Contest Trouble von Auraya ================================================================================ Kapitel 25: Leider keine Teenie-Romanze --------------------------------------- Seit einigen Minuten saß Maike auf dem Rücken eines Gluraks, Keith hinter sich. Für sie fühlte es sich an, als würden sie schon seit Stunden fliegen, und ihre Gedanken überschlugen sich unentwegt. Sie hätte sich selbst in regelmäßigen Abständen eine verpassen können, weil sie tatsächlich freiwillig mitgekommen war. Sie hätte jemandem Bescheid sagen müssen. Irgendjemandem. Darauf hätte sie bestehen müssen, auch wenn es Keith nicht gefallen hätte. Doch es hatte einfach zu viel auf dem Spiel gestanden, und die Zeit hatte nicht gereicht, um länger darüber nachzudenken und sich logischer und besonnener zu verhalten. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, nun musste sie damit zurecht kommen. Die ganze Zeit über hatte sie kein Wort mit Keith gewechselt. Es war ihr unangenehm, so nah bei ihm zu sitzen, seine Wärme an ihrem Rücken zu spüren. Zu tief war die Abscheu, die sie ihm gegenüber empfand. Dennoch wollte er ihr helfen. Wenn sie Erfolg hätten, dann würde sie eventuell noch einmal darüber nachdenken, ihre Meinung über ihn zu ändern. Wenn... Der Gedanke daran was passieren würde, wenn sie es nicht schaffen sollten, schnürte ihr die Kehle zu. Hin und wieder stahlen sich Tränen in ihre Augen, welche sie jedoch stets verbissen herunterschluckte. Ihr Schillok war in Graphitport City geblieben. Sie hatte sich nicht verabschiedet, ihm nicht Bescheid gesagt. Zu groß war die Gefahr, dass Officer Rocky in der Zeit den Ort des Geschehens erreicht hätte. Sicher war es schon ganz krank vor Sorge - doch immerhin war es in Sicherheit. Ganz im Gegensatz zum Rest ihrer Pokemon. Keith räusperte sich verlegen. "Es ist nicht mehr weit", informierte er sie, und sie reagierte mit einem stummen Nicken. "Dort vorne", fuhr er fort und zeigte auf ein paar Berggipfel, welche in der Ferne aus den Wolken ragten. Die Koordinatorin verengte die Augen. Sie war nicht sicher, wo in Hoenn sich solch ein Berg befand. Vielleicht war es aber auch eine Insel irgendwo im Meer. Nach kurzer Zeit landete Glurak schließlich auf einer kleinen Ebene des zerklüfteten Berges. Es sah alles ziemlich trostlos aus, hier wuchs bis auf ein paar magere, trockene Sträucher nichts. Überall waren nur graue Felswände. Hinter ihr stieg Keith von seinem Glurak hinab und hielt ihr dann die Hand hin, um ihr herunter zu helfen. Widerwillig griff sie danach. Sie merkte, dass sie kaum noch Kraft hatte, und ihre Beine zitterten gefährlich, als ihre Füße schließlich den Erdboden berührten. Der junge Mann sah sich aufmerksam um und zog sie dann hinter sich her zu einer Art Höhle. "Tut mir Leid", murmelte er, während ein paar Tropfen von seinen nassen Haaren fielen. "Du musst dich zu Tode frieren, nachdem wir so lange durch den Regen geflogen sind. Aber wir haben jetzt keine Zeit uns um dich zu kümmern." Sie nickte grimmig. "So schlimm ist es nicht. Wir haben Wichtigeres zu besprechen. Wie geht es jetzt weiter?" "Wir fliegen gleich noch ein kurzes Stück zum Eingang. Ab da bist du offiziell meine Gefangene - und musst dich auch so verhalten. Ich werde nicht nett zu dir sein können. Wir müssen die Anderen überzeugen." Maike senkte zustimmend den Kopf. "Sie werden dich wegsperren", fuhr er fort, "aber Tormund wird dich zeitnah sehen wollen. Spätestens Morgen, denke ich. Da ich ihm den Tipp mit euch gegeben habe, wird mir sicher die Aufgabe zufallen, dich zu holen. Also werde ich vorher versuchen, deine Pokemon unbemerkt in die Finger zu kriegen. Mein Kecleon wird mir dabei helfen." "Verstanden. Und dann?" "Dann kommt der schwierige Part. Wir werden nicht allein mit Tormund sein. Hier ist das Hauptquartier, er ist von Unmengen an Handlangern umgeben. Aber wir kommen nicht drum herum, gegen ihn zu kämpfen. Das wird richtig hart und unser einziger Vorteil ist, dass er nicht damit rechnet, dass wir ihn gemeinsam angreifen. Er wird sich sicher fühlen und wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Das heißt, du musst mit deinen Pokemon von der ersten Sekunde an alles geben! Konzentriere du dich dabei auf Tormund, ich versuche, dir währenddessen seine Handlanger vom Hals zu halten." Maike seufzte. "Das klingt alles nicht sehr ausgeklügelt." "Ist es auch nicht", gab Keith leise zu. "Aber ich hatte auch keine Zeit, etwas Besseres zu planen. Für Vorschläge bin ich offen." Nachdenklich legte die Koordinatorin den Kopf schief. Drew hatte es nicht geschafft, mit all seinen Pokemon gegen Tormund anzukommen. Doch gemeinsam mit Ash hätte er ihn besiegt. Beide waren aber auch enorm starke Trainer. Sie selbst war zwar nicht schwach, konnte sich, die Stärke betreffend, aber bei Weitem nicht mit ihnen messen. Mit anderen Worten war dieser Plan im Grunde genommen zum Scheitern verurteilt. Aber welche Alternativen gab es? "Wenn ich... Ash anrufe", überlegte sie laut, doch Keith schnitt ihr sogleich das Wort ab. "Ash ist nicht in der Nähe. Und selbst wenn er es wäre, würde er etwas brauchen, bis er das Versteck findet. Und wenn er es dann gefunden hätte wäre Tormund verschwunden, sobald er auch nur die ersten Wachen angegriffen hätte." Die Koordinatorin fluchte ungehalten. Damit wäre auch jeder weitere Mensch, den sie hätte vorschlagen können, aus dem Rennen. "Dann haben wir offensichtlich keine Wahl. Aber was passiert mit uns, wenn es nicht funktioniert?" "Das weißt du", erwiderte Keith mit einem gequälten Grinsen. "Dich wollten sie eh los werden und ich bin ein Verräter." "Und du bist bereit so viel für uns zu riskieren?", fragte sie erstaunt. "Ich tue das eher für mich selbst", antwortete er mit einem Schulterzucken. "Die Frage ist: Bist du bereit es zu riskieren?" "Natürlich!", rief sie augenblicklich aus und er lächelte zufrieden. "Gut, dann lass uns endlich los legen, sonst wird meine lange Abwesenheit auffallen." Keith und Maike kamen problemlos an den ersten Wachen vorbei. Sie betraten eine Art Höhlensystem, welches überwiegend von merkwürdig lumineszierenden Pilzen beleuchtet wurde. Diese tauchten alles in ein bläuliches, kaltes Licht. Man durchsuchte sie auf weitere Pokebälle und ihr wurde das Messer abgenommen, welches sie noch in ihrem Gürtel stecken hatte. Dann führte ein fremder Bewahrer sie in eine Zelle. Keith war damit ihrem Blick entschwunden und sie konnte lediglich hoffen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Im Vergleich zu ihrer letzten Zelle gefiel ihr die jetzige wesentlich besser. Sie war nicht bequemer, nicht einladender, aber sie war bei Weitem nicht so grell beleuchtet und hatte einen leicht erdigen Geruch. Eine Weile lief sie noch ruhelos durch den kleinen Raum, machte sich über alle möglichen Szenarien den Kopf, bis sie sich schließlich seufzend auf die Pritsche fallen ließ. "Ich muss mich ausruhen", murmelte sie an sich selbst gerichtet. Das wäre das Sinnvollste. Sie brauchte jedoch noch eine ganze Weile, bis sie schließlich in einen traumlosen, unruhigen Schlaf fiel. Ein unsanfter Ruck riss sie jäh aus dem Schlaf. Jemand hatte sie am Kragen gepackt und zerrte sie nach oben, und vor ihren Augen erschien die Maske eines Bewahrers. Er kniete auf der Pritsche über ihr und ihre Gedanken überschlugen sich. War es Keith? "Na, kleines Miststück, erkennst du mich?", fragte der Mann amüsiert und Maike gefror bei dem Tonfall das Blut in den Adern. Das war nicht Keiths Stimme. "N-Nein", brachte sie erstickt hervor und versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien. "Dann will ich dir mal auf die Sprünge helfen", sagte er und zog sich die Maske vom Gesicht. Die Koordinatorin kannte dieses Gesicht nicht, noch nie zuvor hatte sie es gesehen. Doch sie wusste trotzdem sofort, wer er war. Die Hand, mit der er sich zuvor auf der Pritsche abgestützt hatte, und welche er dann genutzt hatte, um seine Maske abzuziehen, war verbunden. Es fehlte offenbar ein Finger, und ein weiterer schien zur Hälfte weg zu sein. Panik schnürte der jungen Frau die Kehle zu und der Mann leckte sich über die Lippen. "An deiner Stelle würde ich jetzt ganz still sein und mich nicht wehren", säuselte er und beugte sich weiter über sie, bis sein Gesicht ganz knapp vor ihrem war. Die Koordinatorin riss die Augen auf und versuchte den Kopf abzuwenden, bis er ihren Kragen schließlich losließ und sie mit seiner verletzten Hand nach unten drückte. Mit der gesunden werkelte er nun an den Knöpfen ihres Kleides herum und sie konnte den Irrsinn in seinen Augen aufblitzen sehen. Die Panik hatte sie kurz gelähmt, doch in dem Moment, als sie fühlte wie die Knöpfe geöffnet wurden, gehorchten ihre Gliedmaßen ihr wieder und sie begann, sich bis aufs Äußerste zu verteidigen. Sie brauchte nicht ansatzweise darüber nachdenken um zu wissen, was er mit ihr vor hatte, und sie würde nicht einfach liegen bleiben und es über sich ergehen lassen. Reflexartig packte sie nach seiner verletzten Hand, die ihre Schulter nach unten drückte, und presste mit aller Kraft auf die zwei fehlenden Finger. Der Bewahrer jaulte vor Schmerzen auf und ließ kurz von ihr ab, woraufhin sie versuchte, ihn von sich runter zu stoßen. Doch er war zu schwer - oder sie noch immer zu geschwächt. Vezweifelt hämmerte sie mit ihren Fäusten auf ihn ein, doch er gab sich davon unbeeindruckt. Der Mann knurrte wütend, holte mit der gesunden Hand aus und schlug ihr ins Gesicht. Maike nahm für einen Moment alles bloß noch verschwommen war und schmeckte Blut. "Ich habe dir gesagt, dass du dich nicht wehren sollst!", brüllte er sie an. "Du kleine Schl-" "Theodor!", erklang es plötzlich barsch von der Tür. Maike atmete auf. Das war Keith! Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich mal darüber freuen würde, seine Stimme zu hören. "Lass das Mädchen los", fuhr ihr heimlicher Komplize mit tadelnder Stimme fort. "Tormund wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt, was du hier tust." Theodor schnaubte kurz verächtlich. "Als ob das einen Unterschied machen würde. Sie wird's doch eh nicht mehr lange machen. Und das kleine Miststück hat mich zwei meiner Finger gekostet!" Keith zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. "Anderthalb. Mir kann es im Grunde ja egal sein. Aber wir wissen Beide, dass wir nicht ohne ausdrücklichen Befehl Hand an die Gefangenen legen sollen. Dein Risiko. Du wirst schon genug Ärger kriegen, wenn er ihr Gesicht sieht." Er verließ die Zelle und Maike blickte ihm mit weit aufgerissenen Augen hinterher. Das war es schon? Wollte er ihr nicht etwas mehr helfen? Ließ er sie jetzt echt wieder allein? Seine Worte hatten offenbar trotzdem Wirkung gezeigt und mit einem wütenden Knurren stieg der Bewahrer von der Pritsche. "Sei froh, dass der Idiot so ein gutes Timing hatte", sprach er und sah sie feindselig an. "Du wirst deinen Preis trotzdem noch bezahlen, so oder so." Es war offensichtlich, dass er schwer enttäuscht war. Sein Plan war nicht aufgegangen und Keith hatte ihm gerade noch rechtzeitig etwas Vernunft eingebläut. Sein Respekt vor Tormund war eindeutig größer als sein Verlangen nach Rache. Maike schlang die Arme um sich, kauerte sich in die Ecke, in der die Pritsche stand, und wartete, bis Theodor kurz darauf den Raum verließ. Erst da konnte sie wieder richtig atmen. Sie begann am gesamten Körper zu zittern und hatte enorme Schwierigkeiten, ihre Knöpfe mit bebenden Händen wieder zu schließen. Es dauerte noch einige Minuten, bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie sich traute aufzustehen. Beinahe wäre ihr schlimmster Alptraum wahr geworden - doch sie musste mit aller Macht versuchen, jetzt einen kühlen Kopf zu bewahren. Keith war bestimmt nicht umsonst in der Nähe gewesen. Hatte er die Gelegenheit möglicherweise genutzt und ihre Pokemon vorbei gebracht? Noch immer am ganzen Leib zitternd tastete sie die Wand an der Tür nach irgendwelchen Einkerbungen oder möglichen Verstecken ab. Damit beschäftigte sie sich eine ganze Weile, bis sie kurz davor war enttäuscht aufzugeben. In dem Moment ertastete sie in der unebenen Höhlenwand einen kleinen runden Gegenstand. Sie stieß einen erfreuten Laut aus und fischte ihn vorsichtig mit ihren Händen heraus. Wie erwartet, ein Pokeball. Darin befand sich ihr Luxio, das offensichtlich von Keith geheilt worden war. Sie erinnerte sich daran, wie sie es zuletzt kampfunfähig in Graphitport City hatte liegen sehen. Mit Tränen in den Augen schloss sie ihr Pokemon in die Arme. "Luxio, geht es dir gut?", fragte sie mit erstickter Stimme, und das Pokemon nickte müde, nachdem seine Trainerin es losgelassen hatte. Aber warum war es bloß eines? Wie sollte das funktionieren? Sie könnte nicht nur mit Luxio gegen Tormund kämpfen. Damit wäre das ganze Unterfangen noch mehr zum Scheitern verurteilt als sowieso schon. "Luxio, hilf mir suchen, ob noch weitere Pokebälle hier versteckt sind", bat sie das Elektropokemon, und gemeinsam suchten sie erneut die Wand am Eingang ab. Vergeblich. Luxio blieb allein. Vor der Tür hörte sie Schritte und rief das Elektropokemon daher schnell wieder zurück. Ihre leere Gürteltasche hatten sie ihr gelassen, daher steckte sie den Pokeball dort hinein, in der Hoffnung, dass sie sie nicht erneut durchsuchen würden. Die Tür öffnete sich und ein fremdes Mitglied der Bewahrer betrat die Zelle. "Mitkommen", befahl er monoton und zerrte sie unsanft aus dem Raum. Doch Maike wehrte sich nicht dagegen und ließ sich einfach mitziehen. Innerlich schossen ihr wieder tausend Gedanken durch den Kopf. Eigentlich hatte Keith doch gesagt, dass er sie holen würde. Wo war er also? Wie würden sie ihren kläglichen Plan jetzt ausführen? Zumindest kontrollierte der Typ nicht noch einmal ihre Gürteltasche. Sie liefen durch eine Menge verzweigter Gänge, während ihnen das blaue Licht der Pilze den Weg leuchtete. Schon nach kürzester Zeit hatte Maike komplett die Orientierung verloren. Alleine würde sie hier nie wieder heraus finden. Schließlich kamen sie zu einer größeren Tür, welche geöffnet wurde. Eine schier unendlich wirkende Anzahl an Augenpaaren blickte ihr aus weißen Masken entgegen. Maikes Herz setzte einen Schlag aus, am liebsten hätte sie sich auf dem Absatz umgedreht und hätte irgendwie versucht wegzurennen. Doch ihr war bewusst, dass das keinen Zweck hätte. Sie drückte ihren Rücken gerade und lief zwischen all den Gestalten hindurch, bis sie vor Tormund ankam, der auf einem steinernen Thron saß. Noch immer hielt der Bewahrer, der sie aus der Zelle geholt hatte, ihren Arm fest. So fest, dass es wehtat, doch es kümmerte sie kaum. Hasserfüllt blickte sie in die eisblauen Augen des Mannes vor ihr. Die schwarzen langen Haare umspielten sein kantiges, maskulines Gesicht und er grinste sie wie üblich süffisant an. Schon damals im Versteck bei Deranus City hatte er sehr eindrucksvoll gewirkt. Die Halle dort, komplett in Weiß, hatte einen starken Kontrast zu ihm selbst gegeben. Doch auch hier, umgeben von all den erdigen Tönen und bläulich leuchtenden Pilzen, wirkte er nicht minder beeindruckend. "Meine liebe Maike, wie schön, dass ich dich hier begrüßen darf", sprach er sie schließlich an. "Ich bin wirklich, wirklich froh, dass du da bist. Ohne dich würde ich bei den kommenden Ereignissen nur halb so viel Spaß haben. Holt bitte jemand unseren grünhaarigen Freund herein?" Maike schwieg und beobachtete angespannt, wie sich hinter Tormunds Thron eine weitere Tür öffnete. Drew würde die Halle somit quasi vom anderen Ende betreten. Nicht, dass das von Belang wäre, doch aus irgendwelchen Gründen bemerkte sie es einfach. Es war Keith, der Drew hereinführte, doch bedachte der Bewahrer sie keines Blickes. Auch Drew beachtete sie anfänglich nicht, hatte den Blick nur auf den Boden gesenkt. Doch als er ihn schließlich hob und sie somit direkt im Blickfeld stand, blieb er abrupt stehen. Bloßes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Offensichtlich hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass Maike auch hier war. Sicher hatte er gehofft, dass sie den Bewahrern in Graphitport City irgendwie hatte entkommen können. "Maike...", flüsterte er fassungslos, bis Keith ihn schließlich weiter vorwärts schob und somit aus seiner Starre riss. Mit einem Ruck riss er sich aus Keiths Griff und überwand die letzten paar Meter bis zu ihr. Seine Hände waren zusammengebunden, doch er griff sanft nach ihrem Arm. "Geht es dir gut?", wollte er wissen, auch wenn es eine unnötige Frage war. Die Koordinatorin lächelte gequält und nickte. "Alles in Ordnung", log sie und kämpfte mit den Tränen. "Und bei dir?" "Alles gut", murmelte er und lehnte seine Stirn an ihre. "Verdammt..." Maike genoss diesen kurzen Moment. Seine Wärme, seine Nähe, seine bloße Anwesenheit spendete ihr Trost - und nicht zuletzt Mut. Für ihn war sie hier. Sie wollte ihn retten. Sie musste. Auch wenn mittlerweile viel mehr auf dem Spiel stand, so war das doch ihre oberste Priorität. Keith riss ihn von ihr weg und nun sahen sie sich Beide wieder mit Tormund konfrontiert. "Wie rührend", schwärmte der schwarzhaarige Mann, "und so herzerwärmend! Besser als jeder Kinofilm, wenn man so etwas live erleben kann! Schade nur, dass das ein Drama wird, und kein romantischer Teenie-Film mit Happy End." Die Koordinatorin verkniff es sich, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie mit ihren zwanzig Jahren nicht mehr wirklich Teenager waren. Er beugte sich vor und sah Maike aufmerksam an. "Sag, Mädchen, was ist mit deinem Gesicht passiert? Und mit deinen schönen Haaren?", wollte er wissen. Sie schwieg, und ein paar Sekunden starrten sie einander nur an. "Nagut. Wer von euch ist dafür verantwortlich?", knurrte er nach einer Weile und im gesamten Raum herrschte betretenes Schweigen. Schließlich trat jemand hervor. "Ich fürchte das war mein Fehler", sprach Theodor und nahm seine Maske ab. Tormund winkte ihn zu sich heran und der Bewahrer zögerte keine Sekunde. Offenbar war er bereit sich seine Strafe abzuholen, worin auch immer sie bestehen mochte. "Theo, mein Freund, du weißt doch ganz genau, dass du so etwas nicht tun sollst", tadelte Tormund ihn. Es klang beinahe scherzhaft, doch entging keinem der eisige Unterton. Offenkundig war er wirklich mehr als verärgert darüber, auch wenn Maike keinerlei Verständnis dafür hatte. "Es tut mir wirklich Leid, Herr. Ihre Haare hat sie sich selbst abgeschnitten, als ich sie daran fest gehalten habe." "Nun gut", brummelte Tormund, "dann werde ich dir das verzeihen. Und ihr Gesicht?" "Da habe ich mich bloß verteidigt", berichtete er. "Als ich in ihre Zelle ging, um ihr etwas zu Essen zu bringen, hat sie mich angegriffen. Ich wollte nicht so hart zuschlagen. Es war ein Reflex." Maike stieß ein freudloses Lachen aus. Mit hochgezogener Augenbraue sah Tormund sie an. "Du hast etwas einzuwenden, wie mir scheint?", wollte er wissen. Die Koordinatorin warf Theodor einen vernichtenden Blick zu, während sie antwortete. "Würdest du mir denn glauben? Ich schätze nicht." "Versuch es doch." "Er hat sich nicht gewehrt. Ich habe mich gewehrt." "Blödsinn!", brauste Theodor auf. Tormund seufzte und fragte: "Wogegen hast du dich denn gewehrt? Dagegen, dass er dir Essen gebracht hat?" "Nein!", protestierte sie. "Er hatte nicht einmal Essen dabei! Er wollte... er..." Sie stockte. Aus irgendwelchen Gründen konnte sie es nicht in Worte fassen. Es wollte ihr einfach nicht über die Lippen gehen. "Lügnerin!", beschuldigte Theodor sie nun und warf ihr noch einige Schimpfwörter an den Kopf, bis schließlich Keith sich einmischte. "Meister Tormund, ich möchte ungern Partei für einen Gefangenen ergreifen, aber ich finde, Ihr solltet es wissen, wenn ein Lügner unter euren Mitgliedern ist." Theodor stockte und sah den jungen Mann entsetzt an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich gegen ihn wenden würde. "Dann erzähl mir bitte, was du weißt", forderte Tormund sichtlich genervt. Ihm war diese ganze Situation lästig. Keith nickte. "Als ich an ihrer Zelle vorbei ging habe ich merkwürdige Geräusche gehört. Also bin ich hinein um nachzusehen. Er war gerade im Begriff, sie mit Gewalt zu entkleiden. Meiner Einschätzung nach war er nicht in der Position, sich verteidigen zu müssen." Es dauerte nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde - es ging so schnell, dass Maike es fast nicht gesehen hätte - und Drew hatte sich wieder losgerissen und stürzte sich auf Theodor. Auch der war im ersten Moment so überrascht, dass er nicht auf die Schläge des Koordinators reagieren konnte, doch kam er früh genug wieder zur Besinnung um sich zu wehren. Immerhin war es ein mehr oder weniger ausgeglichener Kampf - Drew mit zusammengebundenen Händen und Theodor einhändig. Tormund erhob sich von seinem Thron und trennte die Beiden, ohne dass es ihn auch nur ansatzweise anzustrengen schien. Drew stieß er zurück zu Keith, welcher ordentlich zu tun hatte um den rasenden Koordinator festzuhalten. Seinen Untergebenen packte er so am Kragen, dass er mit den Füßen ein paar Milimeter über dem Boden strampelte. "Stimmt das?", knurrte er und Theodor schüttelte wehement den Kopf. "Nein, er lügt! Sie lügen Beide! Die haben sich verschworen! Sowas würde ich nie tun!" "Bist du dir da ganz sicher? Das ist die letzte Chance, deine Meinung zu ändern." Theodor schnappte sichtlich nach Luft und blickte seinen Meister mit großen Augen an. Er rang noch kurz mit sich, bis er schließlich doch klein beigab. "Ich... ich... es tut mir Leid, ich... ich wollte doch nur... sie hat mich zwei meiner Finger gekostet! Da ist es doch nur fair wenn-" Er kam mit seinem Geständnis nicht weiter. Prompt befand er sich mit seinen Füßen wieder auf dem Boden, doch nicht lange, denn keinen Augenblick später durfte er Tormunds Faust in seinem Gesicht begrüßen. Er fiel um wie ein Brett. "Schafft ihn mir aus den Augen", befahl Tormund erbost und sofort machten sich zwei Bewahrer daran, den bewusstlosen Theodor aus dem Raum zu hieven. Offensichtlich hatte der riesige schwarzhaarige Kerl auch noch einen ganz schön harten Schlag drauf. Maike hatte die ganze Szene nur mit großen Augen beobachtet und war sich unsicher, was sie davon halten sollte. "Versteh mich nicht falsch", sagte Tormund nun zu ihr, nachdem ihm ihr irritierter Gesichtsausdruck aufgefallen war, "im Grunde ist es mir egal, was sie mit dir machen, nur möchte ich davon vorher in Kenntnis gesetzt werden. Hier hat niemand etwas derartiges einfach auf eigene Faust zu entscheiden. Und sie sollten dich diesmal bloß nicht verunstalten. Ich meine, sieh dich doch mal an! Das gibt diesem schönen Drama hier einen ganz bitteren Beigeschmack, wenn ausgerechnet der weibliche Hauptdarsteller so furchtbar herumläuft." Dann ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. "Und was noch schlimmer ist: Theodor hat mir mitten ins Gesicht gelogen. So etwas dulde ich nicht von meinen Mitgliedern." Er ließ sich mit einem tiefen Seufzen wieder auf seinen Thron sinken. "So, hätten wir das endlich auch geklärt." Er nickte Keith anerkennend zu. "Danke, dass du die Wahrheit ans Licht gebracht hast. Und nun lasst uns fortfahren." Maike sah zu Drew, welcher den Blick auf den Boden gewandt hatte. Es hatte ihn sehr mitgenommen, was er soeben gehört hatte, und er fühlte sich schuldig. Auch wenn er wusste, dass er nichts hätte tun können in diesem Moment, so wusste er doch auch, dass Maike nur seinetwegen hier war. "Ich habe eine Weile überlegt, was ein gebührender Abgang für euch wäre", plauderte Tormund währenddessen. "Spektakulär soll es sein, ich finde, das habt ihr verdient!" Er erhob sich und lief rastlos hin und her. "Aber ich kann mich einfach nicht entscheiden. Also lasse ich euch die Wahl! Ich bin ja ein gnädiger Mensch!" Er rief Leonas zu sich, welcher ihm dann zwei Gegenstände überreichte. Es waren ein Wasserstein und ein Finsterstein. "Ihr könnt wählen. Wer sich für den Wasserstein entscheidet, hat den etwas gnädigeren Tod - er stürzt sich dann von der Klippe ins Meer. Oder wird gestürzt. Je nachdem. Der Finsterstein steht symbolisch für den etwas... nunja, finstereren Tod. Wer ihn wählt, wird die Ehre haben, bis zum bitteren Ende gegen mein Gengar zu kämpfen." Er grinste die Koordinatoren begeistert an. "Beides wird richtig super werden! Einer kämpft bis zum Tod, und der, der Übrig bleibt, stürzt sich von einer Klippe, weil er ohne den Anderen nicht leben kann. Echt romantisch, oder nicht?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)