Fallender Schnee von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 5: Zuneigung -------------------- Wir müssen bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag warten, ehe wir endlich zu Miho können. Dort schlagen wir dann mit versammelter Mannschaft auf, sprich neben Amane, Malik und mir ist auch Ryuji dabei, worüber sich das Mädchen sehr zu freuen scheint. Bereits im Flur fallen wir ihr alle nacheinander um den Hals. Mit der Übergabe des Geschenkes kann Amane jedoch noch warten, bis wir auf Mihos Zimmer angekommen sind. „Das hier haben wir dir alle zusammen gemacht.“ Mit einem breiten Lächeln hält Amane dem Mädchen das, nicht einfach nur eingepackte, sondern auch noch stark verzierte Geschenk hin, kaum dass die Tür hinter ihr geschlossen wird. Es ist tatsächlich von uns allen, selbst Ryuji hat am Ende mitgeholfen. „Oh, vielen Dank euch allen.“ Eindeutig verlegen nimmt Miho das Päckchen entgegen, legt es dann jedoch erst einmal auf ihren Schreibtisch, auf dem ich erst jetzt vier weitere eingepackte Gegenstände entdecke. Sie greift sich einen dieser und reicht es ihn Amane, während sie in die Runde schaut. „Ich habe natürlich auch etwas für euch.“ Schnell verteilt sie auch die übrigen Geschenke. „Jetzt fehlen nur noch die Weihnachtslieder“, scherzt Malik, während er etwas umständlich mit nur einer Krücke, da er in seiner Linken Mihos Geschenk hält, zum Bett humpelt um sich zu setzen. Dabei werfe ich ihm einen tödlichen Blick zu und hoffe inständig, dass niemand seine Worte ernst nimmt. Einmal im Jahr singen zu müssen genügt mir voll und ganz. Glücklicherweise scheint niemand singen zu wollen, so dass wir gleich zum Geschenke auspacken übergehen. Ehe ich es von dem, mit kleinen Tannenbäumen gemusterten Papier befreie, wiege ich das Päckchen in meinen Händen. Mein Geschenk ist nicht nur das Kleinste, sondern wiegt auch so gut wie gar nichts. Ich frage mich wirklich, was sich darin befinden könnte und verfluche mich innerlich dafür, dass ich mich so neugierig machen lasse. Trotzdem lasse ich mir alle Zeit beim Auspacken, wobei ich nach Möglichkeit versuche, das Papier nicht zu beschädigen, selbst wenn es hiernach sowieso im Müll landet. Letztendlich habe ich mehr Papier, als Geschenk in der Hand, doch das macht nichts. Nach kurzer Untersuchung kann ich das kleine Etwas in meiner Hand als Armband ausmachen. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich mal derart über so etwas freue. Es ist nicht einfach nur ein gekauftes Band, sondern eindeutig von dem Mädchen in einem kompliziert aussehenden Muster selbst geflochten. Scheinbar hat sie dafür sämtliche bekannte Blautöne verwendet, wodurch es einen schönen Farbverlauf hat. Während ich das Band in meiner Faust verschwinden lasse, da ich mir sicher bin, es mir selbst nicht anlegen zu können, und zu Miho schaue, die gerade freudestrahlend durch die ersten Seiten ihres Buches blättert, muss ich feststellen, dass ich noch an keinem Weihnachten so viele tolle Geschenke bekommen habe. Kaum ist der Weihnachtsstress vorbei, beginnen bereits die Vorbereitungen für Silvester. Wie schon Heiligabend wollen wir auch Neujahr zusammen verbringen. Das Beste daran ist aber, dass dieses Mal auch Miho dabei sein kann. Wie von selbst greift meine Hand nach dem blauen Band, das nunmehr seit einer halben Woche an meinem rechten Handgelenk prangt, während ich neben meiner Schwester durch die volle Stadt laufe. Wir sind auf der Suche nach Böllern, die es seit heute in den Läden gibt. Morgen schon ist Silvester, dementsprechend voll sind nicht nur die Straßen der Stadt, sondern vor allem die Läden, in denen es das begehrte Feuerwerk gibt. Ishizu hat uns einen ordentlichen Batzen Geld mitgegeben, damit wir genügend für alle kaufen können, immerhin feiern wir mal wieder bei Malik zuhause. Langsam aber sicher zweifel ich jedoch an, dass wir überhaupt noch etwas bekommen, zumindest noch vor morgen Nacht. „Da drüben sieht es gut aus“, meint Amane und zieht mich mit zu einem Laden, der genauso gut besucht aussieht, wie die restliche Stadt. Langsam aber sicher verfluche ich Maliks gebrochenen Fuß wirklich, immerhin war er sonst unser Feuerwerkseinkäufer. Eigentlich müsste Ryuji nun diese Aufgabe übernehmen, aber wenn man diesen Kerl einmal braucht, dann hängt er auf einmal nicht mehr rund um die Uhr bei uns herum. Während ich weiter in mich hinein grummel, folge ich meiner Schwester durch den Laden, wo wir für viel Geld nicht sonderlich viele Kracher mitnehmen und schließlich eine gefühlte halbe Stunde an der Kasse stehen, ehe wir wieder an die kalte Winterluft können. „So was mache ich nie wieder“, verkünde ich meinen Unwillen, ehe wir mit wirklich einer Menge Feuerwerk den Heimweg antreten. „Hey, Kura!“ Beim Klang der Stimme würde ich am liebsten wieder umkehren, doof nur, dass Ryuji hinter uns das Grundstück betritt. Er nennt mich wirklich ausnahmslos nur noch Kura und mittlerweile habe ich es aufgegeben, mich darüber zu ärgern. Freude kommt dennoch keine in mir auf, zumal er jetzt, nachdem wir den anstrengenden Einkauf hinter uns haben, wie aus dem Nichts wieder auftaucht. Breit lächelnd kommt er auf uns zu, umarmt erst Amane und will dann auch mich in seine Arme schließen, wovor ich gerade noch ausweiche. „Wo warst du denn? Wir haben dich vermisst“, fragt Amane, während wir das letzte Stück zu Maliks Haustür, wo ich sogleich klingel, gemeinsam laufen. „Tut mir leid, ich musste meinen Eltern bei etwas helfen. Außerdem habe ich Getränke für morgen besorgt, ihr trinkt doch auch Alkohol?“ „Klar“, entgegne ich kurz und blicke dabei zu Amane, die hoffentlich nicht meinem Beispiel folgt. „Lieber Cola“, entgegnet meine kleine Schwester, was meinen Blick zu Ryuji huschen lässt. Dieser grinst breit. „Kein Problem. Cola und Fanta habe ich auch. Ihr müsstet mir nur beim Reintragen helfen.“ Und so tragen wir zu dritt die Getränkekästen aus dem Auto von Ryujis Eltern, die ihn hergefahren haben, ins Wohnzimmer, während Malik die gekauften Knaller begutachtet. „Jetzt fehlt nur noch was zu knabbern“, merkt mein Kumpel an, nachdem wir fertig sind. „Das hol ich aber bestimmt nicht“, gebe ich etwas zu schnell von mir. Aber gewiss begebe ich mich heute nicht noch einmal in die Stadt. Nicht nur Malik lacht kurz auf meine Worte. „Keine Angst, Rishid macht das schon.“ Den restlichen Tag sitzen Malik und Ryuji an einem Zeichenprojekt, dass sie nächste Woche in der Schule benötigen und mit dem sie langsam aber sicher anfangen sollten. Amane malt aus Spaß auch etwas, während ich daneben sitze und die drei Künstler beobachte. An sich ist es ein sehr ruhiger und entspannender Ausklang des Tages, der damit endet, dass Ryuji sich von uns verabschiedet. Im Gegensatz zu meiner Schwester und mir wird er diese Nacht nicht bei Malik verbringen, was mir nur recht ist. Bevor er aber geht, zieht er mich kurz zur Seite. „Können wir kurz reden?“ Da der Junge es ernst zu meinen scheint gebe ich ihm eine Chance und nicke kurz. „Vielleicht sollte ich das nicht fragen, aber da bisher nichts passiert ist... Heißt das, dass du nichts mehr gegen mich hast?“ Ich unterdrücke den Impuls mit einem 'Doch' zu antworten und denke stattdessen kurz über meine Wortwahl nach. „Das würde ich so nichts sagen.“ Wirklich leiden kann ich ihn nach wie vor nicht, doch er hat schon Recht. Ich habe ihn noch nicht aus unserer Gruppe fliegen lassen, wie ich es eigentlich vorgehabt habe und mittlerweile ist es auch zu spät dazu, was auch Ryuji klar sein dürfte. „Aber?“ Seine Frage nervt mich, einfach weil ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll. Also zucke ich einfach mit den Schultern. „Dann darf ich mir Hoffnungen machen?“ „Was denn für Hoffnungen?“, entgegne ich. Ich bezweifle, dass er sich Sorgen darum gemacht hat, ob er nach den letzten Wochen wirklich in unserer Gruppe bleiben darf, dafür verhält er sich zu selbstsicher in unserer Gegenwart. Anstatt aber eine Antwort zu bekommen, grinst mich der Schwarzhaarige einfach nur breit an, zieht mich schnell in eine überraschende Umarmung und verschwindet mit einem lauten „Bis Morgen!“, das allen Anwesenden im Haus gilt, nach draußen. Perplex schaue ich Ryuji hinterher und bin nur froh, dass niemand in der Nähe ist, der diese Aktion gesehen haben könnte. Der nächste Abend ist schnell da. Ryuji hängt schon seit dem Mittag bei uns herum, doch nun ist auch Miho endlich da, zumindest hat es gerade an der Tür geklingelt. Amane ist schneller als ich, so dass ich mir das Aufstehen spare und warte, bis meine Schwester die Tür öffnet. Wie erwartet kommt sie kurz darauf mit Miho, die in ihren Händen eine sehr große Plastikdose hält, wieder ins Wohnzimmer. „Was ist das denn?“, fragt Malik, noch ehe er sie begrüßt, neugierig. „Ich habe mit meiner Mutter Nudelauflauf gekocht, also falls ihr noch Hunger habt...“ „Und wie“, meldet sich sofort Ryuji zu Wort. „Danke Miho, das ist wirklich lieb von dir.“, bedankt sich Malik ebenso begeistert. Nur kurz darauf sitzen wir alle mit einem Teller Nudelauflauf im Wohnzimmer, wo wir Fernschauen und darauf warten, dass es Mitternacht wird. In dieser Zeit trinken wir uns, das sind neben mir Malik, Ryuji und Rishid, schon gut an, zumindest bis auch Ishizu zu uns kommt. Bereits um halb zwölf schleift sie uns raus in die Kälte, wo Malik und Amane sofort mit dem Bau eines Schneemanns beginnen. Ich befreie ein Stück der Mauer, die das Grundstück eingrenzt, von Schnee und setze mich dort hin, um in Ruhe den Schneemannbau zu beobachten, zu dem nun auch Rishid stößt. Obwohl noch genug Zeit bis Mitternacht ist, wird hier und dort bereits eine Rakete starten gelassen. „Ist hier noch frei?“ Ohne hinschauen zu müssen weiß ich, dass Ryuji neben mir steht, der sich, ohne meine Antwort abzuwarten, neben mich setzt. In seiner Hand hält er eine Flasche des süßen Mixgetränks, das er bereits den ganzen Abend am trinken ist. Normalerweise wäre mir das nicht so recht, nun aber bin ich leicht angetrunken, weswegen ich viel zu spät einfach nur nicke. Eine ganze Weile sitzen wir schweigend nebeneinander, ehe Ryuji wieder zu reden beginnt. „Kura, darf ich dich etwas fragen?“ Eigentlich will ich einfach nur ungestört hier sitzen und darauf warten, dass endlich das Feuerwerk losgeht. Trotzdem nicke ich erneut. „Stehst du auf Malik?“ Nun hat der Junge meine volle Aufmerksamkeit, ich schaue sogar zu ihm. Anhand seiner Frage gehe ich mal davon aus, dass Malik ihm erzählt hat, dass ich auf Kerle stehe, was mich keineswegs stört. „Wir sind nur Freunde“, entgegne ich amüsiert und frage mich, wie er auf diese Idee kommt. „Also... Du bist dir sicher?“ Ryuji wirkt nervös, was mich eigentlich noch mehr amüsieren würde, nun aber lässt es mich wieder ernster werden. „Warum? Willst du etwas von ihm? Ich bezweifle, dass du eine Chance bei ihm hast.“ Immerhin ist Malik ein Frauenheld. Allerdings würde das dann aber Ryujis Anhänglichkeit erklären. „Nein, ich will nichts von Malik, wirklich nicht!“ Ryujis Reaktion ist so entsetzt, dass ich ihm tatsächlich glaube. „Darf ich dich dann auch etwas fragen?“, erwidere ich seine erste Frage, als nichts weiter von dem hin und hergerissen wirkendem Jungen kommt. „Warum hängst du dann so sehr an uns?“ Ich warte gar nicht erst auf seine Zustimmung, immerhin habe ich ihm auch seine Frage beantwortet. Gespannt ob seiner Antwort, schaue ich den Schwarzhaarigen an, dem das Ganze auf einmal sehr unangenehm zu sein scheint. „An dir“, murmelt er nach einigen Sekunden. „Was?“ „Nicht an uns...“ Entgeistert schaue ich den Schwarzhaarigen an und versuche seinen Worten in meinem benebelten Kopf ihre Bedeutung zu entlocken. „Was willst du mir damit sagen?“ Gerade habe ich keine Lust auf solche Ratespiele. „Oh man, Kura...“ Er macht eine kurze Pause, ehe er weiterspricht. „Ich mag dich.“ „Na klar.“ Am liebsten hätte ich jetzt auch eine Flasche in der Hand, um einen kräftigen Schluck nehmen zu können. Wenn er so mit Menschen umgeht, die er mag, dann braucht sich der Junge nicht zu wundern, wenn er sein Leben lang alleine bleibt. Ich nehme jedoch an, dass er mich einfach nur aufziehen will. Vermutlich hätte ich ihn nicht fragen sollen. Auf einmal packt mich Ryuji am Handgelenk, weswegen ich ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Ärger anschaue. „Ich mag dich sehr, okay?“ Seine Smaragde bohren sich geradezu in meine Augen, was mir für einen Moment die Sprache verschlägt. Dann jedoch löse ich meine Hand aus seinem Griff. „Du bist betrunken, lass mich in Ruhe.“ Ich habe wirklich nichts dafür übrig, so angemacht zu werden. Vor allem nicht, wenn ich mir sicher bin, dass es nicht ernstgemeint ist. Unser Gespräch, das für mich sowieso beendet ist, wird von Amane unterbrochen, die gerade zu uns kommt. „Jungs, kommt ihr? In einer Minute geht es los.“ Sie schaut schnell zwischen uns hin und her, ehe sie wieder zu den Anderen geht. Auf der Wiese steht mittlerweile ein ausgewachsener Schneemann, der sogar zwei Steinaugen besitzt. Ohne zu zögern stehe ich auf und folge meiner Schwester. Hier außerhalb der Stadt mag das Feuerwerk vielleicht nicht ganz so groß ausfallen, dafür ist der Himmel jedoch viel klarer und man sieht weiter als in der Stadt. Gerade zählen wir die letzten Sekunden bis Mitternacht herunter, wobei Malik, Miho und Amane bereits an den Raketen darauf warten, diese endlich starten zu können. Zusammen mit diesen explodieren nach dem Tageswechsel überall um uns herum Knaller und Raketen. Der Himmel wird beinahe Taghell wobei er in allerlei Farben erleuchtet. Wie jedes Jahr bewundere ich erst einmal dieses Schauspiel, das über den hohen Lautstärkepegel hinweghören lässt. Nach den ersten Minuten wird es auch schon etwas ruhiger und ich schnappe mir ebenfalls ein paar der kleineren Feuerwerke, die aber ebenso schöne Farben erzeugen. Während ich zusammen mit Rishid einige dieser kleinen Vulkane entzünde, bleibt mein Blick zufällig an Ryuji hängen, der das Ganze nicht allzu sehr zu genießen scheint. Eigentlich sollte mir das egal sein, vielleicht mag er Silvester auch einfach nicht, trotzdem fühle ich mich verantwortlich, irgendwie. Verärgert über mich selbst zünde ich die letzten Knaller und steuere dann zuerst den Bierkasten an, aus dem ich mir eine Flasche nehme, die ich sogleich öffne. Ich fühle mich einfach noch nicht betrunken genug, um heute noch einmal mit dem Schwarzhaarigen zu reden. Nachdem ich einige Schlucken aus der Flasche genommen habe, mache ich mich zu Ryuji auf, der mittlerweile wieder auf der Mauer sitzt und in den Himmel schaut. Ohne ihn anzusprechen oder mich irgendwie anders bemerkbar zu machen, setzte ich mich neben ihn und blicke ebenfalls nach oben, wo mittlerweile nicht mehr ganz so viele der eindrucksvollen Feuerwerke zu sehen sind. „Vielleicht bin ich betrunken, aber ich weiß sehr wohl, was ich von mir gebe, und dass ich es ernst meine“, macht Ryuji vollkommen unerwartet da weiter, wo wir vorhin unterbrochen wurden. Ich brauche einige Augenblicke um seine Worte zu verstehen. „Natürlich magst du mich“, gebe ich ironisch von mir. „Findest du mich so abstoßend?“ Wieder brauche ich einen Moment, ehe ich seine Worte begreife und frage mich, wie er nun darauf kommt. „Das habe ich nicht gesagt, oder?“ Für eine ganze Weile starrt Ryuji mich einfach nur an, was sehr schnell ein unruhiges Gefühl in mir auslöst. „Erinnerst du dich noch an den Gefallen, den du mir schuldig bist?“ Erst will ich diese Frage verneinen, doch dann erscheint sein Weihnachtsgeschenk vor meinem inneren Auge, was mich nur zögerlich nicken lässt. Ich wusste damals schon, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte. „Ich habe einen Wunsch.“ „Ach so?“, frage ich, als er nach einigen Sekunden noch immer nicht weitergesprochen hat, was jedoch auch nicht dafür sorgt, dass er diesen Wunsch äußert. Stattdessen schauen wir uns einfach nur in die Augen. So vergehen gefühlte Minuten, in denen ich deutlich spüre, wie mein Inneres unruhiger wird. Immer und immer wieder hallen Ryujis Worte in meinem Kopf wider, deren Bedeutung mir noch immer nicht ganz schlüssig sind. Während ich darüber nachdenke merke ich erst gar nicht, wie ich mich in Ryujis smaragdgrünen Augen verliere. Erst als es bereits zu spät ist, werde ich unseres intensiven Blickkontaktes gewahr, der keinen Sekundenbruchteil später durch Ryujis sich schließenden Augen unterbrochen wird. Und schon berühren seine Lippen ganz vorsichtig die Meinen. Mit einem Mal ist die Abneigung in meinem Inneren verschwunden und hat stattdessen einer aufregenden Neugierde Platz gemacht. Ohne mir groß Gedanken deswegen zu machen, schiebe ich diese unbekannten Gefühle auf den Alkohol, schließe meine Augen ebenfalls und lasse es einfach geschehen. Ryuji ist es, der den vorsichtigen Kuss unterbricht und mir dann unsicher in die Augen blickt, wobei ich seine Begierde deutlich erkennen kann. Unweigerlich frage ich mich, ob er dies bis jetzt gut verstecken konnte, oder ob ich einfach nur blind war. „Ich mag dich wirklich sehr, Kura.“ Ich sag nichts weiter dazu, immerhin weiß ich nicht einmal, was ich von dem Ganzen halten soll. Das Einzige, was ich weiß ist, dass ich in diesem Zustand auch nicht darüber nachdenken sollte, das werde ich mir bis nach meinem Kater morgen aufheben müssen. „Und du bist also schwul?“, frage ich stattdessen. Dass unsere Freunde nur wenige Meter von uns entfernt stehen habe ich für den Moment vergessen. „Ich bin bi“, entgegnet er mit seinem gewohnten Grinsen, das ich auf einmal nicht mehr ganz so abstoßend finde. Langsam dämmert es mir, dass der Junge es möglicherweise von Anfang an nur auf mich abgesehen hat. „Und du bist dir sicher, dass du auf mich stehst?“, frage ich direkt weiter, ohne eine Miene zu verziehen. Zumindest hoffe ich das. „Seit ich dich das erste Mal im Krankenhaus gesehen habe“, gesteht er bereitwillig. Wie eben befürchtet hat der Junge also wirklich nur meinetwegen die ganze Zeit bei uns abgehangen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass zumindest Malik und Amane darüber bescheid wussten. Die werden morgen etwas zu hören bekommen. Doch für heute will ich nicht weiter über solche Dinge nachdenken. Stattdessen ziehe ich Ryuji in einen neuerlichen Kuss. Ob ich ihn nun ein oder zweimal küsse, morgen werde ich sowieso bereuen, was ich dank des Alkoholkonsums getan habe. Gerade ist es aber einfach nur aufregend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)