Meine Gedanken zu Kai von Marron ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kai schnaufte leise, als er endlich aus dem Flugzeug stieg. Endlich wieder in Japan. Endlich wieder vertrautes Training. Ganz kurz wanderten seine Gedanken zu Tyson. Ob er trainiert hatte, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten? Sicherlich, er kannte den Japaner doch. Mit einem leichten Lächeln schüttelte er den Kopf. Schon wieder dachte er nur an seinen Teamkameraden, obwohl er noch gar nicht angekommen war. Wie sollte das nur weitergehen? Er schulterte seinen Koffer und machte sich auf den Weg. Schon von weitem konnte er seine Freunde erkennen. Kenny saß, wie immer, mit einem Laptop bewaffnet auf einer Bank und filmte Tysons Kampf. Hilary saß daneben und beobachtete alles. Sie trug heute ein neues Outfit, das bemerkte man sofort. Wie der Gegner des Japaners hieß, lies sich nicht ausmachen - Kai hatte das Kind noch nie zuvor gesehen. Außerdem stellte er sich selten ungeschickt an, es war nichts, was eines zweifachen Weltmeisters würdig wäre. Das Tyson sich überhaupt darauf einlies zeigte nur, dass der Japaner ein großes Herz hatte. Oder ein großes Geltungsbedürfnis, wenn er nach dem großen Banner ging, das er jetzt lesen konnte. Typisch Tyson, der schoß manchmal übers Ziel hinaus. Kai entschied sich, die Runde mal aufzumischen. Er wartete, bis das Match zwischen seinem Freund und dem anderen Jungen beendet war, dann schoß er seinen Blade auf den noch kreiselnden Dragoon ab. Dieser flog vorhersehbar aus der Bowl. Und wie erwartet schoß Tyson sofort herum, als er den Blade erkannte. Hektisch suchten dessen Augen die Umgebung ab, bevor sein Blick plötzlich auf Kai fiel. Der Halbrusse erstarrte für einen kleinen Augenblick. Er blinzelte dann. Tysons Blick war anders, als er ihn je erlebt hatte. War das Erleichterung, die er da sah? Zusammen mit Angst? Was war denn jetzt los? Anstatt einen spitzen Satz an den Kopf seines Freundes zu werfen, wie er es sonst immer tat, nickte er so lediglich und nahm sich vor, Tyson so bald wie möglich zu fragen, was los war. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. Und, dass Tyson nicht gern mit den anderen darüber sprach. Nun gut, er würde es schon auf dioe eine oder andere Weise herausfinden! Kapitel 2: ----------- Mit einem Augenrollen legte Kai sich ins Gras und seufzte schwer. Seit einer Woche war er schon wieder hier. Und Ray seit ungefähr vier Tagen. Als der Chinese vor der Tür stand, war der merkwürdige Ausdruck in Tysons Gesicht verschwunden. Kai hatte da schon aufgeatmet - obwohl er das natürlich niemals laut zugeben würde. Aber jetzt war dieser Blick wieder da. Dieses etwas verlorene Dreinblicken, als wolle er einen Gedanken nicht denken. Er schloss die Augen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Was sollte er tun? Es war einfach nicht seine Art, sich so einzumischen. Er konnte nur warten und über seinen Freund wachen. Ansonsten schien auch niemand zu merken, was los war. Es ärgerte ihn etwas. Sollten die Anderen ihn nicht genauso gut kennen? Wieos sahen sie es nicht? Mit jedem traurigen Blick, den Kai auffangen konnte, schien Tyson mehr und mehr Zuspruch zu brauchen. Sein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit stieg. Es schien fast so, als versuche der Japaner krampfhaft, zu beweisen, wie sehr er seinen Platz hier dooch verdient hatte. Zweifelte er an sich selbst? An seinen Freunden? Aber als Kai ihn gestern gefragt hatte, ob er was habe, hat er doch anders geantwortet. "Ach was, Kai, du machst dir Sorgen?" Gegrinst hatte er. Und Kai selbst hatte nur geschnaubt. Wie kam sein Freund nur darauf, dass er sowas tat? Er war kein Weichei, Tyson ebenfalls nicht. Wieso war so ein starker Mensch plötzlich so melancholisch? "Ist alles okay. Ich bin nur nervös, wer diesmal alles dabei ist. Alles gut, Mr. Eisblock." Und er hatte ihn aufgezogen, dass er ja doch Gefühle zeigen könne, wenn er denn nur wolle. Wenn er jetzt darauf zurück blickte, kam es dem Halbrussen so vor, als habe sein Freund ihn nur ablenken wollen. Als sei er ihm ausgewichen. Und da hatte Kai beschlossen, sein Schweigen zu akzeptieren. Sollte Tyson reden wollen, wollte er da sein. Wenn nicht, würde schon früher oder später einer der Anderen sich melden und ihm sein Ohr leihen. Oder nicht? Sie waren doch ein Team. Sobald Max angekommen wäre, würden sie sich zusammen setzen und über ihr Training sprechen. Dann würde sich alles klären. Kai konnte damit leben, nicht der Erste zu sein, dem sich der Japaner anvertraute - solange Tyson es bloß tat. Solange sein Freund sich nicht in seinen Gedanken vergrub. Er unterdrückte ein neues Seufzen. Das Banner über Tysons Kopf war noch greller geworden. Rays Kommentare waren belustigt wie immer. Hilary und Kenny waren wie immer. Nur - warum fühlte es sich nicht wie immer an? Irgendwas war im Busch. Aber was auch immer es war, der Halbrusse hatte nicht vor, einfach untätig zu bleiben. Nicht, wenn Tyson litt. Und er würde bald handeln, wenn sich nicht endlich etwas tat! Das war der moment, wo er eine kleine Staubwolke auf sie zugerast kommen sah. Was war das denn? Ein Mensch? Alles, was er sah, war rotes Haar. Kapitel 3: ----------- Kai blinzelte leicht. Okay, was war jetzt los? Er sah noch einmal in den Raum, welchen er gerade hatte betreten wollen. Dort saßen Max und Ray und schienen ihn nicht zu bemerken - Kunststück, sie sahen lieber beide auf den Boden. Max saß auf seinem Koffer, was schon mal kein gutes Zeichen war. Ray stand neben seinem Rucksack - oder was auch immer der Chinese so gern mit sich schleppte. Beide Gesichter sahen nicht erfreut aus. Kai runzelte die Stirn. Er hatte durchaus eine Ahnung, was los war mit den beiden. Im Gegensatz zu Tyson waren sie nicht schwer zu lesen, vor allem Ray war nicht so verschlossen, wie viele glaubten. Max war laut und ehrlich, Ray zu ruhig, um etwas vorzuspielen - ihnen konnte er ihre Gedanken und Gefühle immer am Gesicht ablesen. Tyson war da schon ein anderes Kaliber. Er war immer fröhlich. Gut, manchmal auch sauer oder überheblich. Aber der Halbrusse hatte das Gefühl, dass sich unter all dem der wahre Junge verbarg, der nur ab und zu durchschien. Er konnte einfach ne sagen, ob Tyson gerade seine wahren Gefühle zeigte, oder ob er um seiner Freunde Willen so tat, als wäre alles in Ordnung. Bei dem Japaner konnte er nur auf sein Gefühl vertrauen. Und das sagte ihm, dass Tyson ausrasten würde, wenn er erfahren würde, was ihre beiden Freunden wohl beschlossen hatten. Kai entschied sich, sich nicht einzumischen und aus der Entfernung zu beobachten. Wie erwartet war Tyson völlig ahnungslos, als er in den Trainingsraum stürmte. Wie erwartet teilten Max und Ray mit, dass sie zu ihren alten Teams zurückkehren würden. Was Kai nicht erwartet hatte, war Tysons Reaktion. Der Japaner packte Ray am Kragen - was noch als üblich aufbrausend durchgehen konnte. Doch dass er Kenny - den lieben, treuen, loyalen Kenny - zur Seite stieß, dass dieser auf dem Boden landete... Was war denn jetzt geschehen? Seit wann war er so agressiv? Und er registrierte es noch nicht einmal? Kai hielt die Luft an. Sollte er nicht doch einschreiten? Bisher hatte er sich herausgehalten, weil er ahnte, dass die beiden sich nicht umstimmen lassen würden. Wenn er ehrlich war, hatte er selbst schon darüber nachgedacht, sich ein anderes Team zu suchen. Einzig seine Sorge hatte ihn davon angehalten. Jetzt überlegte er schon zu lange, was richtig wäre. Ray und Max hatten sich in der Zwischenzeit ihre Sachen geschnappt und den Raum verlassen. Auf dem Gang nickte Ray ihm flüchtig zu, was der Blonde scheinbar nicht bemerkte. Max schien zutiefst traurig zu sein. Wenn es so schlimm war, warum blieb er dann nicht, wo er war? Warum machten sie das dann? Hatten sie etwa ebenso den Wunsch, noch einmal gegen den Japaner anzutreten? Nicht in einem Training, nicht inoffiziell, sondern in einer Arena, die ihren Fähigkeiten stand halten würde. Sie waren sich wohl doch ähnlicher, als er gedacht hatte. Kai wagte einen schnellen Blick in den Raum, in welchem Tyson nun neben Kenny stand und auf nichts reagierte, was sein braunhaariger Freund sagte. Seine ganze Körperhaltung sprach von Anspannung und Trauer. Kai fühlte einen Stich in seinem Herzen. Er würde warten, bis Tyson den Schock verdaut hatte und dann noch einmal mit ihm reden. Mit diesem Ziel vor Augen verlies auch er das Gebäude. Kapitel 4: ----------- Kai schnaubte leise. Vor einigen Tagen war er kurz davor gewesen, Tyson die Meinung zu sagen. Sein Freund hatte sich so dermaßen in die Vorstellung reingesteigert, dass seine Freunde jetzt seine Gegner waren, dass er blind wurde. Er war so wütend gewesen. So hatte der Halbrusse ihn noch nie erlebt. Aber er ahnte, dass unter der Wut eigentlich nur Traurigkeit begraben lag. Nicht, dass man dem Japaner mit trösten hätte helfen können. Nein, so war er nicht gestrickt. Um zu diesem Dickschädel durchzudringen, konnte ein Schlag auf den Hinterkopf nicht schaden. Und so war es auch das Beste - nur hatte Tysons Großvater das schon übernommen. Lautstark hatte Kai schon von draußen gehört, was der alte Mann zu seinem Enkel sagte. Kurz musste er schmunzeln, als er daran dachte, wie deutlich Tyson auf dem Schlauch gestanden hatte. Er musste noch lernen, dass er nicht in Schubladen denken durfte. Kurz darauf verschwand sein amüsierter Ausdruck auch schon wieder. Er hatte gedacht, es hätte sich erledigt. Er hatte gedacht, Tyson hätte sich wieder gefangen. Aber dem war nicht so. Da war dieser Typ, der sich immer einmischte: Jin. Wer auch immer das war, er nervte den Halbrussen. Wieso mischte er sich ein? Wieso brachte er Ray, der noch gezweifelt hatte dazu, eine klare Entscheidung zu treffen? Das hatte er mittlerweile herausgefunden, weil er tatsächlich nachgefragt hatte. Und Ray hatte ihm erzählt, dass der Kerl ihn zum Kampf herausgefordert hatte. Dass er behauptet hatte, Ray würde sich nicht weiterentwickeln können, wenn er im Team blieb. Vielleicht stimmte es, aber wer hatte das Recht, sich in Teamangelegenheiten einzumischen?! Wer war der Kerl, der sich hinter einer Maske versteckte?! Frustriert schnaubte er. Wie sollte er etwas in Erfahrung bringen, wenn alle um ihn herum von diesem Mann beeinflusst wurden? Nur Tyson nicht. Den Japaner hatte der Kerl sorgsam ausgelassen. Warum? Kai rappelte sich auf und sah von dem Dach, auf welchem er saß, nach unten auf die Straße. Wenn Tyson sich noch anmelden wollte, um an der WM teilzunehmen, sollte er bald auftauchen. Das war einer der Gründe, warum Kai sich hier oben hingesetzt hatte. Er hatte alles im Blick und konnte sehen, wer kam. So konnte er seine Konkurrenz sehr gut einschätzen - wie sie gingen, wie ihre Mimik war. Aber er konnte auch direkt sehen, wann seine Freunde ankamen. Und die ließen sich Zeit. Sehr viel Zeit. Erneut seufzte er. Hatte Tyson mal wieder die Uhrzeit vergessen? Hatte Hilary ihn nicht daran erinnert? Sie tat es doch sonst immer. Oder hatte Tyson wieder einen seiner Momente, in denen er sich zurückzog und nicht zu erreichen war? Sorge wand sich in Kai hoch. Vielleicht hätte er doch direkt hingehen und sein Team abholen sollen. Zumindest wüsste er dann, was los ist. Wenn sie in zehn Minuten noch nicht da sind, dann gehe ich selbst hin!, beschloss er und lehnte sich wieder zurück. Exakt neun Minuten später hörte er die plärrende Stimme von Daichi, halb überlagert von Tysons angefressenen Erwiderungen. Kai lies den angehaltenen Atem aus seiner Lunge. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass seine Sorge erst jetzt verschwand. Nicht völlig - ein Blick in Tysons Gesicht reichte aus, um zu sehen, dass längst nicht alles beim Alten war - aber er war schon mal besser drauf als vorher. Der Japaner schien nicht mehr diese tiefsitzende Wut mit sich herumzutragen. Sie stand ihm auch nicht, immerhin wusste Kai sehr gut, dass Hass auf die Ungerechtigkeiten der Welt schmerzen konnte wie ein Stachel, der in einem steckte. Er erinnerte einen ständig daran, dass etwas geschehen war, was negativ belastete und machte es einem unmöglich, darüber hinweg zu kommen. Man konnte nur irgendwann diesen Stachel loslassen. Aus dem Inneren des Gebäudes kam die entnervte Stimme seines besten Freundes. Tyson regte sich darüber auf, dass Kai noch nicht da war. Der Halbrusse richtete sich auf, schmunzelte bei der Wortwahl, die er hörte - und erstarrte einen kurzen Moment. Da war ein Unterton, den er nicht einordnen konnte. Eine Art, wie Tyson Kais Namen aussprach. Dieser Ton machte Kai nervös, lies die zarten Härchen auf seinen Armen sich aufstellen. Was war los mit ihm? Er schüttelte die Irritation ab und sprang nach unten. Das Funkeln in Tysons Gesicht, als er endlich auftauchte, machte es wett, dass Kai sich vorher noch Gedanken gemacht hatte. Dennoch verzog er keine Miene, wie üblich. Er schritt an den anderen vorbei und trug sich ein, genau eine Minute vor Anmeldeschluss. Innerlich grinste er, der Auftritt war nicht geplant gewesen, fügte sich aber sehr schön. Kapitel 5: ----------- Zu sagen, dass er wütend war, war eine Untertreibung. Im Moment war er kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Und das nicht auf die normale Art und Weise, die seine Freunde wohl eher gewohnt waren. Nein, diesmal hatte Kai spontan den Impuls, sich mit jemandem zu schlagen. Und dieser Jemand war rothaarig, etwas jünger als er selbst und richtig laut. Kurz: Daichi Sumeragi. Diese kleine Pest tauchte auf um Tyson herauszufordern. Okay, das konnte er verstehen. Er gab nicht auf - auch das war in Ordnung. Aber jetzt überspannte er den Bogen eindeutig. Nicht nur, dass er sich bei den Grangers eingenistet hatte und ihn somit regelmäßig vertrieben hatte, noch bevor ihn jemand bemerkt hatte. Nein, jetzt wollte der kleine Egoist auch noch den Platz einnehmen, den Kai als seinen eigenen beanspruchte! Er war derjenige, der Tyson eines Tages schlagen würde! Nicht dieser Möchtegern, der noch viel zu viel zu lernen hate, bevor er sich auch nur mit einem von ihnen ernsthaft messen konnte. Und er konnte auch noch Tyson so gut ablenken. Wenn die beiden stritten, schien dieser Blick aus diesen Augen zu verschwinden. Alle waren begeistert von ihm, alle sahen einen zweiten Tyson. Wieso waren sie so blind? Als ob man Tyson einfach so kopieren könnte. So, wie dieser Kotaro es versucht hatte. Den konnte man doch nicht ernst nehmen. Kai atmete tief ein und versuchte, sich auf den Kampf zu konzentrieren. Daichi stand vor ihm, Strata Dragoon griff gerade aufs heftigste Dranzer an. Er lies ihn machen, der Kleine würde so nicht weiterkommen. Stattdessen sah er über die Schulter seines Gegners hinweg zu dem Japaner. Dieser bekam wohl nicht mit, dass er angesehen wurde, so, wie Kai durch seine Ponyfransen sah. Für seinen Freund sah es wohl nur so aus, als sähe der Halbrusse nach unten. Feuerte er tatsächlich ihn an? Ein warmes Gefühl versuchte, sich an den Sorgen und der Wut vorbeizuschieben. Beinahe wurde er unachtsam. Er dachte daran, was Tyson erst gestern gesagt hatte. Als er ihn wieder einmal versucht hat, mit dem zu konfrontieren, was er sah. Ach, Kai. Mach dir keine Sorgen. Ich will das Team nicht belasten, okay? Es ist nichts Schlimmes. Wir sollten uns lieber konzentrieren. Sicher, er hatte nicht das Geringste dagegen, sich auf die WM zu konzentrieren. Oder auf ihre Gegner. Max und Ray würden all ihre Kraft und Geschicklichkeit einsetzen, wenn es denn soweit war. Trotzdem. Er fühlte sich abgewimmelt. Ausgeschlossen. Wieso durfte Tyson alles von ihm wissen, was ihn belastete, er aber nichts von ihm? Und wieso war er da bitte derjenige, der alles mit sich selbst ausmachte? Er schnaubte schwer. Auf jeden Fall würde er Daichi nicht so einfach das Feld überlassen, das ging gegen seine Ehre. Wäre ja noch schöner, wenn er gegen den Pimpf verlieren würde! So riss er sich endlich zusammen und gewann das Match - nur, um von Tyson bestürmt zu werden. Wieder war da dieses Funkeln, das ihn leicht verunsicherte. Was war das nur seit Neuestem? Hatte er irgendetwas besonderes getan? Die warme Hand an seiner lies ihn blinzeln. "Wahnsinn, wir beide als Team!", brüllte Tyson über den Jubel des Publikums in sein Ohr, "Wir beide! Gemeinsam!" Er drehte sich zu den Zuschauern um und riss die geballte Faust als Zeichen des Triumpfs in die Höhe. "Gemeinsam", nuschelte Kai und sah wie hypnotisiert auf die andere Hand seines Freundes. Wie konnte sich alles so richtig und gleichzeitig so falsch anfühlen? Kapitel 6: ----------- Er sah auf das Meer hinaus. Das war wenigstens bständig, im Gegensatz zu ihm. Hatte er die falsche Entscheidung getroffen? Kai wusste es nicht, aber ein drängendes Gefühl sagte ihm, dass er nichts erreichen würde, wenn er nicht so handelte. Und so hatte er nicht geantwortet, als Hiro ihn gefragt hatte, ob er im Team bleibe. Er würde es nicht tun. Er war nicht dafür zuständig, Tyson das Händchen zu halten, oder? Wenn der Japaner nicht reden wollte, dann konnte man nichts tun. Nicht einmal sein Bruder konnte etwas aus ihm heraus bekommen! Kai schnaubte. Es war, gelinde gesagt, eine Überraschung gewesen, dass dieser Jin eigentlich Tysons älterer Bruder war. Kai hatte nicht einmal gewusst, dass Tyson überhaupt einen Bruder hatte! Er fühlte sich nicht gut bei dem Gedanken, dass sein Freund ihm etwas verschwiegen hatte, was er als wichtig ansah. Dann wiederum... War Kai nicht genauso? Er hatte nie über private Dinge gesprochen, obwohl es etwas zu sagen gegeben hätte. Immerhin lebte sein Vater noch. Und obwohl seine Mutter nach der Scheidung weggezogen war, versuchte sie regelmäßig, Kontakt aufzunehmen. Er hätte vielleicht den ein oder anderen Rat gebrauchen können - konnte sich aber einfach nicht überwinden. Würde er reden, würden sie ihn bemitleiden. Und das war das letzte, was er wollte. Mit einem Seufzen fragte er sich, was Tyson wohl dazu sagen würde, wenn er davon erfuhr. Hiro wirkte nicht, als könne er lange schweigen. Damit würde das Zweierteam wegfallen - Tyson müsste entweder Kenny oder Daichi nehmen. Ein Stich durchfuhr ihn, als er daran dachte. Dieser kleine rothaarige, nach oben verklemmter Lautstärkeregler würde seinen Platz einnehmen. Er biss sich auf die Lippen. Warum ärgerte das ihn so sehr? Warum war es ihm nicht so egal, wie es bei Max oder Ray wäre? Hatte es mit dem Eingeständnis zu tun, dass Tyson für ihn etwas Besonderes geworden war? Tala unterbrach seine Gedankengänge, indem er hinter ihm auftauchte. Seine Schritte waren so leise, dass er seinem Wolfsbitbeast alle Ehre machte, aber Kais Sinne hörten ihn heraus. Wortlos blieb der Rothaarige neben ihm stehen. Sah ebenfalls hinaus auf die Wellen, die hin und her schwappten. Und auch, wenn Kai nichts nach seinem Anruf gesagt hatte, wusste der andere Russe genau, was Sache war. Sie hatten noch nie viel miteinander geredet. "Du kommst also zu uns?" Kai schnaubte leise. "Sollte ich nicht?" Talas blaue Augen glitten zur Seite, er musterte ihn aus dem Augenwinkel. "Du wirkst nicht so, wie ich gedacht hätte. Eher unentschlossen." Kai bemerkte, dass seine Hände zitterten und er musste es unterdrücken. So versuchte er, es nicht zu überspielen, indem er seine Arme vor der Brust verschränkte, sondern er knirschte mit den Zähnen. "Geht es nun klar, oder nicht?" Tala wandte sich ihm zu. "Wir wären bescheuert, dich auszuschließen." Kai wandte sich ebenfalls um und sah in lange an. Dann, wie in Zeitlupe, hob er die Hand. Schlug mit dem Anderen ein. Besiegelte seinen Wechsel zu dem Blitzkriegboys. Tala nickte. "Wer hat sich eigentlich den bescheuerten Namen ausgedacht?", fragte er nach. Der Rothaarige rollte mit den Augen. "Spencer." Und das war alles, was es dazu zu sagen gab - keinen von beiden kümmerte es wirklich, wie das alles zustande gekommen war, oder wie sie nun hießen. Er hatte nur gefragt, weil er wusste, dass es Tala nervte. Aber nun, vielleicht würde dieser Schritt, dieser Tritt in den Allerwertesten, Tyson endlich aus seinem Schneckenhaus holen. Kapitel 7: ----------- Seine Hand zitterte. Vor Wut. Wie konnte dieser elende Kerl es nur wagen?! Dieser arrogante, selbstherrliche Kerl, der nichts verstand! Und das war Tysons Bruder, derjenige, der ihn am besten verstehen sollte. Derjenige, der ihm immer helfen sollte. Stattdessen lies er ihn allein. Kai war gegangen, damit Tyson endlich klären konnte, was los war. Damit er endlich entscheiden konnte, sich jemandem anzuvertrauen. Und was machte der Kerl hier vor ihm? Er lies seinen kleinen Bruder im Regen stehen! Mit langsamen Schritten ging er auf die Bowl zu. Daichi hatte doch schon einmal verloren, er konnte nicht glauben, dass dieser kleine Knirps schon soweit war, sich erneut mit ihm zu messen. Er war nicht Tyson. Er konnte nicht so schnell diese Hürde überwinden. Kai verspürte spontan das Bedürfnis, das Match zu schmeißen. Einfach aufzugeben. Das hier war alles so unter seiner Würde! Er sah Hiro an, welcher mit verschränkten Armen dasaß und keinen Gesichtsmuskel rührte. Wie nervig. Wie angeberisch, als verstehe er alles am besten. Nichts verstand er davon, was hier vor sich ging. Als hätte er eine Ahnung, wenn er doch jahrelang nicht auffindbar gewesen war?! Von wo hatte er den Japaner beobachtet, wo waren die Erfahrungen, die Tyson allein machen musste in dem Verständnis, dass Hiro angeblich hatte?! Kai fühlte sich wie ein Schnellkochtopf, der jeden Moment explodieren würde. Er musste sich auf die Zunge beißen, um seinem Unmut nicht laut Luft zu machen. Um seine Laune nicht zu zeigen. Diesen Sieg würde er dem Älteren nicht geben. Daichi sprang förmlich auf seinen Platz. Alberner Halbaffe. Wieso war Tyson nicht da? Egal, wie schlimm es ihm bisher je gegangen war, er hatte immer zu seinem Team gestanden. Hatte sie immer angefeuert und war da gewesen. Wo war der Junge, der Ray auf seinem Rücken den Berg hinaufgetragen hatte, obwohl er damit selbst beinahe zu spät zu seinem Kampf gekommen wäre? Der Junge, der ihm mit einem Grinsen geantwortet hatte, wann immer er mit ihm sprach? Der sogar mit einem verletzten Fuß weitergekämpft hatte? Wo war all das hin verschwunden? War es etwa ein Fehler gewesen, einfach zu gehen? Dabei war es doch immer dieselbe Ausrede gewesen, die Tyson verwendet hatte: Ich will das Team nicht ablenken. Das war doch jetzt hinfällig, da Kai kein Teammitglied mehr war. Was sollte er noch tun, damit sich sein Freund ihm anvertraute? Als der Startschuss ertönte, lies Kai sein Beyblade Ausdruck seiner Situation werden. Er schoss auf Hiro, der das unkommentiert lies. Tatsächlich ärgerte sich Kai noch mehr darüber, dass der Kerl nicht einmal zuckte, obwohl der Blade direkt neben seinem Kopf einschlug und mit großem Getöse wieder zurück in Kais Hand sprang. Er fing Dranzer wieder auf und schenkte dem Älteren einen Blick. Denselben Blick, den er von Tala bekam. Was war jetzt los? Ahnte sein Teamkapitän etwa, was los war? Verstand er, was für ein Chaos jetzt gerade in ihm vorherrschte? Kai schnaubte und setzte sich wieder hin. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Als er Tysons Stimme hinter sich vernahm, unterdrückte er ein Grinsen. Typisch dieser Junge. Immer erst alle verrückt machen und dann einen Auftritt hinlegen, den niemand anders so machen würde. Ein leichter Seufzer machte ihn darauf aufmerksam, dass das Gewicht, welches bisher auf sein Herz gedrückt hatte, verschwand. Tyson war hier und es ging ihm gut. Anscheinend besser denn je. Wenn es so weiterging, würde er noch eine Gelgenheit bekommen, gegen seinen ewigen Rivalen anzutreten. Und nichts anderes zählte. Kapitel 8: ----------- Kai seufzte leise. Die Stimme hinter ihm konnte nicht überhört werden. Wieso hatte Daichi nur so ein lautes Organ? Zum Glück hatten sie ihn nicht entdeckt, er hatte keine Lust darauf, schon wieder zur Rede gestellt zu werden. Tala sah ihn an und nickte in Richtung der BBA Revolution. Eine Aufforderung. Doch Kai schüttelte mit dem Kopf. Weder würde er rübergehen und mit ihnen reden, noch würde er dem Rothaarigen erklären, was eigentlich ablief. Er wusste es ja selbst nicht einmal genau. Tala schnaubte leise. Setzte sich in Bewegung und verschwand um die nächste Ecke. Wortlos folgten Bryan und Spencer. Taten die eigentlich auch mal was anderes, als am Hintern ihres Kapitäns zu kleben? "Kai." Ruhig wurde sein Name ausgesprochen und er erstarrte. Er weigerte sich, demjenigen zu begegnen, dem diese Stimme gehörte. Eine Antwort also schuldig bleibend setzte er wieder einen Fuß vor den anderen. "Ich habe dich etwas fragen wollen", ertönte es hinter ihm. Mit knirschenden Zähnen blieb er stehen. "Und was, Hiro?", fragte er leise. Was wollte Mister Selbstgerecht denn jetzt von ihm? "Was sollte das eben in der Arena?" Kai ballte die Hände zur Faust. Unterdrückte mühevoll einen genervten Ausruf. Hatte der Ältere ihn absolut nicht verstanden, oder machte er das extra? Nun, er tippte auf das letztere. "Was geht es dich an?", fragte er zurück. Sollte der Kerl nicht lieber sein eigenes Team aufräumen? Hiro setzte zu einer scharfen Antwort an, als eine neue Stimme dazwischen ging und sie beide aufhielt. "Onii-san, ich mach das schon. Lass einfach gut sein!" Kai drehte sich herum, sah in das ernste Gesicht seines besten Freundes. Tyson beachtete ihn im Moment nicht, war ganz auf Hiro fixiert, der irgendetwas davon brabbelte, dass man so eine gefährliche Aktion nicht unkommentiert lassen solle. "Das weiß Kai ja, und ich denke nicht, dass es sich wiederholt", brummte Tyson, als rede er mit einem Kind, das genauso bockig war wie er selbst. "Lass mich einfach mal machen, ja? Ich muss eh noch was mit ihm klären." Nicht nur Hiro hob bei diesem Satz eine Augenbraue. Aber der Blick seines Bruders bewirkte, dass der Neunmalklug verschwand. Stille kehrte zwischen ihnen ein. "Okay, sag es", brummte Kai und war auf exakt diesen Satz gefasst gewesen: "Warum bist du gegangen?" "Warum ist Ray gegangen? Warum Max?", fragte er zurück. Der Japaner senkte den Blick. Wollte sich die Wahrheit wohl nicht eingestehen. "Aber warum jetzt erst?" Kai blinzelte. Verschränkte die Arme vor der Brust, als könne das ihn beschützen. Aber der Tumult war in ihn, nicht von außen kommend. "Weil ich gegen dich antreten will, wenn du bereit dafür bist." Wenn er nicht mehr abgelenkt war. Wenn dieser traurige Ausdruck nicht mehr den Halbrussen selbst ablenken konnte. Wenn Kai guten Gewissens alles geben und sich in diese Kraft und den Kampf hinein fallen lassen konnte. "Nur deswegen?", bohrte der Japaner nach und Kai musste sich einen entlarvenden Kommentar verkneifen. "Du kennst meine Antwort", murrte er stattdessen, "Lass dich ja von niemandem vorher aus dem Turnier schmeißen. Und sieh zu, dass du wieder kämpfst, klar?" Weil es sonst sinnlos gewesen wäre, sich extra mit Tala zusammen zu tun. Weil er in einem offiziellen Kampf ein endgültiges Ergebnis haben wollte. Weil er sehen wollte, dass es Tyson gut ging. Und das ging nur, wenn sie miteinander kämpften. Auf dem Gesicht des Blauhaarigen erschien ein Lächeln. "Mache ich. Wir sehen uns dann, ja?" Kai nickte leicht. "Hm." Damit war sein Freund wieder verschwunden. Und Kai wusste, dass Tyson auch die ungesagten Dinge zwischen ihnen irgendwo begriffen hatte. Kapitel 9: ----------- Kai atmete tief durch. Einen Kampf mit Max sollte man nicht unterschätzen, der Blonde hatte sich seit damals enorm weiterentwickelt. Noch dazu war Max' Element das Wasser und seins das Feuer. Er musste alle Gedanken von sich schieben, alle Sorgen und Ablenkungen ausblenden. Und das tat er, als er den Weg zur Bowl einschlug auch. Max hatte ebenfalls einen ernsten Gesichtsausdruck, den man an ihm sonst selten sah. Er wirkte entschlossen, hier zu gewinnen. Kunststück - das war sein Ticket, um zu Tyson zu gelangen. Seinem wirklichen Gegner. Sie alle wollten nur Tyson besiegen, nicht wahr? Es war ihnen allen gleich wichtig - und doch fühlte sich Kai, als wäre er der Einzige, der durch alles Nebensächliche hindurch sah und wusste, dass sich hinter den Kulissen mehr abspielte, als Max oder Ray oder sonst jemand mitbekam. Er fühlte sich dem Japaner näher, als seine restlichen Freunde, davon war er mittlerweile überzeugt. Kai zog die Reißleine und konzentrierte sich jetzt nur noch auf den Kampf. Er hatte gewonnen. Sein blonder Freund war eine gute Herausforderung gewesen, aber er war nicht Tyson. Kai hatte sich nicht in die Ecke gedrängt und gefordert gefühlt. War es schon wieder so, dass nur sein bester Freund ihm die Stirn bieten konnte? Dass er sich nur bei Tyson fallen lassen konnte? Kai schluckte schwer - was er nie nach außen dringen lassen würde. Er blinzelte und versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Tala zog unterdessen in den Ring, was ihm egal war. Genauso, wie dieser Kerl, der nun antrat, Rick. Nur, weil er die Stärken und Schwächen seiner Gegner immer analysierte, sah er überhaupt zur Bowl. Tala hatte verloren. Wie konnte das sein? War dieser Typ wirklich gut? Nun, dann würde er ihn eben platt machen. Das hatte er verdient, nachdem er sich so negativ über die Blitzkriegboys ausgelassen hatte. Auch Kai hatte seinen Stolz auf sein Team. Seine Teams, wie auch immer. Niemand sollte sich darüber lustig machen. Sie hatten also gewonnen. Wie üblich, wenn er etwas anpackte. Jetzt konnte er seine Gedanken wieder fließen lassen und kehrte sofort zum Japaner zurück. Er war wieder im Team, das war gut. Was auch immer los war, er schien auf dem Wege der Besserung zu sein. Langsam, aber sicher war es wieder der Tyson, den sie alle kannten. Kai hatte sich vorgenommen, seine Nachfrage von seinem Kampf abhängig zu machen: Sollte er gewinnen, würde Tyson ihm antworten müssen. Sollte er verlieren, würde er schweigen und seinen Freund machen lassen. Nun war er nur noch entschlossener, seinen Kampf zu gewinnen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)