[EN]counters von Alaiya ([1219AK2016]) ================================================================================ [DIE STADT – 2088] ------------------ Manchmal war es schon erstaunlich, wie ruhig es im Shahara sein konnte. Das fiel Ivory auf, während sie an der Bar saß und auf ihr Getränk sah, sich ausnahmsweise wünschend, es würde Alkohol beinhalten. Zwar hörte man leise Gespräche, Rascheln und das Rücken von Stühlen – und natürlich auch das Plätschern von Wasser. Dennoch: Es waren so viele Menschen hier, dass man glauben sollte, dass es lauter wäre. Ivory nippte etwas an ihrem Getränk. Wie jedes Jahr war ein wenig möglichst neutraler weihnachtlicher Schmuck an der Bar angebracht. Dieses Jahr waren es weiße Kunst-Tannenzweige mit wenigen Verzierungen, sowie ein ganzer weißer Plastikbaum mit einer Lichterkette an einem Ende der Bar. Sie wünschte sich so sehr daheim zu sein. Bei ihrer Mutter. Doch noch immer konnte sie nicht zurück. Wahrscheinlich würde sie nie nach Hause zurückkehren können. Es war einfach zu gefährlich. Wahrscheinlich dachte ihre Mutter ohnehin, sie wäre tot. So lange hatte sie nicht mehr mit jemanden aus ihrer Heimat geredet. Seit sie die UF verlassen hatte und nun … Sie machte sich Vorwürfe, auch wenn sie wusste, dass sie nichts hätte anders machen können. Sie hatte ihre Eltern beschützt, indem sie nicht zurückgekehrt war. Wieder nippte sie an dem nichtalkoholischen Cocktail, der vor allem süß schmeckte, nach Beeren. Vielleicht sollte sie es für heute sein lassen und in eine Bar gehen. Ihr war danach, sich zu betrinken. Sie seufzte, leerte ihr Glas und sah sich um. Sie achtete nie zu sehr auf die Leute in ihrer Umgebung – jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie sich wirklich dafür interessierte, was sie taten. Natürlich war sie vorsichtig, vor allem nach ihrem Zusammenstoß mit David vor zwei Jahren, doch war sie sich relativ sicher, dass mitten im Shahara sie niemand angreifen würde. David war ihre eigene Schuld gewesen. Sie war unvorsichtig gewesen, hatte sich von ihm um den Finger wickeln lassen. Es hatte dafür gesorgt, dass sie vorsichtiger geworden war, mit wem sie ihre Nächte verbrachte – was jedoch nicht bedeutete, dass sie diese Angewohnheit abgelegt hatte. Die meisten Leute hier kümmerten sich genau so wenig um sie, wie sie sich um sie. Wie immer gab es ein paar die starrten, zumeist die, die nicht so oft hierher kamen und an den Anblick von En nicht gewöhnt waren. Mit einem weiteren Seufzen nahm sie ihre Sachen aus einem Regal und ging zur Dusche, um sich noch einmal ordentlich zu waschen. Ihr Haar war noch kürzer, als vor zwei Jahren. Es war nicht nur in ihrem „Job“ praktischer, sondern hatte auch den angenehmen Nebeneffekt, dass niemand es zu leicht greifen konnte. Manchmal dachte sie darüber nach, ihre Narben nachträglich behandeln zu lassen. Mittlerweile waren es zu viele. Zwei Jahre im Krieg und vier Jahre als Söldnerin hatten ihre Spuren hinterlassen – und sie war noch glücklich gewesen, da sie immerhin keine Gliedmaßen verloren hatte. Dennoch: Die Narben waren auffällig, selbst wenn wenig Leute darauf zu achten schienen – jedenfalls in DER STADT, wo so viele Narben von Krieg und Kriminalität davon getragen hatten. Doch würde sie jemals von hier fortgehen … Manchmal dachte sie daran aufzuhören. Doch was blieb ihr anderes zu tun, so lang sie nicht nach Hause zurückkehren konnte? Und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, wusste sie auch, dass sie niemals Chemikerin werden würde. Manchmal, wenn sie hier war, beneidete sie die anderen Menschen, auch wenn sie wusste, dass es nicht komplett fair war. Viele von ihnen hatten ebenso wenig eine Wahl gehabt – vielleicht noch weniger als sie, die sie immerhin gewählt hatte, den Dienst bei den UF nach zwei Jahren zu verweigern. Dennoch: Sie war hier, ohne es für sich entschieden zu haben. Ivory schloss die Augen und lenkte ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart. Sie stand unter der Dusche und war eigentlich dabei ihre Haare kurz zu waschen. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass es schlimmer wurde. Sie wurde nachdenklicher und sie mochte es nicht. Sie wollte diese Gedanken nicht haben. Mit Mühe konzentrierte sie sich darauf, sich sehr bewusst zu waschen. Die Duschen waren einzelne Kabinen, voneinander mit milchigem Glas abgegrenzt, durch das weiches, gelbes Licht leuchtete. Auch die Kacheln, die Boden und Wand bedeckten waren weiß oder blass gelb und so beleuchtet, dass es edel wirkte. Als sie das Wasser abstellte, holte sie tief Luft, ehe sie die kleine Kabine verließ. Draußen waren Sitzplätze vor Spiegeln mit Föhnen, die in eine Art Theke vor den Spiegeln eingelassen waren, doch Ivory brauchte sich nicht zu föhnen – immerhin waren die Winter in DER STADT noch immer mild und die kurzen Haare trockneten schnell. So trocknete sie sich nur ab, band sich ihr Handtuch um die Brust, ehe sie sich noch einmal im Spiegel betrachtete. Sie war noch immer kaum gealtert. Die größte Veränderungen an ihr, gegenüber der Zeit vor sechs Jahren, als sie in DIE STADT gekommen war, waren ihre Haare und die Narben auf ihrer Haut. Das und ihre Augen, die stumpfer wirkten als damals. Doch daran erinnerte sie sich kaum. Eine halbe Stunde später fand sie sich in einem Plex drei Blöcke vom Centix entfernt wieder. Hier gab es eine recht gut besuchte Bar – natürlich, wie alles im Viertel, vorrangig von den erfolgreichen Bewohnern DER STADT besucht – in der sie sich auch vorher schon das ein oder andere Mal betrunken hatte. Das Velvet war, wie das Shahara, modern und edel eingerichtet. Es war im 32sten Stockwerk gelegen. Der Boden war mit schwarzen Glasfliesen belegt, in die kleine Lichter eingelassen waren. Die Decke war aufwändig verziert, mit versteckt eingelassenen violetten Lampen. Auch an den Wänden waren hinter Metalldekoration verborgene violette und blaue Neonröhren angebracht. Sie hatte Whiskey bestellt, auch wenn dieser hier zu teuer war, um sich damit zu betrinken – nicht das sie es nicht hätte dennoch tun können. Allerdings hatte sie beschlossen, dass es zu schade wäre, den Whiskey zu trinken, wenn sie schon angetrunken war. Sie saß am Rand der L-förmigen Bartheke, direkt neben dem Fenster, so dass sie noch immer hinaus sehen konnte. Unten war ein kleiner Park, der auch um diese Zeit noch von Lampen erleuchtet war. Wie sehr wünschte sie sich, noch einmal mit ihrem Vater reden zu können. Ob er geglaubt hatte, dass sie tot war? Ivory hasste den Gedanken daran. Sie hatte es doch nicht gewollt. Sie hatte nichts davon gewollt. Sie seufzte und leerte den Whiskey, ehe sie sich einen Cocktail bestellte. Während sie trank wanderten ihre Augen durch die Bar. An den Tischen hier saßen die meisten Leuten in Paaren oder kleinen Gruppen. Sie fragte sich, wie viele der Paare nur Freunde waren, wer datete, wer nur ein kurzzeitiges Interesse hatte und wer andere Ziele verfolgte. Vielleicht trafen sich einige beruflich hier. Über die anderen Menschen nachzudenken lenkte sie, zumindest für einen Moment, von ihren eigenen Problemen ab. Natürlich waren einige andere – vor allem von denen, die an der Theke saßen, offenkundig alleine hier. Sie sah zumindest zwei die ähnlich miserabel aussahen, wie sie sich fühlte. Für eine Weile rührte sie mit dem Strohhalm in den bläulich leuchtenden Cocktail, ehe sie ihn relativ zügig austrank. Einer der Nachteile einer recht hohen Toleranz gegen Toxine, wie sie für En typisch war, war, dass sie auch länger brauchte, betrunken zu werden. Jemand setzte sich auf den Stuhl neben sie. Sie sah auf. Immerhin war es unüblich sich in einer nur halb gefüllten Bar neben jemanden zu setzen, sofern man diesen jemand nicht kannte oder flirten wollte. Tatsächlich stellte der jemand einen weiteren Cocktail vor sie. „Du siehst aus, als wolltest du dich betrinken“, meinte die Frau, die nun neben ihr saß. Ivory warf ihr einen Blick zu, eine Augenbraue hochgezogen. „Das trifft sich gut“, fuhr die Frau fort. „Ist nämlich auch mein Plan.“ Sie klang frustriert, als würde sie unterdrückte Wut in sich tragen. „Du bist allein?“, fragte Ivory. „Du auch, oder?“ Die Frau zog nun selbst die Augenbraue hoch und lächelte. Sie hatte blasse Haut und schwarze, leicht gelockte Haare. Ihre Augen waren mandelförmig, doch etwas anderes war wirklich auffällig an ihnen: Sie waren gelb – beinahe golden. Nicht dasselbe helle Grün-gelb, wie es für En typisch war, sondern ein echtes Gelbgold. Eine Mutantin? Hier? Fraglos, es gab nun „Frieden“ – zumindest offiziell – doch die meisten Menschen mieden Mutanten weiterhin. Der Krieg war einfach nicht lang genug her. „Ja, und?“, erwiderte die Frau und hob ihr Glas. Anstatt mit dem Strohhalm zu trinken, trank sie direkt aus dem Glas. Als Ivory, die zugegebener Maßen noch immer überrascht war, sie nur ansah, seufzte die Frau und wirkte etwas genervt. „Willst du nicht trinken?“, fragte sie. „Ich …“ Ivory zögerte für einen Moment. „Wer bist du?“ „Mein Name Hozuka“, sagte die Frau, wobei sie den Namen Hos-ka aussprach. Dann seufzte sie noch einmal, dieses mal eher bedaueunnötiger Weisernd. „Tut mir leid, dass ich dich einfach so überfalle.“ Sie lachte trocken. „Aber es ist deprimierend sich allein zu betrinken.“ Zögerlich nahm Ivory den Cocktail und trank einen Schluck. Er schmeckte nach Beeren irgendeiner Art. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie die junge Frau weiter. Sie trug eine dunkle, kurzärmlige Bluse, die allerdings keinerlei Ausschnitt hatte, dafür allerdings das Tattoo eines von Blitzen umzuckten Drachens in Violett am Arm der Frau wunderbar zur Geltung brachte. Das Tattoo und auch ihre abgetragene Jeans, ließen sie hier etwas herausstechen, da die meisten anderen Besucher, wie auch Ivory, die selbst eine langärmlige weiße Bluse trug, etwas gewählter gekleidet waren. „Wieso bist du allein?“, fragte Ivory schließlich. „Weil die meisten Leute ziemlich misstrauisch sind“, grummelte Hozuka. Für einen Moment zögerte Ivory, weiter an ihrem Drink nippend. „Du bist ein Mutant?“ Sie senkte ihre Stimme dabei – immerhin musste es nicht jeder hören. „Ja“, erwiderte die junge Frau. Ihr Blick wurde etwas herausfordernd. „Und?“ Ivory zuckte mit den Schultern. „Nichts.“ Sie leerte das Glas und seufzte, da sie bisher zu wenig vom Alkohol spürte. „Du bist eine En“, stellte Hozuka dann fest. Ein weiteres Schulterzucken von Ivory. „Ja.“ „Dann ist die eigentliche Frage doch eher, warum du allein hier bist.“ Nun war es an Ivory zu seufzen. „Weil ich niemanden für diese Nacht gefunden habe. Und wie du richtig erkannt hast: Ich will mich betrinken.“ Vielleicht klang sie bitterer, als sie es beabsichtigt hatte, doch wenn sie an den Brief, den sie am Morgen erhalten hatte, war es nicht unberechtigt. „Außerdem“, fügte sie dann nach einer kurzen Pause hinzu, „hasse ich Leute, die sich nur dafür interessieren, dass ich eine En bin.“ Hozuka sah sie an und nickte dann, ehe sie die Hand hob, um dem Barkeep eine weitere Bestellung zu signalisieren. „Ich weiß, was du meinst“, murmelte sie. Es wurden zwei weitere Cocktails gebracht und sie schob einen zu Ivory hinüber. „Prost.“ Eineinhalb Stunden war Ivory noch immer nicht mehr als angetrunken, aber zumindest hatte es Hozuka geschafft, sie erfolgreich von ihren Problemen und den Gedanken, die sie verfolgten, abzulenken. Sie waren raus gegangen, saßen auf einer Bank in dem kleinen Park, den man vom Velvet aus hatte sehen können. Obwohl es Nacht war, waren die Bäume durch in den Boden eingelassene Lampen erleuchtet. Hozuka hatte sich eine Zigarette angesteckt. „Du rauchst?“, fragte Ivory unnötigerweise. „Ab und an“, erwiderte die junge Frau und blies eine Rauchfahne in die Luft. Ivory sagte nichts dazu. Sie sah zum Himmel hinauf, an dem nur die Reflektionen der Stadtlichter als ein gelblicher Nebel zu sehen war – Sterne konnte man hier nicht erkennen. „Als was arbeitest du?“ „Hmm?“ Hozuka sah sie verwirrt an. Für einen Moment zögerte Ivory. „Es ist nicht böse gemeint. Es ist nur … Ich habe bisher in diesen Gegenden keine Mutanten gesehen …“ Sie senkte die Stimme für diese letzten Worten, schämte sich beinahe dafür, so zu fragen. Eine kurze Weile schwieg Hozuka. „Du hast Recht. Ich habe … Glück? Meine Mutation ist nützlich, könnte man so sagen.“ Sie lächelte und zeigte die Hand, in der sie die Zigarette hielt. Zwischen Daumen und Zeigefinger bildete sich ein Spannungsbogen. „Ich kann Elektrizität kontrollieren.“ Der Spannungsbogen verschwand und Hozuka seufzte. „Und ich habe einen gewisses … Verständnis, könnte man sagen, für elektrische Geräte. Ich arbeite für Dynamics, in der Entwicklung.“ Ivory schürzte die Lippen, nickte aber. „Ich verstehe.“ Noch zu gut erinnerte sie sich an das Massaker vier Jahre zuvor. Ob Hozuka damals auch in einem der Lager außerhalb DER STADT gewesen war? Sie wagte nicht danach zu fragen. „Tut mir leid, dass ich gefragt habe.“ „Schon gut.“ Hozuka schüttelte den Kopf. „Du bist nicht die Erste …“ Sie zog an der Zigarette und blies den Rauch in die Nachtluft. „Und du? Was machst du hier? Als En?“ Etwas Neid klang aus ihrer Stimme heraus. Ivory zögerte. Immerhin konnte sie die Wahrheit nicht sagen. „Security Contractor“, erwiderte sie. „Huh“, meinte die andere Frau und zog erneut an der Zigarette. „Ich bin … überrascht. Ich meine, ihr En … Für euch gibt so viele Möglichkeiten.“ Bevor sie sich zurück halten konnte, machte Ivory ein abwertendes Geräusch. „Sicher.“ Hozuka zog eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an, doch Ivory schüttelte nur den Kopf. „Ich will darüber nicht reden“, murmelte sie und merkte, dass ihre Stimme wieder verbittert klang. Eine kurze Stille senkte sich zwischen sie, ehe Hozuka zögernd ihre linke Hand über die Ivorys schob, während sie mit der anderen die Zigarette ausdrückte. „Es tut mir leid“, sagte sie dann. „Ich weiß nichts davon, was dir passiert ist. Es ist halt einfach nur furchtbar, wie die Leute einen ansehen, wie sie reden.“ Ivory lachte bitter. „Das ist als En nicht anders. Die Blicke mögen unterschiedlich sein, was sie sagen auch. Aber es ändert nichts am starren und reden …“ Sie senkte die Stimme. „Mehr noch. Man sieht es uns von weitem an, was wir sind. Selbst wenn ich mir die Haare färben und Kontaktlinsen tragen würde, würde meine Haut mich verraten.“ Erneute Stille. „Tut mir leid“, murmelte Hozuka dann. Auch Ivory antwortete nicht sofort, seufzte schließlich jedoch. „Schon gut.“ Sie lächelte, auch wenn ihr nicht wirklich danach zu mute war. Noch immer lag Hozukas Hand auf der ihren und nun schloss die Mutantin ihre Finger ein wenig mehr um die ihren. Sie schwiegen, während Ivory zu den Baumkronen hinaufsah. In der Stille hörte sie die hier entfernt wirkenden Geräusche DER STADT. Fahrzeuge, weit entfernte Gespräche und Musik, die dumpf aus einer nahe gelegenen Diskothek zu ihnen drang. Eigentlich hatte sie sich betrinken wollen, aber jetzt saßen sie hier und sie fühlte sich nicht besonders betrunken. Sie hatte dergleichen eigentlich nicht geplant, doch nun da sie hier zusammen saßen, spürte sie die Angst davor später wieder allein zu sein. Ein Teil von ihr wollte weiter mit Hozuka reden – wollte darüber reden, was sie bedrückte, wenngleich sie so etwas normalerweise vermied. Doch wenn sie ehrlich mit sich war, war sie einsam an diesem Abend. Mehr noch als irgendwann in den letzten Jahren fühlte sie sich einsam. Sie drehte ihre eigene Hand, um Hozukas greifen zu können und für einen Moment sahen sie sich an. Zu ihrer Überraschung war es Hozuka, die die Initiative ergriff, sich vorbeugte und sie küsste. Ohne darüber nachzudenken erwiderte Ivory den Kuss, auch wenn ein Teil von ihr nicht wusste, ob es richtig war. Hozuka war ein Mutant und auch nach vier Jahren hatte Ivory noch immer Albträume von dem Massaker, dass die UF damals im Mutantenlager angerichtet hatten. Außerdem musste sie zugegeben, dass die junge Frau ihr sympathisch war – sie wollte sie nicht verletzen. Sie wollte auch selbst nicht verletzt werden. „Und jetzt?“, fragte Hozuka, als sich ihre Lippen voneinander lösten. Ivory zögerte für einen Moment, während ihre Sehnsucht nach Nähe mit ihrer Vorsicht rang. „Wir könnten in ein Hotel gehen“, sagte sie dann leise. Auch Hozuka zögerte für einen Moment, lächelte dann aber. „Wieso nicht?“ Seit dem Vorfall vor zwei Jahren hatte Ivory das Mahal gemieden. Zu groß sah sie die Gefahr, dass jemand sie erkannte, nachdem man fraglos die Leiche Davids damals irgendwann gefunden hatte. Stattdessen war sie nun mit Hozuka in einem nahe gelegenen Hotel, das einfach nur The Royal hieß und in den oberen zehn Stockwerken eines Plex zu finden war. Sie hatten ein besseres Zimmer, wenngleich keine Suite genommen. Dennoch hatte das Zimmer ein großes und bequemes Bett, dessen hölzerner Rahmen edel verziert war. Vor allem aber war das Zimmer zudem mit einem recht geräumigen Badezimmer ausgestattet, dessen Badewanne eine Whirlpool Funktion hatte, wie Hozuka mit Begeisterung festgestellt hatte. Nun lagen sie beide auf dem Bett, eine der recht dünnen Decken über sich gezogen. Spätestens in der Badewanne war ihr auch klar geworden, dass auch Hozuka so etwas nicht zum ersten Mal machte – etwas, das sie in gewisserweise beruhigt hatte. Sie war verspielt gewesen, aber auch aufreizend. Jetzt aber hatte Ivory ihr den Rücken zugedreht, während sie auf der Seite lag und zum Fenster, dessen Glas abgedunkelt war, hinübersaß. Hozuka strich mit einem Finger über ihre Seite und Ivory ließ es zu. Sie schloss die Augen um die Berührung für einen Moment zu genießen. Für eine Weile ihre Einsamkeit vergessen, für eine Weile die Wärme eines anderen Menschen spüren. Für eine Weile ließ Hozuka ihre Hand auf ihrer Hüfte liegen, ehe sie mit den Fingern Ivorys Seite wieder hinauf strich. Dann jedoch ließ ein leichter elektrischer Schlag sie zusammenzucken. Es war kein schmerzhafter Schlag, erschreckte sie jedoch genug, als dass sie sich herumdrehte. „Hey“, flüsterte sie und sah Hozuka fragend an. Diese lächelte nur. „Ich wollte sicher gehen, dass du nicht eingeschlafen bist.“ „Nein, nein“, erwiderte Ivory und musterte sie. Ihr Tattoo breitete sich von ihrem Arm bis zu ihrem Schlüsselbein und auf ihre Schulter aus, wo es in ein kunstvolles Muster überging und schließlich nach außen verblasse. Ebenso waren ihre Brustwarzen gepierct. Auch sie musterte Ivory und legte schließlich eine Hand auf ihre Seite. „Und?“, meinte sie lächelnd. „Schon müde?“ Sie schenkte ihr einen vielsagenden Blick. Ivory seufzte leise und rückte etwas näher. „Nicht unbedingt“, flüsterte sie. „Was schwebt dir vor?“ „Ich denke“, erwiderte Hozuka, „das weißt du sehr genau.“ Sie strich zu Ivorys Hüfte und dann zu ihren Brüsten hinauf. Ivory lächelte sie matt an. „Ich denke schon.“ Für einen Moment hielt Hozuka inne und sah ihr in die Augen. Dann streckte sie sich, um sie zu küssen. Mit ihrer Hand begann sie Ivorys Brust zu massieren, ging dann dazu über ihre Brustwarze etwas zu zwirbeln. „Weißt du“, flüsterte sie dann. „Meine …“ Sie zögerte und schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „Meine Kräfte können auch … angenehme Nebeneffekte haben.“ Ivory zögerte. Sie war sich recht sicher verstanden zu haben, was sie meinte, aber dennoch wusste sie nicht ganz, wie sie darauf reagieren sollte. Während sie noch schwieg, kniff Hozuka leicht in ihre Brustwarzen und sah sie mit einem leicht herausfordernden Blick an. „Na, was sagst du?“ Nun lächelte Ivory. „Okay.“ Sie merkte ein leichtes, jedoch angenehmes Kribbeln auf ihrer Haut, als Hozuka erneut begann ihre Brust leicht zu massieren. Sie strich deutlich geübt über Ivorys Haut, berührte erneut leicht ihre Brustwarzen und strich dann über ihren Bauch und schließlich hinab zu ihrem Schritt. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Es war nicht so, als hätte Ivory es noch nie mit Reizstrom versucht, doch war es seltsam die Finger der anderen so deutlich dabei zu spüren. Sie zuckte zusammen, als Hozukas Finger leicht in sie eindrangen, noch immer leicht vor Elektrizität kribbelnd. „Und?“, flüsterte Hozuka, während sie ihre Finger leicht bewegte. „Wie gefällt dir das?“ Sie lächelte, aber ihr Blick schien noch immer etwas herausfordernd zu sein. Ivory ließ ein Seufzen hören. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie das Gefühl mochte. Es war nicht schlecht, vielleicht sogar angenehm, doch ganz konnte sie den Gedanken daran, wie schnell es schmerzhaft oder gar gefährlich werden konnte nicht vertreiben. „Ich weiß nicht“, erwiderte sie schließlich. Daraufhin zog Hozuka ihre Hand etwas zurück und strich stattdessen die Innenseite von Ivorys Schenkeln entlang. „Hast du Angst?“, fragte sie. Ivory sah ihr in die goldenen Augen. „Ich habe hier schon einige unschöne Dinge erlebt.“ „Wem sagst du das?“, fragte Hozuka seufzend. „Meinst du mir geht es besser?“ Mit einem angedeuteten Kopfschütteln drehte Ivory sich auf den Rücken. „Nein. Glaube ich nicht. Es ist nur …“ „Es gibt einigen Abschaum in DER STADT?“, beendete Hozuka den Satz für sie und zog ihre Hand zurück. „Wem sagst du das?“ Beinahe hätte Ivory gelacht über den empörten Blick, den die andere ihr nun schenkte. „Nun, eigentlich hast du es gesagt.“ „Stimmt.“ Hozukas Miene hellte sich wieder etwas auf. Sie stützte ihren Kopf auf ihren linken Arm auf und beobachtete Ivory, wie sie es sehr wohl aus den Augenwinkeln sah. Dann leckte sie mit verschmitztem Blick ihre Finger ab, ehe sie über Ivorys Wange strich. Ein kurzes Zögern, dann beugte sie sich vor und küsste sie. Wenngleich noch immer unsicher, erwiderte Ivory den Kuss, auch wenn sie eigentlich wusste, dass es ein Fehler war. Breitbeinig setzte Hozuka sich schließlich auf sie, nur um sich erneut hinabzubeugen und sie zu küssen, während ihre Hände ihre Seiten entlang wanderten und schließlich auf ihren Brüsten ruhen blieben. Dann küsste sie Ivory auf die Wange und ließ ihre Lippen ihren Hals hinunter wandern. Ivory selbst legte ihre Hände auf Hozukas Schultern, ehe sie begann ihren Rücken hinunter zu streichen. Während Hozuka begann ihre Brüste zu küssen, strich Ivory die Hüfte der anderen entlang und über ihre Oberschenkel. Ein leises Keuchen entrann ihrer Kehle, als Hozuka seicht in ihre Brustwarze biss. Ivory strich die Innenseite Hozukas Oberschenkeln hinauf. Vorsichtig begann sie schließlich ihre Schamlippen zu streichen. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als Hozuka stöhnte. Langsam begann Ivory die Klitoris der anderen zu reiben, bis Hozuka erneut stöhnte. Die goldenen Augen sahen sie an und sie konnte ein Glimmen in ihnen erkennen, als Hozuka sie anlächelte. Es schien, als würde sie etwas sagen wollen, doch Ivory strich mit ihrer freien linken Hand über ihre Brüste und begann mit dem Piercing zu spielen. Sie bewegte die Finger weiter, bis Hozuka erneut stöhnte. Die Mutantin ließ von ihren Brüsten ab und stützte sich auf dem Bett ab. Ivory ließ ihre linke Hand auf den Rücken der anderen wandern. Ein leichtes Zittern lief durch den Körper Hozukas, während sie erneut ein Stöhnen hören ließ. Mit einem Lächeln hielt Ivory schließlich inne, was ihr einen amüsierten, jedoch gespielt empörten Blick einbrachte. „Mach weiter“, keuchte sie. „Soll ich?“, fragte Ivory leise. Hozuka seufzte leise. „Ja, bitte“, flüsterte sie in ihr Ohr. Mit einem Lächeln strich Ivory ihren Rücken hinunter, begann aber schließlich, ihre Finger weiter zu bewegen. Sie genoss es, die andere stöhnen und keuchen zu hören, bis sie sie schließlich merkte, wie sich Hozukas Unterleib zusammenzog, während sie ein erneutes Stöhnen hören ließ. Ivory zog ihre Hand zurück, ehe Hozuka sich mit einem leisen Lachen auf sie fallen ließ. „Du gefällst mir“, flüsterte sie und bettete ihren Kopf zwischen Ivorys Brüste. Darauf erwiderte Ivory nichts, sondern legte beide Hände auf die Schultern der andere, während diese sich zu entspannen schien. Ihr Atem wurde langsamer, entspannter, während ihre Augen geschlossen waren. Manchmal bereute Ivory, dass sie in den vergangenen Jahren kaum eine bedeutungsvolle Beziehung gehabt hatte. Als sie in DIE STADT gekommen war, hatte sie einige Zeit mit Thomas verbracht, doch es hatte nicht auf Dauer funktioniert. Die Dinge, die sie im Krieg gesehen hatte, waren einfach zu viel gewesen. Sie hatte nicht darüber reden können, dürfen, und es war irgendwann zu viel gewesen, dass unausgesprochen geblieben war. Er war nicht der einzige gewesen, doch irgendwann war sie dazu übergegangen, nur einzelne Nächte mit anderen zu verbringen. Es war einfacher. Sie musste weniger Rücksicht nehmen, sie musste nicht ihre Zeit nach einer anderen Person ausrichten. Doch manchmal, wie in dieser Nacht, wünschte sie sich nur jemanden, mit dem sie reden konnte. Jemand, dessen Wärme sie spüren könnte – für mehr als eine Nacht. „Hmm?“ Hozuka richtete sich auf und sah sie an. Aus ihren Gedanken gerissen, zog Ivory eine Augenbraue hoch. „Was?“ „Du denkst über irgendetwas nach“, erwiderte Hozuka. „Ich nehme an, dasselbe, was dich schon vorher bedrückt hat?“ Matt lächelte Ivory. „Bist du auch ein Telepath?“, versuchte sie zu scherzen. „Nein“, meinte Hozuka und sah sie mit einem sanften Ausdruck an. „Ich kenne einfach nur … Menschen.“ Sie zögerte, bevor sie das letzte Wort sagte. Ivory verstand zu gut warum. Sie erwiderte jedoch nichts. Vorsichtig stützte Hozuka sie an, um sie genauer anzusehen. Mit einer Hand strich sie über ihre Wange. „Was bedrückt dich?“ Noch immer wich Ivory ihren Blick auszuweichen. „Ich denke, dass du reden solltest“, meinte Hozuka weiter. Sie schien ernsthaft besorgt zu sein. Für einen Augenblick schloss Ivory ihre Augen, sah die andere dann aber an. Sie wusste nicht, was sie ihr erzählen sollte. Letzten Endes konnte sie ihr nichts erzählen, oder? Ein Gedanke kam ihr und sie wusste, dass es nicht richtig war. „Weißt du, als ich hierher gekommen war … Ich bin damals von den UF eingezogen worden. Um gegen die Rebellen zu kämpfen. Damals … Bei dem Massaker … Ich war dabei. Ich habe einige von euch getötet.“ Hozuka schwieg für eine Weile, sah sie aber weiterhin mit einem besorgten Blick an. „Wolltest du es?“ Ivory schwieg. „Antworte mir“, forderte Hozuka sie auf. „Wieso?“, fragte Ivory. Die Mutantin sah sie an. „Weil ich es wissen will … Ich will es hören.“ Noch immer zögerte Ivory, da ihr klar war, dass sie ohnehin schon durchschaut worden war. „Nein“, seufzte sie schließlich. „Ich hatte nicht einmal hierher gewollt. Ich hatte … Ich hatte keine große Wahl.“ „Ich weiß“, erwiderte Hozuka. „Ich habe davon gehört, dass En …“ Sie brach ab. „Nicht alle“, antwortete Ivory. „Nur … manche, wenn der Eingriff …“ Wieder seufzte sie. „Na ja, bezahlt wurde.“ „Warum bist du nicht nach Hause zurückgegangen?“ Erneut schwieg sie für einige Sekunden. „Ich bin von den UF abgehauen … Nach dem Massaker.“ Wieso erzählte sie ihr das? Wenn Hozuka wollte, konnte sie sie ausliefern, denn noch immer wurden Deserteure gesucht. „Oh“, war die einzige Antwort, die sie erst einmal bekam. Hozuka holte tief Luft und ließ sich dann neben sie gleiten, kuschelte sich jedoch an ihre Schulter an und strich über ihren Bauch, ehe sie ihre Hand zwischen Ivorys Brüsten ruhen ließ. „Ist es das, was dich bedrückt?“ Vorsichtig legte Ivory einen Arm um sie und sah sie für einen Moment an, ehe ihr Blick zu dem Fenster hinüber wanderte, dessen Glas halb abgedunkelt war. Dennoch konnte sie die Lichter des gegenüberliegenden Plex hindurch schimmern sehen. „Nein“, antwortete sie schließlich leise. Wenn sie ohnehin schon angefangen hatte zu reden. „Es ist … Ich habe heute die Nachricht bekommen, dass mein Vater vor einer Woche gestorben ist.“ Sie holte tief Luft. Nur schwer hielt sie ihre Stimme davon ab zu zittern. „Ich habe mit ihm nicht mehr gesprochen, seit ich die UF verlassen habe.“ Für einen Moment schwieg sie. „Meine Eltern durften nicht wissen, wo ich war. Ich wollte sie nicht in Gefahr bringen. Und jetzt wünschte ich, dass ich nur noch einmal hätte mit ihm sprechen können …“ Hozuka antwortete nicht sofort, sondern seufzte leise. „Ich verstehe …“ Sie zog die Decke etwas höher. „Du könntest zumindest mit deiner Mutter Kontakt aufnehmen, oder? Ich bin mir sicher … Nun, dass sie froh wäre, zu erfahren, dass du noch lebst …“ Darauf schüttelte Ivory nur den Kopf. „Ich kann nicht“, flüsterte sie. „Ich will sie nicht in Gefahr bringen. Und ich … Ich wüsste nicht, was ich ihr sagen sollte.“ Sie merkte, dass ihre Augen brannten, doch sie beherrschte sich. „Es ist zu spät.“ Schweigen. Für eine Weile war das einzige, was sie hörte, Hozukas Atem, bis sie wieder sprach. „Weißt du“, meinte die Mutantin leise, „mein Vater … Er wollte mich ausliefern, als ich dreizehn war. Ich bin weggelaufen und am Ende bei den Rebellen gelandet. Ich habe nicht mit gekämpft, aber sie haben mich beschützt …“ Sie lächelte bitter. „Ich habe mit meinen Eltern nicht mehr gesprochen, seit der Krieg begonnen hat. Sie haben mich verraten.“ Ein tiefes Seufzen. „Ich beneide dich beinahe. Immerhin hattest du ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern, als du sie das letzte Mal gesehen hast.“ Noch immer sah Ivory aus dem Fenster. „Ja“, flüsterte sie dann und erinnerte sich an ihren Vater. Sie vermisste ihn. Was hätte sie nicht dafür gegeben, noch einmal mit ihm zu sprechen … Ihre ganze Kindheit lang war er für sie da gewesen. Sie war immer ein „Papa-Kind“ gewesen. Und jetzt würde sie ihn nie wieder sehen. „Ich denke schon …“ Am Ende konnte sie doch nicht verhindern, das eine einzelne Träne über ihre Wange rann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)