, bat Drew den Arzt, und dieser nickte. “Ich schicke Ihnen noch eine Schwester, die Ihnen ein paar Schmerzmittel geben wird.“ Mit diesen Worten verschwand der Mann aus dem Raum. Innerhalb der nächsten halben Stunde passierte dann so viel, dass von Ausruhen keine wirkliche Rede sein konnte. Kaum hatte die Schwester Drew mit Schmerzmitteln versorgt, da kam auch schon Officer Rocky in das Zimmer geeilt, gefolgt vom Doktor. Dieser beschwerte sich noch, dass sein Patient eigentlich Ruhe benötigte, doch Officer Rocky achtete nicht auf ihn und stellte dem Koordinator trotzdem ein paar Fragen. Besonders seine Informationen bezüglich des Hauptquartieres interessierten sie selbstverständlich brennend. Officer Rocky schien gerade fertig zu sein, da wurde die Tür unsanft aufgestoßen und mehrere Personen stürzten in den Raum. Es war Maikes Familie. Norman fackelte nicht lange und hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf. „Wo ist sie?“, wollte er barsch von Drew wissen. „Ich vermute, sie ist ins Hauptquartier zurückgekehrt“, antwortete Drew so gefasst wie möglich. „Bitte? Ist das dein Ernst? Und warum bist du hier?“ Der Arenaleiter betonte das letzte Wort ganz besonders und Drews Magen zog sich zusammen. Er sprach das aus, was auch der Koordinator selbst sich schon die ganze Zeit fragte. Warum war er hier, und nicht im Hauptquartier bei ihr? Warum hatte sie ihn retten müssen? Warum war nicht er derjenige, der sie beschützte? Stattdessen lag er hier, sicher in seinem Krankenbett, mit Medikamenten versorgt, während Maike womöglich in größter Gefahr war. „Es tut mir Leid“, sagte er geradeheraus und sah Maikes Vater fest in die Augen. „Nun hör aber auf“, mischte sich Caroline an Norman gewandt ein. „Gib ihm doch erst einmal die Chance, sich zu erklären.“ Aber Drew wollte gar nichts erklären. Er wollte sich nicht vor Maikes Eltern rechtfertigen müssen, denn er wusste, dass keine Erklärung diese gesamte Situation in irgendeiner Weise entschuldigen könnte. „Der junge Mann war bewusstlos, als er hier ankam, und schwer vergiftet“, übernahm der Arzt ungefragt Drews Part und erntete einen grimmigen Blick von Norman. „Er hätte Ihre Tochter nicht aufhalten können, er war dazu schlicht nicht in der Lage.“ „Und warum haben Sie sie nicht aufgehalten?“, fragte Norman aufgebracht. „Entschuldigen Sie, aber ich kann niemanden zwingen, sich behandeln zu lassen. Ich habe sie gebeten, wenigstens noch so lange hier zu bleiben, bis ich mir ihr Gesicht angesehen habe, aber-“ „Ihr Gesicht?“, meldete sich nun erstmals Max zu Wort. „Was ist mit ihrem Gesicht?“ Seine Stimme zitterte fast unmerklich, doch Drew entging es nicht. „...aber sie wollte nicht bleiben. Und dann stand die Versorgung dieses schwer vergifteten Patienten an erster Stelle“, überging der Arzt Max‘ Einwurf und deutete auf Drew. „Ihre Tochter hat eigenmächtig gehandelt. Suchen Sie dafür nicht irgendeinen anderen Schuldigen.“ Norman ballte seine Hände zu Fäusten und hatte es offensichtlich sehr schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren. Schließlich verließ er ohne ein weiteres Wort den Raum. Caroline sah Drew mit einem entschuldigenden Lächeln an. „Bitte nimm das nicht persönlich. Er ist bloß außer sich vor Sorge. Wir machen dir natürlich keinerlei Vorwurf.“ Max nickte zustimmend. „Wenn ich eines mit Sicherheit weiß, dann, dass du sie aufgehalten hättest, wenn du gekonnt hättest.“ Drew nickte den Beiden dankbar zu, auch wenn er insgeheim ganz Normans Meinung war. In den nachfolgenden Minuten musste er erneut alles was geschehen war erzählen, doch er umriss das Meiste nur grob. Mit jedem Wort, das seinen Mund verließ, fühlte er sich geschwächter. Und nach einer Weile kostete ihn das Sprechen so viel Kraft, dass er immer wieder innehalten und kurz durchatmen musste. „Das reicht jetzt“, meinte der Arzt entschieden, als Drew endlich geendet hatte. Dieser war froh, dass ihm weitere Fragen und Erklärungen erspart blieben. Caroline verarbeitete das Gehörte noch und ließ sich von dem alten Mann schweigend aus dem Raum geleiten. Max hingegen hielt noch einmal inne und drehte sich zu Drew um. „Ich hoffe, dass es dir schnell wieder besser geht“, sagte er und seine Stimme klang absolut aufrichtig. „Wir bleiben in der Nähe und warten auf Maike. Sag mir Bescheid wenn ich etwas für dich tun kann.“ Wenn er Drew in irgendeiner Weise hasste, so ließ er es sich zumindest nicht im Geringsten anmerken. Danach verschwand auch er. Drew atmete schwer aus und starrte an die Decke. Seine Augen brannten vor Müdigkeit und Erschöpfung und sein Kopf schien keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können. Die Vorstellung jetzt zu schlafen kam ihm allerdings so absurd vor, dass er sich mit allen Mitteln dagegen wehrte. Immerhin konnte es jeden Augenblick sein, dass Maike zurückkehrte. Er stellte sich vor, wie er ihr begegnen würde. Vor dem Krankenhaus, dort würde er warten. Maike würde von Keiths Glurak steigen, ihm mit einem triumphierenden Lächeln seine Pokémon überreichen und ihm aufgeregt erzählen, was noch geschehen war. Ihre Wangen wären beim Erzählen leicht gerötet vor lauter Anspannung, und in ihren saphirblauen Augen würde Abenteuerlust aufblitzen. Als könne sie es nicht erwarten, sich in die nächste große Gefahr zu begeben. So zumindest wäre es wohl früher gewesen, als sie noch jünger waren. Sorgloser. Als ihre größte Angst noch darin bestand, dass Team Rocket ihnen mal wieder gehörig auf die Nerven gehen würde. Oder dass sie den nächsten Wettbewerb nicht gewannen. In was für Augen würde er wohl stattdessen blicken, wenn er ihr das nächste Mal begegnete? Wollte er ihr überhaupt je wieder unter die Augen treten? Er lag noch eine Weile gedankenversunken da, starrte weiter stur an die Decke. Schließlich übermannte ihn die Müdigkeit doch und er fiel in einen unruhigen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)