Von Asen & Devas von Flos_Sapientiae ================================================================================ Prolog: Von Asen erwählt ------------------------ Eine regnerische Nacht im späten Mai, eine junge Frau lag in den Wehen. Ihre Mutter half ihr bei der Entbindung, während ihre Schwiegermutter am Fenster stand, die Hände gefaltet. “Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui, Iesus… » « Inge!!! Du könntest mir ein bisschen behilflich sein!!!“, beschwerte sich Renate Smets während sie ihrer Tochter Martina beistand. „Tu ich doch!!“, erwiderte Inge Herman und umklammerte ihren Rosenkranz. „Ich rufe die heilige Jungfrau an, damit sie Martina beisteht!“ „Mir wäre aber es lieber wenn du mit anpackst! Beten kannst du dabei immer noch!!“ Martina schrie wieder unter Schmerzen ihrer Wehen. „Kleines!“ Renate wandte sich an ihre Tochter. „Willst du doch nicht lieber etwas gegen deine Schmerzen??? Ein bisschen Hanf-Tinktur?“ Doch Martina schüttelte ihren dunklen Lockenkopf. „Nein! Mama!! Ich gebäre ohne!!“ „Gut so, Martina!“, sagte Inge und glitt mit den Fingern über die Perlen ihres Rosenkranzes. „Die Schmerzen der Geburt ist die Buße dafür, dass Eva die Sünde über die Menschheit brachte.“ „Wenn es gegen Gottes Willen ist, dass Frauen die Geburtsschmerzen betäuben, dann hätten die Menschen das nicht entdeckt. Die Königin von England hat ein paar ihrer Kinder unter Betäubung zur Welt gebracht.“ „Sie ist ohnehin keine gute Christin. Regiert zwar ein riesiges Volk, einigt sie aber nicht unter dem Banner Christi, wie in Indien oder Afrika.“ „Wir sind beide keine Königinnen, wer weiß wie sie ihren Weg geht!“ Wieder schrie Martina auf. „Ah! Ich sehe den Kopf!!! Weiter Martina! Atmen!!!“ Einige Augenblicke später zerschnitt der Schrei eines Säuglings die Luft und Martina Herman sank erleichtert und erschöpft in ihre Kissen. „Es ist ein Mädchen!“, sagte Renate glücklich als sie und Inge zusammen das Kind von der Nabelschnur befreit hatten, es gebadet hatten und somit das Geschlecht überprüft hatten. „Ein Mädchen? Ich hatte für einen Jungen gebetet.“, sagte Inge. „Aber wie süß sie ist!“ Sie war auch über ihre Enkelin erfreut. „Ich gehe und hole Peter, er muss sie sich ansehen!“ Und Inge verließ den Raum. „Mama…“, sagte Martina erschöpft. „Bitte… ich will mein Kind haben…“ Renate nickte und wollte grad Martina ihre Tochter überreichen als sie plötzlich stockte. Das Baby hatte soeben die Augen geöffnet und Renate sah was. „Mama?“ „Naud?!“, fragte Renate sich laut. „Was?“ Renate guckte sich das rechte Auge ihrer Enkeltochter genauer an. „D… Das kann nicht sein!“ „Was denn? Stimmt etwas nicht mit meinem Kind?! Ist es missgebildet?!!“, fragte die junge Mutter panisch. „Nein… es ist schön, kräftig und gesund, aber…“ „Wo ist sie?!“, erklang die Stimme eines Mannes mit dunkelblonden Haaren, Backen- und Schnurrbart und blauen Augen. „Meine Tochter?! Wo ist sie?“ „Hier Peter.“, sagte Inge fröhlich und deutet auf Renate, die immer noch das kleine Mädchen hielt. Nach kurzem Zögern gab Renate, das Baby an ihren Schwiegersohn, er strahlte vor Glück. „Oh Martina! Das hast du toll gemacht!! Sie ist wunderschön!!“ „Ich… wüsste schon einen Namen… sogar einen germanischen wie es sich dein Vater wünschte…“, sagte Martina ermattet aber ebenso lächelnd. Renate war verwirrt. „Wigburg…“, sagte Martina. „So soll sie heißen… Wigburg… die kämpfende Beschützerin…“ „Ja Martina!“, stimmte Peter fröhlich seiner Frau zu. „So soll es sein, unser Engelchen soll Wigburg heißen und eine große Frau werden!“ „Dann muss aber ein ebenso großer Mann sie später zur Frau nehmen.“, sagte Inge, während Peter, seine Tochter endlich in die Arme ihrer Mutter legt. „Mutter!!! Das muss gefeiert werden! Im Lokal warten schon Thomas und Matthias, ich werde eine Runde spendieren!“ Und Peter ging mit seiner Mutter Inge dann raus. Renate und Martina waren mit dem Säugling allein und Martina wollte schon ihrer Tochter die Brust geben. Doch Renate beguckte sich das kleine Mädchen an, besonders ihr rechtes Auge. „Was ist denn, Mama?!“ „Ich hätte schwören können… aber… da war eine Rune!!!“ „Rune?!“ „Ja! Auf ihrer Iris! Als ob sie da eingeritzt wäre, aber jetzt ist sie weg!“ „Was war das für eine Rune?“ „Naud…“ Renate klang ernst und nachdenklich. „Naud?! Die Schicksals-Rune?!!!“, fragte Martina erschüttert. „Ja, laut dieser Rune, wird sie viel leiden müssen aber nicht vermeiden können. Aber das ist nicht das was mir Sorge bereitet. Immer, wenn eine von uns mit einer Rune im Auge geboren wurde, war sie mit Wodans Weisheit und seiner Kraft gesegnet. Wenn es stimmt, wird sie große Stärke besitzen, eine Meisterin der Kräuter sein und vielleicht sogar in der Lage sein die Macht der Runen zu nutzen.“ „Aber dafür muss sie leiden?!!! NEIN!! Dass kann nicht Allvaters Wille sein! Mein Kind soll ein glückliches Leben führen!!!“ „Das wird passieren aber sie wird auch viel Leid erleben. Wir werden mit der Zeit sehen, ob Allvater ihr wirklich seine Weisheit gegeben hat. Bis dahin…“ Renate kniete vor dem Wochenbett nieder, hielt ihrer Enkelin einen Finger hin und sagte bedeutungsvoll. „Naud ist Marter der Magd und mühsame Qual und elendes Leid. Wigburg, Tochter von Martina… Möge Wodan, unser Herr dich leiten und beschützen, auf dass unsere Linie weiterlebt. Wir, die von Wodan gesegneten Seherinnen, seine Walas…“ So begann mein Leben, von mir Wigburg Antonia Inge Herman, Tochter vom Händlergesellen Peter Wolfgang Herman und der Schneiderin Martina Herman. Zwei Jahre später kam meine kleine Schwester Elisabeth, Elisabeth Felicia Renate Herman. Töchter armer Eltern aber Enkeltöchter eines reichen Großvaters. Dadurch würden wir als bürgerliche ab der 8.Klasse in eine ordentliche Schule kommen. Doch endlich war ich 6 Jahre alt und der Tag meiner Einschulung da. Ich fand auch schnell ein Mädchen, namens Sarah mit dem ich mich rasch anfreundete. Ich fand auch ein paar andere Freundinnen aber allerdings merkte ich rasch, dass etwas nicht stimmt. Einige Kinder behandelten mich schlecht. Oft waren es Jungen, sie sagten immer wieder ich sei eine Hexe. „Warum sagt ihr sowas? Ich bin keine Hexe!!!“ „Mein Opa sagte immer Weiber, die grüne Augen haben, sind Hexen!!“ „Ich bin aber keine Hexe!!!!“ „Hey guck mal!!“ Einer der Jungs hatte in meine Schultasche gegriffen und hat was rausgezogen. „Was haben wir denn da???“ Er hatte ein Glas rausgezogen worin, eine Alraunenwurzel drin ist. „Hey!! Gib die mir zurück!!!“ Aber der Junge warf aber lachend das Glas zu seinem Freund, der es fing. „Hör auf damit!!! Die hab ich aus dem Garten meiner Oma und wollte sie Sarah, Julia und Luise zeigen!!“ „Du willst sie auch zu Hexen machen?! Dann muss du sie dir wieder holen!“ Schon warfen sie das Glas hin und her und ich konnte es nicht erwischen. Dann aber konnte einer es nicht fangen und das Glas zerbarst am Boden. Weinend fischte ich die Wurzel aus den Scherben, während die beiden Jungen lachten. „Was macht ihr da?!“ Es war Sarah, die mit Julia und Luise grad kam. „Sie hat versucht euch zu verhexen!!“, sagte der eine und deutete auf mich. „Das ist nicht wahr!!!!“ „Und was hattest du mit der Alraune vor?! Das ist doch eine Hexenpflanze!“ „Nein!!! Oma braucht die um Medizin zu machen!!“ „Woher willst du das wissen?!!“ „Genug, Kinder!!!“, hörten wir den Lehrer rufen. „Kommt sofort rein!! Der Unterricht beginnt!“ Wir gingen dann rein. Als ich zwölf wurde, bekam ich ein dickes, altes und in Leder gebundenes Buch von meiner Großmutter Renate geschenkt. „Das ist ein Erbe unserer Blutlinie.“, hatte sie gesagt. „Du und Elisabeth, macht uns stolz.“ Und sie hatte meinen Kopf gestreichelt. In diesem Buch waren Rezepte für Heil- und Rauschmittel, zusammen mit diversen Runenliedern. Das hatte ich sogar in die Schulpause mitgenommen um es zu lesen, so sehr liebte ich es, allerdings verstärkte es sogar den Glauben meiner Mitschüler und den einiger Dorfbewohner, dass ich eine Hexe sei. Das isolierte mich noch mehr, aber auch Lieschen wurde ausgeschlossen von den Schulkameraden. Trotzdem hielt sie zu mir. Aber Sarah, Julia und Luise? Julia und Luise wandten sich aus Angst und Druck der Menge von mir ab. Sarah, nun alleine stehend, wandte sich sogar an meine Peiniger, nicht nur weil ihr einer der fiesen Jungs sie mit schönen Worten umschmeichelt hatte. Am Ende schien sie es sogar auch zu glauben ich sei eine Hexe. Auch meine Konfirmation und Onkel Thomas‘ Worte, welcher Pfarrer war, halfen nicht. Oft kam ich mit verdreckten Klamotten heim oder ein paar meiner Schulsachen wurden gestohlen. Lieschen legte sich immer mal wieder mit ein paar der Kinder an, aber auch mir platzte immer mal wieder der Kragen von der ganzen Diskriminierung, so dass ich auch ein paar Kindern wehtat. Ich schämte mich dafür, ich fühlte mich als ob ich verflucht wäre. Lieschen gab mir aber immer wieder Mut, besonders durch unsere Träume, einmal die Welt zu erkundigen. Doch eines Abends hörten Lieschen und ich mal wieder unsere Eltern streiten. „Du hast sie schon wieder getroffen?!!“, schrie Mama wütend Papa an. „Das war purer Zufall! Sie ist nur eine Bekannte von einer Geschäftsreise!“ „Ja sicher, mit der du wie selbstverständlich das Zimmer teilst!“ „Es war kein weiteres Zimmer frei und es war nichts passiert!“ „Also mir hat sie erzählt dass Matthias dich dazu überredet hat mit ihr zu kommen! Und dass du verheiratet bist und Kinder hast, hast du nebenbei nicht erwähnt!“ „Matthias ist schon immer ein Dummkopf gewesen!! Martina, ich liebe dich und nur dich!“ „Wer’s glaubt! Wenn du mich lieben würdest, hättest du widerstanden. Ich bin dir wohl nicht mehr gut genug!“ „Würdest du dich mehr wie eine richtige Frau benehmen, hätte ich es nicht getan!“, platzte es aus ihm raus, offenbar um sich von seiner Schuld loszureden. Lieschen und ich zitterten hinter der Tür, Mama blieb hart. „Wie eine richtige Frau, sagst du?“ „Ja!! Die sich mit anderen Frauen zum Kaffeekränzchen trifft, sonntags Kuchen backt, den Haushalt macht und nichts über Botanik und Philosophie liest!! Die Mädchen erziehst du ohnehin falsch!“ „Lass die Mädchen daraus! Es geht nur um dich und mich!“ Mama glitzerten schon Tränen im Gesicht. „Oh doch!! Deinetwegen werden sie zu Möchtegern-Gelehrten und das steht einer Frau einfach nicht zu! Deinetwegen werden sie niemals anständige Männer heiraten!“ „NEIN“, gab ich von mir und unsere Eltern sahen zu uns, die hinter der Tür versteckt waren. Papas Gesicht wurde fahl, als er uns sah. „Du… liebst uns nicht?“, stotterte ich und rannte davon. Lieschen folgte weinend. „Wigburg! Elisabeth!!“ „Zu spät Peter!“, sagte Mama, todernst. „Diesen Satz werden sie dir nie verzeihen. Sie werden heiraten, nur keine dummen und schwachen Männer, wie ich es leider tat…“ Ihr tat der nächste Satz weh. „Du kannst demnächst zu deiner Metze gehen ohne schlechtes Gewissen zu haben… Ich will die Scheidung!“ „Das… kannst du nicht!!! Du als Frau…“ „Wer von uns beiden hat die Ehe gebrochen?“ Und Mama ging. Mama hatte es schwer aber sie bekam Recht. Während der Scheidungsprozess aber verlief, verging viel Zeit. Papa hatte schon längst unser Dorf verlassen. Als ich sechzehn wurde zogen wir in das Städtchen Birrekopp, wo auch meine Großmutter Renate wohnte. Wir lebten bei ihr bis wir eine eigene Wohnung haben würden. Dafür halfen wir Oma Renate und Opa Heinz daheim. Eines Tages klopfte es an der Tür. Oma machte auf. „Ja, was willst du?“ „Ich… ich bräuchte Ihre spezielle Hilfe…“ Ich erkannte Sahras Stimme, als ich grade Butter in der Küche stampfte. Sie klang sehr nervös und unsicher. „So? Seit wann weißt du dass du guter Hoffnung bist?“ Ich stockte und spitzte die Ohren. „Seit… seit zwei bis drei Wochen…“ „Wer war es? Und hat er dich mit Gewalt besessen?“ „Mein Liebster war es, aber…“ Sahras Stimme zitterte, ich konnte mir trotz dass ich nicht im selben Raum war, mir denken das sie weinte. „…Er hat mich nicht gezwungen!! Er hat sogar mir versprochen mich zu heiraten, aber erst später!“ „Hmmm… wenn du dich ihm freiwillig hingegeben hast, dann brauchst du meine Hilfe nicht, sondern solltest ihn so schnell wie möglich heiraten!“ „Darüber hab ich auch mit ihm gesprochen, aber er sagt er will noch nicht!!!! Er will es wenn er soweit ist. Aber wenn meine Eltern und er herausfinden dass…“ „Ah, so ist das!“, sagte Oma Renate und guckte verachtend. „Du hast Angst dass er dich verlassen würde wenn er von deiner Leibesfrucht erfährt. Nun, tut mir Leid, das hast du dir selbst eingebrockt! Du solltest mit ihn und mit deinen Eltern reden anstatt mich um sowas zu bitten!“ „NEIN!!! Bitte Frau Smets! Helfen sie mir!!! Ich bezahle auch dafür!“ „Ich treibe keine Kinder ab, die von ihren Müttern freiwillig empfangen worden sind und erst recht nicht gegen Geld! Der Himmel bewahre!“ „Oma!“ Ich trat herbei. „Geh du mal zu Mama, ich werde ein bisschen mit Sahra reden.“ Ich ging mit ihr hinters Haus. „Was willst du Wigburg?“ „Sahra, du solltest es ihm sagen, vielleicht heiratet er dich dann auch eher.“ „Aber er will noch keine Kinder! Ehrlich gesagt… er will überhaupt keine…“ „Und dann fickt er dich!!!“ „Wigburg! Sowas sagt man nicht!!!“ Ich war wütend. „Verdammt nochmal, so blind kann man nicht vor Liebe sein!!! Er ist schon in der Schule mit einigen Mädchen gegangen, bevor er dich hatte!“ „Aber er hat sich geändert!“, widersprach Sahra. „Er sagt ich sei was Besonderes und die anderen seien nur dumme Gänse und sehen nicht sein wahres Ich.“ „Das sagte er auch zu Angelika, Wilhelmine, Emilia, Laura…“ „Aber er liebt mich!!! Und nur mich!!!“ Sahra war wütend aber auch verzweifelt. „Du siehst nur schlechtes in ihm, nur weil seine Freunde dich drangsaliert haben!“ „Nur seine Freunde?!! Er war mehr als genug ganz vorn mit dabei! Zweimal hatte er mich auch dabei unsittlich angefasst!“ „DU LÜGST!!!“ „Dir zu liebe, auch wenn wir keine Freundinnen mehr sind, hatte ich es dir nie gesagt! Er liebt dich nicht! Er nutzt dich nur aus!!!“ „Nein tut er nicht!!!“ „Du blöde Kuh!!! Ich will dir nur helfen, unserer alten Freundschaft wegen!!“ „NEIN TUST DU NICHT!!!“ Sahra war in heftigeren Tränen ausgebrochen. „Du weißt nicht was wahre Liebe ist!!! Du hast eh nie gewusst was richtig war! Du wirst nie wissen was wahre Liebe ist!“ Das nervte mich so!! „Derjenige der mich wirklich liebt, denkt an mein Wohl und steht mir immer zur Seite, egal was kommt. Er würde auch nicht einfach abhauen wenn es ernst wird oder ich was von ihm bitte! Ich glaube eher, DU weißt nicht was Liebe ist!“ Sahra stand nur da und stockte, während ihre Tränen flossen. Ich dagegen ging zu Omas Kräutergarten und rupfte ein Bund Petersilie aus. „Das tu ich nur weil wir einst Freundinnen waren. Koch daraus einen Sud und trink ihn. Aber glaub mir! Das Kind wirst du unter Schmerzen verlieren!“ Sahra starrte mich an. „Alles in dieser Welt hat seinen Preis… Bezahl auch dafür!“ Sie ging schweigend. Ich sah dass, Oma aus dem Fenster uns zugesehen hatte. Ebenso schweigend gehe ich auch ins Haus und würdigte Oma beschämt keines Blickes. „Frigga, verzeih dem Auge deines Gemahls…“, meinte ich sie flüstern gehört zu haben. Ich hatte genug, dass Sahra sich das gefallen ließ und beschloss was dagegen zu unternehmen! Ich wusste dass er immer gerne trinken geht mit seinen Freunden und dass er früher dem Lehrer auch mal was aus der Tasche geklaut hatte, so als Mutprobe. Also wartete ich bis zum nächsten Freitag, wo er sich wieder mit seinen Freunden traf und trinken würde. Ich wartete draußen bis ich die Jungs drinnen das Trinklied singen hörte und ich wusste, dass sie genug getrunken haben. Dann schlich ich mich rein, suchte mir den nächsten Herrn mit der größten Geldbörse aus und steckte heimlich dessen Börse in die Tasche von Sahras ach so großer Liebe. Im Suff hatte er nix gemerkt und hatte seine ungewollte Beute mit nachhause genommen, ich dagegen war schon längst selber nachhause gegangen. Natürlich wurde er wegen Diebstahls dran gekriegt, tja blöd für ihn dass, er sich schon in der Schule an der Tasche des Lehrers vergriffen hatte. Dafür wurde er drei Wochen ins Zuchthaus gesperrt, aber auch nur weil er betrunken war und keinen Pfennig ausgegeben hatte. Sahra war am Boden zerstört als sie davon hörte. Ich hoffte so sehr dass sie dann endlich von ihm los kam. Aber! Genau einen Tag bevor er entlassen wurde traf ich Sahra völlig glücklich mit einem großen Koffer am Brunnen auf dem Marktplatz. „Sahra! Was machst du hier?! Und wozu der Koffer?!“ „Ich bin von Zuhause ausgerissen und werde mit ihm durchbrennen!“ Vor Schreck ließ ich den Korb Äpfel, den ich grad bei mir hatte, fallen. „Wie bitte!? Du hängst immer noch an ihn!!!?“ „Er hatte mir gesagt, irgendwann laufen wir weg und fangen zusammen was Neues an!“ „Ganz bestimmt am Anfang, aber ich zweifle dass er sich dran erinnert!“ „Das tut er!!! Er hat‘s mir versprochen!!!“ „Nachdem was er dir angetan hat, waren das nur leere Worte! Bestimmt hat er dich in dieser Zeit vergessen!“ Sahras Blick wurde auf einmal anders, grade zu psychotisch. „Sahra?“ „Jetzt verstehe ich es… Du hast es ihm angehangen… Ich wusste er war unschuldig!“ Ich stockte, weil es ja auch stimmte. „Warte Sahra, das…!“ „Du hast gehofft dass er im Zuchthaus mich vergisst, damit du ihn danach mir wegnimmst!!“ „WAS?!!! Hast du nicht mehr alle Latten am Zaun?!!! Warum sollte ich ihn dir wegnehmen?!!! Jemand der mich gequält hat??!!!“ „Was weiß ich was in deinem kranken Hexen-Hirn abgeht! Du hattest bestimmt mir nie mein Glück gegönnt! Ich mit wohlhabenden Eltern, ohne eine Hexe als Großmutter, ohne selbst eine Hexe zu sein und mit jemanden der mich wirklich liebt!“ Voller Wut stürmte ich schreiend auf Sahra und warf sie zu Boden. „NENNE MICH NIE WIEDER EINE HEXE, DU VERBLENDETES PARANOIDES MISTSTÜCK!!“ Sahra schrie vor Angst und streckte mir die Geste der Feige entgegen. „WEICHE VON MIR, MIT DEINEM BÖSEN BLICK!!!“ Erschrocken ließ ich sie los, mein rechtes Auge fühlte sich seltsam warm an, als ob ich da Fieber hätte oder es geglüht hätte. Die Leute starrten uns an. „Ich hatte ehrlich Mitleid. Jetzt hasse ich dich abgrundtief! Und ich habe nicht den bösen Blick!!!“ Immer noch starrte man uns an als ich mit Zornestränen meiner Wege ging. Immer wieder fasste ich mir, voll Verwirrung ans Auge. Aber am nächsten Morgen, fanden zwei Waschweiber Sahra tot am Flussufer. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf, was wohl die Todesursache war. Wer es war, war schnell klar und ihr Liebster war schnell gefasst. Nach langem Verhör, gestand er mit ihr in einen Streit geraten zu sein, weil sie unbedingt mit ihn fliehen wollte, Sahra ihm aber lästig geworden wäre. Er beteuerte aber er habe sie im Zorn geschubst und sie sei aus Versehen auf einem Stein gelandet, der sie auch tödlich verletzt hatte. Aus Angst vor Strafe hatte er ihre Leiche in den Fluss gestoßen. Aber es half nichts! Er wurde später wegen Totschlags zu lebenslanger Haft verurteilt. Das hatte mich getroffen, auch wenn mein Peiniger im Zuchthaus sitzen würde und Sahra mich verraten und beleidigt hatte. An ihrem Grabe flossen auch meine Tränen. „Und? Glaubst du es mir jetzt? Jetzt wo es zu spät ist…“ „Das ist deine Schuld!“, hörte ich hinter mir Sahras Vater wütend zischen. „Du hast sie ins Unglück gestürzt!! Mit dem Bösen Blick hast du sie verflucht!“ „Das stimmt nicht!“, rief Lieschen die dazu gekommen war um ihre Blumen abzulegen. „Sie hat den Bösen Blick nicht!!!“ „Das stimmt…“, kam es von Sahras große Schwester Marianne. „Daran ist Wigburg nicht schuld. Es war seine Schuld, dieser…“ „Man hat aber gesehen wie sie den Bösen Blick auf Sahra angewandt hatte!!! Gestern auf dem Marktplatz!!“ „Das war bestimmt Einbildung!!!“, widersprach Elisabeth, ich schwieg weil ich mir unsicher war ob da nicht wirklich was an meinem rechten Auge gewesen war. „Bestimmt, Papa. Hätte Wigburg versucht Sahra zu schaden, hätte sie es viel früher getan und bestimmt nicht in aller Öffentlichkeit wo es jeder sehen konnte!“ Ich war gerührt von Mariannes Worten. Doch ich sprach: „Irgendwie, tragen wir alle eine gewisse Schuld: Der Kerl wegen seinem übergroßem Ego, Sahra wegen ihrer Naivität, Ich weil ich nicht energischer sie aufgehalten hatte und auch ihr, die ihr hättet beistehen können als er im Gefängnis gesessen hatte, um ihr zu zeigen dass sie nicht alleine ist und nicht zu ihm gehen muss. Niemand hier trägt alleine die Schuld und ich habe sie auch nicht verflucht, auch wenn ich sie für einen Moment lang gehasst habe. Ich hätte eine alte Freundin nie verflucht.“ Sahras Vater schwieg verwundert über meine Worte, während Lieschen mit mir vom Friedhof gingen. Als ich fast siebzehn war und Lieschen vierzehn war, besuchten wir ab und zu unseren Vater, der jetzt in einem anderen Dorf wohnte. Nur immer wenn wir ihn besuchten, waren immer Matthias und ein zwei ihrer gemeinsamen Geschäftspartner dabei plus mindestens zwei ihrer Söhne, Neffen oder Enkel. Immer bestand Papa, betont diskret und ohne direkten Andeutungen, dass wir viel Zeit mit den jungen Männern verbringen sollten. Lieschen und ich merkten rasch Papas Absicht uns zu verheiraten zu wollen. Ganz bestimmt um Mama eins auszuwischen, weil er habe die richtigen Freier für uns ausgesucht. Aber immer wieder versauten Lieschen und ich seine Pläne, ich mit meinem Intellekt und Sarkasmus und Lisabeth mit ihrem Eigensinn. Papa kam es mit der Zeit wie verhext vor, tja selber schuld! Des Abends lagen wir beide in unserem Zimmer in unseren Betten. Ich schrieb in mein Tagebuch und Elisabeth flocht mir die Haare, bevor sie auch ihre zum Schlafen flocht. „Das dämliche Gesicht von dem Lackaffen heute Nachmittag hättest du sehen sollen. Wie er über Astronomie geredet hatte als ob er Ahnung hätte, hatte ich ihm vom Stern „Caput te“ im Sternbild „in anus est“ erzählt.“ „Aber das heißt doch beides „dein Kopf ist im A…““, sagte Lieschen lachend. „Ja!!!“, kicherte ich. „Als Onkelchen Matthias das übersetzt hat, was hat er dämlich geguckt und wie beleidigt er war!“ „Lustig aber etwas geschmacklos, Schwesterchen.“ „Naja, langsam gehen mir die Ideen aus.“ Ich seufzte entnervt. „Papa ist so ein Idiot geworden. Lieber kriecht er der Gesellschaft in den Hintern anstatt die Gefühle seiner Töchter zu respektieren.“ „Ich will noch nicht heiraten! Und erst recht keinen, den ich nicht liebe!“, klagte Lieschen. „Ich auch nicht… Außerdem will ich was erleben bevor ich heirate. Eine große Stadt sehen wie Paris oder London.“ „Oder Bombay, da soll es doch Tiger geben.“ „Soweit willst du weg?“ „Ja, aber nur wenn du dabei bist.“, sagte Lisabeth. „Davor hab ich auch Angst. Wenn wir heiraten, werden wir bestimmt getrennt.“ „Och Lieschen…“ Ich nahm sie in den Arm. „Nie im Leben lass ich dich allein. Am besten wir lachen uns zwei Brüder an.“ „Mindestens beste Freunde, damit wir immer zusammen sind.“ „Genau. Niemals werden wir auseinander gehen, oder?“ „Niemals, niemals.“ Wir hakten unsere kleinen Finger zum Schwur ineinander. Opa Wolfgang hatte einige Geschäftspartner im Ausland, besonders im englischen Königreich. Aber als er im späten Winter des Jahres 1888 starb, kam heraus, dass er Schulden bei einem Geschäftspartner hatte. In seinem Testament hatte er vermerkt, dass wir, seine Enkel, die Schulden durch Arbeit bei diesem Geschäftspartner abbauen sollten. Nur waren unsere Vettern studieren und unsere Basen relativ frisch verheiratet, also blieb es an mir und Lieschen hängen. Unser Vater war damit einverstanden, insgeheim hoffte er bestimmt, dass wir in England adelige oder zumindest reiche Männer treffen würden, die uns freien könnten. Als ob wir so nachgiebig wären wie unsere Basen… Der Sommer kam. Im Hinterhof wuschen wir drei, große Laken im Waschbottich, später würden sie zum bleichen und trocknen auf die Bleichwiesen gebracht werden. Auf einmal kam ein Postbote herbei. „Ähm… Die Fräuleins Wigburg und Elisabeth Herman?“, fragte er. Ich und Lieschen bejahten. Der Postbote zog einen Brief mit einem dicken Wachssiegel raus. „Ein Brief aus London.“ Er übergab den uns und wir öffneten ihn. Er war in feiner Handschrift verfasst und in Englisch. Ein bisschen konnten wir englisch sprechen und lesen. Darin stand: Sehr geehrte Misses Wigburg und Elisabeth Herman, Mit Freude teile ich Ihnen mit, dass ich das Angebot eures Vaters und eurer Onkel annehme, euch als meine Hausmädchen auf Zeit einzustellen, bis die Schulden meines geschätzten Geschäftspartners Wolfgang Herman beglichen sind. Ich erwarte euch in den ersten zwei Wochen des kommenden Dezembers, in meiner Stadtvilla in London. Meine Adresse dafür werdet ihr vor eurer Ankunft in London erhalten. Als bald und mit freundlichem Gruß Earl Ciel Phantomhive „Weißt du was das heißt, Schwesterherz???!!“, fragte ich, als ich den Brief ein zweites Mal durchgelesen hatte. Lieschen grinste mich an. „Wir werden nach England fahren!!“ „WIR FAHREN NACH ENGLAND!!! HURRAAAA!!!“ Wir freuten uns riesig, raus aus dem verschlafenen Nest, raus in die weite Welt!! Unserer Mutter tat es schon in der Seele etwas weh, aber wir waren schon je 18 und 16 Jahre alt, eindeutig alt genug. Bis zum Winter übten wir uns im Haushalt und in der englischen Sprache. Wir nähten uns sogar eigene Dienstmädchen-Kleider. Schließlich, im darauffolgenden Winter, verabschiedeten wir uns von unseren Eltern, die uns bis zum Hafen in Hamburg begleitet hatten. Von da aus würden wir mit dem Schiff nach London fahren und das würde einen Tag und eine Nacht dauern. Als wir an Bord gingen und das Schiff ablegte, winkten wir noch lange ihnen nach, die stolz aber auch wehmütig dreinblickten. Ich und Lieschen konnten uns aber auch die eine oder andere Abschiedsträne nicht verkneifen. Wir gingen recht früh in unsere Kabine, wir waren sehr erschöpft von der Reise mit Zug und Kutsche. Was wird uns erwarten? Was für Leute werden wir treffen? Was für neue Abenteuer werden wir erleben? Kapitel 1: Ankommen ------------------- Es gibt Dinge die erscheinen unvorhergesehen, scheinen danach aber doch vorher bestimmt. Und mancher Weg erscheint zuerst aussichtslos, führt aber zum Ziel. Es ist eine Geschichte mit einigen Wirrungen und die will ich euch erzählen: Das deutsche Kaiserreich im 19. Jahrhundert. Hier, genauer im Großherzogtum Hessen leben wir, ich, mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Elisabeth. Unser Städtchen war eher klein, ländlich aber recht zentral und wurde in unserer Mundart Birrekopp genannt. Wigburg Herman so war ich genannt, naja ganz genau Wigburg Antonia Inge Herman. Aufgrund der Tatsache, dass mein Großvater Wolfgang Herman sehr geachtet und reich war durch seine Handelsgeschäfte, wurde ich mit mehreren Vornamen gestraft, wie das ja bei adeligen oft vorkam, oder bei denen die sich für adelig hielten, wie mein Großvater. Außerdem bestand er, als glühender Richard Wagner-Fan, darauf, dass ich, die erstgeborene seines jüngsten Sohnes, einen germanischen Namen bekäme. Die anderen Namen stammten von je der Urgroßmutter mütterlicherseits und Großmutter väterlicherseits. Bei Lieschen, meiner Schwester hatte seine Frau, Oma Inge mehr zu sagen. Als bibeltreue Christin schlug sie den Namen Elisabeth vor, der Name der Mutter von Johannes dem Täufer und der Schutzheiligen unseres Herzogtums, Elisabeth von Thüringen. Elisabeth Felicia Renate Herman, war ganz anders als ich, sie war wild und ungebunden und ließ sich von niemanden was sagen. Sie konnte hervorragend mit großen Tieren wie Rindern, Pferden oder großen Hunden umgehen und fürchtete sich vor nichts. Sie sah auch ganz anders aus als ich, sie war goldblond gelockt mit mittellangen Haaren und hatte himmelblaue Augen und war von zierlicher, agiler Statur. Ich dagegen hatte braune, wellige, hüftlange Haare und tiefgrüne Augen. Ich war zwar relativ schlank, aber ziemlich kräftig und ein bisschen drall geformt. Ich war eher ruhigen Wesens und beschäftigte mich mit Pflanzen, besonders Heilkräuter. Das einzigste was uns optisch verband war nur ein Leberfleck je auf unserer linken Wange, den sich feine Damen oft erst aufmalen mussten. Meine andere Großmutter Renate hatte mir das alte Wissen der Kräuterweisen beigebracht, dass durch die weibliche Blutlinie ihrer Familie weitergegeben wurde, meistens von Mutter zu Tochter, in meinem Fall eher von Großmutter zur Enkelin. Auch wenn sie auch gläubig war, erzählte sie mir und Lieschen oft Geschichten von den Göttern unserer Vorfahren, die man manchmal auf der Bühne bei Wagners Nibelungenring wieder fand, dessen Musik und überhaupt vormittelalterliche Sachen, wie die Germanen, Römer und antiken Griechen und Ägypter, grade total angesagt sind. Oft verglich ich mich und Lieschen mit den Götterbrüdern Baldur und Hödur, wobei ich eher den im Hintergrund stehenden Hödur darstelle und Lieschen den von allen beliebten Baldur. Obwohl sie mehr Freunde und Verehrer hatte als ich, war sie nicht hochnäsig deswegen und liebte mich sehr, und ich liebte auch mein Lieschen. Großvater Wolfgang und Großmutter Inge verachteten die bäuerliche Familie meiner Mutter, was vielleicht mitgewirkt hatte bei der Scheidung unserer Eltern, als ich 14 Jahre alt war. Eine Scheidung war damals ein absoluter Skandal, besonders wenn die Frau sie verlangte. Meine Mutter Martina machte sich nichts draus, sie legte immer Wert darauf, dass wir genug Liebe und Geborgenheit bekamen. Alleine, als Schneiderin von Beruf, schaffte sie es irgendwie uns über die Runden zu bringen, Schulbildung bezahlte Opa Wolfgang. Dieser hatte einige Geschäftspartner im Ausland, besonders im englischen Königreich. Aber als er im späten Winter des Jahres 1888 starb, kam heraus, dass er Schulden bei einem Geschäftspartner hatte. In seinem Testament hatte er vermerkt, dass wir, seine Enkel, die Schulden durch Arbeit bei diesem Geschäftspartner abbauen sollten. Nur waren unsere Vettern studieren und unsere Basen relativ frisch verheiratet, also blieb es an mir und Lieschen hängen. Unser Vater war damit einverstanden, insgeheim hoffte er bestimmt, dass wir in England adelige oder zumindest reiche Männer treffen würden, die uns freien könnten. Als ob wir so nachgiebig wären wie unsere Basen… Der Sommer kam. Im Hinterhof wuschen wir drei, große Laken im Waschbottich, später würden sie zum bleichen und trocknen auf die Bleichwiesen gebracht werden. Auf einmal kam ein Postbote herbei. „Ähm… Die Fräuleins Wigburg und Elisabeth Herman?“, fragte er. Ich und Lieschen bejahten. Der Postbote zog einen Brief mit einem dicken Wachssiegel raus. „Ein Brief aus London.“ Er übergab den uns und wir öffneten ihn. Er war in feiner Handschrift verfasst und in Englisch. Ein bisschen konnten wir englisch sprechen und lesen. Darin stand: Sehr geehrte Misses Wigburg und Elisabeth Herman, Mit Freude teile ich Ihnen mit, dass ich das Angebot eures Vaters und eurer Onkel annehme, euch als meine Hausmädchen auf Zeit einzustellen, bis die Schulden meines geschätzten Geschäftspartners Wolfgang Herman beglichen sind. Ich erwarte euch in den ersten zwei Wochen des kommenden Dezembers, in meiner Stadtvilla in London. Meine Adresse dafür werdet ihr vor eurer Ankunft in London erhalten. Als bald und mit freundlichem Gruß Earl Ciel Phantomhive „Weißt du was das heißt, Schwesterherz???!!“, fragte ich, als ich den Brief ein zweites Mal durchgelesen hatte. Lieschen grinste mich an. „Wir werden nach England fahren!!“ „WIR FAHREN NACH ENGLAND!!! HURRAAAA!!!“ Wir freuten uns riesig, raus aus dem verschlafenen Nest, raus in die weite Welt!! Unserer Mutter tat es schon in der Seele etwas weh, aber wir waren schon je 18 und 16 Jahre alt, eindeutig alt genug. Bis zum Winter übten wir uns im Haushalt und in der englischen Sprache. Wir nähten uns sogar eigene Dienstmädchen-Kleider. Schließlich, im darauffolgenden Winter, verabschiedeten wir uns von unseren Eltern, die uns bis zum Hafen in Hamburg begleitet hatten. Von da aus würden wir mit dem Schiff nach London fahren und das würde einen Tag und eine Nacht dauern. Als wir an Bord gingen und das Schiff ablegte, winkten wir noch lange ihnen nach, die stolz aber auch wehmütig dreinblickten. Ich und Lieschen konnten uns aber auch die eine oder andere Abschiedsträne nicht verkneifen. Wir gingen recht früh in unsere Kabine, wir waren sehr erschöpft von der Reise mit Zug und Kutsche. Was wird uns erwarten? Was für Leute werden wir treffen? Was für neue Abenteuer werden wir erleben? Die Schiffsglocken weckten uns am Morgen. Rasch zogen Lieschen und ich uns an, denn es würde bald an Land gehen! Doch bevor das Schiff im Hafen anlegte, kam der erste Offizier zu uns mit einem Telegramm. Es war von Earl Phantomhive mit der Adresse seiner Stadtvilla in London. Kaum hatten wir aber das Schiff verlassen, war das nächste Problem da: Wohin sollen wir gehen??? Wir beschlossen jemanden zu befragen und fanden auch gleich eine Menschentraube die um eine Straßenlaterne versammelt war. „Ähhh…“, begann ich unsicher einen fein gekleideten Mann anzusprechen. „…Excuse me, Sir… Aber können Sie uns helfen? Wir…“ „Äh… Wigburg…“ Lieschen zupfte mich am Ärmel und deutete auf das was an der Straßenlaterne hing. Uns beiden entwich ein entsetzter Schrei, als wir den halbnackten und gefesselten Mann sahen, der kopfüber an der Laterne hing. Er schien bewusstlos und hatte einen Zettel an der Brust hängen, mit krakeliger Handschrift und dem Abbild einer herausgestreckten Zunge drauf. Der grad angesprochene Herr und eine daneben stehende Dame wandten sich zu uns beiden um. „What? Ihr habt noch nichts davon mitgekriegt?“, fragte der Mann verwundert. „Äh, nein, haben wir nicht. Wir sind grade erst aus Deutschland gekommen.“, antwortete Elisabeth dem Mann. „Ach so…“ „Wie und warum konnte das passieren?“, fragte ich mich laut und starrte auf den gefesselten, der von uniformierten Polizisten runtergeholt wurde. „Keine Ahnung…“, stammelte die Lady daneben. „Aber seit Tagen werden so Männer aus dem Adel angegriffen und zur Schau gestellt.“ Der Herr, offenbar ihr Ehemann, versuchte sie mit Worten zu beruhigen. „Das waren ganz bestimmt radikale Anachristen!!!“, flüsterte ich zu Elisabeth, natürlich auf Deutsch. „Ja, bestimmt!! Zu Hause machen die auch Randale gegen den Kaiser! Das war bestimmt eine Gruppe von 10 Mannen!“ „Ja, einer schafft das unmöglich alleine, zusammen schlagen, entkleiden, fesseln und aufhängen!“ Elisabeth nickte heftig und zustimmend. „What did you say?“, fragte der Herr neugierig. „Ähh… nothing special.“, antwortete Elisabeth. Sie setzte fort: „Aber könnten Sie uns helfen? Wir sind auf der Suche nach der Stadtvilla des Earl Ciel Phantomhive.“ „Earl Phantomhive? Der Wachhund Ihrer Majestät, der Königin?“ Wir nickten, obwohl wir verwundert waren über den Titel des Earls. Der Mann überlegte kurz bevor er antwortete. „Dafür gehen Sie die Straße entlang, nehmen die 3.Straße links, dann die 2. Rechts. Die Villa ist dann nicht zu übersehen. Aber verirren Sie sich nicht, sonst landen Sie im East End und da treiben sich Diebe, Meuchler und Dirnen rum! Kein Ort für anständige Mädchen.“ „Okay, Danke, Sir!“ Wir schnappten unsere Koffer und folgten den beschriebenen Weg. Schließlich erreichten wir eine Villa. Am Eingangstor erkannten wir das Wappen des Earls, was wir schon auf dem Wachssiegel auf unserem Brief gesehen hatten. Zaghaft klingelten wir an der Haustür, einige Augenblicke später öffnete jemand die Tür… Kapitel 2: Lahntöchter & Gangessöhne ------------------------------------ Die Tür öffnete sich und es guckte eine junge Frau mit kurzen roten Zöpfen und einer sehr großen Brille raus. Die hatte ein üppiges Dienstmädchen-Kleid mit passender Haube an. „Äh… wen darf ich melden?“, fragte sie unsicher. „Wir…“, antwortete ich. „Wigburg Antonia Inge Herman…“ „… und Elisabeth Felicia Renate Herman. Der Earl erwartet uns.“, fügte Lieschen zu. Das Hausmädchen lächelte auf einmal erfreut. „Ach so… die Hausmädchen aus Deutschland!! Ja, der junge Herr erwartet euch! Kommt rein…“ Wir traten ein und stellten erleichtert unser Gepäck ab und zogen unsere dicken Mäntel aus. „Herzlich Willkommen in England und in unserem Haus. Ich bin Maylene, das Hausmädchen.“ „Angenehm.“ „Nice to meet you. “ An der Treppe der Eingangshalle standen je ein Mann und ein Junge, beide blond. Der Mann war in weißer Kleidung und hatte eine brennende Zigarette im Mund. Der Junge hatte ein beiges Shirt, Handschuhe, Stiefel und Strohhut an, dazu trug er Karo-Hosen. Er hatte Reisig im Arm und Haarspangen im Haar. „Das sind Bardoy, unser Koch und Finnian, unser Gärtner“ Die beiden erwähnten sahen uns neugierig aber freundlich an. „Hi…“, sagte der kleine Gärtner. „Ich bin Finny.“ „Hallo Finny.“ „Tach… Bard.“, antwortete der Koch grinsend. Seine Aussprache klang gröber und lässiger als die von Maylene und Finny. Auf unseren fragenden Blick, antwortete Maylene leise: „Bard ist aus Amerika, verzeiht seine Manieren.“ „Ach so.“ Deswegen sprach er anders als die Engländer. „Yōkoso…“, ertönte es und wir beide erblickten einen alten Mann mit schmalen Augen. Er war offenbar aus Asien, einen Mensch asiatischer Herkunft sahen Elisabeth und ich zum ersten Mal. „Herzlich Willkommen im Hause Phantomhive.“, sagte der Alte mit einer tiefen Verbeugung. Sein Akzent klang etwas rau, aber sehr würdevoll. An die anderen Angestellten gewandt sprach er weiter: „Der junge Herr ist grade beschäftigt, ich soll unseren neuen Angestellten das Haus zeigen. Bringt schon mal ihr Gepäck auf ihre Zimmer.“ Maylene, Bard und Finny nickten und schnappten sich unsere Koffer und Mäntel. Wir folgten dem alten würdevollen Mann, der uns später sagte er wäre aus Japan und bevorzuge es „Tanaka-san“ genannt zu werden. Er zeigte uns Haus und Hof, und erklärte mir und Lisabeth was wir für Pflichten hätten und wer noch auf dem Anwesen lebte. „Äh, der junge Herr… ist das der Earl?“, fragte ich unsicher Tanaka-san. „Hai, seit dem frühen und tragischen Tod seiner Eltern ist der junge Herr das Oberhaupt der Familie Phantomhive.“ „Oh… wie traurig…“ „Und warum kann der junge Herr uns nicht persönlich empfangen?“, fragte Elisabeth, als wir grade an einem Zimmer vorbei gingen, wo ein gellender und wütender Schrei eines Jungen ertönte, der wohl sich genervt fühlte. „Der junge Herr geht seinen Studien nach, außerdem haben wir Gäste.“ „Gäste?“, fragte ich verdutzt. „Davon hat der Earl nichts in seinem Brief erwähnt.“ Der Alte gluckste amüsiert: „Sie sind gestern eher spontan zu uns gekommen. Es handelt sich dabei um einen Prinzen und seinen Diener. Sie stammen aus Indien.“ „EIN PRINZ????!!!!“, quiekten Lieschen und ich aufgeregt. Das war eine unerwartete Überraschung, jemanden aus so hohen Adel im Haus zu haben und noch dazu aus einem fernen, exotischen Land, von dem wir vielleicht über Händler, Kaffeekränzchen und Bücher erfahren haben. Tanaka-san lächelte nur und schüttelte leicht den Kopf. „Genauer stammen sie aus dem Königreich Bengalen, aber die Herren werden sie erst morgen kennen lernen.“ Er war etwas belustigt über unsere Reaktion. Naja, so manches junge Mädchen träumt davon einen Prinzen kennen zu lernen und wir waren nah dran. Während Tanaka-san uns die Hausregeln erklärte, tuschelten Lieschen und ich miteinander. „Wahnsinn! Ein Prinz hier im Haus!!“ „Und noch dazu aus dem Orient! Bestimmt sieht er gut aus!“ Lieschen errötete. Ich kicherte. „Ob er groß ist?“ „Bestimmt!“ Am Abend empfing uns doch noch der junge Herr, er stellte sich vor und machte mit uns den Vertrag, der uns verpflichtete solange in seinem Dienst zu bleiben bis die Schulden abgearbeitet sind. Natürlich würden wir Lohn bekommen, aber geringer als Maylene, da ein Teil davon auf die Schulden drauf geht. Danach gingen wir schlafen. Morgen müssten wir früh raus. Der Morgen kam, Tanaka-san weckte uns und verteilte an uns Bedienstete die Aufgaben. Nach dem Frühstück würde ich Vorbereitungen für das Mittagessen machen und Lieschen solle den Tisch im Speisesaal decken. Ich stand also in der Küche und schnippelte eine Gurke für Gurkensalat, der an poschierten Lachs mit feiner Minze serviert werden sollte. Dabei achtete ich peinlich genau darauf, dass die Scheiben ungefähr die gleiche Dicke hatten, ich arbeitete ja jetzt für einen englischen Earl und in England achtet man auf Ordnung und Feinheiten. So bemerkte ich nicht, dass sich hinter mir die Tür öffnete und jemand eintrat. „Oh… ich hoffe ich störe dich grade nicht.“ Es war die Stimme eines Mannes, mit schmeichelnden Klang. Ich wandte den Kopf und war sehr überrascht von der Erscheinung. Der junge Mann, der mich grade angesprochen hatte, trug einen eleganten, schwarzen Frack, weiße Handschuhe und blank polierte Schuhe. Sein Haar war ebenso schwarz und glänzte wie Seide, seine Haut war sehr blass und die Augen rot wie Blut. Er sah verboten gut aus, so einen attraktiven Mann bin ich bisher noch nicht über den Weg gelaufen und dennoch… irgendwie empfand ich neben meiner Begeisterung und Faszination auch leichtes Unbehagen. Er kam mir so leicht unheimlich vor, wie ein Raubtier. Knallrot starrte ich ihn an und schwieg. „Wir sind uns noch nicht begegnet, wenn ich mich nicht irre. Mein Name ist Sebastian Michaelis. Der Butler des Earl Ciel Phantomhive. Und wie ist dein Name, Miss?“ „Ähhhh… Wi…Wigburg Herman… Ich bin seit gestern hier…“ Die Röte wich nicht und mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Dieser Sebastian kam mir näher zum Tisch und betrachtete das was ich grade machte. „Hm… gut geschnitten… sehr lobenswert…“ „Ähmmm… Danke, ich gebe mir Mühe…“ „Wigburg…“, wiederholte Sebastian meinen Namen mit seiner Seiden-Schmeichler-Stimme. „ >Kämpfende Beschützerin< oder so ähnlich bedeutet es, wenn ich mich nicht irre.“ „J…Jawohl… Großvater wollte dass ich diesen Namen kriege…“ „Anscheinend um seine Familie als besonders angesehen zu präsentieren, oder?“ „Schon, irgendwie… wenn es aber nach Opa Wolfgang gegangen wäre, hieße ich dann bestimmt Brünnhilde oder Gutrune. Mutter hatte da aber was dagegen…“ Ein leichtes Glucksen war von Sebastian auszumachen. „Das scheint eine taffe Frau zu sein, deine Mutter.“ „Ja…“ Während wir sprachen, schnitt ich weiter an der Gurke rum. Ich achtete aber nicht auf meine Finger, so sehr lenkte mich der schwarzhaarige Butler ab. Ich hätte mir bestimmt einen Finger abgehackt hätte ich im Augenwinkel nicht auf einmal was Schwarzes blitzen sehen. Ich drehte den Kopf danach, sah aber nichts, sah aber dann, dass ich nicht mehr das Messer in der Hand hatte. „Äh… was?“ „Du bist wohl etwas verträumt und lässt dich leicht ablenken, oder?“ Der Butler hatte lässig das Messer zwischen seinen Fingern und guckte mich tadelnd an. „A…Aber wie?!“ Er gab mir einfach das Messer zurück und wandte sich zum Gehen. Ich blieb einfach zurück und starrte vor mich hin. Unheimlich aber ein verdammt toller Hecht, dachte ich mir. Lisabeth hatte einen Stapel Geschirr und suchte den Speisesaal. Nur leider hatte sie sich hoffnungslos verlaufen und war stattdessen im Wintergarten gelandet. Frustriert ging sie umher bis ihr ein junger Mann ganz in schwarz entgegen kam. Lieschen verdrehte den Kopf um ihm nach zu sehen und errötete. Der Mann blieb stehen. „Das ist der falsche Weg zum Speisesaal.“, sagte er. Lieschen zuckte vor Überraschung zusammen. „Woher wissen Sie…“ „Du musst Elisabeth Herman sein. Tanaka-san hat dich beordert die Teller in den Speisesaal zu bringen.“ „Ja, stimmt… ich hab mich verlaufen, Mister…“ „Sag einfach Sebastian zu mir.“, antwortete er und lächelte sie charmant an. „Ich geleite dich gerne zum Speisesaal, wenn du möchtest.“ „Gerne…“, antwortete Lisabeth verlegen und folgte dem Butler. „Was für eine Aufgabe haben Sie denn?“ „Ich bin der Butler des jungen Herrn.“ „Ach so… Einen Butler sehe ich zum ersten Mal. Was macht der junge Herr grad?“ „Er erledigt geschäftliches und will nicht gestört werden. „Elisabeth“… „Gott ist mein Schwur“ wollte dein Großvater dass du so heißt??“ „Nö aber Oma wollte es so… meistens nennt man mich Lisabeth oder Lieschen…“ „Gut, dann bevorzuge ich Lisabeth, weil die Verlobte des Earl auch auf den Namen Elisabeth hört“ Lieschen musste kichern als sie das hörte. Im Speisesaal angekommen sollte Lisabeth den Tisch decken und sie gab sich große Mühe. Sebastian betrachtet ihr Werk und schüttelt unzufrieden den Kopf. „Ist irgendwas?“ „Unvollkommen… Das Besteck ist total falsch gelegt und die Gläser stehen nicht an ihren dafür bestimmten Platz. So kann der junge Herr und Prinz Soma nicht speisen.“ „Ja aber… so habe ich es gelernt und wo soll das alles sonst…!“ Sie wandte sich wieder dem Gedeck zu und staunte. Die Gläser und das Besteck waren ganz anders angeordnet als vorher. „Was zum Teufel?!“, keucht sie verdattert. „Als Butler der Phantomhives sollte ich dazu in der Lage sein derlei Kleinigkeiten perfekt zu beherrschen.“ Lieschen wandte den Kopf. Der Butler stand auch an einer ganz anderen Stelle als vorher. „Aber wie???“ „Sollst du dich besser nicht um deine anderen Pflichten kümmern??? Wenn ich mich Recht entsinne solltest du mit Finnian den Schnee im Hof zur Seite schieben.“ „Jjjjj…ja, natürlich. Wird gemacht!!!!“ Lieschen rannte sofort in den Flur und zog sich warm an. Finny wartete schon draußen, aber Lieschen musste über die Geschehnisse nachdenken. Etwas später am Tag, kam Sebastian wieder zu mir. Er beauftragte mich damit dem indischen Prinzen Soma Asman Kadar Tee zu servieren, den sein Butler zuvor gekocht hatte. Ich war total auf geregt, ich war die erste die den Prinzen zu Gesicht bekam. Er saß in der Bibliothek und soll lernen, aber den Tee soll er trotzdem bekommen. Kaum haben wir die Bibliothek betreten und ich meinen Blick von den Büchern gerissen hab, entdeckte ich beim Tisch jemanden der da saß und auf seinem Buch eingenickt ist. Ich konnte nur sehen dass er wellige lila Haare hatte und feine Kleidung an hatte die mit Gold und Edelsteinen besetzt war. Ein aufforderndes Räuspern Sebastians brachte mich dazu auf die Person zu zugehen. Ich stellte das Tablet mit dem Tee ab und räusperte mich etwas um den Prinzen zu wecken. Da er nicht reagierte, tippte ich ihn leicht an der Schulter an. „Entschuldigung… ähm… wacht auf!“ Der Prinz erhob sich und rieb sich die Augen. „Was…?“ Er starrte mich verdutzt an genauso wie ich ihn auch. Was sich mir bietet, enttäuschte mich etwas. Er war nicht hässlich das stimmt, zu seinen lila Haaren kamen goldene Augen und dunkle Haut dazu. Abgesehen vom Mohren beim Grenzgang, der in Wirklichkeit nur mit Ruß bemalt ist, hatte ich noch nie in meinem Leben eine Person mit dunkler Haut gesehen. Auch wenn es mir sehr ungewöhnlich vorkam, passte es zu ihm. Mich störte allerdings das er jünger war als ich, ich dachte er wäre 20 oder so, aber er war noch ein Jüngling, etwa 16 oder 17 Jahre alt. „Wer bist denn du???“, fragte er mich. Sein English war klar zu verstehen auch wenn sein Akzent etwas rollend und babbelnd war. „Oh, verzeiht meine Unhöflichkeit…“, plapperte ich und machte einen Knicks. „Ich heiße Wigburg und ich bin ab heute das neue Hausmädchen.“ „Neues Hausmädchen???“ Der Prinz stand auf und betrachtete mich. Ich bemerkte dass er etwas kleiner war als ich, genauso groß wie Lieschen. Das hab ich auch noch nie erlebt, ich war schon immer in der Klasse körperlich die größte, aber dass mal ein Mann kleiner war als ich hätte ich nie gedacht. „Du bist aber groß!“, meinte der Prinz und ging um mich herum, während er mich betrachtete. „Ja… war ich schon immer…“ „Aber hübsch…“ Dabei blickte er mir direkt in die Augen. „Hara?“ „Was???“ „Deine Augen… die sind ja grün… Hara.“ „Ach so… ja…“ Ich merkte dass, mein English schlechter war als seins. Naja, bei seinem Rang und daraus resultierenden Reichtum, hatte er bestimmt bessere Bildung genossen. Was hatten die Geschäftsfreunde von Opa Wolfgang bei ihren gemeinsamen Abenden gespottet, wie ungebildet dunkelhäutige seien. Der Prinz war das lebende Beispiel das dem nicht so ist. „Bist du Prinzessin???“, fragte jetzt der Prinz neugierig. „Ähhhhhhh… Nein… ich bin von bürgerlicher Geburt.“ Sebastian sah seelenruhig zu. „Ah so… Ich dachte bei deinem Aussehen dass, du von hoher Kaste seist.“ „Kaste??? Ähm… nein ich bin Bürgerin und eine Prinzessin würde wohl kaum als Dienerin arbeiten…“ „Auch wieder richtig. Sag mal…“ Auf einmal grinste er spitzbübisch. „Magst du später mit mir nach Indien kommen und in meinem Palast arbeiten?“ „Ich?!“ Das war eine unerwartete Bitte. „Ich… ich weiß nicht ob ich so weit weg von Zuhause… und ich wäre bestimmt total ungeeignet für Eure Dienste…“ „Hm… ganz bestimmt nicht!“, lachte der Prinz. „Der König, mein Vater, würde sich bestimmt über dich freuen!“ Dabei gab er mir einen lauten Klaps auf den Hintern der mich zusammenzucken ließ. „HEY!!! SPINNST DU???!!!!“, brüllte ich ihn wütend und versehentlich auf Deutsch, an, während ich meinen Hintern rieb. Auch der Prinz zuckte zusammen. „Was?!“ „What shall that mean!!??? Also das lasse ich mir nicht bieten!!!“ „Was denn??? Der Klaps? Alle Männer tun das…“ „ABER NICHT BEI MIR!!!! SO EINE FRAU BIN ICH NICHT, DU HOLZKOPF!!!“ Jetzt wurde er wütend, während Sebastian verständnislos den Kopf schüttelt. „Wie hast du mich grade genannt???!!!“ „Holzkopf, genau das bist du!!“ „Unverschämtes Weibstück!!! Du weißt wohl nicht mit wem du es zu tun hast??!!!! So redet keiner mit dem 26. Prinzen des bengalischen Königreichs!!“ „Pah, selbst wenn du der Kaiser bist, sowas lasse ich mir nicht bieten!!!! SO GEHT NIEMAND; ABSOLUT NIEMAND MIT MIR UM!!!“ Daraufhin drehte ich mich um und stapfte raus. Dabei knallte ich die Tür zu dass ein Buch aus dem Regal fiel. „Miststück…“, brummte Prinz Soma. „Auch wenn ihr Ausbruch ziemlich übertrieben war, hatte sie Recht.“, antwortete Sebastian, während er das Buch aufhebt und es ins Regal zurück stellte. „In England und in ihrer Heimat ist so eine Gestik nicht gern gesehen. Und offenbar hat sie einen empfindlichen Stolz.“ Der Prinz brummelt immer noch. Ansonsten verlief der Vormittag friedlich. Dann kam das Mittagessen, der Lunch. Elisabeth war mit dabei um die Speisen zu servieren. Immer wieder sah sie zum Prinzen, der mit den Fingern aß. Das wunderte sie sehr, war aber fasziniert von ihm. Als sie das Dessert, Crème brûlée mit Ingwer und Kardamom, servierte, fiel sie unvermeidbar dem Prinzen ins Auge. Sie lächelte ihn an. „Wer bist du denn, Mädchen?“, fragte er sie neugierig. „Elisabeth Herman… und ihr seid?“ „Bitte, belästige meine Gäste nicht, Lisabeth!!“, mahnte am anderen Ende des Tisches der junge Earl, etwas entnervt. „Och, Ciel lass sie doch… Ich will nur mit ihr quatschen.“ Wieder an Lieschen gewandt: „Ich bin Prinz Soma Asman Kadar. Der 26. Prinz des Königreichs Bengalen.“ Von dem Titel blieb Lieschen unbeeindruckt und lächelte weiter. „Ihr seid also der Prinz von dem Tanaka-san erzählt hat? Es freut mich euch kennen zu lernen.“ „Gleichfalls, und wo kommst du her?“ „Aus Deutschland, genauer dem Großherzogtum Hessen.“ „Wie groß ist dieses Reich??? Sehr groß?“ „Äh… das weiß ich nicht. Hab ich mich nie gefragt….“ „Gibt’s da auch einen heiligen Fluss wie bei uns daheim?“ „Heiliger Fluss?“, fragte Lieschen verwirrt. „Bei uns in Bengalen fließt der Ganges, der heiligste Fluss im Hinduismus.“ Ganz offensichtlich wollte er Eindruck schinden. „Oh ähm… naja, Flüsse gibt es bei uns reichlich…“, antwortet Lieschen. „Die Lahn zum Beispiel ist dicht bei mir Daheim, aber heilig ist sie nicht… Sie fließt in den Rhein, der ist groß und berühmt, aber heilig… ne…“ Der Prinz hatte mit der Reaktion nicht gerechnet und guckte verdutzt. „Christen verehren allgemein keine Flüsse.“ „Ach so… stimmt… Ihr hellhäutige seid ja ganz anders.“ „Ja, aber das liegt bestimmt nicht daran.“, kichert Lieschen. Die Tür ging auf, ich kam mit dem Servierwagen rein um das Geschirr abzuräumen. Ich sang dabei: „…Sah ein Knab ein Röslein steh‘n, Röslein auf der Heide, war so jung und morgenschön, lief er schnell es nah zu sehn…“ Sebastians‘ Räuspern beendete mein munteres Singen. „Nicht vor dem jungen Herrn!“, mahnte er leise. „Entschuldigung…“, flüsterte ich während ich die Teller auf den Wagen lud. „Mir hatte es gefallen, Miss.“, antwortete mir daraufhin eine tiefe, samtige Stimme die einen ähnlichen Akzent aufwies wie der Prinz. Die kam von einem jungen Mann, der genauso dunkle Haut wie der Prinz hatte. Er hatte aber kurze, schneeweiße Haare, wovon zwei dünne, lange Strähnen über seine Schulter hingen und mit silbernen Perlen verziert waren. Seine Augen waren gräulich-blau, wirkten kühl aber sein Blick war warm und freundlich, so dass ich unwillkürlich zurück lächeln musste. Auf dem Kopf trug er einen weißen Turban und ansonsten einen dunkelgrünen Mantel mit gelb-weißer Schärpe und weißer Hose. „Ähm… danke Mister…“ „Sag einfach Agni zu mir, Miss. Ich bin der Butler des Prinzen.“ „Agni…“, wiederholte ich. „Ok, gerne, Sie können mich ruhig Wigburg nennen, auf den Namen bin ich getauft.“ „Sehr wohl.“, antwortete mir der indische Butler mit einer leichten Verbeugung, dabei legte er seine rechte Hand aufs Herz. Ich erschrak kurz, denn seine Rechte war bandagiert. Offensichtlich hatte er eine Verletzung an der Hand und dennoch dient er seinem Herrn immer noch? Ich nahm schließlich den Teller von Prinz Soma, wobei wir uns giftige Blicke zuwarfen. Grummelnd, ohne ein falsches Wort zu verlieren, verließ ich den Speisesaal. Auch der Earl erhob sich und wurde von Sebastian raus geleitet. Prinz Soma grummelt: „Diese arrogante, dumme…“ „Was ist?!“, fragte Lieschen. „Habt ihr was gegen meine Schwester?“ „Wie? Öh…?“ Der Prinz guckte überrascht abwechselnd zu Lisabeth und in die Richtung in die ich gegangen bin. „DAS war deine Schwester?“ „Ja.“, antwortet Lieschen wie selbstverständlich. „Das war meine große Schwester Wigburg.“ „Ihr seid wirklich Schwestern?“, fragte jetzt der indische Butler, worauf Lieschen nickte. „Wohl kaum aber von derselben Mutter.“, meinte Prinz Soma kleinlaut. „Doch… Gleicher Vater, gleiche Mutter. Was habt Ihr denn gedacht?“ „Ähm… Nichts! Es ist nur… dass…“ „…Dass wir so unterschiedlich aussehen?“, setzte Lieschen den Satz des Prinzen fort. „Auch. Naja, du bist nett und sie ist eine Mecker-Ziege!“ „Wie bitte?! Ne! Wiebchen ist die Freundlichkeit in Person. Sie zickt normalerweise selten.“ „Hat sie aber!!!“, protestiert der Prinz. „Sie hat mich beleidigt und einen Holzkopf genannt!“ „Oooookaaaay…? Da muss es ein Missverständnis gegeben haben, sowas sagt sie niemals ohne Grund.“ „HAT SIE ABER!!!“ Lieschen blieb unbeeindruckt. „Ich rede mal mit ihr, weil ich kann es mir nicht vorstellen dass sie ohne Grund ausflippt.“ Und Lieschen geht. Etwas später war ich in der Küche um das Geschirr abzuspülen. Lieschen kam dazu um abzutrocknen. „Ganz schön viel los heute, nicht?“ „Oh, ja und noch dazu in so einem riesigen Haus… Da weiß man nicht wo vorn und hinten ist.“ „Aber der Butler des Earl ist toll!“ „Oh ja! Sehr…“, kicherte ich. „Aber der indische Butler ist auch nicht schlecht.“ „Na groß genug ist er ja!“, lachte Lieschen. „Den Prinzen finde ich süß!“ „Von mir aus…“, antwortete ich verstimmt. „Sag mal was ist dir für eine Laus über die Leber gelaufen?“ „Die du grad süß genannt hast!“ „Was ist eigentlich los mit euch beiden?“ „Der Kerl ist ungezogen! Hat mich beglotzt und mir auf den Hintern geklapst!!!“ „Aaaaaach so… Na dann ist alles klar. Aber du weißt doch wie die hohen Herren sind.“ „Sowas lasse ich mir aber nicht gefallen!!!“ „Ich mir auch nicht aber du hättest nicht unbedingt so ausflippen müssen. Besonders nicht am ersten Tag.“ „Er hat es aber nicht anders verdient!!!“ Ich blieb hart. „Ach komm, auf kurz oder lang müsst ihr euch vertragen. Am besten ihr beide entschuldigt euch.“ Fast hätte ich vor Wut einen Teller zerdeppert. „Ich entschuldige mich erst, wenn dieser Schnösel sich zuerst entschuldigt!!!“ „Oh Mann… Du und dein Dickkopf…“,seufzte Lieschen entnervt. Ich würde mich wirklich nicht sofort entschuldigen… Kapitel 3: Böse Überraschung und Vertragen ------------------------------------------ Der erste Tag ging zu Ende. Recht spät fielen wir in unsere Betten und waren auch schnell eingeschlafen. Spät in der Nacht, lang nach Mitternacht, hörte Lieschen ein Geräusch das nach etwas zerbrechendem klang. Dann rasche Schritte auf der Treppe. Neugierig legte sie sich ihre Decke um und schlich auf Zehenspitzen raus. Als sie die Treppe hochgegangen war und zu den Schlafzimmern kam hörte sie ein Poltern im inneren eines der Gästezimmer. Zum Poltern hörte sie Worte in einer für sie unverständlichen Sprache. „Prinz Soma?“, dachte sie für sich. Sie konnte hören dass er sogar schluchzte, das traf sie tief. Dann hörte sie seine Stimme nur noch gedämpft aber ein Wort verstand sie kristallklar. „Agni…“ Das wunderte sie sehr, drum schlich sie zuerst wieder zurück zu den Unterkünften der Bediensteten um im Zimmer des indischen Butlers nach zusehen, aber da war niemand! „Irgendwas ist doch ganz faul!!“, murmelt Lieschen und geht in mein Zimmer. „Ey!!! Wach auf!!!“ „Lass mich… Die Wäsche muss erst morgen gewaschen werden…“ „Wiebchen!!! Schwester, jetzt wach auf!!!“ Müde erhob ich mich. „Was ist los?“ „Irgendwas stimmt nicht! Der Prinz macht Randale und sein Butler ist nicht da! Dass muss zusammenhängen!“ „Na und? Was geht mich das an?“ Ich knäulte mich in die Decke zurück. „Wir müssen helfen verdammt nochmal!!! Wir sitzen im selben Boot!“ „Warum?! Er hat doch das Problem… Kümmre du dich um ihn, du findest ihn doch süß…“ „Das hat nichts damit zu tun!!! Wir sind nun zusammen in einem Haus und müssen deshalb zusammen halten!!!“ Immer dieses Diskutieren, darin war sie hartnäckig wie kein anderer! „Mir egal… ich will schlafen… Morgen wird ein harter Tag und da müssen wir alle ne Mütze Schlaf holen…“ Lieschen platzte der Kragen, rupfte mir die Decke weg und ich purzelte hart auf meinen Steiß. „AUA!!!!!!!!!!!!!!!“ „WIGBURG HERMAN!!!! Jetzt ist genug mit deiner Bockerei!!! Wir müssen beide ihm helfen! Nicht nur weil wir jetzt Angestellte hier sind, sondern weil es unsere christliche Pflicht ist! Dem Prinzen geht’s echt dreckig, also komm gefälligst mit und hör es dir an!!!“ „Hrmpf… Na schön… aber nur damit du Ruhe gibst!“ Und ich folgte Lieschen zu Prinz Somas Zimmer, in dem jetzt zwei Stimmen zu hören waren. ~„…Ihr befindet Euch hier in England, in der Villa von Earl Phantomhive und nicht in Eurem Schloss in Indien.“~ „Sebastian?“, flüsterte ich und Lisabeth legte den Finger auf dem Mund, zum Schweigen. ~„Hier seid Ihr nichts weiter als ein Jüngelchen und habt nicht das geringste Recht mir irgendwelche Befehle zu erteilen!“~ Die Kälte mit der Sebastian mit dem Prinzen redete ließ auch Lieschen und mich zittern, die an der Tür lauschten. Auch dem Prinzen schien anders zu sein. ~„Ohne Mister Agni seid ihr ein ohnmächtiges kleines Kind. Und eben dieser Mister Agni auf dem ihr Euch immer verlassen habt, hat Euch nun verlassen.“ „Stimmt… Jetzt habe ich nichts mehr. Ich habe alles verloren…“~ Immer noch so kalt kicherte der Butler und sprach höhnisch: ~„Verloren? Wie es scheint leidet Ihr wohl an Verfolgungswahn! Ihr habt nichts verloren! Denn Ihr habt noch nie etwas besessen.“~ „Hör auf.“, wispert Lieschen. Ich konnte nur nickend zustimmen. Das war sadistisch und gemein wie er jetzt mit dem Prinzen redete. Er hatte keinen jungen Mann vor sich, sondern ein kleines, verängstigtes Kind. ~„Euer Land habt Ihr von euren Eltern bekommen, euer Schloss habt ihr von Ihnen bekommen und Eure Diener ebenfalls. Euch hat von Anfang an nichts gehört. Habe ich nicht Recht?“~ „Das reicht…“, flüsterte ich. Der Butler hörte sich grade zu diabolisch an, dass der Prinz mir richtig Leid tat. ~„Und was Mister Agni angeht, habt ihr ihn schon länger in Verdacht, nicht wahr? Ihr hattet nur nicht den Mut, es alleine Herauszufinden.“ „DAS IST NICHT WAHR!!!“~, schrie der Prinz, bevor ein „WUMM!!“ an der Tür ertönte, das auch uns zusammen zucken ließ. Offenbar hatte der Butler die Tür zugehalten, bevor der Prinz die Flucht ergreifen konnte. Ich und Lisabeth zitterten verängstigt. „Was macht ihr beiden hier?“ Wir quietschten erschrocken, erkannten dann aber den jungen Earl. „Earl Phantomhive?“ „Tut… Tut uns leid… wir dachten, wir könnten irgendwie helfen…“ Der Earl seufzte entnervt. „Na schön… da ihr ohnehin Lunte gerochen habt, geht runter zu Lau. Er wird euch alles erklären. Aber wehe ihr sagt was zu den anderen!!!! Ich bestehe darauf dass ihr die Zuverlässigkeit eures Großvaters habt.“ „Jawohl.“, antworteten wir im Chor und gingen runter in den Salon. Dort saß ein chinesischer Mann, der an seiner Tasse Tee nippte. „Sind Sie Mister Lau???“, fragte ich. „Ja, der bin ich, meine Lieben. Und mit wem, bezauberndes, hab ich die Ehre?“ „Wigburg und Elisabeth Herman. Wir sind die Enkeltöchter eines Geschäftspartners des Earl.“ „Ah so… Der junge Earl hatte da etwas erwähnt…“, säuselte der Chinese selig vor sich hin. „Was geht hier vor, Mister Lau?“, fragte Lisabeth und der Chinese erzählte davon, dass Prinz Somas Butler sich heimlich rausgeschlichen hat und offenbar mit einem Mann Geschäfte machte, der wohl die Lieblingsdienerin des Prinzen entführt hatte, weswegen der Prinz überhaupt nach England gekommen ist. „Dieser Agni hat seinen Herrn verraten?“, fragte Lieschen. „Das kann nicht sein!“, platzte es aus mir raus. „Er könnte doch nicht… Er war doch so nett…“ „Wigburg…“, sprach Lieschen im bitterernsten Ton. „Eigentlich wissen wir beide am besten, dass selbst die loyalsten Leute Verrat begehen können, oder hast du alles vergessen?!“ „Nein…“, antwortete ich mit einem leichten Stich aus Zorn und Trauer. „Wie meinen???“, fragte Lau. „Ach schon gut, es ist nichts.“, gab Lisabeth zurück. Wir setzten uns auf ein Sofa neben Lau, der seelenruhig seinen Tee trank. Etwas später kamen der Earl, Sebastian und sogar Prinz Soma in den Salon. Der war überrascht als er uns sah. „Was macht ihr…?“ „Wir haben mitgekriegt was passiert ist.“, sagte Lisabeth. „Und… wir… wir wollen Euch helfen.“, gab ich zögerlich zu. „Was?!“, fragte er verwirrt. „Wir kennen dieses Gefühl… Wigburg und ich wurden schon ein paarmal von jenen verraten, denen wir am meisten vertraut haben…“, antwortete sie, dabei dachten sie und ich an ein paar bestimmte Personen. „Wir können nur Euch nur unseren Beistand anbieten um Euer Leid etwas zu lindern. Und…“ Ich konnte selber nicht fassen dass ich es grade sagte: „… ich… ich entschuldige mich für das was heute passiert ist. Ich bitte Euch um Verzeihung dass ich Euch beleidigt und angeschrien hab.“ Lieschen und auch der Prinz guckten überrascht. Doch Lieschen lächelt im Hintergrund triumphierend. „Nein, du musst dich nicht entschuldigen! Ich habe mich schlecht benommen, ich bitte dich um Vergebung.“, sagte der Prinz mit einer leichten Verbeugung, wobei er seine Hände dabei zusammenlegte. Das überraschte mich noch mehr. „Na schön… dann vergeben wir uns beide. Frieden?“, fragte ich lächelnd. „Frieden.“ Der Prinz lächelt auch. Lisabeth war höchst zufrieden. Die Herren begannen darüber zu reden, wofür dieser fremde Mann, West genannt, Agnis Dienste gebrauchen könnte und dadurch die ganze Sache ins Rollen gebracht hatte, denn offenbar gingen auch die gefesselten Adeligen an den Straßenlaternen auch auf sein Konto. Und offenbar nutzte der Kerl die entführte Dienerin als Druckmittel um ihn gefügig zu machen. Der Earl und Sebastian mutmaßten dass er Agni für eine Ausstellung über Englands Kolonie Indien brauchte, wo ein Wettbewerb im Currykochen stattfand. „Was ist Curry?“, fragte ich, doch Lieschen knuffte mich, damit die Herren weiterredeten. Der Gewinner des Currywettbewerbes würde der königliche Hoflieferant werden und somit gesellschaftlichen Aufstieg erleben. Entsetzt meinte der Prinz dass niemand gegen seinen Butler gewinnen könnte, als Ciel Phantomhive erwägt mit zumachen bzw. zu gewinnen. Der indische Butler soll nämlich die „rechte Hand der Göttin Kali“ besitzen, wodurch er nicht nur übermenschliche Stärke besaß sondern auch göttlich gutes Curry kochen könnte. Weder Ciel noch Sebastian schienen davon beeindruckt. „Die spinnen, die beiden…“ dachten Lieschen und Ich, während wir uns verwirrt anguckten. Kapitel 4: Ein Wettbewerb ------------------------- Nach einer sehr kurzen Nacht, wachten wir früh morgens auf. Sebastian war bereits in der Küche am Kochen. Er versuchte sich an Curry, was sich für mich und Lisabeth als Gewürzsoße herausstellte. Prinz Soma schmeckte es nicht, was daran lag, dass keine frischen Gewürze verwendet worden sind. Also… Zwei Tage später kamen, mit Laus Hilfe, Säckeweise exotische Gewürze ins Haus und keine zwei Stunden später, hatte Sebastian so viele und verschiedene Currys gekocht, dass er mindestens 30 Mann damit hätte satt kriegen können. Und der arme Prinz musste alle kosten, zum Glück hatte er mich, Lieschen, Bard, Finny und Maylene als Hilfe um alles auf zu essen. Dann braucht man sich aber auch nicht auszumalen, dass uns allen rasch die ganze Tunke uns zu den Ohren raushing, sogar auch Prinz Soma. Allerdings fand der Prinz ein Curry das dem seines Butlers sehr ähnlich war, aber es fehlte was… Auch dieser Tag ging zu Ende. Lieschen und ich hatten nach der Curry-Schlacht genug und wollten was Süßes. Aus dem alten Weißbrot und einigen eingelegten Kirschen machten wir Kirschmichel, eine Süßspeise die unsere Großmutter immer sonntags gemacht hatte wenn wir zu Besuch waren. Grade als ich die Auflaufform mit dem Kirschmichel rausholte kam Prinz Soma, etwas scheu in die Küche rein. „Was macht ihr hier?“, fragte Lieschen, die grade Löffel, zum Essen geholt hatte. „Ich wollte nicht alleine sein.“ „Warum seid Ihr nicht bei Earl Phantomhive??? Oder bei den anderen???“, fragte ich und stellte die heiße Auflaufform auf den Tisch. „Ciel ist beschäftigt, genauso auch die anderen… Was habt ihr denn da???“ „Kirschmichel.“, antwortete Lisabeth lächelnd. „Wollt ihr mal kosten?“ Etwas misstrauisch guckte er in die Form. „Was ist da drin???“, fragte er, während Lisabeth schon einen dritten Löffel holt. „Naja, Milch, Eier, Kirschen und das alte Weißbrot von vorgestern.“, gab ich als Antwort. „Ihr isst altes Brot???!!!“, fragte der Prinz verdattert. „Ja… aber keine Sorge.“, kicherte Lieschen und reichte ihm einen Löffel. „Da ist kein verschimmeltes Brot drin und wir haben das ein Dutzend Mal gekocht und gegessen, und leben noch munter weiter.“ Wir beide begannen den Kirschmichel aufzuessen, während Prinz Soma kurz zögerte. Schließlich versuchte er es auch. „Nicht schlecht…“, meinte er erstaunt. „Aber… etwas lasch… Da fehlt Würze…“ „Tja…“, mampfte Lieschen. „Wenn man es sich leisten kann, kam auch mal etwas Zimt oder ein paar Mandeln rein.“ „Zuhause in Deutschland essen wir nicht so gewürzt, aber ziemlich deftig.“, sagte ich. „Ernsthaft?!“ „Ja.“, sagte Lieschen. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ihr so viele Gewürze für nur ein Gericht braucht!!“ „Und ich kann nicht glauben dass ihr altes Brot isst!“ Wir alle mussten lachen. „Wenn man arm ist, lässt man sich was einfallen.“, antwortete ich. „Dafür dass, das hier ein Armengericht ist, ist es besser als ich dachte.“ „Tja, seht Ihr?“, sagte ich. „Arm sein ist nicht immer schlimm, man muss zwar mehr selber machen, aber damit kann man leben.“ „Das werde ich nie erfahren.“, mampft der Prinz mit vollem Mund. Nach kurzer Zeit war die Auflaufform leer. „So, das wars…“, meinte Lieschen gesättigt und räumte die Form weg. „Könnt ihr nicht noch eine Portion machen?“, fragte Prinz Soma leicht bettelnd. „Ne…“, antwortete ich. „Das alte Brot ist aufgebraucht.“ „ Dann nimmt frisches!“ „Das ist schlecht. Wir dürfen nicht ohne Erlaubnis an die frischen Vorräte gehen und wenn man frisches Brot nimmt, wird der Michel nur matschig.“, erklärte ich und wischte den Tisch und die Arbeitsfläche ab. „Sebastian sollte den Abwasch machen, du kannst schon mal das Wasser dafür einlaufen lassen, Wigburg.“, meinte Lieschen und ich nickte. Prinz Soma sah etwas betrübt aus, als er den Abwasch mit den vielen Curry-Töpfen sah. Lisabeth sah das und legte tröstend die Hand auf seine Schulter. „Wir kriegen das hin… Sebastian ist schon ganz nah dran.“ „Keiner kann Agni schlagen…“ „Er ist doch auch nur ein Mensch, genau wie Sebastian. Auch wenn der unglaublich ist.“, sagte ich lächelnd. Am nächsten Morgen präsentierte Sebastian das nächste Curry. Zu unser aller Überraschung fand Prinz Soma, das ist das richtige Curry sei um seinen Butler zu bezwingen. Grade noch rechtzeitig, zwei Tage vor dem Wettbewerb! Sebastian meinte zu seinem Herrn dass er auf jeden Fall gewinnen würde und zwar weil er auch noch ein Ass im Ärmel hätte. Dann am Tag der Ausstellung und des Wettbewerbes ging es in den „Crystal Palace“, ein Gebäude aus Stahl und Glas, das wirklich wie Kristall wirkte. Überall darin gab es Stände die alles Mögliche aus Indien zeigten, wie edle Stoffe, unbekannte Pflanzen und auch ungewöhnliche Tiere wie ein großes, dickes, graues Tier mit langer Nase, das Elefant genannt wurde oder Schlangen mit flachem Hals, die Kobra genannt wurde. Es gab so viel zu sehen und zu entdecken, was hatten wir einen Spaß, bevor der Wettbewerb losging! Die Zuschauer, auch wir versammelten uns vor einem Podium, wo alles für die Kandidaten vorbereitet war, Küchengerät, Zutaten und so weiter. Vorstellung der Kandidaten und… ES GING LOS!! Wir feuerten schon ein wenig Sebastian an. „Er wird’s schaffen!!!“ „Oh Ja!!! Ey, Wigburg! Guck mal, bei Agni!“, meinte Lieschen und drehte meinen Kopf in die passende Richtung. Ich war verdutzt, wie auch ein paar der Zuschauer. Der indische Butler hatte die Bandagen seiner rechten Hand abgewickelt und die bewegte sich als ob die ‘nen eigenen Kopf hätte. Blitzschnell und präzise wie ein Pfeilschuss huschten seine Finger in die Schüsseln mit den Gewürzen und mischten diese bevor sie in die Pfanne kam. „Na sowas… Und ich dachte er hätte ‘ne verletzte Hand.“, sagte ich tiefbeeindruckt. Ich hätte sogar schwören können, dass seine Hand bläulich leuchtet. Von seinem Curry ging ein wundersamer und betörend würziger Duft aus, so dass ich kurzzeitig vergaß, dass Sebastian eigentlich gewinnen sollte. „Was für ein Duft…“ „Ja…“, schwärmte Lisabeth. „Kein Wunder, dass der Prinz seine Zweifel an Sebastians Chancen hatte.“ „Oh Mann…“, murrte ich etwas, als Sebastian es duften ließ, mit ähnlicher Präzision bei den Gewürzen wie Agni. „Ich will, dass Sebastian gewinnt aber…“ ~„Was macht der denn da?!“, rief ein Mann „Was schmeißt der da braunes in den Currytopf?“, ein anderer. „Doch nicht etwa Schokolade?!“~ Das war eine von Sebastians Geheimwaffen für diesen Kampf. Dadurch hatte er sein Curry verfeinern können. „Tja.. immer noch besser als Birnen mit Speck. Bäh!“ Lieschen knuffte mich dafür auch wenn sie sich selber schütteln musste. Man konnte den indischen Butler ansehen dass er durch Sebastians Handeln unter Druck geriet und er holte aus einem Korb einen großen blauen Hummer heraus. So große Hummer hatten Lieschen und ich noch nie gesehen, und erst recht nicht im strahlenden Blau. „Oh Mann, West will unbedingt gewinnen!“, raunte Lieschen. Das Kochen ging weiter bis die Zeit rum war. Die Verköstigung erfolgte und gleich die Hälfte der Kandidaten fiel durch weil die Currypulver verwendet haben. Agnis Hummer begeisterte die Jury, Sebastians Curry, das in Brotteig eingeschlossen war, verwirrt sie, besonders als er das ganze frittiert. ~„Ciel! Was zur Hölle macht dein Butler da?!“, rief Prinz Soma entsetzt. „Donuts oder was?!“~, gab Bard von sich. „Verdammt! Hier sollen doch Currys gekocht werden und keine Krebbelche!!!“, zischte ich, bevor einer der Juroren eines der Teile aufschnitt und probierte. Diese „Curry-Brötchen“ genannten Dinger, beeindruckten die Juroren auch, so dass die am Ende sich nicht für Sebastian oder Agni entscheiden konnten. Unverhofft trat aber eine alte Dame auf, die sich als Queen Victoria persönlich entpuppte. Sie entschied nach kurzem Urteil, dass Sebastian gewinnt, da sein Currybrötchen für jedermann leicht zu essen ist, sogar für Kinder. West ist aus allen Wolken gefallen, wir jubilierten. So bemerkten wir nicht dass eine junge schwarzhaarige Frau durch die Menge zu West saust, bis Prinz Soma laut „MEENA?!!“ rief. Es war die angeblich entführte Dienerin des Prinzen, nur wie ein Entführungsopfer verhielt sie sich nicht… Erleichtert und glücklich drückte der Prinz sie an sein Herz, doch ihre Miene wurde kalt wie Eis. ~„Was zum Teufel fällt Euch ein?“ „Hä..?“ „Mich bis hierher zu verfolgen, um mich weiter zu belästigen! Wer glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid?!“~ Das hatten wir mitgekriegt. „Oh Backe… Die hatte nicht sofort den Mumm ihn ins Gesicht zu brüllen… wie ich…“, murmelte ich. „Kein Wunder…“ „Sieh mal Wigburg…“ Lisabeth deutete auf Agni, der zu Boden gesackt war und weinte, Blut weinte er. Der Anblick brach mir das Herz, er hatte das alles gewusst… Diese Meena ist also nicht nur vor dem Prinzen geflüchtet, sondern auch vor ihrer Armut und Unfreiheit die wegen ihres Standes galt. Sie hatte diesen West geheiratet um reich zu werden und ein widerwärtiges Spiel mit dem Prinzen getrieben, wobei Agni nur eine Marionette war, denn er hätte alles getan um seinem Herrn diese bittere Wahrheit zu ersparen. „Dieses Miststück…“, knurrt ich. „Sie ist nicht besser als jene die sie herumgeschubst haben!!!“ Lisabeth stapfte auf Meena zu, während Prinz Soma sich Agni zuwendet um ihn zu trösten und zu verzeihen. „Hat Ihnen ihr Schachspiel gefallen, Misses West?!“, sprach sie bitterernst, sie fühlte sich offenbar geschmeichelt als Lieschen sie so ansprach. „Es war notwendig und fast hätten wir es geschafft. Das solltest du vielleicht auch machen.“ „Mich einem reichen Schnösel an den Hals werfen und andere Menschen ausnutzen um gesellschaftlich aufzusteigen? Oh Nein… der Preis ist mir zu hoch!“ „Was weißt du schon? Es sei denn du bist in eine adelige Familie geboren worden.“ „Bin ich und meine Schwester nicht!“ Meena starrte sie verdutzt an. „Dann hältst du mir Vorträge?!“ „Wigburg und ich haben zwar einen reichen Großvater aber wir leben relativ arm. Klar, die hohen Herren sehen auf uns herab, auch weil wir Frauen sind, aber ich würde mich niemals so verkaufen und so mit anderen rumspringen. Es ist oft besser sich mit weniger zufriedenzugeben. Sie haben selbst gesehen, dass es schief gehen kann.“ „Verkaufen?!!!!“, brüllte Meena. „Willst du etwa sagen ich wäre eine…“ „Das hab ich nie gesagt… Sie haben sich selber so genannt. Ich verrate Ihnen aber, Sie werden niemals glücklich und zufrieden sein. Ich würde nur einen Mann meines Herzens wählen und nicht nach seinem Rang oder Geldbeutel, das macht einen zufrieden.“ Mit einem hochmütigen Lächeln ging Lieschen wieder zu mir und den anderen. „Dumme Närrin!!! Mit so einer Einstellung wirst du in der Gosse enden bei den Unberührbaren!!!“ Lieschen lachte herzhaft und ignorierte sie. „Dadurch ist sie nicht besser als jede Dirne, nur mit dem Unterschied dass Dirnen nicht immer auf ihren Stand stolz sind…“ „Lieschen… das war aber heftig!“, sagte ich. „Aber wahr!“ Sie lächelte. ~„Majestät! Wartet auf mich!“~ Die Königin ging und der Palace leerte sich auch. Prinz Soma hatte Agni verziehen und schien demütiger geworden zu sein. Auch wir machten uns auf den Weg nach Hause. „Das müssen wir Mama und Papa schreiben, nicht?“, sagte ich und Lisabeth nickte. Dann aber an Agni gewandt: „Wo hast du das gelernt mit den Gewürzen?“ „Ähm… naja… das…“ „Kann ich es auch lernen?!“, fragte ich aufgeregt. „Jetzt spinnst du, Wigburg!!!“, grummelt Lieschen. „Du besitzt nicht die rechte Hand Kalis, du kannst nicht so einfach…“ „Trotzdem!!! Bring mir bei wie man so gut Gewürze mischt!!!“ So ähnlich erging es den Rest des Weges zur Villa Phantomhive… Kapitel 5: Feuer & Schwert… Mond & Krone ---------------------------------------- Weihnachten und Neujahr vergingen rasch. Wir hatten uns einigermaßen eingelebt. Eines Nachmittags, draußen lag noch Schnee, fragte ich nun den indischen Butler Agni zum x-ten Mal ob er mich doch nicht unterrichten könnte mit indischen Gewürzen umzugehen. „Ich habe es dir schon mal gesagt… Das ist nicht so einfach!“ „Wieso?! Ich möchte es so gerne lernen!!!! Bitte, bitte Agni…“ „WIGBURG!!!!!!!!!“, trällerte Lieschens Stimme, die uns entgegen kam, dick eingepackt in Winterklamotten. „Finny, Bard und Maylene wollen Schlittenfahren gehen!!!“ „Aber… die Arbeit…“ „Sebastian hat uns allen frei gegeben, Tanaka-san hat uns Sandwiche für später gemacht, kommst du mit Wigburg?!“ „OH JA!!!!! Ich ziehe mich ganz schnell an!!!“ Und ich war fix im Mantel und genauso fix mit Lieschen draußen. Agni blieb nur zurück, sein „Viel Spaß ihr beide!“ hatten wir nicht mehr gehört. Auf einem Hügel außerhalb der Stadt, hatten wir unsere Schlitten Bahn. Etwas weiter weg vom Hügel hatten wir vorher einen großen Haufen aus losem Schnee angehäuft der bei zu großer Geschwindigkeit als Auffangkissen diente. Finny fuhr anfangs mit Bard, da dieser etwas unsicher war damit. Grade als wir alle wieder den Hügel hinauf gingen sahen wir wie sich zwei Gestalten näherten. „HEY IHR!!!“ Wir erkannten die Stimme von Prinz Soma, der in Begleitung seines Butlers war. „Was macht ihr da?“, fragte er uns als er und Agni zu uns trat. „Wir fahren Schlitten.“, antwortet Maylene. „Ich dachte das heißt rodeln…“, meinte Finny. „Beides ist richtig…“, murmelte ich lächelnd. Da der Prinz immer noch verwirrt drein guckte erklärte Bard: „ Wir fahren mit den Schlitten den Hügel runter. Das sind immer tolle Wettrennen!!“ „Macht ihr das immer so?“, fragte nun der Prinz. „Nein, nur im Winter bei viel Schnee.“, sagte ich. „Wollt Ihr eine Runde mitfahren?“, fragte Lisabeth keck den Prinzen und grinst. „Was?!“ Sie begann frech zu kichern und schob den widerspenstigen Prinzen zum nächst stehenden Schlitten. „Na kommt schon… Ihr seid doch sonst nicht so zimperlich, hehe!“ „Ähm… ich weiß nicht...“, stottert Prinz Soma und starrt auf den Schlitten. „Das Ding sieht nicht grade stabil aus…“ Nützen tat das nicht! Lieschen setzte ihn einfach auf den Schlitten und setzte sich vor ihm drauf. „Keine Sorge, Wigburg und ich sind schon ein paarmal damit gefahren und sie ist etwas schwerer als Ihr.“ „Hey!!! Ich bin nicht dick!!!!“ Bevor der Prinz wieder versuchte zu protestieren, waren er und Lisabeth mit Huiiiii! Abgefahren und mit großer Geschwindigkeit auf den Weg nach unten. Sein Butler konnte nur hilflos zu sehen wie er und Lieschen davon bretterte und vor Angst schrie. „PRINZ SOMA!!!“ „Frühstart zählt nicht!!!“, rief Bard und schnappte sich den anderen Schlitten. Finny und Maylene folgten auf dem anderen. „WARTET AUF MICH!!!“, Ich stieg auf den dritten Schlitten und wollte mich grade abstoßen als Agni sich zu mir auf den Schlitten setzte. „Schnell! Eh der Prinz sich verletzt!!“ „Super!! Durch dein Gewicht werde ich sogar noch schneller!!!“ Ich stoß mich ab und ab ging es. Agni fürchtete sich etwas aber mehr um den Prinzen, der immer noch rum krakeelte. „Stellt Euch nicht so an!!“, lachte Lieschen. „Wir haben fast gewonnen!!!“ Das konnte ich nicht zulassen! Mit den Füßen und mein Gewicht lenkte ich den Schlitten flink an den anderen vorbei und überholte Bard, Finny und Maylene. Agni war immer noch an mich geklammert und musste sogar seinen Turban festhalten sonst hätte der Fahrtwind den weggeweht. „LIESCHEN!!! WIR KOMMEN!!!“ „Mich überholst du nicht Schwesterherz…“, murmelt sie siegessicher, während Prinz Soma sich auch an ihr festklammert. Da entdeckte sie einen Hubbel aus festgestampften Schnee und steuert darauf zu. „Was hast du vor?“, fragte der Prinz. „Fahr nach Links!!! Links!! LINKS!!!!!!!!!“ Zu spät, Lisabeth fuhr darüber und der Hubbel wirkte wie eine Rampe so dass die beiden ein paar Meter durch die Luft flogen, bevor sie landeten und endlich stehen blieben. Lieschen lachte immer noch herzlich, während es dem Prinzen total schwindelig war. „Kali und Shiva, war das ein Höllen-Trip…“ „Na, hattet Ihr Spaß??“ „Spaß? SPAß?!!!! Du hättest uns fast umgebr…!“ „AUS DER BAHN! ICH KANN NICHT BREMSEN!!!!!“, kam es von mir. Agni konnte rechtzeitig vom Schlitten herunterspringen, bevor ich wie ein Geschoß in den Schneehaufen raste und drin stecken blieb. Lieschen und der Prinz sahen sich zuerst an, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen. „Hast du das gesehen?!!!“ „Mit Voll-Karacho!!! HAHAHAHAHA!!“ „Euch geht es wohl gut, mein Prinz…“, murmelte Agni erleichtert, während ich ächzend mich aus dem Schnee wurschtelte. „Jaja, lacht nur ihr Gackerliesels… Übrigens, mir geht’s gut, danke der Nachfrage.“ „Tut mir Leid…“, lachte Lisabeth und kam zu mir rüber. „Wir wollten nicht über dich lachen, ganz ehrlich!“ „Ja, schon gut… Bitte zieh mich raus… ich stecke fest.“ Und reichte dabei Lisabeth meine Hände. Mit vereinten Kräften zogen Lieschen, aber auch Agni und Prinz Soma mich raus. „Also… ich könnte jetzt ne Pause gebrauchen…“ „Gute Idee!“, brummte Bard, während er sich eine neue Zigarette ansteckte. „Ich hab Hunger.“ „Tja, dann lass uns Pause machen.“, erwidert Lieschen zufrieden und half mir den Schnee abzuklopfen. Später, auf dem Hügel, hatten wir eine Wolldecke ausgebreitet, uns drauf gesetzt und verputzten die Sandwiches die Tanaka-san uns gemacht hatte. Auch Prinz Soma und Agni schlemmten ordentlich, die frische Luft machte ordentlich Appetit. Grad aber als der Prinz sich eines der Sandwiche greifen wollte, schnappte Lieschen es ihm aus der Hand. „Hey!!!! Das ist mein Sandwich!!!!“ „Ich glaube aber nicht dass Ihr das essen wollt, verehrter Prinz.“, kontert Lieschen lässig und klappte die Stulle auf. Eine grau-rosa sämige Masse klebte auf dem Salatblatt zwischen den Broten. „Kalbsleberwurst.“, antwortete Lisabeth dem verwirrten Blick des Prinzen, der dann auf einmal angewidert und entsetzt guckte. „Ich wollte Euch nur vor einer großen Dummheit bewahren. Ihr Inder isst ja kein Rind, oder?“ „Äh… nein…“ „Hier, Ihr könnt meins haben.“, sagte sie und gab dem Prinzen ihr Sandwich. „Es ist mit Hühnchen und Käse.“ „Äh… Danke…“, sagte Prinz Soma verlegen und nahm es. „Was wollen wir als nächstes machen? Schlittenfahren wird langsam langweilig…“, brummt Bard. „Schneeballschlacht!!!!“, johlt Finny. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Jeder wurde mindestens einmal eingeseift, auch Prinz Soma und Agni, die auch ihren Spaß mit dem Schnee hatten. Aber am nächsten Tag… Sebastian, Agni, Lisabeth und Ich machten grad den Speisesaal sauber und deckten den Tisch, als Prinz Soma grad eintrat. Sein Blick wirkte etwas abgetreten und gequält. „Prinz Soma?“, fragte sein Butler besorgt. Jetzt fiel uns beiden auf dass das Gesicht des Prinzen etwas blass war. „Mir... mir ist irgendwie…“ Er begann auf einmal zu würgen und schwankte. „PRINZ!!“ „Agni… Hilf mir!!“, keuchte der Prinz und war fast weiß im Gesicht. „Bring ihn weg!!!“, donnerte ich blitzartig. „Irgendwo wo er sich übergeben kann!!!“ „Vielleicht braucht er frische Luft! Er muss ruhen!!“ Lieschen bangte etwas. Der Khansama des Prinzen, legte seine unbandagierte Hand auf die Stirn seines Herrn. „Er hat Fieber! Er muss ins Bett!!“ Oh Nein!! Das war erschütternd! „Er hat wohl zu lange im Schnee gespielt.“, sagte Sebastian ungerührt. „Wunderlich dass sein Butler auch nicht krank ist, aber anderseits ist unser Prinz wirklich nicht oft aus dem Palast gekommen.“ „Aber… etwas Schnee…“ „Lieschen!!! In Indien gibt es im Winter keinen Schnee!!! Das sind die beiden nicht gewohnt!!“ Der Prinz war schwer erkrankt. Wir konnten keinen Arzt holen weil es immer mehr Schnee gab und wir so keinen zur Landvilla holen konnten, wo wir grade sind. Agni versuchte es mit dem Heilwissen seiner Heimat was aber eher mäßig half. Eines Abends sitzen wir drei am Krankenbett des Prinzen. „Er hat die letzten drei Nächte nicht geschlafen…“, murmelt Agni. „Das Fieber hat sich nicht verbessert und er scheint Schmerzen zu haben…“ „Ich wollte doch nur, dass er etwas Spaß mit uns hat…“, wimmert Lieschen schuldbewusst. „…, dass er etwas fröhlicher wird, nachdem was diese Meena, dieses Schinoos, ihm angetan hat!!“ „Keiner von uns hatte damit gerechnet, dass er krank wird.“, versuchte ich meine Schwester zu beruhigen. „Genau. Nur die Götter wissen warum es geschah.“ „Agni, du sagtest der Prinz hätte Schmerzen. Wo genau?“ „Das weiß ich leider nicht…“, gab der Khansama zu. „Prinz Soma…“, wandte ich mich dem fiebrigen Prinzen zu. „Sagt mir wo habt Ihr Schmerzen?“ Zuerst antwortet er nicht, dann aber unter Anstrengung und heftigem Husten brabbelte er ein paar fremdartig klingende Worte. „Ich verstehe nicht…“ „Er hat in unserer Muttersprache geantwortet. Er sagte er habe überall Schmerzen und dass er Druck auf seiner Brust hätte.“ „Schmerzen… Druck auf der Brust… Schlaflosigkeit… hmm…“ Ich tastete vorsichtig an seinem Hals, eine Stelle war geschwollen und war heiß. Daraufhin wandte ich mich um und rannte raus. „Wigburg?!“ „Schwester!!! Was ist denn?!“ Ich rannte in mein Zimmer, kramte in meinem Koffer rum und holte ein großes, dickes, altes und in Leder gebundenes Buch hervor. Meiner Finger flogen über die Seiten bis ich fand was ich suchte… Eine halbe Stunde war vergangen, seit ich den Raum verlassen hab. Agni wurde ungehalten. „Wo bleibt sie nur?“ „Das weiß ich nicht…“, antwortete Lieschen. „Irgendwas hat sie vor. Aber oft sagt sie kein Wort!“ „Die Gesundheit des Prinzen steht über allem! Ich werde mal nach ihr sehen.“ Etwas geladen verließ auch Agni den Raum. Aber ich war weder in meinem Zimmer noch in der Küche. Verwirrt wollte der Khansama wieder in das Zimmer des Prinzen gehen, da sah er wie ich, dick eingemummelt mit einem Korb in der Hand, grad die Haustür öffnete und das Haus verließ. Noch mehr verwirrt sieht Agni durchs Fenster wie ich in Richtung Wald gehe, während es immer heftiger schneite. „WAS HAT SIE?!!!“, rief Lieschen entsetzt als Agni von dem berichtet was er grade gesehen hat. „Dass sie das bei dem Wetter wagt… solche Tollkühnheit…“ „Ich muss los! Ich muss sie aufhalten!!!! Da draußen kommt bestimmt ein Schneesturm auf!!!“ „Nein Elisabeth! Du bist nicht kräftig genug um dadurch zu kommen!“ „Willst du etwa gehen?!!! Du bist dieses Klima nicht gewöhnt!!! Ich gehe!“ „Elisabeth! Du bist zart und zerbrechlich, du bleibst hier. Ich vertraue dir meinen Herrn an und hole deine Schwester zurück.“ „Aber…!“ „Kali ist mit mir…“, sagte er beruhigend und deutet auf seine Bandagen. „Ich bin bald wieder da…“ Lieschen schnaubte frustriert, einer musste ja da bleiben und umstimmen konnte sie den Inder wohl nicht. „Beeil dich, um Himmels Willen bitte…“, war ihre Antwort. Ich war inzwischen am Waldesrand angekommen. Den Schal hatte ich mir über die Nase gezogen um mein Gesicht vor Schnee und Kälte zu schützen. Der Wind heulte schon unheilvoll aber ich musste los! In dem alten Buch meiner Großmutter hatte ich vielleicht die Medizin für den Prinzen gefunden! „Wigburg!!!“ Meine Sinne täuschten mich wohl grad. Es klang als ob der Wind meinen Namen mit sich trug. „Wigburg!!“ Nicht beachten! Ist nur der Wind. „Wigburg, jetzt bleib doch endlich stehen!!!“ Das war keine Täuschung?! Ich drehte mich um und sah Agni auf mich zu stapfen. „Was machst du denn hier?!“ „Du kommst mit mir zurück! Es ist zu gefährlich hier draußen!“ „Das sagt grad der Richtige…“ Doch schon fasste er mich am Arm und wollte mich mit sich zerren. „NEIN!!!“ Ich entriss mich seinem Griff. „Ich gehe erst wenn ich das hier erledigt habe!“ „Das kannst du auch morgen wenn das Wetter besser ist!“ „Morgen kann es aber schon zu spät sein!!!“ „Bei den Göttern!!! Du wirst dir noch den Tod holen!“ Agni wurde zornig und wollte abermals nach mir greifen. „Was ist dir wichtiger?! Dass ich heil heim komme? Oder dass dein Gott und König wieder gesund wird?!!“ Er stockte, ich hatte seinen wunden Punkt erwischt. Ich wende mich wieder meinem Weg zu. „Ich gehe um Zutaten für eine Medizin zu finden und wenn ich dabei draufgehe…“ „Bist du wirklich bereit so viel zu geben?“ Ich seufzte etwas entnervt. „Für den Prinzen hab ich schon Gefühle einer Freundin entwickelt, irgendwie auch ein bisschen schwesterliche Gefühle. Ich hab auch das Gefühl, dass er auch Freunde braucht. Auch wenn wir anfangs Probleme hatten, gehört er jetzt für mich zur Familie… Und man lässt seine Familie nicht im Stich!!“ „Wenn das so ist…“, antwortet Agni beeindruckt. „Werde ich mit dir gehen und dir helfen.“ „Du willst mir helfen?“ „Auch wenn du einen ziemlich großen Dickkopf für eine Frau hast, imponiert mich deine Zuneigung zu dem Prinzen. Und zu zweit schaffen wir es vielleicht schneller.“ „Danke Agni…“ Zu zweit stapften wir durch den Schnee in den dunklen Wald hinein… Lisabeth saß auf einen Stuhl neben dem Bett des Prinzen. Fast wäre sie eingedöst als sie ein Geräusch von ihm vernahm, das nicht gut klang. Unsicher stieg sie zu ihm ins Bett. „Prinz Soma? Alles klar?“ „Me… Me…“, nuschelt er. „Was hat er denn?“, dachte Lieschen. „Wirklich alles Okay?“ „Meena…“, nuschelt der Prinz im Fieberwahn, packte Lisabeth und zog sie grob zu sich. Sie hätte fast laut geschrien. „Ich bin nicht Meena!!! Ich bin Elisabeth!!! Lasst mich los!!“ Doch der Prinz hielt sie im Arm und kuschelte sich an sie. Dabei lächelte er selig. „Meena…“ „Ich bin Elisabeth! Elisabeth Herman!!! Lasst mich bitte los. Ihr macht mir Angst…“ Doch er rührte sich nicht, er hielt sie weiter fest, hatte die Augen geschlossen und den Kopf an ihren Oberkörper gekuschelt. Das war ihr etwas unangenehm, aber offenbar ging es ihm dadurch besser und er würde ihr nichts tun. Allmählich löst sich ihre Angst. „Wehe Ihr steckt mich an…“ Bewegen konnte sie sich nicht. Sie merkte dass der Prinz offenbar etwas döste und er friedlich aussah. Auch Lisabeth musste irgendwie lächeln. Er wirkte so hilflos und schutzbedürftig und nicht wie ein aufgeplusterter Hahn, wie immer. Sie konnte nicht widerstehen den Rücken beruhigend zu streicheln. „Alles wird wieder gut, Prinz…“ Dann sah sie zum Fenster, wo das Schneegestöber heftiger geworden ist. „Hoffentlich kommen sie bald zurück…“ Im Wald waren ich und Agni an einem Morast angekommen. Dort stand eine Weide. „Da wären wir! Ich brauch ein paar junge Zweige.“ „Bist du dir ganz sicher?“, fragte mich Agni. „Mädesüß wäre mir lieber, aber der wächst nicht im Winter.“ Ich holte aus dem Korb ein Messer und suchte am Stamm eine Stelle wo ich hochklettern konnte. Doch auf einmal wurde ich um die Schenkel gepackt und Agni hob mich so auf seine Schulter. „Geht das so?“ Ich schwankte etwas, errötete, fing mich aber und nickte zustimmend. Rasch waren ein paar Zweige abgeschnitten und es ging weiter. Wir erreichten einen Birkenhain. „Wir brauchen einen Birkenporling. Am besten wir trennen uns und suchen danach.“ „Was soll ich genau suchen?“, fragte Agni nachdem er zustimmend genickt hatte. „Nach teller- oder Kuppelartigen Auswüchsen an Bäumen. Am besten an toten oder kranken Bäumen. Und schön groß muss er sein!“ Wir teilten uns auf. Ich wurde mit der Zeit nervös als ich nach einer Weile immer noch nix gefunden hab. Drei mittelgroße Porlinge waren meine Ausbeute, das reichte nicht!!!! „Meinst du sowas?“, hörte ich dann Agnis Stimme. Tatsächlich! Er hatte einen Porling gefunden der so breit wie zwei Hände nebeneinander war. „Ja!!! Perfekt!!!“ Er legte, ebenso erleichtert den Pilz in meinem Korb. „ Jetzt brauch ich eine Alraune!“ Etwas Später, tiefer im Wald, waren wir an eine Stelle gekommen, wo ich mit Finny ein paar Tage zuvor gewesen war. Offenbar hatte jemand einen Samen verloren und dort ist eine Alraune gewachsen, denn normalerweise wächst sie nicht hierzulande. Mit Finny hatte ich nämlich ein paar Tage zuvor beim Feuerholzsammeln an dieser Stelle, vertrocknete Blätter davon gefunden die aus dem Boden ragten und auf eine Alraunenpflanze deuteten. Ich begann unter einem Baum mit den Händen den Schnee weg zu schaffen. „Vergiss es!“, sagte Agni und unterdrückte sein Zähneklappern. „Gehen wir besser zurück!“ „NEIN!!! ES IST HIER!!! UND OHNE WIRKT ES NICHT!!!“ In Wirklichkeit hab ich nur gebrüllt um ihm nicht zu zeigen, dass ich auch fror. Aber ich war mir so sicher!!! Ich grub mit den steifen Fingern durch den Schnee bis… „Da ist es!!!“ Ein trocknes Blatt mit der speziellen Form!!! Ich nahm das Messer wieder aus dem Korb und grub die Pflanze aus. Die Wurzel war zweigeteilt und sah aus als hätte es zwei Beinchen. „JA!!! Das ist sie!!! Wir haben jetzt alles!!!!“ „Den Göttern sei Dank.“, jubelte Agni, doch Zähne klappernd vor Kälte. Als wir aber später fast am Waldesrand waren, lichtete sich der Schnee etwas, aber ich war fast erschöpft und halberfroren. Agni erging es bestimmt nicht besser. Doch auf einmal als er kurz den Kopf zurückgewandt hatte, packte er mich um die Hüfte und zerrte mich zwischen ein paar Bäume. Er stoß mich bäuchlings zu Boden und warf sich auf mich drauf. „Was soll das??!!! Geh sofort runter von mii…!!“ Er hielt mir den Mund zu, während er seinen weißen Umhang eng um uns beide zog. „Sei still!“, flüsterte er sacht. „Der Bär könnte uns noch hören!“ Ein Bär?!!! Ich erstarrte während er uns mit seinem Umhang verdeckte, so dass wir auf dem weißen Untergrund fast verschwanden. Da hörte ich schon ein Brummen und das Knirschen von Schnee. Tatsächlich, ein Bär! Hoffentlich roch er uns nicht, so halb zu Eis erstarrt hätte keiner von uns beiden eine Chance gegen das mächtige Tier, bestimmt auch nicht die rechte Hand Kalis. Ich wagte es nicht mal zu atmen, so viel Angst hatte ich. Auch er war vollkommen still. Der Bär brummelte etwas, verweilte kurz, bevor er davon tapste. Eine Weile verharrte der Khansama noch auf meinem Buckel, wohl um sicher zu gehen, dass der Bär wirklich weg ist. Mir war das unangenehm, einen Mann so auf mir zu haben und mein Gesicht glühte. Endlich richtete er sich auf und guckte. „Ist er weg?“ „Ja…“ Er stieg von mir runter und half mir auf die Füße. „Tut mir leid, dass ich so grob war. Der Bär war viel größer als ich es aus Indien kenne.“ „Und normalerweise schlafen Bären den Winter durch. Der Hunger muss ihn geweckt haben.“ „Sie schlafen?“ „Ja, um sich vor der Kälte zu schützen. Eigentlich fressen sie sich immer Speck an im Herbst.“ Er schwieg zuerst. „Ähm… Danke… Dass du mir geholfen hast…“ Ich war verlegen und etwas beschämt. Agni dagegen lächelte nur freundlich. „Gern geschehen…“ Endlich wieder bei der Villa. Lisabeth, die inzwischen sich wieder vom Prinzen lösen konnte, hörte unser Kommen. Sie rannte in den Flur, wo wir grad uns die schneenassen Mantel und Umhang auszogen. „Da seid ihr ja!!! Ich war so besorgt!!!“ „Wie geht es dem Prinzen?“, fragte Agni meine Schwester. „Unverändert… Er hat ein wenig gedöst.“ „Pass weiter auf ihn auf, Lieschen!! Agni komm mit mir in die Küche, ich brauche dich!“ Er nickte nur und folgte mir. Der Herd war schon angeheizt und Omas Buch lag aufgeschlagen auf dem Tisch und auch ein Säcklein mit Eicheln, den ich von Finny geklaut hatte, damit hatte er gerne die Eichhörnchen im Garten gefüttert. Diese wurden gehackt, der Birkenporling geschnitten und mit gemahlenen Pfeffer gekocht und die geschnittene Alraune mit den Eicheln in einer Schüssel vermengt. „Bist du sicher dass das den Prinzen retten wird?“, fragte Agni verunsichert. „Es ist von meiner Großmutter, gesammelt von meinen weiblichen Vorfahren. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht! Wir müssen es riskieren!“ Dann ließ ich etwas Speichel im Mund zusammenfließen und spuckte kräftig in die Schüssel. „WAS IN KALIS NAMEN TUST DU DA?!!“ „Das gehört dazu, vertrau mir einfach!“ An seinem Gesicht konnte man ablesen, dass er es nur halb tat. Nachdem ich es lange genug gerührt hatte, tat ich es zum Porling und dem Pfeffer ins kochende Wasser und schnappte dann das Buch. Beschwörerisch las ich: „Deyr fé, deyja frændr, deyr sjalfr it sama, ek veit einn, at aldrei deyr: dómr um dauðan hvern…“ Agni wurde es Angst und Bange. „Aufhören!“, sagte er zitternd, während ich den Vers wiederholte. „Deyr fé, deyja frændr, deyr sjalfr it sama, ek veit einn, at aldrei deyr: dómr um dauðan hvern…“ „Hör Auf!!!“ Agni fasste mich an der Schulter und kassierte einen Ellbogenstoß in den Magen. „STÖR MICH NICHT!!!! Deyr fé, deyja frændr, deyr sjalfr it sama…” Erst als ich zum dritten Mal den Vers gesungen hab, nahm ich ruckzuck, den Topf von der Platte und goss den Inhalt in ein Sieb mit Tuch drin, welches in einer weiteren Schüssel stand. Der Inhalt verfärbte sich an der kälteren Luft schwarz. „KYAAAA!!! Oh Gott und Heilige Jungfrau!!!“, rief ich erschrocken. „Wie hast du das gemacht?!“ „Ich weiß es nicht… Sowas sehe ich zum ersten Mal.“ Ich hob das Sieb mitsamt den Inhalt aus der Schüssel raus, die Flüssigkeit war auch schwarz wie Tinte. Mit ner Suppenkelle schöpfte ich was davon in einen Becher. „Was ist das überhaupt?“, fragte Agni, eher neugierig als misstrauisch. „Im Buch wird dieser Trank als der „schwarze Schlaf der Hel“ beschrieben.“ „Wer ist das?“ „Eine Todesgöttin meiner Vorfahren… Ihre Mutter war eine Riesin und ihr Vater war der Gott des Unheils. Sie soll auch furchtbar ausgesehen haben. Halb soll sie helle Haut gehabt haben, halb blau-schwarze Haut.“ „Wie Kali…“, flüstert Agni leise. Diese Gemeinsamkeiten gaben ihm wohl mehr vertrauen. „Der Pilz heilt, die Eicheln bringen etwas Nährwert, der Pfeffer erwärmt das Blut und die Alraune wird den Prinzen schlafen lassen…“ Natürlich schmeckte es dem Prinzen nicht. Fast hätte er es wieder ausgespuckt, hätten ich und Lieschen es ihm nicht eingeflößt, auch wenn Agni uns im Nacken saß. Der Prinz wurde aber dadurch müde und konnte endlich schlafen. Auch wir konnten endlich alle schlafen. Am nächsten Morgen, ich war trotz meines Ausfluges, früh auf. Während ich Agnis Gebetgesang aus seinem Zimmer hörte, ging ich zum Prinzen um nach ihm zu sehen. Er lag noch friedlich in seinem Bett, wie wir ihn gestern hinterlassen hatten. „Guten Morgen Prinz Soma. Geht’s Euch besser?“ Er rührte sich nicht. Ich befühlte seine Stirn. „Hm… kein Fieber mehr. Jetzt ist aber genug, aufwachen! Prinz…???“ Keine Reaktion. „Okay, Ihr habt mich drangekriegt, jetzt ist genug… Das ist nicht lustig!!! Schluss mit den Faxen!“ Immer noch nix… da grinste ich, ging ans Fußend und kitzelte ihn an den Füßen. „Hihi!! Ihr habt es nicht anders gewollt, gibt Ihr auf?“ Aber immer noch nix!!! Jetzt wurde ich doch etwas unruhig. Ich ging wieder zum Kopfende und befühlte sein Handgelenk. Kein Puls?!!! „Nein… bitte nicht… Prinz!!!“ Ich rüttelte wild an ihm rum, voller Panik. „WACHT AUF!!! BITTE WACHT AUF!!! WACHT AUF!!!“ Immer noch nix, ich stolperte rückwärts zurück. „Nein… nein… Das…oh, verzeiht mir, das wollte ich nicht…“ Ich legte die Hände aufs Gesicht und weinte. „Ich wollte das nicht… ich wollte Euch nur helfen… Ihr seid mir wichtig geworden, wie eine Art Bruder…“ Mein Herz blieb stehen als die Tür aufging und Agni eintrat. „Prinz, seid Ihr wohlauf? Prinz Soma?“ „Es tut mir Leid… Er hat die Nacht nicht überlrrhg…“ Der Rest des Satzes Blieb mir in der Kehle stecken weil Agni sie mir zudrückte. „Du hast meinen Gott ermordet!!“ Sein Blick war wie blanker Stahl und blutige Tränen flossen. Es war ein furchtbarer Anblick. „Das… wollte ich nie!!!! Bei allen Heiligen!!!“, röchelte ich und versuchte seine Finger zu lösen während mir langsam die Sinne schwanden. Ein spitzes „NEIN!!!!!“ ertönte und zwei Arme wanden sich um Agnis Kehle. „Tu ihr nicht weh!!! Bitte, lass sie los!!“, rief Lisabeth panisch und zog an ihm. „Sie hat es nicht anders verdient!! Ihr Leben für das meines Herren!“ „NEIN!! NICHT MEINE SCHWESTER!!!“ Lieschen zerrte energischer an Agni rum, er versuchte sie abzuschütteln, während ich durch Lieschens Eingriff nur minimal etwas Luft bekam. Im ganzen Hin und Her, merkte nur Lieschen dass der vermeintlich leblose Prinz sich zur Seite gedreht hatte. Sie stutzte bevor sie Agni am Mantel zupfte. „Hey, der Prinz, er lebt!“ Daraufhin ließ Agni mich abrupt los und ich fiel zu Boden. „Was?“ „Sieh doch!!“ Tatsächlich! Der Prinz hatte sich zur Seite gedreht, brummelte etwas bevor er sich aufrichtete und sich reckte. „Hmmmnnn… Hab ich gut geschlafen. Ich fühle mich wie neu…“ Wir alle starrten ihn verdutzt an. „Ähm… was guckt ihr mich alle so an?“ „Wir dachten Ihr seid tot…“, antwortet Lisabeth. „JA!!!“, rief ich mit rauer Stimme. „Ich hatte versucht Euch zu wecken!!! Ich hab Euch sogar an den Füßen gekitzelt und an Euch gerüttelt, aber Ihr habt nicht reagiert und ich hatte keinen Puls gespürt!!!“ „Ach so ist das!“, warf Lieschen ein. „Du hast wohl zu viel von der Alraune genommen und den Prinzen fast vergiftet oder einen Moment zu lang ziehen lassen.“ „Oh…“, gaben ich und Agni gleichzeitig von uns. Agni fühlte sich wohl mit verantwortlich weil er mich gestern gestört hatte. „Ich hab auch mal in deinem Buch geblättert.“ Lieschen zwinkerte verschmitzt. „Es war wohl grade genug Gift um ihn leblos wirken zu lassen aber zu wenig um ihn zu töten. Und als du an ihm gerüttelt hast, ist wohl sein Kreislauf wieder in Schwung gekommen.“ „Klingt logisch…“, murmelte ich. „Ich verstehe nicht ganz, was habt ihr drei gemacht?“, fragte der Prinz und wir erzählten was gestern geschah. „Das habt ihr beide für mich gemacht, Mädels?“, fragte der Prinz gerührt als wir geendet haben. „Ja wir konnten Euch nicht sterben lassen, Agni sowie so nicht.“, kontert Lisabeth. „Agni, Wigburg, Elisabeth, danke dafür. Ich danke dir Agni, dass du den Mädchen so viel Vertrauen schenktest. Wigburg, Elisabeth, ich stehe tief in eurer Schuld. Für euren Einsatz sollt ihr auch belohnt werden.“ „Ne, zu viel der Ehre.“, lachte Lieschen fröhlich. „Euer Dank ist mir Belohnung genug.“, sagte ich. „Dankt lieber meiner Großmutter, die mir das Buch gegeben hat.“ „Bitte!! Ich will euch meine Dankbarkeit zeigen…“, schmollt der Prinz. „Wenn ihr kein Gold wollt, dann will ich euer Freund sein!“ „Ihr wollt mit uns befreundet sein?“ „Ja.“ Der Prinz klang ernst. „Und ein bengalischer Prinz steht zu seinem Wort.“ „Auch ein hessischer Bürger“, antworteten wir gleichzeitig. „Okay!!! Wir nehmen Eure Freundschaft gerne an.“, feixte Lieschen und der Prinz lachte. „Ihr könnt mich doch ruhig duzen, wir sind doch Freunde!“ „Okay, wie Ihr… äh, ich meine natürlich wie du willst, Soma.“ Wir alle strahlten vor Freude. Agni wandte sich dann verlegen lächelnd an mich. „Ich sollte vielleicht auch meine Dankbarkeit zeigen… oder mich besser entschuldigen weil ich beinah…“ „Hey, ist schon vorbei. Obwohl ich werde bestimmt Male davon tragen in den nächsten Wochen.“ „Als Entschädigung und Dank, werde ich dich unterrichten mit den Gewürzen umzugehen.“ Ich konnte nicht hören was ich da hörte. „Wirklich?! Das machst du?!! DANKE!!!!!!!!!“ Ich umarmte ihn herzlich und lachend, der Khansama war völlig überrumpelt. „Haha, dann hast du auch neue Freunde gefunden Agni.“, sagte Soma und grinste Kapitel 6: Der Minne Macht? --------------------------- Der Unterricht mit Agni war immer ein riesen Spaß. Zuerst war es etwas kompliziert aber nach ein paar Anläufen kapierte ich es Gewürze zu rösten, sie richtig zu mahlen und, ganz wichtig, sie richtig aufzubewahren. Ich würde natürlich niemals so gut sein wie Agni oder Sebastian, aber gut genug um etwas Leckeres und auch Heilsames zuzubereiten. Es war dann als der junge Herr mal wieder im Auftrag ihrer Majestät, die Königin unterwegs war, da waren Agni und ich in der Stadt. Wir sollten frische Gewürze einkaufen gehen. „…Wie erkennst du die Frische von Nelken, Chela?“, fragte mich Agni unter anderen ab. Seit er mich nun lehrt, nannte er mich Chela, was so viel wie „Schüler“ bedeutet. Ich dagegen nannte ihn „Magister“, lateinisch für „Lehrer“. „Indem man sie zwischen den Fingern zerdrückt und etwas reibt. Fühlt es sich ölig an, ist die Nelke frisch.“ „Sehr schön, gut aufgepasst, Chela.“ Ich strahlte vor Freude, während wir an einer Bande junger Männer vorbei gehen. „He, Kleine!“, rief einer, wir gingen aber weiter. „HEY!!! Häng doch nicht mit diesem stinkenden Inder ab!! Komm doch her!!“ „Er stinkt nicht!!! Und ich hab wichtigeres zu tun!!!“, raunzte ich ohne den Typen anzusehen. „Achte nicht auf sie…“; flüsterte Agni leise und beruhigend. „Ich mag’s aber nicht wenn meine Freunde beleidigt werden….“ Ich versuchte mich zu beruhigen und ignorierte so gut wie ich konnte, die nächsten paar Rufe der Kerle. „He Kleine!!! So verzweifelt oder warum hängst du mit solchem Dreck wie ihm rum?!“ Sie lachten auf einmal, ich blieb stehen. „Beachte sie nicht…“, flüstert Agni. „Auch bei mir daheim sind die Engländer überheblich gegenüber meiner Landsleute.“ „Was hast du da grad gesagt?“, fragte ich hasserfüllt, Agni ignorierend und drehte mich mit giftigem Blick zu der Bande um. Deren Lachen erstarb als die meinen psychopathischen Blick sahen. Mit festen Schritt trat ich, wie ferngesteuert auf den Anführer zu, der schon etwas blass um die Nase war. „Oh… äh… Kleine…?“ „Niemand nennt mich „Dreck“!“, zischte ich, mit Verachtung die aus meinen tiefsten Abgründen stammen musste. „Ey, wir haben ihn gemeint, nicht dich, Honey…“ „Ja, wirklich, das haben wir…“ „Wigburg…“, versuchte Agni auf mich einzureden. „Wir sollten weiter…“ Zack!!! Meine Faust schnellte in das Gesicht des Anführers. Ein Knacken war zu hören und Blut floss aus seiner Nase, während er auf dem Hintern landete. „NIEMAND NENNT MICH „DRECK“!!!!!“ Das hatte ich auf Deutsch gesagt, während ich mir den nächsten vorknöpfte und auf ihn einschlug. Ich war so wütend und rasend, ich war nicht mehr dieselbe. Der Typ, der jetzt am Boden lag heulte vor Schmerz, einer seiner Freunde griff nach mir, um mich von ihm herunter zu zerren, doch ich schrie nur wütend und stürzte mich rasend auf ihn, bevor mich zwei schnappen konnten. Ich riss wild an ihrem Griff, wie ein tollwütiger Hund an der Kette und schrie laut vor Zorn. „Du elende Schlampe!“, knurrte der Anführer entrüstet, der sich aufgerappelt hat und sich das Blut aus dem Gesicht gewischt hat. „Wenn du Streit haben willst kannst du ihn gerne haben!!!“ Agni dagegen war nur seelenruhig dazugekommen und gab ihm einen Handkantenschlag gegen den Nacken. Der Anführer sackte ohnmächtig zusammen. Bevor der Rest der Bande es raffte, gab Agni, schnell wie der Blitz, denen ein zwei Stöße auf ein paar Stellen an den Gelenken, dem Hals und Brust, und die sackten alle ebenso zu Boden, gelähmt oder gar ebenso ohnmächtig wie deren Anführer. Ich, befreit aus deren Griff, bebte noch vor Wut und knurrte. „Wigburg…“ Er legte sacht seine Hände auf meine Schultern. Ich beruhigte mich, als wenn man einen Hebel bei mir umgelegt hätte. „Alles in Ordnung… Geht es dir gut?“ „Hab ich es schon wieder getan?“, fragte ich erschrocken. „Du bist auf sie losgegangen wie ein Nashorn, aber du hättest mich nicht verteidigen müssen…“ „NEIN DAS HAB ICH NICHT!!!“ Ich weinte etwas. „Es war wie damals, als ich sieben war… Ein paar Jungen hatten mich ganz schlimm beschimpft, mich herum geschubst, meine Schultasche in den Bach geschmissen und mein Lieblingsbuch in den Matsch geschmissen. „Wertloser Dreck“ und „Hexe“ haben sie mich genannt. Einer kam sogar mit Schwefelhölzern und wollte mich anzünden, da bin ich so ausgeflippt wie jetzt. Der eine musste sogar ins Krankenhaus. Der Vater von ihm hatte meinen Vater auf Schmerzensgeld verklagt und ich wurde fast der Schule verwiesen.“ „Aber du hast dich doch nur gewehrt!“, protestierte Agni entsetzt. „Einige im Dorf hatten was gegen uns besonders gegen mich und Lieschen… Der Vater hatte gemeint ich sei grundlos auf seinen Sohn losgegangen. Nur mein matschiges Buch war der Beweis meiner Unschuld… Eine Mutter aus armen Hause oder grüne Augen zu besitzen ist wohl bei einigen aus unserm Dorf ein Verbrechen.“ „Warum? Wieso ist es schlimm dass deine Augen grün sind? Ich finde das schön.“ Bei diesen Worten fuhr es mir schaudernd über den Rücken und ich starrte rot im Gesicht ihn an. „Du… findest das nicht schlimm?“ „Nein…“ Sein Lächeln schien mir jetzt freundlicher als sonst und ich fühlte ein Kribbeln. „Es ist doch die Farbe des Waldes und des Lebens. Warum ist es so schlimm grüne Augen zu haben?“ „Weil… weil einige Menschen glauben… zumindest in unseren Kulturkreisen, dass grünäugige Hexen, Dienerinnen des Teufels oder gar Dämonen in menschlicher Gestalt sind.“ Agni schüttelt verständnislos den Kopf. „Aber du bist doch so ein gutmütiges Mädchen. Reinen Herzens, das ihre Familie und Freunde liebt und ihren Gott ehrt. Wie können sie sowas nur behaupten?!“ „So denken sie auch über Rothaarige. Die brauchen immer jemanden den sie alles Schlechte anhängen können, was ihnen widerfährt.“ „Denk nicht so…“, sagte Agni. Zärtlich strich er mir über den Kopf. Mir war als ob mir das Herz in der Brust gleich explodierte, während er mich tröstend anlächelte. „Du bist sehr stark. Sehr stark für eine Frau aber mit reinem Herzen. Du hast ja nicht über mich und den Prinzen geurteilt wegen unserer Hautfarbe, wie andere hellhäutige es getan hatten.“ Ich konnte nix sagen und starrte ihn nur an. „Auch wenn du keine Hindu bist, glaube ich dass die Götter dir zulächeln.“ Ich konnte immer noch nichts sagen. Wir setzten unseren Weg fort und erledigten unsere Einkäufe. Ich sagte dabei kaum etwas. Ich war innerlich sehr aufgewühlt, aber irgendwie glücklich. Zurück bei der Villa sagte ich immer noch nix. „Wigburg?“, fragte Agni. „Ja?“ „Ist wirklich alles in Ordnung? Du bist so still…“ „Äh… nix… ich, ähm… ich muss noch etwas Wäsche waschen… Bis dann!!“ Und ich lief davon. In Wirklichkeit ging ich nicht nur in die Waschküche um die Wäsche zu machen, sondern um auch allein zu sein, um nach zu denken. Was er gesagt hatte, bewegte mich. Er hatte ja auch nicht über mich geurteilt, das stimmt, auch wenn ich ihm mit Hels Heilschlaf-Trunk mächtig erschreckt hatte. „…reinen Herzens…“ so dachte er über mich?? Trotz meines Hasses der noch in mir brodelte? „Ob ich ihm gefalle…?“, murmelte ich vor mich hin, während es mir warm im Gesicht und ums Herz wurde. „Agni…“ Sein Name verstärkte das Gefühl nur und ich musste Lächeln. Ich hatte mich offensichtlich in den Inder verliebt. „Ob er grad an mich denkt?“, fragte ich mich überglücklich, während ich Wasser und Waschmittel in den Zuber tat, bevor ich die Wäsche reintunkte. Ich musste Kichern bei dem Gedanken, was mein Vater oder gar Oma Inge denken würden, wenn sie wüssten in wen ich mich verliebt hatte. „…Aber Engelchen…“, hörte ich innerlich meinen Vater sagen. „Es gibt doch genug… nun ja… muss es „der“ sein? Es gibt doch bessere junge Männer als er…“ „EIN UNGLÄUBIGER?!!!!“, hörte ich jetzt Oma Inges Stimme in meinem Kopf. „JESUS UND HEILIGE JUNGFRAU!!! Wie tief bist du nur gesunken?!!!“ Ich kicherte keck. „Ja, es muss er sein!“, sagte ich zu mir selbst. „Weil für mich… für mich ist er ein reiner Engel…“ Kapitel 7: Holi-Fastnacht ------------------------- Karneval! Das muss natürlich gefeiert werden! Zum Glück hatte der junge Herr vor gehabt zu seiner Verlobten Lady Elizabeth zu fahren. Sturmfreie Bude!!! Sebastian und Tanaka-san würden aufpassen, dass wir ja keinen Unsinn machen würden. Als ob wir alles in die Luft jagen würden! Obwohl Bard könnte man alles zutrauen. Die Kostüme waren bereits fertig nur musste die Party vorbereitet werden. Dafür hatten wir den Ballsaal in Beschlag genommen, der nur noch geputzt werden muss. Das wollten Maylene, ich und Lieschen übernehmen, Bard sollte Stühle, das Wachsrollen-Grammophon für die Musik und, mit Finny, zwei Tische Besorgen. Finny sollte ja auch noch zusätzlich Feuerholz für den Kamin im Ballsaal holen, es würde ja recht kalt werden heute Abend. Doch als Maylene, ich und Lisabeth mit Besen, Eimern und Lappen den Ballsaal betraten, standen, auf Messing-Kegeln befestigt, große Schüsseln auch aus Messing, Feuerschalen sehr ähnlich. Nur waren diese nicht mit Glut gefüllt, sondern mit feinem Pulver, jede Schale eine andere Farbe, so leuchtend wie eine Blumenwiese in voller Blüte. Wir staunten nicht schlecht und wunderten uns sehr. Sogar der eine Waschzuber und die Zinnwanne die uns Bediensteten als Badewanne diente standen da und waren mit farbiger Flüssigkeit gefüllt, eine grün, eine lila. „Wo kommt das alles her?“, fragte Maylene und putzte vor Staunen ihre Brille mehrmals. „Viel wichtiger, wozu dient das?“, fragte ich, und stippte sacht mit den Finger in eine der Farbschalen. „Oh, Hey Mädels!“ Das war die Stimme von Soma, der grade mit Agni einen weiteren Zuber flüssiger Farbe reinschleppte. „Namasté, die Damen.“, grüßte der Khansama lächelnd, nachdem er und sein Herr den Zuber abgestellt hatten. „Ich hoffe alles ist zu Eurer Zufriedenheit, Prinz.“ „Klar Agni, und gut dass die Mädels mitmachen.“ „Mitmachen? Wobei?“, fragte Lieschen. „Na, bei unserem Holi-Fest.“ „Holi-Fest?!“, fragten wir drei im Chor. Grade kamen Bard und Finny mit je ein paar Stühlen und Kanten Feuerholz. „Nanu?“ „Wow!! Was für schöne Farben!“, schwärmte Finny. Somas zufriedenes Grinsen wurde breiter. „Na umso besser! Je mehr mitfeiern, umso mehr macht’s Spaß!“ „Was mitfeiern?! Wir haben den Saal zuerst reserviert!!“, protestierte Bard beleidigt bevor ich im mit einer Geste zum Schweigen brachte. „Wir haben bis heute Abend Zeit, aber nochmal zum Thema, was ist Holi?!“ „Holi, oder Dol Yatra, wie wir in Bengalen sagen, ist ein Frühlingsfest unseres Glaubens.“, begann Agni zu erklären. „Jedes Jahr feiern wir das als Zeichen dass der Frühling den Winter besiegt hat und die Natur wieder erwacht. Wir tun uns deshalb mit Farbe bestreuen oder besprengen. Bei diesem Fest fallen auch alle Grenzen zwischen den Kasten weg und alle sind gleich.“ „He, das ist doch so ähnlich wie bei unserem Karneval!“, sagte Lieschen und ich nickte bevor ich fortfuhr. „Genau, im Grunde vertreiben wir an Karneval, oder wie wir in Hessen sagen Fassenacht, den Winter mit Musik, Tanz und grellen Kostümen. Es sind aber auch die letzten Tage vor der christlichen Fastenzeit, wo dann aber auch alle Reste an Fleisch, Fett, Eiern und Alkohol aufgebraucht werden. An Ostern ist die Zeit vorbei. An Karneval haben auch die normal Sterblichen auch das Sagen was unseren Priestern oft missfällt.“ „Aber wir haben noch nie gefastet…“, sagte Finny. „Ich glaube da sind wir in Deutschland etwas strenger als in England.“, sagte Lieschen. „Dann feiern wir im Grunde dasselbe!“, sagte Soma. „Deshalb will ich dass ihr mit uns Holi feiert!“ „Aber wir haben den Ballsaal zuerst…!!“, wollte Bard widersprechen. „Gerne!!“, sagte Lieschen ohne auf Bard zu achten. „Dafür feiert ihr beide heute Abend mit uns! Ihr müsst euch nur besonders anziehen, das ist alles.“ „Einverstanden, nicht Agni?!“ „Wie Ihr wünscht.“, antworte Agni nur seinem Herrn. Kurz darauf hatten wir uns im Raum verteilt. Soma und Agni stimmten heilige Lieder in ihrer Muttersprache an und fingen an zu tanzen. Etwas unbeholfen machten wir die beiden nach, aber nach einer Weile wurden wir alle gelassener und tanzten sogar eigene Stile. Ich stimmte sogar das Lied „Cuncti Simus com calentes, Ave Maria“ an, auch wenn es christlich war, aber es schien Agni und Soma nicht zu stören. Im Gegenteil, teilweise versuchten sie sogar mit einzustimmen, wodurch alle noch ausgelassener wurden. Während wir fröhlich tanzten und sangen, merkten wir nicht wie unsere indischen Freunde in die Schalen mit dem Pulver greifen und sich je eine Hand voll holte. „FEUER FREI!!“, rief Soma und zielte auf mich und Lieschen. Kreischend konnten wir noch ausweichen, wodurch aber die arme Maylene die volle Pulver-Ladung in Orange ins Gesicht bekam. „Kyaaaaahhh!!! Ich bin blind geblendet!!!!“, schrie sie und torkelte herum wie ein kopfloses Huhn, da sie wirklich nix mehr durch ihre pulverbedeckte Brille mehr sehen konnte. „In Deckung Finny!!!“, kam es von Bard während er Finny aus der Schusslinie stoß, bevor Agni, sprichwörtlich, sein Pulver verschoss. „Das gehört dazu! Na los, traut euch!!!“, rief Soma, während er fleißig weiter Farbe umher wirft. Bard brachte sich in einem Winkel in Sicherheit, um die Lage zu checken. „Moment… wir sollen uns alle mit dem Zeug einpudern??? Wenn das so ist…“ Bard griff nach blauem Pulver. "VOLLES ROHR!!!“ Und traf Soma ins Gesicht. Alleine dass Agni nicht mal gezuckt hatte um seinen Herrn zu beschützen, zeigte dass es wohl doch in Ordnung war. „Genauso! Traut euch was!!“, sagte Soma, nachdem er sich das Pulver etwas abgeschüttelt hatte. „Ach so… Das meinte er ernst…“, murmelte ich. Ohne viel federlesen griff ich mir je orange und grün. „Achtung Finny!!! Jetzt krieg ich dich!!!!“ „Fang mich erst!!“ Bevor ich Finny erwischte, erklang ein „BOMBE!!“ und etwas traf mich am Po. Lieschens lachen verriet mir wer das war. „ELISABETH!!!!“ „Was denn?!“, lachte sie und deutete auf mein Hinterteil. „Das Pink steht dir!“ „Dann steht dir auch Orange!!!“ Daraufhin eine ins Gesicht. „Dann nimm Gelb!!!“ Und Lieschen traf mich am Bauch. Bevor sie aber nachladen konnte, hatte Soma, inzwischen sehr bunt gesprenkelt, sie von hinten an den Schultern gepackt. „He, deine Lieblingsfarbe ist doch Lila, oder?“, fragte er. „J…ja…?“ „REIN MIT DIR!!!“ Und Soma packte Lisabeth in den nächststehenden Farbzuber. Flatsch!!! Lieschen hatte nicht mal eine Chance zu schreien. „Boah… DU!!!!“ Wütend aber lachend stieg sie raus. „Ich mach dich grün und blau, du blaublütiger Blödel, hahaha!!“ „Da sehe ich schwarz für dich! Haha! Agni!!“ Soma wandte sich zu seinem Khansama. „…schnapp dir Wigburg und tunk sie in Rot!“ „Jo Agya!“ Flatsch!!! Drin war ich in der Wanne, bevor ich Lieschen helfen konnte. Aber Agni lachte herzlich. „Ich hoffe du hast dir nicht wehgetan.“ „Jetzt!!“ Bard warf und traf Agni an der Schulter. „Strike one!“ Agni konterte und verfehlte Bard. „Strike two!“ Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, als Bard mehrmals auswich. „Ey, Schneeweißchen!“ Das war an Agni gewandt. Der guckte mich verdutzt an. „Meinst du mich?“, wollte er fragen, bevor ich ihm rote Farbe entgegenschleuderte. Zur Hälfte war der Khansama rot. „Haha!! Jetzt siehst du mehr wie Rosenrot aus!!! Haha!!“ „Strike three, Wiggy!“, kommentierte Bard und rannte davon, „Homerun! Homerun! Homerun! “ murmelnd. Mir platzte der Kragen. „Bard, wie oft hab ich dir gesagt…!!!“ Da traf mich eine Pulverbombe am Hinterkopf. „FINNY!!!“ Der Kleine lachte während er einen der Farbzuber geschultert hatte. Chaos Pur!!! Überall war Farbe, ein paar der Schalen waren umgekippt, Lisabeth saß auf Somas Rücken, der auf dem Boden lag und stäubte seine Haare ein. So bemerkten wir nicht wie Sebastian und Tanaka vorsichtig in den Ballsaal lugten und welche schockiert waren. Als aber Sebastian eine Farbbombe auf seinem Jackett abkriegte, war alles schlagartig still. Keiner wagte es nicht mal zu Atmen. Ein Taschentuch herausziehend und sich die Farbe vom Jackett abwischend, sprach Sebastian: „Ganz offensichtlich amüsiert ihr euch prächtig anstatt alles für die Feier vorzubereiten…“ „Die Party!!“ „Stimmt, die haben wir komplett vergessen!!“ „Welch ein Chaos…“, murrte Sebastian verstimmt als er in den Saal trat. „Die Inder haben damit angefangen!!“, warf Bard sofort ein, offenbar um keinen Ärger zu kriegen. „D…das ist nur ein Fest unseres Glaubens…“, sagte Soma schuldbewusst während er ängstlich aufstand. Sebastian blaffte ihn an: „Habt Ihr etwa den Bediensteten erlaubt mitzufeiern?!!“ „J…Ja…“ Unser armer Prinz bekam es richtig mit der Angst zu tun. „Es ist nicht seine Schuld!!“, warf Finny quengelnd ein. „Bitte schimpfe nicht mit Prinz Soma!!“ „Ja, es stimmt…“, sagte ich. „Er hat uns darum gebeten und wir haben mit Freude angenommen. Er wollte doch nur mit uns feiern.“ „Wie auch immer…“, grummelte Sebastian, während er auf seine Taschenuhr schaute. „Dank eurer Farbschlacht haben wir Zeit verloren für die Vorbereitungen unserer Feier, die der junge Herr euch gestattet hatte. Am besten ihr macht alles innerhalb einer halben Stunde sauber und räumt auf, wenn wir den Zeitplan noch einhalten wollen.“ Ein langes und frustriertes Stöhnen ging durch den Raum, doch Sebastians bohrender Blick ließ uns erstarren. „Danach nimmt ihr alle besser ein Bad. Und wehe ich finde heute Abend hier im Saal ein winziges Stäubchen!! Habt ihr verstanden?!“ „Jawohl!!“, antworteten wir im Chor. „Dann… RÄUMT GEFÄLLIGST AUF!!!“ Mit Angstschreien gingen wir an die Arbeit und in tatsächlich einer halben Stunde waren wir fertig. Nur mit den Baden wurde es schwer, da Soma und Agni unsere Zuber für ihre Farben in Beschlag genommen haben und nur noch die Wäschewanne zum Baden übrig war für uns Bedienstete. Soma hatte natürlich sein eigenes Bad und würde bestimmt nicht teilen. Nach heftigen Diskussionen und Streitereien hatte sich Bard vorgedrängelt so, dass er zusammen mit Finny und Agni zuerst badete. Auch wenn es Finny und Agni offensichtlich Leid tat, mussten Maylene, ich und Lieschen warten bis wir dran waren. „Vielleicht erlaubt Prinz Soma, dass zumindest eine von euch mit ihm badet…“, sagte Finny in kindlicher Unschuld. „BIST DU IRRE????!!!“, schrien wir Mädchen Finny an, knallrot im Gesicht und Maylene flossen sogar ein paar Blutstropfen aus der Nase. „Der Prinz sollte nicht gestört werden…“, wimmelte Agni verlegen ab, Finny sah nur verwirrt drein. „Außerdem ist es bestimmt viel zu eng für zwei Personen.“ „Wieso?? Lisabeth ist die schmalste von allen. Wenn sie geht und beide sich etwas zusammenknäulen, dann…“ „NIX DA!!!!“ Lisabeth war so rot wie ich es noch nie gesehen hatte. „Dddddd… Da warte ich lieber…“ „Kommt Männer!“, rief Bard, der das Wasser fertig gemacht hatte. „Wir sind eh schneller fertig als die Weiber! HAHAHA!“ Wir knurrten während Agni und Finny ins Bad gingen. Eine Stunde später, saßen wir endlich im Wasser und schruppten uns die Farbe von Haut und Haaren. „Mit einem Mann zusammen in einer Wanne sitzen und noch dazu nackt!!“, begann Maylene. „Also… wie unanständig…“ „Hatte ich auch noch nie…“, sagte Lieschen, immer noch rot. „Will ich auch gar nicht und erst recht nicht mit meinem besten Freund!!“ „Ich war nur mit unserem Vater baden, als ich ganz, ganz, ganz klein war, aber das zählt ja nicht, da er mein Vater ist.“, sagte ich und Lisabeth nickte. „Stimmt, bei einem anständigen Vater zählt das wirklich nicht.“, sagte Maylene. „Hmmm… obwohl… ich wüsste schon gerne…“, sagte Lisabeth leise. „Ob Soma überall so dunkel ist wie in seinem Gesicht und an den Händen…“ Ich musste lachen. „Lieschen!!!!“ „HEY!! Nur aus Neugier!!! Mehr nicht!!“ „Jajaja, ich versteh schon!“ Ich grinste nur hämisch. „Halt ja deine Klappe!!!“ Ich lachte nur herzlich über Lieschens Gemoser. Ich beeilte mich nach dem Baden sehr, weil ich doch mit Sebastian die Snacks machen wollte. Den Teig für die Krebbel, oder Krapfen, hatte ich am Tag zuvor gemacht, so dass er über Nacht gehen konnte. Als ich die Schüssel mit den Teig in die Küche brachte, war Agni bereits dort und schien etwas zuzubereiten. „Oh…“ Mir schoss das Blut ins Gesicht, doch ich versuchte mich im Zaum zu halten. „He… Hallo Agni…“ „Ah, Hallo Wigburg…“, sagte er lächelnd, so dass es mir schwer fiel, nicht rot zu werden. „Ähm… was… machst du hier und… wo ist Sebastian?“ „Nun… da Prinz Soma und ich bei eurem Karnevals-Fest mitfeiern dürfen, dachte ich, ich tue meinen Anteil dazu beitragen, indem ich Sandesh mache.“ Ich sah ihm über die Schulter. In einer Schüssel war sowas wie Frischkäse, daneben ein paar Schälchen mit Zucker und mit Gewürzen, wie ich es nicht anders von ihm gewohnt bin und auf einem Teller lagen Bällchen, die aus diesem Käse gemacht waren. „Aha… das ist sehr lieb von dir. Tanaka hat auch Daifu… oder wie auch immer er es genannt hatte, gemacht. Sebastian wollte Scones machen.“ „Und du? Was wirst du machen?“ „Krebbel, gefüllt mit Marmelade.“ „Ich helfe dir gerne dabei, wenn du magst.“, sagte Agni freundlich. „Gerne! Gerne!!! Du könntest die Krebbel formen, so ne Handvoll groß und ich hole noch Marmelade und Schma…AAAHHH Verdammt!!!“ Ich schlug mir gegen den Kopf. „Was ist?“, fragte Agni verwirrt. „Stimmt ja! Du und Soma dürft ja weder Rind noch Schwein zu Euch nehmen! Da muss ich wohl Öl anstatt Schmalz nehmen!“ Doch Agni lachte erheitert. „Na, dann wird das nicht so schlimm sein. Ich mach schon mal das, worum du mich gebeten hast.“ Ich nickte und ging wieder in die Speisekammer um Öl und Marmelade zu holen. Als ich zurückkam, hatte Agni bereits aus meinem Teig, ein paar Handvoll große Kugeln geformt. „Ist das so richtig?“, fragte er. „Ja genau. Finny, dieses Schleckermaul!!! Er hat bestimmt uns mal wieder die Marmelade fast weggefuttert!!“, grummelte ich. „Ich muss mit Hagebutten-Marmelade strecken.“ „Hagebutten??? Du meinst doch nicht etwa die Früchte von Rosen?“, fragte Agni verwirrt. „Ja. In Deutschland machen wir aus Hagebutten Marmelade und Tee, besonders für den Winter, das hilft prima gegen Erkältung.“ „Ach so… Bei uns schenken wir den Hagebutten nicht so eine Beachtung.“ „Finny mag keine Hagebutten-Marmelade, die ist ihm zu bitter… aber… wenn ich vielleicht zur Marmelade etwas Sternanis, Zimt und ein klitzekleines bisschen Muskat dazu mache, können Himbeere und Hagebutte zusammen gut schmecken. Himbeere bringt die Süße ist aber sehr zart im Geschmack ich muss also vorsichtig sein…“ Agni sah stolz aus. „Du hast viel gelernt Wigburg. Damit kannst du bestimmt beide Früchte geschmacklich in Einklang bringen.“ „Danke… Magister…“ Fast hatte ich Angst, dass er mein pochendes Herz hören würde, als ich ihm ins Gesicht sah. Er hielt lächelnd meine Schulter, da wurde ich doch wieder etwas scheu und griff nach ein paar Schüsseln und begann mit dem Mischen. „Gut, Chela. Pass mit dem Zimt auf.“ Ich nickte. „Es macht mir so viel Spaß… immer was Neues zu lernen.“ „Aber ich habe auch viel von dir gelernt. Ungewöhnlich, dass ein junges Mädchen wie du jemanden wie mir was beibringt.“ Mir schoss doch die Röte ins Gesicht, so dass ich den Kopf senkte. „Selten dass jemand so nett ist…“ „Diese Leute wussten nicht was für eine gute Frau du bist.“, meinte Agni tröstend. „Manchmal… ich hab echt gedacht… dass ich verflucht bin…“ Auf einmal legte er den Arm um mich und sah mich wieder mit diesem warmen Blick seiner graublauen Augen an. Ich zitterte etwas. „Denk nicht so! Du bist nicht verflucht. Du hattest nur das Pech auf solche Ignoranz zu stoßen…“ „Verflucht ist nur jemand, der daran glaubt.“ Kurz erschraken wir, Sebastian kam grad rein, auf einem Tablett fertige Scones. „Was? Schon fertig???“, fragte ich. „Ich fand, im Gegensatz zu euch, genug Zeit die Scones fertig zu machen. Müssen also nur die Krapfen gemacht werden?“ „Ähm… ja natürlich!“ und ich wand mich wieder der Marmelade zu. „Menschen sind oft so dumm.“, seufzte Sebastian, während er die Scones auf den Tisch stellte. „Hat Wigburg ihnen schon erzählt, dass man sie der Hexerei bezichtig hat, Mr. Agni?“ „Schon…“, antwortete dieser. „Aber wie könnte sie?! Sie ist so ein gutes Mädchen, nicht nur weil sie meinen Herrn gerettet hat.“ Ich versuchte mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. „Und hat sie Ihnen auch erzählt, dass man das geglaubt hat, trotz dass ihr Onkel ein angesehener Priester ist?“ „Priester?!“, fragte Agni und sah mich erstaunt an. „Sie ist eine Brahmine?!“ Sebastian lachte, während ich verwirrt Agni ansah. „Was meinst du, Agni?“, fragte ich. „Nein. Im Gegensatz zum Hinduismus, wird man im Christentum nicht ins Priesteramt geboren. Peter Herman, ihr Vater, sein ältester Bruder Thomas, hat sich für das Priesteramt entschieden während seine jüngeren Brüder das Erbe des Vaters antraten.“ „Trotz dass…“ Agni war deutlich empört, das kannte ich so von ihm nicht. „Dass man ihr so was vorwirft, obwohl ihr Onkel ein Priester ist! Man sollte Priestern und ihren Familien immer Respekt…“ Auf einmal stockte er, bevor er mit gesenktem Kopf fortsetzte: „… Demut und Hochachtung schenken…“ Sebastian grinste hochmütig, ich war noch verwirrter. Was war auf einmal? „Ein heller Geist, weibliches Geschlecht und grüne Augen, die den Aberglauben anstacheln, schon haben wir die Hexe. Haben Menschen schon nicht immer andere Menschen gehetzt die nicht in ihr Weltbild passen? Menschen können sehr grausam sein.“ „…und… und blind…“, kam es von mir. Beide Männer sahen mich dann an. „Ihre Angst vor allem was anders ist macht sie blind, dabei ändert sich auch die Zeit und Natur. Ich glaube aber die die Angst vor allem haben was anders ist, haben in Wirklichkeit Angst davor etwas zu verlieren und sei es auch nur ihre Ansicht von Gut und Böse, weil sie dann nicht mehr wissen was sie glauben sollen.“ Beide sahen mich überrascht an. „Wie alt bist du?“, fragte Sebastian. „18… im Mai werde ich 19…“ „Nur ein Jahr älter als der Prinz, aber 12 Jahre jünger als ich und schon so weise?“, sagte Agni beeindruckt. „Ja, für eine junge Frau, bürgerlicher Herkunft, sehr weise.“ Erstaunt sah ich auch die beiden Männer an und kratzte mir am Kopf. „Ähm… naja… ich spreche manchmal einfach so von der Leber weg, hehehe…“ Von den Männern war dann nichts mehr zu hören. Am Abend, war wider Sebastians Erwartungen, alles fertig. Der Saal war wieder sauber, auf langen Tischen war ein Büffet serviert auch mit diversen Getränken. Punsch, Sake von Tanaka und sogar Bier dass wir aus Deutschland hatten bringen lassen. Kostümiert waren alle: Ich war Zigeunerin, weil ich vor kurzem den Glöckner von Notre-Dame gelesen hatte, Lisabeth war die schöne Helena aus Troja. Hatte sie mir doch das Mythenbuch vor der Nase weggeschnappt!!!! Bard war Cowboy, Maylene war eine Art weiblicher Robin Hood, auf die Idee waren Lieschen und ich gekommen, hahaha! Tanaka war ein edel gewandeter japanischer Adeliger, Shogun genannt und Finny hatten wir ein niedliches Marienkäfer-Kostüm gemacht. Wir waren schon im Saal am Feiern, nur Sebastian, Soma und Agni waren noch nicht da. Ich hatte schon etwas von der Bowle getrunken und tänzelte etwas herum, offenbar um wirklich wie La Esmeralda zu wirken. Lisabeth fand das zum Lachen. „Howdy, Gypsy-Lady!“, meinte Bard lässig. „Wie wär‘s mit uns beiden? Ne Runde Squaredance?“ „Ähm… vielleicht später… ich hab keinen blassen wie man das tanzt!“, kicherte ich nur. „Tanz bitte weiter Wigburg! Das sieht einfach toll aus!“, jubelte Finny mit glänzenden Augen und Maylene klatschte. „HE!!! Ihr habt schon ohne uns angefangen?“, fragte auf einmal jemand, ein wenig beleidigt. Soma und Agni waren endlich da, aber ihre Kleidung war anders als wir erwartet hatten, zumindest für uns Frauen. Soma trug eine juwelenbesetzte, blaue Weste und über seine Hose hatte er ein Seidentuch mit passendem Muster gewickelt, um die Hüften hatte er eine Kette aus Perlen an dem eine Pfauenfeder hing. Agni war schlichter gehalten, er trug eine Art Rock und ein Tuch hing quer über seinen Oberkörper, beides in dunkelgrün. Seine gelbe Schärpe trug er um die Hüften, aber seinen Turban hatte er nicht auf. Wir starrten die beiden an und Maylene floss wieder etwas Blut aus der Nase, weil so viel bloße Haut hatten wir Mädchen nicht erwartet. „Öhhh… Wow…“, sagte Lieschen. „D…damit haben wir nicht gerechnet…“ „Ihr beide sieht cool aus!“, meinte Finny. „Äh…ja, stimmt! Cool!“, stammelte Maylene und wischte sich mit einem Tuch das Blut weg. Ich lachte leise über Maylenes Verhalten. Dann aber zu Soma und Agni: „Ja, ihr beide sieht echt toll aus. Schön dass ihr da seid! Und Agni, dein Sandesh ist einfach lecker!“ „Was willst du ja auch erwarten von meinem Khansama!“, sagte Soma lachend und knuffte Agni leicht, der lächelte nur verlegen. „Das ist doch selbstverständlich.“ „Versuch auch Wigburgs Krebbel! Die sind auch nicht schlecht!“, sagte Lisabeth und gab den beiden einen leichten Stoß Richtung Büffet. Kaum waren die beiden dort, schauderte Lisabeth leicht vor Wonne. „Oh mein Gott…“, flüsterte sie leise auf Deutsch. „Ich glaube meine Frage von vorhin hat sich geklärt…“ „Ob Soma überall so dunkel ist?“, kam es von mir, ebenso auf Deutsch. „Ja, das hat sich geklärt. Aber Agni… woah, also…“ Ich bekam schon Angst auch Nasenbluten zu kriegen wie Maylene. „So kräftig hab ich ihn mir gar nicht vorgestellt…“ „Hihi, wenn Oma Inge wüsste dass wir uns halbnackte, nichtchristliche Männer angucken würden, sie würde ausflippen!“, lachte Lieschen. „Eher sich im Grabe umdrehen, hahaha!“ Dann war ich auch am Büffet um mir und Lieschen je ein Bier zu holen. „Wirklich gut, das was Wigburg gemacht hat!“, sagte Soma zu Agni, in seiner Muttersprache. „Du hast sie gut ausgebildet, Agni! Sie würde eine gute Ehefrau oder gar eine tolle Khansami abgeben.“ „Zu viel eurer Güte, Prinz.“, wimmelte Agni verlegen ab, auch auf Hindi. „Aber es liegt alleine an ihr.“ Dabei sah er zu mir rüber, wo ich grade mit Lieschen und Finny über was Lustiges lachte. „Sie ist immer mit Feuereifer beim Lernen dabei und begreift schnell. Sie mag es wohl von mir zu lernen und… ehrlich gesagt, freue ich mich immer über ihre Anwesenheit…“ Soma grinste auf einmal. „Hmmm… muss was dran sein, dass im Süden zu Holi auch Kama gepriesen wird.“ „Was…?“ Agni stockte. „Du magst Wigburg, oder nicht? Also ich könnte es dir nicht verübeln.“ Agni sah entsetzt seinen Herrn an. „Prinz!!! Das… das wäre undenkbar!! Der Lehrmeister sollte niemals eine tiefe Beziehung mit seinem Schützling eingehen!“ „Aber ihr seid doch schon Freunde, also… und ich würde es dir sogar erlauben, dass du dir eine Geliebte nimmst.“ „Ähem…Prinz, ich danke Euch für eure Großzügigkeit, aber ich muss ablehnen. Wigburg ist meine Chela und somit bin ich für sie verantwortlich. Außerdem… sie verdient einen besseren Mann als mich…“ „Jetzt machst du Witze!!!“, kommentierte Soma. „Nur deswegen was einst war, soll sie einen anderen nehmen? Jetzt komm! Außerdem du magst Wigburg, das weiß ich! Sie ist jung, hübsch und auch nicht dumm, wenn aber auch sehr dickköpfig. Vielleicht ist sie aber so dickköpfig, weil sie eine Deutsche ist.“ „Sie ist nicht dickköpfig!!“, widersprach Agni seinem Herrn. „Sie ist nur stolz, aber wenigstens in der richtigen Weise. Sie hatte schon so viel in ihrem Leben kämpfen müssen, ihrer Würde willen… “ „Du widersprichst mir ja!“, sagte Soma überrascht und immer noch grinsend. „Das ist ja neu.“ „Ich… ich wollte Euch nicht widersprechen, Prinz… Vergibt mir meinen dummen Fehler.“ Aber Soma lachte nur herzlich. „Eindeutig!!! Du bist in Wigburg verliebt! Sonst würdest du mir nicht widersprechen!“ „Von Liebe kann keine Rede sein!“, versuchte Agni auszuweichen. „Ich… bewundere sie…“ Wieder schweifte sein Blick zu mir rüber. Finny versuchte grad zwei Krebbel gleichzeitig in den Mund zu stopfen, so dass die Marmelade rausquoll, was ein sehr lustiges Bild abgab und Lisabeth und ich herzlich darüber lachten. „Genauso wie sie aus vollsten Herzen hassen kann, kann sie bestimmt auch genauso sehr lieben… sie hat so viel durchgemacht und Leid ertragen, aber dennoch ertrinkt sie nicht in ihrem eigenem Hass und ist gütig.“ „Oh ja…“, stimmte Soma zu. „Was Lisabeth mir erzählt hat, war furchtbar… Wigburg ist schon echt stark.“ Agni nickte, immer noch zu mir und Lisabeth blickend. „Elisabeth ist auch recht stark und immer heiter. Bei ihr muss ich an die strahlende Morgenröte denken, die einen neuen Tag einläutet.“ „Morgenröte?“ Soma blickte zu Lieschen und war etwas verwirrt. „Ja, ihre Fröhlichkeit finde ich auch toll…“ Er starrte, immer noch verwirrt, zu Boden. „… Wigburg dagegen…“,redete Agni weiter ohne auf seinen Herrn zu achten. „Ist so anders als ihre Schwester… So ruhig und zurückhaltend. Wie der Abendstern, der sich scheu in der Dämmerung sich verbirgt aber ihr Schein rein ist und Mut macht…“ „Du bist ja richtig poetisch Agni!“, sagte Soma. „Leugnen ist zwecklos! Du bist…“ „Ey ihr Langweiler!!!“, platzte Bard rein. „Kaffeklatsch gibt’s nur bei alten Omas!!! Ran an die Weiber!“ Und er griff Lisabeth und Maylene an den Händen und wollte mit beiden tanzen. Etwas später tanzten wir fröhlich miteinander, jeder mit jedem! Bis auf einmal!!! Ein Windstoß! Und die Kerzen im Raum, die Gasflammen in den Lampen und selbst das Kaminfeuer waren aus! Alles war dunkel. „Was war das denn?“, fragte Maylene. „Ei… ei… ein Geist?“, stotterte Finny „Ui!!! Wie aufregend!!“ Maylene war auf einmal munter. „Bullshit! Geister gibt’s nicht! War bestimmt der Wind.“, erwiderte Bard. „Wind?! In einem abgeschlossenen Raum?!“ Kaum hatte ich das gesagt, erklang ein Flackern und sämtliche Lichter die vorhin ausgegangen waren, waren wieder an. Völlig verdutzt über das Ereignis, bemerkten wir nicht die Gestalt, die im schwarzen Umhang und Maske mitten unter uns im Raum stand. „Einen schönen guten Abend…“, erklang Sebastians Seidenstimme und dann ängstlichen Schreie. Wir alle waren so erschrocken, dass es einen kleinen Tumult gab. Finny klammerte sich an Maylene und Soma warf vor Schreck Lieschen um, die sich dann lauthals beschwert. „Ey Leute, beruhigt euch! Es ist Sebastian!“, rief Bard als er sah wer da stand. Dadurch beruhigte sich die Stimmung. Es war tatsächlich Sebastian, der als Phantom der Oper verkleidet war. „Verzeihung dafür dass ich so spät kam, ich hatte noch ein paar Erledigungen zu erfüllen.“ „Och kein Problem!“, sagte Maylene. „aber du siehst umwerfend aus Sebastian!!!“ „Du bist ja schließlich der Butler und hast die meiste Verantwortung, oder Wigburg?“, sagte Lieschen. „Wigburg?“, fragte sie nach als sich niemand meldete, bis sie sah dass ich ohnmächtig am Boden lag, so groß war der Schreck gewesen. „SCHWESTER!!!!!!“ Alle versammelten sich um mich und Agni hob leicht meinen Kopf. „He, Wiggy.“ „Chela, alles in Ordnung?“ „Mensch!! Wiebchen muss das sein?!!“ Langsam öffnete ich die Augen. Ich konnte nur eine einbandagierte Hand an meinem Gesicht fühlen. Der Kronleuchter leuchtete so stark dass ich zuerst nur einen Schatten sah. „Ein Engel?“, dachte ich bevor ich erkannte wer sich über mein Gesicht gebeugt hatte. „Nein… noch besser… Agni… Das muss ein Traum sein. So nah würde er mir nie in echt kommen oder so mein Gesicht halten… Was für ein wunderschöner Traum…“ „Seraph…“ Ich merkte nicht mal dass, ich es auf Deutsch sagte. „Bitte nimm mich ganz fest in den Arm…“ „Wie bitte?“, kam Agnis Antwort und darauf von Lieschen: „Sag mal was babbelst du da für’n Blech“ „IEEEEEEEEEEEEEEEEEKKKKKKK!“ Ich fiel aus allen Wolken, weil ich jetzt bemerkte dass ALLE um mich versammelt waren und mich anstarrten. „IIIIICH HAB GAR NICHTS GESAGT!!!!!!! GAR NICHTS! GAR NICHTS! GAR NICHTS!“ „Beruhige dich, Chela…“, redet Agni auf mich ein. „Ja, es ist doch alles gut…“, versuchte es auch Finny während Lieschen kichernd den Kopf schüttelte. „Was hat sie überhaupt gesagt?“, fragte Soma. „Ich hab sie nicht verstanden.“ „Sie hat genuschelt, ich hab nix verstanden.“, sagte Lisabeth locker raus. „Sie hat aber auch etwas getrunken, vielleicht fiel sie deshalb so leicht in Ohnmacht.“ Sie half mir auf die Beine und setzte mich auf einen Stuhl, etwas abseits. Dabei lachte sie leise. „Also wirklich!“, flüsterte sie auf Deutsch, wobei sie Mühe hatte nicht laut zu lachen. „Du bist ja echt schräg drauf!! Nennst einen Hindu einen Seraph, also einen Engel! Der hat doch keine Ahnung was das ist!“ „Bitte! Verrate ihm nichts!“, flehte ich leise. „Mir ist die Sache schon peinlich genug!“ Lieschen brauchte ne Weile bis sie sich etwas von ihrem Gelächter beruhigt hat und nur nickte. „Wigburg? Wirklich alles okay??“ Es war Finny der grad zu uns kam. „Ja… Es geht mir besser…“ „Was ist denn ein Seraph und warum sollte Agni dich in den Arm nehmen?“ Ich, aber auch Lieschen erstarrten. „Du verstehst deutsch?!“ „Ja. Also was ist ein Seraph?“ „Nun ja…“, begann ich, aber Lieschen fuhr fort. „…Als Wigburg noch klein war, hatte sie oft geträumt, sie würde mit Engeln spielen und sie hatte eben Agni für so einen Seraph, also eine Sorte von Engeln, aus ihrer Kindheit gehalten.“ Ich war Lieschen so dankbar dafür dass, sie gut lügen konnte „Ach so!“, sagte Finny strahlend. „Das sag ich Agni, der würde dich bestimmt gerne umarmen!“ „NEIN!!!!!“ Ich packte Finny am Kragen und schüttelte ihn. „WENN DU NUR EIN EINZIGES WORT IHM SAGST, SCHWÖR ICH DIR DANN…!“ Wieder starrten mich alle an. „Das war zu laut, Schwesterherz…“, zischelte Lisabeth zwischen den Zähnen, eh ich aus dem Saal rannte. Lisabeth fand mich später auf dem Klo, wo ich Geräusche von mir gab die an einen Hund mit höllischen Bauchschmerzen erinnerten. „Wiebchen… ist doch alles gut…“ „Nein… ich hab mich grad zum Vollidioten gemacht… OOOOoooooooohhhhh…“ „Du bist aber mächtig in Agni verknallt, dass du so einen Uffriss machst, owei owei…“ Ich konnte es jetzt nicht leugnen, Lieschen weiß es, aber die anderen??? „Ich hab gesagt, dass du zu viel getrunken hast, das haben die mir geglaubt, also mach dir keinen Kopf.“ „Das ist mir so peinlich, dass ich am liebsten sterben möchte…“ „Ach komm! Du hast doch einmal beim Pilzesuchen ein paar Holzfäller aus Versehen beim Pinkeln zugesehen. Das fände ich schlimmer.“ „Ich war zwölf! Und die haben mich zum Glück nicht gesehen.“ „Aber du bist damals bestimmt auch so schnell weggelaufen. Komm schon… die anderen warten auf dich! Wir wollen doch feiern und ohne dich feire ich nicht!“ Und Lieschen zog mich mit sich. Der Vorfall war wirklich schnell vergessen bei der Polonaise und beim Blinde-Kuh-Spielen. Ich konnte dann doch wieder mit den anderen mitlachen. Nur Sebastian, stand den Rest des Abends in der Ecke und schien etwas verstimmt zu sein. Ein paar Tage später kam in Deutschland, kam bei Martina Herman, meiner Mutter, ein Packet an. Darin waren zwei Säcke, ein großer und ein kleiner, ein Brief, ein Foto von uns allen und eine kleine Karte mit Grüßen von den Bediensteten und unseren Gästen. Im kleinen Sack war eine Gewürzmischung, die Agni selbst für sie gemischt hatte und im großen Sack war hellblaues Farbpulver vom Holi-Fest, wir hatten erwähnt dass unsere Mutter die Farbe Blau liebte. Mama freute sich riesig über die Geschenke und war etwas wehmütig dabei. „Wenn ich jetzt mit ihnen reden könnte… scheinen nette Leute zu sein, die in England.“, meinte sie und sah aus dem Fenster… Kapitel 8: Blütenraub --------------------- Ein wichtiges Dinner mit berühmten und wichtigen Persönlichkeiten stand an. Sogar einer aus dem deutschen Adel sollte dabei sein, deshalb sollten Lieschen und ich dabei sein. Es handelte sich um den Bankdirektor Georg von Siemens, der auch viel mit der Schwerindustrie in unserer Heimat zu tun hatte. Auch die Opernsängerin Irene Diaz, zusammen mit dem Schauspieler Grimsby Kean, der Sohn des Schiffbaus-Baron Patrick Phelps, der Präsident einer Diamantschleiferei genannt Karl Woodley und ein kleiner Autor und Augenarzt, dazu Lau und seine „Schwester“ Ran Mao. Auch Eral Grey, der Butler der Queen war da. Ab und zu gab es Zwischenfälle, besonders weil der Fürst von Siemens zu viel getrunken hat. Er wurde recht grob und aufdringlich. Wir waren froh dass offensichtlich nur der Fürst unsere Flüche verstand. „Ach, Hessische Landweiber! Ich dachte die Frauen auf dem Land sind etwas lockerer!“ „Nichts ist so wie es erscheint, Herr Fürst!“, antwortete Lieschen grimmig. „Ach komm, Kleine!“, lallte der Fürst, kniff ihr in die Wange und drückte ihr einen Bierhumpen in die Hand. „Trink was, dann wirst du locker!“ „Nein, im Dienst trink ich nicht!“, keifte Lieschen zurück. „Nun komm nur einen Humpen, ihr auf dem Land verträgt doch was. „Nein, ich werde nicht…“ „Ich tu’s!“, sagte ich und griff nach dem Humpen. „Was? Die stille Brünette ist mutig? Das ist neu.“ „Das tu ich nicht für Euch, Herr von Siemens!!“ Setzte das Glas an die Lippen und trank in einem Zug es aus. Allerdings entwich mir ein Rülpser danach. „Oh Pardon!“ „Na sowas?!“, sagte der Fürst beeindruckt. „Okay, ihr beide habt meinen vollsten Respekt! Aber dich brünettes Blümchen sprech ich später.“ Er zwinkerte mich anzüglich an. „Tut mir leid, aber ich hebe mich nur für den einen auf!“, sagte ich aufrecht und stolz, bevor der Fürst sich anderen Dingen zuwendete. Ich versuchte nicht zu schwanken, da in England das Bier warm getrunken wurde, stieg der Alkohol mir schnell in den Kopf. Lisabeth setzte mich auf einen Stuhl. „Wigburg, das hättest du nicht für mich machen müssen.“ „Für meine Schwester tu ich alles…“, sagte ich und hielt mir den Kopf. Auf einmal kam Sebastian mit einem Glas Wasser. „Beeindruckend, wie du dem Fürsten die Stirn geboten hast, Wigburg.“, sagte er mit einem Lächeln. „Irgendjemand musste es doch tun…“ „Nun ihr beide passt besser auf, der Fürst ist immer noch sehr betrunken.“, sagte er noch bevor er weiter die Gäste bediente. Etwas später war der Fürst auf ein Zimmer gebracht, aber man fand ihn kurz nachdem er nach Service geklingelt hat, tot auf. Scheinbar wurde er erstochen und der Mörder war offenbar noch auf freien Fuß. Nur warum war das geschehen? Wer wollte den Tod von Georg von Siemens? Ratlos gingen wir alle zu Bett. Am liebsten hätten Lieschen und ich zusammen geschlafen aber Tanaka wies uns an, uns keine Sorgen zu machen und beim Alten zu bleiben. Ich blieb aber bei meiner Schwester bis sie eingeschlafen war. Erst dann schlich ich mich in Richtung meines Zimmers. Sebastian ging grade den Gang entlang, als er eine Gestalt erblickte, die im langen weißen Nachthemd entlang schlurfte. Es war ich die ermüdet wieder in mein Zimmer ging. Ich merkte nicht wie Sebastian langsam auf mich zukam und mit sanfter Seiden-Stimme sagte: „Einen schönen guten Abend Wigburg…“ Mein Herz blieb fast stehen als ich ihn hörte. „Ach du bist es…“ „Solltest du nicht im Bett sein? Außerdem läuft ein Mörder frei herum.“ „Ich… ähm… Ich war bei Lieschen gewesen, wegen ihm… sie hatte etwas Angst…“ „Wirklich?“ Er kam mir näher, lächelte und senkte etwas die Lautstärke seiner Stimme. „Du riskierst dein Leben um nach deiner Schwester zu sehen?“ „Ja…“ Ich stockte als er mir näher kam. „So viel Mut habe ich dir gar nicht zu getraut…“ Sein Lächeln hatte auf einmal was Bedrohliches. „Mutig und sehr schön…“ Sebastian strich mir durch das Haar während er sprach und sein Blick wurde weicher aber irgendwie auf eine Art und Weise hungriger. „Ich bin nicht schön… höchstens hübsch…“ „Oh doch das bist du.“, widersprach der schwarze Butler und hielt mein Kinn. „Du besitzt einige Ähnlichkeiten mit einer Rose, die scheu ihre zarten Blüten zwischen ihren Dornen verbirgt.“ „Ni… nicht doch…“ Seine Stimme war so seltsam süß und schwer zu widerstehen. Ich konnte ihm nur in seine Augen blicken, deren Rot glühte wie Glut. Leicht zitterte ich und rührte mich nicht. Wie eine Maus vor einer Katze die nicht wusste wann sie angreifen würde. „Ich hab den ganzen Abend gehofft dass ich mit dir, alleine reden könnte. Würdest du mir die Ehre dazu erweisen?“ Ich starrte ihn und dann auf seine da gebotene Hand. „J…Ja…“ Doch kaum hatte er meine Hand ergriffen, riss er mich mit sich, bis zu einer Tür. Kaum hatte er die Tür geöffnet, stoß er mich in den Raum rein, dass ich hinfiel, kam mit rein und schloss ab. „JETZT sind wir alleine!“, sagte er mit deutlicher Vorfreude in der Stimme, dabei… mir gefror das Blut in den Adern… Seine Augen leuchteten jetzt richtig und hatten schlitzartige Pupillen. Seine Eckzähne waren auf einmal spitz und blitzten unter seinen Lippen hervor. Was war das nur für eine Kreatur, die da mich angrinste?! Ein Vampir?!! „Blei… Bleib mir vom Leib!!“, schrie ich und wollte ihm schon mein Kruzifix entgegen halten aber er war schneller! Er war zu mir runter gekommen und hatte den Arm um meine Taille gelegt und zog mich eng an sich. „Na, warum so ängstlich? Ich will dir doch nichts Böses…“ Er streichelte mein Gesicht und mein Haar, ich konnte ihn nicht von mir wegdrücken. „Nein, ich will dich näher kennenlernen… dich studieren… Du bist voller Gegensätze…“ Mit seiner Hand strich er mir über den Rücken, wobei ich erschauderte. Ich konnte meinen Blick nicht von diesen unheimlichen roten Augen abwenden, daher kniff ich meine Augen zu. „Geh weg! Hau ab!“ Doch Sebastian hielt mein Gesicht fest im Griff und ich fühlte auf einmal wie sich seine Lippen zwischen meine schoben. Was tat er da?! Jetzt hatte sein Mund meinen umschlossen und schmiegte sich dran. Mein… erster Kuss! Mit ihm?! Energischer schob ich ihn weg und wollte zur Tür krabbeln, doch er hatte meinen Arm gepackt und auf meinen Rücken gedreht. „Aber, Aber, kleines Wildröschen?“ Er grinste breit, ich konnte den Arm nicht entwinden ohne mir das Gelenk auszukugeln. „Warum das Flüchten? Ich will dir nichts Böses und auch nicht viel von dir …“ Er begann mit seiner freien Hand meinen Busen zu kneten, mein Stöhnen versuchte ich zwischen meinen Zähnen zu ersticken. „Hör… hör auf mich so unsittlich… Ahhhh…!“ Mit der Zunge fuhr er über meine Halsschlagader und ich gab einen ängstlichen Schrei von mir, den Sebastian gleich mit seiner Hand erstickte. Ich antwortete mit einem Biss in seine Hand und konnte mich befreien. „Oh, ein kleines Biest!“, sagte er erregt. „Ja du bist wirklich was Besonderes!“ Wieder wollte er nach mir greifen, ich trat gegen den Schenkel und wollte wieder zur Tür. Er wollte meine Beine greifen doch ich zog schnell die Beine weg. Er schien sich zu wundern dass ich ihm entschlüpfen konnte. „Du bist aber flink. Nun das macht die Sache interessanter. Du bist kein normaler Mensch! Na los, zeig was du drauf hast!“ „Nein!!“ Und ich wollte wieder weg. Jetzt hatte er mich aber wieder und drückte mich zu Boden. „Offensichtlich unterdrückst du es mit deiner Angst, ich weiß zwar nicht was genau du hast, aber deine Agilität ist mit meiner zu messen. Aber jetzt hab ich dich, kleines Wildröschen.“ Und er packte mein Nachthemd, welches er einfach entzwei riss. Ich lag nun völlig nackt vor ihm, rollte mich zusammen so gut wie ich konnte und zitterte vor Angst. Ich war mir sicher: Das da war kein Mensch!!! Ich wollte ihm ins Gesicht schlagen, was anderes ließen meine Instinkte vor Angst nicht zu, aber er hielt meine Hand einfach nur fest. Ein Blick zwischen meine Brüste und er entdeckte mein Kruzifix. „Hehe… das brauchst du nicht.“ Und Sebastian riss es mit einem Ruck ab und schmiss es in die Ecke. Ich riss mich los, trat ihm kurz in den Bauch und tastete auf allen vieren im Dunkeln nach dem kleinen silbernen Kreuz von Oma Inge. „Wo ist es, wo ist es?“ Bis ich spürte wie Sebastian mich von hinten an den Hüften packte und dabei an seiner Hose pfriemelte. „Ich mag zwar Spiele aber ich hab nicht viel Zeit, also…“ Das nächste was ich wahrnahm war ein stechender Schmerz und ein leises Schnauben von Sebastian, das sich mit meinem Schrei mischte. Überrascht ließ Sebastian mich los und zog sich dabei aus mir raus. Wimmernd lag ich am Boden, zusammengerollt wie ein Igel. Sebastian sah an sich runter und auf die Innenseite meiner Schenkel. „Du warst noch Jungfrau?“, fragte er überrascht als er das Blut sah, ich nickte nur während meine Tränen flossen. „Damit hatte ich nicht gerechnet, bei deinem Charme dachte ich ein anderer hätte schon mal mit…“ Als der schwarze Butler merkte wie ich leise weinte, verstummte er und streichelte mein Gesicht. „Ach komm, Wildröschen. Weine nicht… das geht vorbei…“ „Es tut weh…“, presste ich raus. „Niemand… nicht mal Mama hat mir gesagt dass es so weh tut…“ „Ist es bei jeden ersten Mal nicht so?“, fragte Sebastian und machte dabei seine Seiden-Stimme noch seidiger. Er wischte mir, fast zärtlich, meine Tränen weg. „Der erste Schritt tut weh, wenn man hinfällt. Aber man lernt aufzustehen. Die erste Berührung mit Feuer tut weh, aber man lernt die Macht dieses Elements zu respektieren. Und wenn ein Mädchen zum ersten Mal sich einem Mann hingibt, kann es wehtun, aber sie lernt die Freuden des Fleisches, die ihr Menschen gerne als Sünde abtut…“ Seine Lippen legten sich wieder um die meine. So langsam löste er durch Streicheln meine ängstliche Starre. Immer noch pochte das Herz vor Angst, während er sich über mich beugte und meine Beine auseinander bog. Ich zitterte leicht, Sebastians Blick war unheimlich und erfüllt von Gier. Er drang abermals in mich ein, ich stoß dabei Luft aus meinen Lungen, während ich die Augen zukniff. Ich konnte fühlen wie er rhythmisch seine Hüften vor und zurück bewegte. So nach und nach entlockte er mir ein Stöhnen, in meinem Schoß begann es zu kribbeln und benebelte meinen Geist. Was passierte grade mit mir?! Was tat Sebastian mit mir? „Se… Sebastian!!“ „Ja… sag diesen Namen!“ „Ah!“ „Jetzt gehörst du mir, Wildröschen!“ Ein triumphierendes Schnauben mischte sich mit meinem Schrei, als er zur Erfüllung kam. Seine Fingernägel bohrten sich fast in meine Schenkel, wie er kam. Ich zitterte als er mich losließ, blieb aber liegen. Die Tränen flossen mir über die Wangen und meine Scheide brannte, weil sie diese heftige Reibung nicht gewohnt war. „Hehehe… ja, du steckst voller Überraschungen. Nicht nur deine Geschicklichkeit überrascht mich, das ist das zweite Mal, dass mir ein Mensch in einer Art und Weise mir gleich kommt. Und obwohl du wusstest was dir bevorstand hast du dein kleines Geheimnis deiner Jungfräulichkeit für dich behalten.“ Er küsste mich wieder mal auf den Mund bevor er aufstand und seine Kleider richtete. „Das war sehr erfrischend, aber nun muss ich mich wieder meinen Pflichten widmen.“ „Fass…“ Ich packte dabei einen seiner Frackschöße. „Fass meine Schwester nicht an!“ Ich konnte es nur leise vor mich her zischen, so sehr war ich erschöpft vor Angst und vom Akt vorhin. Sebastian sah mich überrascht, über seine Schulter an. „Du kannst mich sooft haben wie du willst, aber fass Lieschen nicht an! Sie ist noch unschuldig, wie ich bis vorhin!“ Er lachte spöttisch. „Hat dich Agni mit seiner Selbstlosigkeit angesteckt?“ Es war als hätte er mir noch zusätzlich ein Messer ins Herz gerammt. Dieser sadistische Mistkerl, warum hatte er das gesagt?! „Kleiner Scherz!“ Tröstlich strich er mir übers Gesicht. „Es ist ja natürlich dass die große Schwester an ihre jüngeren Geschwister denkt. Aber keine Sorge, du musst dich mir nicht nochmal anbieten. Das eine Mal reicht mir.“ Und er ging. Ich lag eine Weile, immer noch nackt am Boden und weinte. Er hatte mich entjungfert! Vergewaltigt! Dabei wollte ich meine Unschuld nur dem Mann schenken, den ich liebte… Agni… Doch dann kam mir ein anderer Gedanke auf. Lieschen! Sebastian hatte mit keinem Wort erwähnt dass er sie in Ruhe lässt. Ich musste etwas tun! Ich tastete im Dunkeln nach dem Fetzten meines Nachthemdes, aber fand es in einem Stück, als wäre nichts gewesen! Sogar mein Kruzifix lag drauf. Wie kann das sein? Hatte meine Angst jetzt mir völlig die Sinne vernebelt? Und wichtiger, wer oder besser was ist Sebastian? Aber ich durfte keine Zeit vertrödeln. Als ich mich angezogen hatte, ging ich mit wackeligen Beinen zu Lisabeths Zimmer. Ich konnte mein Blut fühlen das mir das Bein runter rann. Lieschen lag in ihrem Bett und schlummerte friedlich. Der Gedanke, dass Sebastian ihr dasselbe antun würde wie mir grad eben, ertrug ich nicht. „Mein armes Lieschen… du hast immer zu mir gehalten, nach allem was mir passiert ist. So etwas hast du nicht verdient… niemals…“ Ich nahm den Schlüssel aus dem Schlüsselloch ihrer Tür. „Dir darf nichts passieren… Wenn schon Hödur seinen Bruder nicht vor der Mistel schützen konnte, muss ich wenigstens dich irgendwie vor diesem Monster schützen! Vergib mir, Schwester…“ Ich schloss die Tür ab, morgen würde ich etwas früher aufstehen müssen, um Lisabeth rauszulassen. Danach ging ich wimmernd ins Bad um mich zu waschen, bevor ich mich später in meinem Zimmer einschloss und mich in den Schlaf weinte. Lisabeth ahnte nichts, sie schlief und träumte wie sie zusammen mit Soma auf einer Waldlichtung saß und herzlich lachten. Sie selber lächelte im Schlaf. So merkte sie nicht dass, ein schwarzer Schatten in ihr Zimmer kam. „Sie schläft… das wird einfach.“ Das Grinsen mit den spitzen Eckzähnen wurde breiter. „Schade dass sie nicht etwas Widerstand leisten wird wie ihre Schwester vorhin, aber wenn ich beide hab, wird sich keine mir widersetzten.“ …Lieschen und Soma lachten während sie im Sonnenlicht saßen. „Kannst du nochmal dein Lied singen? Das war toll…“ „Elisabeth…“ Somas Tonlage war auf einmal anders, sie war weicher und schmeichelnder und auch der Blick war anders. „… weißt du was ich am meisten an dir mag?“ „Was?“ Er fasste sie mit einem seltsamen Blick ihr ans Kinn und kam ihr näher. Das fühlte sich so seltsam echt an, als ob ihr wirklich jemand ins Gesicht fasste. Ihr war auch als ob Somas Augen sich etwas rötlich gefärbt hätten. „Dein goldenes Haar und deine schön blauen Augen sind wahrlich bezaubernd. Da kann man nur schwer widerstehen…“ „Ähm… wie meinst du?“ „Komm küss mich.“ Lisabeth zögerte. „Oder hast du schon mal jemanden geküsst?“ „Doch einmal aber heimlich!“ „Na also…“ Und schon hatte er seinen Mund auf ihren gelegt. Das fühlte sich auch seltsam echt an, sogar wie auch seine Zunge in ihren Mund glitt. „Also… Soma… du…“ Dann aber spürte sie wie seine Hand unter ihren Rock geht. „He! Was soll das?!“ Sie wollte sich gegen ihn stemmen aber ihr Körper fühlte sich seltsam taub an und bewegte sich nicht. „Hehe, was ist denn? Warum auf einmal so scheu? Gefällt’s dir etwa nicht? Mir schon.“ „Du machst mir etwas Angst Soma…“ Die schwarze Gestalt hatte sich schon über Lieschen gebeugt und öffnete ihre Beine. Lisabeth schlief immer noch, so sehr nutzte er seine Macht auf sie. …“Du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind alleine, du und ich…“ Seine Stimme wurde noch schmeichelnder und Lisabeths Knie weicher, trotz ihrer Angst. Er begann sie unten herum zu streicheln, während er sie weiter küsste. Lieschen zitterte aber ihr entrann immer mal wieder ein Seufzen. „So jung, arglos und schön wie eine grad erblühte Lilie, die ihre Blütenblätter ausbreitet.“ „Na gut…“, dachte sich Lieschen während „Soma“ ihren Hals mit Küssen bedeckte. „Es ist ja nur ein Traum und da passiert nix.“ Sie ließ es zu, dass er sie auf den Rücken legte und zwischen die Beine geht. „Es ist nur ein Traum…“ Aber der leichte Schmerz den sie fühlte wie er eindrang fühlte sich sehr echt an, immer noch war Lieschen in ihrem Traum gefangen und glaubte es mit Soma im Traum zu tun, aber es war nicht so! Sie keuchte lustvoll und forderte ihn sogar auf schneller zu werden. „Ah!! Oh, Soma…“ Sie blinzelte leicht. „Momentan bin ich das für dich, Gold-Lilie…“ Das Bild vor Lieschens Auge schmolz dahin, der Traum zerfloss. „Aber Recht bald wirst du mich besser kennen lernen!!!“ Sie erschrak als sie Sebastian erkannte. „NEIN!!! WEG!!! FORT!!!“ Immer noch war sie gelähmt und konnte sich nicht rühren. „Allvater, Angreifer, maskierter, mächtiger Graubart, Hilfe!!!“ Endlich!! Sie konnte sich gegen ihn stemmen aber er löste sich mit einem höhnischen Lachen in Nichts auf. Eine Weile saß Lisabeth zitternd im Bett, der kalte Schweiß auf der Stirn. Wie sie an sich runter sah, wusste sie, dass Sebastian sich im Schlaf an ihr vergangen hatte. Es war sein Gesicht was sie noch kurz zuvor gesehen hatte, da war sie sicher!!! „Wigburg! Ich muss zu ihr!“ Mit wackeligen Beinen ging sie zur Tür, aber diese war abgeschlossen. „Nein! Nein, nein, nein!!! Ich will raus!! Ich will zu meiner Schwester!“ Weinend hing sie an der Türklinke. Diesen Fehler hatte ich mir bis heute nie verziehen… … zwei kleine Jungen lachten höhnisch während sie dem braunhaarigen Mädchen in den Bauch traten und an den Haaren zogen. „Na los, du Hexe! Versuch uns in Kröten zu verwandeln!“ „Hört auf damit! Sofort!!! Ich hab euch nichts getan!!“ Doch sie lachten und traten noch fester zu, bis ein Tritt gegen den Kopf sie bewusstlos werden ließ. Das Lachen erstarb als die Jungen merkten dass sie nicht aufstand. „Was hat sie jetzt?“ „Keine Ahnung, sie rührt sich nicht.“ „Oh Nein!!! Vielleicht ist sie tot!!!“ „Mist! Das wollte ich nicht.“ „Was machen wir jetzt?!!“ „Wir vergraben sie und sagen sie wäre weggelaufen!“ „Aber wenn man sie findet?!“ „Unsinn! Man wird nicht nach ihr suchen! Hilf mir gefälligst! Das ist mir unheimlich!“ Die Jungen verwendeten Stöcke um den Boden aufzureißen und die Erde weg zu schaffen. „Warum tut ihr das?“ Die Jungen erschraken als sich das kleine Mädchen sich langsam erhob und sie mit einem seltsamen Blick ansah. „Sie lebt ja noch!“ „Sie erzählen doch was über mich und ihr glaubt ihnen bedingungslos anstatt zu überlegen ob was dran ist. Warum fragt ihr nicht?! Warum denkt ihr nicht?! Warum schaut ihr nicht hinter die Fassade? Habt ihr Angst? Oder seid ihr einfach nur träge?!!!“ Die Jungen zitterten auf einmal. Das Mädchen gab einen unheimlichen Laut von sich, so dass die Jungen die Ohren zuhielten, aber der Schock wurde größer als sie in das Gesicht des Mädchens sahen. „Ihr rechtes Auge leuchtet ja!“ „Mein Opa hatte Recht! Sie hat den bösen Blick!“ „Schnell weg hier!!!“ Und sie rannten als ob der Leibhaftige hinter ihnen her war. Das Mädchen hielt dagegen ihr Auge und weinte. „Aua, das brennt! Das brennt!“… …“Also ich kann nichts sehen Wigburg…“ Die Großmutter betrachtete das Auge ihrer Enkelin. „Aber ich hab’s doch gefühlt, es war total heiß, danach so warm als ob ich Fieber hätte. Die fiesen Jungen hatten sich davor erschreckt und sagten ich habe den bösen Blick.“ „DU HAST NICHT DEN BÖSEN BLICK!!!“ Dabei zuckte das Mädchen zusammen. Ihrer Großmutter taten ihre Worte leid und sie kniete sich zu ihrer Enkelin runter. „Wigburg, du bist weder verflucht noch merkwürdig oder abartig. Du und Elisabeth stammt von einem großen Geschlecht stolzer, weiser Frauen ab, die sogar Könige geleitet haben. Diesen Stolz und dein Erbe kann dir keiner nehmen, vergiss das nie Wigburg! Hast du verstanden?! Vergiss das nie, Wigburg… Wigburg… Wigburg…“… Ich erwachte aus diesem Traum, nein aus meiner Erinnerung aus meiner Kindheit. Dieser Tag war der merkwürdigste in meinem ganzen Leben gewesen. „Nicht Verflucht…“, murmelte ich zweifelnd. Ich wünschte Oma Renate hätte Recht. Es dauerte lange bis ich wieder schlief und träumte. …Flammen!!! Umringt von Flammen saß ich in der Mitte dieser Waberlohe, während ich überall Stimmen wispern hören konnte. Doch dann… „Wigburg… was haben wir nur falsch gemacht?“ Ich wand den Kopf und sah eine alte hagere Frau mit kühlen aber traurigen Augen. „Oma Inge?!“ Die Mutter meines Vaters stand außerhalb des Flammenringes und sah mich mit einem Blick an, der zum Teil aus Vorwurf und zum größten Teil aus Trauer bestand. „Du warst immer so tugendhaft, wie konntest du das uns allen antun? Nun ist deine Seele verloren…“ „Meine Seele? Ok, ich habe meine Unschuld verloren aber nicht meine Seele. Sie gehört Gott!“ „Die Wollust ist der erste Schritt in Richtung Verdammnis, das hab ich dich gelehrt. Es ist schon schlimm genug, dass du einen Ungläubigen liebst.“ „Ungläubig?!!“ Ich schrie meine Großmutter wütend an. „ER IST NICHT UNGLÄUBIG!!! Er dient Gott auf seine Art! Und seit wann ist es Sünde jemanden zu lieben?!“ „Chela…“ Die Stimme war ein noch größerer Schock. Gegenüber von Oma stand Agni, auch außerhalb des Feuerrings und sah mich enttäuscht an. Bei dem Anblick brach mein Herz in zwei. „Ma… Magister…“ „Chela, die alte Frau hat Recht… wie konntest du es soweit kommen lassen?“ „DAS WOLLTE ICH NICHT!!!“ Ich brach in hysterisches Schluchzen aus. „ER HATTE MICH IN DER HAND UND…“ Dann spürte ich zuerst ein Ziepen im Herzen, als ob man an einen Faden in dessen Innerem, ziehen würde, dann wie sich ein Arm besitzergreifend um mich legte. „Wozu das Jammern und Klagen, mein Wildröschen?“ Ich erkannte Sebastians Stimme, sah ihm aber nicht ins Gesicht. „Dein Leben lang wurdest du rumgeschubst und ausgeschlossen. Bei mir wird dieses Leben vorbei sein, du wirst frei sein und mächtig…“ „WIGBURG HERMAN!!!“, rief Oma Inge laut. „Hör nicht auf diesen Dämon!! Sein Weg führt dich direkt in die Hölle!!!“ „Ich löste mich von Sebastians schwarzen Arm und krabbelte Agni entgegen. „Komm zu mir, mein Kind!! Bitte komm zurück auf den rechten Pfad!“ „Hahaha!“ Sebastian lachte teuflisch und höhnisch. „Törichtes altes Frauenzimmer! Es gibt kein Zurück mehr für sie! Sie ist sich noch nicht ihrer neuen Freiheit bewusst, aber sie wird es satt haben, mit Steinen beschmissen zu werden und als „Hexe“ beschimpft zu werden.“ Ich hörte nicht drauf und krabbelte weiter zu Agni, immer noch herzzerreißend weinend. „Er ist auch der falsche Weg! Komm zu mir, Wiebchen!! Auf diesen Weg wirst du nur weiter leiden!“, bettelte Oma verzweifelt. „Lieber gehe ich durch alle neun Kreise der Hölle als meinen Engel aufzugeben, Oma… du kennst ihn nicht und meine Gefühle würdest du nie verstehen.“ „Du hättest dich wehren können…“ Agni sah mich immer noch vorwurfsvoll an, während ich vor ihm dicht an den Flammen kauerte. „…du hast die Macht dazu, dich gegen ihn zu wehren.“ „Es tut mir unendlich leid!!! Ich hatte Angst und da…“ „Die Angst ist dein Feind!“ Eine seltsame Antwort. „Du musst aufhören dich in deiner Angst zu verfangen. Das ist das einzige was dich fesselt.“ „Ich weiß nicht ob ich es kann. Bitte Agni, hilf mir!“ Ich kam der Flammenwand näher, spürte schon wie meine Kleidung Feuer fing. Ich wollte ihn schon flehend umarmen. „Hilf mir bitte! Ich liebe di…“… Ein heftiger Aufprall auf meinen Kopf riss mich aus dem Schlaf. Ich hatte mich im Schlaf aus dem Bett gelehnt und bin raus gefallen. Meine Gedanken schwirrten nun nur noch um Agni. Das schlechte Gewissen zerfraß mich fast, ich könnte ihm wohl nie wieder in die Augen sehen ohne daran zu denken was Sebastian mir angetan hatte, dabei liebte ich Agni so sehr! „Es tut mir so schrecklich leid, mein Seraph…“ „…Georg von Siemens… Geboren am 21 Oktober 1839, Verstorben am 13 März 1889, an einer Stichverletzung. Besondere Anmerkungen: Keine.“ Der junge blonde Schnitter mit der großen Brille machte grad seine Notizen zu Georg von Siemens. „Prüfung abgeschlossen, Übergabe der Akte an die Kollegen in Deutschland.“ „Wir müssen noch eine Weile warten bevor wir die nächste Seele ernten, Knox.“, sagte sein Vorgesetzter, mit den streng zurückgekämmten schwarzen Haar, dem kalten, erbarmungslosen Blick und der steifen und stolzen Haltung. „Jajaja… ich hab schon verstanden…“, sagte Ronald Knox und blätterte durch seine Todesnotizen. „Phelps war das, oder?“ Auf einmal entdeckte er was. „Ey, Spears!!! In meinen Todesnotizen hat jemand rum geschmiert!!!“ „Was?! Haben Sie etwa mal wieder Ihre Sachen herum liegen lassen, Knox?!“ „Nein, das war ich nicht! Da in den Todesnotizen dieser beiden deutschen Schnitten sind schwarze Flecken wo heute Morgen keine waren! Auf dem Bild und dem geplanten Todesdatum!“ „WAS?!“ William T. Spears sah auch in seine Todesnotizen. Ebenso wie bei dem Jüngeren, waren auf den Seiten mit mir und Lieschen schwarze Flecken auf je dem Bild und den geplanten Todesdatum. „Das kann nicht sein!!“, murmelte der Todesgott wütend. „Das kann doch nur… Dieser Teufel!!! So eine Dreistigkeit erlaubt er sich, quasi vor unserer Nase!!!!“ „Was ist denn Chef?“ „Knox, haben sie etwas bemerkt was dieser Teufel, der in diesem Haus wohnt, mit diesen beiden jungen Frauen gemacht hat?!“ „Öhm… naja… wenn Sie darauf bestehen Chef. Er hat die beiden ordentlich beackert…“ Er grinste beschämt und verschmitzt. „Also doch?!“ „Die Brünette hatte er in die Wäschekammer verfrachtet, da hatte ich ihr Geschrei gehört, die kleine Blonde hatte er in Schlaf genommen, echt fies! Wenn die Chefetage uns nicht verboten hätte uns in die Leben von Menschen einzumischen, dann hätte ich dem Kerl den Marsch geblasen, aber hallo!“ „Das ist einfach ein Skandal uns so ins Handwerk zu pfuschen, ungeheuerlich!!!!“ „Ähm… seit wann haben solche Techtelmechtel mit unserer Arbeit zu tun?“ „RONALD KNOX!!! Was für Sie wie ein harmloses Techtelmechtel aussieht, kann ernste Folgen für die Seelen dieser beiden Frauen haben!!“ Ronald war bei dem Ausbruch zusammen gezuckt. „Okay, okay, okay, sorry war nicht so gemeint…“ William räusperte sich bevor er sprach. „Haben sie schon mal vom „Teufelsband“ gehört?“ „Teufelsband? Ja… vielleicht… mal so in der Theorie angeschnitten…“ „Also nein.“ William seufzte entnervt und rückte seine Brille zurecht. „Dann erkläre ich Ihnen das mal. Bei einem Teufelspakt wählt ein Mensch willentlich einen Teufel aus und geht mit ihm einen Vertrag ein. Der Teufel muss aber diesem Menschen gehorchen. Bei einem Teufelsband ist es umgekehrt. Da wählt der Teufel willkürlich ein Opfer aus und prägt es auf sich. Er bindet es so an sich und herrscht über dessen Seele. Um dieses Band zu erschaffen dringt er geistig oder körperlich ein, wenn der Geist seiner Opfer am schwächsten ist wie unter Angst oder im Schlaf. Wenn er auf körperliche, also sexuelle Weise das Band erschafft, hatten die Menschen es im Mittelalter auch als Teufelsbuhlschaft bezeichnet. Viele Unschuldige wurden aus Paranoia wegen dieser Bande auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ „Im Ernst? Das heißt wir haben keine Macht mehr über ihre Seelen? Genauso wie bei diesem Balg von Wachhund, von dem Sutcliff die Tante neulich kalt gemacht hat?“ „Genau, deshalb ist das auch zum Ärgern! Aber, Moment!“ Mit dem Finger fuhr er über die Flecken. „Die Flecken sind rußig und krümelig. Das Band ist schwach!“ „Schwach? Was bedeutet das?!“ „Dieser Teufel hat zwar das Band geknüpft, konnte aber nicht bis in ihre Herzen vordringen. Etwas anderes beherrscht die Herzen dieser Frauen, der Teufel kann sie zwar immer erspüren aber sie haben ihren freien Willen.“ „Verliebt vielleicht?“, fragte der Blonde nachdenklich. „Verliebt? Was wissen Sie darüber?“ Ronald rümpfte genervt die Nase als sein Vorgesetzter ihn fragte. „Naja, die Mädels aus der Buchhaltung reden ständig über Schmalzkram. Neulich waren die beiden Deutschen auch Thema. Was haben die sich die Münder fransig geredet, dass die kleine Blonde auf diesen Prinzen aus Indien steht und die Brünette auf dessen Lulatsch mit den weißen Haaren.“ „Ach ja, stimmt. Der Kollege Gupta hatte mir vor 3 Monaten die Akten der beiden überbracht, kurz bevor Kollege Ludger die Akten der beiden Frauen auch übergab. Das ist aber gut, dass diese Frauen verliebt sind. Dadurch kann der Teufel nicht seine komplette Macht an ihnen entfalten. Da sie verliebt sind, hat jemand anders ihr Herz eingenommen, so dass der Teufel sozusagen keinen Platz mehr darin hat. Aber ob sie dadurch selber das Band lösen können, ist unklar. Da er jetzt beide Schwestern hat, würde er je die eine als Druckmittel für die Andere nehmen und sein Wille würde bestimmen ob sie sterben können oder nicht, selbst durch Selbstmord durch Gift würden sie nicht sterben, wenn er es nicht will.“ „Wir können absolut nichts für die beiden tun?“ „Ich fürchte nein, die Liebe die diese Frauen im Herzen haben, schützt sie aber einigermaßen vor der Willkür dieses Teufels. Was anderes als zusehen und hoffen können wir nicht tun.“ Der strenge William ließ seine Astschere klicken und wandte sich um. „Kommen Sie Knox! Die nächste Seele wartet auf uns!“ „Rodger!“ Früh morgens schlich ich mich, bevor alle wach waren zu Lieschens Zimmer um es auf zu schließen. Erleichtert war ich als ich sie noch im Bett liegen sah. Ich wartete dann in meinem Zimmer bis die gewohnte Zeit zum Aufstehen war bevor ich abermals zu Lieschen rüber ging. „Morgen Schwesterchen!“ Sie erschrak, beruhigte sich aber als sie mich sah. „Ach du bist es… Morgen Wigburg.“ „Was ist denn los?“ Lisabeth hatte Augenringe und wirkte als ob sie geweint hätte. „Ich… nichts… ich hab schlecht geschlafen, das ist alles…“ Ich nahm sie in den Arm. „Lieschen… stimmt etwas nicht? Du kannst mir alles sagen…“ „Es ist nichts… ich hab nur…“ Wir hörten dann einen Schrei in einem der Gästezimmer. „Finny!!!“ Wir eilten zu einem der Gästezimmer, Bard und Maylene waren bereits dort. Maylene weinte hysterisch und Finny war starr vor Schreck. „Was ist passiert?!“ „Der Mörder hat wieder zugeschlagen…“, antwortete Bard betroffen. „Wer? Doch nicht etwa der junge He…?“ „SEBASTIAN!!!!!!“ Mit aufgerissenen Augen, dem Schürhaken in der Brust, lag Sebastian in einer Blutlache tot vor dem Kamin. Wie später die Gäste und auch der junge Herr kamen, breitete sich der Schock weiter aus. Und die Frage wer der Mörder war, wurde dringender, besonders als während des Frühstücks auffiel das Phelps fehlte. Ihn fanden wir später tot im Zimmer des Earls. Nach einiger Diskussion wurde, um der Sache näher zu kommen, nach dem Schlüssel für den Schlüsselschrank gesucht, den Sebastian bei sich getragen hatte und so Zugriff auf alle Schlüssel hatte. Da man den nicht bei Sebastians Leiche fand, sollten wir die Zimmer absuchen. Als Lieschen und ich das Zimmer von Irene Diaz durchsucht hatten, nahmen wir uns den Salon und das Billardzimmer vor. Ich war immer noch sehr aufgewühlt, Sebastian, mein Schänder war tot und dennoch konnte ich keine Freude oder Triumph empfinden. „Lisabeth…“ Ich musste mich erleichtern… „Ja, Schwester?“ „Ich muss dir was sagen… Im Grunde… ich bin eigentlich irgendwie froh, dass Sebastian tot ist…“ „Was?! Wieso das?!!“ „Gestern, nachdem ich gegangen war, hatte mich Sebastian angesprochen. Er war schon nett wie immer aber… er hatte mich dann in die Wäschekammer gezerrt, mich überwältig, meine Kleidung zerrissen und dann…“ „DICH ETWA AUCH!!??“ „Wieso auch?!“ „Sebastian hat gestern, als ich schlief mit mir… ich weiß es klingt unmöglich aber es ist so!!! Ich hatte dabei von Soma geträumt, darum hatte ich mir zuerst nichts gedacht, aber es war Sebastians Gesicht was ich am Ende gesehen hab!!! Als ich mich wehren wollte, war er verschwunden, er hatte mich eingeschlossen, ich wollte dich noch vor ihm warnen…“ „NEIN!“, schluchzte ich. „Ich habe dich eingeschlossen, um dich vor ihm zu schützen. Aber stattdessen hab ich dich ihm auf dem Silbertablett serviert, dir den Fluchtweg versperrt!!!“ „Wiebchen!“ Lisabeth hielt meine Hände. „Alles in Ordnung, du wusstest es nicht und Sebastian hat auch nen Schlüssel. Aber jetzt ist er tot und wird uns nie wieder was tun!“ „Stimmt… aber es tut mir so leid, Lieschen…“ Nach der, ebenso erfolglosen Suche nach dem Schlüssel, tauchte ein geheimnisvoller Pastor auf. Mit seltsam anmutenden Anweisungen half er uns allen dem Mörder und seinem Motiv auf die Spur zu kommen. Es war Woodley, der sich geschäftlich sich durch den Earl bedroht sah und die gesamte Farce gesponnen hatte um am Ende auch ihn zu töten. Von Earl Grey verhaftet und abgeführt, verließ Woodley als Mörder die Villa und wir waren erleichtert. Zwei Tage später war Sebastians Beerdigung. Auch Elisabeth und ich weinten, trotz was uns widerfahren war. Warum konnten wir keine Freude über seinen Tod empfinden??? Wir die Trauergemeinde, traten nachdem der Sarg vergraben war unseren Rückweg an. „Der junge Herr tut mir so leid…“, murmelte Lisabeth. „Er hat doch schon seine Eltern verloren… jetzt auch noch Sebastian.“ „Dabei ist er noch ein Kind… Jetzt müssen wir für ihn da sein…“, gab ich zurück. „Genau!“, schluchzte Soma. „Wir müssen für Ciel stark sein, ganz unbedingt!!“ Als Lisabeth und ich zustimmend genickt hatten, da fühlten wir es! Ein Ziehen im Herzen, wie ein Faden der durch das Herz führte und an dem nun gezogen wurde, so dass es sich anfühlte als wenn es zusammengezurrt wurde. Und in unserer beiden Köpfe hörten wir ein teuflisches Lachen. „Chela?“, fragte Agni, als ich mir wegen dem Ziehen mir an die Brust fasste. „Geht es dir gut?“ „Ja, alles soweit in Ordnung.“ Ich hoffte dass Agni nicht bemerkte dass mein Lächeln falsch war, denn seit heute Morgen hatte ich ihm vor Scham keines Blickes gewürdigt. Elisabeth war stehen geblieben und zitterte verängstig. Soma bemerkte das. „He, Elisabeth…“ Sacht hielt er ihr Gesicht und lächelte. „Weiß du, dass weinen dir nicht steht? Lächle lieber, das gefällt mir besser.“ Doch Lieschen riss sich von ihm los und die Tränen flossen doller. „Soma… du… DU KANNST ECHT GESCHMACKLOS SEIN!!!!!“ Und sie rannte los. Ich konnte mir sehr gut vorstellen wie es ihr grade ging. „He! Was ist denn?“ „Sie ist ziemlich aufgekratzt und hat dich falsch verstanden. Nimm ihr das bitte nicht übel.“ Und rannte dann meiner Schwester hinterher. „Lieschen!“ „Ich… ich kann einfach nicht…!!“ „Ich weiß es ist schwer, aber Soma zu liebe nimm dich etwas zusammen. Er darf das nicht erfahren.“ „Ich kann es einfach nicht… Ich schäme mich so…“ „Ich weiß, ich weiß…“ Ich nahm sie in den Arm obwohl ich selber weinen musste. „Ich kann Agni auch nicht mehr ins Gesicht sehen ohne daran zu denken. Und mir wird noch übler ihm eine gute Miene vorzuspielen. Aber bestimmt geht es vorbei. Sebastian ist…“ Ein zartes Klingeln am Grabstein erregte unsere Aufmerksamkeit. ~„Hä? Die Grabglocke klingelt? Es weht doch gar kein Wind.“~, wunderte sich Finny, der das Klingeln zuerst gehört hatte. ~„Hihihi! Na na na! Wie lange wollt ihr denn noch Maulaffen feil halten?“~, fragte der seltsame und unheimliche Kauz von Bestatter mit den langen grauen Haaren und Zylinderhut. ~„Wenn die Glocke klingelt, heißt das er ist noch am Leben.“~ ~„GRABT IHN AUS!!!“~, rief Bard und griff als erster zur Schaufel. Keine Stunde später war der Sarg wieder ausgegraben und der Deckel geöffnet. ~„Meine Güte!“~ Sebastian erhob sich grad. ~„Endlich wieder frische Luft!“~ ~„AUF IHN!!!“~ Und schon wurde der schwarze Butler von Finny, Bard, Maylene und sogar Lady Elizabeth überfallen, die jetzt Freudentränen vergossen. „Sebastian lebt?!“, fragte Lieschen entsetzt. Nein, das konnte nicht sein! Träumte ich schon wieder?!!! Während die einen Sebastian fast zerdrückten vor Freude, der Bestatter, Undertaker genannt, sich wunderte dass es sonst nie geklingelt hatte bei den Gräbern, Agni von einem Wunder sprach, starrten Lieschen und ich nur. „Wi…Wi… Wiedergänger!!!“, schrie ich während ich dabei mehrere Handzeichen gegen üble Mächte machte, weil ich vor Angst so von der Rolle war. „Wiedergänger!!! Nachzehrer!!! Hinfort du…!!!“ „Wigburg! Beruhige dich!!!“ Lieschen hielt meine Hände fest. „Du drehst noch durch!!“ Aber Soma lachte dagegen. „Also wirklich Wigburg! Auf so einem Wunder basiert doch eure Religion!“ „Bei Jesus ist das was anderes!!!“, sagten wir beide aber wie aus einem Mund. Jetzt aber, da der Schock und der Freudentaumel etwas abgeflaut waren traten wir aber endgültig unseren Weg zurück an. Immer noch verängstig gingen wir dich zusammen. Aber Sebastian kam zu uns. „Du siehst ja müde aus, Lisabeth. Schlechte Träume?“ Er lachte als Lieschen dabei zusammen zuckt und ihn verstört ansah. Wütend wollte ich schon was sagen, doch wand er sich an mich. Zu mich gebeugt und so leise dass nur ich es hören konnte: „Du ahnst was, oder? Keine Sorge. Auch bei ihr und wie ich gestern sagte, das eine mal reicht mir schon.“ Und er folgte seinem Herrn. Zorn bebte in mir. „Ich schwöre Sebastian!“, zischte ich leise. „Wenn ich weiß wie und wenn du nochmal Hand an meine Schwester legst, werd ich dich töten!!“ Kapitel 9: Oh wei, Oh wei, was für ‚ne Eierei --------------------------------------------- Der März verstrich und nach einem weiteren Abenteuer unseres jungen Herrn das er mit knapper Not bestanden hat, kam schließlich auch die schöne Osterzeit. Dass Lisabeth und ich den Brunnen im Garten dekoriert hatten, gab aber nur kurzen Tadel des jungen Herrn weil seine Verlobte, Lady Elizabeth auf unserer Seite stand. Sebastians Vorschlag aus der Ostereiersuche ein Spiel zu machen fanden wir super und natürlich würden wir beide als Team arbeiten. Unter dem Motto „Einigkeit, Recht und Lady Elizabeths Osterei für das deutsche Vaterland!“ stürzten wir uns in die Schlacht, in den ersten Zügen mit Soma und Agni dicht auf den Fersen, die natürlich das Ei für die Göttin Kali wollten. „Wir werden gewinnen!“, sagte Soma grinsend. „Pah, ihr Osteranfänger!!!“, antwortete ich. „Ich war als Kind immer gut im Eier verstecken und Lisabeth ist schmal und passt in viele Ritzen!“ „Und da wir beide während der Fastenzeit noch mehr Gewicht verloren haben, passen wir beide in jede Ecke und finden dort ganz bestimmt Eier!", fügte Lieschen zu. „Was?!! Nur dafür habt ihr in den letzten Wochen weniger gegessen als sonst?!“, fragte Soma fast beleidigt. „Nein, aber das ist ein praktischer Nebeneffekt!“ „In eurem Alter ist Fasten ungesund!“, kommentierte Agni ermahnend. Ich streckte Soma die Zunge heraus, als er tempomäßig mich überholen wollte, übergab Lieschen das Ei und wir zwei rannten in Richtung Salon. Team Double Charles war schon da und kramten rum. Schon hatten sie aber zwischen den Holzscheiten für den Kamin ein Ei gefunden. „Hehe!! Nummer eins!“, grinste Charles Grey und wollte nach dem Ei greifen. „Darf ich mal?“ Schwupps!!! Hatte ich ihnen es unterm Hintern… nein vor der Nase geklaut! „Hä!!! Wo kommst du denn her?“ „Aus dem Nichts!!!“, rief Lieschen bei der Tür. „Sie schleicht und huscht wie ein Schatten oder Geist!! Hahaha!!!“ „WAS?!!!!“ Grey war empört, während ich schon Richtung Tür rannte mit dem Ei in der Hand. Ja, im reinschleichen und quasi aus dem Nichts erscheinen war ich Profi, damit hatte ich schon den ein oder anderen erschreckt. „EY!!!! DAS IST UNFAIR!!!!!“, rief Grey und fuchtelte mit seiner, zu seinem Glück, leeren Suppenkelle. „Tja, das kommt davon wenn ihr so blind seid!“, feixte Lieschen nachdem sie eine Grimasse geschnitten hat. „Wie einäugige Hühner!!!“,rief ich noch, bevor ich aber stolperte, das Ei zu Boden fiel und explodierte!!! Grey lachte sich darüber einen Ast. „Bahahahahahahaha!!! Typisch Deutsche!!! Reißen die Klappe weit auf und fallen dann später drauf! Danke für die Bombenentschärfung!“ „Grey!“, mahnte Phipps. „So ein unhöfliches Verhalten ziemt sich nicht für den Butler der Königin!“ „Och, aber bei diesen Barbarengezücht kann man sich die Manieren sparen!“, lamentierte Grey eingeschnappt während sie den Salon verließen. Ich knurrte wütend, während ich aufstand. „Bard! Wenn ich dich erwische, ziehe ich dir bei lebendigen Leib die Haut ab!!! Explodierende Eier! Als ob er nicht selbst einen Knall hätte!!!“ Nach einem kleinen Zwischenstopp im Badezimmer um den Schmauch von der Explosion abzuwaschen, ging‘s für mich und Lieschen weiter. Jetzt hatte ich das Ei und wir nahmen uns die Gästezimmer vor. Lisabeth krabbelte sofort unter das Bett, merkte aber nicht dass ein Band hinten aus ihrem Kleid, da wo die Knopfleiste endete, wo das Kleid zugeknöpft wurde, rausguckte. Kurz nachdem sie unterm Bett verschwunden war, kam Soma in das Zimmer. „Ich durch such das Zimmer hier, pass auf das Ei auf, Agni!“ Da entdeckte Soma das Band das unterm Bett hervorlugte. Das erregte seine Neugier und ergriff danach. Doch entflutschte es ihm fast, da offenbar was dranhing. „He!!! Na Warte!!!“ Und er zog mit aller Kraft dran, auch wenn er deutlich Widerstand spürte, bis… Auf einmal hatte er das andere Ende des Bandes in der Hand. Eh er sich richtig wundern konnte, ertönte ein lauter, spitzer Schrei unterm Bett. Und auf der anderen Seite kam eine sehr wütende Elisabeth hervor gekrochen. „Wer?! WER ZUM HENKER WAR DAS???!!!!“ Sie hatte die Arme um sich gelegt um ihr Kleid fest zu halten, denn sowohl ihr Kleid, als auch ihr Mieder war offen durch das dolle Ziehen von Soma am Band. Er hatte dadurch einen ungehinderten Blick auf Lisabeths nackten Rücken. Er schluckte etwas, bevor Lieschen den Kopf wandte. „DU WARST DAS?!!!!“ „Ähm… Das war ein Versehen… Äh… du hast einen hübschen Rücken…“ „WIE KANNST DU ES WAGEN DU UNVERSCHÄMTER KLEINER…??!!“ „He! Beruhige dich!!“ Soma bekam es mit der Angst zu tun. Doch dann kam ich herein gestapft. „Was ist hier los?!“ „Der da hat mich ausgezogen!!“ Schon hatte ich Soma am Kragen gepackt. „Was hast du????!!!!!!“, knurrte ich wütend. „Mein Miederband hat bestimmt schon wieder raus gehangen und er hat dran gezogen so dass mein Kleid aufging!“ „Das war ein Versehen…!“ „NA WARTE!!!!!“ Und Zack!! Die Ohrfeige saß und Soma schrie. Keine Minute später kam Agni herbei geeilt. „Prinz Soma!!! Was ist passiert?!!“ Dann aber sah er wie Soma auf dem Hosenboden saß und sich seine pochende Wange hielt. Eh ich Luft holen konnte, hatte Agni mich auch schon gepackt. „Wie kannst du es wagen den Prinzen zu schlagen!!“ „Ob Prinz oder Bettler, wer meine Schwester gegen ihren Willen auszieht, kriegt es mit mir zu tun!!!“ Dabei versuchte ich mich aus Agnis Griff zu lösen und funkelte ihn wütend an. „Ich hab doch gesagt es war ein Versehen und es tut mir doch leid!!“, wimmerte Soma. „Ich hab zwar nix dagegen dass du mich beschützt…“, sagte Lisabeth. „…ABER WEGEN DER OHRFEIGE HAST DU DAS EI FALLENGELASSEN!!!!! WIR SIND DISQUALIFIZIERT!!!“ Tatsächlich! Das Ei lag am Boden und war zerbrochen! „Oh nein!!!!!!!!“ Dann hörte ich ein hämisches Lachen. „Hahahahahahhaha!!! Das habt ihr nun davon, ihr dummen, deutsche Gänse!“ Es war Grey, der mit Phipps herbei gekommen war. „Grey, dein Benehmen!!!!“, mahnte Phipps. „Hör mir doch auf, es ist doch wahr!“ „Das ist nicht wahr!“, sagte Agni gereizt. „Die beiden sind nicht dumm!“ „Ich hab impulsiv reagiert, das ist ihnen auch dauernd passiert, Mister Grey!!!“ Der schnitt mir eine Grimasse. „So ein deutscher Bauerntrampel wird nie einen englischen Gentlemen verstehen, dafür bist du zu sehr zurückgeblieben.“ „Das sagt ihr aber auch über uns in Indien!“, protestierte Soma und stand auf. „Ihr sagt auch dauernd über uns wir seien zurückgeblieben und dumm!“ „Aber dafür seid ihr nicht so hochmütig und reißt das Maul nicht zu weit auf, wie die Deutschen!“ „Das reicht Grey!!“ Phipps packte seinen Kompanion am Kragen. „Wenn du so weiter machst finden die anderen das Ei, komm!“ Grummelnd wurde Grey weggezerrt. „Tut mir leid, Chela…“, sagte Agni dann zu mir. „Ich wollte dir nicht wehtun…“ „Schon in Ordnung, ich hatte auch nicht auf Soma Rücksicht genommen und hatte nicht an dich gedacht.“ „Alles ok, ich verzeih dir, Wigburg.“, meinte Soma. „Und es tut mir wirklich, wirklich, wirklich leid. Ich wusste es wirklich nicht, dass es zu Lisabeths Kleid gehörte.“ „Alles in Ordnung… Geht lieber und findet das Ei. Ich will nicht dass diese Schnösel es sich zuerst holen.“ Die beiden nickten und gingen. Nur Agni fiel auf, dass sein Herr etwas abwesend war. „Prinz?“ „Ich habe ihren Rücken gesehen…“, nuschelte er, rot im Gesicht. „Hell, glatt und schön, wie die Stoßzähne eines Elefanten…“ „Prinz… das könnte Elisabeths Gefühle verletzten wenn sie hört was Ihr über sie denkt.“ „Ich weiß, aber… Lisabeth…“ Völlig vernebelt ging Soma mit seinem Butler. Ich flocht Lieschen das Band wieder ein und schnürte ihr Mieder wieder zu. „Ich hab doch gesagt, nimm doch das neue Band was Oma geschickt hat, es ist nicht so glatt und flutschig.“ Doch sie reagierte nicht. „Lieschen?“ Ich sah jetzt, dass Tränen in ihren Augen glänzten. „Lieschen…“ „Er hat mich halbnackt gesehen…“ „Ja, aber mehr nicht und es war ein Versehen…“ „Ich weiß… aber ich musste an DAS denken…“ „Ach so, ja das stimmt… Alles ist gut…“ Ich knöpfte ihr das Kleid wieder zu. „Komm, wir gehen zu Tanaka-san und trinken einen Tee, dann ist alles wieder gut. Später gehen wir zu den anderen, ok?“ Lieschen wischte sich die Tränen weg. „Ok…“ Etwas getröstet ging ich mit Lisabeth zu Tanaka-san und später nach dem Spiel, was der junge Herr gewonnen hatte und Soma und Agni leider rausgeflogen sind, aßen wir zusammen das Ostermahl. Da waren alle wieder fröhlich. Kapitel 10: Unheimliche Visionen in der Walpurgisnacht ------------------------------------------------------ Der April kam und war fast rum. Soma saß mit Agni wieder in der Bibliothek, wieder mal Veden-Unterricht. Doch Soma war nicht ganz bei der Sache, so dass er einige Verse aus dem heiligen Buch der Hindus, falsch rezitierte. „Prinz Soma? Bedrückt Euch was?“, fragte Agni dann irgendwann. Soma seufzte. „Tut mir leid, ich kann einfach nicht aufhören…“ „Es ist wegen Elisabeth?“ „Ja… ich kann nicht aufhören an sie zu denken…“ Er guckte verträumt aus dem Fenster. „Verstehe… Aber bedenkt, Prinz. Elisabeth ist…“ „Ja, ich weiß! Sie ist weder eine Hindu, noch eine Inderin noch adelig… Meena war auch nicht adelig aber bei Lisabeth… es ist was anderes! Meena kenne ich fast mein ganzes Leben, Elisabeth fast nur ein halbes Jahr und dennoch hab ich viel mehr mit ihr erlebt.“ „Das stimmt.“, sagte Agni. „Und trotz dass sie Euch nicht Eures Standes gemäß behandelt, ist sie stets freundlich zu Euch.“ „Wie sie mich auch oft angelächelt hat…“ Soma musste selber lächeln bei dem Gedanken. „Aber in letzter Zeit redet sie weniger mit mir… und sie sieht mich weniger an…“ „Das ist richtig.“, grübelte Agni. „Auch Wigburg meidet seit kurzem meine Nähe. Kurz nachdem diese Mordserie in der Villa von Earl Ciel passiert war, hatte Wigburg immer wieder unseren Gewürz-Unterricht geschwänzt.“ „Was?! Aber du sagst doch selbst, dass sie immer so einen Spaß am Unterricht hatte!“ „Ja, deshalb wundert das mich sehr…“ „Seltsam…“ Dann wurde aber ihr Gegrübel von einem fröhlichem Lachen unterbrochen, das draußen auf dem Gang zu hören war. „Ich freu mich schon so auf heute Nacht!“, konnte man Lieschen hören. „Oh ja! Das wird wie vorletztes Jahr! Hoffentlich ist da die Wahrsagerin etwas präziser.“, kam es von mir und Lieschen lachte wieder. Soma und Agni wunderten sich, sie verstanden kein Wort weil wir in Deutsch redeten. Soma stand auf und trat auf den Gang. „Hey, ihr beiden!“ Wir wandten den Kopf zu ihm um. Wir hatten grade Wäsche von draußen auf der Wäscheleine geholt. „Worüber redetet ihr denn?“ „Ok… Ich sag’s.“, antwortete ich, während Lieschen scheu und beschämt den Blick abwandte. „Aber sag nichts zu dem jungen Herrn!“ „Wieso?“ „Erlaubt es der Earl euch beiden nicht?“, fragte jetzt nun Agni, der zu seinem Herrn dazu gekommen ist. Ich stockte kurz und versuchte mich normal zu verhalten, weil die Scham in mir wieder aufflammte. „Äh… naja… Lieschen und ich wir gehen heute Abend auf ein Fest. Heute ist Walpurgisnacht.“ „Walpurgisnacht?“ „Es basiert auf einem heidnischen Fruchtbarkeitsfest und Walpurgisnacht wird auch manchmal in Deutschland gefeiert. Wir wurden heute in der Stadt von einer Wahrsagerin dazu eingeladen.“ „Wie? Was? Was wird da gemacht und wozu?“, fragte Soma, jetzt neugierig geworden. „Wir… wir tanzen um ein Feuer, tun quasi mit Zaubersprüche unsere Wünsche ausdrücken und manchmal versuchen wir mit Hilfe von Wahrsagerei in die Zukunft zu sehen, besonders was Heirat und Kinderkriegen angeht…“, sagte Lieschen mit leiser Stimme, ohne Soma anzusehen. „Und das obwohl ihr Christen seid?!“, fragte Soma erstaunt. „Haben eure Priester das nicht verboten?!“, fragte jetzt auch Agni. „Ja schon, aber im einfachem Volk wird’s trotzdem gemacht, denkt an Karneval.“, gab ich zurück. „Jedenfalls, als wir heute in der Stadt waren, haben wir eine ältere Frau getroffen, sie sagte sie sei eine Wahrsagerin oder Medium und die hatte uns zu heute Abend eingeladen.“ „Könnten wir mitkommen?“, fragte Soma. „Ich würde das gerne sehen.“ „Nein!“, sagte Lieschen schlagartig und ich nickte. „Genau, es dürfen nur Frauen und Mädchen zu diesem Fest.“ „Och Mann!“, nörgelte Soma. „Tut mir leid… aber ihr hättet bestimmt auch Spaß gehabt…“ Und wir gingen. Etwas später am Tag, war Agni grad auf dem Weg, von der Küche zu Somas Zimmer und wollte ihm seinen Tee servieren. Als er am Büro von Ciel Phantomhive vorbei kam. „Ein neuer Auftrag der Königin?“, hörte er Sebastian sagen. „Ein kleiner Fall, aber Ihre Majestät wünscht dass ich ihn löse… vor einer Woche wurde die Leiche eines jungen Mädchens in der Themse gefunden. Sie war das Lieblings-Kammermädchen Ihrer Majestät, das seit dem ersten Mai letzten Jahres vermisst wurde. Laut dem Obduktionsbericht von Undertaker, hatte sie massive Misshandlung erlebt und der Kleidung nach zu urteilen hatte sie als Prostituierte gearbeitet.“ „Vermutet Ihr, dass sie entführt und in die Prostitution verkauft wurde?“ „Das glaube ich schon. Laut Scotland Yard wurde eine junge Frau, die zusammen mit dem vermissten Kammermädchen gesehen wurde, gefunden und sie erzählte, dass sowohl sie und das Kammermädchen als auch andere Mädchen und Frauen, im Alter zwischen 14 und 25 Jahren in der Stadt von älteren Frauen angesprochen wurden und zu einem heidnischen Fest eingeladen worden sind.““ Agni spitzte die Ohren, weil das kam ihn vertraut vor. „Walpurgisnacht?“, fragte Sebastian. „Offenbar, so hatte es die Zeugin es gesagt.“ „Diese Frauen wurden also zur Walpurgisnacht eingeladen, entführt und dann verkauft. Sollten wir die Sache heute Abend untersuchen, junger Herr?“ „Um meine Pflicht als Wachhund der Königin zu erfüllen, werden wir dem heute Abend nachgehen…“ Agnis Augen waren geweitet vor Schreck. „Die Mädchen!“, flüsterte er. „Der Prinz muss davon erfahren!“ „Was hat Ciel da gesagt?!!!!“, fragte Soma entsetzt, als Agni ihm davon erzählte. „Der junge Earl hatte dazu einen Auftrag von Queen Victoria bekommen. Und wie diese Frauen in die Falle gelockt worden sind, klingt ganz ähnlich wie Wigburg und Elisabeth das erlebt hatten, heute in der Stadt.“ „Wir müssen die Mädchen davon abhalten, dahin zu gehen!!!“ Sofort ließ Soma seinen Tee stehen und verließ sein Zimmer. Er fand mich und Lisabeth dann in der Waschküche wo wir eine neue Ladung Wäsche wuschen. „Wigburg! Lisabeth! Geht nicht zu diesem Fest heute Abend!“, platzte Soma sofort damit raus. Wir guckten ihn verdutzt an. „Wie bitte?“ „Warum?“ „Es ist gefährlich, Mädchen sollten allgemein nachts nicht alleine raus!“ Ich seufzte genervt, während Lisabeth immer noch verdutzt guckt. „Hör mal! Ich weiß dass der junge Herr uns das nicht erlauben würde, aber wir können auf uns selbst aufpassen! Ich bin bald 19 und kann gut auf meine Schwester aufpassen! Außerdem werden zu dem Fest nur Frauen dabei sein, also macht dir keine Sorgen!“ „Aber…“ „Wigburg, Elisabeth.“, mischte sich jetzt Agni ein. „Wir meinen es ernst. Geht besser nicht, es ist zu eurem Schutz.“ „GENUG!!!“, brüllte ich, sah aber Agni dabei nicht an. „Ich will nichts mehr davon hören! Lieschen und ich werden gehen und Punkt!“ Auch Lieschen war verdutzt. „Aber Mädels…“, wollte Soma widersprechen. „Lasst uns einfach!! OKAY?!!!“, unterbrach ich ihn. „Gehen wir besser…“, sagte Agni leise zu seinen Herrn und bewegte ihm zum Gehen. „Das können wir doch nicht machen, Agni!“, klagte Soma verzweifelt. „Wir müssen was tun!“ „Prinz, ich werde mich persönlich darum kümmern, dass die beiden nicht dahin gehen.“ „Ich bitte dich Agni! Wenn einer der beiden was passiert, würde ich es mir nie verzeihen.“ „Jo Aagya…“ Die Nacht kam und ich und Lisabeth gingen scheinbar ins Bett. Agni hatte sich freiwillig mit Sebastian zur Nachtwache gemeldet und sogar sämtliche Türen abgeschlossen. Erst dann hatte Soma sich beruhigt und fand dann auch seinen Schlaf. „PRINZ!!! PRINZ SOMA!!!“ Agni rüttelte, ungewöhnlich schroff seinen Herrn wach. „Wa… Wa… Was?! Was ist los Agni?“ „Die Mädchen sind weg!!!“ „WAS?!!!!!“ Schlagartig war Soma hellwach. „Wie kann das sein?!! Du hast doch alle Türen abgeschlossen?!“ „Sie sind durch ein Fenster gestiegen! Ich hab sie grad gesehen wie sie Richtung Wald gingen!“ „Verdammt!“ Soma zog sich rasch seinen Sherwani über. „Wir müssen hinterher! Schnell!!“ „Ich bin so aufgeregt!!!“, sagte Lieschen. „Ich konnte gar nicht einschlafen!“ „Ich auch nicht!! Das wird so toll!“, sagte ich. Wir merken nicht wie uns jemand folgte. Wir sangen einige Lieder und kicherten etwas. Endlich erreichten wir eine Lichtung, wo schon einige Frauen und Mädchen dort um das Feuer versammelt waren und ausgelassen tanzten. Zwei ältere Frauen in altertümlichen Kleider und Schleier im Gesicht und sahen zu. Wir schlossen uns an und das Tanzen machte echt Spaß. Agni und Soma versteckten sich hinter ein paar Bäumen und guckten zu. Ab und zu erschraken sie sich wie ich oder Lieschen über das Feuer hopsten. „Noch ist nichts los…“, murmelte Soma. „Schaut, Prinz…“ Agni sah wie die älteren Frauen einander zunickten, sich ihre Schleier fester um ihre Gesichter zogen und ein paar Kräuter ins Feuer warfen. Rauch entstand und einige Mädchen begannen kurze Zeit später immer langsamer zu werden und dann schlafend zu Boden sackten. „Atmet den Rauch nicht ein, Prinz!!“, rief Agni und riss seinen Turban vom Kopf und entzwei. Den einen Fetzen band er sich um Nase und Mund und gab Soma den anderen Fetzen zum Umbinden. „Agni, guck mal!!!“ Fast alle Mädchen und Frauen, lagen schlafend am Boden, nur ich und Lisabeth standen mit leeren Blick da und wirkten abwesend. Wir nuschelten etwas vor uns hin wie im Fieberwahn. „…Blut…“ „…Ein Messer blitzt…“ „…Ein Schuss fällt…“ „…Ein Schrei…“ „…Mach sofort auf!!!...“ „…war voller Freude…“ Dann fingen wir beide an, wie aus einer Kehle zu schreien als ob wir besessen waren. „Was ist mit den beiden los?“, fragte Soma verängstigt. Doch dann tauchten ein paar Männer mit Gasmasken auf und nahmen ein paar der Mädchen mit. „Warum schreien die beiden da wie am Spieß?!“ „Egal, nimm sie mit!“ „ELISABETH!!!!!!“ Ohne lange zu zögern zückte Soma seinen gebogenen Dolch, den er mitgenommen hat und rammte den einem Mann, der grade Lisabeth packen wollte, direkt in die Schulter. Agni riss sich die Bandagen von seiner rechten Hand und mit einem wütenden Schrei schmetterte er den Nächsten zu Boden nieder. Beide, mit Dolch, Kalis Faust und schnellen Bewegungen, streckten einen Mädchenfänger nach den anderen nieder, sie rissen dabei einigen Männern die Masken ab, die angeblichen Wahrsagerinnen waren rechtzeitig geflohen. Als alles vorbei, standen Soma und Agni da, bereit nochmal zuzuschlagen. „Seid Ihr unverletzt, Prinz?“, fragte Agni, die Kleidung von Soma war mit Blut besudelt und der Dolch in seiner Hand zitterte. Das musste den unbescholtenen Geist seinen Herrn sehr mitgenommen haben, so viel Gewalt hatte dieser wohl noch nie erlebt. „Prinz Soma?“ Er ließ seinen Dolch fallen. „Elisabeth…“ Und er wandte sich ihr zu, die inzwischen wie auch ich am Boden lagen und uns wie Schlangen wanden und verdrehten, immer noch mit leeren Blick und Gesichter voll Angst. „Lisabeth! Lisabeth! Wach auf!“ Doch sie wehrte sich sogar gegen seinen Griff, als ob sie nicht wüsste wen sie vor sich hatte. „Unser König wird angegriffen!“, nuschelte sie, wieder fieberartig. „Unschuldiges Blut wird fließen!“, kam es von mir. „Die Wahrheit wird zur Lüge!“ „Das bereits gezahlte Opfer kehrt zurück!“ „Die beiden Hundewelpen werden wieder zusammen finden und als Feinde gegenüberstehen!“ Den letzten Satz sprachen wir zusammen aus, wie aus einem Mund, bevor wir beide gleichzeitig das Bewusstsein verloren. Völlig verwirrt und verängstig hatten sie das angehört. „Hast du etwas verstanden, Agni?“ fragte Soma. „Nein, die beiden haben in ihrer Muttersprache geredet…“ Da entdeckte Agni etwas, in meinem immer noch offenen Auge das aussah wie ein orange glühendes Kreuz mit schiefen Querstrich. „Wigburg trägt ein Kreuzsymbol im Auge?“, fragte Agni verdutzt und Soma sah sich das auch an. „Tatsächlich…“ Aber dieses „Kreuz“ erlosch und verschwand wieder. „Ob der Gott der Christen seine Finger im Spiel hatte?“, mutmaßte Soma. „Vielleicht… Bringen wir aber besser die beiden zurück…“ Jeder nahm je mich und Lisabeth auf den Arm und gingen wieder Richtung Waldesrand. „Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist, Lieschen…“, hörte Agni seinen Herrn flüstern, während dieser meine Schwester zärtlich ansah. Niemand außer mir hatte Lieschen zu ihr gesagt, was Agni die tiefe der Gefühle von Soma zu Lisabeth zeigte. Soma küsste Lisabeth sogar auf die Stirn. „Ich werde nicht zulassen, dass dir je wieder etwas zustößt…“ „Da seid ihr ja.“, hörten die beide eine vertraute Stimme und trafen auf Sebastian und den jungen Herrn. „Ciel! Da waren einige Männer die wollten…“ „Ja, ich weiß!“, schnitt der junge Herr Soma das Wort ab. „Aber hätte Sebastian mich früher geweckt, hätte ich das selber gesehen!“ Dabei warf er Sebastian einen verärgerten Blick zu und dieser lächelte nur belustigt. „Du hast gewusst, dass die Mädchen dahin gehen werden und die beiden ihnen folgen werden!“ „Ich hatte so eine Ahnung und diese hatte sich bestätigt…“ „Aber da war was noch viel Seltsameres! Die Mädchen haben herumgeschrien und so komisch geredet!“, platzte Soma. „Menschen sind unterschiedlich. Die einen reagieren so, die anderen so…“, antwortete Sebastian ruhig. „Viel wichtiger, sind die beiden unversehrt?“, sagte Ciel im bohrenden Ton. „Die beiden haben nicht mal einen Kratzer, Earl Ciel.“, antwortete Agni. Der junge Herr atmete erleichtert auf. „Gut, wenn den beiden was passiert wäre, hätte deren Vater ein hohes Schmerzensgeld von mir verlangt. Das war die einzige Bedingung die ihre Mutter dazu gebracht hat, die Mädchen ziehen zu lassen.“ „Euch beiden ist schon bewusst dass Scotland-Yard euch befragen wird. Ihr habt die Gesichter der Täter gesehen.“ „Auf jeden Fall!!“, sagte Soma. „Ich will nicht, dass sowas wieder passiert!!“ „Om bhur bhuvah swah ,tat savitur varenyam…“ Die Stimme kenne ich doch… Diesen Gesang auch, nur verstehe ich ihn nicht… Ich machte die Augen auf und sah Agni am Fenster stehen, der Morgensonne zugewandt. „… bhargo devasya dhimahi, dhiyo yo nah prachodayat…“ Ach so, jetzt fiel es mir wieder ein. Das war ja sein Gebetsgesang, Mantra, wie er es nannte, was er jeden Morgen nach dem Aufstehen sang. Dann aber sah ich Soma neben dem Bett, auf einem Stuhl in eine Decke gehüllt und schlafend. „Soma, Agni…? Was…?“ Ich drehte den Kopf und entdeckte Lieschen neben mir liegend und auch schlafend. Ich erhob mich. „Was macht ihr hier?“, fragte ich müde und rieb mir die Augen. „Ah, guten Morgen, geht es dir gut?“, fragte Agni als er mich hörte. „Ja… ich fühle mich nur so platt… als hätte ich die Grippe gehabt oder überhaupt nicht geschlafen hätte…“ Da regte sich jetzt Lieschen und erwachte auch. „Wiebchen? Was machst du in meinem Bett?“, fragte sie mich, als sie mich erkannte. „Der Prinz fand dass ihr beide für diese Nacht zusammen schlafen solltet. Ihr beide hattet euch gestern eigenartig und verstörend verhalten.“, sagte Agni und weckte sacht seinen Herrn. „Eigenartig? Verstörend?“, fragte Lieschen. Ich hielt mir den Kopf. „Ich kann mich nur daran erinnern wie wir tanzten und… hab ich geträumt?!“ „Dann haben wir beide geträumt.“, sagte Lieschen. „Was?!!“, fragte Soma verwirrt. „Ihr habt rum geschrien und rumgezappelt, als ob ihr von bösen Mächten gepeinigt werdet!!“ „Ich… Wir… hatten wohl einen besonders schlimmen Albtraum…“, sagte ich in Gedanken. „Seid ihr uns nachgeschlichen?!!!“, fragte Lieschen, hielt sich dann aber den Kopf der daraufhin schmerzhaft pochte. Die beiden erzählten was sie gestern Nacht gesehen und getan hatten. „Ach so… es war also eine Falle?“, sagte Lieschen. „Vielleicht hätten wir es euch sagen sollen, aber wir wollten euch keine Angst machen.“ „Uns beiden macht ihr uns keine Angst, immerhin haben wir einige gruselige Sachen als Kinder gemacht.“ „Was habt ihr denn „geträumt“?“, fragte Soma besorgt. „Nun ja…“, begann ich. „Ich sah einen jungen Hirsch mit einer Mondsichel auf der Stirn, ein Jäger schoss auf ihn, komischerweise hörte aber ich einen Pistolenschuss.“ „Ich auch!“, sagte Lieschen. „Eine Jagd? Und das hat euch solche Angst gemacht?“ „Es geht weiter, Soma.“, antwortete Lisabeth und fuhr fort: „Da kam ein junger Hund herbei und wollte den Hirsch reißen, ein Wolf mit weißem Fell und einem flammenförmigen Fleck auf der Stirn kämpfte mit dem Hund, aber wird schwer verletzt. Dabei hatte ich menschliche Stimmen gehört, aber nichts verstanden weil es leise und verworren war. Ein güldenes Reh und eine braune Wölfin mit Narbe über dem rechten Auge bewachten den weißen Wolf, als dann ein weiterer Hund auftauchte der auch ähnlich wie die Wölfin eine Narbe auf dem Auge hatte. Er war dem einem Hund bis aufs Haar gleich und sie knurrten sich angriffslustig an.“ „Dasselbe hab ich auch gesehen, nur hatte ich auch andere Bilder gesehen, an die ich mich aber sehr schlecht erinnern kann, aber es war als ob man…“ „…das Tor zur Hölle geöffnet hätte?“, beendete Lieschen meinen Satz und ich nickte. „Es war schrecklich und so real…“ „Bei den Göttern…“, konnte Soma nur sagen und war etwas blass. Agni war nachdenklich. „Wigburg, seit wann hast du dieses Kreuz im Auge?“, fragte er mich direkt. „Kreuz im Auge??“, fragte ich zurück. „Wovon redest du?“ „Stimmt, ja!“, sagte Soma. „Du hattest ein leuchtendes Kreuz im Auge! Aber es sah anders aus als du immer an der Kette trägst oder in euren Tempeln hängt.“ „Inwiefern anders?“, fragte Lisabeth. „Der Querbalken ist schief gewesen und es sah aus als ob es in Wigburgs Auge eingeritzt sei.“ „Das hört sich wie eine Rune an…“, sagte ich. „Rune?“ „Runen waren Schriftzeichen und gleichzeitig Zauberzeichen der Völker des Nordens und unserer Vorfahren. Die wurden zu einer Zeit verwendet wo unsere Vorfahren an andere Götter geglaubt haben. Zumindest hat unsere Großmutter das erzählt.“, erklärte ich. „So wie das klingt, könnte das die Rune Naud gewesen sein.“, sagte Lieschen. „Oder Ar… Aber was hat eine Rune in meinem Auge zu suchen!!!?“ „Ich weiß es nicht, aber es war da, leuchtete orange und verschwand nach einer Weile. Irgendwie, ich weiß nicht warum, erinnerte es mich an meine rechte Hand…“ „Ob das… mein böser Blick ist?“ „Wigburg, jetzt fange nicht schon wieder damit an!“, sagte Lieschen entnervt. „Selbst Oma sagt, du hast ihn nicht!“ „Das ist mir egal ob du den bösen Blick hast!“, sagte Soma. „Du und Lisabeth seid gute Mädchen.“ „Genau.“, sagte auch nun Agni. „Ihr beide habt den Prinzen geholfen, jetzt haben wir euch geholfen. Egal was kommt, wir stehen euch zur Seite.“ „Wir sind doch immerhin Freunde, oder nicht.“ Soma grinste aufmunternd. „Danke ihr beiden.“, sagte ich erleichtert. „Danke.“ Lieschen nahm dabei Somas Hand. Inzwischen saß Sebastian in seinem Büro, mit ein paar Akten Pergamenten und Büchern. Er grinste triumphierend. „Also waren meine Recherchen korrekt. Wenn der junge Herr wüsste was er ins Haus geholt hat.“ Er lachte leise. „Zuerst hatte ich gedacht es wäre eine Legende der alten Menschenvölker, aber hätte Mister Agni sich nicht verplappert, dann wäre es für mich immer noch eine Legende. Aber selbst wenn Wigburg es nicht hätte, sie und ihre Schwester werden mir sehr behilflich sein. Da freue ich mich wenn ich den Vertrag mit den jungen Herrn erfülle und wieder mein eigener Herr bin…“ Seine Augen leuchteten dabei vor Vorfreude. Kapitel 11: Pläne, Erkenntnisse und Geheimnisse ----------------------------------------------- Es war jetzt Sommer, Anfang August um ganz genau zu sein… Und ein normaler Nachmittag in der Villa Phantomhive. Heute sollte ich das große Bad des jungen Herrn putzen. Wie ich grad aus der Besenkammer Lappen, Besen und Putzeimer geholt hatte, kam Maylene mit ein paar Briefen herbei. „Wigburg! Wigburg! Die Post ist da! Es ist auch ein Brief für dich und Lisabeth da!!“ „Echt!? Zeig!!!“ Und sie gab mit den einen Umschlag und ich sah auf den Absender. „Er ist von meinem Vater!“ „Oh wie schön!!!“ „Ja, endlich, seit Weihnachten und Ostern hat er nicht mehr geschrieben.“ „Mach auf!!! Was schreibt er denn?!!“ Ich machte den Brief auf und überflog die Zeilen. Aber je weiter ich las, desto finsterer wurde mein Gesicht. „Wigburg? Ist was passiert?“, fragte Maylene besorgt. Ich schnaubte wütend. „Lies doch mal vor! Was steht drin?“ „Willst du das wirklich wissen? Ok… Papa schreibt… „Hallo meine süßen Engelchen, wie geht es euch? Das mit Oma Inges Erbe ist geklärt, alles ist gut…“ „Eure Großmutter ist tot?“, fragte Maylene betroffen. „Ja, seit Anfang des Jahres, sie war sehr krank gewesen und auch recht alt. Es kommt aber noch dicker: "…außerdem habe ich noch tollere Nachrichten für euch! Zwei gute Geschäftspartner von mir haben Söhne in eurem Alter. Die sind noch Junggesellen und rechtschaffende, helle Burschen. Die werden euch gefallen, ich hab auch schon alles geplant und abgesprochen! Wenn ihr demnächst wieder zurück nach Deutschland kommt, wird Hochzeit gefeiert. Ist doch toll oder nicht? Schreib mir doch mal wann ihr überhaupt nach Hause kommt. Bis dahin haltet euch wacker. In Liebe euer euch Liebender Vater...,"" Den letzten Satz las ich mit Abscheu vor, weil es in meinen Ohren wie Hohn klang. "Oh... Ihr... Heiratet bald?", fragte Maylene vorsichtig. "Er hatte uns versprochen, dass wir selber unsere Ehemänner aussuchen!!!! Und schon wieder hat er uns betrogen, schon wieder sein Versprechen gebrochen und über unseren Kopf... Ach was sag ich, unseren Arsch entschieden!!!! Als ob wir Ziegen auf dem Wochenmarkt wären!!!!" Ich knäulte den Brief zusammen und pfefferte ihn in die Ecke. Knurrend schnappte ich meine Putzutensilien und wollte gehen. "Dass du dich betrogen fühlst, glaube ich dir, aber er ist dein Vater. Du solltest mit ihm reden... " „Ein Dutzend Mal hab ich ihn darauf angesprochen, immer kam ein „Ja, gut, hab verstanden…“ und am nächsten Tag hat er es wieder vergessen mit der Ausrede „Ich will doch nur das beste“. Deshalb haben Lieschen und ich dann sämtliche Freier, die unser Vater vorgesetzt hat, mit verschiedenen Tricks weggekelt, um unseren Vater so eins reinzuwürgen. Er kriecht allen in den Hintern, pfeift auf die Gefühle seiner Töchter, nur damit die Leute auf der Straße nicht sowas wie „Guckt mal, dem Hermans älteste ist schon 19 und immer noch nicht verheiratet.“! So ein feiger Hund ist er geworden…“ „Sag ihm doch einfach dass du und Lisabeth bereits verliebt seid.“ Ich zuckte zusammen. „Stimmt’s oder habe ich Unrecht?! Du bist verliebt Wigburg, oder?“ Ich seufzte frustriert. Maylene hatte mich erwischt. „Ja… ich bin verliebt…“ „In wen??? Ich werd schweigen wie ein Grab, Hausmädchen-Ehrenwort!“ „Wirklich? Ok… na gut… es ist Agni den ich liebe…“ „Ha, hab ich mir schon gedacht, auch wenn du in letzter Zeit weniger mit ihm geredet hast. Und Lisabeth in den Prinzen? Er ist nämlich total in sie vernarrt!“, lachte Maylene fröhlich. „Mein Vater würde das nicht dulden… Na gut, weil Lieschen die Chance hat die Kurtisane eines orientalischen Prinzen zu werden, würde mein Vater in dieser Richtung dulden, aber ich… ich musste mich in einen Diener verlieben…“ „Ich würde trotzdem mit deinem Vater reden. Er will doch bestimmt trotzdem nur euer bestes, erinnere ihn nochmal dran. Er muss auf dich hören, er ist immerhin dein Vater.“ Ich wusste zuerst nicht was ich sagen sollte. Was anderes blieb mir nicht übrig. Da hatte Maylene Recht. „Ok… ich werde darüber nachdenken… Ich danke dir Maylene… Ich muss jetzt aber los, der junge Herr will bis heute Abend in seinem Bad baden.“ „Natürlich, wir sehen uns. Bis dann Wigburg.“ Im Bad musste ich mich zuerst sammeln, weil der Brief und das Gespräch mit Maylene mich völlig aufgewühlt hatten. Aber wie sollte ich es meinem Vater beibringen? Mir wäre es am liebsten ihm es persönlich zu sagen, aber es wird schwierig… Seufzend begann ich dann zuerst den Boden zu wischen und kam doch auf andere Gedanken. So nach und nach, besonders als ich mich der Badewanne zu wand, begann ich so verträumt zu singen. Keine Ahnung wie ich auf Runenverse kam, aber ich begann norwegische Runengedichte zu singen, natürlich auf Deutsch wie es meine Großmutter es mir und Lieschen beigebracht hatte. „Gold verursacht Streit unter Gefolgsleuten; der Wolf lebt im Wald…“ So gedankenverloren sang ich und putzte. „…Wasser ist, was vom Berge fällt; Es ist eine Kraft, doch Goldgeschenke sind teuer…“ Dabei hatte ich grad den Wasserhahn des Waschbeckens poliert. Keck fuhr ich mit dem Finger drüber, wobei diese Fingerbewegung von der Form an einen kleinen Haken oder eine Musiknote ohne Kopf erinnert. Da…! Mir war als ob mein rechtes Auge kurz warm geworden ist. Wie ich mich kurz ans Auge fasste, bemerkte ich aber, dass der Wasserhahn auf einmal bebte. „Was zum…?“ PONG!!!!! Ich konnte rechtzeitig dem Wasserhahn ausweichen, der grad aus seiner Verankerung ausschoss, sonst hätte er mich zwischen die Augen erwischt, und kurzdarauf ergoss eine wahre Sintflut sich aus dem Rohr ins Badezimmer und ertränkte mich fast, hätte mich die Woge nicht gegen die Tür geschleudert und ich diese nicht aufgekriegt hätte. „HILFE!!!!! DER WASSERHAHN IST EXPLODIERT UND ÜBERFLUTET ALLES!!! HILFE!!!“ Ich konnte nicht mal die Tür zumachen, so stark war der Wasserschwall, so dass auch der Flur überflutet wurde. „HILFE!!!!“, konnte ich nur schreien, wenn ich grad mal kein Wasser im Mund hatte. „Was ist los…?“ „Wigburg?!“ Bard und Maylene kamen grad herbei und waren schockiert. „Was ist denn hier los?“ „Ich weiß es nicht!! Der Wasserhahn ist einfach explodiert!!“ „Ach du meine Güte!!! Ich hole Sebastian!!!“ Und Maylene stürmte los, während Bard mir auf die Beine half und versucht die Tür zuzuhalten. Aber dann ließ der Wasserdruck hinter der Tür nach und auch die Flut ließ nach. Kurz darauf kam Maylene mit Sebastian zurück. Dieser hatte offenbar das Wasser abgestellt. „Was ist passiert Wigburg?“, fragte dieser mit genervter Miene. „Ich… Ich weiß es nicht… Der Wasserhahn ist aus seiner Verankerung geflogen und das Wasser ist dann einfach rausgeschossen.“ „Mir ist egal wie du das angestellt hast, aber du wirst alles wieder trocken wischen! Um den Wasserhahn kümmere ich mich später.“ Ich konnte nichts dazu sagen. „Aber Sebastian!“, sagte Bard. „Wie soll unsere Wiggy das hingekriegt haben?! Zaubern kann die ja nicht und so stark ist die net.“ Aber immer noch schwieg ich weil ich nachdachte. Hatte es mit dem Runenvers zu tun den ich zuvor gesungen hab? Als ich ENDLICH und zu meinem Glück, rechtzeitig fertig geworden war, war ich in meinem Zimmer und wollte mich grade abtrocknen, als es an der Tür klopfte. „Herein…“, sagte ich automatisch. Aber wie ich erkannte, wer da rein kam, erschrak ich mich doll. „Chela, ist dir was passiert?“ Agni war grad eingetreten und sah sehr besorgt aus. „Öh…! Was?! Wie?!!! Äh… Nein… alles gut, alles gut… ich bin nur nass bis auf die Knochen…“ „Bard hatte mir erzählt dass etwas im Bad passiert ist und es deshalb eine Überschwemmung gab.“ „J… ja… und ich kann es mir absolut nicht erklären… Der Wasserhahn ist einfach explodiert und dann… hrmpf… Es frustriert mich einfach, dass ich es nicht erklären kann!“ Agni zeigte dann doch Erleichterung in seinem Gesicht und lächelte wieder freundlich, wie es seine Art war. „Wie es passiert ist, ist unwichtig. Hauptsache dir ist nichts passiert…“ Wie er das sagte, musste ich wieder rot werden und senkte den Kopf. “Komm Chela, ich werde dich abtrocknen.“, sagte Agni lächelnd und nahm das Handtuch vom Spiegeltisch. „Äh… Nein!!! Ich kann mich selbst abtrocknen.“ „Aber das macht mir keine Umstände.“ „Nein, danke Agni, ich mache das selber!“ „Du musst aber schnell trocken werden, eh du noch krank wirst.“ „Ich bin zwar weder Siegfried noch Baldur, aber so schnell werde ich nicht krank!“ Das Protestieren half nichts, er legte mir das Handtuch über den Kopf und begann sanft mein Haar trocken zu reiben. Ich rührte mich nicht und konnte nur noch roter werden, während ich seine Hände auf meinem Kopf fühlte. „Deine Haare sind so schön…“, hörte ich leise von ihm. Ich dachte schon ich hätte mich verhört. „Wie bitte?!“ „Oh!“ Agni fühlte sich offenbar ertappt. „Ich meinte… dein Haar ist schon schön…“ Ich starrte ihn verwirrt an. Bildete ich mir das jetzt ein? Agni räusperte sich verlegen. „Du… ähm… willst dich bestimmt umziehen? Oder?“ „J… ja… Könntest du… dann mich bitte alleine lassen…?“ „Oh, ja, natürlich… Wir sehen uns noch.“ Ich nickte nur bevor er ging. Wieder brannte diese Scham in mir die ich seit dieser Nacht mit Sebastian hatte. Aber diese Scham kämpfte auch mit dem Kribbeln im Bauch, wodurch wieder das bekannte Wonnegefühl dann doch die Oberhand gewann. „So was wie mit meinen Haaren, sagt er bestimmt nicht so frei raus zu Soma… und dabei bin ich doch eigentlich… oder glaub ich, eine normale Sterbliche für ihn…“ Immer noch mit kochendem Blut begann ich mich auszuziehen. Ich erwischte mich allerdings dabei bei der Vorstellung wie er meine bloße Haut berührte. Eindeutig, ich schwärmte nicht mehr für ihn wie ein junges Mädchen, ich empfand sogar richtiges Begehren, wie es wohl erwachsene Frauen empfanden, von ihm geküsst zu werden reichte mir nicht mehr, ich wollte ihn berühren. Zum Teil schämte ich mich dafür. „Verdammt… Agni… du machst mich verrückt…“ Inzwischen, auf dem Weg zur Küche, denn der Nachmittagstee und das passende Dessert musste ja vorbereitet werden, traf Agni auf Sebastian. „Ah, Mister Agni, gut dass ich sie treffe. Ich wollte mit ihnen was Wichtiges besprechen.“ „Was Wichtiges? Worum geht es?“ Sebastian zog ein zerknülltes Stück Papier aus seiner Hosentasche und zeigte ihm es nach dem er es etwas entknäult hatte. "Das ist ein Brief von Peter Herman aus Deutschland an seine Töchter. Den hatte Maylene vorhin entsorgen wollen." "Oh... Und was steht drin?", fragte Agni. "Er teilt Wigburg und Elisabeth mit, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Deutschland, dann verheiratet werden. Offenbar hat Peter Freier für seine Töchter gefunden." Diese Nachricht traf Agni wie ein Schlag in den Magen, was er in seinem Gesicht nicht ganz verbergen konnte. "Stimmt etwas nicht, Mr. Agni?" "N... N... Nein, nein alles gut. Das... Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht.", sagte er und versuchte sogar zu lächeln. "Allerdings ist mir aufgefallen dass die Mädchen sehr viel Zeit mit Prinz Soma verbringen. Die drei scheinen sehr aneinander zu hängen." "Natürlich! Die drei sind doch enge Freunde! Auch wenn die Mädchen bürgerlicher Herkunft sind, hätte der Prinz keine besseren Freunde als die beiden finden können." "Und deshalb wollte ich mit ihnen reden. Ich möchte sie darum bitten, dafür zu sorgen dass der Prinz weniger Zeit mit den Mädchen verbringt." "Wie... Wieso?" "Bedenken Sie doch. Dem Prinzen wird es sehr schwer fallen sich von den beiden zu trennen und je mehr Zeit er mit ihnen verbringt, umso schmerzlicher wird der Abschied. Sie wollen doch nicht dass sich das Drama um Meena wiederholt, oder?" "Nein, natürlich nicht!!!" Agni war schon recht aufgebracht. "Dann haben sie mich verstanden?" "ja..." "Dann ist es geklärt. Ich bedanke mich für ihr Verständnis." Sebastian wollte schon weiter. "Wann...", fragte Agni leise. "Wann werden die beiden in ihre Heimat zurückkehren?" "Wenn alles gut geht, nächstes Frühjahr oder Sommer. Die Aktion in der Walpurgisnacht, hat die Queen sehr imponiert, so dass sie den Mädchen einen Bonus gezahlt hatte, wovon ein beträchtlicher Teil auf die Schulden ging. Der junge Herr musste ihr ja auch erzählen dass die beiden sich freiwillig als Köder für die Menschenhändler angeboten hatten." Sebastian lachte leise und vergnügt, als er ging. Agni dagegen, stand einfach nur eine Weile da und versuchte das zu verarbeiten was er grad vernommen hatte. In der Küche saß Agni auf einem Stuhl und rieb sich frustriert das Gesicht. „Wigburg… und Elisabeth… werden heiraten… Wie soll ich das nur dem Prinzen beibringen?“ Er steckte in einer Zwickmühle. Sebastian hatte Recht, würde Agni nichts sagen würde er denselben Fehler machen wie bei der Sache mit Meena. Aber würde er es Soma sagen, würde das ihm auch wehtun. "Was soll ich nur tun? Der Prinz liebt Elisabeth. Es wird ihm das Herz brechen wenn er erfährt dass sie bald mit einem anderen..." Ihm huschten auf einmal auch Bilder von mir durch seinen Kopf, wo ich gehüllt in einem Schleier war und ein fremder Mann neben mir vor einem Altar steht und ich dann diesem Mann meine Hand reichte. Der Gedanke machte ihn fast wahnsinnig und er war nah daran zu weinen. "Vielleicht mag Wigburg diesen Mann nicht! Oder er behandelt sie schlecht!" Er war völlig unruhig, inzwischen ist er schon aufgestanden und wanderte in der Küche um her. Bis ihm ein Gedanke kam. "Nein... So grausam ist ihr Vater nicht! Er hat bestimmt diese Männer sehr sorgfältig ausgesucht. Er muss ein guter Mann sein, sonst hätte er nicht so gute Mädchen als Töchter. Ja, er würde bestimmt nur gute Männer für seine Töchter haben wollen... Hoffe ich zumindest... Und hoffentlich wird der Prinz es auch glauben wenn ich es ihm so erkläre." da hörte er von draußen zwei vertraute Stimmen und sah aus dem Küchenfenster, wie Soma und Lisabeth grad vom Treibhaus kamen und Lisabeth dabei einen Korb voll Erdbeeren bei sich hatte. Bei dem Anblick flossen ihn doch die Tränen. " Nein... Es wäre zu grausam wenn ich dieses junge und reine Glück jetzt zerstören würde. Der Prinz sollte jeden Moment genießen den er noch mit seiner Geliebten hat. Wenn der Zeitpunkt da ist, werde ich ihn darüber aufklären, bis dahin sollte er sein Glück genießen." "Agni?" Überrascht wandte er den Kopf und sah mich und Finny in der Küchentür stehen. Finny schleppte die schwere Milchkanne und ich hatte Mehl, Zucker und Eier dabei. "Ist etwas?", fragte Finny verwirrt. „Ist dein Gesicht etwa nass? Hast du geweint?" "Äh, kann sein...", wimmelt er ab und wischte sich das Gesicht ab. „Ich war etwas verzweifelt weil ich dachte wir hätten nicht genug Zimt im Haus für das Dessert." "Wigburg, war gestern nicht erst neue Gewürze ins Haus gekommen?", fragte Finny jetzt mich. "Ja, also ist alles gut. Mach dir keine Gedanken." Tröstend strich ich Agni über die Schulter. "Legen wir aber mal los um rechtzeitig das Dessert für den Nachmittagstee zu zubereiten. Der junge Herr kriegt heute Lindenblütentee dazu soll Erdbeer-Parfait serviert werden. Legen wir schon los, Lieschen müsste bald mit den Erdbeeren vom Treibhaus kommen. " "Jawohl!" Zwei Tage später, standen Lieschen und ich in ihrem Zimmer und hatten unsere neuen Sommerkleider an, die die Schneiderin des jungen Herrn angefertigt hatte, auch wenn sie unserer Meinung nach ein bisschen zu lange uns vermessen hatte, besonders am Busen und Po. Den kleinen Luxus, an feinen Kleidern wollten wir uns aber gönnen. „Ahhhh, guck Schwesterherz! Wir sehen wundervoll aus in unseren Sommerkleidern.“ „Ja, das tut ihr…“ Völlig überraschend stand der junge Earl in der Tür. „Nina hat gute Arbeit geleistet und gute Diener brauchen ab und zu eine Belohnung.“ „Ähm… danke Mylord.“, meinten wir etwas verwirrt und knicksten. „Aber deswegen bin ich nicht hier. Übermorgen reise ich nach Deutschland und möchte dafür eine von euch mitnehmen. Wir werden im Auftrag der Königin dort sein.“ „Was?! Warum nicht uns beide?“, fragte ich getroffen. „Ich brauche eine von euch hier. Meine anderen Bediensteten nehme ich zwar auch mit, aber eine von euch muss hier auf Prinz Soma und seinen Butler achtgeben. Aber ich möchte auch eine „Expertin“ für Deutschland dabei haben und wenn ich schon Eingeborene im Haus hab…“ Dann wandte er sich an Lieschen. „Ich möchte dass du hier bleibst und Wigburg mich nach Deutschland begleitet.“ „Warum muss ich hier bleiben?“ „Weil du den meisten Einfluss auf Prinz Soma hast. Selbst Wigburg ist mir zu nachgiebig und wenn du den Prinzen im Griff hast, dann hast du auch seinen Butler im Griff. Sebastian wollte zwar auch, dass ihr beide zusammen mit uns geht, aber ich will auf Nummer sicher gehen.“ „Verstehe…“, meinte Lieschen traurig. „Mädels, ich verstehe euch sehr gut, dass ihr ungern getrennt sein wollt, aber ich finde dass es so das Beste ist. Wenn ihr wollt, fahren wir auch in den Ort wo eure Familie wohnt so, dass Wigburg ein paar Grüße ausrichten kann.“ „Sehr gerne!“ „Ja, Mylord. Ihr seid zu gütig.“ „Dann ist alles klar. Du packst morgen deine Sachen Wigburg.“ Und Ciel verließ das Zimmer. Nur zwei Tage später waren wir im Herzen Deutschlands, auf den Weg ins Königreich Bayern, genauer Richtung Nürnberg. Wie seltsam es sich anfühlte, wieder die eigene Muttersprache zu sprechen. Aber noch eigenartiger war es ohne Lieschen zu reisen. „Niemals werden wir auseinander gehen, oder?“, hatte ich einmal zu ihr gesagt. „Niemals, niemals.“, hatte sie darauf geantwortet. Wie gerne hätte ich sie bei mir gehabt. „Naja… dann hat sie ein wenig Ruhe und Zeit für Soma…“ Ich musste etwas schmunzeln bei den Gedanken. …“Agni… Agni…“ Was war das für eine verlockende Stimme? Die kannte er doch. So schummerig erkannte er wie eine weibliche Gestalt auf ihm saß. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen, war sich aber sicher sie schon mal gesehen zu haben. „Wer… bist du?“ Sie kicherte verspielt. „Warum fragst du? Du kennst mich doch…“ Sacht strich sie mit ihrer Hand über seine Brust. Die Hand war warm und war sehr leicht rau, offenbar war sie körperliche Arbeit gewöhnt. „Ich will trotzdem wissen, wer…“ „Pscccchhhhh…“ Wie sie den Finger auf seinen Mund legte, wallte sein Blut auf. „Denk nicht nach… Küss mich einfach…“ Und daraufhin, spürte er ihren Mund auf seinem. Ihre Lippen waren weich und anschmiegsam. Er konnte oder wollte sich nicht dagegen wehren, das wusste er selber nicht. Trotzdem schloss er die Augen und legte die Arme um sie. Während sie ihn küsste, roch er den Duft ihrer Haut. Der kam ihm auch vertraut vor. Wildkräuter? Er machte die Augen auf und da!!! War da nicht ein grünlicher Schimmer in ihren Augen? „Chela!!!!“… Agni wachte schweißgebadet aus seinem Traum auf. Er schämte und ärgerte sich über diesen Traum. So einen Traum hatte er jetzt zum zweiten Mal gehabt, seit ich mit dem jungen Herrn nach Deutschland aufgebrochen bin. „Kama… hör auf deine Narreteien an mir auszuleben. Unmöglich dass du einen deiner Pfeile auf mich geschossen hast!“ Wir kamen in einem Dorf, Wolfsschlucht genannt an. Dort soll die „grüne Hexe“ leben, die die Gegend mit einem Fluch belegt hatte. Das Dorf wirkte wie als wenn die Zeit nie vergangen wäre, die Bewohner, bis auf den Butler der Hexe alles Frauen, trugen altertümliche Kleidung, auf dem Dorfplatz waren mittelalterliche Folterinstrumente ausgestellt. Obwohl die grüne Hexe sich als 11-jähriges Mädchen mit schwarzen Haaren und smaragdgrünen Augen entpuppte, war es mir doch etwas mulmig. Hatte der junge Herr vielleicht doch mich mit nach Deutschland genommen, wegen meiner „Hexen-Vergangenheit“, denn Sebastian wusste es ja bereits. Das kratzte schon etwas an meinen seelischen Wunden, aber ich versuchte es zu verbergen. Nach dem Essen und einem erschütternden Vorfall im Dorf, herrschte eine bedrückende Ruhe im grünen Schloss. Ich ging, da ich nichts mehr zu tun hatte, im Schloss herum und fand die Bibliothek. Endlich mal ein Raum der beruhigend auf mich wirkte. Ich stöberte etwas in den Regalen, mir fiel allerdings auf, dass die Bücher hauptsächlich Heilkräuter, Geschichten über die Hexen und moderne Chemie behandelten. Eigenartig, dachte ich. Dann entdeckte ich eine deutsche Übersetzung der Edda, quasi die Bibel der Normannen. Diese kannte ich von meiner Großmutter Renate. Meine andere Großmutter Inge, die ja tot war, war einmal ausgeflippt, wie sie gesehen hatte, dass Oma Renate Edda und Bibel neben einander im Regal stehen hatte. Heidnisch und heilig sollten nicht bei einander stehen, hatte sie gesagt doch Renate hatte gesagt, dass die Edda auch heilig ist, wie die Bibel. Etwas wehmütig nahm ich das Buch und blätterte drin rum. „Das altisländische ist auch drin?“ „Ich wusste du bist anders als die anderen Fremden!“ Ich erschrak und ließ das Buch fallen. Sieglinde Sullivan, die grüne Hexe, hatte mich grad beim Lesen erwischt. Allerdings wurde sie nicht von ihrem Butler Wolfram getragen, wegen ihrer verkümmerten Füße, sondern hatte einen Reifen umgeschnallt an dem Ballons hingen. Offenbar konnte sie so alleine gehen. „Tut mir leid, Fräulein Sieglinde! Ich… Ich…“ Dabei wollte ich das Buch aufheben. „Alles in Ordnung. Mir ist aufgefallen, dass du normal redest, anders als die anderen.“ „Ja, ich bin ja auch Deutsche, so wie Ihr und Euer Butler. Die anderen kommen ursprünglich aus England. Okay, Tanaka-san ist Japaner und Bard ist Amerikaner.“ „Aha?! Sehr interessant! Aber ihr seid alle aus der Außenwelt. Wie ist es denn dort?!“ Aufgeregt setzte sie sich auf einen Stuhl und guckte mich mit großen Augen an. „Tja… äh… anders halt… schwer zu beschreiben… Habt ihr wirklich noch nie das Dorf verlassen?“ „Nein. Ich bin hier solang wie ich denken kann.“ „Bis vor über einem halben Jahr, hatte ich auch meine Heimat auch nicht verlassen, das ist aber eine lange Geschichte.“ „Ach so… Sag mal…“ „Nennt mich Wigburg, Fräulein…“ „Ok… Wigburg… Gibt’s da draußen viele Männer?“ „Öhm… ja… bestimmt genauso viele wie Frauen… Ihr habt bestimmt auch nicht viele Männer gesehen.“ „Nö… den einzigsten Mann den ich kenne ist Wolf, aber der ist ja nur mein Wachhund…“ „Ja, stimme ich euch zu, er benimmt sich schon etwas wie ein knurrender Hund. Mich würde es nicht wundern wenn er ein Werwolf ist…“ „Ist er nicht!!!“, schnitt sie mir das Wort ab. „Okay?“ Dabei lächelte ich verlegen. Jetzt sah sie mich wieder mit diesen großen Glubschäuglein an, wodurch sie noch niedlicher wirkte als ohnehin. „Also zurück zu den Männern. Du hattest bestimmt schon ein paar gehabt, oder?!“ „ÄH???“ Was hatte sie grad gefragt? „Hihihi, na komm keine falsche Bescheidenheit. Bei den dicken Dingern die du hast, müssen die Männer ja Schlange bei dir stehen.“, sagte die Kleine und stupste mit dem Finger gegen eine meiner Brüste. „FRÄULEIN SIEGLINDE!!!! WAS FÄLLT EUCH EIN!!!“ „Entschuldige, ich dachte ja nur… Du hättest mir auch gleich sagen können dass du noch Jungfrau bist…“ „Nein…“, sagte ich und versuchte meine Tränen zu unterdrücken. „Ich… bin seit einiger Zeit keine Jungfrau mehr…“ „Oh! Und? Wie war es?!!!“ „Ihr… wollt das ernsthaft wissen?!“ „JA!!! Komm erzähl schon! Wie hatte es sich angefühlt? Hattest du sogar einen Orgasmus?!“ „Nein… es war alles andere als schön…“ Meine Gedärme verknäulten sich bei der Erinnerung. „Was? Aber in meinen Büchern steht was anderes. Da steht es sei eines der schönsten Sachen die es gibt!“ „Vorausgesetzt man will es und man liebt sein Gegenüber…“ „Oh, dann war das bei dir nicht so?“ „Nein… und es hatte sehr wehgetan…“ „Wirklich?“ „Ja… und es floss sogar Blut… dabei…“ Jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten. „Ich hab mich so geschämt… Ich wollte mein erstes Mal mit einem anderen Mann haben und zwar mit dem den ich liebte, aber…“ Ich konnte nicht weiter sprechen, denn alles kam in mir wieder hoch. „Och, komm weine nicht…“ Sie ist von ihrem Stuhl aufgestanden und umarmte mich, auch wenn sie bis zu meinem Bauch reichte. „Das hab ich nicht gewusst, es tut mir leid… aber bestimmt kommst du mit deinem Liebsten zusammen und dann wirst du bestimmt auch die schöne Seite „davon“ erleben.“ „Ich glaube nicht dass ich je wieder….“ „Ganz bestimmt, immerhin willst du bestimmt später einmal Kinder haben, oder?“ „…Ja… Aber ich will nur welche von ihm… und von niemand anderen…“ „So klingst du schon besser. Alles wird wieder gut, Wigburg!“ Sieglinde lächelte mich fröhlich und kindlich an. „Danke, Fräulein… Dass ihr an mich glaubt…“ Auch ich konnte wieder lächeln. Schon wollte ich das Buch wieder zurück ins Regal stellen. „Das kannst du ruhig behalten. Ich hab es schon zweimal durch gelesen, zumindest den deutschen Teil.“ „Wirklich? Danke, Fräulein!“ „Bitte schön, Wolfram und meine Zofen mochten es eh nicht dass ich es lese.“ „Danke Fräulein. Und gute Nacht.“ „Gute Nacht Wigburg.“ Ich ging dann mit dem Buch Edda in mein Zimmer. „Die kann mir erzählen was sie will! Ich will es tun und weshalb sonst sind die Fremden sonst hergekommen?“ Lieschen schlurfte grad früh morgens in die Küche. Obwohl sie sich körperlich erholt fühlte, fühlte sie sich seelisch völlig fertig. Auf den Weg zum Speisesaal traf sie auf Agni, der grad Somas Frühstück dahin brachte. „Elisabeth? Alles in Ordnung?“ „Alles ok… ich hatte einen schlechten Traum…“ „Oh… wirklich? Ich hatte auch einen schlechten Traum gehabt.“ „Wirklich? Oh… nicht gut? Worum ging es?“ Er schwieg zuerst. „Das möchte ich dir besser nicht erzählen. Das ist nichts für die Ohren junger Mädchen.“ „Hmmmm, ok….“ Er wollte nicht unbedingt meiner Schwester erzählen dass ich durch seinen Traum gegeistert bin. Etwas später, wie Soma dann am Tisch saß und frühstückte, standen Agni und Lieschen daneben, wie es sich gehörte. Dann aber seufzte Soma etwas und er sah zu den beiden. „Das ist doof… setzt euch beide zu mir.“ Die beiden guckten verdutzt. „Prinz?“ „Aber…“ „Wenn eh alle weg sind, vergessen wir diese Regeln! Frühstücken wir doch zusammen!“ „Prinz… also das…“ „Ok!“, warf Lieschen dazwischen. „Ich hole fix Teller!!“ Gesagt, getan und dann wurde zu dritt gefrühstückt. Agni fand das komisch, aber wie Lieschen und sein Herr zusammen aßen, fand er es dann doch nicht so schlimm. Fast den ganzen Tag danach, wollte Soma dass Lisabeth bei ihm ist. Selbst im Veden-Unterricht sollte sie dabei sein, wobei Soma aber ordentlich abgelenkt wurde, besonders weil sie immer wieder die Übersetzung der heiligen Hindu-Verse hören wollte. Das ärgerte Agni doch etwas, aber nichtdestotrotz merkte er schon dass sein Herr ganz offensichtlich vor Freude strahlte. „Auch wenn das gegen jede Regel verstößt, so könnte der Prinz doch Elisabeths Herz erobern.“ Der junge Herr war verletzt und traumatisiert. Nur Finny ließ er zu sich. Komischerweise fiel auf dass er seinen Namen in der Art rief als ob er eine andere Person meinte. „Ciel! Es soll aufhören wehzutun!!“ und so sprach er. Sein Geist schien wohl so verwirrt zu sein dass er nicht mehr klar denken konnte, so schien mir und dachte mir nichts. Sebastian wollte bis zu der Genesung seines Herrn Fräulein Sieglinde als Butler dienen, sehr zum Ärger von Herrn Wolfram. Aber Sebastian schien andere Pläne zu haben. Oft lungerte er in der Nähe des Kellers rum, wobei er versuchte Wolframs wachhundartigem Verhalten zu entgehen. Dann aber, unter dem Vorwand er wolle mit mir etwas aus dem Keller holen, buchsierte er mich mit sich. „Ähm… sollte ich Herrn Wolfram lieber nicht beim Würzen helfen? Er ist darin eher mittelmäßig gut…“ „Doch du wirst mitkommen, das befehle ich dir!“ Da spürte ich es wieder, jenes Ziehen im Herzen, dieses Mal stärker als sonst und mein Geist war auf einmal betäubt, als ob ich im Traume war. „Ja… Meister…“, sagte mein Mund. Wir traten durch ein Loch das wohl Sebastian in die Wand gerissen hat. Er nahm mich auf den Arm und sprang mit mir in die Tiefe. Mein Geist war immer noch betäubt und mein Wille war schwach. Träumte ich? Wir landeten in einem Raum auf dessen Boden ein Kreis mit eigenartigen Symbolen zu sehen war, mit einer Art kleinem Altar und einem Mondzepter drauf. Ich nahm das nicht wirklich wahr und stand nur teilnahmslos da. „Nun…“, sagte Sebastian. „…Wollen wir sehen was du drauf hast. In deiner Beweglichkeit kommst du mir gleich, aber auch nur wenn du willst. Also, Wildröschen, was siehst du hier?“ „Was soll ich sehen?“, fragte ich tonlos. „Jetzt tu nicht so, ich hab dich erkannt. Nutze deine Augen, was siehst du, wenn etwas da ist.“ „Ich sehe nichts…“ „Du hast es nicht mal versucht. Du kennst die Rune dazu. Tu es! Enthülle was dieser Ort verbirgt!“ „Ich weiß es nicht… Ich sehe nichts…“ Immer noch sagte ich es tonlos, wie im Schlaf. „As! Es ist die Rune As! Sag es! Es ist was versteckt! Enthülle es!“ „As… As…“ Was war auf einmal mit meinem rechten Auge? „As… As… ist der Allvater, von Asgard der König, und Wächter von Wallhall…“, murmelte ich vor mich hin und mein rechtes Auge glühte. „JA!! Nutze deine Macht und enthülle das Geheimnis in diesem Raum!“ „…enthülle das Geheimnis in diesem Raum…“ Da plötzlich änderte sich mein Blick, alles schillerte in fremden und düsteren Farben und eine schwarze Gestalt stand vor mir, mit rot glühenden Augen, spitzen, scharfen Zähnen und einem Federkleid von finsterstem Schwarz. Bei dem Anblick wurde mein Geist schlagartig aus seiner Lähmung geholt und ich schrie vor Angst. „Jesus und heilige Jungfrau, beschützt mich!!! DER TEUFEL!!!“ Fast panisch gab Sebastian mir einen Schlag in den Nacken, so dass ich das Bewusstsein verlor. „Verflixt! Hat sie meine wahre Gestalt gesehen. Ihre Macht ist stärker als ich dachte… Nun, durch sie werde ich wohl nicht hinter das Geheimnis der grünen Hexe und der Werwölfe kommen…“ Und er trug mich wieder hoch. Wolfram sagte er, ich habe mich in der Dunkelheit gestoßen und sei deshalb ausgeschaltet. Es war Nachmittag, Teatime war rum und Lisabeth saß draußen, in ihrem neuem Sommerkleid und flocht zum Zeitvertreib Blumenkränze. Erst später merkte sie, dass Soma zu ihr kam. „Oh, hey Soma. Was machst du hier?“ „Och… Einfach dir Gesellschaft leisten.“ Dabei setzte er sich zu ihr. „Machst du die Blumenkränze für deinen Gott?“, fragte er neugierig. „Ähm… Nein, einfach so… wie kommst du drauf?“ „In unseren Tempeln werden die Statuen unserer Götter mit Blumenketten geschmückt. Deshalb dachte ich das…“ "Ach so. Sag mal...", begann Lisabeth vorsichtig, während sie eine weitere Blume in ihren Kranz flocht. "Stimmt es dass man euren Göttern Menschenopfer darbringt?" Soma sah Lisabeth auf einmal an als ob sie ihn beleidigt hätte. "Wer sagt das?!" "Das hatte mir ein Geschäftspartner von meinem Großvater erzählt, aber ich war da klein. Er hatte mir erzählt wie er gesehen hat, wie eine Jungfrau ganz in weiß auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Das war so erschreckend, dass ich dann geweint hatte. Mama hatte dann aber geschimpft." Sie lachte amüsiert. "Das war ganz bestimmt keine Jungfrau.", grübelte Soma. "Woher willst du das wissen?" "Die einzigen Frauen die in Indien komplett weiß tragen, sind Witwen." "Witwen???" "Ja Witwen. Offenbar hat dieser Mann eine verbotene Witwen-Verbrennung, einen Sati-Ritus, gesehen." "Witwen-Verbrennung?", fragte sie entsetzt. "Ja, früher war es oft so, dass Witwen mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt worden sind. Aber das soll abgeschafft werden, weil diese Tradition oft missbraucht wurde, weil man an das Erbe der Witwe wollte. Mein Vater hat schon Gesetze dagegen erlassen." "Ach so... Bei uns wird so was nicht gemacht. Also hat er das gesehen und gedacht eine Jungfrau wird geopfert. In Wirklichkeit war es dann nur eine recht junge Witwe." "Ja genau." "Bei uns tragen die Witwen schwarz und Bräute weiß, als Zeichen ihrer Reinheit und somit Jungfräulichkeit." Soma lachte. "Bei uns tragen die Bräute rot, als Glücksfarbe." Jetzt lachten beide. "Weißt du... Meine Vorfahren hatten wirklich Menschen geopfert...", sagte Lieschen etwas verlegen. "Was?! Verlangt der Christen-Gott das?!" "Hihi, nein... Meine Vorfahren hatten zu anderen Göttern gebetet... Aber man opferte Menschen damals nur in höchster Not und der König der germanischen Götter hatte sich für Wissen geopfert. Neun Tage später ist er von den Toten auferstanden." "Echt? Dann hat dein Volk schon immer an Wiederauferstandene geglaubt!" "Ja." Beide lachten wieder herzlich. Soma merkte dann dass Lieschen fast keine Blumen mehr für ihre Kränze hatte. "Ich hole neue Blumen!" Und er eilte davon. Lisabeth lächelte ihm hinterher. Kurze Zeit später kam Soma wieder, mit einem Haufen Blumen verschiedenster Farben. "Sehr lieb von dir, danke!" "Bitte schön.", lächelte Soma, ihm machte es sogar nichts aus, dass seine Hände jetzt schmutzig sind. Er sah einfach nur Lieschen zu während sie einen neuen Kranz begann. "Später möchte ich auch mal ganz in weiß heiraten.", fing sie wieder an. "Aha?!" "Ja, mit langem Schleier und Myrtenkranz..." "Kein Goldschmuck?" "Hihi... Nein, bei dem Vermögen was meine Eltern haben, nicht." "Ach ja, stimmt... Das würde ich dir gerne erfüllen!" "Was?!" "Ja, das würde ich für dich gerne machen." Dabei grinst Soma breit. Lisabeth wurde rot bei der Vorstellung. "Mein Brautkleid... Das öhm..." "Oh!" Soma merkte das und wurde selbst rot. "Ähm einfach um mal eine Braut in weiß gesehen zu haben... Und weil du mir viel bedeutest..." Verlegenes Schweigen. " Du hast aber viele Wegwarten gepflückt.", sagte Lieschen, als sie eben eine der hellblauen Blumen hervor zog. "Ähm... Ja da wuchsen so viele am Wege vorne und ich hab die genommen, weil die so blau sind wie deine Augen..." Er wurde wieder tiefrot und kratzte sich am Kopf. Lisabeth kicherte, bevor sie eine der Wegwarten-Blüten nahm und sie Soma in sein lila Haar steckte. "Das steht dir recht gut, Soma." "Danke, Lisabeth..." Beide sahen sich tief in die Augen. Beide hatten nicht gemerkt, dass Agni die beiden eine Weile durch das Fenster beobachtet hatte. Wie sein Herr da zusammen mit Lisabeth im Garten saß und recht glücklich dabei war, machte ihn auch glücklich. Soma war also schon längst über Meena hinweg gekommen. Dann aber ging er in den Garten. "Prinz! Die Currybrötchen sind fertig, gehen wir gleich in die Stadt!" "Ach ja, stimmt. Wir wollten heute ja wieder Currybrötchen an die armen Kinder verteilen, kommst du mit Lisabeth?" "Gerne! Da werden bestimmt viele kleine Mädchen dabei sein, die würden sich über meine Blumenkränze freuen." "Das ist eine sehr gute Idee, Elisabeth!", stimmte Agni zu. "Dann los geht's!" Soma nimmt Lisabeth bei der Hand und ging mit ihr zur Villa, ein wenig Agni entgegen. "Ähm, bevor ihr Currybrötchen verteilt, solltest du dir besser die Hände waschen, Soma!" "Stimmt Prinz!" Jetzt hatte Agni das auch bemerkt. "Das solltet ihr besser machen." "Mensch, Agni! Elisabeth!! Ich bin doch kein kleiner Junge mehr!!!" "Nein, aber trotzdem! Komm gehen wir.", lachte Lieschen und beide gingen ins nächste Bad. Das Geheimnis der grünen Hexe war doch gelüftet und es war ein Programm des deutschen Militärs zur Entwicklung einer neuen Waffe gewesen. Mit knapper Not konnten wir entkommen, auch wenn Wolfram, der Butler der grünen Hexe schwer verletzt wurde. Aber so zäh wie er war, würde er es bestimmt überleben. Unsere Reise konnte wieder zurück nach England gehen. Wie sehr sehnte ich mich nach meiner Schwester und meinen Freunden. Dann aber, zwei Tage später kamen wir in einer Stadt an. Marburg! Das war nur anderthalb Stunden mit der Kutsche entfernt von meiner Heimatstadt. Der junge Herr wollte in Marburg Station machen, auch wegen Wolframs Wunden. Ich bat den jungen Herrn darum mir für, zumindest heute, mir frei zu geben damit ich nach Birrekopp fahren konnte um meine Mutter zu besuchen, denn es war heute ihr Geburtstag. Wie ich das dem jungen Herr sagte, schwieg er kurz und ich meinte einen Hauch von Trauer gesehen zu haben, bestimmt weil er kurz an seine eigne Mutter denken musste, gab mir aber frei. Sebastian würde mich zu gegebener Zeit abholen. Endlich, endlich!!! Da war ich wieder daheim! Die Linde auf dem Marktplatz, wo die Gasthäuser standen. Die vielen Gassen mit verschiedenen Winkeln und Größen, gepflastert mit Kopfstein, die sich alle dem Burgberg raufschlängelten. Es fühlte sich seltsam vertraut fremd an, nach einem halben Jahr wieder hier zu sein… Mit Mamas Geschenk und gekleidet in meinem schönen neuem Sommerkleid, lenkte ich meine Schritte zu ihrem Haus und klingelte. „Komme schon!“ Das war die Stimme meiner Großmutter Renate! Die Freude stieg in mir. Ihre graublauen Augen mit den braunen Flecken leuchteten vor Freude wie sie mich in meinem Sommerkleid und dem kleinen Päckchen in der Hand, vor der Tür stehen sah. „Nein, sowas?!!! Wiebchen!!! Martina, Kleines!! Guck mal, wer da ist!!!“ „Wer?“ Ich hörte wie ein Stuhl verschoben wurde und dann trat meine Mutter in den Flur. Ihre Augen, so grün wie meine, weiteten sich vor Staunen, bevor einen Moment später ihr wilder dunkelbrauner Lockenschopf mir fast die Sicht versperrte. „Wiebchen!!! Schnakenhälschen!!! Ach, wie schön dich wieder zu sehen! Was für ein tolles Kleid du trägst! Ist es etwa soweit, habt ihr die Schulden zurückgezahlt?“ „Nein, Mama.“, sagte ich mit Freudentränen. „Aber der junge Herr war wegen eines Auftrags unterwegs in Deutschland und hat mir freigegeben. Und…“ Ich übergab meiner Mutter ihr Geschenk. „…das ist für dich, alles Gute zum Geburtstag!“ Sie packte es ganz gespannt aus. Es war ein neues Buch. „“Eine Studie in Scharlachrot“?“, las sie den Titel. „Ein Kriminalroman, der ist echt gut! Sebastian hat für eine deutsche Übersetzung gesorgt. Den Autoren haben Lieschen und ich sogar persönlich getroffen!“ „Das ist ja toll, danke Wigburg.“ Und küsste mich auf die Wange. „Du bist aber grade rechtzeitig gekommen, der Erdbeerkuchen ist grad fertig geworden.“, sagte Oma während wir in die Stube gingen. „Ahhhhhhh!!! Erdbeerkuchen!!“, jauchzte ich voller Vorfreude. „Abgesehen von Agnis Currys, gibt es nichts Leckeres als deinen Erdbeerkuchen, Omi!“ „Wer?“, fragte Oma und Mama lachte. „Ist das dieser Inder von dem du so viel geschrieben hast, Wiebchen?“, fragte sie dann lächelnd. „Äh… ja. Der ist es.“ Ich wurde rot vor Verlegenheit und Mama lachte herzlich, während wir uns an den Tisch setzten und Oma mir ein extragroßes Stück Erdbeerkuchen auf den Teller legte. Fast den halben Kuchen verspeiste ich während Mama und Oma mir erzählten was so in Deutschland passiert war, zum Beispiel dass meine Tante Karla Mutter geworden ist und mein Vetter Johannes sein Jura-Studium nächstes Jahr fertig haben würde. Ich erzählte was ich und Lieschen in England erlebt hatten auch das mit den explodierten Wasserhahn, das ich im Grunde jetzt eher komisch als seltsam fand, als ich aber dann zum Vorfall mit der Walpurgisnacht kam, hatte ich zu spät gemerkt, dass ich mich verblabbert hatte, als ich die verdutzten und beinah entsetzten Blicke meiner Mutter und meiner Großmutter sah. „Was?! Ihr seid in die Fänge von Menschenhändlern geraten?!“ Mama war deutlich erschüttert. „Ja, aber Agni und Prinz Soma haben uns gerettet, weil sie uns hinterher geschlichen sind. Wir haben nicht mal nen Kratzer bekommen.“ „Dann bin ich beruhig….“ „Wie bitte?“, fragte nun meine Großmutter. „Ihr habt Albträume gehabt die sehr real wirkten und eigenartige Tiere gesehen?“ „Ja… Angeblich soll Agni ein Kreuz in meinem Auge gesehen haben und er und Soma meinten wir hätten geschrien und wie besessen gewirkt.“ Meine Mutter und Großmutter sahen zuerst mich und dann sich gegenseitig an, als ich geendet hatte. "Ähm, Mama, Oma?" "Ich glaube, du und Lieschen habt euer Erbe entdeckt.", sagte Oma bedeutungsvoll. "Erbe? Was?" "Und bei der Sache mit dem Wasserhahn, ich glaube du hast deinen ersten Runenzauber getan." "Runenzauber? Sag mal seh ich aus wie Wodan? Das ist doch unmöglich." "Nun ja, aussehen tust du zwar nicht wie er, aber du hast ein paar seiner Kräfte." Meine Großmutter sah jetzt sehr geheimnisvoll drein. "Was?!" "Mama!", warf jetzt meine Mutter ein. "Bitte, lass es! Sie ist dem nicht gewachsen!" "Martina!", sagte Oma jetzt etwas streng. "Das hast du vor drei Jahren schon mal gesagt! Jetzt ist sie sogar vor dem kaiserlichen Gesetz erwachsen und sie hat bereits gemerkt, dass sie anders ist! Es weiter zu verschweigen hat also keinen Sinn mehr!" Dann wandte sie sich wieder an mich. "Wigburg, du weißt doch noch was Walas sind, oder?" "Ja natürlich Oma. Es sind Zauberinnen und Seherinnen aus dem Norden, wo sie Völvas genannt werden, und teilweise unserer Vorfahren. Einige ihrer Prophezeiungen haben auch die Götter erschüttert. Als ich und Lieschen klein waren hast du von fast nichts anderem geredet." "Und ihr beide habt auch schön fleißig Runen und Runenlieder gelernt." "Ja und haben Oma Inge damit fast zur Weißglut gebracht. Wir würden heidnisches Zeug lernen, sagte sie." "Nun ja, aber Protestanten wurden auch als Heiden bezeichnet als sie auf der Bildfläche auftauchten. Aber ihr beide habt es gelernt, weil es euer Erbe ist. WIR sind nämlich Walas. Und du bist eine ganz besondere Wala, Wigburg." Ich starrte meine Großmutter an. "W... Wir sind Walas?" "Ja...", gab auch meine Mutter zu. “Wir sind Nachkommen einer Blutlinie von Walas, die im Namen Wodans gedient haben. Unsere Aufgabe, und auch die anderer Walas war es, Könige zu wählen und diese mit unserer Macht zu leiten. Nicht jede Wala trägt den Segen eines Gottes aber sie hatte diese Aufgabe. Aslaug Sigurdsdottir zum Beispiel, unterstand keinem Gott und half ihrem Mann, Ragnar Lodbrock, zur Macht. Eigentlich hätten wir es dir und Lieschen zu eurem 16. Geburtstag enthüllen sollen, aber ich… ich hatte zu viel Angst, ob ihr dem gewachsen seid." "War... War Aslaug mit uns verwandt?" "Nein, weil sie nicht den Segen eines Gottes genossen hat. Aber wir, haben den Wodans. Dem König der nordisch-germanischen Götter, Gott der Weisheit, der Magie, des Schicksals, aber auch des Krieges und des Todes." "Ja und was ist denn mit mir? Oma sagte ich sei eine besondere Wala." "Bei deiner Geburt habe ich eine Rune in deinem Auge gesehen. Und, erinnerst du dich noch als diese beiden jungen dich verprügelt und dann vor dir geflohen sind?", fragte mich jetzt Oma. "Ja... Mein Auge hatte sich so warm angefühlt und..." "Geleuchtet? Ich hatte damals gelogen wie ich sagte, ich würde nichts sehen in deinem Auge, um dich nicht noch mehr zu verängstigen. Ich hatte damals klar und deutlich noch die Rune gesehen, bevor sie nach und nach wieder verschwand." "Wigburg...", ergriff nun meine Mutter das Wort und sah aus als wenn es ihr schwer fiel es mir zu sagen.“... Du besitzt das rechte Auge des Gottes Wodan... Es verleiht dir große Macht über die Runen." "Auge... Wodans?..." Dabei fasste ich mir ans Auge. "Ich habe euch beide auch die Geschichte erzählt, wo Wodan eine Wala von den Toten erweckt hatte.“, fuhr Oma fort. "Sie war unsere Stammmutter, die erste Trägerin von Wodans Auge. Ihre Vorhersagen waren so aufsehenerregend, dass selbst die Götter auf sie aufmerksam geworden sind. Wodan stellte sie in seinen Dienst indem er sie Wasser aus dem Brunnen der Weisheit zu trinken gab, was ihr große Weisheit gab, aber auch Hunger nach Wissen. Und als Zeichen ihres Paktes mit Wodan, bekam sie eine Rune in ihr Auge geritzt. Die Rune "As" weil sie vom Asenkönig erwählt wurde." "...und da sie so gute Vorhersagen gemacht hatte, hatte Wodan unsere Stammesmutter später wieder von den Toten erweckt um sie nach Baldurs Alpträumen zu befragen, richtig?" "Ja. Die Kräfte der Walas wurden dann von Generation zu Generation, von der Mutter an die Tochter vererbt, und alle paar Generationen wird eine von uns mit einer Rune im Auge geboren. Welche Rune sie bekam, hing davon ab was das Leben ihr bestimmt hatte. Du bist die amtierende Trägerin mit der Rune "Naud", der Schicksalsrune." "Das war also das schiefe Kreuz von dem Agni erzählt hatte!!!“ „Ja, das war es. „Naud“ sieht ja auch aus wie ein Kreuz mit einem schiefen Querbalken.“ „Lieschen hatte vermutet, dass es „Naud“ oder „Ar“ war. Aber... Was macht eine Wala genau aus? Was sind unsere Fähigkeiten?“, fragte ich nun. "Sie hat die Gabe Runenzauber zu verwenden, allerdings wirkt diese maximal 3 Stunden. Die Trägerin von Wodans Auge kann aber längere Zauber wirken. Angeblich kann sie sogar Tote wieder erwecken, wie einst Wodan. Von einem Fall hab ich gehört, allerdings starb diese Wala als sie ihren König ins Leben zurück gebracht hatte. Sie gab ihr Leben für ihren König. Das war die Bedingung dafür, dass die Trägerin von Wodans Auge sich für ihren König opfert. Natürlich kann das nur eine erfahrene Wala, du bist noch Anfängerin und ich bete darum, dass du dich nicht für deinen Königskandidaten opfern musst." "Wir sind also doch irgendwie Hexen?" "Nein, was einer Hexe am nächsten kommt, ist eine Seidr. Aber diese wählen keine Könige, was unsere Aufgabe ist und haben keine prophetischen Träume. Alle Walas können Visionen aus der Zukunft empfangen, entweder im Schlaf oder unter dem Einfluss betäubender Substanzen. Ich fürchte, das was du und Lisabeth gesehen habt, war eine Vision." Ich schwieg und versuchte mich an die Geräusche zu erinnern, die ich in diesem Augenblick wahrgenommen hatte. Pistolenschuss und klingen einer Klinge gehörten wahrlich nicht zu einem Hirsch und einem Wolf. "Ob... Etwas passieren wird... Was schreckliches?" "Ich fürchte ja, der Hirsch war oft in Visionen das Symbol für den König den man gewählt hat. Den Rest kann ich nicht erklären...", sagte meine Großmutter besorgt. "Weiß du wer es sein könnte? Dein Königskandidat?" "Naja... Soma würde einen guten König abgeben. Seitdem er in England ist, hat er sich gut entwickelt, ist nicht mehr so egozentrisch und verwöhnt. Unseren Kirschmichel zum Beispiel isst er gerne, trotz dass altes Brot drin ist." "Hmmm, ein verwöhnter Prinz der Bescheidenheit gelernt hat... Klingt nicht schlecht...", meinte Mama. „Aber… eines verstehe ich nicht… Wenn ich es von Geburt an hatte, warum ist es mir erst in letzter Zeit aufgefallen?“ „Nun ja, ich vermute es ist Angst.“, sagte meine Mutter. „Da dich die anderen Kinder immer drangsaliert haben, hast du aus Angst dich verstellt und somit deine Kräfte unterdrückt. Das ist wohl immer ausgebrochen wenn du wütend oder aufgeregt warst.“ „Stimmt, der Vorfall mit Sahra, am Tag bevor sie… Das hatte sie, wie Jungen für den bösen Blick gehalten.“ „Etwas muss deine Angst gelöst haben, so dass es wieder zum Vorschein kommt. Aber du musst trotzdem lernen deine Kräfte zu kontrollieren!“ „Ja, ist mir klar. Ich glaube ich weiß auch was meine Angst gelöst hatte…“ Beim letzten Teil des Satzes hatte ich verträumt die Lautstärke meiner Stimme gesenkt. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir doch noch mal einen König wählen würden. Ich hab sogar gedacht Wodan hätte uns vergessen und wir würden aussterben. Aber offenbar hat er Großes vor.", sagte Oma euphorisch. "Mama, das können wir nicht wissen, aber alleine, dass eine neue Trägerin geboren wurde, zeigt doch, dass Wodan uns nicht vergessen hat. Und so schnell sterben wir nicht aus!", sagte meine Mutter streng. "Ich habe was ähnliches wie Agni...", flüsterte ich mit glühenden Wangen. Darauf wurde meine Mutter aufmerksam. "Was? Was hast du ähnliches, Schnakenhälschen?" Dabei lächelte sie verschmitzt. "Du, Mama... Der indische Butler hat was Ähnliches wie ich! Mit der rechten Hand Kalis ist er unglaublich stark und präzise! Seine Gewürzmischungen sind einmalig!" "Hmm... Stammt er aus einer ähnlichen Blutlinie wie wir?", meinte Oma nachdenklich, während meine Mutter ein fröhliches Lächeln trug. "Ähm... Das weiß ich nicht..." "Hast du ihm mal gefragt?" "Ja schon... Irgendwie, aber wie ich ihn gefragt hatte, was er gemacht hatte bevor er in Somas Dienste ging oder ob er Geschwister hat, da weicht er mir immer aus und wechselt das Thema." "Du weißt also gar nichts von ihm?", fragte nun meine Mutter, doch etwas besorgt. "Doch ich kenne ihn!!!!", widersprach ich. "Er ist warmherzig, gütig und würde niemals jemanden wehtun! Nicht nur seinen Herrn, sondern auch mich hatte er oft genug beschützt! Agni ist ein wunderbarer Mann, den man völlig vertrauen kann!" Mama lächelte wieder. "Du bist in ihn verliebt, oder?" "Ähm... Ja..." "So wie deine Augen das letzte Mal geleuchtet haben, hattest du von Timtheus geschwärmt, weißt du noch? Der Neffe vom Bürgermeister." "Timtheus? Ach der!!! Den hab ich völlig vergessen!" Meine Mutter lachte dann fröhlich. "Das ist wohl wahre Liebe, wenn dieser Mann dir Timtheus aus dem Kopf vertreiben konnte. Also gut... Ich würde gern ihn und seinen Herrn kennenlernen, die beiden Männer die meine Töchter vor Menschenhändlern gerettet haben. Und ich möchte auch gerne wissen wie euer Königskandidat ist." "Gerne Mama, Lieschen würde dir Soma vorstellen, sie liebt ihn wie ich Agni liebe." "Hihi, der Klassiker, die Wala verliebt sich in ihren eigenen Königskandidaten.", meinte Oma. „Oma…“,sagte ich etwas herausfordernd. „…Sowohl ich als auch jede weibliche Verwandte von uns sind Walas und können Runenzauber benutzen, richtig?“ „Ja, meine Großmutter, Mutter aber auch meine Schwester konnten es, ebenso deine Mutter und deine Tanten und Basen. Später auch deine Töchter und Nichten und deren Töchter, wenn ihr lernt und trainiert.“ „Kannst du mir eine Kostprobe geben, liebstes Omchen?“ Oma lächelte verschmitzt, wie ich es von ihr kannte. „Meinetwegen, schau!!“ Sie deutete auf die Tasse, aus der sie grad Kaffee getrunken hatte. Dann zeichnete sie mit dem Finger eine Rune drauf, die an ein „F“ erinnerte. „Vergolde dich, FE!“ Und die Tasse glänzte wie Gold. Ich staunte. „Wahnsinn!!!!“ „Du übertreibst mal wieder, Mama!“, lachte meine Mutter. „Ach was, in drei Stunden sieht die Tasse wieder normal aus.“ „Ich will es auch versuchen!!!“ Und schnappte meine Tasse, zeichnete die Rune „Fe“ drauf und wiederholte: „Vergolde dich, FE!!“ Nichts passierte. „Du bist noch Anfängerin. Für den Anfang sagst du den passenden Runenvers dazu. Allerdings gibt es Unterschiede ob du isländische oder norwegische Verse verwendest. Wenn du isländische Verse verwendest, sind die Zauber gezielter, kosten aber mehr deiner Lebensenergie.“ „Was? Lebensenergie?“ „Von nichts, kommt nichts, das habe ich euch auch beigebracht!“, sagte Oma. „Einige Zauber wie für „Kaun“, „As“ oder „Madur“ verbrauchen besonders viel Energie. Verbrauchst du alle Energie in dir, hast du nicht mal mehr Kraft um deinen letzten Atemzug zu machen.“ „Verstehe… also isländische Verse bringen höhere Präzision aber höherer Energieaufwand…“ „…Und norwegische weniger Aufwand, dafür weniger Präzision, wie bei der Sache mit dem Wasserhahn. Aber vielleicht entwickelt es sich mit den kommenden Generationen.“ „Ok… Verstanden. Nochmal…“ Nun malte ich wieder die Rune auf die Tasse und sprach: „Es ist der Freunde Zwist und Feuer der Meere und des Lindwurms Lager. Vergolde dich, FE!!“ Und tatsächlich!!! Die Tasse wurde golden, aber auch der Kaffee und die Untertasse!!! „Hoppla!“ „Ach herrje! Schnakenhälschen… das war zuviel des guten…“, meinte meine Mutter aber mit deutlichem Stolz im Gesicht. „Wie gesagt, du hast zwar Wodans Auge, musst aber trotzdem deine Kräfte beherrschen lernen.“, sagte Oma. „Versuch es rückgängig zu machen, mit derselben Rune.“ Zum Glück gelang es mir, aber dann spürte ich ein Sausen im Ohr. „Was hab ich auf einmal?“ „Das war genug für heute! Noch mehr und du wirst ohnmächtig. Aber das kannst du wie gesagt trainieren, wie Muskeln. Deswegen wurden wir früher gejagt und gefürchtet. Man wollte uns entweder benutzten oder vernichten. Das ist zum Glück heutzutage anders.“ „Ok, verstehe… Und der Beruf des Kräuterweibes war Tarnung… aber ich werde Üben und Lieschen zum Training bringen!“ „Sehr gut, Wigburg…“ Da klingelte es an der Tür und meine Mutter ging dahin. „Frau Schmidt?“ „Ah, Frau Herman!“ Es war die etwas sehr neugierige Nachbarin. „Ich wollte nur ihnen Kuchen vorbeibringen, vielleicht auch eine Tasse Kaffee mit ihnen zu ihren Geburtstag trinken.“ „Nein danke, und ich habe es ihnen gesagt, dass ich wieder Smets heiße!“ „hmmm na, „was Gott zusammen bringt, soll der Mensch nicht trennen.“ Ich glaube fest daran dass Sie und ihr Mann wieder zusammen kommen, ihre Töchter brauchen ihren Vater, sonst tanzen sie ihren späteren Ehemännern auf den Nasen rum!“ „Sagen sie, das den Witwen mit Töchtern und den Teufel werde ich tun und mit diesem Wendehals von Mann wieder zusammenkommen!“ „Sie sind aber seine Ehefrau…“ „GEWESEN!!!“ Mama wurde wütend. „Naja… ich wollte sagen, dass ich Gerüchte gehört habe dass ihr Mann in der Gegend ist. Vielleicht ergibt sich ein Gespräch…“ „Ich sehe es nicht ein dass ich mein Versprechen ihm gegenüber einhalte, während er seines kackendreist bricht! Zu einer guten Ehe gehören zwei! Und beide müssen diese Ehe erhalten!“ „Naja… Männer haben Schwächen…“ „Ein guter Mensch beherrscht seine Schwächen, das gilt für Männer und Frauen!! Und jetzt verschwinden Sie!!!“ Dabei hielt sie abweisend die Hand entgegen und Frau Schmidt erzitterte. „Frau… Herman…“ „Verschwinden sie!“ Sie ließ den Kuchen fallen und rannte davon. Oma trat zu ihr. „Du hast die Rune „Thurs“ an ihr verwendet, Martina!“ „Ja… Diese Frau geht mir seit Ewigkeiten auf den Geist“ „Wir Walas verwenden nicht unsere Kräfte für persönliche Zwecke!!! Hast du das vergessen?!“ Ich hatte nur zugehört und war erschüttert. „Thurs?“ „Diese Rune weckt Angst im Herzen, vermutlich weil man dadurch wie ein Riese wirkt.“ „Verstehe… Aber was hat Papa in der Gegend zu suchen? Hast du nicht im letzten Brief erwähnt dass er nun in Köln arbeitet?“ „Ich weiß es auch nicht… Aber es ist ein Gerücht.“, sagte Mama seufzend und setzte sich wieder an den Tisch. „Oma, erzähl mal, was für Wirkung jede Rune hat.“ „Na gut, gerne. Vielleicht fallen dir mehr Kombinationen ein als mir in deinem Alter.“ Und so verbrachten wir die nächsten 4 Stunden mit reden über Runenzauber und deren Wirkung und Kombinationen. „… Und „Kaun“ und „Sol“ ergeben Feuer!“ „Ja, Wigburg! Sehr gut! Das mit dem bösen Doppelgänger hätte ich nicht erdacht!“, sagte Oma amüsiert. „Oh ja, das wäre was für Streiche.“ „Vergiss nicht!!! Nicht für persönliche Zwecke verwenden!“ „Och Oma… nur ein kleiner Spaß…“ „Wann musst du wieder zu dem Earl, Wigburg?“, fragte Mama. „Um sieben wollte sein Butler Sebastian mich auf dem Marktplatz abholen.“ „Es ist schon halb sieben, du solltest dich besser auf den Weg machen!“, mahnte Mama. „Och schade… ich wäre gerne länger geblieben.“ „Geh schon… schließlich wartet Lieschen in England auf dich.“, sagte Mama. „Stimmt! Ich bestelle schöne Grüße von euch beiden.“ „Mach das und vergiss nicht: Offenbare Lisabeth euer Erbe und passt ihr beide auf euren Königskandidaten auf!“ „Mach ich Omi.“ Da war ich nun auf dem Marktplatz, grad wollte, um mir die Zeit totzuschlagen, ich eine Tüte Kirschen kaufen als ich meinen Namen hörte. "Wigburg?!" Ich kannte die Stimme sehr gut und drehte mit großen Augen mich um. Der blonde Mann mit backen- und Schnurrbart und einer Andeutung einer Glatze hatte dieselben himmelblauen Augen wie Lisabeth. "Papa! Was machst du denn hier? Mama sagte du arbeitest in Köln." Ehe ich eine Antwort bekam drückte mein Vater mich eng an sich und knuddelte mich vor allen Leuten. "Papa!!" "Ach Engelchen!!! Endlich sehe ich dich wieder!!! Du hast mir noch gar nicht geschrieben! Ich hab überhaupt nicht mit dir gerechnet, ich dachte ihr kämt später nach Hause! Hätte ich das gewusst hätte ich zu meiner Reise noch ein paar Tage frei genommen, ich bin nämlich geschäftlich in der Gegend. Wie schön, dass ihr wieder da seid!" "Papa! Nur ich bin nach Deutschland gekommen. Der junge Herr hatte hier einen Auftrag im Namen von Queen Victoria machen müssen." Sofort ließ er mich los und guckte mich etwas verwirrt an. "Ach wirklich?" "Ja. Ich bin hier in Birrekopp, nur weil wir in Marburg Station gemacht haben, wegen der Gesundheit einer unserer Mitreisenden und weil Mama Geburtstag hat." "Ach so, na das ist ja nett von dem Earl dir frei zu geben. Aber egal, lass dich mal anschauen! Dünn bist du geworden! Gibt man dir und Lieschen nicht genug zu essen?!!" "Nein Papa, Im Gegenteil. Wäre die körperliche Arbeit im Haus nicht da, würden Lieschen und ich wegen der Kochkünste von Sebastian und Agni..." Ich stockte weil mir was Wichtiges einfiel. "Ach so... Na wenn das so ist dann ist es ja doch gut. Aber du musst doch wieder was auf die Rippen kriegen! Komm gehen wir ins Kaffeehaus, ich gebe dir ordentlich Kuchen und Kaffee aus." "Mir wäre Tee lieber... und ich hatte schon Kuchen bei Mama…" Aber wirklich, seit ich in England war, trank ich eher Tee als Kaffee. Zum Glück hatte das Kaffeehaus schwarzen Tee im Angebot, nur leider nicht von so hoher Qualität wie in England. "Nun Engelchen, erzähl mir mal was du und Lieschen erlebt habt. Und wie es in England so ist." Und ich begann dann zu erzählen, auch wenn ich den größten Teil meiner Erzählung in meinen Briefen geschrieben hatte. Nur mit der Walpurgisnacht erzählte ich nicht, Papa hätte sich dann nur wieder mal unnötig aufgeregt. "Ohhh!!!! Ihr habt wirklich die Königin in Fleisch und Blut gesehen?! Und einen echten orientalischen Prinzen habt ihr im Hause?", fragte Papa nun, wodurch ich den Eindruck bekam, dass er unsere Briefe wohl nicht gelesen hatte. "Ja und er ist mein und Lieschens bester Freund. Wir haben ihn schon dazu gebracht Kirschmichel zu essen und er hatte ein beinah essbares Brot selbst gebacken." Bei der letzten Sache musste ich kichern, weil Soma Stärke anstatt Mehl verwendet hatte und er am Ende total mit dem klebrigen Teig zugekleistert war. Zum Glück war Agni an dem Tag nicht im Haus, sondern sollte mit Sebastian was in der Stadt besorgen, der hätte ein großes trara gemacht. "Ach wirklich, na sowas. Ihr seid ja immer noch so kleine Wirbelwinde wie daheim! Am Ende wäscht der Prinz ja noch seine eigene Wäsche alleine, wenn ihr ihn so weiter behandelt." "Hihi, keine Sorge, das würde sein Butler nicht zulassen." Da musste ich mein Lächeln doch wieder zurück nehmen, als ich an Agni dachte und dabei meinen Vater ansah. Ich musste es tun! Ihn seine Hochzeitspläne ausreden. Für Lieschen, für Agni und für Soma. Wie genau wusste ich immer noch nicht, aber ich dachte an die Kraft in meinem Auge, und wollte mich auf meinen Instinkt verlassen. "Ähm Papa..." "Ja, Engelchen?" "Du... Ähm... Hast Freier für mich und Lieschen gefunden oder...?" "Ja das hab ich und ich bin mir sicher ihr vier werdet euch prächtig verstehen! Dieses Mal hab ich die Jungs besonders sorgfältig ausgesucht. Der eine hat sogar dunkle Haare, solche Männer magst du doch besonders gerne..." "Papa, es ist so... Nun ja... Lieschen und ich... Wir beide haben je jemanden kennen gelernt..." "Wie bitte?!", mein Vater starrte mich an. "Zwei wunderbare Männer... Ehrlich und freundlich... Wir..." "Haben etwa..." Papa war von seinem Stuhl aufgesprungen. "Haben etwa zwei englische Gentlemen euch den Hof gemacht?!", fragte er mit freudigem Glänzen in den Augen. "Ähhhh... Nicht ganz... Aber wir verstehen uns echt gut... Es ist so..." "Sind die beiden adelig?!" Mein Vater geriet fast in Euphorie. "Ähm... Ja..." Was redete ich da?! Nur Soma ist adelig! Doch schon machte mein Vater ein Freudentänzchen bevor er mich wieder an sich drückte. "Das sind ja tolle Neuigkeiten!!! Ohhh, Wiebchen, Wiebchen, Wiebchen, ich kann dir gar nicht sagen wie glücklich mich das macht! Ich freue mich so sehr für dich und Lieschen! Du musst mich unbedingt den beiden mal vorstellen! Ich will gerne die Burschen kennen lernen, die um die Hände meiner über alles geliebten Töchter anhalten!" "Heißt das, wir werden nicht heiraten?“ "Aber Engelchen, wenn du schon jemanden kennen gelernt hast, der dir auf Anhieb gefällt, werde ich dich doch nicht in etwas hinein zwingen, was du nicht willst! Die beiden Jungs die ich ausgesucht habe werden es verstehen, mach dir keine Gedanken darum, aber stelle mich doch bei Gelegenheit den beiden vor." "Ähm... OK, Papa... " Nur wird er nicht wirklich glücklich darüber sein, dachte ich mir. Es würden zwei Inder sein und einer ist nicht vom adeligen Stand. Lieschen würde nur hoffen können Somas Frau zu werden, sie könnte besten falls seine Kurtisane werden. Agni würde mich schon ernähren können aber er ist nur ein Diener. Papa würde nicht glücklich sein, aber zumindest hab ich diese ungewollte Hochzeit verhindert. Doch dann sah ich eine Kutsche vor der Haustür und ein schwarzhaariger junger Mann stieg aus. "Oh!! Da ist Sebastian!", sagte ich leise. Nur leider haben Papas Rhabarber-Ohren das mitgekriegt und er wandte den Kopf. "Ohhhh... Was ist das denn für einer?", fragte er beeindruckt. "Ich geh kurz auf die Toilette, er ist gekommen um mich abzuholen." Und ich verschwand. Dagegen ging mein Vater nach draußen, schnurstracks auf Sebastian zu, um ihn wie irrer die Hand zu schütteln. Sebastian sah nur verdattert den blonden Mann mittleren Alters mit Freudentränen in den Augen an, während dieser beim Händeschütteln mit sehr gebrochenen Englisch auf ihn einredete. "Mein Herr...", sagte Sebastian höflich mit akzentfreiem Deutsch, aber mit deutlichem Spott im Gesicht. "Sie können ruhig in ihrer Muttersprache mit mir reden, geben sie sich nicht die Mühe..." "Sie sprechen auch deutsch?! Oh Mann, das freut mich! Junger Mann, sie sind wahrlich ein Mann von Stand, das sieht man ihnen auch an, kein Wunder, dass meine Tochter in sie vernarrt ist!" "Ihre Tochter? Sie sind doch nicht etwa Peter Wolfgang Adolf Herman?" "Ganz recht mein Junge! Wigburg, meine älteste hat davon geredet, dass sie und meine jüngere Tochter sich zwei ehrenwerten Gentlemen versprochen haben. Sie... Entschuldigen Sie, ihr Name ist mir entfallen..." "Sebastian Michaelis, das ist mein Name mit dem mein Herr mich ruft." "Ihr Herr? Ah, bestimmt sind sie Fürst im Gebiet eines Herzogs! Michaelis, das ist ein echt edler Name, mich würde es ehren wenn mein Fleisch und Blut ihn bald tragen würde! Sie und Wigburg, ihr beide habt meinen Segen und ich bitte, dass Sie gut mit meiner Tochter umgehen. Ich habe einige Dinge getan auf die ich nicht stolz bin und ich will daher, dass meine Töchter es später besser haben als jetzt. Versprechen sie mir, dass sie gut für meine Tochter sorgen? " Über Sebastians Gesicht huschte ein teuflisches Lächeln. "Keine Sorge, ich werde ihre wertvolle Tochter hüten wie meinen Augapfel." "Danke mein Junge." Schließlich kam ich wieder und ich verabschiedete mich von meinem Vater, bevor ich zu Sebastian in die Kutsche stieg. "Dieser närrische und oberflächliche Mensch. Er sieht nur das, was er sehen will. Das einzige gute was er wohl vollbracht hat ist, die Trägerin von Wodans Auge zu zeugen und groß zu ziehen. Aber ich werde mich gut um seine Tochter kümmern, sogar um beide." „Und Wigburg… Hast du den Tag mit deinen Eltern genossen?“, fragte mich Sebastian als wir losfuhren. „Ähm… ja, es war toll. Und recht lustig. Ich hab sie so vermisst… Schade dass Lieschen nicht dabei war…“ „Ja wirklich schade… Lisabeth hätte mit dir, deiner Mutter und Großmutter bestimmt viel zu plaudern gehabt, nicht wahr.“ Dabei legte er den Arm um mich und sah mir tief in die Augen. Woher wusste er dass ich mit Oma geredet hatte? Doch plötzlich spürte ich wieder einmal dieses Ziehen im Herzen. Ich glaubte sogar, keine Luft mehr zu bekommen. „Ihr habt bestimmt ein sehr tiefes Familiengespräch geführt, nicht wahr? Hast du eventuell neue Talente entdeckt, Wildröschen?“ „Se…bastian… Was, zum Geier bis...“ Dann schwand alles um mich… Es war wieder ein normaler Tag, der zu Ende ging. Allerdings fürchtete Agni sich wieder vorm Schlafen. Immer wieder hatte er diese seltsamen Träume wo er mich, nackt und mit süßen Worten flüsternd, bei sich hatte. Ihm graute es fast davor von mir im Traum geküsst zu werden. So war es aber auch diese Nacht. Er träumte, ich umarme ihn von hinten und würde mit weichen Lippen seinen Hals und Schultern küssen. Agni kniff dabei die Augen fest zu und versuchte sich im Griff zu halten. Er spürte auch meine Brüste auf der Haut seines Rückens. „Bitte, lass mich…“, sagte er mit zitternder Stimme. „Warum? Das wünscht du dir doch, oder?“ „…Irgendwie… aber ich darf nicht, du gehörst bald einem anderen…“ „Ist das der einzigste Grund?“ „Ich… will… ich will auch nicht dich anlügen… oder dass du mich für die Wahrheit hasst…“ „Ob ich dich hasse oder nicht, entscheide ich… und ich werde die Wahrheit herausfinden… Auf der Schwelle des Todes…“ Irritiert von dieser Aussage, wandte er den Kopf aber… Agni erwachte und starrte in das Dunkle. „Ich muss auf andere Gedanken kommen… Warum muss Wigburg auch mit solchem Liebreiz gesegnet worden sein? Lakshmi hatte es zu gut gemeint bei ihr…“ Er zog sich an, hing sich den Mantel um und ging raus, ohne dass sein Herr oder Lisabeth was merkte. Die kühle Luft der Nacht vertrieb ein wenig seinen Gedanken. Ziellos wandert Agni durch die Straßen Londons und landete im Eastend. Er erinnerte sich noch gut, vor einem halben Jahr war er mit seinem Herrn zum ersten Mal Ciel und Sebastian begegnet. Zwei Tage später waren er und Soma auch mir und Lisabeth… Agni ärgerte sich etwas weil er wieder mich in seinen Gedanken hatte. Er seufzte traurig und überlegte zurück zu gehen. Das sah er jemanden an der Straßenlaterne vorbei huschen. Er konnte nur erkennen, dass es eine Frau mit langem, braunem Haar war. „Wigburg?“, dachte er sich und ging hinterher, obwohl er wusste dass es unmöglich ich sein konnte. Er erreichte sie und fasste sie sacht von hinten an der Schulter. „EY!!! Pfoten weg, du…!“ Beinahe hatte die Frau ihm eine geknallt, hätte Agni nicht rechtzeitig den Kopf weggezogen. „Oh Verzeihung, Miss! Ich wollte Sie nicht belästigen…“ „He, eine ganz originelle Ausrede. Und warum hast du es doch getan?!“, fragte sie zickig. Agni hatte aber genug Zeit, die Frau näher zu betrachten. Sie war stark geschminkt, hatte eingefallene Augen und Wangen, aber trug sehr offenherzige Kleidung. Ganz offensichtlich hatte er eine Prostituierte vor sich, die, wie auch andere arme Frauen, ihrem Geschäft im Eastend nachging. „Ähm… für einen Augenblick haben Sie mich an jemanden erinnert.“ „Hmmm, an die Lady bei der du wohnst und auf die du stehst?“, fragte sie nun spöttisch lächelnd. „Nein! Ühm… an eine sehr liebe Freundin von mir. Momentan ist sie im Ausland…“ „Und du fühlst dich einsam?“, löcherte sie ihn weiter und strich mit dem Finger sacht über seine Brust. Agni biss sich auf die Lippe und versuchte nicht in ihren Ausschnitt zu starren. „N…Nein… Ich wollte nur auf andere Gedanken kommen… Und ich konnte vorhin nicht schlafen…“ „Vielleicht kann ich dir dabei helfen, dich auf andere Gedanken zu bringen…“ Dabei kam sie noch ein Stückchen näher. Agni fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. „N…n…nein danke… Ich sollte lieber wieder heimgehen.“ Er wollte sich schon umdrehen aber sie hielt ihn an der Schulter fest. „Warum denn? Ich seh es dir doch an, dass dich was bedrückt. Bestimmt verspricht dir diese Freundin als was und lässt dich zappeln, das wird aber heute ein Ende haben. Normalerweise bediene ich keine Inder, aber da du so nett zu mir bist, mach ich bei dir eine Ausnahme.“ „Aber… ich hab kein Geld dabei…“ „Du kannst auch morgen zahlen. Aber vergiss es nicht, sonst verpetzt ich dich an Scotland Yard!“ Und die Prostituierte lenkte ihre Schritte die Straße hinunter. Agni zögerte und sah ihr nach. Er dachte nach. War das ne gute Idee? Würde es ihm wirklich helfen etwas „Dampf abzulassen“? „Vielleicht hilft es mir wirklich auf andere Gedanken zu kommen, auch wenn das da eine schmutzige Dirne ist! Anders als sie…“ Sie erreichten die Wohnung der Prostituierten, die nur aus einem Zimmer mit einem Waschbecken, Tisch, Stuhl und einem Bett in der Mitte ausgestattet war. Sie zog ihr Schulter Tuch ab und begann sich auszuziehen. Etwas zögerlich zog sich auch Agni seinen Umhang, Turban und Schärpen aus. Wie er sie dann sah, nur noch bekleidet in Mieder und Unterrock, war Agni wieder als ob ich es wäre, die da so vor ihm stand. Seufzend nahm er sie rücklings in den Arm und kuschelte sich an sie. „Oh, hey! Nicht so schnell!! Du musst aber sehr ausgehungert sein.“ „Verzeihung… es ist wirklich lange her, dass ich eine Frau hatte und…“ „Hast du etwa an sie gedacht? Vergiss sie mal und entspann dich…“ Und sie begann seinen Sherwani auf zu knöpfen. Wie sie das Kleidungstück von seinen Schultern strich, betrachtet sie seinen Oberkörper. „Ohh… siehst gar nicht so übel aus… Die Kleine hat keine Ahnung was sie verpasst…“, sagte die Prostituierte während sie über Agnis Brust streichelte. Dieser fühlte sich allerdings nicht besser. „Ich… ich glaube, ich kann das nicht!“ Er schob sie sacht von sich weg. „Ich kann das nicht. Das fühlt sich falsch an. Als… als ob ich sie betrügen würde…“ Daraufhin lachte sie. „Hahahahaha!!!! Das hatte ich eher von hässlichen Männern gehört! Mann, vergiss sie doch! Diese Schnepfe die nur dir was vormacht, ist es nicht wert! Sie spielt nur mit di…!“ Da war Agni so wütend geworden, dass er ihr ins Gesicht schlug. „Dreckige Hure!!! Du weißt absolut gar nichts über Wigburg!!! Niemals hatte sie mir irgendwas versprochen oder mich mit Absicht gereizt! Sie ist keine der Sorte Frauen, die mit Männern spielen!!“ Er hatte sich nun nicht mehr im Griff und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. „Die Unschuld eines Kindes und die Weisheit eines alten Mannes, zusammen im reinen, unberührten Körper einer jungen Frau…Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen sie ist eine der lieblichen Apsaras, vom Gott Indra zu den Menschen gesandt und ich darf diese Ehre haben, dass sie mich ihren Freund und Lehrer nennt. Wenn sie mich immer ansieht mit diesen sanften, verträumten, grünen Augen, ist es wie der Schein des Abendsterns, der die Schrecken der Nacht besänftigt…“ Mit Erstaunen hatte die Prostituierte dem zugehört. „Oh… Oh, ich verstehe… Du bist nicht einfach nur scharf auf sie und sie ist wohl wirklich ehrlich mit dir. Du bist wohl wirklich in sie verliebt.“ Sie hatte genau das ausgesprochen, was Agni sich niemals zugestanden hatte. Er vergrub das Gesicht in seinen Händen und wimmerte. Der Gesichtsausdruck der Prostituierten wurde weich und mitleidsvoll. „Das habe ich zwar selten gehört, aber hier spricht ein Mann mit seinem Herz und nicht mit seinem…“ „Bei allen Göttern! Ich wollte doch niemals so weit gehen und mich in sie verlieben!!“ „Was ist denn so schlimm daran? Das was du gesagt hast klingt doch gut. Ich finde du solltest es ihr sagen.“ „Das könnte ich… aber dann müsste ich ihr von meiner Vergangenheit erzählen und dafür würde sie mich bestimmt hassen, weil sie unter ähnlichen Leuten wie mir gelitten hatte. Und vor ihrem Hass habe ich mehr Angst als vor dem Tod. Und selbst wenn, es ist zu spät… Ihr Vater hat die Hochzeit von ihr und ihrer Schwester geplant…“ „Oh… Das ist besonders hart. Aber ich finde trotzdem du solltest mit ihr reden, noch ist es nicht zu spät. Sag es ihr, vielleicht liebt sie dich auch…“ „Sie verdient jemanden besseren, der nicht in seiner Vergangenheit Menschen verletzt und über die Götter gelästert hatte… Ich will nur, dass sie glücklich wird. Ich danke dir trotzdem für deine Hilfe. Gute Nacht…“ Nachdem er sich wieder alles angezogen hatte kehrte Agni zurück zur Villa. …Schmerzensschreie hallten an den Wänden wider. Meine Schreie! An den Handgelenken gefesselt und nackt hing ich knapp über den Boden, während Eiszapfen sich unterhalb meiner Rippen sich in mich bohrten. Warmes Blut! Mein Blut, es floss an meinen Seiten entlang und färbte das Eis unter meinen Füßen rot. Ich hing in einer Eishöhle, schwarzer Nebel hing in der Luft, wie ein Schleier. Auch wenn niemand anders da war, spürte ich Blicke auf mir. „Du hast dich von mir abgewendet! Wolltest du etwa vor mir fliehen, Menschenkind?“ „Fliehen? Wovor? Ich habe nichts Unrechtes getan!“ „Du wolltest dich meinem Band entwinden, dabei war ich es der dich erkannt hat. Ich war es der eure wahre Bestimmung erkannt hatte!“ „Wahre Bestimmung? Nein… Du…“ Ich stockte erschrocken. „Egal wie du es herausgefunden hast, die Macht meines Auges gehört nur meinem König!!“ Ein diabolisches Lachen ertönte, das durch das Echo noch grauenhafter klang. „Bist du dir sicher? Du hast deine Wahl getroffen? Nun, ich bin mir nicht sicher ob es deiner Schwester gut tun wird…“ Dann hörte ich Lieschen weinen. „Du Bastard!!! Lass sie aus dem Spiel! Du willst nur mein Auge, stimmts!!?“ „Allein deine Abstammung hat mir gereicht. Aber nun… Bedenke deine Wahl, Wodans Magd! Oder lass deine Schwester weiter leiden!“ „Lass Lieschen da raus!!!“ Mein Auge leuchtete und Bilder und Töne schossen mir durch den Sinn. Nach einem erneuten Aufschrei durch Schmerzen, verursacht durch die Eisdornen, bäumte ich mich unwillkürlich auf und sprach mit verzerrter Stimme: „Sobald das Opfer zurückkehrt und die Wahrheit zur Lüge macht, wird der Tod überlistet und ein Büßer gerettet. Sobald ein neuer Stern am östlichen Horizont geboren wird und ein neuer Baum wächst, geht mein König der neuen Zeit entgegen. Der Mond gewinnt die Krone für sich!“ Ein Beben durch zog die Eishöhle, Eis bricht von der Decke, meinem Mund entwich ein eigenartiger, durchdringender, tiefer Ton und ich erwachte grad als, ich mit Sebastian in der Kutsche unser Gasthaus in Marburg erreichte. …Schmerzensschreie hallten an den Wänden wider. Lisabeths Schreie! An Hand- und Fußgelenken nackt und kniend, am Boden gekettet, der aus schroffen Vulkanstein bestand, genau wie die Höhle in der sie sich befindet. Sie fühlt wie kochend heißes Wasser auf ihr nieder prasselt und ihre Knie waren aufgescheuert. Das waren unerträgliche Schmerzen und sie weinte bitterlich. „Hör bitte auf!! Warum tust du mir das jede Nacht an…“ „Du hast dich von mir abgewendet! Wolltest du etwa vor mir fliehen, Menschenkind?“, antwortete eine körperlose Stimme. „Ich… ich wollte nicht fliehen, warum sollte ich denn? Ich hab doch nichts getan…“ „Du wolltest dich meinem Band entwinden, dabei war ich es der dich erkannt hat. Ich war es der eure wahre Bestimmung erkannt hatte!“ „Welche Bestimmung? Ich weiß nicht wovon du redest, wirklich nicht!!“ „Bist du dir sicher? Du hast deine Wahl getroffen? Nun, ich bin mir nicht sicher ob es deiner Schwester gut tun wird…“ „Was?!! Lass Wigburg in Ruhe!!! Bitte tu ihr nichts!!“ „Allein deine Abstammung hat mir gereicht. Aber nun… Bedenke deine Wahl, Wodans Magd! Oder lass deine Schwester weiter leiden!“ Doch dann wurde ihr Blick leer und sie sah verschwommene Bilder und hörte eigenartige Töne. „Sobald das Opfer zurückkehrt und die Wahrheit zur Lüge macht, wird der Tod überlistet und ein Büßer gerettet. Sobald ein neuer Stern am östlichen Horizont geboren wird und ein neuer Baum wächst, geht mein König der neuen Zeit entgegen. Der Mond gewinnt die Krone für sich!“ Dann hörte sie einen eigenartigen, durchdringenden, tiefen Ton der die Höhle erzittern lässt. „Hilfe! Ich hab Angst!“ Lisabeth war aber als ob das heiße Wasser nachließ und als ob sie jemand umarmt. In englischer Sprache mit rollenden und babbelnden Akzent hörte sie: „Weine nicht mein Lieschen… Ich bin für dich da und werde dich immer trösten…“ Die Höhle und der grauenhafte Traum löste sich auf, bevor Lisabeth in einen traumlosen aber erholsamen Schlaf rüber gleitet… Am nächsten Morgen, war Agni wie immer sehr früh wach. Ein Bote war mit einem Telegramm von jungen Herrn gekommen das verkündete, dass er in zwei Tagen zurück sei, mit zwei Gästen aus Deutschland. Als er aber dann in die Küche wollte um das Frühstück vorzubereiten, sah er wie sein Herr vor Müdigkeit gähnend aus der Richtung der Bedienstetenunterkunft schlich. „Prinz Soma?“ „Ups! Agni!“ Soma war recht erschrocken. „Was macht Ihr hier?“ Dann ging Agni ein Licht auf. „Habt Ihr etwa bei Elisabeth übernachtet?!“ „Hmm…mmmja… aber auch nur weil ich sie im Schlaf weinen gehört hatte!!!“ „Was? Sie hat geweint? Hatte das Euch geweckt?“ „Ne, ich war durstig und wollte nach dir rufen, aber du warst nicht da.“ Das war Agni peinlich, weil er wegen seinem gestrigem Nachtspaziergang nicht an so eine Gefälligkeit gedacht hatte. „Oh! Verzeiht, mein Prinz!!! Ich konnte gestern nicht schlafen und war etwas spazieren…“ „Das ist jetzt unwichtig…“ Von der Antwort war Agni überrascht. „Ich wollte selber in die Küche gehen um etwas Wasser zu trinken, da hörte ich Lisabeth wimmern. Und sah nach ihr. Mein armes Lieschen… Es hatte mir sehr wehgetan sie weinen zu sehen. Also hatte ich mich zu ihr gelegt und sie in den Arm genommen um sie zu trösten. Es hat geholfen, sie hatte nicht mehr geweint und sie schlief ruhig. Ich wollte bei ihr bleiben bis zum Morgen, damit sie keine Alpträume mehr hat.“ „Da ist was dran… seit Wigburg mir Earl Ciel England verlassen hat, hat Elisabeth immer wieder Alpträume.“ „So sehr vermisst sie ihre Schwester? Warum hat Ciel sie nicht mitgenommen?!“ „Weil er nicht nachempfinden kann, wie tief Geschwisterliebe ist, er hat ja keine Geschwister.“ „Nein, aber trotzdem!! Und außerdem, wollte ich auch Deutschland sehen!!!“ „Ärgert Euch nicht Prinz.“, versuchte Agni seinen Herrn zu beruhigen. „Legt Euch besser wieder zu Bett, ich werde später das Frühstück Euch bringen.“ „Nein, ich werde nicht wieder ins Bett gehen, aber lassen wir Lisabeth noch etwas schlafen. Und ICH bring ihr das Frühstück!! Sie muss sich gut ausruhen und wieder zu Kräften kommen!“ „Ganz wie ihr wünscht, Prinz.“, lächelte Agni gerührt und hatte vorerst das Telegramm vergessen. Aber zwei Tage später, waren wir wieder da, nach einem kleinen Zwischenstopp bei der Schneiderin, damit das Fräulein Sieglinde und ihr Butler Wolfram neueingekleidet werden. Natürlich mussten Lieschen und ich uns ganz dolle knuddeln beim Begrüßen. Aber ich bat sie dann später in mein Zimmer zu kommen um was zu verkünden. Das hatte aber Agni nebenbei gehört und verspürte wieder einen Stich. „Was verkündigen?“ „Eine Überraschung!!Das wird klasse!!! Warts nur ab!“ Ich merkte nicht wie Agni den Raum verließ. „Hat Papa wieder was gedreht?“, fragte Lisabeth entnervt. „Nein! Aber es hat mit mir, dir, Mama und Oma zu tun. Soma und Agni sollten sich das auch anhören.“ „Ok, wenn du meinst… Wo ist Agni eigentlich? Der war doch grad eben hier?“ „Keine Ahnung… Vielleicht will er Tee für uns machen.“ „Das kann sein. Ich sag Soma Bescheid und werde mich um die Wäsche des jungen Herrn kümmern. Auf seiner Reise hatte er bestimmt viel seiner Kleidung verbraucht.“ Ich ging in die Küche, fand aber Agni nicht. Dann aber als ich an der Tür zur Speisekammer kam, hörte ich darinnen ein Schluchzen. Zaghaft klopfte ich. „Agni? Bis du da drinnen?“ „Wigburg?“, hörte ich eindeutig Agnis Stimme und trat ein. Da saß er am Boden und ich meinte gesehen zu haben, wie er sich ganz flüchtig das Gesicht abgewischt hatte. „Was ist denn los?“ „Nichts… ich hab… ähm…“ „Was ist los?“, fragte ich etwas streng, was ihm offenbar etwas Angst machte. „Irgendwie benimmst du dich so komisch!“ Er brachte aber kein Wort heraus und sah mich nicht an. Vielleicht war ich doch zu harsch im Ton. „He…“, Sacht drehte ich sein Gesicht in meine Richtung. „Ich hab das nicht böse gemeint… Ich mach mir nur Sorgen um dich… Etwas betrübt dich doch… Sag es doch einfach…“ Stattdessen zog mich Agni eng an sich und umarmte mich. „Ag…ni?“ Kurz konnte ich nicht anders als die Umarmung zu erwidern. „Egal was kommen mag, ich bin immer für dich und deine Schwester da. Ich werde dir immer ein treuer Freund sein.“ „Wovon redest du denn? Es klingt wie ein Abschied.“ „OH! Das wollte ich nicht dass es so klingt…“ „Jetzt raus mit der Sprache! Was geht hier vor?“ Agni schien für einen mit sich zu ringen, als Bard in die Szene reinplatzte. „EY!! Wiggy!! Da bist du! Der junge Herr und Fräulein Sieglinde sollen ihren Nachmittagstee bekommen! Beeil dich! Und du kannst mithelfen, Agni!“ „Jawohl!“, antworteten wir beide wie aus einem Mund. „Fräulein Sieglinde ist schwarzen Tee, geschweige denn Chai nicht gewöhnt, versuchen wir erst mal Kamillentee.“ „Okay, dazu sollten wir vielleicht Obst servieren.“ „Ich schau mal nach was wir haben. Ach ja!!“ Da fiel mir noch ein was ich noch wollte. „Agni, ich wollte doch noch was sagen. Du und Soma sollt nachher zu mir in mein Zimmer kommen.“ „Warum?“ Ich lachte etwas vor Vorfreude. „Hihihi! Ich wollte euch beiden und Lieschen was sehr wichtiges erzählen!“ Agnis Augen waren auf einmal vor Angst geweitet. „Was… Wichtiges? Hat es mit deinem Vater zu tun?“, fragte er und hätte sich fast selbst verraten. „Wie kommst du denn auf meinen Vater? Nein, im Gegenteil. Es hat mit meiner Mutter und Großmutter zu tun. Und dass wir in gewisser Weise was gemeinsam haben.“ Ich zwinkerte geheimnisvoll mit dem rechten Auge. „Sei gespannt! Das wird für uns alle spannend!!“ „W… Was?“ Soma fiel die Kinnlade vor Staunen runter, Lieschen sah mich an als ob ich verrückt wäre und Agni schien was anderes erwartet zu haben als die Enthüllung meines und Lisabeths Familiengeheimnis. „Also ehrlich… wenn du Oma und Mama da nicht erwähnt hättest, hätte ich gedacht du bist mal wieder zu hart auf deinem Kopf gelandet, Schwesterherz.“ „Aber es ist wahr!!! Und noch doller: ich habe das rechte Auge Wodans!“ „Nicht dein Ernst!!“ „Moment!“, warf Soma ein. „Wer ist Wodan?“ „Von ihm hab ich dir schon mal ein wenig erzählt.“, antwortete Lieschen. „Wodan, oder Odin wie er in Nordeuropa genannt wird, war der Herrscher und Vater jener Götter, an die unserer Vorfahren geglaubt haben. Er war Gott der Weisheit, der Magie, des Schicksals, des Krieges und des Todes. Man sagt, am Anfang der Welt sei er umhergewandert und habe einen Riesen namens Mimir getroffen, der einen Brunnen bewacht hatte, dessen Wasser Weisheit demjenigen verleiht der es trinkt. Wodan wollte davon trinken, aber Mimir wollte es nicht einfach so hergeben. Als Gegenleistung riss sich Wodan ein Auge aus und gab es dem Riesen für das Wasser. Mimir war davon so beeindruckt, dass er Wodan gewähren ließ und so gelang Wodan an einen Teil seiner Weisheit.“ „Deshalb stellt man Wodan immer mit einem Auge dar, manchmal hat er den Kopf von Mimir bei sich.“, fügte ich zu. „Erinnert etwas an den Kopf vom Dämon Raktabija, den Kali immer bei sich hat.“, sagte Agni. „Nur dass Wodan nicht selber Mimir den Kopf abgeschlagen hat und dieser nach dem Tod Wodan immer wieder Ratschläge gibt.“ „Es kommt noch etwas.“, sagte ich. „Um die Magie der Runen zu erlernen, hatte Wodan sich mit seinem eigenen Speer am Weltenbaum Yggdrasil festgenagelt. Neun Tage hing er tot da und als er wieder erwachte, konnte er die Macht der Runen entfesseln.“ „Stimmt von der Geschichte hat Lisabeth mir erzählt.“, sagte Soma. „Lieschen und ich sind Nachfahren von Walas, also so etwas wie Seherinnen oder Zauberinnen, die eben diesem Gott gedient haben und ich habe seine Macht in meinem Auge. Agni!“ Dabei sah ich ihn an. „Du sagtest du hättest ein schiefes Kreuz in meinem Auge gesehen. Es war die Rune „Naud“ die mich als Trägerin von Wodans Auge zeichnet. Meine Großmutter hatte sie bei meiner Geburt auch gesehen. Sie sagte auch, dass meine Zauber stärker sind als die normaler Walas. Aber ich habe genau solche Zukunftsvisionen, wie normale Walas.“ „Das glaube ich erst wenn ich das sehe!“, sagte Lisabeth skeptisch. „Ok! Ich bring euch den Beweis!“ Und ging zu der leeren Waschschüssel die auf dem Spiegeltisch stand. Mit dem Finger malte ich in die Mitte der Schüssel einen kleinen Haken, wie beim Wasserhahn damals und sagte dabei: „ Es ist der plätschernde Bach, und die brodelnde Quelle, und Lebensfeld der Fische. Füll es auf, Lögur!“ Und die Schüssel füllte sich wie aus dem Nichts mit Wasser. „Unglaublich!“ „Wigburg, dein Auge hat dabei orange geleuchtet!“, sagte Agni erstaunt. „Ja…“ Dabei wandte ich mein Gesicht zu ihm zu und er, aber auch Soma und Lisabeth konnten die Rune in meinem Auge glimmen sehen. „Wahrlich!“, sagte Lisabeth ehrfurchtsvoll. „Die Schicksalsrune „Naud“…“ „Was bedeutet diese Rune?“, fragte Soma etwas nervös. „Eigentlich bedeutet sie schwere Zeit und Leiden, solches Leid was man nicht umgehen kann, wie ein Nackter im Schnee frieren muss. Wodan wusste dass du schwere Zeiten durchmachen musstest und hat dir deshalb diese Rune ins Auge geritzt, stimmt’s?“ „Ja, Lieschen.“, sagte ich, allerdings mit einem gewissen Stolz in mir. „Jede Trägerin hat ihre eigene Rune gehabt, je nachdem was in ihrem Leben vorkam. Die erste von uns, die Wodan persönlich ausgewählt hatte, bekam von ihm die Rune „As“, die Götterrune. Vielleicht habe ich deshalb Naud, weil Wodan mich härten wollte. Jedenfalls kann ich diesem Schicksal nicht ausweichen, was mir wohl auferlegt wurde.“ „Dieser… Wodan scheint mir ein gruseliger Gott zu sein…“, stammelt Soma zitternd. „Hey!!! Babys als Ohringe, Arme als Rock und immer Blut trinken?? Ich finde Kali ist gruseliger!“, protestiert Lisabeth lachend. „Sie benutzt wenigstens nicht den Dämonenkopf als Ratgeber!“, konterte Soma. „Hey, ihr beiden hört auf!!!“, versuchte ich, nicht minder schmunzelnd, die beiden zu beruhigen. Agni stand stattdessen daneben und sah mich erstaunt an. „Sie will ihrem Schicksal nicht ausweichen, was ihr auferlegt wurde? Ich verstehe. Ich dachte sie wollte ihre und Lisabeths Hochzeit verkünden. Sebastian hatte mir erzählt sie sei ihren Eltern in Deutschland begegnet. Vielleicht hatte sie mit ihrem Vater geredet und zumindest, die Hochzeit ihrer Schwester abgewendet, fügt sich aber selber dem Vater…“ Agni war gerührt bei den Gedanken. „Sie opfert ihre Möglichkeit ihr Schicksal selbst zu bestimmen für das Glück ihrer Schwester! Das muss es sein, es ihr zu verschweigen macht keinen Sinn. Sie opfert sich, um ihre Schwester und den Prinzen zusammen zu bringen. Dieser Gott hätte niemand mit edleren Herzen für sein Auge wählen können.“ Wenn er nur wüsste was ich wirklich gemacht hatte bei meinem Vater… Kapitel 12: Strahlen & Blenden ------------------------------ Eines Samstagsabend, es war in zwischen Herbst, kam eine Kutsche vor die Villa Phantomhive. Lady Elisabeth und ihre Zofe Paula kamen rein, als ich und Lisabeth grade in der Eingangshalle abstaubten und die Fenster putzten. „My lady?“ „Ähm… Falls ihr euren Verlobten sucht, Mylady, er ist grad nicht da.“ „Ach so… egal! Ich wollte eh zu euch beiden!“ Die Antwort war überraschend. „Ich möchte dass ihr mitkommt, zur Sphere Music Hall in der Stadt. Das wird euch gefallen!!“ „Äh? Warum sollen wir das?“, fragte Lisabeth. „Genau, außerdem haben wir noch Arbeit und…“ „Ach mach doch mal Pause, außerdem wenn ihr Ciel sagt dass ich es war, wird er euch nicht schimpfen. Kommt doch schon, bitte!“ Unsicher blieben wir zuerst stehen, bis dann Lisabeth sagte: „Natürlich, my lady, wie ihr wünscht. Wigburg, holst du unsere Mäntel?“ Und zwinkerte mir dabei zu. Ich verstand. „Ok, wartet kurz.“ In der Garderobe malte ich mir je auf meine Handrücken Zeichen, die an ein Ypsilon mit dritten Strich erinnern. Wie ich danach die Hände zusammenlegte und mein rechtes Auge glühte, murmelte ich: „Madur, Madur, erschaffe ein Abbild von mir.“ Und wenige Sekunden später sah ich mir selbst ins Gesicht. Ich hatte es geschafft und einen Doppelgänger von mir erschaffen, das heimliche Training hatte sich gelohnt! So ähnlich verfuhr ich nochmal und erschuf auch einen Doppelgänger von Lieschen. Wie ich von Oma Renate gelernt hatte wenn man zweimal die Rune Madur anwendete kann man ein Abbild von denjenigen erschaffen, dessen Gesicht man in seinen Gedanken hat. „So ihr beide!“, flüsterte ich. „Ihr werdet hier staubwischen und die Fenster putzen. Aber fangt erst an wenn wir gegangen sind, verstanden?“ „Ja!“, sagten die beiden. „Gut.“ Und ich nahm die Mäntel, bevor ich zurück in die Eingangshalle ging und mit Lisabeth, Paula und Lady Elizabeth in die Kutsche stieg. „Warum wollt ihr, dass wir mitkommen, Mylady?“, fragte Lisabeth die junge Lady. „Tja, Ciel sagte im Frühjahr geht ihr wieder nach Deutschland, da dachte ich dass ihr etwas Spaß haben könntet und vielleicht euer Strahlen findet.“ „Das ist wirklich großzügig Mylady.“ „Wenn es nach mir ginge, würde ich noch länger bleiben…“, sagte ich und Lieschen starrte zu Boden. „Ach? Wirklich? Gefällt es euch in England so gut?!“ „Ja… und wir haben viele neue Freunde gefunden…“ Meine Stimme erstarb. Lady Elizabeth schien etwas zu ahnen und ihr Gesicht strahlte doller denn je. „Aha! Verstehe! Da würde ich mir wünschen, dass ihr ein bisschen länger bleibt.“ „Vielleicht könntet Ihr Euren Verlobten dazu überreden, unseren Vertrag zu verlängern. Wegen Zinsen oder so…“ Völlig unerwartet erstarb auch das Lächeln in dem Gesicht der jungen Lady. „Ähm… ich… werde darüber nachdenken…“ Was war auf einmal? Bei der Sphere Music Hall angekommen, war es im inneren brechend voll. Sofort fiel uns auf, dass alle möglichen Leute da waren. Arm, reich, Männer, Frauen, sogar Greise und Kinder. Das fanden wir merkwürdig, besonders weil es kostenlos Speis und Trank gab. „Eigentlich eine nette Idee… aber wer macht sowas? Da gibt es doch einen Haken.“, sagte ich. „Wohl wahr…“, meinte Lieschen. Seit der Sache mit der Walpurgisnacht, waren wir doch etwas vorsichtiger geworden. „Wigburg, versuch mit deinem Auge was Verdächtiges zu finden.“ „Ok, pass aber du auf, dass niemand mein Auge glühen sieht.“ Und ich wand die Rune As auf mein Auge an, indem ich die Rune aufs Lid mit dem Finger malte. Mein Blick änderte sich, wieder schillerte alles in fremdartigen Farben, auch die Stimmen der Menschen waren verzerrt. „Siehst du was?“ „Bisher nichts…“ Dann wandte ich den Kopf zur Bühne. „Warte! Da ist was! Hinter der Bühne… ein leichtes Glimmen…“ „Kannst du was erkennen?“ „Nein… Dafür müsste ich näher ran… Und durch Wände gucken kann ich noch nicht…“ „Hmmm… Uns werden sie bestimmt nicht hinter die Bühne lassen…“ Ich beendete den Zauber und mein Blick wurde wieder klar. Dann bemerkte ich eine Schlange Menschen, hauptsächlich aus jungen Frauen bestehend, die vor einem Mann mit fliederfarbenen Haar und eigenartig anmutender Kleidung, welcher eine Tasse in der Hand hielt in die sein Gegenüber einen Blutstropfen in eine Flüssigkeit fallen ließ und der Mann daraus offenbar die Zukunft deutete. „Pöh… so’n Scharlatan… bestimmt deutet er die Formen die der Blutstropfen in der Flüssigkeit macht… obwohl es doch meist eh dieselben Aussagen sind…“, lästerte ich mit verdrehten Augen. „Ja, wir Walas können das besser… aber… He! Warte!!!“,sagte Lieschen. „Lass es uns machen! Guck!“ „Warum?“ „Guck mal was der Mann an die Leute verteilt!“ Sie deutete auf das Mädchen das grad bei diesen Mann saß, der ihr ein silbernes Armband gab, mit Sternen und einer Art Kompass oder Sonnenuhr. „Wie? Das kann unmöglich Silber sein…“ „Doch das ist es!“, sagte ein Mann, der uns grad gehört hatte. „Ich bin Goldschmied und habe es selbst überprüft! Diese Amulette ermöglichen einem exklusive Zugänge zu besonderen kostenlosen Amüsements! Das lohnt sich, macht das ruhig, ihr werdet es nicht bereuen!“ „Ok… Danke für die Info…“ Kaum war der Mann weg, flüsterte Lieschen: „Wir holen uns die! Dann verhökern wir die beim Pfandleiher.“ „Ja! Als Taschengeld oder Notgroschen ist es bestimmt super!“, sagte ich als bei mir der Groschen gefallen war. „Oder wie wärs wenn wir Mama diesen hübschen Mantel kaufen. Den mit Kaninchenfell-Fütterung.“ „Ja! Mama ihr Mantel ist doch schon alt und die Motten waren auch schon dran. Oder ein neues Schreibset für Papas Schreibtisch.“ „Am besten silberbeschlagen, bei teuren oder prestigeträchtigen Geschenken wird Papa zu Wachs in den Händen.“ „J…Jaaaaaaaaa, auf jeden Fall. Dann wird er uns für ne Weile in Ruhe lassen, mit den Freiern…“ Immer noch hatte ich meiner Schwester verschwiegen was unser Vater geplant hatte und ich verhindert hatte. Und seit dem musste ich zwei Briefe meines Vaters vor ihr verstecken, weil er damit nervte dass er Lisabeths „Angebeteten“ sehen wollte. „Hihi… Haargenau… aber ewig können wir das nicht machen…aber nun, machen wir’s mal.“ Und wir reihten uns ein. Endlich waren wir dran und zuerst setzte ich mich hin. „Willkommen ihr beide! Was haben wir da? Ein Paar von Augenprüfern wenn ich mich nicht irre.“ „Wie bitte?“, fragten wir beide. „Ein Doppelstern, eure Freundschaft muss aber sehr eng sein wenn man eure Verbindung fast mit bloßem Auge sehen kann.“ „Wir sind Schwestern.“, kam es von uns beiden als Antwort. „Ah! Ok… dann ist es kein Wunder, hehehe!“ Der Typ kam uns immer merkwürdiger vor. „Aber so eine Bindung ist selbst unter Schwestern selten. Nun, wer ist die Erste?“ „Ich.“, sagte ich und nahm die dargebotene Nadel. „Gut! Ähm… Momentchen!“ Mit Zeigefinger und Daumen bildete er einen Ring und guckte mit dem linken Auge da durch mich an. Das gefiel mir nicht wie er mich ansah. „Stimmt was nicht mit deinem Auge? Lass mich sehen, meine Liebe.“ Er wollte schon näher kommen, doch ich hielt seine Hand fest. „Entschuldigen Sie, Mister…“ „Blavat, Verehrteste. Einfach Blavat. Verzeihung wenn ich etwas zu aufdringlich wirkte, mir war als hätte ich was in deinem Auge gesehen.“ „Hoffentlich nichts Schlechtes.“ Und stach mir der Nadel in den Finger. Als ich dann einen Tropfen Blut in die Flüssigkeit fallen ließ, veränderte sich die Farbe und Helligkeit. „Huch?!“ „Hmhm, wir haben hier… Vega…“ „Vega? Ist das nicht ein Stern?“, fragte Lieschen. „Ja, ich glaube schon.“, antwortete ich etwas unsicher. „Ah! Ihr kennt euch mit Sternen aus?“ „Ein wenig, Mr. Blavat.“ „Hmmm… aber eurer Kleidung nach seid ihr aber nicht grade adelig.“ „Sagen wir mal so…“, sagte ich. „Wir haben einen Patron der der Meinung ist, Weisheit und Wissen seien nicht nur den Männern bestimmt.“ „Ein wahrlich kluger Man muss das sein!!“ „Und was bedeutet nun das wenn ich unter Vega stehe?“, fragte ich nun, behielt mir aber im Kopf dass der Mann offenbar Blödsinn redete. „Nun diejenigen die im Schutz von Vega stehen sind recht ehrlich, kreativ und geduldig, allerdings oft sind sie zu ehrlich, aber sie können auch recht stur sein und stehen oft unter Strom. Eine gehetzte Seele scheinst du mir zu sein, meine Liebe.“ „Da sprechen Sie ein wahres Wort Mr. Blavat.“, sagte Lieschen. „Aber etwas anderes fällt mir an dir auf, meine Verehrteste. Der Schatten des Todes hängt über dir.“ „Wie bitte?“ „Ja, aber das ist merkwürdig. Auf mich wirkst du sehr gesund und der Schatten verhält sich seltsam. Als ob er über dich wacht und dich beherrscht aber gleichzeitig auf deine Befehle wartet. Sehr seltsam und dass bei so einer jungen Dame…“ „Hm… wenn sie das sagen…“ Ich fand das merkwürdig, ungewöhnlich passend für einen Scharlatan. „Ich würde jedenfalls ein bisschen aufpassen. Nun… wie wärs mit dir?“ „Ja gut.“ Und Lisabeth stach sich in den Finger. Ebenso ließ sie ihr Blut in die Tasse fallen. Die Farbe und Helligkeit war vollkommen anders als bei mir. Das fand ich sehr merkwürdig. „Und wir haben… Canopus!“ „Vom Kiel des Schiffes?“, fragte ich. „Genau! Die die unter dem Schutz Canopus‘ von sind eigensinnig, sehr aktiv und stark motiviert. Allerdings können sie so wild sein, dass man sie nicht zähmen kann.“ „Wow, sie treffen echt ins Schwarze, Mr. Blavat.“, meinte ich. „Tatsächlich? Das freut mich!“ „Eins versteh ich nicht.“, sagte Lisabeth. „Wir sind doch Schwestern, warum sind wir nicht unterm selben Stern…?“ „Nun ja, das weiß ich nicht genau, aber nicht jeder Mensch ist wie der andere, das könnt ihr ja alleine an euren Haaren sehen. Nun ich sehe allerdings dass, Großes euch bevorsteht. Bestimmt findet ihr es hier…“ Und er übergab uns die begehrten Silberarmbändchen, für die wir angestanden haben. Wir bedankten uns und gingen. „Mann, der war komisch…“, sagte Lieschen erleichtert. „Aber wie er dich vorhin angeguckt hat…“ „Ob er meine Rune gesehen hat?“ „Weiß nicht… Wenn er genau hingeguckt hat…“ „Aber ich kann ja auch keine Augenklappe tragen wie der junge Herr…“ „HEY!!! Ihr wart auch bei Blavat?!“, sagte Lady Elizabeth aufgeregt. Jetzt erst fiel uns auf dass sie auch ein Silberarmband trug. „Und was für Sterne habt ihr?!“ „Vega…“ „Canopus…“ „Genau wie ich!!!“, quiekte die junge Lady, lachte vor Freude und drückte Lieschens Hände. „Wir sind Canopus!!“ „Sagt mal… wie viele Sterne gibt es überhaupt als Schutzsterne?“, fragte ich. „Das müssen dutzende sein…“ „Ähm… eigentlich aber bisher hab ich von nur 4 gehört.“ „Nur 4? Aber naja… dann gibt es weniger Durcheinander.“ „Hm, bestimmt!“ Etwas später kamen wir zurück zur Villa. Da kam uns Agni in der Eingangshalle entgegen. „Wigburg? Elisabeth? Seid ihr es?“ „Ähm… ja… wieso?“ „Was ist der Lieblingsnachtisch des Prinzen?“, fragte dieser etwas misstrauisch. „Äh… Kirschmichel?“, fragte ich zurück. „Äh… neben dem…“ Agni musste doch schmunzeln. „Ähhh…“ Es blieb mir auf der Zunge hängen. „Ich glaube es war etwas mit einem G…“ „Go… Gol… ne… äh…“, stottert Lisabeth. “Galo…” “War das nicht Galu-o…”, versuchte nun ich es. „Gulab Jamun. Ok, Ok… alles gut, ihr seid es echt.“, lachte Agni etwas amüsiert. „Wie hast du das bemerkt, dass es nicht wir sind? Dabei haben wir doch die Doppelgänger… “, fragte ich nun erstaunt. „Nun ja… ihr beide habt noch nie so schlecht Karten mit dem Prinzen gespielt.“, antwortete er immer noch schmunzelnd und ging mit uns in den Salon, wo Soma mit den Doppelgängern saß und Karten spielte. „Und… du hast schon wieder gewonnen!“, hörte ich Lieschens Stimme, direkt vor mir, als wir eintraten. „Verdammt nochmal!!! Da versuche ich zu verlieren und ich gewinn trotzdem!! Oh! Mädels!“ Soma wirkte erleichtert als wir grad rein kamen. „Da seid ihr ja! Macht sie bitte weg! Die machen mich noch irre!“ „Ok, ist ja gut!“ Und ich malte wieder die Rune Madur auf meine Handrücken und legte die Hände wieder zusammen, während meine Rune im Auge aufglühte. „Madur, Madur, löst euch auf!“ Kaum hatte ich nach dem Satz die Hände wieder auseinander genommen, lösten sich die Doppelgänger mit einem „Buff!“ auf. „Danke… Ich hatte zuerst nix bemerkt, bis ihr als beim Kartenspielen als verloren habt und „Du“ Wigburg, nicht mal dabei geflucht hast!“ „Naja, zum Ablenken und Ersetzten reicht das.“, sagte Lieschen und versuchte nicht zu kichern. „Ich muss aber zugeben, ihr werdet immer besser.“, sagte Agni beeindruckt. „Apropos, wir wollen morgen Abend wieder trainieren. Wollt ihr wieder dabei sein?“ „Ja gern!“, sagte Soma aufgeregt. „Was werdet ihr ausprobieren?“ „Wie man mit Runen Lebewesen beeinflusst. Wenn es geht, Agni kannst du mit Finny eine Maus fangen? Aber lebend! Das ist wichtig.“, fragte ich ihn. „Wieso?“ „Ich möchte euch demonstrieren wie das funktioniert. Keine Angst, die Maus wird nicht leiden.“ „Na, das will ich sehen.“, sagte Lisabeth. „Wie bist du überhaupt auf diese Idee gekommen?“ „Naja, Oma sagte es gebe einige Möglichkeiten mit Runen Lebewesen zu manipulieren. Zuerst hab ich das im Wintergarten an einer Rose ausprobiert. Mit der Rune Algiz habe ich die Blütenfarbe geändert. Allerdings hab ich deren Farbe zu oft gewechselt bis diese verwelkt war. Ich hab ihre Energie aufgebraucht…“ „Du hast deine eigene Energie nicht genutzt?“, fragte Soma. „Nein… das hatte mich auch gewundert.“ „Das ist schon etwas praktisch. Aber Algiz… war das nicht von den altenglischen Liedern?“, grübelte Lieschen. „Ja… eines der wenigen die ich in den Büchern des Earl gefunden hab…“ „Pssccht! Leise!“, wies Agni uns an, weil er was gehört hatte und daraufhin öffnete Sebastian die Tür. „Ach, da seid ihr beide!“, sagte dieser im mahnenden Ton zu mir und Lisabeth. „Was war denn heute in euch gefahren?! Die Fenster waren voller Schlieren und in den Ecken war noch Staub! Das war die schlechteste Arbeitsleistung die ich je von Euch erlebt habe!“ „‘tschuldigung!!!“, riefen wir im Chor. „Was ist nur los mit euch beiden gewesen?! Ihr ward von allen angestellten die Fleißigsten und Gründlichsten! Bisher hattet ihr eure ach so hochgelobten preußischen Tugenden eingehalten…“ „WIR SIND KEINE PREUßEN!!!“, warfen wir ein. „Wie auch immer! Macht das nie wieder, kapiert?!“ „Ja…“, sagten wir beschämt. „Und nun, geht besser zu Bett!“, dann aber sah Sebastian zu Soma. „Es sei denn natürlich Ihr könnt sie entbehren, Prinz Soma.“ Dieser zitterte leicht. „J…j…j… ja. Ich hab jetzt nix mehr vor und gehe auch bald zu Bett!“ „Wie Ihr wünscht, Prinz.“, stimmte Agni seinem Herrn zu. „Na gut…“, meinte ich. „Gute Nacht Soma…“, sagte Lieschen. Doch kaum waren wir auf halben Weg zu unseren Zimmern, packte Sebastian uns von hinten an den Haaren und zischte leise: „Ihr beide solltet aufpassen, ihr seid mir sehr nachlässig geworden in letzter Zeit!“ „Der junge Herr hat sich bisher nicht beschwert, also brauchst du nix zu sagen!“, knurrte ich, während Lisabeth vor Schmerz wimmert. „Du willst dich mir widersetzen, kleines unbedeutendes Menschenkind?!“ „Unbedeutend?! Bilde dir nichts ein! Du bist nur ein Butler!“ Dann aber wieder! Das Ziehen im Herz! Dieses Mal war es besonders doll, als ob der imaginäre Faden der ums Herz gezogen war kurz davor ist es zu zerteilen. Lisabeth weinte nun richtig und wollte fast zusammen brechen. „Hör auf!!!“ Dabei hatte ich sowohl ihn als auch mein Auge gemeint, da es wieder an fing warm zu werden. Ich kniff die Augen kräftig zu damit er die Rune und deren Glühen nicht sieht. Dann aber ließ sein Griff nach und auch das Ziehen im Herzen. „Hört ihr beide…“, sagte Sebastian nun mit sanfter Stimme als wollte er die Wogen wieder glätten. „Ich meine das nicht böse, aber reißt euch am Riemen! Nicht mehr lang und ihr werdet wieder nach Deutschland zurückkehren und eure Bestimmung erfüllen. Lasst vorher nicht nach, damit ihr England mit erhobenen Hauptes verlassen könnt. Nimmt es bitte zu Herzen… als mein Ratschlag eines Kollegen und… in gewisser Weise Freund…“ Damit ließ er uns allein. „So… sowas nennt sich ein Freund?!“, weinte Lieschen und ich nahm sie in den Arm. „Wigburg… du blutest aus dem Auge!“ Das bemerkte ich jetzt erst und fasste automatisch hin. „Echt? Naja, es war verdammt schwer meine Kraft zu unterdrücken und zwar psychisch und körperlich…“ „Hmm… vielleicht trifft das auch bei Agni zu mit der Belastung und dem Blut, wenn ich an den Currywettbewerb denke.“ „Stimmt… Da hatte es ihn belastet verloren zu haben und den Verrat an Soma offen zu legen.“ Lisabeth nickte. „Ihr habt wirklich so viel gemeinsam…“ „Ich glaube, Sebastian weiß was wir sind!“, sagte ich ernst als ich mir das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte. „Meinst du?“ „Ja! Und seit jener Nacht hat sich meine Vermutung immer weiter gefestigt, dass er kein Mensch ist.“ „Meinst du… er würde wollen dass wir ihn zum König machen?“ „Offenbar, aber nachdem was er gemacht hat, glaube ich dass das nicht aufgehen wird. Oma sagt, eine Wala wählt mit Herz und Verstand und bei Sebastian sagen beide „Nein.“.“ „Ich hab schon gewählt…“, sagte Lieschen mit geröteten Wangen, während wir weiter zu unseren Zimmern gehen. „Dein Herz auf jeden Fall.“, feixte ich. „Nicht nur!!!“, protestierte Lieschen. „Soma hat sich so doll verändert! Er ist nicht mehr eingebildet und nicht mehr so selbstsüchtig, wenn ich allein daran denke dass er mit Agni jeden Mittwoch Currybrötchen an arme Kinder verteilt.“ „Ja, das habe ich mitgekriegt, aber ich habe auch mit gekriegt dass du ab und zu Blumen im Treibhaus pflückst und dann wieder mit Runen nachwachsen lässt. Hat es etwas damit zu tun?!“ „Naja… manchmal geh ich mit und verteile Blumenkränze. Manche Kinder nennen mich schon „Blumenmädchen“.“ „Hihihi! Wie niedlich…“ Am nächsten Abend… Wir trafen uns im Gewächshaus hinterm Haus, der einzige Ort wo man Nachts uns nicht hört und niemand zufälligerweise uns erwischen konnte. Selbst die Schlangen von Snake, der seit April mit im Hause war, schlief im Haus, wo es wärmer war und die Schlangen jederzeit einen Snack sich holen konnten, wegen der Mäuse die immer im Hause waren. Und einer dieser Mäuse hatte Agni zusammen mit Finny und Bard in der Küche mit einer Lebendfalle gefangen und brachte sie mit. „So, ist das so richtig?“ „Ja! Und nun…“ Ich versuchte vorsichtig durch das Gitter hindurch, der Maus die Runen Mannaz und Wunjo auf ihren Rücken zu zeichnen, dabei sagte ich beschwörerisch: “Mit Mannaz und Wunjo sei gezeichnet. Tanze für mich Schuhplattler bis ich fröhlich lache. Dann sei wieder frei.“ Wieder glühte mein Auge aber auch kurzzeitig die Runen auf dem Fell des nervösen Tierchens. Doch kaum machte ich die Falle auf, stellte sich die Maus auf die Hinterbeinchen und begann den traditionellen bayrischen Tanz „Schuhplattler“ zu tanzen. „Tatsächlich!“, rief Lieschen erstaunt. „Das sieht ja lustig aus!“, lachte Soma. Ich dagegen verkniff mir das Lachen, weil ich den Zauber noch nicht brechen wollte, aber nach einer Weile hielt ich es nicht aus. Ich lachte und dann hörte die Maus auf zu tanzen und flitzte davon. „Ach schade… es war echt lustig.“, sagte Soma schmollend. „Ja, aber ich hab es so bestimmt. Wenn ich lache, soll die Maus wieder frei sein.“ „Deshalb hast du dich auch zurückgehalten mit dem Lachen, oder Chela?“, fügte Agni zu. „Ja…“ „Hast du das schon mal an einem Menschen getestet?“, fragte Soma. „Nein… ich wüsste auch nicht an wen…“ „Teste doch mal an mir!“ „Nein!!!“, riefen ich, Lisabeth und Agni im Chor. „Solange ich keine Erfahrungen habe, werde ich keine Rune an dir anwenden!!“ „Ja, es könnte was schief gehen.“, stimmte Lisabeth zu. „Deshalb, testet es lieber an mir.“, sagte Agni mit ernsten Gesicht. „Aber Agni…“, wollte Soma einwerfen. „Nein!“, sagte ich zitternd. „Das kann ich auch nicht machen! Was ist wenn ich dir dabei weh tue…?!“ „Ich vertraue dir. Das was du mit der Maus gemacht hast, war doch schon sehr gut. Versuch es an mir.“ Ich rührte mich nicht, bevor ich dann mich entschloss. „N… na gut… wenn du mir also vertraust… versuchen wir dich noch stärker zu machen…“ „Ok, dann nehmen wir die Rune „Uruz“, für die Stärke.“, sagte Lisabeth. „Noch stärker? Geht das bei Agni?“, fragte Soma. „Bestimmt!“, meinte Lieschen und malte auf den Boden die Rune „Is“, worauf ein großer Eisblock entstand, so groß wie Agni und mindestens 2 Meter dick, allerdings verdorrten die Pflanzen rund herum. „Ach herrje! Die ganzen Blumen!“ „Das Wasser für den Eisblock muss irgendwo her kommen. Aber mach dir keine Sorgen, Wigburg. Ich mach das nachher mit Runen wieder heil.“ Dann sagte sie zu Agni. „So… Nun Agni, schlag mal kräftig in diesen Eisblock!“ Er nickte und schlug kräftig mit der Faust zu. Eine Delle und Risse bildeten sich im Eis. „Sehr schön!“, sagte Lisabeth zufrieden und reparierte mit „Is“ den Block. „Nun Wigburg, verpass ihn die Rune „Uruz“!“ Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht, aber auch Agni schien etwas verunsichert. „Was?!“ „Nicht so schüchtern! Du hast das mit der Maus hinbekommen und Agni sagt auch er vertraut dir. Also, los!“ Mit Zögern ging ich auf Agni zu und malte mit den Finger ein verkehrtherumes V auf den Rücken. „Mit… mit Uruz sei gezeichnet. Steigere deine Kraft die in dir wohnt… Wenn das Eis bricht, sei wieder frei…“ Die Rune leuchtete kurz auf seinem Rücken und verschwand dann wieder. „Noch spür ich nichts…“ „Nun, versuche es…“, sagte ich immer noch mit heißem Gesicht. Agni schlug noch mal zu und der Block zersplitterte in viele kleine Teile! Alle, auch Agni selber staunte. Die Rune erschien abermals kurz und verblasste wieder. „Wahnsinn!“, meinte Soma. „Ja wirklich!“, stimmte Lisabeth nickend zu. „Es hat funktioniert!“ Ich war erleichtert und glücklich. „Ich bin auch beeindruckt. Und das ohne Samadhi.“, sagte Agni und betrachtet seine Faust. „Ich will auch mal!!!“, rief Soma aufgeregt und brachte sich auch in Position. „Okidoki! Dann mach ich den Block für dich bereit!“, sagte Lisabeth und reparierte den Block mit der Rune „Is“. „Das machen wir noch, aber danach gehen wir besser zur Bett, es ist schon spät!!“, sagte ich schmunzelnd. Später im Flur, Soma und Lisabeth waren grad da, während ich mit Agni das Gewächshaus aufräumte. „Oooooohhhh… mein Kopf…“, winselte Soma und schwankte. „Naja, das war dein erstes Mal dass eine Rune auf dir angewandt wurde. Wenn Runen gewirkt werden, egal ob bei der Wala selber oder man wird von ihr gezeichnet, muss man da seine Gefühle im Zaum halten, sonst verbraucht es viel Energie, was den Körper belastet und du warst sehr aufgeregt. Deshalb ist dir nun schwindelig und du hast Ohrensausen.“ „Ja… sorry… Aber ich hab den Eisblock zerschlagen!!“ „Ja, das hast du, Soma.“, lachte Lisabeth. Sie gingen in die Küche, wo Soma ein Glas Wasser gegen seine Schwindelgefühle trank. „Besser?“ „Ja, viel besser…“ „Das ist gut.“ „Das da vorhin mit der Rune bei Agni, du hast mit Absicht Wigburg die auf Agni zeichnen lassen!“ Soma feixte breit. „Hmmm… ja… hab ich… Ich hab halt keinen Bock, dass die beiden ständig um einander rumschleichen. Einer der beiden muss endlich den ersten Schritt machen! Ich weiß zwar dass, Wigburg schüchtern ist was die Liebe betrifft, aber ich dachte dass, nachdem sie weiß dass, sie das Auge Wodans besitzt, ihr Selbstbewusstsein gesteigert sei. Deshalb hatte sie ihre erste große Liebe verpasst, der Neffe vom Bürgermeister unseres Dorfes. Den hatte sie verpasst, weil sie sich nicht getraut hat.“ „Also ich finde sie ist selbstbewusster geworden. Letzte Woche hatte sie Bard ausgeschimpft weil er Frikassee mit Dynamit machen wollte. Selbst Sebastian hatte verstört geguckt und das will was heißen.“ „Stimmt, das hat sie noch nie gemacht.“ „Aber dass sie und Agni was für einander empfinden, ist mehr als offensichtlich. Vorhin sogar, konnte ich sogar sehen dass Agni selig gelächelt hat, wie sie ihn berührt hatte, aber er hatte dann sehr schnell so geguckt als ob er sich schuldig fühlen würde.“ „Schuldig? Ist Agni schon verheiratet oder verheiratet gewesen oder ist da in irgendeiner anderen Weise eine andere Frau involviert?“, fragte Lisabeth. „Nein! Seitdem er in meinem Dienst steht, hatte er nichts mit Frauen zu tun gehabt und heiraten darf er eh nur mit meiner Erlaubnis, weil ich sein Herr bin.“, sagte Soma sehr sachlich. „Aber… Ne. Mit seiner Vergangenheit kann es eigentlich nicht zusammen hängen…“ Er war nun nachdenklich und achtete nicht mehr auf Lisabeth. „Seine Vergangenheit?“ „Ähm!“ Soma fühlte sich erwischt. „Das erkläre ich dir vielleicht ein anderes Mal.“ „Ok? Jedenfalls… ich würde mir so sehr wünschen dass Wigburg und Agni zusammen kämen… Die beiden gehören zusammen…“ „Finde ich auch. Wir sollten den beiden da nachhelfen!“ „Genau! Aber diskret, Soma!!! Die Liebe ist eine sensible Sache!“ „Ja… hehe… die Liebe…“ Peinliches Schweigen, wo sich die beiden rot im Gesicht sich ansahen. „Wir… ähm… sollten nun zu Bett gehen…“ „Ja… äh… gute Nacht, Lisabeth.“ „Gute Nacht, Soma!“ Am nächsten Abend hatten wir wieder uns im Gewächshaus versammelt. Ich hatte zwei Holzstäbe dabei und ein kleines Messer. „Nun…“, begann ich zu erklären. „Heute dachte ich mir, wir versuchen mal Runenstäbe. Da diese gerne als Amulette und in gewisser Weise Zaubermittel genutzt werden dachte ich, wir versuchen heute mal Runenstäbe. Damit ihr auch ein bisschen Runenmagie machen könnt.“ „Wir können dann also auch mit Runen zaubern?!“, fragte Soma erstaunt. „Das wäre interessant.“, meinte Agni. „Ja!“, meinte Lieschen. „Das wäre unfair wenn nur wir das können.“ „Ich will stärker werden und besser kämpfen können!!!“, sagte Soma gleich total aufgeregt. „Hihihi… dann solltest du die Rune Tyr bekommen.“, grinste ich. „Und was bedeutet Tyr?“, fragte Agni. „Das war der Kriegsgott unserer Vorfahren.“, antwortet Lisabeth. „Aha!“ „Und was möchtest du ausprobieren, Agni?“, fragte ich. „Äh… naja…“ „Vielleicht lässt du eine Pflanze wachsen, für den Anfang. Nehmen wir dafür Bjarkan.“, sagte Lisabeth und ritzte schon mal ein eckiges B in einen der Stäbe. „Na gut… und was mach ich nun?“ „Nun sagst du:“, erklärte ich dann. „ „Bjarkan ist der belaubte Ast, und der kleine Busch, mit dem starken Stamm.“ Dabei berührst du die Erde hier in diesem Beet. Nachdem du den Vers gesagt hast, sag der Rune, was wachsen soll.“ „Gut.“ Und Agni tat wie gesagt. „… Lass einen kleinen Zimtbaum wachsen.“ Nichts passierte… „Nichts…“ „Schade… geht wohl doch nicht…“, sagte ich etwas traurig. „Tja, es geht wohl nur bei denen, die das Blut von Walas haben.“, sagte Lisabeth, während Soma schmollte. „Warte! Vielleicht kann das auch wörtlich gemeint sein!“, sagte ich auf einmal. „Wie meinst du das?“, fragte Soma. Da hatte ich schon das Messer genommen und schnitt mir in den Finger, dass Blut fließt. Agni zuckt bei dem Anblick zusammen. „Wigburg?!“ „Was hast du jetzt vor?“, fragte Lisabeth, vollkommen ruhig. „Im Havamal im Buch Edda heißt es „Weißt du zu färben?“ und „Weißt du Opfer zu bringen?“. Ich denke wenn die Rune mit Walablut gefärbt wurde, könnten Leute ohne Bezug auf Walas vielleicht auch…“ Und mit dem blutbenetzten Messer fuhr ich die Rune nochmal nach, so dass die Rune mit Blut gefärbt war. Diesen Runenstab gab ich nun Agni zurück. „Versuche es nochmal.“ Und… Kaum sagte Agni nach dem Vers, dass ein Zimtbaum wachsen soll, glühte die Rune orange auf und es wuchs wirklich aus der Erde ein kleiner Zimtbaum. „Es hat geklappt!!“, rief Soma. „Ja!!! Offenbar muss da Walablut mit im Spiel sein, das würde aber auch bedeuten dass die Söhne von Walas mit Runenstäbe auch in der Lage sind zu zaubern!“, sagte Lieschen mit leuchtenden Augen. „Ja, aber bestimmt brauchen die kein Blut auf ihren Stäben, weil dieses ja bereits in ihren Adern fließt.“, stimmte ich ihr zu. „Und was ist mit den Töchtern von Walas?“, fragte Soma. „Die sind automatisch Walas.“, antwortete ich. „Die Kräfte werden direkt von der Mutter auf die Tochter vererbt, sagt meine Großmutter, aber mit dieser Methode können Jungs und Nichtverwandte die Runen nutzen!“ „Cool! Jetzt aber mein Stab und dann kämpfen wir, Wigburg!!“, sagte Soma. „Nein, Soma! Das werden wir nicht! Ich wäre zu flink für dich, auch ohne Rune! Mach das lieber mit Lieschen.“ „Du willst dass er mich haut?!!“, fragte Lisabeth lachend. „Er soll dich nicht hauen, sondern nur etwas aufmischen.“, antwortete ich grinsend und Lisabeth wurde leicht rot. „Na gut…“, meinte Soma. Auch sein Runenstab bekam Blut, und er und Lisabeth stellten sich gegenüber. „Ok… Nun sagst du: „Tyr heißt der einhändige Ase, Allvater der Tempel, den Arm Fenrir fraß.“ Und dass du stärker werden sollst.“ Soma hatte zugehört, zuerst wollte er dann tun was Lisabeth sagte aber dann entschied er sich anders. „Nein, ich mach das so! Om, lass mich das große Bewusstsein erkennen. Oh großer Befehlshaber, ich meditiere über dich. Oh Sechsköpfiger, erleuchte mich und inspiriere mich. Leih mir deine Kraft, Skanda!“ Kaum war Soma fertig, leuchtete die Rune aber in hellblau, ähnlich wie Agnis Hand wenn er Kalis Macht nutzte! „Was hast du da gemacht?“, fragte Lisabeth, während ich nur mit offenen Mund da stand und Agni nur erstaunt drein blickte. „Ich hab das Mantra für den hinduistischen Kriegsgott Skanda aufgesagt, weil eure Runenlieder erinnern mich an Mantren. Ich dachte mir das geht auch, weil dieser Tyr auch Kriegsgott ist und außerdem fiel es mir so leichter es zu merken.“ „Ok, da ist was Wahres dran. Wenn es auch so funktioniert…“, meinte ich. „Na dann wollen wir sehen wie stark das Mantra dich macht. Leih mir deine Kraft, Tyr!“ Und wie Lisabeth sich mit der Rune gezeichnet hatte, versuchten sie und Soma dann einen Ringkampf und versuchten sich gegenseitig am Boden zu fixieren. „Das klappt ja prima!“, sagte ich begeistert. „Unglaublich, oder Agni?!“ Doch dieser hatte einen Streifen seiner Bandagen abgewickelt, abgerissen und verband meinen aufgeschlitzten Finger. „Agni…?“ „Verletz dich nie wieder für mich.“ „Aber… ich schneide mir beim Kartoffel schälen ab und zu in den Finger und beim Sticken und Nähen…“ „Ich weiß und ich weiß auch warum du das hier gemacht hast, aber mich schmerzt es wenn du verletzt bist.“ Ich wurde rot und sah ihn an. „Mach das nie wieder, bitte…“ Agni hielt dabei meine Hand und lächelte besorgt. „O…o…okay…“ „Wann sagst du es ihm endlich?“, fragte Lisabeth später mich, wie wir in meinem Zimmer saßen, beide schon in unseren Nachthemden und ich flocht mir grad die Haare zum Schlafen. „Wenn der richtige Moment kommt. Und was ist mit dir?“ „Ok… Punkt für dich…“ „Ich mache mir nur große Sorgen. Seit ich mit dem jungen Herrn aus Deutschland zurück bin, ist Agni so… zurückhalten und immer wieder habe ich das Gefühl als ob ihn was belastet… Als ob er sich schuldig fühlt…“ „Hmmmm… Vielleicht muss du ihn direkt danach fragen…“ „Ja… muss ich wohl… hoffentlich kann ich das recht bald und ohne ihn zu verschrecken…“ Eines Abends kam der junge Lord Edward, der große Bruder von Lady Elizabeth, in die Stadtvilla gestürmt. Seine Schwester war von Zuhause ausgerissen. Zur selben Zeit hatte der junge Herr einen Brief von Queen Victoria bekommen, die sich besorgt über die Veranstaltungen zeigte, zu den uns Lady Elizabeth mitgenommen hatte und er genaueres herausfinden soll. Der junge Herr ging mit seinem Schwager in spe dem nach und offenbar gab es nun Konzerte jeden Samstag, wo ehemalige Klassenkameraden von Lord Edward sangen. Deren Lieder waren so beliebt dass es auf den Straßen rauf und runter gesungen wurde. Wir verschwiegen dass wir da gewesen waren um Ärger zu vermeiden, besonders als rauskam, dass bei den Veranstaltungen die man dank der Silberarmbändern kostenlos besuchen durfte, den Besuchern ohne ihr Wissen Blut abgezapft wurde. Wir bekamen von Fräulein Sieglinde die Vermutung ihres Butlers, dass Blut für eine sogenannte Bluttransfusion gesammelt wurde, ein Verfahren wo Blut von einem in den Körper eines anderen Menschen geleitet wurde. In seiner Zeit wo Herr Wolfram noch als Soldat in der deutschen Armee gedient hatte, wo er gegen die Franzosen gekämpft hatte, welches kurz vor meiner Geburt geschah, da wurde das Verfahren schon mal verwendet, allerdings mit mäßigen Erfolg. Nur wozu machte man das nun heute? Das ist doch eigentlich sinnlos, besonders weil man es offenbar bei eigenen Leuten übertrieben hat und die, sprichwörtlich, ausgeblutet hatte bis sie starben, weshalb auch Scotland Yard an dem Fall dran war. Als Sebastian mit Hilfe der Schneiderin Nina Hopkins mal hinter die Kulissen konnte, fand er Lady Elizabeth und nahm sie, ganz offensichtlich gegen ihren Willen mit, zurück zu uns in die Villa. Trotzdem, es war eine riesen Erleichterung. Sebastian hatte neben der jungen Lady aber auch Blutkonserven mitgenommen, die dann Fräulein Sieglinde untersuchte. Doch… Lady Elizabeth brannte schon wieder durch! Ganz bestimmt war sie wieder zur Sphere Music Hall! Aber warum?!!! Der junge Herr war nun der Überzeugung dass er den Einfluss der Sphere Music Hall zu unterbinden muss und hatte schon eine Idee… Zwei Tage später… wieder in der Küche… Ich war nachmittags mit Agni in der Küche um das Dinner zuzubereiten. Wieder mal war Agni so komisch, wie seit ich mit dem jungen Herrn aus Deutschland zurückgekommen bin. Ich dagegen, konnte wieder, ohne schlechtes Gewissen zu haben, mit Agni in einem Raum sein oder ihm ins Gesicht sehen. „Kannst du mir etwas Schwarzpfeffer geben, Agni?“ Er reagierte nicht. Wie ich dann aber zu ihm hin sah, merkte ich dass er tief in Gedanken war. „Agni! Ich bräuchte etwas Schwarzpfeffer.“ „Oh! Äh, natürlich! Ja!“ Und er gab mir das Töpfchen mit dem Pfeffer. „Was bedrückt dich?“, fragte ich nun direkt, als ich in ansah. Er schien sich erwischt zu fühlen. „Was?! Was sollte mich denn bedrücken? Alles gut.“ Sein Lächeln war falsch das konnte ich deutlich sehen. „Du lügst… Seit ich mit dem jungen Herrn aus Deutschland zurück bin, bist du so seltsam. Sag mir, was ist los mit dir?“ „Nichts… wirklich. Du musst dir keine Sorgen um mich machen, Chela.“ „Agni.“ Ich fasste ihn an der Hand und drehte ihn zu mir. Er war völlig überrascht. „Sieh mich an…“ …was bedrückt dich? Wollte ich abermals fragen aber beim Anblick seiner grau-blauen Augen blieben mir die Worte auf der Zunge hängen. Seinen Blick konnte ich nicht deuten, weil so viel verschiedene Ausdrücke drin lagen, darunter Zögern und schlechtes Gewissen. „Ich liebe dich… und deshalb mach ich mir Sorgen um dich…“ Ich konnte immer noch nix sagen, mir fehlte der Mut. „Agni…“ Hilflos sah ich ihn an, während ich sein Gesicht streichelte. Unter meinen Fingerkuppen fühlte ich wie seine Haut wärmer wurde und seine Wangen roter wurden. Ich musste es sagen, aber wenn ich es nicht in Worte fassen kann?! Ich schloss die Augen und näherte mein Gesicht dem seinen. Fast berührte mein Mund den seinen…! „Wigburg! Der junge Herr wol… OH!“ Verdammt, Maylene!! Sie war grad in die Küche gekommen und hatte alles ruiniert!!! „OH! Ähem… Der… der junge Herr wollte mit dir und Lisabeth sprechen, wegen eurem Vertrag. Am besten jetzt, sagte er.“ „Ich aber… sollte doch… die Suppe fürs Dinner…“ „Geh ruhig… ich mach so lange weiter.“, meinte Agni lächelnd. Warum jetzt?!! War das vorhin nicht eindeutig?!! Ich war wütend, auf beide, auch wenn ich es mir nicht anmerken ließ. Zähneknirschend folgte ich Maylene ins Büro des jungen Herrn. „Entschuldige dass ich reingeplatzt bin…“, sagte Maylene beschämt. „Was?“ „Naja… ich hab es doch gesehen. Ihr habt euch geküsst.“ „Hmmm… nicht wirklich… ich wollte ihn küssen, weil ich einfach nicht den Mut hatte es ihn in Worten zu sagen…“ „Ohhhh… tut mir leid!!! Tut mir wirklich leid!!!“ „Alles gut… ich bin dir nicht mehr böse…“ Und das meinte ich ehrlich, aber über Agni ärgerte ich mich trotzdem. Hatte er es nicht erkannt was ich sagen wollte?! Es war doch mehr als eindeutig! Fühlte er überhaupt dasselbe wie ich? Lieschen war bereits im Büro, der junge Herr saß hinter seinem Schreibtisch, ein paar Papiere lesend, während Sebastian neben ihm steht. „Ah, gut. Nun seid ihr beide da. Also…“ Er überflog nochmal ein paar Zeilen. „…eure Schulden… Sie sind so gut wie abbezahlt. Schneller als ich gedacht hatte. Ihr seid wirklich fleißig.“ „Danke Mylord.“ „Ist dann auch wirklich alles bezahlt?“, fragte ich. „Ja. Sogar Zinsen und Mahngebühren! Alle Achtung! Ich dachte dass ihr circa 3 Jahre bei mir arbeiten müsstet, aber im April seid ihr schuldenfrei und eurer Heimreise nach Deutschland steht nichts im Wege.“ „Schon im April dürfen wir nach Hause?“, platzte es aus Lisabeth raus. Es war schon Oktober! In 7 Monaten würden wir weggehen! „Ja, euer Heimweh wird ein Ende haben und eure Eltern haben euch wieder. Ihr könnt euch freuen.“ „J…ja…“, sagte Lieschen. „Aber wir werden England sehr vermissen…“ „Ja…“, stimmte ich zu. „Schließlich haben wir gute Freunde gewonnen und viel erlebt…“ „Wolltet ihr aber nicht so schnell wie möglich wieder heim?“, sagte Ciel mit erhobener Augenbraue. „Ja, das wollten wir am Anfang und das wollen wir immer noch aber… Maylene, Bard, Finny, eure Verlobte, Prinz Soma und Agni…“ „Wir werden sie alle schrecklich vermissen…“, setzte Lisabeth meinen Satz fort. „Meine Bediensteten und meine Verlobte könnt ihr besuchen wann immer ihr wollt. Was Prinz Soma und seinen Butler betrifft… eigentlich könnten die beiden auch in ihre Heimat zurückkehren, so leid es mir für euch tut.“ „Schade… aber Euch würden wir auch gerne besuchen.“, sagte Lieschen lächelnd und ich nickte. „In gewisser Weise, gehört Ihr für mich schon zur Familie…“, sagte ich verlegen. „Wie der grummelige kleine Bru… AU!“ Lisabeth hatte mir auf den Fuß getreten, weil ich nicht auf meine Wortwahl geachtet hatte, aber der junge Herr reagierte komisch. Er stockte, hatte einen traumatisierten Blick und zitterte. „Äh… alles gut, Mylord?“, fragte ich. „Junger Herr?“, fragte Sebastian und der junge Earl beruhigte sich. „Sch… schön für euch dass ihr das denkt… Nehm ich mir zu Herzen…“ Der junge Earl räusperte sich und war fast wieder der alte. „Nun… das wäre alles. Wigburg, später erwarte ich Lord Edward und drei weitere Gäste, bitte empfange diese um circa 16 Uhr in der Eingangshalle und bring sie in mein Büro. Lisabeth, schicke Prinz Soma auch um circa 16 Uhr zu mir ins Büro. Er…hrmpf! Er weiß schon von mir, dass ich seine Hilfe brauch…“ „Ok, Prinz Soma wird sich sehr darüber freuen.“, sagte Lieschen, etwas verwundert, weil der junge Earl normalerweise nicht gern mit Soma was machte. „Ganz, wie ihr wünscht, Mylord.“, war meine Antwort und wir verließen das Büro. „Ich hoffe inständig, dass wenn die Mädchen weg sind, dass auch der Prinz weggeht!“, grummelte Ciel. „Lisabeth hält wenigstens mir diese königliche Nervensäge vom Hals! In ihren Händen wird er zu Wachs.“ „Sie ist wohl seine neue „Meena“.“, gab Sebastian etwas bissig von sich. Circa eine Viertelstunde vor 16 Uhr war ich in der Eingangshalle und wartete auf die Gäste. Dabei ging mir viel durch den Kopf, nicht nur das heute in der Küche mit Agni, ich grübelte auch vor mich hin, was der junge Earl nur vorhaben könnte. Ich wusste es war was um Lady Elizabeth zu finden, aber was? Dann hörte ich leise Schritte und war aus meinen Gedanken gerissen. Mir lief es kalt über den Rücken wie ich sah, dass es Sebastian war. „Die Gäste kommen doch etwas später. In circa 13 Minuten.“ „Ja, aber ich hab grad nix zu tun und dachte dass ich so pünktlich die Herrschaften empfangen kann. Und was ist mit dir? Hast auch nichts zu tun?“ „Nein, der junge Herr hat mir nichts auf getragen. Ich wollte ohnehin mit dir alleine reden…“ Ich wurde blass vor Angst und mein Blut gefror. „Was willst du von mir?“, fragte ich und versuchte nicht ängstlich zu wirken. „Nur eine Kleinigkeit…“ Er griff in sein Jackett und zog was raus. Ich wich zuerst zurück bis ich sah, dass es ein Halsband aus feinem Satin war, der irisierte. An einem Anhänger aus Silber hing eine Kamee aus hellem Stein mit einer schwarzen Feder, wahrscheinlich aus Onyx. Ich war erstaunt. „Das ist ja schön…“ „Neben meinem Wort, als eine kleine Entschuldigung für das was war. Ich möchte, dass es keine Missgunst mehr gibt…“ Mir wurde schlecht bei seinen Worten und funkelte ihn wütend an. „Und meine Schwester?! Entschuldigst du dich nicht bei ihr?!!“ „Wie bitte?“, fragte er arglos, oder zumindest tat er offenbar so. „Sie hat’s mir erzählt! Du hast dich im Schlaf an ihr vergangen und sie geschändet!! Und dann soll ich deine Entschuldigung annehmen?!!“ „Lisabeth scheint sehr lebhafte Albträume zu haben, tut mir leid wenn ich Teil davon war…“ „DAS WAR KEIN ALBTRAUM!!! Es stimmt sie träumt lebhaft aber sie war noch nie nach einem Albtraum so traumatisiert!! Eine Zeit lang wollte sie sich zum Baden nicht mal ausziehen, nicht mal wenn nur ich bei ihr war! Und wenn sie allein im Bad zum Baden war, hab ich sie wimmern gehört!! Es hat sich minimal verbessert aber… Das verzeihe ich dir nie!!“ Das traf Sebastian hart. „Bitte… ich empfinde wirklich Reue und möchte das so gut wie es geht wieder gut machen…“ „Nachdem was du mir angetan hast? NIEMALS! Und noch weniger nachdem was du meiner Schwester angetan hast!“ Sebastian schien ernsthaft erschüttert durch meine Worte, was mich innerlich doch wunderte. „Und nun, verschwinde! Die Gäste kommen gleich!“ Ich drehte ihm den Rücken zu. „Was kann ich tun, damit die Missgunst schwindet?“ „Garnichts!“ Während ich Sebastian den Rücken zugewandt habe, schrieb ich die Rune Thurs auf meinen Handrücken ohne dass er es sah. „Nichts kann diese Schuld tilgen! Meinen Peinigern werde ich auch nie verzeihen was sie mir angetan haben. Und nun verschwinde und lass mich in Ruhe!“ Die Rune glühte kurz auf, auch die in meinem Auge glimmte. Sebastian wich zurück, während die Angst in seinem Herz wuchs. „VERSCHWINDE!!“ Und er ging leicht zitternd. Etwas entfernt knirschte er mit den Zähnen. „Das ist die Macht Wodans? Ich hab sie unterschätzt. Mit dieser Rune kann sie einer ganzen Armee Angst einjagen! Ich will dass sie mich zum König der Dämonen macht! Den Einfluss auf ihre Schwester hab ich verloren, dieser Narr Agni! Hat sich nicht an meine Bitte gehalten! Immerhin lässt er Wigburg, die Mächtigere der beiden, nicht an sich ran. Ich muss Einfluss auf sie kriegen! Nur wie… das Band was ich mit ihnen geknüpft habe in dem ich ihre Unschuld nahm, ist schwach… und selbst wenn ich sie damit dazu zwinge mich zum König zu machen, wäre die Wahl ungültig weil es nicht aus freien Willen geschah.“ Er überlegte während er seinen Weg ging. „Agni ist der einzige der mir im Wege steht, König der Dämonen zu werden. Er lenkt sie ab, sie könnte seinen Herrn wählen, ich muss ihn von Wigburg wegkriegen, aber wenn ich ihm was antue und Wigburg findet das raus, kann ich ihre Wahl vergessen… Also scheidet dieser Plan aus. Es muss ein ganz sicherer Plan sein, wenn sie, das Auge Wodans… das Auge Gottes, mich zum König wählt, können selbst die Götter meine Stellung nicht antasten.“ Eine eigene Musikgruppe!!!! Das wollte der junge Herr machen um der Sphere Music Hall, die ja viel Popularität mit ihrer Musikgruppe, den S4, hatte, die Fans abstreitig machen. Aber wie soll das Lady Elizabeth zurückbringen? Keiner konnte mir das sagen. Zwei Wochen trainierten die 5 Jungs, Clayton, Cheslock, Harcourt, Lord Edward und Soma, zu tanzen, zu singen und weibliche Fans an zu graben, wobei Lisabeth und ich immer wieder von Ciel als Testpersonen missbraucht worden sind. Beim Tanzen war Soma unangefochtene Spitze und Lord Edward eiferte ihm nach. Lisabeth nutzte fast jede Gelegenheit den Jungs beim Tanzen zu zugucken, oder besser gesagt Soma beim Tanzen geradezu mit glänzenden Augen zu bespannen, weil sie sehr angezogen von seinen Bewegungen war. Ich fand das immer lustig wenn sie das tat. Fräulein Sieglinde fand inzwischen heraus das es vier Arten von Blut gab, die einfach nach vier der hellsten Gestirne benannt worden sind und erklärten warum die Transfusionen selten klappten. Aber das war zunächst unwichtig. Die Phantom 5 oder kurz P5 wurden ein richtiger Kracher. Sebastians Training, Earl Ciels Management und Technik von Fräulein Sieglinde, der ein bisschen den patriotischen Stolz weckte, wurden die P5 sogar beliebter als die S4. Wie gerne wollten Lisabeth und ich dabei sein, unseren Soma, unsern Freund und König, auf der Bühne abgehen sehen! Endlich ergab sich eine Gelegenheit, wir bekamen frei bzw. sollten Soma nach Hause geleiten nach der Show und bekamen auch Eintrittskarten. Na gut, ich hatte ein bisschen mit den Runen As, Fehu und Gebo und zwei streifen Papier gemogelt und uns nicht ganz legal zwei Plätze besorgt, aber Hey!! Es war für meinen besten Freund und die große Liebe meiner Schwester! Es war mitreißend, aufregend, so… einfach Wow!!! Was anderes kann man nicht sagen! Trotz dass wir uns die Hände taub geklatscht haben und uns fast heiser gesungen und gejohlt haben, wollten wir natürlich nach der Show Backstage Soma zum Erfolg gratulieren und reihten uns bei den Fans ein. Lisabeth missfällt allerdings der hohe Anteil an weiblichen Fans. „Ach… das zeigt nur den Erfolg der Jungs. Außerdem die Schlange von Lord Edward ist länger und hat mehr weibliche Fans!“ „Ja… schön…“ An Lisabeths Stimme hörte ich deutlich dass es ihre Laune nicht gehoben hat. Jetzt waren wir fast dran und Soma flirtete grad heftig mit dem grad anwesenden Mädchen. „Oh, Soma geht ganz schön…“ Lisabeths Blick machte mir Angst, das himmelblau ihrer Augen, glich nun mehr einem kalten, zugefrorenen See, dessen Krachen ich sogar in meinen Ohren hörte. „Ähm… Lieschen…“, versuchte ich leise, die Wogen zu glätten. „Du weißt doch dass das Schmu ist! Er tut nur so! So wollte es der junge Herr!“ „Dafür macht er es richtig gut.“, sagte Lisabeth mit ebenso kalter Stimme. „Lieschen… Schwesterherz…“ „Ich will nachhause…“ Und sie wollte Richtung Ausgang. „Lisabeth!! Bleib hier!!“ „Ich geh nachhause, bin müde…“ „Elisabeth Herman!! Bleib zumindest hier bis der Trubel rum ist!!! Wir haben Agni versprochen Soma nachhause zu geleiten!“ Sie grummelte und stampfte auf, aber blieb in der Nähe des Eingangs. Jetzt war ich gleich dran und sah wie das Mädchen versuchte Soma zu küssen, aber er hielt sie ab. „Hey! Nicht so stürmisch, Süße! Morgen hast du immer noch was von mir. Kommst du morgen?“, sagte er mit verführerischen Blick „JAAAA!“ „Sehr schön, ich freue mich auf dich!“ „Super! Gut!“ Ich schob das hyperventilierende Mädchen zur Tür und kam rein. „Jetzt bin ich dran!“ „Hey Wigburg!!“ Soma freute sich riesig mich zu sehen. „Toll dass du da bist! Wo ist Lisabeth?“ „Sie… äh… wartet draußen auf uns, es ist mächtig Trubel hier.“ „Ja, aber es war super!“ „Ja! Du warst klasse!! Der König der Nacht!“, antwortete ich mit einem Klaps auf die Schulter. „Wollen wir das nachher mit nem Kirschmichel feiern?“ „Gern, aber ich sollte lieber ins Bett um morgen fit zu sein.“ „Dann eben morgen, dann kann ich noch Vanillesoße machen.“ „Au ja!!!“ „Gut! Dann bis später!“ „Bis später!“ Jetzt war es endlich rum! Nachdem die Fans weg waren und Soma sich umgezogen hat, kam er zu uns, die am Eingang auf ihn warteten. Lieschen war dennoch schlecht gelaunt. „Na, da bist du ja.“, sagte ich lächelnd. „Dann lass uns heimgehen, Ciel ist bestimmt schon wieder in der Villa.“ Dabei fasste er direkt nach Lisabeths Hand, welches sie verwunderte. Doch ich ahnte was. „OH!“, rief ich gespielt überrascht. „Verdammt, ich muss meine Handschuhe in der Garderobe vergessen haben! Geht ihr beide schon mal vor! Ich komm gleich nach!“ Und ging zur Garderobe. In Wirklichkeit hatte ich mir heimlich die Handschuhe ausgezogen und mir in die Manteltasche gesteckt, nur um einen Vorwand zu schaffen, die beiden allein zu lassen. „Aber Wigburg…!“ „Mach dir keine Sorgen um deine Schwester. Gehen wir schon mal vor.“ Lisabeth lässt sich verwirrt von Soma mitziehen, während ihr Herz klopft. Draußen auf der Straße gingen die beiden Hand in Hand. Lisabeth war rot im Gesicht und völlig durcheinander. Ich folgte den beiden heimlich, weil ich es vor Neugier nicht aushielt. „Wo gehen wir hin?“, fragte Lisabeth, als sie merkte, dass Soma einen ganz anderen Weg einschlug. „Ich dachte, wir könnten einen kleinen Spaziergang machen bevor wir zurückgehen.“ „O…okay…“ Sie kamen in den Stadtpark, wo der Mond durch einen Wolkenschleier schwach die Szenerie beleuchtet. „Ich war schon lang nicht mehr im Park gewesen…“, meinte Lisabeth überrascht. „Ein bisschen unheimlich hier…“ „Hast du Angst vorm Dunkeln?“, lachte Soma. „Nein!! Warum auch? Bin ja nicht mehr 2 Jahre alt!“ „Ich hab dich und Wigburg im Publikum gesehen.“ „J… ja, echt?“ „Ja!“ Dabei sah Soma ihr direkt ins Gesicht und sie wurde noch roter. „Ich hab mich so gefreut dass du da warst! Und…“ Jetzt wurde Soma selber etwas rot. „… eben weil du da warst und mir zugesehen hast, hat es mich noch mehr motiviert mein Bestes zu geben!“ Lieschens Herz zerbärste fast, so doll schlug es nun. Ich hatte mich hinter einem Mäuerchen versteckt und beobachtete die beiden. „Na komm schon!!“, dachte ich. „Eine bessere Gelegenheit gibt es nicht! Tu es!“ Soma hatte nun sacht ihre beiden Hände in den seinen und sah ihr tief und sanft in die Augen. Lisabeth wusste nicht was sie machen sollte und sah ihn verwirrt an. „Soma?“ „Lieschen…“ Sie zuckte zusammen, weil nur ich oder unsere Mutter sie so genannt haben. Soma streichelt sogar sacht ihre Wange. „Ich bin so froh nach England gekommen zu sein…“ Soma hatte die Lautstärke seiner Stimme gesenkt und sein indischer Akzent ließ seine Worte noch weicher klingen, so dass Lisabeth völlig wehrlos war. „… nicht nur weil ich Freunde gefunden habe und dass wahre Leben besser kennen gelernt habe, sondern…“ Soma näherte sein Gesicht Lisabeths glühenden Gesicht. „…weil ich auch dich kennen gelernt habe…“ Er schloss die Augen, Lisabeth zittert leicht. Will er sie küssen?! „Ja! Tut es, tut es, tut es, tut es, tut es…!!“ Ich bebte fast vor Aufregung. Grad als Lisabeth auch nun die Augen schloss und Somas Lippen fast ihre berührten… „WAS IST DAS FÜR EINE SITTENLOSIGKEIT!!!!!????“ Die Stimme eines alten Mannes mit langem Mantel, Gehstock und Zylinderhut zerriss die Stimmung und verschreckte die beiden. „In aller Öffentlichkeit sich küssen?!! Wo sind wir?! In Sodom und Gomorrha?!!“ „WIR HABEN UNS NICHT GEKÜSST!!!“, riefen Lisabeth und Soma gleichzeitig, guckten sich dann aber peinlich berührt an. „Die Jugend heutzutage!!! Keine Sitte und Moral!!! Dadurch und durch die ganzen Inder und Chinesen wird unser Land untergehen!!!“ „Schnauze, alter Tattergreis!!!“ Das hatte Lisabeth vor Wut auf Deutsch gesagt, was sowohl Soma als auch den Alten erschreckte. Der Alte schimpfte was Unverständliches und wackelte auf seinem Stock davon. „Äh… was hast du zu dem Alten gesagt?“, fragte Soma nach einer Weile unsicher lächelnd. „Äh… nichts Nettes auf jeden Fall… Solche verkalkten alten Männer sind der wahre Untergang des Landes und nicht…“ „Hehehe… Ja, okay… verstanden…“ Immer noch peinlich berührt, blieben die beiden stehen und starrten vor sich hin. „Ähm… Gehen wir besser nun heim…“ Lisabeth griff nun ihrerseits nach Somas Hand und die beiden gingen nun direkt zur Villa. Ich hatte längst mein Versteck verlassen. Der alte Mann ging weiter ohne was Böses zu ahnen, höchstens über das was er gesehen hat, weiter grummelnd. „Is, Madur, Is… mach mich klar wie Eis…“ Mein Körper wurde durchsichtig, das war komisch aber nicht das erste Mal. Ich schlich mich an den Alten ran und… PAUTZ! Mein Stiefel traf den Alten in seinen Hintern und er flog auf die Nase. Der Alte drehte seinen Kopf geschockt um, sah aber durch mich durch. „Hoffentlich sieht er nicht meinen Umriss…“ „Wer war das?!! HILFE!!! HILFE!!! POLIZEI!!!! ICH WURDE ÜBERFALLEN!!!“ Und er stolperte verängstigt davon, schneller als ich es bei seinem Alter und seiner Statur geschätzt hätte. „Hihi, hat funktioniert! Hat vor Panik mich nicht gesehen! Selbst schuld, wenn er den schönsten Moment meiner Schwester und meines besten Freundes vermiest! Aber recht praktisch dieser Zauber…“ Jetzt aber machte ich mich auch auf den Weg nach Hause und kam kurz nach Soma und Lisabeth dort an. Kapitel 13: Ausgelöscht ----------------------- Das dritte Pfandhaus in London, wieder eine lange Schlange. Das vierte Pfandhaus, wieder jede Menge Leute, die ihre Silberarmbänder abgeben wollten, als es in der Zeitung stand dass wegen der Sphere Music Hall Menschen gestorben seien. Auch im fünften Pfandhaus sah es nicht besser aus. „So ein Mist! Stimmt das überhaupt in der Zeitung?“, fragte Lisabeth. „Ich weiß nicht, aber es macht viel Rummel.“ „Unsere Armbänder sind momentan nix wert.“ „Ja, leider… Hoffentlich ist der Mantel für Mama noch da wenn unsere Bänder wieder was wert sind…“, sagte ich seufzend und Lisabeth und ich gingen zurück zur Stadtvilla. Unser freier Nachmittag verschwendet! Frustriert kamen wir wieder heim, zuerst wollten wir im Salon nachhorchen ob wir noch gebraucht werden, es war ja Teatime, ansonsten würden wir uns verdrücken und ein bisschen faulenzen wollen. ~„…Da kommt wohl wieder Ihr Drang zum Streichespielen zum Einsatz, nicht wahr?“~, sagte ein uns fremder, junger Mann im fröhlichen Ton. ~“Ciel war mal ein Lausbub, der Streiche spielte?!“~, hörten wir nun Somas Stimme. ~“Sicher!“~ „Der junge Herr und Streiche?“, fragte Lieschen. „Spricht er da von der ein und derselben Person?“, fragte ich schmunzelnd. Doch spitzten wir nochmal die Ohren. ~“Er war wie ein Sack voll Flöhe! Lord Vincent und Tanaka-san konnten ihn kaum bändigen.“~ ~“Genug mit all den Lügen.“~, hörten wir den jungen Earl knurren. „Das kann niemals unser junger Herr sein.“, sagte ich kopfschüttelnd aber immer noch schmunzelnd. „Vielleicht ist er so geworden wie wir ihn kennen, nachdem seine Eltern gestorben sind.“ Ich nickte Lieschen zu. ~“Ach bitte!! Könnt ihr Euch noch an Euer Familienfoto erinnern? Ich musste wieder und wieder ein Foto machen, weil ihr nicht still sitzen konntet. Ich trage es immer mit mir herum!“~ ~“Wirklich? Zeigt es mir!“~ ~“Hier!“~Dann ertönte ein heftiges Rascheln. ~“Zeigt das nicht einfach so herum!!“~, schrie der junge Herr. ~“Warum bist du plötzlich so sauer, Ciel?“~ Doch der junge Mann der das Foto zeigen wollte lachte nur und wir sahen uns verwirrt an. „Wigburg. Elisabeth.“ Es war Agnis Stimme hinter uns. „Oh, Agni!“ „Und… Inspektor Abberline?“ Den Inspektor hatten wir nur einmal gesehen, aber Lisabeth erkannte ihn sofort. „Der Inspektor möchte zum Earl.“ „Okay…“ Wir traten zur Seite, Agni klopfte an die Tür und er trat mit dem Inspektor ein. Sebastian bat dann aber alle anwesenden den Raum zu verlassen. Wir wollten wieder an der Tür lauschen. „Lasst das, ihr beide.“, meinte Agni beschwichtigend. „Aber… wir wollen wissen was los ist!“, sagte ich schmollend. „Junge Frauen sollten sowas nicht machen, das ist doch recht kindisch.“ Er fasste mich sacht an den Schultern und schob mich sanft aus dem Flur in die Eingangshalle und Lisabeth folgte. „Habt einfach Geduld.“ Er lächelte sanft und ich war betäubt dadurch. Dann wandte er sich ab. „Davon lassen wir uns nicht aufhalten, oder Wigburg? Wigburg?“ „Sein Lächeln… Sein Griff…“ Mein Gesicht glühte und mein Herz klopfte. „Wigburg!“ Lisabeth schnippste mir gegen die Nase. „AU!! Äh? Ähm, ja, stimmt!“ Wir holten uns Gläser aus der Küche und schlichen uns in das Spielzimmer, wo der Billiardtisch stand und an dem Salon angrenzte. Mit den Gläsern an der Wand angelegt und an unseren Ohren, lauschten wir. Das Thema war die Sphere Music Hall und die Tode dazu. Der junge Herr gestand, offenbar stolz, dass er die jüngsten Todesfälle in Kauf genommen hatte um die Täter auf frischer Tat zu ertappen und er hatte dafür die P5 gebraucht. „Oh nein…“ „Er hat die Jungs sozusagen zu Mittäter gemacht…“ „Soma…“, wimmerte Lieschen ängstlich. „Das lassen wir nicht zu!“, sagte ich entschlossen zu Lieschen und hielt ihre Hände. „Allein weil er unser Freund ist und du ihn liebst. Außerdem ist es unsere Pflicht als Wala unseren König zu beschützen. Oder?“ „Ja…“ „Siehst du?“ Ich lächelte Die P5 wurden aufgelöst, weil das „Ziel“ erreicht wurde, auch wenn Lady Elizabeth nicht auf zu finden war, aber der Rest der Gruppe musste noch ihre Schule machen. Soma und Fräulein Sieglinde waren natürlich nicht begeistert, wir allerdings waren froh, dass dieser Mummenschanz zu Ende war und somit Soma nicht in Fokus von Scotland Yard geraten könnte. Den Nachmittag dieses regnerischen Novembertages sollten wir nutzen um die Gästezimmer, wo die restlichen der P5 genächtigt haben aufzuräumen und zu putzen. Dadurch hörten wir nicht im Flur wie Agni den jungen Earl mit dem Fall der Sphere Music Hall konfrontierte. ~“…ich würde Euch raten, in Zukunft meinen Herrn nicht in solche gefährlichen Unternehmungen zu verwickeln.“~ ~„Verstehe. Ich werde in Zukunft nicht mehr auf euch setzen.“~ ~“Ihr missversteht mich… Mein Prinz wollte Euch unterstützen, weil Ihr sein Freund seid…“~ ~“Ich habe ihn nie als Freund betrachtet.“~ Agni war schockiert. ~“Sagt, habe ich euch jemals eingeladen bei mir in England zu bleiben?“~ ~“Nun, nei…“~ ~“Ihr zwei mischt euch in meine Pläne ein… Es werden alle in meinem Umfeld als Spielfiguren nach Bedarf eingesetzt. Wenn euch das nicht gefällt, solltet ihr besser gehen.“~ „Genauso auch die Mädchen? Bei der Sache mit den Mädchenfängern? Waren sie auch Eure Spielfiguren?“ Der junge Herr blieb betroffen stehen. „Zugegeben, ich hätte eine ähnliche Methode angewandt wenn sich Gelegenheit geboten hätte, aber es war ihr eigner Wille, dass sie sich in Gefahr gebracht haben! Ich habe sie nicht darum gebeten!“ „Ihr hättet aber es zugelassen, dass sie in die Fänge dieser Bastarde gelandet wären?!“ Agni merkte nicht wie er seine Stimme anhob. „Bis zu dem Zeitpunkt wo ihr das Haus verlassen habt und den beiden hinterher geschlichen seid, habe ich nix von dem ganzen gewusst, in Ordnung?! In diesem Fall trifft mich keine Schuld!!“ „Ich hätte es mir nie verziehen wenn den Mädchen… wenn man Wigburg dazu gezwungen hätte…“ Auf einmal lächelte der junge Herr spöttisch. „So? Man könnte meinen du hättest Gefühle für eine der beiden entwickelt, so wie du redest. Für Wigburg, richtig?“ „Sie ist meine Schülerin! Und sie ist meine beste Freundin. Wenn ihr was passiert wäre und ich hätte ihr nicht helfen können, wäre ich ihre Freundschaft mehr nicht wert…“ „Natürlich… Einer wie du verfällt bestimmt schnell ein Paar blattgrüner, harmlos wirkender Augen und noch doller wenn ein hübscher Hintern dran hängt.“ „Ihr Körper interessiert mich nicht!!! Sie ist nur meine beste Freundin!“ Agni wusste dass man ihn erwischt hatte. Es hatte keinen Zweck zu leugnen. „Das sagen alle. Ich rate dir lieber, vergiss sie! Im April sind die beiden auf den Weg zurück in ihre Heimat. Dein Herr könnte Glück haben und Lisabeth als seine Konkubine mitnehmen aber ich bezweifle, dass Peter Herman seine älteste Tochter einem einfachen Diener überlassen würde, selbst wenn seine ehemaligen Schwiegereltern und damit ihre Großeltern bäuerlicher Herkunft sind. Deshalb, gebe sie besser auf, so lange du es noch kannst.“ Dass er Agni getroffen hat, war bestimmt Absicht. Der junge Earl wandte sich nun zum Gehen. ~“Sebastian, folg mir!“~ ~“Ja.“~ ~“Herr Ciel…!!“~ ~“Die Zufriedenheit meiner Königin steht an erster Stelle.“~ Mit einem zufriedenen und selbstgefälligen Lächeln folgte Sebastian seinem Herrn. ~“Mr. Agni, ihr seid ein vorzüglicher Butler…“~ Sebastian war mehr als zufrieden über die Worte seines Herrn und freute sich riesig. „Jetzt wird er keine andere Wahl haben als Wigburg das Herz zu brechen, jetzt wo auch der junge Herr ihm ins Gewissen geredet hat! Und wenn ihr Herz gebrochen ist, ist auch ihr Wille gebrochen den Prinzen zu wählen. Und wer wird dann zu ihr kommen und die Wunden heilen, die er verursacht hat? Der, den sie rechtmäßig zum König wählt. MICH!“ Der Nachmittag ging weiter und wir wurden langsam mit unserer Arbeit fertig. Ich seufzte wie ich zum Fenster in den Regen raus sah. „Schon November… ein halbes Jahr noch…“ „Ja…“, sagte Lieschen während sie mit mir die Laken gerade zog. „Dann geht’s nach Hause…“ „Ja…“ Doch Lieschen hatte einen entspannten aber entschlossenen Ausdruck im Gesicht. „Wigburg… Ich habe eine Entscheidung getroffen…“ „Und die wäre?“ „Ich werde Soma sagen was ich für ihn fühle und mit ihm nach Indien gehen.“, sagte sie lächelnd. Ich glaubte nicht richtig gehört zu haben. „Was?! Bist du dir sicher? Indien ist weit weg und du kennst nicht mal die Sprache!“ „Ja, das weiß ich. Aber Soma wird es mir alles beibringen, vielleicht arbeite ich in seinem Palast. Hauptsache ich bin bei ihm, das ist mir am wichtigsten…“ „Ja, das ist mir klar wie wichtig Soma dir ist und ich habe nichts dagegen, ich stehe auch hinter deiner Entscheidung, aber ich bitte dich nochmal nachzudenken! Ich werde dich auch nicht aufhalten bei deinem Vorhaben, ich bitte dich nur ordentlich darüber nachzudenken.“ „Das habe ich auch! Sogar mehrmals und ich habe mich entschieden. Papas Meinung ist mir egal, er soll bloß die Klappe halten.“ Über diese Aussage freute ich mich, in Indien hätte unser Vater keinen Einfluss auf sie und sie wäre frei, einigermaßen. „Und Mama?“, fragte ich nun. „Mama… Mama wird auch Verständnis haben, wenn wir gehen…“ „Wir?“ „Natürlich wir! Du kommst mit! Ohne dich gehe ich nicht, so wie wir es uns versprochen haben, weißt du noch?! Und was ist mit Agni? Willst du nicht mit ihm gehen?!“ „Doch!! Schon!! Aber… ich bin mir nicht sicher was er über mich denkt… ich krieg nichts raus aus ihm …“ Eine Träne rann mir dabei über die Wange, die ich frustriert wegwischte. Doch Lisabeth lächelte nur und hielt meine Hände. „Weißt du was? Ich verrate dir ein Geheimnis: Soma sagte mir, dass er sich 100%ig sicher ist, dass Agni dasselbe fühlt wie du…“ „Wirklich?“ „Ja! Immerhin kennt er Agni länger als du! Und mich würde er bestimmt nicht anlügen.“ Ich zögerte, weil ich unsicher war. „Zugegeben… wir haben alle zu lange gewartet… wir müssen das selber in die eigene Hand nehmen, wie Mama.“ „Ja…“, sagte ich dann doch getröstet. „Mama wäre stolz auf uns, wenn wir unser Schicksal in die Hand nehmen. Und das ist bei den beiden, allein weil Soma unser Königskandidat ist.“ „Genau! Noch bevor der Tag zu Ende ist, haben wir es endlich den beiden gesagt!“ „Ja und wir werden Mama schreiben wie wir uns entschieden haben, Papa muss nichts davon wissen, er würde nur stören!“ „Genau.“ Dann hörten wir unten wie die Haustür aufging und wie Somas Stimme sagte: ~„Ach, du bist’s!“~ „Wie? Schon zurück?“, fragte ich. „Eigenartig… gehen wir besser runter und empfangen ihn.“ Und wir gingen die Treppe runter in die Eingangshalle, wo… Soma und Agni waren zur selben Zeit im Salon, wo Agni seinem Herrn Tee und sein Lieblingsdessert Gulab Jamun servierte. Vorsichtig und mit den Worten von Ciel im Kopf, wollte er seinen Herrn zur Heimkehr überreden weil er ja viel gelernt und gereift sei, wo ja auch Soma zustimmte und sich mit Ciel verglich oder besser gesagt Unterschiede zwischen ihm und Ciel feststellte: ~“…Ihm ist die Liebe aller um ihn herum bewusst, er nimmt sie nur gar nicht an. Als hätte er Angst davor glücklich zu sein. Ciel sagt, dass er ein Rächer sei. Er will alleine bleiben. Bestimmt kommt er auch ohne mich aus. Selbst sein furchterregender Butler jagt ihm keine Angst ein. Er ist stark.“~ ~“Nun…“~ ~Aber ich wäre so gerne sein „Agni“.“~ Das überraschte Agni selbst. ~“Wenn ich schwach war, hast du mich gestärkt. Weil du da warst. Ich will auch für jemanden der Fels in der Brandung sein. Vielleicht werde ich dabei verletzt. Auch wenn Ciel es nicht wünscht werde ich sein Freund sein.“~ Agni war gerührt von den Worten seines Herrn. ~“Prinz Soma…“~ ~“Und mit diesem Diener an der Seite kann er jede Hilfe gebrauchen!“~, meinte Soma doch mit nem heftigem Schlottern in den Knien. ~“Der sollte bei dir mal in die Lehre gehen, Agni!“~ ~“Ihr ehrt mich, Prinz.“~ ~“Ich will noch etwas in England bleiben. Lässt du mich, Agni?“~ ~“Jo Aagya.“~ Dabei kniete er lächelnd vor Soma. Aber auch Soma lächelte. „Und wenn wir doch England verlassen, gehen wir zuerst nach Deutschland, in die Heimat von Lisabeth und Wigburg. So oder so, müssen wir einmal dahin!“, setzte Soma fort. „Stimmt. Wigburg hat auch mir so viel von Deutschland erzählt.“, stimmte Agni zu. „Die dichten Wälder voll Geheimnisse, die alten Bäume in denen ihre Vorfahren ihre alten Götter gesehen haben…“ „Wir müssen einmal dahin, weil ich eine wichtige Entscheidung getroffen habe.“, sagte Soma mit stolzgeschwellter Brust und seligem Blick. „Was für eine Entscheidung?“ „Ich werde Lisabeth heute Abend meine Liebe gestehen und sie fragen ob sie meine Frau werden will! Hoffentlich ist Ciel wieder da, damit er Zeuge davon wird.“ Agni war sehr überrascht. „Prinz, Ihr wollt Elisabeth wirklich heiraten?“ „Ja! Und, ja ich weiß! Sie ist weder Inderin, noch Hindu, noch adelig, ist mir auch egal! Ich liebe sie und ich werde sie heiraten. In Deutschland werden wir es ihren Eltern verkünden.“ „Prinz, Ihr seid Euch bewusst dass der Raja Euch deswegen aus der Thronnachfolge ausschließen könnte oder Euch gar den Status als Prinz aberkennen könnte, wenn Ihr Elisabeth heiratet.“, mahnte Agni besorgt. „Das weiß ich und es wäre mir egal. Das habe ich auch von Lisabeth und Wigburg gelernt. Dass man manchmal auch auf was verzichten muss, wenn man etwas will. Und dass es oft sogar besser ist. Die beiden haben mich auch nie als Prinz angesehen, sondern als Soma und mir gezeigt dass kein Prinz sein nichts Schlimmes ist. Wigburg hat mich angeschrien und beleidigt, Lisabeth hat mich mit dem Schlitten entführt und beide haben mir bittere Medizin gegeben, aber es hat mir geholfen meinen Hochmut abzulegen und einen klareren Blick zu kriegen. Und zwar das Lisabeth mir mehr gegeben hat als ich je von Meena gewollt habe. Lisabeth hatte mein Heimweh vertrieben, sie hat mich zum Lachen gebracht und sie hat Gefühle geweckt, die ich nicht mal bei Meena gefühlt habe. Lisabeth… macht mich einfach glücklich! Und deshalb bin ich bereit meinen Stand als Prinz zu opfern um den Rest meines Lebens mit ihr zu teilen.“ „Vielleicht wird es anders kommen, immerhin kann es sein dass durch die beiden Ihr König werden könntet. Die beiden sind ja Walas und es ist ihre Pflicht einen König zu wählen.“, gab Agni zu. „Wer weiß…“ Soma sah dann Agni herausfordernd an. „Agni, mach besser Wigburg auch einen Heiratsantrag!“ „Was?! Aber… das ist unmöglich!“ „Oh nein, das ist es nicht! Ich habe bereits gesagt, du kannst nicht lügen! Du liebst Wigburg mit Haut und Haaren! Ich glaube sie ist dir sogar wichtiger als ich!“ „Nein… so… so kann man das nicht nennen…“ „Sie wird bestimmt nicht Nein sagen. Du verdienst sie und sie verdient dich. Eine starke Frau an deiner Seite wird dir gut tun. Also Hör jetzt auf dich selbst an zu lügen und frage Wigburg ob sie deine Frau sein will.“ Agni machte ein gequältes Gesicht bis man Pferde und ein „Brrrr!“ hörte. ~“Besuch?“~ ~“Ich gehe zur Tür.“~ ~“Nein, lass! Setz du noch bitte Tee auf!“~ Und Soma ging raus in die Eingangshalle. Agni räumte schon das Geschirr zur Seite. ~“Da habe ich mir umsonst Sorgen gemacht. Auch in Zukunft werde ich ihn beschützen, bis diese beiden zu Freunden geworden sind…“~ Mit einem leichten Stich hielt er inne um ein paar seiner Gedanken zu ordnen. „Vielleicht… vielleicht hat der Prinz recht, ich sollte zumindest Wigburg sagen was ich für sie empfinde, um mich von dieser Last zu befreien. Aber ich werde ihr alles Glück der Welt für ihre Ehe wünschen.“ Ein leichtes aber auch etwas bitteres Lächeln der Erlösung huschte über das Gesicht. Schritte waren auf der Treppe zu hören, wir kamen grad runter. ~“So, in diesem Raum sollte es etwas wärmer sein.“~ Und Agni begann die Asche aus dem Kamin zu entfernen um neues Holz auf zu legen. Dabei entdeckte er was! Ein verkohlter Teil eines Fotos mit dem jungen Earl als Kind. ~“Das ist ja… Das ist das Familienfoto von Herrn Ciel. Warum ihm das so peinlich war?“~ Schmunzelnd setzte Agni seine Aufgabe fort, dabei fand er einen weiteren Schnipsel des Fotos und beschloss diese zu sammeln, aber... was sah er da?! ~“Ach, du bist’s!“~, sagte Soma wie er die Tür öffnete. „Willkommen.“, sagte ich, während Lisabeth hinter mir war als wir die Treppe runter gingen. ~“Komm rein, dir ist sicher kalt! Agni hat Gulab Jamun zubereitet!“~ „Ähm…“ Lisabeth legte besorgt den Kopf zur Seite. „Irgendwas stimmt da nicht… das fühle ich…“, flüsterte ich zu ihr, als ich und meine Schwester nun am Fuße der Treppe waren. Soma wurde seltsam angestarrt. ~“Hm? Was ist denn? Beeil dich, sonst ess ich dir alles weg. Du siehst so anders aus. Ist was passiert?“~ Lisabeth zitterte und ich war nervös. ~“Hast du Fieber?“~ Und Soma wollte schon die Hand ausstrecken, da klickte es. ~“Fass mich nicht an!“~ Lisabeth schrie auf als sowohl sie als auch ich sahen wie Soma eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. „Soma!!“ ~„PRINZ SOMA!!“~ BAMM!! Er hat auf Soma geschossen!! Doch Soma bekam den Schuss nur in die Hand und einer seiner Ohrringe wurde abgeschossen. Soma hatte noch rechtzeitig ausweichen können, aber der Schmerz war trotzdem groß, so das Soma zu Boden ging. ~“AHHH! Wie… Wieso?“~ „Soma!“ „Du feiges Schwein!!“ Ich spüre meine Rune mit meinem Zorn aufglühen, aber bevor ich einen Muskel bewegen konnte, hatte Agni mit wütendem Brüllen seine Bandagen abgerissen um sich auf den Eindringling zu stürzen. „Agni!“ Soma war wie gelähmt, mir und Lieschen ging es nicht besser. „Vorsicht!!“ Aber meine Warnung kam zu spät. Er hatte ein Messer in der Seite!! Ich hörte mich selber schreien als wäre ich erstochen worden, während mein Körper sich taub anfühlte. NEIN!!! Das musste ein Alptraum sein! Warum wache ich nicht auf?! ~“Ich übernehme das…“~, sagte der Angreifer tonlos. ~“Agni!“~ „Nein, nicht…“ Aber dennoch, wollte Agni wildentschlossen wieder zuschlagen, der Angreifer wich aber aus und Agni zerschmetterte das Treppengeländer. „Bjarkan, bleib fern!“ So konnte ich die Holzsplitter mit Runen aufhalten, weil Lieschen und ich neben der Treppe standen. Schnell wichen wir aus, aber grad wie Lisabeth zu Soma wollte, wurde sie von einem erneuten Aufschrei von mir abgelenkt. Jetzt hatte der Angreifer urplötzlich von vorne Agni das rechte Auge ausgeschlitzt! Ich musste doch was machen! „Is, Madur. Schützt seinen Körper vor Schlag und Stich!“ Ich hatte die Runen gezeichnet und wollte dann Agni berühren um diese auf ihn übertragen, während er mit dem Angreifer rang. Ich merkte aber nicht, in meinem Drang den Mann zu retten, den ich liebe, wie die Pistole auf mich gerichtet wurde. „Schwester! Vorsicht!“ Lisabeth hatte es aber gesehen, umschlang meine Beine und riss mich zu Boden. Im selben Augenblick verfehlte der Schuss uns beide. Meine Faust traf auf den Boden und da wo die Faust aufschlug, entstanden Eiskristalle. Verdammt! Der Zauber war verschwendet! Dann aber wurde wieder auf mich und Lieschen gezielt. Ohne großartig nachzudenken umklammerte ich meine Schwester und sprang wie ein Frosch mit ihr zur Seite, landete aber auf meinen Bauch. Hatte Sebastian Recht und war ich so flink aber unerfahren? Wieder ein Schuss! Der galt Soma aber Agni hatte den Schuss mit seinem Körper aufgehalten! „AGNI!!“ Dieser aber packte, Blut spuckend, seinen Herrn und wollte in Richtung der Küche. „Wigburg! Elisabeth! Verschwindet! Bringt euch in Sicherheit!!“, sagte er gurgelnd, während er schweren Schrittes Soma mit sich schleppte. „Nein Agni, lass mich los!!“, protestiert Soma. Lisabeth war aufgestanden und wollte zu Soma, ich hinterher aber bevor ich aufstehen konnte… Dieser Schmerz!! Ein Messer steckte in meiner Hand und nagelte mich am Boden fest! Der Angreifer hatte es nach mir geworfen und meine rechte Hand getroffen!! Während ich verzweifelt versuchte das Messer rauszuziehen, heulte und schrie ich vor Schmerz. Agni blieb kurz mit Soma stehen, Lisabeth eilte zu mir. „Wigburg!!“ Nun versuchte sie das Messer rauszuziehen, aber schon wurde wieder die Pistole auf uns angelegt. „Lisabeth!! Lass mich los Agni!“ Agni hielt aber immer noch seinen Herrn fest, offenbar unsicher, wen er nun retten soll. „Beiß die Zähne zusammen!“ Und Lisabeth hebelte das Messer raus. Das vergrößerte meine Wunde und dadurch die Schmerzen, aber ich war frei! Dem Schuss wichen wir aus als wir zu Salontür sprangen. Lisabeth schloss die Tür und ließ das Schloss mit Wurzeln durch die Rune Bjarkan blockieren. „Was jetzt?“, fragte sie, leichenblass und verängstigt. „Was hab ich getan…?“ „Wir müssen weg… Der Lüftungsschacht! “sagte ich, wie ich meine brennende Hand hielt und zu einer oberen Zimmerecke guckte und das Gitter des Lüftungsschachtes gesehen. „Der Lüftungsschacht?! Passen wir da überhaupt durch?!“ „Ansonsten müssen wir es mit Wurzeln oder Eis aufstemmen!“ Wir stiegen auf einen Stuhl, sprengten das Schloss des Gitters auf und kletterten in den Schacht. Einige Stellen mussten wir doch mit Eis breiter machen, aber wir kamen durch den staubigen und engen Schacht, bis wir zu einem anderen Gitter kamen. Nachdem es aufgesprengt wurde und wir uns raus zwängten, bemerkten wir dass wir im Keller waren. Schnell verbarrikadierten wir uns im Kohlespeicher. „Oh Gott… Wa… warum…“ Ich wimmerte. Mir war auch schlecht vor Angst. „Vielleicht hätten wird die beiden nicht alleine lassen sollen…“, sagte Lieschen weinend. „Es wird alles gut… Er sagte, wir sollen uns in Sicherheit bringen… alles wird gut…“ Meine Stimme war schwach, ich schaffte es nicht mir Mut zu zureden. „Das war eine schlechte Idee…“, sagte Lisabeth, als sie sich umsah. „Wir sitzen in der Falle wenn man uns findet!“ „Das stimmt… ähm… warte!“ …„Beiß die Zähne zusammen!“ Und Lisabeth hebelte das Messer raus. Das vergrößerte meine Wunde und dadurch die Schmerzen, aber ich war frei! Den Schuss wichen wir aus als wir zu Salontür sprangen. Lisabeth schloss die Tür und Agni musste sich nicht mehr entscheiden. Seine letzten Kräfte mobilisierend, denn er verlor sehr viel Blut, schleppte er Soma mit sich. Den Schmerz den er verspürte, wie ihm immer und immer ein Messer in den Rücken gerammt wurde, schenkte er wenig Beachtung, sein Herr musste in Sicherheit!! Soma versuchte sich loszureißen, schaffte es aber nicht. Da war nun die Küche vor ihnen!! Agni drückte seinem Herrn noch die Fitzel des Fotos in die Hand, bevor er Soma in die Küche sperrte und selber die Tür zuhielt. ~“…Ahnungslos, wie viele Seelen Ihr geholfen habt, nur weil ihr uns das Licht bringt. Darin seid Ihr wirklich ganz wie die Sonne selbst. Mein Prinz, nur mit eurem Licht konnten meine Tage beginnen, eine brise haucht Leben in mein stilles Herz und die ruhige Nacht heilt mein Leiden. Ich bete dafür dass Euer Licht nie verlischt. Denn da bin ich mir sicher, vor Eurem Strahlen kann kein Eis bestehen~… Elisabeth, dank dir strahlt das Herz meines Herrn heller denn je, du die Morgenröte die der Sonne morgens entgegen lächelt. Dank dir, haben auch Schatten ihre Schrecken für ihn verloren. Sei weiter für den Prinzen da, er wird dich brauchen, auf dass du der Sonne weiter ihr Strahlen verstärkst, Elisabeth Herman, meine teure und liebe Freundin… Wigburg… Einer Frau wie dir bin ich noch nie begegnet. Die ins Dunkel gestoßen wurde aber von selbst leuchtet und sei es zum Trotz oder um anderen Mut zu machen, wer weiß warum. Aber dein Leuchten in der Nacht, ließ mich alles aus einem anderen Licht sehen. Da gleichst du den Sternen in der Nacht, die dem Dunkel trotzen. Der Prinz schenkte mir das Leben, du schenktest mir Liebe, auch wenn offenbar die Götter es nicht wollten, dass wir in diesem Leben zusammen sein würden. Ich bete, dass du endlich Glück findest. Verzeih mir, dass ich dich nicht noch ein letztes Mal sehen kann und dir alles sagen kann was ich fühle. Bitte, denk an mich, wann immer du kannst, vielleicht darf ich im nächsten Leben der Deine sein, meine Wigburg…“ Die Messer spürte er fast nicht mehr. Nein, er fühlte sich irgendwie gelöst. ~“Die Tür, Agni!! Mach sofort auf!!!“~ ~“Prinz Soma… Ich, Agni war voller Freude Euer Diener…“~ Der letzte Stich… Lieschen wimmerte, ich hielt sie im Arm. Über uns hörten wir kratzende Geräusche, als ob etwas an der Wand kratzte. „Was passiert hier? Ich hab Angst…“, sagte sie. „Ich auch… Agni… Soma… wo seid ihr? Geht’s euch gut?“ „Wir hätten die beiden nicht allein lassen sollen…“ „Bestimmt haben sie sich versteckt… bestimmt geht es ihnen gut…“ „Aber du hast doch gesehen, dass…“ Dann ertönten Schritte! Wir wagten es nicht mal zu Atmen! Die Schritte kamen näher!! Dann ging die Tür auf! „Wo sind die beiden nur?!“ Kein Mucks!! „Das Fenster… Sind sie geflüchtet?“ Ja, wir hatten das Kellerfenster geöffnet und einen Schuh rausgeworfen um eine Flucht vorzutäuschen. Wir selber hatten uns in der Kohle vergraben und uns so versteckt. „Egal… Es gibt wichtigeres…“ Die Schritte entfernten sich. Immer noch blieben wir still. Erst Ewigkeiten später weinte Lieschen wieder. Wieder warten… Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war… Minuten? Stunden? Warum kommen die beiden nicht?! Warum suchen Agni und Soma uns nicht?! Sind sie etwa…?! Nein, das dürfen sie nicht! „Wir hätten sie nicht allein lassen sollen…“, weinte Lisabeth verzweifelt und klammerte sich an mich. „Das haben wir gesehen… In der Walpurgisnacht, weißt du noch?!“ „Stimmt…“, sagte ich erschrocken. „Aber… Agni hat Soma bestimmt schon in Sicherheit gebracht… und er ist bestimmt auch ok…“ „Du hast doch aber gesehen was der Kerl für eine Stärke hat!! Er hat doch Agni fast zu Hackfleisch verarbeitet!!“ „Agni hat die rechte Hand Kalis!! Dagegen kann kein Mensch…!“ Wieder Schritte! Diesmal von zwei Personen! „Sind sie das?!“ Wir blieben immer noch in der Kohle sitzen und zitterten. „Wigburg! Elisabeth!“ Uns gefror das Blut in den Adern und wir vergruben uns tiefer in die Kohle. Zwei traten in den Keller rein… Der junge Earl und Sebastian sind wieder aus Bath zurück in London um Hinweisen nachzugehen und fanden das Chaos in der Villa vor. Sie fanden auch Agnis Leiche und den verstörten Soma, der Ciel sogar schlug wie er sein Gesicht sah, so dass Sebastian in K.O. hauen musste. Als die beiden die Villa durchsuchten, fanden sie eine seltsame Nachricht im Schlafzimmer, eingeritzt in die Wand: „Who stole the candy from my tummy?“ Das gab Rätsel auf. ~“Es scheint als wäre der Angreifer längst weg. Fräulein Sullivan soll sich um die Wunden des Prinzen kümmern.“~ „Was ist mit Wigburg und Elisabeth?“, fragte Sebastian und Ciel zuckt zusammen. „Stimmt! Die beiden habe ich völlig vergessen! Warum sagst du mir das jetzt, Sebastian!!?“ „Weil es nur darum ging die Räumlichkeiten nach dem Angreifer zu durchsuchen.“ „Konntest du ihr Blut riechen?“ „Nun, in der Eingangshalle habe ich hauptsächlich Agnis Blut gerochen. Des Weiteren geringe Mengen von Blut des Prinzen und von Wigburg.“ „Das heißt, sie leben?“ „Solange man die Mädchen nicht erwürgt hat oder ihnen das Genick gebrochen wurde, trifft das zu.“ „Wo können sie sein?“ „Im Keller haben wir noch nicht nachgesehen.“ Und sie kamen später in den Kohlespeicher. Der junge Earl sah sich um. „Sie sind hier, junger Herr.“ „Kommt raus! Ich weiß, dass ihr hier seid!“ Wir schwiegen und hielten den Atem an. „Kommt raus, ich tue euch nichts! Ich will nur wissen ob ihr unverletzt seid.“ „Was ist das für ein krankes Spiel?“, fragte ich mich in Gedanken und hielt Lieschen fest im Arm. „Wigburg… Elisabeth…“,hörten wir Sebastians seidenweiche Stimme. „Kommt nur raus, meine Lieben…“ Wieder verspürten wir ein leichtes Ziehen im Herzen und, wenn auch zögerlich, steckten wir die Köpfe aus der Kohle. Zittern taten wir immer noch wie Espenlaub. „Ich sagte es schon junger Herr, offenbar sind die beiden relativ unverletzt.“ „Was… sollte das vorhin?“, fragte Lieschen. „Was?“ „Er hat Euch nichts getan!! Warum habt Ihr Soma angeschossen?!“ „Wie bitte? Wovon redet ihr denn?“ „Junger Herr…“, raunte Sebastian dem Earl zu und er verstand offenbar. „Ich… war das nicht…“ „Lügt doch nicht!“, sagte ich. „Ich und Lisabeth haben Euch gesehen! Warum?! Hat es die Königin befohlen?!!“ „Nein! Ich war das nicht!! Wirklich!! Das schwöre ich, im Namen ihrer Majestät Queen Victoria!“ Das schien ihm wirklich ernst zu sein, sonst würde er nicht auf den Namen seiner Königin schwören. „Ich hoffe inständig für Euch dass das die Wahrheit ist! Und dass ein Doppelgänger dafür verantwortlich ist!!“ Der junge Earl reagierte aber seltsam. Als ob er einem Geist begegnet wäre, was uns irritierte. „Seid ihr verletzt?“, fragte Sebastian. „Ich… Ich hab eine verletzte Hand, aber darum kümmere ich mich selber…“ Ich hielt meine Hand, die immer noch schmerzte. „Was ist mit Prinz Soma und Agni?!“, fragte Lisabeth nervös. „Wo sind sie?!“ „Dem Prinzen geht es einigermaßen gut, er ist grad ohne Bewusstsein.“, antwortete Sebastian seelenruhig, worauf Lisabeth erleichtert aufatmete. „Mister Agni allerdings…“ „WAS?!“, fragte ich drängend. „Was ist mit ihm?!“ Ein anerkennendes Lächeln tauchte auf Sebastians Gesicht auf. „Nun ja… So wie er aussah, hat er sehr tapfer gekämpft.“ „Was?!“ Ich sah ihn an. „Du… du meinst…“, stotterte Lisabeth. „Für ihn war es zu spät...“, sagte der junge Herr. „NEIN!!!!“ Ich stoß den jungen Earl und Sebastian zur Seite und rannte einfach los. „AGNI!!! AGNI!!!“ „Wigburg, warte!!!“ Lisabeth rannte hinterher. Ich rannte nur, es durfte nicht wahr sein!!! Nicht er!! Er kann nicht, allein wegen seinem Herrn…!!! „AGNI!!! AGNI!!!“ Ich folgte in der Eingangshalle der Blutspur und kam zur Küche, wo ich fast über den bewusstlosen Soma stolperte. In der Küche sah ich eine, mit ner Tischdecke verdeckte, Form auf dem Boden liegen. Leichte Blutsflecken waren an einigen Stellen zu sehen, Sebastian musste das wohl provisorisch gemacht haben. „Nein…“ Mit wackeligen Beinen näherte ich mich der zugedeckten Gestalt. Mir war als ob sich meine Organe auflösten und mein Körper taub wurde. „Nein… Nein… Bitte nicht… Gott…“ Ich kniete mich runter und streckte zitternd die Hand nach der Tischdecke aus. „Gott… Wodan… Kali… bitte… das ist nicht richtig… das ist nicht fair… er…“ Ich zog die Tischdecke weg und es fühlte sich an als ob ich falle. Da lag er… Agni! Tot… Er lag auf dem Rücken. Das Gesicht blutverschmiert aber ohne Ausdruck, als ob er schläft. „Nein… neinneinneinneinnein… dddas… NEIN!! Agni!! Das… nein!!“ Ich wollte nicht glauben was ich sah! Agni… mein Agni! Mein Engel! Tot! Das durfte nicht sein!! Niemals!! Er könnte doch niemals…!! „Du… du bist doch in Ordnung, oder?!“, fragte ich dann mit schwacher Hoffnung. „Das… das ist doch irgendein Trick, wie dieses Samadhi. Du tust doch nur so, oder stimmt’s?“ Weinend aber schwach lächelnd nahm ich sein Gesicht in die Hände, die Haut war noch warm. „Du tust doch nur so, um Soma zu schützen, stimmt’s? Aber es ist alles in Ordnung…“ Lisabeth kam herbei, nachdem sie nach Soma gesehen hatte. „Wigburg?“ „…alles ist gut. Uns geht’s gut, Soma geht’s gut, der Kerl ist weg. Du kannst wieder aufwachen. Alles ist gut!“ Die Verzweiflung stieg und ich schüttelte leicht Agnis Gesicht. „Bitte wach auf. Mach die Augen auf und sag mir dass alles gut ist! Wach auf! WACH AUF!“ „Wigburg…“ Meine Schwester hielt mich an der Schulter. „Er… wird nicht aufwachen. Agni… ist tot…“ Auch ihr flossen Tränen, aber ich sah ihr nicht ins Gesicht. „Es tut mir leid… ich wünschte auch er…“ „Wie konntest du?“ Ich ignorierte sie dabei. „Auch mir, die nur eine Sterbliche in deinen Augen ist, hast du versprochen nie allein zu lassen… ICH HASSE DICH!!! Ich hasse dich!“ Vor Wut und Trauer schlug ich mit den Fäusten auf seine Brust ein. „WIGBURG, HÖR AUF DAMIT!!“ Lisabeth zog mich weg. „Du tust ihm… weh…“ Ihr wurde schmerzlich bewusst, dass ich es nicht mehr konnte, ließ mich los und weinte einfach nur mit. Ich hatte mich nur auf Agni drauf geworfen, meine Tränen mischten sich mit seinem Blut in seiner Kleidung. „Ich hasse dich… dafür dass du mich verlassen hast… Ich liebe dich, Agni…“ Angelockt von meinem lauten Weinen und Klagen, kamen Sebastian und Ciel herbei. Sie sahen die Szenerie. „Irgendwie war mir klar, dass zwischen den beiden was lief… Tut mir von Herzen leid…“, sagte der junge Earl bitter. „Es lief nichts zwischen den beiden…“, antwortete Lisabeth, während sie mir tröstend den Rücken streichelte. „Die beiden hatten nicht mal Gelegenheit, sich gegenseitig ihre Gefühle zu gestehen…“ „Verstehe…“ Keiner merkte das triumphierende Lächeln von Sebastian, der Tod seines Kollegen kam seinen Plänen recht. „Junger Herr… Ihr habt auf den Namen ihrer Majestät geschworen, dass Ihr nichts damit zu tun habt. Ich… glaube Euch…“ Das war gelogen, ganz war Lisabeth nicht überzeugt, aber der Earl schien erleichtert. „Gut… Bleibt bei ihm und macht niemanden die Tür auf! Wir bringen den Prinzen zu Fräulein Sullivan um seine Wunden zu versorgen, Wigburg kann mitkommen. Obwohl…“ Er sah mich wie ich nur auf Agnis Leiche lag und hemmungslos weinte. „Ich glaube in ihrem Zustand will sie nicht weg…“ „Glaube ich auch…“, sagte Lisabeth. „Jedenfalls, verlasst nicht das Haus! Macht niemanden die Tür auf! Nicht mal wenn ich es bin! Höchstens vielleicht Sebastian, wenn es dringend ist! Habt ihr verstanden?!“ Der Earl hatte sehr eindringlich geredet. Lisabeth war noch mehr verwirrt, aber sie nickte nur. „Bitte, sorgt Euch gut um Prinz Soma…“ „Ja… tun wir, komm Sebastian!“ „Sehr wohl…“ Lisabeth versuchte erfolglos mich weiter zu trösten und merkte dabei nicht was Sebastian und Ciel noch redeten, während diese Soma mitnahmen, der was fallen ließ… Auf dem Dach, sah der rotgekleidete Todesgott auf seine Uhr, nachdem er nochmal seine Notizen nachgeguckt hatte. „Ah! Ich hab noch ne dreiviertel Stunde Zeit bis zu meinem Termin beim Friseur. Ging heute schneller als gedacht! Nun dann kann ich die Akte vorbereiten, damit die schon morgen an Kollege Gupta übergeben werden kann.“ Dann hörte Grell Suttcliff ein Weinen und guckte durch ein Fenster. „Oh!“ Er sah mich um Agni trauern und Lisabeth die versucht mich etwas zu trösten. „Oh… verstehe… Das ist schade für dich meine Liebe, aber ich kann dich nicht ihm hinterher schicken, oder…?“ Er blättert in seinen Todesnotizen rum. „HUCH?!! Wer hat in meinen Notizen geschmiert!? Hm… scheint sie es aber zu sein… Wigburg Antonia Inge Herman. Geboren am 27. Mai 1870… Grrrr! Auch das Todesdatum ist verschmiert! Dem Aktenschubser werde ich den Hintern versohlen, wegen ihm kriege ich noch Ärger mit William!“ Dann fiel ihm eine Anmerkung auf: „Wala/Völva; Siehe Anhang „Schamanismus“? Hmm? Egal…“ Er packte seine Kettensäge ein. „Ich mach mich mal auf den Weg, eilen muss ich ja nicht…“ Kapitel 14: Wodans Auge für Kalis Hand -------------------------------------- Der Regen fiel weiter. Es war still im Haus. Es wurde immer kälter, weil niemand Feuerholz im Herd in der Küche nachlegte, wo wir waren. Lisabeth hatte sich unweit von mir an die Wand gesetzt, tief in Gedanken und Sorgen. Ich lag immer noch auf Agnis Körper. Meine Augen waren wund vom Weinen und hatten keine Tränen mehr. Meine Kehle war rau vom Heulen, Schreien und Jammern. In mir war jeder Wille abgestorben, jede Wunde die Agni am Leib hatte, spürte ich in meiner Brust. Aber sterben tat ich nicht… warum konnte ich nicht einfach sterben und erlöst werden? Warum diese ganze Ungerechtigkeit, grad wo ich so glücklich war? Warum hatten wir es nicht verhindern können? Obwohl sein Körper nun kälter als vorher war, kuschelte ich mich inniger an seine Brust. Lisabeth sah auf. Das war die erste Regung die ich seit Ewigkeiten von mir gab. Von außen war ich wohl schon tot. Sie war verzweifelt. All ihre Versuche mich zu trösten waren ohne Erfolg. Sie wusste nicht was sie tun sollte, fühlte sich hilflos. „Wie Soma es grad ergeht? Ob er es schon weiß? Er weint bestimmt auch… Ich würde gerne zu ihm, aber ich kann Wigburg nicht allein lassen… nicht in diesem Zustand…“ Sie setzte sich vorsichtig auf und näherte sich. „Wigburg?“ Ich reagierte nicht, nicht mal wie sie meine Schulter berührte. „Schwesterherz… hast du Hunger? Soll ich den Herd einheizen um uns warme Milch zu machen?“ Keine Reaktion. „Wigburg…“ „Lass mich in Ruh…“ Das waren die ersten Worte die ich seit Stunden sagte. Aber sie klangen schwach, traurig und müde. „Bitte… nur ein bisschen… um zu Kräften zu kommen…“ „Ich sagte, lass mich in Ruh…“ Lisabeth streichelte wieder mir den Rücken, auch wenn sie wusste dass es nicht half. „Wigburg… Ich weiß, es tut weh… aber ändern können wir es nicht mehr… und… er wollte dass wir uns in Sicherheit bringen…“ „Was nützt das jetzt nun?! Du hattest Recht, wir hätten die beiden nicht alleine lassen sollen… Er wäre jetzt noch am Leben…“ Dabei verkrallte ich meine Finger in seine Kleidung. „Ich… ich weiß aber… du hast ihn gehört… Er… er wollte dass wir sicher sind… Wir alle, die Menschen, die ihm wichtig sind… Er hat sich für uns geopfert…“ „Das hätte er nicht tun müssen!“ Ich hatte wieder Tränen in den Augen. „Mein Leben lang hab ich nur Ungerechtigkeit erlebt! Aber bei ihn… Es war das erste Mal wo ich mich gefühlt hatte dass ich angenommen werde… dass ich nicht störe… dass ich…“ Meine nächsten Worte gingen in meinen Schluchzern unter. „Seit ich ihn kenne, scheint es als hätte ich nie als Ausgestoßene leben müssen!! Ein Leben ohne Agni kann ich mir nicht vorstellen… Er ist der einzige der mich nie weggeschickt hat… oder versucht hat mich zu verbiegen… wie Papa, Oma Inge, Opa Wolfgang, Thomas, Matthias und sogar Sahra, Luise und Julia, diese Verräterinnen die sich Freunde nannten…“ Ich streichelte zärtlich sein blutverschmiertes Gesicht. „…Für ihn war ich keine Hexe… kein Monster… Kein wertloser Dreck…“ „Ich weiß, er war eine der wenigen Menschen die dich angenommen hat wie du bist. Ich bin mir aber auch sicher dass er dich deswegen auch mochte. Aber, er hatte mir auch mal gesagt, dass er an dir sehr bewundert, dass du nie aufgibst. Und deshalb darfst du nicht aufgeben!“ „Ich habe deshalb nur weiter gemacht, weil es auch immer was gab wofür es sich zu kämpfen lohnte. Aber jetzt… Es gibt nichts mehr für mich… Er war alles für mich…“ „Wenn du jetzt aufgibst, verrätst du sein Opfer!“, sagte Lisabeth verzweifelt. „Er wollte dass wir alle weiterleben, nicht nur um für Soma da zu sein! Wir alle dürfen nun nicht aufgeben, besonders du! Wodans Auge muss für Kalis Hand weiterleben!“ „Wodans Auge… für Kalis Hand…?“ Meine Stimme war auf einmal seltsam entspannt. „Wodans Auge für Kalis Hand… natürlich…“ „Wigburg?“ Ich richtete mich auf, nun saß ich breitbeinig auf Agnis Bauch. „Wodans Auge für Kalis Hand… Das ist doch ein fairer Tausch oder nicht?“ „Wigburg, wovon redest du?“, fragte Lisabeth besorgt. „Weißt du noch? Wie Oma von unserer Stammmutter erzählt hat?“ „Ja, die Völva, die Wodan wiedererweckt hat um sie nach Baldurs Träumen zu befragen…“ „Und Oma sagte, ich hätte einige Fähigkeiten die Wodan hat…“ Mein Blick, vorhin leblos und leer, war nun entschlossen und gefasst. „Das mit den Runen weiß ich aber… Wigburg! Du hast doch nicht etwa vor…?!“ „Das wäre eine Möglichkeit… Auf die Art zu sterben, hatte er nicht verdient, oder Agni?“ Ich lächelte gelöst während ich sein kaltes, totes Gesicht streichelte. „WIGBURG!!! Das kannst du nicht machen!!! Das funktioniert nur bei denen die du zum König erwählt hast, so hat Oma es dir gesagt! Und du hast doch Soma gewählt!!“ „Ja… und ich bleibe bei meiner Wahl…“ „Und… wenn du es tust, stirbst du! Das war doch die Bedingung! So hat Oma es dir gesagt!“ „Ich weiß… und ich bin bereit diesen Preis zu zahlen… So oder so, werde ich wohl nicht mit ihm zusammen sein… Aber…“ Ich holte nochmal tief Luft um mehr Kraft in meine Stimme zu legen. „Wenn es ihm dadurch möglich ist, sein Versprechen meinem König und Freund einzuhalten, ist es mir das wert!“ „NEIN!!“ Lisabeth riss mich von Agni weg. „Das lasse ich nicht zu!! Wir haben schon Agni verloren, dich gebe ich nicht auch noch her!!“ „Lass mich los!!! Ich werde es tun! Und nicht mal du wirst mich aufhalten!! Lass mich los, Lisabeth!!!“ „Nein, werde ich nicht!! Das würde Soma auch nicht wollen, dass du dich opferst!“ „Wodan!“, rief ich voll verzweifelter Inbrunst, während ich versuchte mich aus Lisabeths Griff zu entwinden. „Wodan, bitte sag mir wie meine Vormutter ihren König rettete! Ich weiß dieser Mann da ist nicht mein König, aber er bedeutet meinem König viel und ist genauso unschuldig und rücksichtslos ermordet worden wie dein geliebter Sohn Baldur! Zeig mir wie ich ihn zurückhole, wenn es sein muss nimm mein Leben, Wodan! Ich bin bereit es herzugeben!“ Kaum hatte ich es gesagt, erschlaffte mein Körper urplötzlich und die Rune erglühte. „Wigburg? Wigburg!“ „Weißt du zu ritzen?... Ja…“, sagte ich benommen wie in einem Zwiegespräch, während die Rune stärker leuchtete. „Schwes…ter?“ „Weißt du zu erraten?... Ja… Weißt du zu färben?... Ja…“ Lisabeth erkannte die Fragen. Sie waren aus der Edda, aus dem Havamal, jenen Teil den angeblich Wodan persönlich geschrieben hatte. Sprach da grade Wodan selbst mit mir? „Weißt du zu erforschen?... Ja… Weißt du zu bitten?... Ja… Weißt du Opfer zu bringen?... Ja… Weißt du wie man sendet?... Ja… weißt du wie man tilgt?... Ja… So sei es…“ Ich stand auf und ging zu Agnis Leiche, Lisabeth konnte vor Angst keinen Muskel bewegen. Nur dumpf fühlte ich wie Blut aus meinem rechten, heißen Auge floss, die Wunde an meiner Hand blutete auch wieder. „Wi…Wigburg…?“ Ich setzte mich wieder auf Agnis Bauch und küsste seine kalten Lippen. Vielleicht würde ich nie mehr die Gelegenheit dazu haben. Indische Gewürze und Blut schmeckte ich, auch wie ich noch einmal sein Gesicht streichelte, dann knöpfte ich seinen Sherwani auf, so dass seine Brust freilag. Ich wusste nun was ich machen muss, als hätte ich es schon immer gewusst. „Veit ek at ek hekk, vindga meiði á, nætr allar níu, geiri undaðr, ok gefinn Óðni…[Havamal, Odhins Runenlied 138, 1-2] “, begann ich beschwörerisch aufzusagen, während ich mit meinem eigenen Blut ein Symbol auf Agnis Brust malte: Ein Kreis mit sich kreuzenden Linien und Runen am Rand, es erinnerte an einen Kompass. „…sjálfr sjálfum mér, á þeim meiði, er manngi veit, hvers hann af rótum renn. Við hleifi mik sældu, né við hornigi, nýsta ek niðr, nam ek upp rúnar, œpandi nam, fell ek aptr þaðan... [Havamal, Odhins Runenlied 138, 4-6 & 139]“ „Wigburg, hör auf damit!!!“, schrie Lisabeth verängstigt. Nachdem ich die Edda-Verse auf gesagt hatte, murmelte ich unverständliche Worte, bewegte mich vor und zurück, wie ein Pendel, dabei hatte ich eine Hand auf Agnis Brust, im Zentrum des Symbols was ich mit meinem Blut gezeichnet habe, auf seinem Herzen. Meine Augen leuchteten orange, waren heiß wie bei Fieber und nun floss auch Blut aus dem anderen Auge. „Wigburg! Hör auf! Bitte!!!“ Lisabeth fühlte, dass es schlagartig kalt wurde, Nebel entstand in der Küche, dieser bildete einen Ring um mich und Agni, die letzte Glut im Herd erlosch, Lisabeths Angstschweiß floss eiskalt über ihre Haut, ihr Atem bildet Wölkchen wie im Winter und sogar der Regen der an die Fensterscheibe klopfte, gefror zu Eis. Als ob sämtliche Wärme plötzlich im Raum aufgesaugt wurde, von mir! Und in Agnis Körper geleitet wurde!! „HÖR AUF! BITTE!“ Lisabeth durchbrach den Nebelring und wollte mich wegzerren, spürte dann aber wie kalt mein Körper war und wie ihr die Körperwärme aus den Händen entzogen wurde, wie Wasser durch einen Strohhalm. Die Hände wurden taub und steif, sie konnte mich nicht mehr loslassen. „Wigburg!! Hör auf!! Bitte hör auf!! Ich will nicht dass du stirbst!!“ „Ljóð ek þau kann, er kannat þjóðans kona, ok mannskis mögr, hjálp heitir eitt, en þat þér hjálpa mun, við sökum ok sorgum, ok sútum görvöllum... [Havamal, Odhins Runenlied 146]“ Dann wurde es taghell und komisch leuchtende Bänder erschienen, mit Bildern darauf. Diese schienen in Agnis Herz zu wollen. „Was ist das?!“ Das hatte ich gesagt, da war mein Verstand wieder etwas klar... Grell Sutcliff ahnte nix böses, er freute sich über seine neue Dauerwelle, die er vorhin vom Friseur bekommen hatte und wollte heim, denn es war ja Feierabend. Doch plötzlich begann es in seiner Tasche zu zittern. Verwundert zückte er sein Todesnotizbuch raus, welches bebte und, noch plötzlicher, aufklappte! „Was zum?!!!“ Flimbänder flogen raus! In die Richtung wo er grad noch die letzte Seele geerntet hatte! „Was hat das zu bedeuten!? He, momentmal!!“ Er sah die Seite an wo die Bänder rausfliegen. „Das ist doch... HE!!! Den habe ich doch grad fertig gemacht!!! Was soll das?!! Zurück!!!“ Er versuchte mit seiner Kettensäge die Bänder zu zerteilen, aber die wichen immer aus, wie Schlangen. Er konnte sie partout nicht zerteilen! „WAS SOLL DAS?!! WAS GEHT HIER VOR?!!“ „Woahhh!!! Unglaublich!!“ „Othello?!“ Der etwas exzentrische Todesgott mit den wilden grünen Haaren, Laborkittel und Birkenstock-Sandalen, war grad aufgetaucht und sah mit leuchtenden Augen der Begeisterung diesem Schauspiel zu. „Waaahnsinn!!! Ich hab schon einiges über Schamanismus gehört, aber so eine mächtige Beschwörung habe ich noch nie in Echt gesehen?!!“ „Was hat das zu bedeuten Othello?!! Ist hier ein Schamane im Einsatz?!“ „Also wenn ich mir die cinematografischen Aufzeichnungen ansehe… Ha!! Das sind ja nordische Runen am Rand! Eine Völva oder Wala muss hier am Werk sein!!!“ „Was für ein Ding?!“, fragte Grell verwirrt. „Das sind ausschließlich weibliche Seherinnen, Zauberinnen und Schamaninnen. Die Völvas sind hauptsächlich in Nordeuropa zu finden, in Mitteleuropa werden sie Walas genannt. Ich habe während meiner Ausbildung mal gehört, dass einige echte matriarchiatische Familienclans gegründet haben, die von den Menschen heutzutage ignoriert werden. Außerdem habe ich Gerüchte gehört dass einige dieser Völvas, den Segen großer Götter tragen. Von von Wodan und Freia gesegnete Seherinnen habe ich schon gehört, aber ich hätte nicht gedacht dass diese Gerüchte wahr sind!!!“ „Du willst doch nicht etwa sagen, dass so eine Person dafür verantwortlich ist?!!“ Othello nickte nur und suchte in seinem Notizbuch nach Informationen. „Mal sehen… mal sehen… Sutcliff! Ist diese junge Frau in dem heutigen Jagdgebiet gewesen?“ Er zeigte die Seite seinem rothaarigen Kollegen. „Elisabeth Felicia Renate Herman… nicht dass ich wüsste aber, ist die verwandt mit einer Wigburg Antonia Inge Herman? Die habe ich nämlich gesehen!“ Othello blätterte weiter. „Ja, das sind Schwestern! Enkeltöchter der momentanen Großmeisterin von Wodans Walas in Hessen, Deutschland: Renate Smets, geborene Haas.“ „Also die ältere der Schwestern habe ich weinend auf der Leiche dieses Inders gesehen, diesem Arshad Satyendra Iyer. Du glaubst doch nicht etwa, dass dieses Mädchen ihre Macht nutzt um ihren Liebsten zurück zu bekommen?“ „Naja, nur Walas und Völvas mit den Segen von großen Todesgöttern können das, aber es müssen auch Bedingungen erfüllt werden, die nix mit der eigenen Liebe zu tun haben. Und wenn sie nicht genug Energie zur Verfügung haben, sterben sie, weil sie ihre eigene Energie dafür verschleudern.“ „Was für Energie?“ „Naja, die sie aus Licht, Wärme oder anderen Lebewesen gewinnen. Wenn ein anderes Wesen sie in diesen Vorgang berührt, erhöht das ihre Chancen das zu überleben.“ „Jemand muss die beiden aber hassen sonst hätte dieser jemand nicht auf ihren Seiten rumgeschmiert!“, grummelte Grell verärgert. „Was? Du meinst die Flecken auf den Herzen der beiden und ihren geplanten Todesdaten? Ach ja, stimmt! Die beiden sind durch ein Teufelsband an irgendwelche Teufel gebunden. Dann kann die sowieso nicht sterben, wenn dieser Teufel an dem sie gebunden ist, nicht will dass sie stirbt. Diese Teufel müssen aber gepfuscht haben, das sind sehr schwache Bänder!“ „Hmmmm… ich meine William hatte was erzählt…“, murmelte Grell mit mordlüsternden Augen. „Ach ja!! Ich wollte eigentlich sagen, der Verdächtige zu den ganzen Vorkommnissen, ist in der Nähe! Komm mit!“ „Hrmpf… Dann komm ich heute nicht rechtzeitig in den Feierabend… aber dann will ich einen Zuschlag! Davon könnte ich mir neue Schuhe kaufen…“ Und Grell folgte Othello. „…Þat kann ek it tólpta, ef ek sé á tré uppi, váfa virgilná, svá ek ríst, ok í rúnum fák, at sá gengr gumi, ok mælir við mik…[Havamal, Odhins Runenlied 157]“ „Schwesterherz!! Hör auf!!! Du stirbst noch!!!“ Während ich schon einige Verse wie in Trance weiter aufsagte, waren dazu passende Bänder zu sehen. Darauf waren bewegte Bilder zu sehen, ich nahm sie aber nur schwach wahr. Bei einem sah man meinen und Agnis Ausflug in den Wald im Winter um Somas Medizin zu besorgen. Bei einem anderen war der Currywettbewerb zu sehen, ein anderes wo Agni offenbar im Palast in Indien zu sehen war und dann wie er und Soma hinter uns zur Walpurgisnacht schlichen. „Sind das… Erinnerungen?“, fragte Lisabeth sich, während ich ermattet mich gegen sie lehnte. Lisabeth erschrak, wie sie fühlte wie kalt mein Körper inzwischen war. Sogar kälter als Agnis Leiche. „Schlaf nicht ein!!! Bitte, schlaf nicht ein!!“ „Geht… es… zu Ende?“ Lisabeth wollte an mir rütteln, als sie aber von den Bändern abgelenkt wurde, die neue Bilder zeigte. Lisabeth erkannte, es musste irgendwo aber nicht in England stattfinden, so fremd war ihr die Umgebung. „Wer ist das?“, fragte sie, wie sie einen jungen Mann mit langen weißen Haaren sah. Schwach hob ich den Kopf und sah was Lisabeth sah. „Wer…?“ „Moment?!“ Obwohl der Mann sadistisch grinsend einen andern zusammen schlug, schien Lisabeth ihn zu erkennen. „Ist das… Agni?!“ „Was?“ Jetzt sah ich aufmerksamer hin und… ich konnte nicht fassen was ich sah. „Wieso verletzt er ihn?!“ „NEIN!!!“, schrie ich. „DAS ist nicht mein Agni!!! Er könnte sowas nie…!“ „Das IST unser Agni!“, sagte Lisabeth, ebenso fassungslos. „Wa… warum?!“ „Ni… niemals!!! Dieses Monster ist nicht…“ Ich wollte nicht glauben was ich sah. Die Bilder änderten sich wieder und man sah wie dieser Mann verhaftet wurde und zum Galgen geführt wurde. Er wehrte sich nicht und schien mit allem abgeschlossen zu haben. „Warum? Und wie…“ Bis Lisabeth Somas Stimme hörte und er auftauchte. Er schnitt dem Delinquenten die Haare ab. „Es… ist… Agni…“, sagte ich schwach, ich war völlig fertig. Jetzt war die Ähnlichkeit größer und man konnte es nicht abstreiten. Soma sagte etwas, bevor der Verurteilte mit Tränen offensichtlicher Dankbarkeit auf die Knie fiel und offenbar auch seinen Dank ausdrückte. Dieser warme Glanz seiner Augen war derselbe, den ich von Agni so liebte. So ist er Somas Butler geworden? Dann aber sprudelten unwillkürlich die nächsten Verse aus mir raus. Mein Geist war wieder betäubt. „Bitte!!! Wann hört das auf…?“, fragte Lisabeth sich nur und zitterte vor Kälte. Dann… der letzte Vers!!! Das letzte Band mit den bewegenden Bildern verschwand in Agnis Brust, der Nebel löste sich auf. „Es ist vorbei…“ Lisabeth fühlte Erleichterung aber dann kippte ich zur Seite. „WIGBURG!!!“ Blut floß mir immer noch aus den Augen aber nun auch aus der Nase und ich hustete Blut. „WIGBURG!!!“ „Li…sabe… Schmerz… Hilfe…“ Ich fühlte mich als ob ich eiskalte Säure getrunken hätte und diese mein inneres verätze aber auch gleichzeitig als ob Teile von meinem inneren gefroren wären. Jede Bewegung, sogar jeder Atemzug schmerzte. Lisabeth wusste nicht was sie tun sollte. „I…ich geh Hilfe holen! Halte durch!“ Und sie rannte raus aus der Küche und aus dem Haus. „La… lass mich nicht allein…“ Dann war alles schwarz und still. Lisabeth ignorierte den Regen der auf sie niederprasselte als sie den Pferdestall hinter der Villa betrat, wo die Pferde für die Kutsche standen. Eines der Pferde holte sie raus und schwang sich drauf, ohne Sattel und Zaumzeug konnte sie ja reiten. „Ruhig… ruhig…“, versuchte sie das nervöse Pferd zu beruhigen, während sie ein eckiges R auf das Pferd zeichnete. „Mit Reid sei gezeichnet. Reite wie der Wind, sei wieder frei wenn ich mein Ziel erreicht habe. Und Ho!!“ das Pferd bäumte sich wiehernd auf und galoppierte los, als Lisabeth ihm sacht aber bestimmt in die Flanken trat. „Schnell!!! Schnell!!“ Das Pferd wurde wirklich schnell, Lisabeth war es zwar gewöhnt sich nur an der Mähne fest zu halten, aber mit so einer Geschwindigkeit hatte sie nicht gerechnet und bekam sogar Angst, runter zu fallen. „Zu Fräulein Sieglinde… Sie kann Wigburg helfen… Ich darf keine Zeit verlieren!“ Nach kurzer Zeit und völlig durchnässt kam sie im Wald am Haus des kleinen Fräuleins. Kaum war sie vom Pferd gesprungen, hämmerte Lisabeth mit beiden Fäusten auf die Tür des Hauses des Fräuleins. „FRÄULEIN SIEGLINDE!!! HERR WOLFRAM!!! BITTE!!! MACHT AUF!! SIE STIRBT!!!“ „WER ZUM TEUFEL MACHT SO EINEN KRACH!!!??“ Wolfram hatte, ganz nach seiner Art, die Tür auf gerissen und erst mal laut zur Begrüßung gebrüllt. „Oh! Fräulein Elisabeth?“ Sie ignorierte dass sie fast die Tür an den Kopf gekriegt hatte. „Herr Wolfram… Wo ist Ihre Herrin?“ „Lisabeth?“, hörte man vom Fräulein selber, das auf ihren mechanischen Spinnenbeinen bei der Treppe stand. „Du bist ja ganz nass?! Komm rein sonst erkältest du dich!“ „Keine Zeit!! Wigburg liegt im Sterben!“ Alle anwesenden waren geschockt. „Was?“ „Ich weiß nicht was genau passiert ist. Aber… Wir dürfen keine Zeit verlieren! Bitte, Herr Wolfram, Fräulein Sieglinde! Wir müssen sie retten! BITTE!!!“ Sie ist sogar auf die Knie gefallen und hatte sich an Wolfram geklammert. „Hmmm naja… Ciel hat gesagt wir dürfen das Haus nicht verlassen, aber…“ „Schon gut. Ich gehe mit und hole das Fräulein Wigburg. Es gab schon genug Tote für heute.“ Sieglinde zögerte kurz. „…Es ist besser wir versorgen sie… solange es nicht zu spät ist… Wolfram! Pass auf Lisabeth auf, beschütze sie und lass sie keinen Moment aus dem Auge!“ „Ja!“ Und er ging mit Lisabeth raus und holte sein Pferd. „Können Sie ungezäumt reiten?“, fragte Lisabeth während, sie unbemerkt sein Pferd mit Reid zeichnete. „Ich habe im Krieg gedient, da muss man auf alles vorbereitet sein. Auch auf Verletztentransport auf ungezäumten Pferden.“ „Gut…“ Und sie rasten los. Sieglinde sah besorgt den beiden durchs Fenster nach. „Nicht auch noch Wigburg…“ Bis sie etwas hinter sich hörte. Soma war von seinem Krankenbett aufgestanden und hielt sich am Türrahmen fest. „He! Hab ich nicht gesagt dass du Ruhe brauchst?!“ „Lisabeth! Ich habe ihre Stimme gehört? Wo ist sie?!“, fragte Soma völlig durch den Wind. „Beruhige dich! Sie kommt gleich wieder. Wolf ist bei ihr. Sie holen Wigburg. Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber Lisabeth sagt, Wigburg läge im Sterben…“ „NEIN, NICHT AUCH NOCH SIE!!! Wie konnte das passieren? Hat sie versucht sich was anzutun um Agni in den Tod zu folgen?“ „Ich weiß es nicht, aber glaubst du wirklich dass sie deshalb so leidet?“ Soma hörte nicht zu und sah durchs Fenster. „Lisabeth… bitte komm so schnell wie möglich zurück… Ich finde keine Ruhe bis ich sehe dass es dir gut geht…“ Durch den strömenden Regen, kamen Lisabeth und Wolfram angeprescht. Wolfram wunderte sich schon etwas über die Geschwindigkeit der Pferde, aber Lisabeth drängte zur Eile. „WIGBURG!!! WIGBURG!!!“ Sie kamen in die Küche und fanden mich, regungslos am Boden wie auch Agni. „Wigburg!! Sag doch was!! Schwester!!“ „Grundgütiger! Sie ist eiskalt!“, sagte Wolfram als er mich am Arm fasste. Aber dann legte er sein Ohr über meine Nase. „Aber sie atmet… sehr schwach…“ „Sind Sie sicher?!“ „Im Krieg gegen die Franzosen habe ich mehr als genug Tote gesehen und das Fräulein Wigburg ist nicht tot, aber stark unterkühlt. Warum sie unterkühlt ist und warum das Blut hier ist, kann ich mir aber nicht erklären…“ Lisabeth war aber erleichtert. „Sie muss aufgewärmt und der Kreislauf stabilisiert werden. Keine Sorge, Fräulein Elisabeth… Deiner Schwester wird es wieder besser gehen.“ Dann warf er einen Blick auf Agni. „Warum ist seine Kleidung offen? Behandelt man so einen gefallenen Kämpfer?!!“ Empört knöpfte Wolfram den Sherwani von Agni zu. Lisabeth fiel auf, dass das Symbol das ich mit meinem Blut auf seine Brust gemalt hatte, verschwunden war. „Wart ihr beide das?!“ „Ich nicht! Aber Wigburg! Sie… liebt Agni. Sie hat stundenlang auf seiner Leiche gelegen und geweint. Sie hat in ihrem Schmerz auch seine Kleidung geöffnet und ihn an der Brust geküsst.“ Obwohl Lisabeth immer noch sich wundert wie das Symbol verschwunden war, hatte sie noch fix eine Lüge zusammenspinnen können. „Aha… Tapferer Kamerad… Schade um ihn.“ Dabei salutierte er knapp, wie er wieder aufgestanden war, als ihm aber noch was auffiel. „Ähm, Fräulein… Wie lange ist der werte Herr Agni schon tot?“ „Ich glaube… 3 oder 4 Stunden? Warum fragen Sie?“ „Und wieso hat sich Schorf an seinen Wunden gebildet?“ „Wie? Schorf?“ Lisabeth sah auch hin und konnte zuerst ihren Augen nicht trauen. An Agnis Auge hatte sich eine leichte Kruste Schorf gebildet. Das konnte unmöglich sein!! „Das…das…“ Nun legte Wolfram sein Ohr über Agnis Nase. Sein Blick sprach Bände. „Unglaublich!! Der atmet auch, schwach und unregelmäßig!“ „Er lebt?“, fragte Lisabeth mit Tränen in den Augen. „Ja, Inder müssen wohl zäher sein als Deutsche, Franzosen und offenbar auch Engländer … Er wär ein famoser Soldat.“ „Äh… ähm… Ja! Er muss sehr zäh sein.“, unterstützte sie Wolframs Annahme. Sie konnte nicht glauben was sie grade vernommen hatte. „Wir nehmen ihn auch mit, kannst du deine Schwester tragen?“, fragte Wolfram während er Agni zuerst mit nem Rautek-Griff aufrichtete. „Ja!“ Lisabeth eiferte Wolfram nach, wenn auch mit der Hilfe der Rune Ur. Im Gamstragegriff, den er bestimmt im Militär oft anwenden musste, trug Wolfram Agni raus und hob ihn auf sein Pferd. Dann half er Lieschen mich aufs Pferd zu heben. Sie hatte dabei heimlich Tränen des Triumphs vergossen. „Wie wird sich Soma freuen, wenn er hört das Agni lebt, und wie stolz Oma und Mama sein werden wenn sie hören, dass du die erste unter uns bist, die das überlebt hat.“ Endlich zurück beim Haus von Fräulein Sieglinde! Zuerst wurde ich reingetragen. „Ohje!!! So kalt! Und wenig Puls! Bettruhe und warme Kochsalzlösung!“ „Ja.“ Und ich wurde hoch getragen. Soma, der wieder nicht in seinem Bett blieb, sah das und war über meinen Zustand schockiert. „Wigburg?“ „Sie lebt noch… grade noch…“ „Lisabeth?“ „Ich bin hier unten!“, hörte er ihre Stimme und ein Stein fiel von seinem Herz. „Lisabeth!! Den Göttern sei Dank…!“ Er stürmte die Treppe runter, trotz dass Sieglinde protestierte. „Soma! Du kannst dir nicht vorstellen wie…“ Den Satz konnte sie nicht vervollständigen, weil Soma sie völlig überraschend auf den Mund küsste. „Ach so… verstehe… Deshalb warst du so nervös.“, grinste Sieglinde dreckig, während Wolfram wieder raus ging. Lisabeth wurde rot aber erwiderte. „Soma, alles ist wieder gut… alles ist wie…“, wollte Lisabeth sagen, als Soma sich wieder von ihrem Mund löste. „Es tut mir so leid… für Wigburg…“, schluchzte dieser allerdings. „Ich bin schuld dass Agni… und jetzt wird Wigburg mich dafür hassen… nur weil er mich beschützen wollte…!“ „Soma… beruhige dich wieder… Wigburg wird dich nicht hassen. Außerdem…“ „Prinz Soma, Verzeihung wenn ich unterbreche…“ Wolfram kam grad wieder rein, Agni im Gamstragegriff. Allerdings hatte Wolfram vergessen sprachtechnisch wieder auf English umzuschalten und sprach deutsch. „… ich muss aber sagen dass Euer Diener wirklich gutes Beispiel an Tapferkeit und Zähigkeit ist.“ „Was? Wa… Agni?“ „Er lebt.“, sagte Lisabeth mit Freudentränen. „Wolfram hat ihn grade gelobt.“ „A…aber…“ „Sebastian und Ciel müssen sich geirrt haben.“, sagt Sieglinde auf English und sah sich Agni an. „Die Temperatur ist höher als bei Wigburg, aber wir müssen operieren. Wolfram, bereite dafür alles vor!“ „Ja.“ „Wie kann das…?“, wollte Soma fragen aber Lisabeth umarmte ihn. „Wir haben Agni wieder.“ Während sie Soma umarmte, flüsterte sie ihm ins Ohr: “Wigburg hat was gemacht um Agni zurück zu holen. Sie hat die Macht ihres Auges verwendet.“ „Wirklich?“ „Und dir Lisabeth, empfehle ich ein warmes Bad. Vielleicht Lavendelöl dazu, zur Beruhigung der Nerven.“, wandte Sieglinde sich an Lisabeth. „Ok…“ „Ich möchte ihr beim Bad helfen.“, mischte sich Soma ein. „Ich möchte auch was machen!“ Lisabeth wurde rot und wollte protestieren. „Na gut… Ich brauche sowieso Wolf im OP und du lässt dich nicht aufhalten… Macht aber keinen Unsinn ihr beide!!“ „Aber…“, wollte Lieschen widersprechen, doch Soma unterbrach sie schon wieder: „Keine Sorge. Ich werde nix machen.“ Er bemerkte aber, dass Lisabeth blass geworden war. „He, alles gut… gehen wir.“ Und er legte den Arm um sie, während er mit ihr zur Treppe ging. „Das Bad ist oben, da müsste auch eine Flasche Lavendelöl sein. Und wie gesagt, keinen Unsinn machen! Wolf und ich operieren Agni und kümmern uns danach um Wigburg.“ Im Bad konnte, wenn auch mit viel Überwindung, Lisabeth sich ausziehen und ins warme Wasser begeben, Soma hatte beim Ausziehen draußen gewartet, weil er schon gemerkt hatte dass sie sich wie ein verwundetes und verschrecktes Tier benahm. Später, wie sie in der Wanne saß, wusch Soma, der nicht in der Wanne saß, Lisabeth mit einem Schwamm den Rücken. Auch wenn er es als Prinz nicht gewöhnt war, machte er es mit Freude. Lisabeth hatte den Kopf gesenkt und zitterte leicht. „Ich bin so froh dass dir nix passiert ist. Das mit Agni hat mich schon zerrissen, aber wenn dir was passiert wäre…“ Lieschen sagte nix, aber Soma nahm sie von hinten in den Arm. „Ich wollte dir eigentlich sagen, dass ich dich liebe, aber dann ist das alles hier passiert…“ „Wir hätten euch nicht allein lassen sollen… Wir haben es gesehen, in unserer Vision in der Walpurgisnacht… Tut mir leid dass wir euch im Stich gelassen haben…“ „Ach, das ist unwichtig… Wir standen alle unter Schock und haben nicht mehr dran gedacht. Mach dir keine Vorwürfe, Priya…“ „Priya?“ „Geliebte… Wigburg hat dich beschützt und Agni gerettet, da ist es halb so schlimm. Wenn wir wieder in Indien sind, wird Wodan zum Dank dafür einen Schrein in unserem Tempel bekommen, ganz sicher!“ Während er sie aber inniger umarmt hatte, hatte Lisabeth noch doller gezittert und sogar angefangen zu weinen. „Was ist denn? Warum weinst du?“ „Bibibibi… bitte, fass mich nicht an wenn ich nackt bin…“ „Wieso?“, fragte Soma irritiert und lockerte seine Umarmung. „Ich… ich… ich fühle mich schrecklich…“ „Wieso schrecklich? Das schlimmste ist vorbei, wir sind alle zusammen, ich liebe dich, also es gibt keinen Grund sich schrecklich zu fühlen.“ „Das ist es nicht… Es ist so dass… Sebastian…“ Soma reagiert geschockt: „Was?! Was ist mit ihm?“ „Er… hat mich und Wigburg vergewaltigt!“ Da begann sie lauter zu weinen, weil ihr die Erinnerung, die Scham und der Ekel in ihr hochkamen. „W…was?!!! Etwa bevor man mich gefunden hat?!“ Soma war deutlich wütend geworden was Lisabeth noch doller zum Weinen brachte. „Oh! Tut mir leid! Ich wollte nicht wütend werden oder dich zum Weinen bringen!“ „Nein… viel früher… In der Nacht wo er angeblich ermordet wurde… Wigburg hatte er zuerst… und mich hatte er im Schlaf über…“ Weiter konnte sie nicht reden weil sie nur noch Kraft zum Weinen hatte. Soma nahm Lisabeth wieder in den Arm, er wusste sonst nicht wie er sonst sie trösten konnte. „Lieschen… das tut mir leid… Bitte weine nicht! Alles wird wieder gut, aber du hättest mir doch was sagen können…“ „Ich… ich hab mich so geschämt! Ich fühlte mich beschmutzt und benutzt! Ich konnte dir nicht mehr ins Gesicht sehen ohne daran zu denken! Ich hatte Angst davor was du über mich denken würdest…“ „Dass du das tollste Mädchen bist, das ich kenne! Dass du in mir nie einen Prinzen gesehen hast und mich magst wie ich bin! Dass ich mit niemanden so viel erlebt habe, wie mit dir.“ „Dabei kennen wir uns doch nur fast ein Jahr…“ Dabei hatte sich Lisabeth umgedreht und sah Soma direkt ins Gesicht. Er lächelte sanft. „Und das reichte schon um mir so viel zu zeigen. Ich hab meine Heimat und meinen Palast schon nicht mehr vermisst, das hätte ich vor einem Jahr nicht gedacht. Und dass ein Mädchen, das mir ein Armengericht vorsetzt oder mich mit einem Schlitten entführt, mir mal mehr bedeutet als alle Schätze und Juwelen aller Könige, die vor meinem Vater herrschten. Was dir passiert ist, ändert nix an meinen Gefühlen, ich liebe dich immer noch über alles.“ „Soma…“ Immer noch flossen Tränen aber sie fühlte Erleichterung. „Es tut mir aber auch sehr Leid was dir widerfahren ist… Ich schäme mich fast ein Mann zu sein…“ „Tu das nicht! Du hast mir das nicht angetan. Ich… hab nur Angst berührt zu werden und…“ „Das kriegen wir beide hin und Wigburg wird das mit Agnis Hilfe auch schaffen. Ich werde dir deine Angst und die Schmerzen vertreiben…“ Sacht küsst Soma ihre Stirn. Voll Dankbarkeit küsste Lisabeth ihm aber auf den Mund und hielt ihn umschlungen. Die Tränen die sie nun hatte waren die der Dankbarkeit. „Ich liebe dich… Ich liebe dich, Soma!“ Sie konnte wieder lächeln und war glücklich. „Zusammen schaffen wir das! Du, ich, Wigburg und Agni…“ „Ja!“ Doch dann fiel Lisabeth was ein. „Äh, Apropos Agni… Sag mal… Hatte er lange Haare bevor er in deinem Dienst war und hatte er seine Rechte nicht bandagiert?“ „Woher weißt du das?! Agni hat dir das wohl kaum erzählt?“ „Nein, hat er nicht. Aber… Wigburg und ich haben es gesehen…“ Und sie erzählte was ich gemacht habe und was sie und ich gesehen haben. „… Und dann kamst du, bist zum Galgen rauf gehüpft und hast ihm die Haare samt den Strick durchgeschnitten. Wir haben nichts verstanden, weil es in eurer Muttersprache zu hören war.“ Soma war überrascht von der Genauigkeit der Erzählung. „Das ist haargenau so passiert… Das habt ihr echt gesehen?“ „Ja! Wigburg wollte zuerst ihren Augen nicht trauen, bei dem was sie sah, aber ich glaube das könnte erklären warum Agni Wigburg nichts gesagt hat über seine Gefühle.“ „Ja… schon, kann sein… aber das allein glaube ich, ist es nicht. Da ist bestimmt was anderes, weil er weiß das Wigburg schon was an Wahrheit vertragen kann.“ „Soma… Wer war Agni? Nicht als Vorwurf oder so!!! Meine Meinung über ihn hat sich nicht geändert und meiner Schwester würde ich ihn nicht ausreden! Nein, ganz bestimmt nicht!! Du weißt wie wichtig sie mir ist und ich würde jederzeit Wigburg Agni anvertrauen. Auch nachdem was ich gesehen habe, denn er hat sich völlig geändert! Er ist mein bester Freund und das bleibt er auch.“ „Also gut… Agni… sein alter Name war Arshad…“ „Ja! Den Namen hab ich gehört! Nur wusste ich nicht dass das ein Name ist…“ „Ja… Er war ursprünglich Sohn einer Priesterfamilie, er war Brahmane. Er stammte aus der höchsten aller Kasten, der höchsten sozialen Schicht unserer Gesellschaft.“ „Oh… ein Priestersohn… und dann hat er dennoch…“ Lisabeth war die Spucke weggeblieben. „…wer weiß warum er so schlimme Dinge getan hat und ich kann es auch nicht verstehen. Naja, damals hatte es mich auch nicht gekümmert, ich hatte das nur von meinem Vater gehört. Es fiel ihm schwer Agni verhaften zu lassen, geschweige denn ihn zu verurteilen…“ „Ja, bestimmt. Bei deinem Vater, dem König, war es bestimmt so als wenn er sich gegen eure Götter wenden würde. Nur Wahnsinnige würden sich an meinem Onkel vergreifen, der ja auch Priester ist.“ „Genau… es ist eine Todsünde einen Brahmanen zu töten, aber Vater hatte keine Wahl…“ „Warum hast du trotzdem Agni das Leben geschenkt?“ „Ich weiß nicht…“, meinte Soma verunsichert als er nachdachte. „Ich fand dass er gut in meinem Training wäre und dass ich ihn noch gebrauchen könnte… Schon witzig…“ Er lächelte verlegen. „Es war im Nachhinein gut so… Auch wenn das sehr gewagt und auch gefährlich war, du hast zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Du hast einen Kriminellen von der Straße geschafft und verhindert, dass deine Leute eine Todsünde begehen. Und dafür, dass er sich so positiv verändert hat, gibt es eigentlich keine bessere Belohnung als die Frau die er liebt.“ „Hehe… Ja, ich hatte Agni schon vorgeschlagen Wigburg einen Antrag zu machen.“ „Sie wäre verrückt wenn sie „Nein“ sagt!! Und auch wenn mein Vater was dagegen haben würde, den Segen meiner Mutter hätten die beiden schon, allein weil ihr uns in der Walpurgisnacht vor den Mädchenhändlern gerettet habt.“ „Das sind gute Aussichten!“ „Ja! Das wünsche ich mir so sehr für Wigburg, dass sie endlich glücklich ist und nur Agni kann das!“ „Und ich werde dich glücklich machen!“, sagte Soma lächelnd und küsste verspielt sie auf die Wange. „Allein dass du das sagst macht mich glücklich…“ Dabei hatte sie ihre Stirn an seine gedrückt und ihn fast zu sich in die Wanne gezogen. Ich fühlte was… Wärme?... Ja, es war Wärme… Sie floß in meinen Adern, wie ein Fluss… oder… auf jeden Fall, die Wärme floss durch mich… erreichte jeden Winkel meines tauben Körpers und dann… Wie ein Blitz!!! Ich hatte grad die Augen aufgerissen und schnappte nach Luft als ob ich grad aus dem Wasser aufgetaucht wäre. „Wigburg!“ „Schwester!“ Ich lag noch auf den Rücken, sog die Luft immer wieder ein, wie ein Fisch auf dem Land. Ich erkannte Soma, gekleidet in einem Schlafanzug und Lisabeth, auch fürs Schlafen angezogen und dann, dass an meiner Hand ein Schlauch hing, der an einer Flasche mit klarer Flüssigkeit befestigt war. „Fräulein Sieglinde hat dich wieder hingekriegt!“ „Was…“ Meine Zunge war schwer. „Was ist passiert?“ „Du bist zusammen gebrochen… und hast Blut gehustet…“ Sofort kamen mir die Bilder in den Kopf. „Du hattest Schmerzen, darum hatte ich das Haus verlassen um Hilfe zu holen.“ „Ich… lebe…“, sagte ich schwach, während ich die Hand hob, meinen Verband sah und die Kanüle in meinem Arm stecken. Auch erkannte ich den Ärmel eines Nachthemdes, man hatte mich umgezogen. „Ja, du lebst.“, sagte Lisabeth glücklich und hielt meine Hand. „Und sind froh darüber!“, fügte Soma zu. „Lisabeth sagte, du hast unglaubliches gemacht.“ „Ich lebe…“ Dabei tropfte mein Bewusstsein wieder in meinen Geist. Ja, ich lebe… Ja, den Runenzauber hatte ich vollbracht, aber dass ich lebe, bedeutet… „Ich lebe… ich… VERSAGT!!!!!!“ Und fing wieder an zu heulen. „Lieschen… warum hast du mich nicht sterben lassen?!“ Mit der Reaktion hatten die beiden wohl nicht gerechnet. „Was meinst du damit, Wigburg?“, fragte Soma. „Normalerweise stirbt die Trägerin von Wodans Auge wenn sie jemanden von den Toten zurück holt…“ „Und dass ich lebe bedeutet Agni ist immer noch…! Ich hab versagt… Er wird nie wieder zu mir zurückkommen… Ich will nicht mehr ohne Agni…!“ „Wigburg!“ Batsch!! Lisabeth hatte mir eine Ohrfeige verpasst! Das hatte sie noch nie gemacht! „Entschuldige, aber ich musste dich ruhig stellen.“, sagte Lisabeth beschämt. „Also, nochmal ganz ruhig und von Anfang an: Du hast es geschafft, du hast Agni zurückgeholt UND du hast überlebt.“ „Lisabeth sagte, dass du sehr schlimm gelitten hast. Und sogar Blut gehustet hast. Und dass ihr beide Agnis Erinnerungen gesehen habt.“ „Agni… lebt wieder?“, fragte ich, mein Verstand betäubt von Ungläubigkeit, während in meinem Herz schwache Hoffnung aufglimmte. Meine Schwester und mein bester Freund würden mich doch nicht anlügen, oder? „Das glaub ich nicht…“ „Doch, glaub uns. Auch Sieglinde und ihr Khansama haben gesehen dass Agni lebt.“, sagte Soma mit einem Lächeln und Lieschen nickte zu. „Nur wie du das gemacht hast, wissen nur wir 3, Schwesterherz. Oma wird so stolz sein, auch wenn Agni nicht dein König ist.“ „Ich glaube es erst wenn ich es sehe!“ Ich richtete mich ächzend auf, zog die Kanüle aus meiner Hand und wollte aufstehen, doch meine Beine gaben nach als wären sie Pudding und ich fiel hart auf den Boden. „Au!“ „Ach, Wigburg…“ „Überanstrenge dich nicht.“ „Wir bringen dich zu ihm, Schwesterherz.“ „Und dann musst du uns glauben.“ Die beiden hoben mich auf, grade als Fräulein Sieglinde auf ihren mechanischen Beinen reinkam. „He! Du bist schon wach? Leg dich wieder hin!“ „Wir bringen sie zu Agni, sie will ihn sehen.“, sagte Lisabeth. „Oh Nein!!! Sie soll sich ausruhen! Sie ist geschwächt!“ „Aber wenn Wigburg Agni sieht, wird es ihr besser gehen. Nur ganz kurz, dann kommt sie wieder zu Ruhe.“ Sieglinde grummelte genervt. „Na gut, aber nur ganz kurz und nur dann wenn es ihr besser geht!“ „Bestimmt.“ Und Sieglinde geleitete mich, während ich von Lisabeth und Soma gestützt wurde. Ich wollte es immer noch nicht glauben. Mein Agni ist doch zurück zu mir gekommen? Bin ich tatsächlich die erste Trägerin von Wodans Auge die das überlebt hat? Die es an jemanden durchzogen hat, der nicht mein König ist? Warum ist es mir gelungen? Nun waren wir im Raum wo Sieglinde eigentlich ihre Tinkturen und ähnliches aufbewahrte und Wolfram noch fix ein Bett hinstellen konnte und… da war er… „Agni…?“ „Ja, wir haben ihn operiert, allerdings mussten wir auch ne Bluttransfusion durchführen, da er sehr viel Blut verloren hat.“, erklärte Sieglinde. „Was?“ „Wolfram hatte das ja im Krieg gegen die Franzosen gesehen wie es geht und dank Blavat wissen wir wie genau es geht und zum Glück haben sowohl Wolfram, als auch Lisabeth und Agni die Blutzusammenstellung von Canopus. Agni konnte Blut von zwei Menschen bekommen und somit wieder stabil werden.“ Dabei zeigte Lisabeth auf ein kleines Pflaster auf ihren Unterarm, während Sieglinde weiter erklärte. Ich hörte nicht zu, sondern starrte nur auf Agni, der mit verbundenen Oberkörper und Auge da im Bett lag. Wieder flossen heiße Tränen, während ich mit wackeligen Beinen auf das Bett zugehe. Es ist wahr? Ich griff nach seiner Hand. Sie war warm! Warm wie zu Lebzeiten! Dann legte ich das Ohr auf seine Brust. „Bu bumm, Bu Bumm, Bu Bumm…“ es schlägt, ganz deutlich, sein Herz! „Du… du bist…“ „Glaubst du es nun jetzt?“ Aber ich hörte es nicht weil ich wieder laut weinte. Ich kniete dabei am Bett und hielt seine Hand an mein Gesicht. „Oh, meine Güte…“, staunte Sieglinde. „Jetzt sind die beiden endlich wieder zusammen…“ Auch Soma hatte Tränen der Rührung. „Er wird trotzdem dafür zahlen… was er getan hat…“ Da hatte Soma allerdings einen finsteren Ausdruck. „Wann wird er wieder aufwachen?“, fragte Lisabeth. „Wenn wir Glück haben, morgen… Er hatte aber wirklich mächtiges Glück und ich hoffe Ciel hat eine Erklärung dafür.“ „Ich auch…“, sagte Lisabeth besorgt, nahm Somas Hand und sah mir zu wie ich meine Erleichterung, Schmerz und in gewisser Weise Zorn ausheulte und Agnis Hand hielt. Kapitel 15: Heilung, Liebe und neue Prüfungen --------------------------------------------- Es war schon spät als ich die Salbe fertig gemacht hatte. Fräulein Sieglinde hatte mir geraten anstatt Rotzinkerz, verbranntes Zinkpulver in die Salbe zu tun. Das solle die Wirkung verbessern. Die Salbe war nun anstatt rot weiß. Ich trat in das Zimmer wo Agni im Bett lag, immer noch leblos. Es grenzte an ein Wunder, dass er noch lebte und ich es erleben durfte auch wenn ich nicht wusste wie ich es geschafft hatte. Mit großer Kraftanstrengung drehte ich Agni auf den Bauch und öffnete die Verbände auf seinem Rücken. Ekel und Wut stiegen in mir hoch als ich seine Wunden sah, welche teils genäht waren, bevor ich diese mit der Salbe einschmierte. Neben dem verbrannten Zink war auch Bilsenkraut zur Schmerzlinderung drin. Auch wenn keiner wusste wann Agni wieder aufwachen würde wollte ich nicht, dass er Schmerzen litt. Fräulein Sieglinde hatte ja gestern vermutet dass er heute aufwachen würde, aber der Tag war fast rum. Wieder dankte innerlich ich Gott, Wodan und sogar Kali, dass ich meinen Liebsten behalten durfte. Als ich fertig mit Einschmieren war, betrachtete ich noch einige Momente seinen bloßen Rücken. Mir war bis Karneval nie wirklich in den Sinn gekommen, wie stark er gebaut war oder ob ich davon träumen würde seine bloße Haut zu berühren. Wie ich über seinen Rücken streichelte, klopfte mein Herz schneller. Ich schmiegte dann meinen Kopf an seinen Nacken. „Ich wünschte du würdest jetzt wieder wach sein… Ich wollte eigentlich vor dem ganzen Tumult dir sagen, was ich für dich fühle! Aber jetzt… Wenigstens konnten wir dich retten, Liebster…“ Ich ließ ein paar heiße Tränen fließen und küsste seinen Nacken. Mir war aber dann als hörte ich ein Seufzen und ich setzte mich überrascht auf. Dann hörte ich deutlich ein angestrengtes Stöhnen von Agni. „Agni? Agni, hörst du mich?!“ Ich drehte ihn wieder auf den Rücken. Sein Gesicht regte sich und er öffnete sein heiles Auge, wären das verletzte Auge unter Binden ruhte. „Agni… ich bin es! Erkennst du mich?“, fragte ich aufgeregt, mit Freudentränen, dabei hielt ich sein Gesicht, er lächelte mich selig an. Das machte mich so glücklich, dass ich nicht anders konnte als ihn zu küssen. Er ließ es zu. Als ich ihn losließ, lächelte er immer noch und streichelte mein Gesicht. „Ich bin so froh… Ach Agni… liebster Agni…“ „Bahut… manohar…[so schön]“ Ich starrte ihn verdutzt an. „Was? Was hast du gesagt?“ „Ap… sara…“ Er setzte sich auf und küsste mich leidenschaftlich. [Apsara = Himmelsnymphe] „He… Ag…“ Er zog mich auf seinen Schoß und streichelte mich, während er mich weiter küsste. „Agni… Was ist mit dir los? Wirklich alles…?“ „kyon kya aap angrezee bolate hain? [Warum redest du English mit mir?]”, bekam ich nur als Antwort. Dabei lächelte Agni verspielt. „Ich verstehe dich nicht.“ Dann sah ich ihn ins Auge und bemerkte, dass seine Pupille sehr geweitet war. Er hatte eine Überdosis Bilsenkraut abgekriegt und halluziniert offenbar!!! „Oh nein!!! Warte du…!“ Aber er lächelte nur und küsste mich wieder, dabei hielt er mich fest an sich gedrückt. Ich merkte dann wie Agni mein Kleid von hinten aufknöpfte. „W…warte! Nicht… ahhh…“ Agni strich mit der Zungenspitze über meinen Hals und zog mein Kleid runter so, dass ich obenherum nur noch im Mieder war. „He, Agni… bitte lass das lieber… deine Wunden…Ah!“ Doch er beugte sich vor, so dass ich auf dem Rücken lag und bedeckte meinen Oberkörper mit Küssen. „Ahhhh… Agni… wenn du nur… das Bilsenkraut…“, nuschelte ich schwach. Er hörte mich nicht, während er mich koste und dabei sogar mein Mieder auszog. Dazu rieb er auch seinen Unterleib gegen den meinen und saugte sacht an einer meiner Brustwarzen, während er die andere Brust knetete. Ab und zu verließ ein Stöhnen meinen Mund und deutlich konnte ich seine Erektion an meiner Scham fühlen. So gut ging es ihn? „Besser nicht… Agni… Lass das … deine Wunden…“ Sein Mund schloss meinen, er ließ sogar die Zunge in meinen Mund, ich konnte auch fühlen wie er meinen Rock hochschob und mit einer Hand mir in meine Unterhose ging. Mich immer noch weiter küssend, knetete er mit seinen Fingern eine kleine Stelle unter meinem Venushügel. Ich begann leise in den Kuss rein zu stöhnen und fühlte Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen. Er wollte das wirklich? Lag es an mir oder dem Rausch vom Bilsenkraut? Leise ließ ich Tränen fließen, ich wünschte mir so sehr er wäre klar im Kopf. „Wenn du mir nur sagen könntest ob du mich liebst… Aber bestimmt verstehst du kein einziges Wort was ich sage…“ Er hatte mir inzwischen den Rest meiner Kleider ausgezogen und küsste die Innenseiten meiner Schenkel. Er machte es so zärtlich und sein Gesicht war dabei so sehnsuchtsvoll, ich konnte nicht anders als milde zu lächeln. Ach was soll’s? Hab ich nicht seit Ewigkeiten davon geträumt? Eben davon?! Mit ihm? Ich hatte zwar schon etwas Angst, aber daran war Sebastian schuld, weil er zu heftig war bei meinem ersten Mal. In diesem Zustand würde Agni nicht mal merken, dass ich keine Jungfrau mehr war und selbst wenn er mich nicht lieben würde, hätte ich ihn zumindest für ein einziges Mal in meinem Leben gehabt… „Du… du würdest mir bestimmt nicht wehtun, oder?“, fragte ich unsicher, als Agni seine Hose auszog und mir die Beine spreizte. Er antwortete mir nicht, sein Blick war glasig und erregt. Nur anders als bei Sebastian, wirkte er ein wenig ehrfürchtig und nicht wie ein ausgehungerter Wolf, der mich gleich reißen würde. Mein Blick fiel von seinem Gesicht zu seinem Geschlecht, das schon aufgerichtet und hart war. „Ob es mir da unten reinpasst?“, dachte ich, bei Sebastian hatte ich damals keine Gelegenheit gehabt ihn unten herum zu betrachten, weil alles so schnell ging. Ich schloss die Augen und legte meinen Kopf seitlich. Ich hörte Agni was brabbeln, bevor er sich über mich beugte. Ich verkrampfte mich leicht als er eindrang und schlang meine Arme um Agni. Er küsste mich immer noch innig an meiner Brust, während er sein Becken vor und zurück bewegte. „Ah Ah…!“ Dann aber hielt ich mir den Mund zu als mir klar wurde dass ich grad recht laut war. „Mich darf niemand hören! Niemand darf wissen was passiert! Es reicht schon dass Fräulein Sieglinde andauernd fragen muss ob Lieschen und Soma doch mehr im Bett machen als nur schlafen.“ Aber es wurde schwierig für mich ruhig zu bleiben. Ich konnte es fühlen… dieses Kribbeln in meinem Schoß, nur war es schneller da als bei Sebastian. Bestimmt lag es daran dass ich Agni liebte und begehrte. Ich schloss meine Schenkel enger um ihn, legte den Kopf in den Nacken während ich leise und lustvoll in meine Hand stöhnte. „Für… was auch immer… du mich grad hältst… bitte… hör nicht auf…“, dachte ich mir mit benebeltem Geist. „Halt dich… nicht zurück…“ Die Hand hatte ich von meinem Mund genommen, es war mir mittlerweile egal ob man mich hörte, aber auch Agni stöhnte hingebungsvoll. Meine Finger gingen durch sein kurzes, schneeweißes Haar, den Geruch indischer Gewürze konnte ich immer noch auf seiner Haut riechen. Ja… das hatte ich mir gewünscht, seit Karneval… und jetzt… es fühlte sich so ganz anders an als mit Sebastian… natürlicher… intensiver… schöner… Agni hatte seinen Kopf neben den meinen und küsste meinen Hals, während ich ihn in mir spürte und er ein wenig fester in mich stoß. Sein Atem war heiß, ich meinte sogar dass er meine Haut versengte. Wenn er mich mit seinem Atem verbrennen würde, würde ich bestimmt ein glücklicher Haufen Asche sein, da war ich mir sicher. Ein glücklicher Haufen Asche, geläutert von Schuld, Scham und Schmutz. Moment! Das hatte ich bei Sebastian auch nicht gefühlt! Da hatte ich nur mich gefragt was mit mir passierte und ob schlimmeres passieren würde. Aber hier… Ja! Hier erfahre ich was wirklich Lust ist, was es heißt wenn zwei ein Fleisch werden. Hier fühle ich keine Schuld, weder durch das was Sebastian mir angetan hat noch was mir Onkel Thomas oder Oma Inge mir über Lust und Liebe eingeredet haben. Das ist keine Sünde! Es ist göttlich… zumindest fühlt es sich so an. „Ich… Ah… Oh, Agni… ich liebe dich… Ahhh!“ „Wigburg…“, hörte ich ihn in mein Ohr nuscheln und ich erstarrte. Hatte er wirklich meinen Namen gesagt?! „Was?“ „yadi… aap… keval usake the… Oh Wigburg…“ Mir kamen Tränen des Glücks, wie ich das hörte, auch wenn ich es nicht verstand. „mere Wigburg… mere Priya…[wärst du nur sie Oh Wigburg meine Wigbug meine Geliebte]“ „Du liebst mich… nicht wahr?!“, fragte ich lächelnd und umklammerte ihn, erwiderte innig seine Kosung und schloss meine Schenkel noch enger um ihn. Seine Worte klangen so sanft und süß, und meinen Namen sprach er fast wie ein Gebet aus. Ich hatte keine Zweifel mehr!! Er liebte mich!! Ich stöhnte lauter als Agni sein Tempo erhöhte. Aber auch er schnaubte heftig. Trotz dass ich meine Augen zugekniffen hatte, fühlte ich wie mein rechtes Auge mit der Rune glühte, immer stärker und stärker. Mein Blut kochte und ich glaubte mein Kopf platzt gleich, nur dass Stöhnen und Keuchen etwas Milderung brachte. Mein Auge fühlte sich am heißesten an, neben meinem Schoß. Aber offenbar ging es Agni so ähnlich, weil er energischer schnaubte. Seine rechte Hand fing sogar an hellblau zu glühen, die meine Hand festumklammert hielt, so fest dass er mir fast die Hand brach. „Ah!!! Ti… Tiefer!! A…A…Agni!!“ Ich keuchte laut und rhythmisch zu seinen Bewegungen, dass es an den Wänden widerhallte. So langsam konnte ich den angestauten Druck in mir nicht aushalten. Ich schrie noch einmal laut auf, während Agni sich energisch schnaubend an mich presste und ebenfalls kam. Nachdem er zur Erfüllung gekommen war, hing er erschöpft über mir und sah mir ins Gesicht. Er keuchte, leicht zitternd und streichelte mein Gesicht. Ich hielt seine Hand die mein Gesicht streichelte, sah aber immer noch dass seine Pupille erweitert war, er war immer noch im Bilsenkraut-Rausch, aber es war mir egal… Alles war egal… das er noch verletzt war, dass er nicht klar im Kopf ist und deshalb vielleicht nicht wusste was er gemacht hat oder dass er sich in mir ergossen hat. „Ich liebe dich…“, sagte ich nur überglücklich. „mujhe kshama karen…[Verzeih mir]“ Ich meinte ein bisschen Schuldgefühle in seinem Gesicht zu sehen, aber vielleicht irrte ich mich auch. Ich küsste dennoch seine Fingerspitzen. „mujhe usaka sochana tha…[ich musste an sie denken]“ Doch dann aber verließen ihn die Sinne und Agni sackt auf mir zusammen. „Agni?“ Ich war besorgt, merkte aber dann dass er nur wieder ohnmächtig war wie vorher. Ich blieb einfach liegen, schnaubte etwas und streichelte ihn zärtlich. „Alles gut… alles gut…“ Mit der Rune Ur konnte ich genug Stärke aufbauen um Agni anzuheben und wieder in sein Kissen zu legen. Nachdem ich ihn einen Kuss auf den Mund gedrückt hatte, kuschelte ich mich an ihn. Lächelnd schlief ich an seiner Seite ein. „Oh… Agni… Das werde ich niemals vergessen… morgen, wenn du erwachst, sage ich dir alles, egal was du fühlst! Das grad eben, es kann nicht anders sein!“ Der Morgen danach... Langsam machte Agni die Augen auf. Moment, ein Auge! Verdutzt stellte er fest dass ein Verband um seinen Kopf geschlungen ist und sein rechtes Auge bedeckte. "Was...?? Wie kommt das?" Jetzt fällt es ihm wieder ein. Der Angriff auf seinen Herrn! Der Kampf! Und... Als ihm mein Schmerzensschrei durch den Sinn hallte, bekam er leichte Kopfschmerzen. Ja, jetzt fiel ihm alles wieder ein, auch was er noch zuletzt gedacht hatte, bevor er sein Leben an sich vorbei laufen sah und dann ein schwarzes Loch in seinem Gedächtnis klaffte. Obwohl doch!!! Da war doch was! War er doch nicht im Reich des Himmelsgottes Indra gewesen? Und hatte dann nicht eine Apsara, mit langem braunem Haar und smaragdgrünen Augen ihn geküsst? Ja, jetzt konnte er sich besser daran erinnern. Aber, obwohl er in den Armen dieses himmlischen Wesens gelegen hatte und sie ihm ihren Körper schenkte, hatte er mittendrin an jemand anderes denken und seine Tränen unterdrücken müssen um Indras Hofdame nicht zu beleidigen. "Warum bin ich hier? War es Wille der Götter?", murmelte Agni vor sich hin und hielt sich den Kopf. Er kannte den Raum nicht in dem er sich befand und auch nicht das Bett, worin er lag. "Wo ist der Prinz?" Schon wollte er aufstehen aber die Wunden auf seinem Rücken schmerzten und zwangen ihn zurück in die Kissen. Stöhnend blieb er liegen und starrt zur Decke. "War ich überhaupt tot? Mir kam es so vor... Prinz Soma... Wigburg... Elisabeth... Ich hoffe die Götter waren gnädig und haben euch beschützt... " Dann aber bemerkte Agni, dass seine Hose halb aus dem Bett hing und sah dann an sich runter. "Ich... Bin nackt?!" Bis auf ein paar Lose Bandagen die um seine Hüften hingen hatte er nichts an. Offenbar hatte man seinen Oberkörper verbinden wollen, hatte aber die Binden nicht fest gezogen. Er konnte sich schon erinnern wie er seine Hose ausgezogen hatte, aber das war bei der Apsara gewesen oder bildete er sich das ein? Ehe er sich noch weiter wunderte, hörte er ein verschlafenes Seufzen und etwas kuschelte sich an ihn. Er drehte sich um und sah in ein schlafendes Gesicht, das von braunem Haar umrahmt war und geziert war mit einem Muttermal auf der linken Wange. „CHELA!“ Das weckte mich auf und ich strahlte ihn an. „Oh… Du bist wach! Es hat funktioniert!! Ich bin so froh!! Wir haben dich wieder! ICH hab dich wieder, Liebster!“ Ich schlang meine Arme um ihn, allerdings schob Agni mich, mit Röte im Gesicht von sich weg. „Was?! Was hat funktioniert?! Was ist genau passiert?!“ Und so erzählte ich was passiert war, nachdem Lisabeth und ich in den Salon geflüchtet waren, auch von meinem großen Runenzauber. „... Ich hatte eigentlich erwartet selber zu sterben um dich zurück zu bringen, aber ich habe es irgendwie geschafft! Du lebst! Und du bist bei mir! Und gestern Nacht... Ach, das war meine Schuld... Ich habe zu viel Bilsenkraut in deine Wundsalbe gemacht, um deine Schmerzen zu lindern, aber...“ Bei den Gedanken von gestern, erschauderte ich vor Wonne, aber Agnis Gesicht nahm die Farbe seiner Haare an. „Diese Nacht war die schönste Nacht meines Lebens...“ Ich kuschelte mich wieder an seine warme Haut. „Nur eine Mutter kann zu ihrem ungeborenen Kind eine tiefere Bindung und Liebe empfinden wie ich sie gestern gespürt hatte, als du mich geküsst hast... Berührt hast... Und du dich an mir ergötzt hast... ich liebe dich...“ Ich wollte ihn küssen aber Agni stotterte: “Das ist wirklich passiert?! DU warst die Apsara die zu mir kam?!!“ „Ähm... Ja... Obwohl ich nicht weiß wer oder was Apsara ist.“ „Apsaras sind himmlische Wesen, die wie junge Frauen aussehen. Aus Wolken und Sonnenlicht gemacht, leben sie im Palast des Himmelsgottes Indra und eine von ihnen wird immer jenen zum Geschenk gemacht, der heldenhaft sein Leben ließ. Ich hatte schon gedacht Indra hätte mich für würdig gehalten und hätte mir eine seiner Apsaras zu geschickt... Ich hatte mich schon gewundert warum ihre Haut nach wilden Kräutern roch und nicht nach Nebel! Hätte ich gewusst dass du das warst...!!!“ Er wandte sich von mir ab und verbarg verzweifelt das Gesicht in seinen Händen. Das verunsichert mich und ich wusste nicht ob ich nun empört oder froh sein soll über diese Aussage. „Bist... Bist du enttäuscht dass ich es war...?“, fragte ich mit einem Stich im Herzen. „Neinneinneinnein!!! Das ist es nicht! Ich... Ehrlich gesagt...“ Agni schluckte, offenbar wollte er was anderes sagen aber fuhr fort: “ Es tut mir schrecklich leid, dass ich dich in Schande gebracht habe!“ „Hä?“ Ich verstand nicht was er meinte aber Agni beachtete das nicht. „Dein Vater hat dich bestimmt deinem Bräutigam als Jungfrau versprochen. Und jetzt, weil ich mich nicht beherrscht habe, kann er sein Versprechen nicht halten! Es tut mir wirklich leid, Wigburg! Wenn ich es wieder ungeschehen machen könnte, würde ich...“ „Moment mal! Ich bin gar...“ Jetzt musste ich mich bremsen weil ich nicht von dem Leid erzählen wollte das Sebastian mir bereitet hat. „Ähm... Wovon redest du denn eigentlich? Wie kommst du denn darauf dass ich einen Bräutigam habe?!“ „Sebastian hatte mir gesagt dass du einen Brief von deinem Vater bekommen hast, wo er verkündete dass du und Elisabeth heiraten werdet...“ „WAS?! Aber Maylene hatte mir versprochen nix zu...“ Aber dann fiel bei mir der Groschen. „Oh Mist!! Hätte ich den Brief nicht bei ihr gelassen! Bei Sebastian wird sie immer schwach...“ „Sebastian hat außerdem erwähnt dass du in Deutschland deinen Vater getroffen und mit ihm gesprochen hattest... bestimmt hast du mit ihm über die Hochzeit gesprochen. Die Heirat deiner Schwester hast du bestimmt ausreden können, damit sie mit dem Prinzen zusammen sein kann, oder? Deshalb hast du ihr nichts gesagt, du aber selber fügst dich dafür deinem Vater...“, redete Agni einfach weiter aber er weinte dabei fast. „NEIN!!“, fiel ich ihm ins Wort und er guckte mich verwirrt an. „Es stimmt, ja, Papa hat Freier für mich und Lieschen ausgesucht, aber sie weiß absolut nichts davon! Und Nein, ich wollte mich nie meinem Vater fügen, im Gegenteil!“ Agni starrte mich irritiert an, als hätte er was anderes erwartet. Mein Herz war nun wieder voll Bitterkeit aber ich fuhr knurrend fort: „Als ob es ihm nicht gereicht hätte meine Mutter zu betrügen und zu verletzen, hatte er auch mich und Lieschen betrogen. Er hatte mir und Lisabeth versprochen dass wir uns selbst unsere Ehemänner aussuchen können, aber... Aus Angst, falschem Ehrgefühl und fehlendem Rückgrat hat er sein Versprechen erneut gebrochen!!! Nur weil ihm Großvater eingetrichtert hat auf den Ruhm und den Ruf der Familie zu achten, kriecht mein Vater jedem in den Arsch und leckt jeden die Stiefel aus Angst dieser jemand könnte etwas schlechtes über ihn sagen! Das hat er dennoch schon erreicht... Wir gehören nicht mal zum Hochadel und dennoch tut er alles damit alle ihn wie einen Adeligen behandeln! Das reicht! Ich habe ihn angelogen und gesagt Lieschen und ich hätten adelige Männer getroffen und uns ihnen versprochen.“ „Du hast deinen Vater angelogen und dich ihm widersetzt?!“ „Ja. Und ich würde es auch jederzeit wieder machen. Weil ich dich liebe...“ Ohne darauf zu achten dass er immer noch verwirrt mich ansah, küsste ich ihn aber er erwiderte, wenn auch mit Tränen in den Augen. „Es... es ist aber besser für dich nicht mit mir zusammen zu sein...“ „Warum?“ Als Agni nicht antwortete, überlegte ich kurz und erinnerte mich an diese leuchtenden Bänder und was sie zeigten. „Hat... hat es was mit deiner Vergangenheit zu tun?“ Davon erschrak Agni und sah mich verunsichert an. „Du weißt nichts davon... Weder der Prinz noch ich haben je...“ „…Arshad Satyendra Iyer, richtig? Diesen Namen haben dir deine Eltern gegeben, oder?“ Agni zitterte nun, für mich war der Name der eines Fremden aber Agni schien der vertraut zu sein. Ich war schon überrascht über Agnis Reaktion aber fuhr fort während ich an die Bilder dachte und an das was mir Lisabeth und Soma erzählt haben: „…geboren als Spross einer Priesterfamilie und zum Tode verurteilt wegen verschiedener...“ „HÖR AUF!!“, schrie Agni verzweifelt und hielt mich weinend an den Schultern. „Diese Worte aus deinem Mund zu hören, klingen 100mal grausamer als wie sie der Richter gesprochen hat!!! Ich wollte nicht, dass du davon erfährst, dass ich... Ich... Ich fast so war wie deine Peiniger! Die haben auch ihre Position ausgenutzt um ihre Schikanen gegen dich zu legitimieren! Und jetzt wo du es weißt... hasst du mich bestimmt...“ Es brach mir das Herz, vielleicht war ich doch zu weit gegangen. „Was? Ist es das wovor du in Wirklichkeit Angst hast?“ Agni redete einfach weiter, aber Tränen flossen weiter aus seinem heilen Auge: “... Ich hatte nicht erwartet dich als mehr zu sehen als nur ein junges und neugieriges Mädchen oder mehr als meine beste Freundin und Schülerin. Nie zuvor hatte eine Frau mich so gerührt wie du... Nie zuvor wollte ich jemandem sein Wohlergehen, dem ich nichts schuldig bin... und niemals wollte ich mich in dich verlieben, aber... Diese Angst vor deinem Hass, wenn du erfährst was ich getan habe, verbat mir davon zu träumen, dass ich deine liebe gewinnen würde... Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dich liebe, Wigburg... Du bist mir sogar wichtiger als der Prinz...“ „Agni…“ Ich errötete bei den Worten und mein Herz flatterte wie ein Schmetterling. Er liebte mich also doch, aber so sehr dass er mich über Soma stellt? „Wie Sebastian mir von dem Brief deines Vaters erzählte, wollte ich mich eigentlich freuen dich bei einem guten Mann zu wissen, aber der Gedanke dass dich ein anderer bald besitzen würde, war schwerer als ich dachte. Meine letzten Gedanken bevor ich... Starb, waren voll Reue dass ich dich nicht noch einmal sehen konnte und all die Dinge nicht sagen konnte, die ich über dich dachte…“ Sacht streichelte er mein Gesicht während ich an seinen Lippen hing. Es schien ihm wirklich wehzutun das zu sagen aber es musste sein um ihn sein Herz zu erleichtern. Das musste eine schwere Last gewesen sein. „Einzig und allein der Gedanke dass du, deine Schwester und der Prinz weiter lebt, wohlauf seid und an mich denkt, hatte es mir leicht gemacht die Schmerzen durchzuhalten... Bis zum Schluss...“ „…bis ich es gewagt habe Wodans Macht zu beschwören um dich zurück zu holen... Ich hätte selber dabei sterben können...“ „Das hätte ich nie gewollt!“ „Aber ich! Und da hatten nicht nur meine Gefühle zu dir eine Rolle gespielt, sondern auch weil du sowas nicht verdient hattest und du immer Soma beistehen wolltest. Und ich war bereit den Preis zu zahlen.“ Er schwieg und sah mich mit großem Auge an vor Staunen, aber wenigstens hatten seine Tränen gestoppt. „Während dieses Zaubers hatten sowohl ich als auch Lieschen deine Erinnerungen gesehen und wissen was du gemacht hast, aber...“ Ich betonte den nächsten Satz um deutlich zu machen was ich denke. „…ich hasse dich nicht!“ Sein Gesicht hellte sich auf. Er sah mich hoffnungsvoll an. „Ist... Das wahr?“ „Lieschen hasst dich auch nicht, ich glaube sie hat sich noch doller in Soma verliebt, wie sie gesehen hat, was er gemacht hat um dich zu retten, dich ihren besten Freund. Und nun verstehe ich voll und ganz warum du Soma so doll verehrst, ich hätte vielleicht in deinem Fall auch sowas gemacht. Ich war ehrlich gesagt sogar eine Zeit lang eifersüchtig auf Soma, habe es aber unterdrückt. Es fühlt sich widerlich an, eifersüchtig auf seinen besten Freund zu sein...“ Ich war recht verlegen wie ich das zugab aber auch Agni war peinlich berührt. „Du hättest nie eifersüchtig auf den Prinzen sein müssen...“ „Ich habe auch aufgehört eifersüchtig zu sein, als ich merkte wie Soma Lisabeths Gefühle erwiderte.“ „Dann ist es gut.“ „Du sagtest auch, du seiest ähnlich gewesen wie die Leute die mich schikaniert und ausgestoßen haben. Das stimmt nicht. Abgesehen davon dass die meisten von ihnen Kinder waren die von ihren Eltern und Großeltern indokriert worden sind, bereust du anders als sie deine Taten und du hast dich geändert. Man hat dir diese Chance angeboten und du hast es angenommen. Jetzt bist du ein anderer Mann und in diesen Mann, der du nun bist habe ich mich verliebt… der ein großes Herz hat, gütig, weise und sanft. Der zur Seite steht wenn man ihn braucht und auf den man zählen kann... Meine Gefühle zu dir werden sich nicht ändern, nachdem was ich gesehen habe, denn wie Soma sagte, der, der du bisher warst ist tot und du wurdest mit neuem Namen und Leben wiedergeboren …“ Agni war erstaunt, ich hatte fast dieselben Worte benutzt wie Soma damals. Ich war auch überrascht warum diese Worte so klangen als hätte ich die schon mal gehört, dabei hatte ich nix verstanden was ich bei der Szene gehört habe. Aber offenbar glaubte er mir nun dass ich es gesehen habe. Agni nahm mich ganz fest in den Arm, die Tränen die nun flossen waren die der Erleichterung und der Dankbarkeit. „Danke! Danke. Danke. Danke... Danke dir Wigburg... Chela... Nein, Priya, ich liebe dich...“ „Ich dich auch…“, wollte ich sagen aber er küsste mich innig. Ich konnte sehr deutlich spüren, dass er nun froh ist seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Wie er sich wieder von mir löste, streichelte er mein Gesicht, aber auch ich hatte feuchte Augen, weil ich auch so glücklich war. Endlich! Ich hab es ihn gesagt und er liebt mich auch! „Sebastian soll verflucht sein... Ich hätte nie zu träumen gewagt, dich bei mir zu haben, geschweige denn dich zu berühren oder zu küssen. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du nun bei mir bist und du mich liebst.“ „Du träumst nicht, es ist echt. Ich bin bei dir und lass dich auch nie wieder los...“, sagte ich und streichelte seine Brust. „Ich will auch nicht dass du mich loslässt!“, antwortete Agni inbrünstig vor Glück und wälzte sich zu meiner Überraschung auf mich drauf. Wir beide kuscheln und küssen uns innig. Aber dann merkte ich was anderes an ihm und er hatte auf einmal wieder diesen fiebrigen Glanz in seinem Auge, wie gestern. „…deine Haut fühlt sich besser an, jetzt wo ich klar im Kopf bin, dein Haar, deine Brüste...“ Dabei streichelte er diese. „Oh... Wie gerne würde ich nochmal in deinem Tempel beten...“ „Hä…?“ „Mich nochmal deiner Macht und deinem Körper ergeben...“ Mein Gesicht glühte und ich war fast erschrocken über Agnis neuerflammte Lust. War ich so begehrenswert? Oder war es weil in Indien man anders über die Lust dachte? „Oh... Ähm... Wirklich? Ich... Ich habe aber nicht so viel Erfahrung...“ Er lächelte aber beruhigend. „Das macht nichts. Selbst wenn eure Priester die Lust verteufeln, musst du dich nicht dafür schämen. Und sagen die nicht auch, liebe deinen Nächsten?“ „So… so war das nicht gemeint, aber... OK, Komm...“ Ich gab nach und ließ ihn zwischen meine Beine. Als ich aber meine Arme um ihn schlang, berührte ich eine seiner Wunden und Agni stöhnte vor Schmerz auf. „Agni! Tut mir leid!!! Vielleicht sollten wir das lieber lassen, wegen deiner Wunden!“ „Schon in Ordnung... Das war ja ein Versehen. Aber dadurch weiß ich dass ich nicht träume... aber kannst du vielleicht mit einer Rune...?“ Er sah mich bittend an, so sehr wollte er mich dass er seine Wunden ignoriert? „Hmmm... Naja mit Kaun könnte ich deine Schmerzen betäuben... Mit der Salbe riskiere ich das nicht noch einmal...“ „Bitte Priya, versuche es! Ich will dich!“, bettelte Agni sehnsüchtig, ich wurde noch roter. „Nur einmal, dann warte ich bis ich wieder geheilt bin. Ich verspreche es. Bitte, ich will dich nun klar im Kopf spüren...“ „Na…na gut…“ Ich hob die Finger und zeichnete ein Y, das wie eine Balkenstütze aussieht, auf seine Brust. „Kaun ist der Kinder Weh, und des Kriegers Zeichen und Hort faulenden Fleisches. Sei befreit von Schmerz, deine Wunden sollen nicht reißen, sei befreit wenn deine Lust gestillt ist…“ Die Rune glühte auf und wie sie erlischt, berührte ich vorsichtig seine Wunde. „Spürst du was?“ „Nein!“, antwortete er glücklich. „Oh priya…“ Wie er wieder mich küsste, drang dabei Agni in mich ein. Ich zuckte dabei zusammen vor Überraschung. „Oh! Ah…ah…!“ Das war schon jetzt da, diese Spannung die langsam anstieg. Agnis Atem war schwer, auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck seligen Genusses während er mit geschlossenen Augen meine Brust küsste. Ich konnte nicht anders, nicht widerstehen, dem Druck. Irgendwie… hatte es überhaupt einen Zweck mich der anbahnenden Lust entgegen zu lehnen? Nein. Es gab doch keine Zweifel mehr, anders als gestern. Ich wurde lauter, Arme und Beine eng um ihn geschlungen. Ich hielt es bald nicht mehr aus! Auch Agni stoß fester in mich. „Ah! A…A…gni!“ „Wig…burg…“ Er schnaubte, ich schrie! Fast hätte ich mit meinen Fingernägeln neue Wunden in sein Fleisch gerissen, so doll verkrallte ich mich in ihn als ich kam und er sich nochmal energischer an mich presst als er kam. Dann aber flaute der Druck ab, wie eine Welle die auf der Brandung sich ausbreitete. Agnis Gesicht entspannte sich auch wieder und er lächelte mich glücklich und dankbar an. Auch ich lächelte glücklich, bis die Rune wieder aufglühte und Agni wieder Schmerzen fühlte. Dabei verzog er das Gesicht. „Agni!“ Ich stützte ihn, besorgt aber er versuchte wieder zu lächeln. „Alles in Ordnung… Mir geht es gut… sogar sehr gut, mere Priya. Ich liebe dich immer mehr und mehr…“ Doch als Agni mich wieder küssen wollte hörte man auf einmal: „Wigburg! Schwesterherz, bist du hier?!“ „LIESCHEN!!!“, quiekte ich erschrocken. „Äh!! Agni ist erwacht!“ Mir fiel nix besseres ein. „Was?!“ „Äh… ja! Ich bin wieder wach!“, fügte Agni zu. „Was?! Ich komm rein!“ „NEIN!!“, rief ich. „Äh… geh und hol Soma!!“ „Ja, bitte! Der Prinz sollte es so schnell wie möglich erfahren.“ „Öh… ok… mach ich! Oh, wie wird sich Soma freuen!!“ Und man hörte Lisabeths Schritte, die sich entfernten. Peinliche Stille herrschte dann. „Das war knapp…“, sagte ich verlegen. Auch Agni war sehr verlegen. „Ja. Ich möchte ungern deiner Schwester so unter die Augen kommen. Nackt und mit dir in meinem Arm.“ „Ja, ziehen wir uns besser schnell an. Und ich muss dich noch verbinden.“ Er nickte nur und dann verband ich seine Wunden und wir zogen uns um. Die nächsten vier Tage waren die schönsten seit wir nach England gekommen sind, für uns vier. Soma und Lisabeth waren nun ein Paar, genauso wie auch Agni und ich. Trotz ein paar zweideutigen Sticheleien von Fräulein Sieglinde, denn wir waren ja immer noch bei ihr und Wolfram. Der junge Earl hatte sich nicht bei und gemeldet aber in unserem Liebesglück war das uns egal und wir vier hatten uns alle entschieden: Sobald Agnis Wunden verheilt sind, gehen wir nach Indien! Deshalb wollten Lieschen und ich unserer Mutter schon einen Brief Bescheid sagen, aber unserem Vater wollten wir nichts sagen. Zurückholen könnte er uns sowieso nicht. Soma und Agni hatten sich aber noch nicht getraut uns Heiratsanträge zu machen. Irgendwie war das im Tumult in den Hintergrund geraten. Aber eines Morgens als Wolfram und Sieglinde aus der Stadt kamen, um Lebensmittel einzukaufen, hatten sie eine Zeitung dabei mit einem Bild des jungen Herrn! „Ciel ist geflüchtet und versteckt sich!?“, rief Soma wütend als er den Artikel las. „Ich wusste es… Er ist schuld an Agnis Tod!“ „Ich weiß nicht…“, sagte Lisabeth unsicher. „Er hatte uns auf den Namen Queen Victorias geschworen, dass er das nicht war.“ „Pah! Das glaube ich nicht! Er hat uns bestimmt die ganze Zeit uns alle angelogen!“, knurrt Soma. „Wir haben es doch alle gesehen!“ „Das mag sein Soma.“, sagte ich nun. „Aber wenn ich so darüber nachdenke, Ciel tut eigentlich nix „überflüssiges“. Er hat weder ein Motiv noch einen Grund uns anzugreifen, besonders mich und Lieschen. Im Vertrag, den er mit unserem Vater gemacht hat, wegen Großvaters Schulden, hatte man ein sehr hohes Schmerzensgeld vereinbart, falls uns was passiert. Darauf hatte unsere Mutter bestanden, trotz der Scheidung. Das wollte sie bestimmt um uns zu beschützen, denn das Schmerzensgeld ist so hoch dass es ihm als adeligen finanziell wehtun würde, es wäre also dumm uns umzubringen. Also wer uns da angegriffen hat, kennt uns nicht und auch nicht was für eine Verbindung wir zu Ciel haben.“ Soma knurrte, er merkte dass ich Recht hatte. „Hmm…“, gab Agni von sich, während er die Stirn nachdenklich in Falten gelegt hatte. „Agni?“ „Ist etwas, Liebster?“, fragte ich. „Prinz.“, sagte Agni nun an Soma gewandt. „Habt Ihr Euch die Teile des Fotos gesehen, die ich Euch gab?“ „Was für ein Foto?“, fragte Soma verwirrt. „Ich hatte im Kamin, als ich Holz nachlegen wollte, verkohlte Teile eines Fotos gefunden. Ich hatte sie euch gegeben, bevor ich Euch in die Küche eingeschlossen habe.“ „Darauf habe ich nicht geachtet…“, sagte Soma als er versuchte sich zu erinnern. „Was war denn auf dem Foto?“, fragte Lisabeth. „Der junge Earl als Kind… und zwar zweimal.“ „Zweimal?!“ Wir alle waren verdutzt. „Bist du dir sicher, dass es von einem Foto stammt?“, fragte ich. „Ich bin mir ganz sicher.“, sagte Agni mit fester Stimme. „Du meinst… es gibt zwei Ciels?!“, fragte Lisabeth und Agni nickte. „Hä?!!“ Soma machte große Augen vor Unglauben. „Das… das kann nicht sein!“, sagte ich. „Ok… mal angenommen es gäbe zwei Ciels…“, begann Lisabeth. „…was hätte der zweite Ciel für einen Grund um uns anzugreifen?“ „Rache vielleicht?“, fragte ich. „Ja!“, fügte Agni zu. „Vielleicht wollte der Zweite das sich nehmen was der Erste hat.“ „Ja, stimmt! Ciel hatte doch ein Foto dass er mir nicht zeigen wollte!“, erinnerte sich nun Soma. „Das hat er bestimmt versucht zu vernichten damit wir nichts von dem zweiten Ciel erfahren.“ „Dann muss unser Ciel, der unrechtmäßige Earl Phantomhive sein und deshalb will der andere Ciel Rache!“, sagte Lisabeth. „Das ergibt nun Sinn… Dann müssen es Zwillinge sein, wenn es zwei auf dem Foto waren.“, sagte ich. „Was machen wir nun?“, fragte Lisabeth nun. „Wer ist nun der echte? Wen können wir vertrauen?“ „Wenn der, der uns angegriffen hat uns findet, könnte er versuchen uns nochmal…“, sagte Agni und wurde blass. Ich bekam Angst und umklammerte ihn. „Nein, das will ich nicht! Ganz bestimmt würde er uns nochmal angreifen, allein um Zeugen zu vernichten! Wir müssen weg!“ „Aber Wigburg! “, sagte Lisabeth. „Wir haben nicht genug Geld dafür, selbst wenn wir unsere Armbänder verkaufen würden und niemand außer uns weiß, dass Agni lebt.“ Das wurde mir auch bewusst. „Was das Geld betrifft, kann ich für mich und Agni sorgen, aber Lisabeth hat recht.“, fügte Soma bitter zu. „Wie soll man das erklären? Ich bin schon froh, dass Sieglinde und ihr Khansama unsere Erklärungen glauben. Ich fürchte Agni muss heimlich verreisen.“ „Da stimme ich Euch zu Prinz… Ich schäme mich, dass ich Euch nun für eine Zeit lang nicht beschützen kann…“ „Mach dir keine Vorwürfe Agni.“, antwortete Soma. „Vielleicht ist es besser…“, begann ich und dabei zerbrach mein Herz. „…ihr… geht ohne uns…“ „Was?!“, fragte Soma entsetzt. „Ich ohne meine Lisabeth?!“ „Priya…“, sagte Agni auch mit innerlichem Schmerz. „Ich wünschte, es gäbe einen einfacheren Weg… Aber… uns fehlt die Zeit… Es ist besser wenn ihr zuerst England verlässt…“ „Und euch alleine lassen?!!“, rief Soma. „NEIN!!! Wir bleiben zusammen! Nur so können wir uns gegenseitig beschützen!“ „Ich würde Euch gerne zustimmen, mein Prinz. Aber ich kann momentan niemanden beschützen…“ „Und Wigburg und ich können uns nicht alle beschützen…“, sagte Lisabeth mit feuchten Augen und erstickter Stimme. Sie holte immer wieder Luft während sie sprach. „Es… es ist besser, wenn ihr zuerst nach Indien geht und wir folgen… Ein indischer Prinz fällt in England immer noch eher auf als zwei deutsche Hausmädchen… außerdem… wir können euch solange den Rücken freihalten…“ „Aber…“, wollte Soma widersprechen, doch da mischte sich Agni mit einem bittenden Ausdruck im Gesicht: „Prinz Soma, Ihr sagtet dass Ihr für jemanden der Fels in der Brandung sein wollt. Auch wenn Ihr dabei verletzt werdet. Auch wenn es sich nicht für einen Diener gehört, Ihr müsst mich nun beschützen, bis wir wieder im Reich eures Vaters zurückgekehrt sind. Wir haben keine Wahl.“ Auch Agnis heiles Auge war feucht vor Tränen. „Das… aber…“ „Soma…“, sagte ich. „Nein, Prinz Soma Asman Kadar… Vor knapp einem Jahr, warst du ein unselbstständiger und ungezogener, kleiner Junge. Und jetzt… du hast Schmerz erlebt. Du hast Scheitern erlebt. Du hast Fremdsein erlebt. Du hast Anstrengung erlebt, aber du hast dich dem ganzen gestellt. Hast dich aufgerappelt. Du hast dich geöffnet. Du hast dich verändert und bist ein Mann geworden. Und deshalb… wenn ich als Wala einen König wählen würde, bist du das.“ Soma guckte mich überrascht an wie ich dabei mit dem Finger auf ihn zeigte. Das war das erste Mal dass ich ihm das offen ins Gesicht sagte. „Das… das traust du mir zu?“, fragte Soma. „Wir beide trauen dir das zu, Soma.“, sagte Lisabeth und streichelte mit zärtlichen Blick seine Schulter. „Ja Soma. Das traue ich dir zu. Und wir werden auch nicht für immer getrennt sein, fest versprochen! Nein, das schwöre ich! Und zur Sicherheit geben wir euch beiden Runenstäbe mit, ihr beide könnt mittlerweile damit umgehen. Nur bitte Soma…“ Ich bin sogar vor Soma auf die Knie gegangen, während meine Tränen flossen. „Beweise mir was für ein Mann du geworden bist und pass bitte auf Agni auf…“ „…Ich werde es versuchen…“ „Allein dass du es versuchen willst, ist schon viel…“ Am nächsten Tag, in der Stadt: Lisabeth und ich waren grad unterwegs zum Bestattungsinstitut. Im Ladeninneren warteten wir auf Bedienung nachdem wir an der Theke geklingelt hatten, trotz dass wir etwas Angst hatten. Nach einer Weile kam eine junge Frau mit hellblondem Haar, sehr hellblauen Augen und heller Haut wie Porzellan. Lisabeth und ich waren zuerst erstaunt über ihr Aussehen, weil wir beide denselben Gedanken hatten. „Ein Engel?!“ „Ja, wie kann ich euch helfen?“, fragte sie mit weicher Stimme. „Ähm… Ja. Zuerst wollen wir wissen, ist Ihr Vorgesetzter da, Miss?“, fragte Lisabeth. „Tut mir leid, mein Vorgesetzter ist nicht da. Aber nachmittags können Sie nochmal…“ „Ach, das macht nix… Ist uns sowieso lieber…“, sagte ich lächelnd um meine Erleichterung zu verbergen. „Wieso? Gibt es ein Problem?“, fragte die Frau. „Äh… nichts Wichtiges…“ „Ok? Also, womit kann ich dienen?“ „Nun… ein Freund von uns schickt uns, er will eine Ausfuhrgenehmigung für eine Urne mit der Asche eines Verstorbenen haben. Die dazu passende Urne sollen wir auch besorgen.“, erklärte Lisabeth und holte eine Nachricht aus ihrer Manteltasche, die Soma geschrieben hatte. Die Frau sah sich die Nachricht an und nickte zufrieden. „Das sieht in Ordnung aus… Wollt ihr eine Feuerbestattung dazu bestellen? Ich könnte euch ein gutes Angebot machen.“ „Äh, Nein, nicht nötig.“, sagte ich. „Der besagte Freund ist hinduistischen Glaubens und deshalb hat er sich bereits darum gekümmert.“ „Ach so, verstehe… Naja, soll mir Recht sein… Würdet ihr mir bitte folgen?“ Die Frau führte uns in einen Raum hinter der Theke, wo ein Regal voller Urnen stand. „Urnenbestattung kommt immer mehr in Trend, ich hoffe unsere Auswahl wird ihnen gefallen. Ähm, ihr sagtet der Freund von Ihnen ist hinduistischen Glaubens?“ „Ja genauso der Verblichene.“, sagte ich mit nem leichten Stich in der Brust. „Beide sind aus Indien.“ „Ach so… Wie wäre es mit diesem Modell? Einige Kunden haben wohl eine Schwäche für das exotische, deshalb haben wir die hier.“, sagte die junge Frau und holte eine Urne die mit Lotusblumen dekoriert war. Ansonsten war die schlicht gehalten. „Ja, die nehmen wir. Die ist hübsch, das würde den Verstorbenen erfreuen…“, sagte Lisabeth an meiner Stelle, weil mir die Worte im Hals stecken blieben. „Sehr gut! Dann mach ich alles fertig. Bitte warten Sie im Ausstellraum, während ich die Ausfuhrgenehmigung ausfülle und die Urne transportfertig mache.“ „In Ordnung…“ Wir beide saßen auf nem Sarg im Ausstellungsraum und warteten auf die junge Frau mit dem Engelsgesicht. Ich fühlte mich nicht gut, vielleicht weil es um Agnis Tod ging oder zumindest seinen nun vorgetäuschten Tod. Oder weil der Kauf der Urne bedeutet dass er und Soma morgen England verlassen werden. „Wigburg… alles in Ordnung?“, fragte Lisabeth. „Hm? Äh… Ja, mir geht’s gut… war nur in Gedanken… und vielleicht war Herr Wolframs Haferschleim zum Frühstück nicht ordentlich zubereitet…“ „Hoffentlich nicht das letztere…“ „Tja, das Soldatenleben wird man wohl nie los, wie bei Bard…“ „Stimmt… wo er und die anderen sind? Seit dem Angriff hat keiner von ihnen sich gemeldet.“ „Wer hat sich nicht gemeldet?“, fragte die junge Frau und guckte misstrauisch. „Ähm… nichts! Niemand den Sie kennen, Miss. Ein privates Ding.“ Sie schien nicht sonderlich beeindruckt. „Ok? Nun, hier habt ihr die Ausfuhrgenehmigung und die Urne.“ „Vielen Dank. Einen schönen Tag noch.“ „Euch auch. Auf Wiedersehen.“ Endlich verließen wir den Laden auch wenn die junge Frau nicht bedrohlich gewirkt hatte. Auf den Weg zurück sagten wir kein Wort. Das Geld für den Mantel, den wir unserer Mutter schenken wollten, war nun weg. Aber um unsere Geliebten in Sicherheit zu bringen, mussten wir diesen Preis zahlen. „Herr Wolfram!!! Nicht die Asche wegwerfen!!!“ Lisabeth konnte den deutschen Butler aufhalten als er die Asche vom Kamin wegwerfen wollte. „Wieso? Brauchst du die?“ „Ähm… ja. Ich brauch die.“ „Hrmpf… von mir aus…“ Und er gab brummelnd Lisabeth die Schaufel. „Danke, Herr Wolfram.“ Jetzt hatten wir die Asche für die Urne. Ich hatte währenddessen aus dem Abfall Knochen von Eisbein und Brathähnchen geholt und zum Teil hinterm Haus mit einem Stein zertrümmert nach dem ich die heimlich im Feuer geröstet habe. Mir wurde schlecht bei den Gedanken dass das hier Agnis Gebeine darstellen sollten. Ich hatte mich sogar fast übergeben müssen. Später bei Agni um seine Wunden zu versorgen, konnte ich mich davon erholen, auch wenn ich nicht fröhlicher wurde. „Morgen wenn ihr beide geht, müsst ihr getrennt gehen. Lisabeth und ich haben Kleidung besorgt die du morgen tragen kannst, damit man dich nicht erkennt.“ „Kann ich mich überhaupt lang genug bewegen mit meinen Wunden?“ „Wir packen in Somas Koffer eine Salbe ein und…“ Ich holte einen Runenstab aus, bereits gefärbt mit meinem Blut. „Wenn du die Rune Kaun verwendest werden deine Schmerzen für etwa 3 Stunden betäubt. Aber pass auf dass du die Rune nicht zu oft verwendest, sonst schwindet deine Kraft.“ „Ich werde aufpassen, Priya…“ Das Herz war ihm zu schwer um zu lächeln. „Hrmpf… Ich will was versuchen…“ Dabei nahm ich den Verband von seinem Auge. Vorsichtig zeichnete ich die Rune Kaun auf sein Auge. „Heile seine Wunde und gib zurück was ihm gehörte.“ Die Wunde begann schneller zu heilen und das Auge bildete sich wieder aus! Als nur noch eine Narbe zu sehen war, öffnete Agni sein rechtes Auge und staunte. „Priya! Ich kann wieder was sehen! Etwas getrübt, aber ich kann wieder was sehen! Priya?“ Mir wurde schwindelig und ich kippte nach vorne in seine Arme. „Priya! Alles in Ordnung?! Geht’s dir nicht gut?“ Agni war sehr besorgt, aber das Schwindelgefühl verschwand genauso schnell sie gekommen war. „Urrrgh… äh… Nein, jetzt ist alles wieder gut.“ „Vielleicht hat der Runen-Zauber den du benutzt hast um mich zurück zu holen dich mehr ausgelaugt als wir alle dachten.“ „Kann sein… aber es ist doch fast eine Woche her.“ „Aber trotzdem habe ich mein Auge wieder und das ist mehr als genug.“ Während ich in Agnis Arm war wunderte ich mich trotzdem, warum meine Kraft so schnell nachgelassen hat. Kapitel 16: Erster Abschied von England --------------------------------------- Soma war bereits gegangen, wie Lisabeth erwachte. Der Platz neben ihr im Bett war zwar noch warm aber sie war dennoch etwas wütend und traurig. Sie, ich und Agni folgten, nachdem wir uns angezogen und Agni verkleidet und versorgt hatten. Lisabeth hielt es nicht aus und ließ schnell Agni und mich zurück. Auf dem Weg zum Hafen, den Soma ganz bestimmt genommen hat kam Lisabeth in eine Gasse wo drei Männer, übel zugerichtet und bewusstlos da lagen. „Ach herrje… was ist denn hier passiert?“ „Blumenmädchen?“ Sie kannte die Stimme, sie war von einem kleinen Jungen, der immer beim Currybrötchen-Austeilen war, der von ihr zum Geburtstag seiner Mutter einen Blumenkranz bekommen hat. „He, Kleiner… was ist vorgefallen? Ach, komm wein doch nicht…“, sagte sie tröstend wie der Junge sich weinend in ihre Arme warf. „Currybrötchenmann… er hat…“ „Soma war also hier gewesen…“ Sie war erleichtert auf der richtigen Spur zu sein, bis sie in den Händen des Jungen was glitzern sah. „He… das ist doch seine Kette mit dem Saphir.“ „Er hat sie meinem Jungen geschenkt!“, sagte seine Mutter die ihr halbverhungertes Baby auf dem Arm hielt. „Er hat sie nicht gestohlen!“ „Das glaube ich Ihnen, Ma’am. Was ist dann passiert?“ „Diese Säufer wollten die Kette meinem Jungen abnehmen, dann haben sie den Prinzen drangsaliert und eine Urne aus seinem Koffer genommen. Ab da ist er ausgerastet und hat sie alle zusammen geschlagen. Er war wie von einer Macht besessen!“ „Verstehe…“ „Warum gibt es keine Currybrötchen mehr?!! Bitte Blumenmädchen! Sag es mir!“ Lisabeth rang mit sich, bis sie sich entschied die Wahrheit zu sagen. „Weiß du… der Koch, der die Currybrötchen gemacht hat… er ist tot…“ „WAS?! NEIN!!! NIEMALS!!“ „Doch mein Kleiner… Und der Currybrötchenmann ist auf den Weg nach Indien um ihn zu begraben beziehungsweise seine Asche…“ „Wird es nie wieder Currybrötchen geben?“ „Ich fürchte nein…“ Der Kleine weinte noch ärger und drückte sich eng an Lisabeth. „Ist ja gut… alles wird wieder gut…“ „Das ist so gemein!! Warum ist die Welt so gemein!!? Ich hasse diese Welt!“ „Das hat meine Schwester früher auch gesagt… aber weißt du was Kleiner?“ „Was denn?“ „ich hatte ihr gesagt dass wenn die Welt so gemein ist, hätten wir nicht unsere Mama und unseren Papa. Und wäre die Welt so gemein hätten wir auch nicht später Freunde gefunden wie der Currybrötchenmann.“ Es entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit aber anders wusste sie nicht den Kleinen zu trösten. „Die Welt ist vielleicht grausam, aber nun habt ihr die Kette und könnt euch für eine lange Zeit euch was zu essen kaufen, bis vielleicht du eine Arbeit als Zeitungsjunge oder so findest.“ „J… ja du hast recht!“ Er wischte sich Augen und Nase mit dem Ärmel ab. „Ich habe doch noch Mama und meinen kleinen Bruder.“ Die Mutter lächelte liebevoll. „Siehst du, sie sind noch da und die Zeit mit dem Currybrötchenmann wirst du auch nicht verlieren. Wäre die Welt so grausam, gäbe es diese Menschen nicht. Nun liegt es an dir so ein Mensch zu werden der die Welt weniger grausam macht, besonders für deinen kleinen Bruder…“ „Ja!! Das will ich!!“ Dann erklang ein schmerzhaftes Stöhnen und die Säufer standen auf. Der kleine Junge klammerte sich ängstlich an Lisabeth. „Was zum…?“ „Mein armer Kopf… blute ich?“ „He! Der Kleine mit der Kette! Gib die sofort her!“ „Lasst den Jungen zufrieden!“, sagte Lisabeth, aufrecht und kalt wie Eis. Die Säufer guckten verdutzt. „Ich sagte: Lasst den Jungen zufrieden!“ „Willst du dich mit uns anlegen?“ „Wohl ne ganz Harte was?“ „Dann geben wir dir ungeschliffene Schnecke mal die besonders harte Tour!“ „Ihr werdet den Jungen und seine Familie in Ruhe lassen. Und solltet ihr euch ihnen nähern soll die Angst euch davonjagen!“ Die Männer lachten laut. „Willst du uns damit drohen?“ Patsch! Der erste bekam eine Ohrfeige. Und Patsch! Patsch! Auch seine Kumpanen. „Hä?!“ „Kleiner… sag diesen Pennern dass sie euch in Ruhe lassen sollen.“ Der Kleine guckte zuerst verdutzt bis er zögerlich vortrat und sprach: „La… lasst uns in Ruhe! Ihr… Wichser!“ Die Männer wurden tatsächlich blasser im Gesicht und wichen vor Angst zurück. „Verschwindet!“, sagte Lisabeth mit Eis-Augen und hielt ihnen die flache Hand entgegen. Die Männer ergriffen die Flucht. „Wow! Die haben richtig Angst!“, staunte der Junge. „Diese Kerle lassen euch zumindest in Ruhe. Und du solltest das schlimme Wort nicht mehr benutzen.“ „Danke Blumenmädchen! Jetzt werde ich bestimmt nie wieder Angst haben!“ „Das ist gut… Ich muss nun aber weiter, den Currybrötchenmann finden. Pass gut auf dich auf Kleiner.“ „Mach ich! Äh, warte! Der Currybrötchenmann hat seinen Koffer vergessen!“ „Oh, danke! Machts gut!“ Lisabeth nahm den Koffer und wollte los. „Äh, warte Blumenmädchen! Bist du eine Fee oder eine Hexe?!“ „Hihihihi! Nein, weder noch, aber normal bin ich nicht. Bis dann!“ Und Lisabeth rannte mit dem Koffer los. „Das muss eine Fee sein! Sonst könnte sie solchen Männern keine Angst machen und immer Blumenkränze machen!“ „Nein, mein Junge.“, sagte die Mutter. „Sie ist ein Engel… Ein Engel in Menschengestalt.“ Der Junge bliebt trotzdem bei seinem Glauben eine Fee gesehen zu haben. In Wirklichkeit hatte Lisabeth durch die Ohrfeigen die Rune Thurs an die Männer verteilt, die Angst in den Herzen dieser Männer auslöst wenn sie sich dem Jungen, seiner Mutter oder seinem Bruder näherten. Zusätzlich hatte sie selber die Rune Thurs von sich aus auf die Männer gewirkt. Lisabeth rannte aber mit dem Koffer, erreichte den Hafen und sah endlich Soma. „SOMA!!!“ Der zuckte zusammen als er seinen Namen hörte und drehte sich in Lisabeths Richtung. „Lisabeth…“ „DU IDIOT!!!“ Sie ließ den Koffer fallen und umarmte weinend ihn. „Warum bist du abgehauen ohne mir auf Wiedersehen zu sagen?!! Du bist so dumm!!“ „Tu… tut mir leid… ich dachte dass ich leichter…“ Aber auch Soma fing an zu weinen und drückte Lisabeth enger an sich, auch wenn er immer noch die Urne an sich gepresst hielt. „Das ist wirklich Ironie.“ Das war ich, Agni hielt sich im Hintergrund. „Vor knapp einen Jahr hast du deine Heimat für eine Frau verlassen, die dich keines Blickes gewürdigt hat und nun willst du wieder in deine Heimat zurückkehren ohne der Frau die dir ihr Herz geschenkt hat auf Wiedersehen zu sagen.“ „Tut mir leid… ich dachte dass wenn ich einfach gehe es mir leichter fallen wird zu…“ „Das hättest du aber schnell bereut…“ „Ja…“ „Ich war so wütend und verletzt, Soma…“, schluchzte Lisabeth. „Tut mir wirklich Leid… Das hätte ich nicht tun sollen…“ „Ist schon gut… ich verzeih dir…“ Soma lächelte erleichtert und Lisabeth holte ein Taschentuch raus um Somas Gesicht abzuwischen, das voller Blut war. „Ich hab den Runenstab verwendet um zu kämpfen aber…“ „Du warst bestimmt wütend und hattest somit deine Energie nicht mehr im Griff.“ „Ach so… hab ich vergessen…“ Das Schiff, mit dem Soma und Agni wieder nach Indien fahren wollten, kam grad an und ließ seine ankommenden Passagiere von Bord. „Es geht bald los, nicht wahr?“, fragte ich mit Wehmut. „Ja…“, sagte Soma. „Wo ist dann…“ „Er ist irgendwo in der Menge, er trägt meinen Schal, daran wirst du ihn erkennen.“, antwortete ich. „Stimmt! Du trägst deinen Schal nicht!“, sagte Soma auf einmal. „Ach… Ich hab dir diesen Schal zu deiner Konfirmation geschenkt, Wiebchen. Ich hab wochenlang dran gestrickt und du hast ihn immer getragen.“, sagte Lisabeth etwas bedrückt. „Aber bei ihm ist er bestimmt sicher.“ „Ja, denke ich auch.“ Dann flüsterte ich Soma ins Ohr. „Wenn ihr die Küsten Frankreichs hinter Euch habt, könnt ihr wieder zusammen gehen. Lieschen und ich haben euch Kabinen gebucht die nebeneinander liegen.“ „Danke sehr…“ Soma fühlte sich deutlich besser. All der Kummer war verflogen von vorhin, bei dem Gedanken nicht alleine zu sein. „Fast ein Jahr wart ihr beide nun in England…“, sagte Lisabeth rückblickend. „Wie viel passiert ist. Der Curry-Wettbewerb, deine Krankheit…“ „… unsere Holi-Fastnacht und Ostern, dann die Walpurgisnacht…“, sagte ich. „… und dann die Phantom Five… und dann das… Äh, Wigburg…“, wandte sich dann Soma an mich. „Vor fast einem Jahr habe ich dich gefragt ob du in meinem Palast arbeiten möchtest.“ „Ja, aber du wolltest mich bestimmt deinem Vater vorsetzen.“ Bei der Antwort kniff ich ihm in die Wange und Lisabeth versuchte mich lachend zu stoppen. „Ähehehehe! Irgendwie ja… schon blöd wenn ich darüber nachdenke… Ne aber jetzt im Ernst. Ihr beide werdet nicht nur im Palast leben, du Wigburg sollst da auch arbeiten, aber in einer Position die deiner gerecht ist.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Nicht nur weil du immer eine Ausgestoßene warst, sondern du weil du so viel stärker bist als viele andere Menschen. Du hast viel gekämpft und gelitten. Aber ich werde nie wieder zulassen dass du wieder ausgestoßen wirst!! Und wenn ich dein König sein soll, sollst du meine Beraterin werden. Dein Auge soll mich leiten, oder Wigburg?“ Ich war stark getroffen. So wie Soma mich ansah, schien es ihm ernst zu sein. Ich würde nie wieder ausgestoßen sein? Nie wieder beschimpft und diskriminiert werden ohne dass jemand außer Lieschen mich unterstützt? Werde dazugehören und gebraucht werden? „Ich soll deine Beraterin werden?“ „Ja! Ich vertrau dir! Und du und Lisabeth hättet einen Grund im Palast zu leben. Ich brauch euch beide, nicht nur du Lieschen, mere Priya, sondern auch dich Wigburg, meine beste Freundin.“ Ich weinte nun vor Freude. „JA!! Gerne! Du kannst dich auf mich verlassen! Danke mein Freund…“ Soma schien es als ob er schon mal diese Szene gesehen hätte aber er lächelte. „Die Leute gehen an Bord! Es geht los…“, sagte Lieschen. „Stimmt!“ Soma steckte fix die Urne in den Koffer und küsste Lisabeth nochmal innig. „Im Sommer sind wir bei euch, aller spätestens…“, sagte Lisabeth mit Tränen in den Augen. „Fest versprochen, selbst wenn wir später kommen, wir kommen nach Indien…“, sagte ich. „Ja. Wir werden auf euch warten.“ Ich und Lieschen sahen Soma hinterher, ich hielt meine Schwester im Arm während sie weinte. Dann sahen sie und ich wie ein Mann im grauen Mantel mit Hut und meinem Schal Soma auf das Schiff folgte. „Agni… Bis zum Sommer, Liebster…“ Ich hätte so gerne auch Agni noch ein letztes Mal um armt und geküsst, er bestimmt auch, weil er kurz zu mir sah, bevor er an Bord ging. Das Schiff legte ab und entfernte sich. Lange sahen wir nach, stumm und weinend. „Wir müssen unbedingt wieder Geld bekommen um so schnell wie möglich aus England zu kommen.“, sagte ich. „Ich will so schnell wie möglich wieder zu meinem Agni…“ „Je schneller wir England verlassen, umso besser.“, sagte Lisabeth. „Ich will so schnell wie möglich weg von demjenigen der uns angegriffen hat!“ Kapitel 17: Hüte dich! ---------------------- Bald würden wir am Bahnhof ankommen, um dann zu Fuß oder mit nem Wagen, wenn uns einer mitnimmt, zum Anwesen des Earl of Heatherfield zu kommen um uns als Hausmädchen zu bewerben. Fräulein Sieglinde und Herr Wolfram hatten uns ungerne gehen gelassen, aber Lisabeth und ich wollten so schnell wie möglich neues Geld verdienen um England zu verlassen und zurück nach Deutschland zu kommen, wo wir mit dem Erbe von Oma Inge unsere Reise nach Indien finanzieren wollten. Ein Glück dass uns ein Bauer uns auf seinem Karren mitgenommen hat und wir somit vorm Abend beim Heatherfield-Anwesen ankamen. Der Bauer sagte allerdings, dass der Baron jede Menge Bewerberinnen empfangen würde, was uns verunsicherte. Wir brauchten aber das Geld und die Stelle wurde gut bezahlt! "Da ist doch ein Haken dran.", hatte ich gesagt wie Lieschen die Zeitungsannonce mir gezeigt hatte und ich mir die durchgelesen habe. "So viel Geld und Freizeit" "Das ist eine gute Gelegenheit um schnell wieder flüssig zu werden.", hatte Lisabeth geantwortet. "Komm Schwesterherz, du wolltest doch so schnell wie möglich zu Agni zurück." Jetzt sind wir nun unterwegs zu diesem Earl. Die Haushälterin, Mrs. Abby genannt, empfing uns in ihrem Büro und begutachtete unsere Bewerbungsunterlagen. "hmmmm... Inge Rink und Felicia Rink... Außer Felicia, sehr eigensinnige Namen..." "Wir äh... Sind aus Deutschland.", sagte ich. Wir hatten unsere anderen Vornamen und den Mädchennamen von Oma Inge genommen um uns Tarnnamen zu machen. Sicher ist sicher. "Genauer aus dem Königreich Bayern... Äh... Nah bei Possenhofen... Da wohnen wir. ", log Lisabeth weiter und ich nickte. Dabei waren wir nie in der Nähe vom Kindheitsort der österreichischen Kaiserin. „Ich bin 17 und Wi… äh Inge ist 19 Jahre alt.“ "Ach so... Naja, den Earl kümmert es nicht welche Nationalität die Hausmädchen unter 30 Jahren haben, Hauptsache er ist zufrieden... Aber ich muss zugeben, Deutsche waren bisher noch nie in unserem Dienst und ihr habt fast keinen Akzent..." "Wir haben seit fast einem Jahr in England gelebt und gearbeitet. Daran muss es wohl liegen." "Hmmm... Na gut, wir stellen euch ein. Zuerst wird Jane euer Zimmer zeigen.“ Dabei deutete Mrs. Abby auf die blonde Aufseherin der Dienstmädchen, die daneben stand. „Habt ihr eure Dienstkleider dabei?" „Ja.“ Und ich holte mein Dienstmädchenkleid aber Mrs. Abby schüttelte den Kopf. „Hmm… Diese Kleider unterscheiden sich zu doll von den anderen, aber wir müssten noch was haben.“ "Müssen wir die Uniform abarbeiten?", fragte ich vorsichtig, doch Mrs. Abby schüttelte den Kopf. "Nein, der Earl hat die bereits bezahlt." Jane führte uns später zu unserem Zimmer. Ich war glücklich dass wir ein gemeinsames Zimmer bekamen und die Uniform passte, nur hatte ich Probleme einen Teil meiner Haare unter die Haube zu stecken, weil die so dick waren. "Nun...äh, Inge heißt du, richtig?", sagte Jane, die Aufseherin. "Du scheinst mir recht kräftig zu sein. Du wirst heute in der Waschküche arbeiten. Und du, Felicia, gehst in die Küche." "In Ordnung.", sagten wir gleichzeitig. In der Küche wurde Lisabeth aufgetragen die Suppe fürs Dinner zu kochen. Eine mollige Frau, im ähnlichen Kleid wie sie, half ihr das Gemüse dafür zu putzen. "Ich bin Magret, nett dich kennen zu lernen." "Ich bin El... äh, Felicia. Felicia Rink." "Bist du aus Italien?" "Nein aus Deutschland, aber mein Vater ist begeistert von den Römern. Wäre ich ein Junge geworden hätte er mich bestimmt Augustus oder Julius genannt. Nach irgendeinem Cäsar halt. Meine große Schwester wurde nach unserer Großmutter benannt." Das war der einzige Teil der wahr war. "Ach so. Sag mal, hast du den Earl schon mal gesehen?" "Ne, aber erzähl mal von ihm." Das interessierte Lieschen sehr, weil sie wissen wollte mit wem wir es zu tun haben. "Ach er ist sehr großzügig und recht gutaussehend für sein Alter. Allerdings Junggeselle." Schon war Lisabeths Interesse abgeflaut wie Margret den letzten Satz stark betonte. Sie bemerkte das. "Hast du mir überhaupt zugehört?" "Ja, aber mich interessiert es nicht wie der Earl aussieht oder wie sein Familienstand ist." Das überraschte Magret noch mehr. Lisabeth schnitt das letzte Stück Karotte fertig und warf die in den Topf. "Echt nicht? Naja, vielleicht änderst du deine Meinung, weil der Earl jede Nacht eines der Hausmädchen in seinem Zimmer empfängt." Sie grinste spitzbübisch, aber Lisabeth wurde blass vor Schrecken. "Da... Das ist ein Scherz oder?!" "Nein, das ist mein Ernst. Also ich hoffe, dass er mich mal zu sich ruft. Vielleicht kann ich dann seine Frau werden." "Meinetwegen gerne... Ich hab kein Interesse dran seine Frau zu werden oder mit ihm das Bett zu teilen..." "Du willst ihn wirklich nicht?!" Margret war total überrascht. "Wi... Äh... Inge und ich bleiben nur solange bis wir Geld für unsere Heimreise haben und nicht länger. Außerdem... Mein Herz gehört schon jemanden..." "Ist das sein Ring an deinem Finger?" Lisabeth trug einen von Somas goldenen Ringen, den er ihr am Abend vor der Abreise geschenkt hatte, als Liebespfand. "Äh... Ja..." "Steck ihn weg, eh er geklaut wird. Wer ist denn dein Herzblatt?" "So... Äh... So... Sa... Samuel! Samuel Cutter. Er hatte den Ring aus Indien, wo er nun auch ist." "Ach so, verstehe! Er gehört dem Militär an und ist in Indien stationiert um die kolonialen Kräfte zu unterstützen, richtig?" "Haargenau!" Lisabeth war froh sich nix ausdenken zu müssen. "Und wie er seinen Urlaub in der Heimat verbracht hat, haben wir uns kennengelernt und uns ineinander verliebt. Mein Sammy..." "Na ich hoffe er vergnügt sich nicht da unten mit den Inderinnen. Die sollen sehr hübsch, fügsam und moralisch recht locker sein." "Fügsam und moralisch locker? Ist das nicht ein Widerspruch? Und außerdem, ich vertraue ihm! Er wird mich nicht betrügen. Und ich werde ihm treu bleiben..." "Jaja... Das sagst du, pass bloß auf." Magret wandte sich dann in Richtung Vorratsraum um was zu holen. "Soma wird mir treu sein! Das weiß ich oder Wodans Zorn soll ihn treffen.", dachte Lisabeth trotzig. "Aber Wigburg hatte recht... Diese Stelle hatte einen Haken! Der Baron will nur ständig Frischfleisch vorrätig haben... Furchtbar! Haben wir etwa nichts aus der falschen Walpurgisnacht gelernt?" "... Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Hat Gewalt vom großen Gott..." "Was singst du da?", fragte mich ein Dienstmädchen mit spitzem Gesicht und strengen Augen voller Hochmut. "Ach, nix..." Ich war mir sicher, dass sie deutsch nicht versteht. "Lass solchen Unsinn! Immerhin arbeitest du für den Earl of Heatherfield!" "Ja, natürlich" in Gedanken fügte ich:"ahle Kratzberschd!" zu. "War das deine Muttersprache?", fragte mich dann ein jüngeres Dienstmädchen mit hellblonden, feinen Haaren. "Ja... Es ist über den Tod..." "Gruselig! Ich bin Emily und die grad eben heißt Prudence. Nett dich kennen zu lernen." "Ich bin Wi... Inge. Ich freue mich auch dich kennen zu lernen." "Sag mal Inge, warum singst du über den Tod? Ich finde damit lockt man ihn nur an..." Sie zitterte dabei vor Angst. "Nur wenn man dran glaubt passiert es. Ich singe über den Tod weil..." es flossen Tränen wie ich an Agni und darauf an seinen Tod denken musste, auch wenn ich ihn zurückholen konnte. "Mein liebster... Starb vor Circa vier Wochen..." "Au Weia!" Emily war sichtlich erschüttert. "Das ist wirklich furchtbar! Tut mir von Herzen leid Inge..." "Ich hätte ihn beschützen können... Aber... Ich fühle mich mitverantwortlich für seinen Tod..." "Bist du nicht... Du bist nicht schuld daran... Aber vielleicht kann der Earl dich trösten." "Was?" "Jede Nacht ruft der Earl immer eines der Hausmädchen in sein Zimmer und..." "NEIN!" Ich war empört und angewidert. "NIEMALS! Das werde ich niemals tun! Agni ist und bleibt für mich der einzige Mann in meinem Leben und ich werde ihn niemals betrügen!" "Wer? Angus?", fragte Emily verwirrt und ich hatte zu spät erkannt, dass ich seinen Namen laut ausgesprochen habe. "Äh... Ja Angus! Angus... Angus Ivy, ist und bleibt der einzige Mann in meinem Leben! Um nichts in der Welt würde ich ihn betrügen oder ersetzen! Nicht mal ein König oder Kaiser könnten meine Meinung ändern!" "Ist ja gut... Entschuldige... Ich dachte nur..." "Hrpmf... Schon gut... Sorry, dass ich ausgeflippt bin..." "Schon wieder in Ordnung... Vielleicht wenn du dem Earl es sagst, lässt er dich vielleicht in Ruhe..." "Das bezweifle ich..." "Emily! Komm her, ich brauche dich!" "Ich komme Prudence! Vielleicht können wir später mehr reden. Bis dann Inge.“ "Bis dann... Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Hat Gewalt vom großen Gott. Heut wetzt er das Messer, es Schneid schon viel besser. Bald wird er drein schneiden, wir müssen‘s erleiden. Hüt‘ dich schönst Blümlein." Ich wollte so gerne Rache für Agnis Tod haben, aber an wen? Hätte ich die Gelegenheit dazu? Oder würde es ungesühnt bleiben? Am nächsten Morgen weckte mich eine ungeheure Übelkeit aus dem Schlaf. Ich hatte noch keinen Gedanken fassen können, da schmeckte ich schon Erbrochenes auf meiner Zunge. So schnell wie ich konnte rannte ich zur Toilette und erbrach mich geräuschvoll über der Schüssel. Lisabeth war von meiner Eile wachgeworden und sah verwirrt nach. „Wigburg?“ Ich hörte nicht und japste zwischen den Würgern, während mir auch die Tränen flossen. Solange wie ich da hing, dachte ich schon, dass ich das Frühstück vom Vortag wieder hervor gewürgt hatte. „Wigburg?“ Lisabeth klopfte an die Tür. „Komm nicht rein!!! Mir geht’s nich…“ Die nächste Mahlzeit erschien wieder. Aber erst danach ging es mir besser. Keuchend hing ich nur vor dem Klosett, während meine Übelkeit abflaute. Die Tür ging auf. „Boah!!!“ Lieschen hielt sich die Nase zu, denn es roch furchtbar. „Allmächtiger!!! Was hast du denn gemacht?!“ Sie machte sofort das Fenster auf und drückte die Spülung. „Ich weiß es nicht… Mir war auf einmal so übel…“ „Bist du krank?“, fragte Lisabeth und half mir auf die Beine. „Nein… Ja… ich weiß es nicht…“ „Hast du wieder von Agni geträumt?“ Sie streichelte mir tröstend den Rücken. „Ja… aber… ich hatte mich nie deswegen übergeben müssen…“ „Vielleicht habe ich gestern den Fisch nicht gut genug durch gebraten und die Reste die du gegessen hast, haben dir auf den Magen geschlagen. Du hattest doch gestern mal wieder Frustessen gehabt und dadurch die Reste aufgegessen.“ Da fing ich an zu weinen. „Mag sein… ich vermisse ihn so sehr!“ „Ich weiß… Ich vermisse Soma auch sehr… Komm, ich koch dir gleich einen Kräutertee und wir gehen zum Arzt, okay?“ Wir gingen dann wieder raus aus der Toilette und machten uns startklar für den Tag. In der Küche gabs mal wieder Porridge, Haferschleim. Mir wurde fast wieder übel bei dem Anblick, trotz dass man Fruchtstückchen rein gemacht hat. Ich pickte nur diese raus und rührte lustlos in der grauen Pampe rum. Prudence, das strenge Hausmädchen sah das. „Stocher nicht so in deinem Frühstück rum. Du bist zwar Hausmädchen aber solche Manieren werden nicht geduldet!“ „Entschuldige…“ Und ich zwang mich den Porridge runter zu würgen. Warum wehrte sich mein Körper auf einmal gegen das Zeug, obwohl ich das schon hundertmal gefuttert habe. „Meine Güte, was stellst du dich so an, Inge?!! Unmöglich!!“ „Ach, lass sie Prudence.“, sagte Lisabeth, die einen Teller mit vier Marmeladenbrote gemacht hatte. „Trödelt nicht so lange mit dem Essen! Der Earl will uns alle gleich beim Morgenappell sehen!“, sagte Jane, die grad in den Aufenthaltsraum der Bediensteten rein sah. „Oh, der Earl will uns sehen?!“ „Ah! Ich bin noch ungeschminkt!“ „Meine Haare!!“ Und schon machten sich die Dienstmädchen daran sich rauszuputzen, als ob sie zum Ball gehen würden. Lisabeth und ich glotzten nur ratlos auf das Gewusel. „Ey! Was ist?! Wollt ihr euch nicht hübsch machen für den Earl?!“ „Äh… Nein. Wozu?“ „Ach, ihr wisst nicht was gut ist…“ Und das Dienstmädchen puderte sich weiter die Nase. Lisabeth schüttelte nur den Kopf und wandte diesen wieder zu mir. Noch größer wurden ihre Augen wie sie auf den Teller sah. Alle Marmeladenbrote hatte ich aufgegessen! „Schwesterherz! War dir vorhin nicht schlecht?!“ „Äh… ja. Aber… die waren so lecker…“ Das fiel mir auch wieder ein, ich hatte ohne dabei nachzudenken die Brote mit heftigem Appetit verputzt, dass es mir nun echt unangenehm war. „In 10 Minuten ist Morgenappell! Versammelt euch im Salon um den Earl zu begrüßen!“, kommandierte Jane als sie auf ihre Uhr geguckt hatte. „Jawohl!“ „Okay, ich mach dir noch ein Brot. Aber danach ist Schluss!!!“ „Ja, gut…“ Lieschen schmierte mir noch ein Brot, nahm aber anstatt Butter Leberpastete. Sie grinste während sie die Leber unter einer dicken Schicht Marmelade versteckt. Mehr war sie überrascht als sie sah dass ich das Brot mit Herzenslust verspeiste. „Haaach… das war gut… Danke Li… Felicia…“ „Schwesterherz… was ist denn los mit dir?“, flüsterte Lisabeth mir zu. „Was?“, flüsterte ich zurück. „Äh… Da war Leberpastete drauf… Du hasst Leber!!!“ „Echt?? Das war Leber??? Hab ich nicht bemerkt… war aber...“ „ALLES ZUM MORGENAPPELL!!! HURTIG! HURTIG!“ Und wir rannten mit den mit den anderen Bediensteten in den Salon wo wir uns in Reih und Glied aufstellten. Uns beide schob man ganz nach vorne. Dann erst erschien der Earl im Salon, das war wirklich ein mittelalter Mann der für sein Alter gut aussah, aber Lisabeth und ich blieben bei dem Anblick kalt. „Guten Morgen.“ „Guten Morgen, gnädiger Herr.“ „Ich habe gehört, wir haben Neuzugänge.“, sagte Earl Heatherfield. „Ja, zwei neue Hausmädchen.“, antwortete Mrs. Abby und deutete direkt auf mich und Lisabeth. „Aha, zwei Neue. Nun wie heißt ihr beide?“, sagte der Earl und sah mich direkt an. „I…Inge Rink, ist mein Name und das ist meine kleine Schwester Felicia, Mylord.“ „Inge? Sehr ungewohnt der Name, aber ich freue mich euch beide kennenzulernen. Seid schön fleißig!“ Der Earl wollte mich schon ans Kinn fassen, aber Lisabeth schlug ihm die Hand weg. „Verzeihung aber… nun… äh…“ Alle starrten Lisabeth an und ich wunderte mich. „Äh… Inge… Ihr war heute Morgen schlecht und ich möchte nicht dass ihr euch eventuell ansteckt.“ Die Hausmädchen traten alle einen Schritt weg von mir. „Ach so! Gut dass du mich drauf aufmerksam machst. Wirklich Inge, du siehst etwas blass aus. Du gehst am besten gleich zum Arzt, nimm dafür die Personalkutsche und fahr in die Stadt zu Doktor Wright, er genießt mein vollstes Vertrauen. Den Rest des Tages nimm dir frei und ruh dich aus.“ „Äh… Danke Mylord.“ „Darf ich mit meiner Schwester mitkommen? Ich werde aber gleich nach der Rückkehr arbeiten, versprochen.“, fragte Lisabeth etwas ängstlich aber der Earl lächelte nur. „Natürlich darfst du das. Ich hoffe Inge hat nix schlimmes.“ „Was sollte das, Lieschen?“, flüsterte ich später, während wir in der Kutsche saßen. „Zuerst die Sache mit der Leber und dann beim Earl?!!“ „Das mit dem Earl ist doch einfach: hast du gesehen wie er dich angeglotzt hat?!“ „Ok, ja stimmt… da kam das mit meiner Übelkeit sehr recht.“ „Und das mit der Leber… Ich wollte dir eigentlich einen Streich spielen, aber du hast es gegessen als sei es deine Leibspeise.“ „Das ist ja wirklich eigenartig… Ich muss nicht mehr bei Sinnen sein…“ Lisabeth überlegte bevor sie vorsichtig fragte: „Wigburg… Wann hattest du das letzte Mal deine Periode?“ „Ähm… naja… ich glaube ein oder zwei Wochen bevor Soma und Agni…“ Ich verstummte abrupt. „WAS?!!! Das ist über einen Monat her!!! Das müsste eigentlich überfällig sein.“ Meine kleine Schwester sah mir ins Gesicht und sah, dass es kreidebleich war. „Wigburg…“, begann sie vorsichtig. „Das soll kein Vorwurf oder so was werden, aber bitte sei ehrlich… Hast du in der Zeit mit Agni geschlafen?“ Ich schluchzte unerbittlich wie mir das bewusst wurde. „NEIN!!! NEIN!!! DAS KANN NICHT SEIN!!! NEIN!!!“ „Schwesterherz!!!“ Sie nahm mich in den Arm. „Das war nicht böse gemeint ganz ehrlich!!! Also hast du…?“ „Ja…“, antwortete ich schniefend. „Ja… Wir haben‘s getan…“ „Wann denn?“ „In … am Morgen wie er das Bewusstsein wieder erlangte und wir uns gegenseitig unsere Liebe gestanden haben… Aber er hat mich nicht gezwungen!!!! Ich habe mit einer Rune seine Schmerzen betäubt… weil… weil, ich es auch wollte…“ „Das glaube ich dir… Aber das hätte dir doch klar sein müssen. Du bist eine Frau… und er ein Mann…“ „Ich weiß… aber ich hatte im Liebesglück keinen klaren Kopf mehr… Das musst du verstehen Lieschen…“ „Das verstehe ich auch… Ich hätte mich Soma auch hingegeben, wenn ich gewollt hätte… Ach komm wein doch nicht!“ „Ich darf nicht schwanger sein! Nein!! Wenn das jemand merkt…“ „Das wissen wir noch nicht!“, zischte Lisabeth mit gedämpfter Stimme. „Wir gehen nachher zum Arzt und er untersucht dich. Wer weiß vielleicht haben wir Glück und du hast nur ne Magen-Darm-Grippe.“ „Oh Gott, Wodan, Kali… bitte lass es eine Grippe sein…“ Später in der Stadt… Der Arzt konnte nix feststellen was auf eine Magen-Darm-Grippe oder einer Magenverstimmung hinweist. Allerdings seine Assistentin, eine Hebamme, untersuchte mich nachdem Lisabeth ihren Verdacht auf Schwangerschaft geäußert hatte. „Der Muttermund ist geschlossen… Der Verdacht ist bestätigt.“ Für mich war es eine Hiobsbotschaft. Alles drehte sich um mich und ich glaubte zu fallen. Ich hörte nicht mehr was die Hebamme sagte, bevor wir später wieder gingen. „Jetzt ist alles aus… alles… was hab ich nur getan…“ „Och Wibchen… so schlimm ist es nicht…“ „Du hast gut reden… Dir drohen kein Schimpf und Schande… Onkel Thomas wird mich aus der Kirche schmeißen… vorehelicher Verkehr und noch dazu mit einem Nicht-Christen…“ „Ach, das ist das kleinste Übel…“, konterte Lisabeth. „Stimmt… Wir sind ja sowieso Wodan geweiht… Aber Onkel Matthias wird mich überall im Ort als Hure beschimpfen lassen. Ihm ist doch alles Recht seine Brüder schlecht da stehen zu lassen…“ „Der wollte uns seit wir klein sind fertig machen, nur wegen Mama… Weil die anders als Tante Siegrun und Tante Ursula den Mund aufmacht wenn ihr was nicht passt.“ „Papa… Papa wird mich hassen und…“ Das war meine größte Angst. Auch wenn er uns sehr enttäuscht hatte war er mir immer noch recht wichtig und er konnte trotzdem mir noch was antun. „Was?! Glaubst du er schickt dich nach Marburg, ins Gebärhaus?!“ „Ganz sicher!“ Das Gebärhaus in Marburg oder offiziell, der Lernort für Anatomie der Medizinstudenten und angehenden Hebammen. Dort waren unverheiratete Schwangere untergebracht, meist verführte und geschändete Mägde und Dienstmädchen, die bis zur Geburt ihrer Kinder blieben. Dort dienten sie den Lernenden als Testobjekte. Dabei erlitten die werdenden Mütter, aber auch ihre Kinder Qualen und Demütigung, und oft gab es Tote. Manchmal wurden Körperteile oder Föten in Formaldehyd eingemacht und ausgestellt. Was würden sie mit meinem Kind machen wenn die sehen würden dass der Vater kein Europäer war?! Und das würde man bestimmt äußerlich sehen können. „Nee…“, feixte Lieschen. „Das wird nicht passieren. Das wäre für den Sohn des Wolfgang Herman eine größere Schande, als ein indisches Enkelchen zu haben. Außerdem das Auge Wodans würde sich bestimmt nicht sowas gefallen lassen, also…“ „Ich hab Angst… Was ist wenn auch Agni das Kind nicht…“ „Sag mal, von wem redest du denn??? Er wäre ein großer Idiot wenn er dein Kind nicht haben wolle!!! Er liebt dich…“ „Ich… ich… ich weiß nicht mehr was ich denken soll… Ich hab solche Angst!“ „Keine Panik…“, versuchte Lieschen auf mich einzureden, während ich meinen Gang beschleunigte, die Arme um den Leib geschlungen. „Ich weiß nicht was ich tun soll… Gott… Wodan… hilft mir…“ „Wigburg, hab keine Angst das schaffen wir zusammen!“ „Nein…“ Ich begann fast zu rennen, Lieschen hinter mir. „Du wirst ganz bestimmt eine tolle Mutter!! Das schaffen wir!!“ „GEH WEG!!!“, rief ich bevor ich über einen Bordstein stolperte und fast hinfiel. „WIGBURG!!!!“ Ich landete auf meinem Knie und riss mir dabei den Strumpf auf, das Knie blutete. Ich schluchzte nur. „Wigburg…“ Lieschen nahm mich in den Arm. „Ich hab Angst… solche Angst…“ „Keine Sorge…“ Sie strich mir tröstend über den Rücken. „Alles ist in Ordnung… Ich bin für dich da…“ „Was soll ich nur tun…?“ „…abwarten und vertrauen…“, antwortete mir Lieschen. „Was auch immer passiert, ich werde dich nicht im Stich lassen. Und sollte doch das schlimmste eintreffen und du doch ins Gebärhaus kommst, werde ich kommen und dich rausholen, wenn du es nicht alleine schaffst!! Dein Kind soll nicht in einem Einmachglas enden!!“ „Das wäre ein Alptraum… Ein unschuldiges Kind als Rassenschande anzusehen. Aber es ist doch keine Schande zu lieben… Und Kinder können nichts für die Fehler ihrer Eltern…“ „Kommt darauf an, was hier der Fehler ist…Hör nicht auf das was diese Spinner sagen! Die behaupten sogar Blonde mit blauen Augen wären die idealen Menschen, warum und wieso wissen die bestimmt selber nicht. Aber abtreiben wirst du das Kind nicht!“ „Nein… Agni würde mir das nie verzeihen… Oma würde es mir genauso wenig verzeihen…“ „Das glaube ich auch… Abgesehen davon dass du im Zuchthaus landest wenn man es erfährt.“ Wir gingen die Straße entlang, wir wollten zuerst ins Warenhaus um Garn zum Stopfen des Strumpfes zu holen bevor wir zurück zum Heatherfield-Anwesen gingen, bis dann Lisabeth das Schild eines Kolonialwarenhauses sah. „Halt! Ich habe eine Idee! Komm mit, Wigburg!“ Und sie nahm mich mit. Wir bekamen zwar auch Garn zum Stopfen, aber Lisabeth fragte die Verkäuferin nach etwas was sie als „Henna“ bezeichnete. Nachdem Lisabeth ein kleines Schächtelchen mit dem Gewünschten bekam und sie bezahlt hatte, gingen wir raus. „Lisabeth, was hast du vor? Was ist das für ein Zeug?“ „Das ist Henna. Damit färben sich die feinen Damen die Haare rot oder dunkel, aber Agni hat mir erzählt dass man in Indien damit Muster auf die Haut malt.“ „Was? Das hat er dir erzählt? Und wann?“ „Während du in Deutschland warst, war ich mal mit Soma und Agni einkaufen war. Da hatte ich beim Gewürze einkaufen im Kolonialladen ne Packung Hennapulver gesehen und Agni hatte mir dann alles davon erzählt. Zur Hochzeit bekommen die Bräute und manchmal die Bräutigame Muster auf die Haut. Soma hatte das gesehen als zwei seiner Schwestern verheiratet worden sind und Agni als sein Vater Paaren den Hochzeitssegen gab. Die Engländer nutzen Henna aber für die Haare.“ „Das klingt genial, aber was hast du vor mit dem Zeug?“ „Wenn man damit Muster auf die Haut machen kann, dann bestimmt auch…“ „Runen! Natürlich!“ „Da du schwanger bist, aber du nicht auffallen darfst, werden wir dich mit Runen zeichnen um dein Baby zu beschützen. Du darfst dich ja nicht mehr körperlich so anstrengen.“ „Das könnte funktionieren. Am besten wir mischen Blut von uns beiden rein damit Energie von uns beiden den Runenzauber nährt.“ Die Idee gefiel mir sehr gut. „Ja! Und wir machen das so dass die Runen sich jedes Mal aktivierten wenn es gefährlich für das Baby wird.“ „Das ist wirklich eine tolle Idee, Lieschen! Aber wie lange hält das Henna und würde ich das nicht wegwaschen?“ „Ne, wenn du nicht so doll schrubbst, geht das nicht weg und hält sich bis zu 3 Wochen. Bis dahin haben wir England verlassen.“ „Ok, dann machen wir das. Nehmen wir die älteren Runen.“ „…Jetzt Ingwar… Halt still!“ „Aber du kitzelst!“ Wir waren in unserem Zimmer und Lisabeth malte mit einem Stäbchen und der mit Blut präparierten Henna-Paste Runen auf meinen unteren Rücken, während ich bäuchlings auf dem Bett liege. „So… Uruz, Kenaz, Naudiz, Eihwaz, Algiz, Berkano und Ingwar, gezeichnet auf diesen Leib. Beschützt die Frucht in diesem Leib. Entfaltet euch jedes Mal wenn der Frucht Schaden droht. Gibt diesem Leib Kraft, jedes Mal wenn Schwäche droht, auf das Mutter und Kind sicher durch schwere Zeit gehen. Sei wieder frei wenn diese Male verblassen…“, sagten wir beide beschwörerisch auf und mein Auge glühte wieder. Die Henna-Runen glühten tatsächlich kurz auf. „He! Das sieht gut aus!“ „Kann ich aufstehen?“, fragte ich ungeduldig. „Nein, laut Verpackung muss das etwa 6 Stunden einwirken.“ „Was?! Ich muss bis Nachmittag auf dem Bauch liegen bleiben?!“ „Du hast doch ohnehin heute frei. Ich komm ab und zu vorbei um nach dir zusehen, und die Paste feucht zu machen. Wenn du dich langweilst, im Nachttisch ist ein Buch. Bis später, ich muss los.“ Schmollend blieb ich liegen, während Lieschen raus ging. Ich folgte Lieschens Vorschlag und robbte zum Nachttisch und holte das Buch heraus, aber fand auch Papier und einen Stift. Wieder kamen mir die Sorgen in den Kopf. Wie sollte ich meinen Eltern, besonders meinem Vater beibringen dass ich schwanger bin? Verbergen konnte ich das nicht für ewig. Kurz dachte ich auch an Agni und wie ich ihm beigelegen hatte. Ich hätte nicht gedacht dass das passieren würde… Wie soll ich das auch Agni sagen dass er Vater wird? Wie würde er reagieren? Ich nahm das Papier raus, nutzte das Buch als Unterlage und begann einen Brief zu schreiben, wir wollten ja ohnehin Soma schreiben wenn wir England verlassen haben und hatten daher die Anschrift: „Lieber Agni, ich weiß nicht wie ich anfangen soll. Am Morgen wo ich dir diesen Brief schreibe habe ich erfahren dass… Ne, das ist blöd. Lieber Agni, du weißt dass ich dich über alles liebe und mich danach verzehre dich wiederzusehen. Allerdings muss ich dir sagen dass unsere gemeinsame Nacht und Morgen…“ Das klang auch nicht richtig und ich zerknüllte den zweiten Brief. „Wie soll ich das nur ihm sagen?!“, weinte ich. „Mama… sie wüsste bestimmt Rat, aber… Mama… ich brauche dich!“ Zum Glück kam Lisabeth später vorbei und konnte mich etwas trösten. Und sie konnte mich am späten Nachmittag von der Henna-Paste befreien, so dass ich wieder aufstehen und mich anziehen konnte. Ich ging mit Lisabeth in die Küche, wo die anderen Hausmädchen zu Abend essen. „Geht es dir besser, Inge?“, fragte Emily. „Was war denn?“ „Ach, nur ne Magenverstimmung, hatte gestern zum Frühstück was Schlechtes gegessen. Morgen kann ich wieder arbeiten.“ „Na, das freut mich.“ Am nächsten Morgen war ich beim Morgenappell mit dabei und hatte sofort die Aufmerksamkeit von Earl Heatherfield, sehr zu meinem Ärger. „Und geht’s dir besser Inge?“ „J… ja, Mylord.“ „Sehr gut.“ Mir wurde fast schlecht wie er mir über die Wange strich. „Die Gesundheit der Angestellten ist mir sehr wichtig. Ich werde Morgen auf eine Konferenz fahren und erwarte dass ihr alle euch ins Zeug legt.“ „Jawohl!“ Später in der Küche, wo dann die Aufgaben verteilt werden, waren dann die Hausmädchen nun versammelt und überprüften eifrig ihre Manschette und Bündchen ihrer Kleidung. Das wunderte uns weil viele ein enttäuschtes Seufzen von sich gaben. „Mrs. Abby hat uns angewiesen unsere Kleidung zu überprüfen, frag mich nicht warum die andern so reagieren.“, flüsterte Lisabeth mir zu während sie ihre Kleidung überprüft. Ich zuckte nur mit den Schultern und überprüfte meine Manschette am Ärmel und zog überrascht einen kleinen Zettel heraus. „Wi… Inge?“ Ich wurde blass wie ich den Zettel las. Wenn du willst komm heute Nacht um 22 Uhr ins hinterste Zimmer im zweiten Stock des Westflügels. Chris Heatherfield. „Wie kommt der rein?“, flüsterte ich. „Und was will er von mir?“ „Sag doch einfach nein!“, wisperte Lisabeth. „Das könnte ihn verärgern und er könnte uns rausschmeißen. Ich werde mir was einfallen lassen um ihn auszutricksen. Ich bin immerhin das Auge Wodans.“ „Naja, da hast du auch Recht… ich habe ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache… Pass gut auf dich auf.“ Kurz vor 10 Uhr Abends machte ich mich auf den Weg, zum Westflügel wo Heatherfields Zimmer war. Mir wurde es doch unheimlich je näher ich kam, ich musste unweigerlich an die Mordnacht bei Earl Phantomhive denken wo Sebastian mich... Und wieder war Lieschen allein. „Ich bin vorbereitet… Ansuz und Wunjo müssten dem Earl eine Illusion geben die ihn befriedigt…er wird zufrieden sein und dann bestimmt auch Lieschen in Ruhe lassen… und ich muss ihn nicht anfassen. Wodan, steh mir bei…“ Kurz legte ich meine Hand auf meinen Bauch, um mich zu beruhigen… oder das Kind zu beruhigen? Ich klopfte sacht an die Tür. „Komm rein.“ Ich trat ein und der Earl saß bereits auf dem Bett. „Inge. Schön dass du da bist. Komm ruhig her, sei nicht schüchtern…“ Ich rührte mich nicht. „Keine Angst…“ „Was wollt Ihr von mir?“ Der Earl guckte mich verdutzt an. „Aber Inge… warum bist du so kalt und abweisend? Komm näher… Lass mich die Form deiner Seele sehen…“ „Form der Seele? Was meint ihr damit, Mylord?“ „Aber Inge…“ Er stand auf und kam näher. „Sei nicht so verschlossen… und nenn mich heute Nacht Chris…“ Er fasste mein Gesicht und wollte mich offenbar küssen. „Ansuz, Wunjo. Täuscht ihn mit süßer Lust. Er sei befreit wenn seine Lust befriedigt ist!“, flüsterte ich und zeichnete die Runen auf ihn. „Ah… Inge… deine Lippen…“ Es funktionierte! Er küsste die leere Luft neben meinem Gesicht. Ich löste mich aus seinem Griff und wollte raus gehen, während Heatherfield die Leere koste. „Inge…“, säuselte er, aber kaum hatte ich die Tür erreicht, wurde mir schwindelig und ich sackte zu Boden. „Inge?“, fragte der Earl verdutzt und sah direkt zu mir. „Wie bist du zur Tür gekommen? Geht’s dir nicht gut?“ „Scheiße…“, dachte ich mir. Mir war genauso schwindelig geworden wie da wo ich Agnis Auge geheilt habe! Warum ließ meine Kraft nach?! „Fasst mich nicht an!“, bellte ich und wollte zur Tür. „Inge, was ist denn auf einmal los mit dir? Komm her, leg dich besser in mein Bett…“ Er kam näher. Ich war wieder geistig in jener Nacht mit Sebastian, wieder erfüllt von Angst. Dann fühlte ich seine Hand auf meiner Hüfte. „Is… Ist dein Gehör verstopft?! Fass mich nicht an, du Schwein!“ Dabei hatte ich mit der Rune Is einen Eiszapfen beschworen und wollte damit auf Heatherfield einstechen. Mir war nun alles egal! Mein ganzer Körper war durch meine Angst und Erinnerung auf Verteidigung geschaltet. „FASS MICH NICHT…!“ Da erklang ein leises Surren und ich fühlte einen leichten Stich, dann wurde mein Körper schlaff. „Inge?“ „Verdammte Teutonen-Brut!“ Das war Janes Stimme. Zumindest war es das was ich noch wahrnahm, während meine Sinne immer mehr und mehr schwanden. „Sie wollte Euch grade erstechen, Mylord. Da musste ich eingreifen. Ein Eiszapfen?“ Sowohl Jane als auch Heatherfield waren verdutzt. „Hm… vielleicht wollte sie den Eiszapfen als Tatwaffe nehmen, weil dieser ja schmilzt und die Tatwaffe so verschwindet. Hat wohl einige dieser Krimis gelesen die grad en vogue sind. Ich kümmere mich um die, heute müsst ihr wohl alleine schlafen Mylord.“ Heatherfield war bleich vor Angst und ich wurde davon geschliffen. „Lieschen… rette mich…“, das konnte ich noch denken und die Henna-Runen auf meinem Rücken wurden kurz warm, bevor alles schwarz wurde. „…rette mich… rette mich…“ „Wigburg!“ Liesabeth erwachte, es war noch dunkel. Sie hatte meine Stimme in ihrem Kopf echoen gehört und ahnte Böses wie sie das Bett neben ihr immer noch leer vorfand. „Irgendwas stimmt hier nicht… Wigburg wo bist du?“ Dann aber fühlte sie einen kurzen Schwindel und ihre Kraft ließ leicht nach. „Die Henna-Runen… Sie ist in Gefahr, oder besser ihr Baby…“ „Sie ist schwanger?“ „Ja. Im ersten Monat…“ „Oh… vielleicht haben ihre aufkeimenden Mutterinstinkte sie deshalb so durchdrehen lassen.“ „Egal, wir brauchen jeden Tropfen Blut. Wenn sie dadurch das Kind verliert, können wir nichts tun… ein tragischer Kollateralschaden…“ Und die Nadel wurde eingesteckt. Am nächsten Tag, wurde in der Küche wieder getratscht. „Inge ist weg.“ „Die Deutsche?“ „Ja, der Herr hatte sie zu sich gerufen und nun…“ „Deutsche Frauen sind wohl doch so prüde und hochnäsig wie man sagt.“ „Tja, umso besser. Eine Konkurrentin weniger.“ „Das ist nicht wahr…“, sagte Lisabeth wie sie das hörte. „Meine Schwester würde nicht einfach kündigen ohne mir was zu sagen.“ „Vielleicht hatte sie die Nase voll dass du ihr am Rockzipfel hängst.“, spottete die eine. „Nein!“ „Sieh es ein. Du bist alt genug um allein klar zu kommen.“ „Ja, aber…“ „Jetzt sei erwachsen und seh es endlich ein dass deine Schwester weg ist.“ „Das werde ich nicht! Irgendwas stimmt hier nicht! Ich weiß es!“ „Irgendwann muss du es einsehen Felicia.“, sagte Jane gleichgültig. „Denk nicht weiter nach und mach deine Arbeit.“ Lisabeth fühlte kurz wieder einen Schwindelanfall. „Die Runen zehren wieder an mir! Ich muss Wigburg finden und retten! Ich hoffe ich kann sie retten bevor sie ihr Baby verliert. Ich sollte zuerst im Zimmer des Earl suchen!“ Die nächsten zwei Tage versuchte Lisabeth zum Zimmer des Earls zu kommen, aber Jane machte ihr immer wieder einen Strich durch die Rechnung, weil sie überall rumstreift. Da Lisabeth immer wieder Schwächeanfälle hatte, hatte sie noch Hoffnung mich lebendig und mit Kind zu finden. Am zweiten Tag, war Lisabeth beim Morgenapell tief in Gedanken und voll Sorge, der Earl Heatherfield war auch wieder da. Grad überstand sie einen Schwächeanfall und versucht nicht umzukippen, es wurde schlimmer! Sie bemerkte zunächst nicht dass 4 neue Hausmädchen da waren bis sie zwei bekannte Stimmen hörte. „I…I…I… ich bin May!” “Ran.” Sie wurde hellhörig und sah in die erste Reihe. Zuerst wollte Lisabeth nicht glauben was sie sah aber bekam neue Hoffnung wie sie zwei der neuen Hausmädchen erkannte. „Maylene! Ran Mao!“ Kapitel 18: Ganz knapp! ----------------------- „Maylene! Ran Mao!“, dachte Lisabeth voller Hoffnung. Die würden ihr bestimmt helfen mich zu retten! Sie wartete nach dem Morgenapell in der Küche bis Maylene und Ran Mao alleine waren und wagte es direkt zu ihnen gehen, auch wenn sie wieder einen Schwächeanfall hatte. „Maylene! Ran Mao!“ „Lisabe…!“ „Pshhhh!!“ Lisabeth zog die beiden in eine Ecke, weg von den anderen Hausmädchen. „Leise… hier nenne ich mich Felicia Rink…“ „Stimmt… wir heißen ja auch May und Ran. Aber was machst du denn hier? Und wo ist Wigburg? Normalerweise seid ihr doch immer zusammen.“ „Wigburg… ich bin mir sicher sie wurde entführt…“, begann Lisabeth. „Ihr habt bestimmt mitbekommen dass der Earl jede Nacht ein Hausmädchen zu sich ruft. Wigburg wurde vor drei Tagen zu ihm gerufen und sie ist nicht zurückgekehrt… Alle sagen dass sie gekündigt hat, was ich nicht glaube. Sie lügen!“ „Ja, das stimmt… Wigburg würde dich doch nicht einfach alleine lassen…“, stimmte Maylene zu. „Aber zuerst… was ist denn passiert? Der junge Herr meinte dass ihr überfallen worden seid.“ Und Lisabeth erzählte vom Überfall, von Agnis Ermordung und wie wir zu Heatherfield gekommen sind. Von Agnis Rettung erzählte sie natürlich nicht, weil Maylene und Ran Mao das bestimmt nicht geglaubt hätten. „Oh je, das ist ja schrecklich!“ „Ja… Wigburg hatte das zerrissen und sie gibt sich die Schuld an seinem Tod, weil sie ihn retten wollte…“ „Nein… das ist nicht ihre Schuld…“ sagte Maylene und nahm Lisabeth in den Arm. „Das wird bestimmt irgendwann besser… Was ist mit Prinz Soma?“ „Er ist mit Agnis Asche zurück nach Indien gegangen.“ „Verstehe…“ „Wir müssen Wigburg finden…“, sagte Ran Mao, wenn auch monoton. „Genau… wir finden sie und alles wird dann gut.“, sagte Maylene bevor Lisabeth wieder einen Schwächeanfall bekam. „Lisabeth?“ „Äh… Sorry ich hatte die letzten Nächte nicht schlafen können vor Sorge um Wigburg… und ihr Kind…“ „Kind?!“, fragten nun Maylene und Ran Mao überrascht aber Lisabeth musste die Dringlichkeit klar machen. „Wigburg… sie ist schwanger… mit Agnis Kind…“ „Also die beiden haben sich doch noch gekriegt und…“ Maylene bekam Nasenbluten bei dem Gedanken. „Ja… und ich habe Angst dass irgendwas passiert und sie das Baby verliert! Das ist doch das letzte was sie noch von Agni hat… und wenn sie das auch noch verliert…“ Lisabeth weinte dabei. „Keine Sorge wir werden sie finden und das Baby auch retten… Stimmts Ran Mao?“ „Ja…“ „Danke, ihr beiden… ich wüsste nicht was ich tun sollte…“ „Wir sind doch Kollegen und Freunde. Wir sind zwar auf Wunsch des jungen Herrn hier um die Blutzufuhr seines Zwillingsbruders zu unterbinden aber…“ „Zwillingsbruder?“, fragte Lisabeth überrascht, dann erinnerte sie sich dran, dass Agni von einem verbrannten Foto erzählt hatte, wo man den jungen Earl als Kind in zweifacher Ausgabe sehen konnte. „Äh… ja… Bitte sag nix weiter aber das ist so…“, wollte Maylene anfangen, als dann aber Jane rief: „Was schnattert ihr rum?! Ihr sollt die Eingangshalle putzen! An die Arbeit!“ „Äh! Ja!“ Maylene erzählte aber während sie die Eingangshalle putzten, dass der junge Earl tatsächlich einen älteren Zwillingsbruder hat, der aus noch unerklärlichen Gründen von den Toten zurückkam, aber dennoch frisches Blut braucht um zu leben, wie man es bei der Sphere Music Hall gesammelt hatte. Dies soll angeblich auch hier im Heatherfield-Anwesen passieren und Maylene und Ran Mao sollen dem nachgehen. Das erklärte Lisabeth warum sie immer wieder Schwindelanfälle bekam: Die Henna-Runen sollen sich ja jedes Mal aktivieren wenn es gefährlich für das Kind wird. Dabei zehrt es an der Energie von mir und Lisabeth. „Das Baby lebt also noch… Aber man zapft Wigburg Blut ab… Hoffentlich halten die Runen solange bis wir sie retten…“ „Lisabeth!“, sprach Maylene um etwa viertel nach neun Uhr abends zu Lisabeth. „Ich werde in einer Dreiviertelstunde Annie zum Zimmer des Earls folgen um herauszufinden was da vor sich geht. Vielleicht kriege ich so Hinweise wo Wigburg ist. Bleib in deinem Zimmer und wenn was ist, geh zu Ran Mao, sie wird dich beschützen.“ „Bist du dir sicher?“, fragte sie unsicher. „Absolut. Ran Mao ist stärker als sie aussieht. Wünsch mir Glück.“ „Ok…“Lisabeth schloss sich aber in ihren Zimmer ein und konnte einfach nicht einschlafen. 10 Uhr kam und Lisabeth lauschte. Totenstille. Die Minuten schienen wie Stunden. Nur ab und zu ein Schwindelgefühl zeigte dass Maylene nichts gefunden hatte. Als es beinah 11 Uhr war, kam Maylene herbei und berichtete nur was Lisabeth bereits ahnte und dass sie nichts herausfinden konnte, was Lisabeth natürlich frustriert. Am nächsten Tag tuschelten die Hausmädchen darüber dass Annie gekündigt hatte. Das kam natürlich Lisabeth, Ran Mao und Maylene merkwürdig vor. Es gab wieder Morgenapell und Lisabeth war froh dass sie hinten stehen und sich gegen die Wand lehnen konnte, als sie abermals schwächelte. „Wigburg, wo bist du nur…? Bitte halte durch! Maylene und Ran Mao helfen mit…“ Später in der Küche nahm Lisabeth vor Schwäche kaum wahr, wie die anderen Dienstmädchen ihre Kleidung auf einen Zettel des Earl durchsuchten. Ran Mao war nun diejenige die den Zettel bekam. Erst nach dem Frühstück erholte sich Lisabeth und hörte dann Maylene und Ran Mao zu was sie planten. In dieser Nacht konnte Lisabeth doch noch etwas Schlaf finden nach dem sie Gebete an Gott und Wodan gesandt hatte, dass Ran Mao Erfolg haben würde. Aber auch Ran Mao war am nächsten Morgen wie vom Erdboden verschluckt, allerdings habe sie nicht gekündigt und der Earl ließ sich auch nicht blicken. Darauf entschieden Maylene und Lisabeth irgendwie in das Zimmer des Earl zukommen um nach Ran Mao zu suchen, aber Jane war offenbar noch wachsamer geworden, so das Maylene entschied in der darauffolgenden Nacht ins Zimmer direkt zu gehen, aber indem sie mit Lisabeth von außen reinkletterte. Lisabeth war zu allen bereit, um mich zu finden, weshalb sie auch die waghalsige Tour mitmachte. Kurz nach 10 Uhr abends standen die beiden auf dem Dach und Maylene seilte sich als erste ab, Lisabeth vor Höhenangst schlotternd kletterte am Seil hinter ihr her. „Uuuuhaaa… als… als was hast du nochmal gearbeitet, bevor du Dienstmädchen warst?“ „Ähm… das erkläre ich ein anderes Mal… VORSICHT! Nicht loslassen!“ „ACHTUNG!!“ Aber zum Glück lief alles gut und sie konnten in das Zimmer des Earl reinsteigen. Während Lisabeth sich von ihrem Schwindelgefühl erholte, untersuchte Maylene das Zimmer genauer. „HE! Da ist ein Lufthauch! Hinterm Regal.“ Sie schoben es beiseite und eine Treppe nach unten wurde sichtbar. „Ich glaube, ich habe was glitzern gesehen…“, sagte Maylene und hob kurz ihre Brille an. Wie die beiden zaghaft die Treppe runtergingen, trat Lisabeth knirschend auf etwas. „DA!“ Es war ein kleines silbernes Kruzifix an einem Lederband. Das Kruzifix was ich von Oma Inge hatte und ich immer um hatte. „Wigburgs Kruzifix! Sie war hier!“ „Wir sind auf der richtigen Spur!“ Weiter ging es runter, während ein leises, mechanisches Surren ertönte, dass immer deutlicher zu hören war. Am Ende der Treppe war ein Raum mit vielen Betten, ausnahmslos belegt mit Frauen. Sie schienen zu schlafen und man zapfte über Schläuche Blut ab. „Ran Mao!“, gab Maylene von sich. „Schwesterherz!“ Nun hatte Lisabeth mich entdeckt und wollte grade zu mir. Da aber sprang wie aus dem Nichts Jane heraus, bewaffnet mit einer Pistole und einer Axt. Es gab ne Schießerei und Lisabeth warf sich schreiend auf mich, um mich vor den Kugeln zu schützen. „Spar dir das Felicia oder wie auch immer du dich nennst, Teutonin. Ihr Blut ist zu kostbar.“, sagte Jane, nachdem die Kugeln verstummten. „Ich hatte spätestens seit der „Krankheit“ deiner Schwester das Gefühl, dass mit euch beiden was nicht stimmt. Als dann Inge hierher kam wurde sie deswegen medizinisch untersucht und ihr kleines Geheimnis offenbart. Komischerweise hat sie bisher keine Fehlgeburt gehabt, aber dafür rapide abgenommen.“ Das bemerkte nun auch Lisabeth mit Schrecken. Meine Rippen konnte man schon erkennen und meine drallen Formen hatten an Rundungen verloren. „Die Runen wirken ZU GUT! Verzehren Wigburg anstatt das Baby verkümmern zu lassen…“, dachte sie. Dabei zog sie vorsichtig die Schläuche ab. Jane versuchte dabei Maylene zu überreden für ihre Seite zu arbeiten, aber Maylene lehnte ab, daraufhin wollte Jane Ran Mao mit der Axt erschlagen. Die Chinesin aber war aus ihrer Ohnmacht erwacht und hatte Jane völlig überraschend in den Griff bekommen, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie erklärte der verdutzen Maylene dass sie den Earl zwar ganz schön verprügelt aber dann überwältigt worden war und deshalb hier gelandet war. „~Eigentlich sollte doch der stetige Zufluss des Sedativums betäuben… Also wie…~“, röchelte Jane worauf Ran Mao mit psychopathischer Miene antwortete: „~Ich verrat dir was: Opium ist viel stärker. ~“ Jane aber befreite sich erfolgreich aus Ran Maos Griff und warf sie zu Boden. Als Maylene Jane mit der Pistole bedrohte ergab sie sich überraschend, offenbar weil sie sich unterlegen fühlte und der Earl sie nicht für so derlei Service bezahlt hätte. Man hatte sie nur zur Vertuschung der ganzen Aktion eingestellt, das Blut zu sammeln, was von Männern in Umhängen abgeholt wurde, was sie einfach gestand, im Austausch ihrer Freiheit. Bei der Erwähnung der Umhängträger, die von Miss Abby immer wieder in den Keller zu den schlafenden Frauen geführt hat und das gesammelte Blut abgeholt hatten, sah Lisabeth hasserfüllt drein. „Agnis Mörder ist da drunter…“ „Ach… Felicia, richtig?“, meinte Jane am Ende ihres Geständnisses an Lisabeth gewandt. „Wenn deine Schwester nicht mehr… und ich hätte sie töten müssen… Das wäre wegen des Babys in ihr mir doch zu doll, weil… Mir wäre es lieber, wenn ich meinem Opfer in die Augen sehen kann. Und auch dafür werde ich nicht bezahlt, Frauen mit nem Braten in der Röhre abzumurksen.“ Das überraschte sie aber Lisabeth nickte. „Ok… ich verzeih dir…“ Dann gab es aber ein riesiges KAWHOOMM!! Und Ran Mao hatte die Maschine für die Blutsammlung zerstört. Dadurch wurde aber auch der Zufluss des Betäubungsmittels unterbrochen und die Frauen, auch ich erwachte. „Uhhh… Hilfe… Lieschen…“ „Alles gut. Alles ist wieder gut, du bist jetzt in Sicherheit.“, sprach meine kleine Schwester beruhigend und entfernte den letzten Schlauch. Die anderen Frauen erschraken vor dem was Ran Mao getan hatten und rannten raus. „He… Wer schreit hier so?“ „Wigburg!“ Dann erkannte ich eine große, vertraute Brille. Maylene lächelte glücklich. „May…lene… Was machst du denn hier?“ „Hallo.“, hörte ich dann Ran Mao. „Ran Mao… du bist auch hier? Warum bist du nackt?“ „Oh…“ Und sie schnappte das Nächstliegende Laken und wickelte sich drin ein. „Hihi. Du bist auch nackt.“, kicherte Lisabeth. „Ich fühl mich so schwach…“, hauchte ich als ich mich aufrichtete und in die Decke einwickelte. „Du bist dürr geworden.“; kommentierte Ran Mao was mir nun auffiel und ich mich erschreckte. „Das hat Jane auch gesagt.“, fügte Maylene besorgt zu. „Aber wie…?! Bevor ich hierher kam… Und mein Baby…!“ „Da ist auch alles n Ordnung, sagt Jane.“ „Vielleicht war das der Eingriff dieser Göttin, die Agni doch angebetet hat.“, sagte Maylene nachdem sie ein nachdenkliches Gesicht gemacht hat. Lisabeth und ich sahen verwirrt drein, Ran Mao verzog keine Miene. „Hach! Das ist dann wirklich wahre Liebe, dass selbst seine Göttin dich und dein Kind beschützt!“, sagte Maylene mit romantischer Verzückung. „Äh… Ja! Das muss es sein! Zum Dank werde ich dieses Kind in Kalis Namen taufen! Äh, naja vorausgesetzt sowas gibt es bei Hindus…“, bekräftigte ich, auch wenn ich verwirrt war, aber ich war froh, dass Maylene eine eigene Erklärung hatte. „Gepriesen sei Kali dafür!“, sagte Lisabeth und umarmte mich, dabei flüsterte sie mir ins Ohr, dass es die Henna-Runen waren, was mich beruhigte. Da wollte ich aufstehen aber war noch recht schwach in den Beinen. „Ich trag dich.“, sagte Ran Mao und nahm mich Huckepack. „Ah, danke Ran Mao… Ich glaube in ein paar Minuten wird es besser… Also wirklich, ich weiß zwar immer noch nicht, warum ihr hier seid, aber ich bin heilfroh euch wiederzusehen!“, sagte ich freudestrahlend, was Lieschen und Maylene nur erwiderten. „Nun wir sind im Auftrag des jungen Herrn hier. Und zwar weil…“ Maylene erzählte dann, warum sie hier waren und was sie machen sollten, während wir rauf ins Erdgeschoss, genauer in die Eingangshalle gingen. Maylene bestätigte nur was Agni mit dem Foto vermutet hatte und ich musste mich beherrschen um meinen Zorn zu unterdrücken. Dieser Zwilling existiert also wirklich und er war ganz bestimmt schuld am Tod meines Liebsten! „Sollte ich je wieder zurück nach England kommen, werde ich ihn töten! Ungestraft soll er nicht davon kommen! Aber in meinem Zustand… ich kann jetzt nicht Rache nehmen…“ Die panische Masse der anderen Dienstmädchen war schon in der Eingangshalle und wir hörten dann Mrs. Abby kommandieren: „~E…einen Moment! Ihr werdet tun was ich sage!~“ Doch Jane sorgte mit ihrer vorgehaltenen Pistole dafür dass sie ruhig bliebt. Die anderen Angestellten mussten sich auch ergeben und auf der Treppe erschien ein Mann im Morgenrock und halbbandagiertem Kopf. „~W…was hat das zu bedeuten…?~“ Es war die Stimme von Earl Heatherfield die aus dem Mund des Bandagierten kam. Ran Mao hatte wirklich ganze Arbeit geleistet ihn zu vermöbeln. „~Was machen all meine Bräute denn hier? ~“ „~BRÄUTE…? ~“ Auch ich wurde wütend und die Wut verlieh mir Kraft so dass ich fest auf meinen Beinen stand und auch auf den Earl einprügelte. „~Frauenschänder! ~“ „~Scheusal! ~“ „~Verbrecher! ~“ „~Perverses Schwein! ~“ „~Schmor in der Hölle! ~“ „Du bist schuld daran, dass ich beinahe mein Kind verloren habe!“ Abrupt hörten die Dienstmädchen auf als sie meinen Ausruf gehört hatten. „Was? Du bist schwanger?!“ „Äh...“ Ich konnte vor Verlegenheit nicht sprechen, Lisabeth war inzwischen in einen anderen Raum gegangen. „Oh je, du Arme!“ „Doch aber nicht von dem Drecksack!?“ „Nein... Von... Von dem Mann den ich liebe.“ „Awwwwwww!!!!“ Die anderen Dienstmädchen haben jetzt mich umzingelt und waren ganz gerührt, zwei streichelten sogar sacht meinen Bauch. „Hoffentlich geht es dem kleinen Engel gut!“ „Du darfst dich nicht so anstrengen!“ „…und du musst ordentlich essen! Du bist ganz schön dünn!“ „Ähhhh...“ Zum ersten Mal seit Ewigkeiten war ich wieder Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aber zum ersten Mal überhaupt im positiven Sinne, dass mich niemand verspottete oder erniedrigte. „Ich pass schon auf sie auf. Keine Sorge. Ich will ja schließlich Tante werden!“, grinste Lisabeth als sie wiederkam. „Ja mach das!“ „Ähem… Inge…“ Jane wandte sich an mich „Das... Das mit deinem Kind... Tut mir leid... Ich wollte nie sowas...“ Ich lächelte aber. „Schon gut, ich vergebe dir. Immerhin hast du am Ende uns geholfen. Ich danke dir.“ Da aber bemerkte ich wie Lieschen mit einem dicke Geldbündel herumspielte. Offensichtlich hatte sie es aus seinem Büro genommen als sie kurz weg war. „He…“ „…Übrigens, Ihr habt vergessen unseren Lohn zu zahlen. Gut, dass das Kind nicht gestorben ist, ansonsten würde ich das Scotland Yard melden, was Ihr so gemacht habt, nachts mit den Dienstmädchen und das mit dem Kind meiner Schwester.... Man könnte den Eindruck haben, dass ihr für euch unangenehme Spuren beseitigen wolltet...“ Sie grinst sadistisch und Heatherfield bekam fast einen Herzinfarkt. „Bitte nicht! Das mit den Dienstmädchen ist zwar wahr, aber was das Kind angeht, bin ich unschuldig!!“ Ich begriff, was sie vorhatte, und ergänzte sie:“…nun das wird man schwer glauben, ein Motiv für illegale Abtreibung hättet ihr. Und das Alibi hätte euch auch nicht geholfen. Ich fürchte, wenn man euch nicht glaubt, werdet ihr hängen...“ „BITTE!!!!! Sagt kein Wort!“, flehte Heatherfield auf Knien und weinte vor Angst. „Natürlich werden wir nix sagen, deshalb habe ich mir und meiner Schwester eine kleine Gehaltserhöhung gegönnt.“ Dabei wedelte sie triumphierend mit dem Geldbündel. „Unser Schweigen ist sicher.“ Heatherfield weiß nicht, ob er froh oder wütend sein soll. „…du kleines Schlitzohr!“, flüsterte ich grinsend. „Komm, Wiebchen. Gehen wir in die Küche, zufälligerweise wollte der Earl Curry zum Abendessen. Und es müsste noch Vanillie-Tartes da sein.“ „Es wird bestimmt nicht so lecker sein wie von Agni aber gerne. Ich hab nen Mordshunger!!“ „Hihi! Dann brate ich dir besser nen Ochsen!“, lachte sie. Wie staunte Lisabeth als sie sah, dass ich während des Essens meine normale Figur wieder bekam. Aber dadurch waren wir beide beruhigt wegen dem Kind. „Die Runen haben dich wieder fett werden lassen, weil du wieder zu Kräften kommst.“ „Ja, definitiv. Haben wir noch irgendwo Fleisch? Ich… hab Gelüste…“ „Mal schauen. Du brauchst ja Fleisch, um deine Blutleere zu kurieren… Ah! Hier der Schinken müsste gehen!“ Der Schinken überlebte auch meinen Hunger nicht, als Maylene und Ran Mao in die Küche kamen. „Huch?! Du bist wieder normal!“, staunte Maylene. „Ja… offenbar stimmt wohl deine Theorie. Hmmmm… Das tut so… essen…“ „Was werdet ihr als nächstes machen?“, fragte Ran Mao. „Wir… fahren nach Hause…“, antwortete Lisabeth schweren Herzens. „Oh… verstehe…“ „Die Schulden sind noch nicht ganz abgearbeitet aber…“, sagte ich, doch Maylene erwiderte: „Das ist in Ordnung. Der junge Herr hatte gesagt, dass er den Rest der Schulden erlässt, weil momentan andere Dinge wichtig sind. Und Wigburg, du musst ja nach Hause, um in aller Ruhe dein Kind zu bekommen.“ Lisabeth und ich staunten, und waren erleichtert. „Ok, danke dass du das sagst. Danke schön…“ „Kein Problem! Ich werde euch aber sehr vermissen. Auch Bard und Finny werden euch vermissen.“ „Ja, sehr viel werden wir aus England vermissen… Ähm, Maylene. Könntest du aus der Stadt- und Landvilla unsere Sachen nach Deutschland schicken? Bei der Flucht haben wir diese vergessen…“ „Na klar! Auch eure Adresse habe ich auch, weil er junge Herr mir oft den Auftrag gegeben hat Briefe von euch zur Post zu bringen.“ „Danke sehr… Wir packen noch zusammen und machen uns dann auf dem Weg. Die Sonne geht ja auf.“ Der Himmel begann von Rosa zu Blau dämmern als wir in einem Gasthaus uns ein Zimmer mieteten, weil der Zug nach London erst in ein paar Stunden kam. Da konnten wir uns ein wenig hinlegen und etwas schlafen. Aber wie wir aber ein wenig geschlafen hatten, tauchte ein schwarzer Nebel in unserem auf der sich zu der Gestalt eines schlanken, jungen Mannes mit kurzen schwarzen Haaren und schwarzen Frack dessen rote Augen unheilvoll glühten… Kapitel 19: Kapitel 19. Zweiter Abschied von England ---------------------------------------------------- „…Wildröschen… Goldlilie… Habt ihr den Befehl des jungen Herrn missachtet und seid geflüchtet?“ Die Stimme von Sebastian war nicht laut, aber dennoch weckte sie uns. „SEBASTIAN?!“ „Natürlich, wer sonst? Habt ihr mich vermisst? Aber, aber… warum diese Gesichter?“, sagte er mit seiner Seidenschmeichler-Stimme, wie er Wut in unseren Gesichtern sah. „DU! Wie hast du uns gefunden?!“, fragte ich als erstes und nahm Lieschen in den Arm, die anfing zu zittern. Mir ging es nicht besser. „Ach, das habt ihr immer noch nicht bemerkt? Ich habe euch an mich gebunden. Ihr seid mein Eigentum, seit jener Nacht…“ „DU GIBST ES ALSO ZU, DASS DU SIE IM SCHLAF…!“ Ich sprang auf, voll Zorn und Ekel und wollte mit den Fäusten auf ihn einschlagen. Sebastian hielt meine Fäuste fest und lachte sadistisch. „Hahaha! Na na na! Kali konnte es eindeutig mit Dämonen oder Teufel aufnehmen, aber dass Wodan sich mit Dämonen angelegt hat, haben die Skalden nie besungen.“ „Du bist ein…?“ „Natürlich… Das erklärt alles!“, sagte Lisabeth. „…, Dass du Agnis Curry nacheifern konntest, dich mit ihm kräftemäßig messen konntest, so eine schwere Verletzung überleben konntest und all diese anderen unerklärlichen Dinge!!“ „Korrekt. Ich wollte es euch eigentlich früher sagen aber, ihr habt bestimmt was geahnt. Und ja! Ich weiß, dass ihr Walas seid und dass du Wigburg, das Auge Wodans besitzt. Man könnte meinen, dass das Schicksal meine Wege mit euren kreuzen ließ!“ „Was willst du von uns? Dass wir dich zum König machen?!“ „Na klar!“ Dabei leuchteten die Augen auf. „Im Laufe meines Lebens hab ich die Ursprünge von Legenden und Mythen erlebt, darunter von eurem Stammbaum, aber ich habe wirklich nie geglaubt jemanden wie euch in diesem Jahrhundert zu treffen, in einem Jahrhundert wo die alten Götter vergessen und die Menschen ihre eigenen Artgenossen, ja ihre eigenen Weibchen besonders stark unterdrücken, weil sie sich irgendein Hirngespinst zusammen gewebt haben, und das als natürlich und gottgegeben an sich und ihre Artgenossen verkaufen. Von dieser Illusion werden sich bestimmt die Menschen sehr spät befreien, wenn ihre Dummheit nicht abnimmt.“ „Warum uns?! Und warum hast du uns das angetan?! Warum hast du uns entehrt und beschmutzt!?“ „Entehrt? Beschmutzt? Nur weil ihr keine Jungfrauen seid, bedeutet das nicht, dass ihr nichts mehr wert seid, das ist auch eine Lüge, die sich Menschen erzählen, um ihre eigenen Weibchen zu kontrollieren, also stellt euch nicht so an.“ „WIR WOLLTEN ES ABER NIEMALS MIT DIR TUN!!!!“ „Mag sein, aber eben, weil die Menschen ihren eigenen Weibchen diese Märchen von ehrhaften Jungfrauen und körperlicher Reinheit durch Keuschheit erzählen, hattet ihr große Angst davor und diese Angst hat euren Geist geschwächt, so konnte ich einfach mich an eure Seele heften, euch auf mich prägen. Ja, ihr habt richtig gehört.“ „WAS?!“ Wir waren fassungslos. „Durch dieses Teufelsband, was ich auf diese Art mit euch geknüpft habe, konnte ich euch aufspüren. Eigentlich wollte ich mich mit euch aussöhnen, ich habe wirklich Fehler gemacht, deshalb braucht ihr nicht so zornig zu sein, ich will nur reden.“ „Das ist unverzeihlich!“ Das sagten wir gleichzeitig. „Ich wollte mich für den einen aufheben, das hatte ich damals Fürst von Siemens auch gesagt und Lieschen wollte das auch, aber du…!“ Wieder wollte ich schlagen, aber Sebastian hielt mich fest. „Offenbar seid ihr doch nicht so dumm und sucht die Schuld beim Täter anstatt dem Opfer. Ich bin sehr enttäuscht.“ „Du willst, dass wir dich zum König machen, richtig? Du wirst niemals unser König! Weder in diesem Leben noch in den darauffolgenden Leben, so war Wodan unser Herr ist!“ Sebastian erzürnte nun richtig und schlug mir ins Gesicht, dass mir die Lippe aufplatzte. Aber er stutzte auf einmal und starrte auf das Blut auf seinem Handschuh. Er schnupperte verwirrt dran wie ein Hund an einer Fährte und die Verwirrung wurde nur größer. „Wie merkwürdig… obwohl Mr. Agni seit über einem Monat tot ist, rieche ich Spuren seines Blutes in deinem Blut…“ Ich wurde kreidebleich als er mich nun ansah. Ich machte aber den Fehler instinktiv die Hand schützend auf meinen Bauch zu legen. Er bemerkte das. „…Oh! Natürlich! Das ist die Erklärung und Agni war dieser eine von dem du geredet hast. Sein Blut ist deshalb spurenweise in deinen Adern, weil du sein Kind in dir trägst. Föten sind ja mit dem Blutkreislauf der Mutter verbunden und dadurch gelangt das Blut des Fötus minimal in den Blutkreislauf der Mutter… und somit konnte wohl Agnis Blut in dein Blut kommen.“ Jetzt hatte er wieder diese Augen wie damals, rotglühend und mit Schlitzpupillen. „Ich dachte ich hätte euch unter meiner Kontrolle, hast du versucht dich mir zu entwinden? Und wann hast du dem werten Mr. Agni die Beine breit gemacht? Das muss recht kurz vor seinem Tod gewesen sein, außer du hast einen Hang zur Leichenschändung…“ „NEIN! Das habe ich nicht!“ „Und nicht nur sie hat versucht sich von dir zu befreien!“, sagte Lisabeth und kam zu mir. „Auch ich! Und ich habe meine Wahl getroffen! Ein anderer als du wird unser König, dem wir folgen und beraten!“ Eine Schockwelle aus schwarzem Rauch warf uns um, ich konnte zumindest auf der Hüfte landen, Lisabeth landete auf dem Bauch. Dann bildete sich unter uns ein schwarzes Pentagramm mit gezacktem Kreis und wieder spürten wir dieses Ziehen im Herzen, schlimmer als je zuvor und als ob durch unsere Muskeln im gesamten Körper feine Drähte gespannt sind, die bei jeder kleinsten Bewegung die Muskeln zerschneiden würden. Wir konnten uns nicht bewegen ohne Schmerzen. „Dann muss ich euch bestrafen. Aber später, der junge Herr wacht gleich auf und ich muss mich um ihn kümmern. Ich werde den Wirt auszahlen und darum bitten, dass ihr nicht gestört werdet. Bis später.“ Und Sebastian ließ uns alleine. Lisabeth wimmerte verzweifelt als sie vergeblich versuchte sich zu bewegen. Ich kniff die Augen zu wegen dem Schmerz, was sollten wir nun machen? Wir müssen weg! Aber wie? „Ich will das nicht…“, kam es von meiner Schwester leise. Als ob es ihre Worte gehört hätte, spürte ich eine sehr sachte Bewegung in mir. Ich will das auch nicht… Irgendwie muss es hier raus gehen. Ich erinnerte mich an Sebastians Worte, dass er Agnis Blut in meinem Blut gerochen hat. Und er war stark genug, um sich mit Sebastian zu messen. Kann ich vielleicht so Kali anrufen? Unter Schmerzen fasste ich mit einem Finger an meine aufgeplatzte Lippe. Blut war nun an meiner Fingerkuppe. „M…mächtige… schwarze… schwarze Mutter… Mit dem Blut deines Günstlings das in mir schläft… Hilf uns „Asin“… ähm ich meine „Devi“!“ Mit dem Blut zeichnete ich die Rune Anzus auf den gezackten Kreis, wieder fühlte ich die sachte Bewegung in mir, kaum sachter als das Streichen einer Daune. Das Blut zischte und glühte hellblau auf wie Agnis Hand, mir war kurz als ob ich kurz ein furchtbares Grinsen von blutverschmierten Lippen sah, dass ich kurz dachte dass Sebastian zurück gekommen war, aber dann knallte es wie ein Pistolenschuss und der Kreis mit dem Pentagramm löste sich in Rauch auf und der Schmerz hörte auf. „Haaahhh… es hat geklappt…“ „Wahnsinn! Du hast es geschafft! Eine Hindu-Göttin anzurufen!“, sagte Lisabeth erstaunt. „Ja… aber vielleicht weil ich grad Agnis Kind und somit Kalis Segen in mir trage…“ „Lass uns abhauen!“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und wir packten unsere Sachen. Aber der Zug fuhr grade ab. „Verdammt! Wir können aber nicht warten, bis der nächste kommt! Benutzen wir „Reid“ um hinterher zu rennen!“, sagte ich und wollte grade mir die Rune zeichnen. „Nein! Ich benutze „Reid“ mit „Ur“ weil ich dich nun Huckepack nehme! Ich habe das Gefühl, dass du etwas schwächelst mit den Runen. Und hopp!“ Da wurde ich auf den Buckel genommen, bekam den anderen Beutel in die Hand und nach dem Lisabeth sich mit den Runen gezeichnet hat, da ging es schnell wie der Wind hinter dem Zug her. Endlich haben wir das Ende des Zuges erreicht und ich war dankbar dafür. „Sag mal, musstest du mir ins Ohr kreischen?!“, beschwerte sich Lisabeth und bohrte sich im Ohr. „Tut mir leid… die Geschwindigkeit war so schnell… ich hatte Angst runterzufallen…“ „Egal, wir haben es noch geschafft. Ab in den Gepäckwagen, da wird uns niemand finden.“ „Und dann ab nach London…“ Die Stunden kamen uns noch länger vor als sonst. Mir wurde wieder etwas schlecht, das Ruckeln des Zuges machte es mir noch schwerer meine Morgenübelkeit zu kontrollieren. Aber zum Glück kamen wir später ohne „Unfall“ in London an. Schon gingen wir zum Hafenmeister und fragten, wo wir das nächste Schiff nach Hamburg bekommen. „Tut mir leid, verehrte Misses. Heute fährt kein Schiff nach Hamburg.“ „WAS?! Aber wir müssen dringend nach Deutschland! Bitte gibt es keine andere Möglichkeit?!!“ „Nun…“ Er blätterte in einigen Plänen rum, streicht nachdenklich seinen Bart bis er dann zu uns sprach: “…in etwa 2 Stunden fährt ein Schiff nach Rotterdam, von da aus könnt ihr das nächste Schiff nach Deutschland nehmen, es würde über den Rhein fahren und in Bonn halten.“ „Da können wir weiter bis nach Koblenz fahren und über die Lahn nach Hause!“, sagte ich als ich auf eine Karte sah. „Na dann ist das super! Die Karten dafür könnt ihr bei mir kaufen.“ Allerdings war der Preis das doppelte, was wir besaßen, selbst für die dritte Klasse. „Kommen Sie… es ist etwas viel und wir haben es eilig!“ „Tja ich kann nichts machen… außer…“ Dabei sah er uns mit einem ekligen Blick an. „Ihr sagt ja ihr habt es eilig, es ist eure Entscheidung. Eine Hand wäscht die andere, sozusagen.“, lachte er dreckig. „Oh Nein!“, schoss es uns in den Kopf, der nutzt unsere Situation aus! Heimlich ohne, dass er es merkte, schnappte ich mir einen Stapel Zettel vom Tresen und schrieb „Fehu“ drauf. „Nein! Ich schau, ob wir wirklich nicht mehr haben… AH! Moment… ist das genug?“ Der guckte verdutzt, wie ich ihm den Haufen Zettel hin hielt die durch „Fehu“ wie Geldscheine aussahen. „Oh! Aber wie… ach egal! Die Karten gehören euch.“ Recht schnell verließen wir das Büro, aber fast knickte ich ein. Mir war wieder schwindelig. „Wigburg!“ „Ich… weiß auch nicht was mit mir los ist… Jedes Mal, wenn ich die Runen benutze… dabei hab ich Wodans Auge und mir wird doch auch nicht so einfach schlecht…“ „Vielleicht liegt es auch daran, dass du nun im gesegneten Zustand bist. Fragen wir Mama und Oma. Gehen wir in den Pub dort drüben so lange bis das Schiff da ist.“ „Ich hasse es jetzt schon schwanger zu sein!“ Doch aufatmen konnten wir immer noch nicht, bis wir etwa 20 Minuten vor Abfahrt grade aufstehen wollten, als eine seidenweiche Stimme den Wirt fragte: „Verehrter Herr, sind hier zufälligerweise zwei junge Frauen reingekommen? Die eine hat hüftlange braune Haare und grüne Augen, die andere ist blond gelockt mit blauen Augen, beide haben je ein Muttermal auf der Wange.“ Eh der Wirt was sagen konnte, sind wir die Treppe hinauf in den oberen Stock, wo die Gästezimmer sind und durch die Hintertür, wo das Personal normalerweise durchging, die Treppe hinunter, in den Hinterhof geflüchtet. Dann hörten wir das Horn eines Schiffes, es würde bald ablegen! „Wir müssen ihn irgendwie abschütteln!“, sagte ich nervös. „Nur wie… Denk nach! Denk nach!...“ „Miauuuuoooooo…“ Lisabeth wandte den Kopf in die Richtung wo das Maunzen herkam und sah eine schwarze Katze die grad hinter ein Fass tapsen wollte. „Warte… wenn Finny nicht gelogen hat… KOMM HER!“ „MIAAAUUU!!!!!!!“ Schon hatte sie die Katze im Hechtsprung geschnappt und begann Runen auf den Bauch zu zeichnen. „Wunjo, lass dich streicheln, knuddeln und liebhaben und unseren Verfolger ablenken bis wir weit auf dem Meer sind, sei dann wieder befreit.“ „BIST DU IRRE?! Darauf soll Sebastian reinfa…“ Dann hörten wir die Tür ruckeln und versteckten uns in einer Seitengasse. „Wildröschen… Goldlilie… glaubt ihr wirklich ihr könnt mir entkommen… HUCH! EINE KATZE?!“ Sanft miauend schmiegte sie sich an Sebastians Knöchel, schnurrte und dieser nimmt sie augenblicklich auf den Arm und knuddelte sie mit leuchtenden Augen der Begeisterung. „Haaaaaccchhh! Was ein schön weiches Fell du hast, dabei sah es so struppig aus. Miez. Miez. Miez… Ohhhh, Du hast ja eine Narbe an deiner hinteren Pfote, du armes, armes, armes Geschöpf… So was hat keine Katze verdient, nicht war du niedliches, hübsches, liebenswertes, hinreißendes…“ Wir beide glotzten nur verdattert auf die Szene, wo Sebastian die Katze in Arm hielt, kraulte und ihre Vorderpfote sacht knetete, dass ihre Krallen ausfuhren. „Ich glaub mein Schwein pfeift… er… knuddelt… eine einfache Straßenkatze…!“ „Finny hat also nicht gelogen, wie er sagte, dass Sebastian heimlich im hintersten Winkel des Gartens der Stadtvilla, Straßenkatzen füttert und knuddelt.“, sagte Lisabeth auch völlig erstaunt. „Was?“ „Erkläre ich dir später… LOS!“ Das ließ ich mir nicht nochmal sagen und wir eilten durch Gassen und Straßen zurück zum Hafen und konnten im letzten Moment aufs Schiff. Sebastian hatte schon eine Bewegung in der Gasse bemerkt, aber die Katze leckte seine Nasenspitze ab, während sie weiterschnurrend ihm mit großen, niedlichen Kulleraugen ansah. „Oh! Ja, ich mag dich auch, du vollkommenes Geschöpf! Hach… würde der Junge Herr nicht allergisch gegen dich und deine Gattung sein… Miez. Miez. Miez…“ Aber nach einiger Zeit verstummte das Schnurren, die Katze entwand sich Sebastians Griff und rannte empört maunzend davon. „He! HALT! Warte!“ Aber dann bemerkte er wie ein Zeichen auf ihrem Körper, das wie ein eckiges P aussah, verglimmt, eh die Katze verschwand. „Was? Eine Rune? Ihr Biester… Ihr habt mich reingelegt!“ Er hatte sich kurz in schwarzen Nebel aufgelöst bevor er sich Sekunden später im Hafen, unbemerkt von den Menschen wieder manifestierte und sah, wie unser Schiff im weißen Nebel des Meeres verschwand. „Verdammtes Ungeziefer! Ich werde dafür eure Seelen verschlingen!“ Er wollte schon sich wieder auflösen, als ihm was einfiel. „Moment! Abgesehen davon, dass ich dem jungen Herrn immer zur Verfügung stehen muss, kann ich meinen Plan vergessen, dass sie mich zum König wählen. Sie lassen sich nicht so einfach was einreden wie andere Menschen in einer Krise. Darauf hatte ich gesetzt, dass ich ihnen etwas erzählen könnte, dass ich es aus Leidenschaft zu ihnen getan hätte oder ähnliches. Aber…“ Er grinste auf einmal siegessicher. „Dank Mr. Agni habe ich nun ein weiteres Eisen im Feuer. Natürlich nur wenn Wigburg das Kind behält und es kein Junge wird… Dann werde ich mich gedulden müssen. Nun, der junge Herr wartet, ich sollte mich nicht verspäten.“ Genauso wie er aufgetaucht war, verschwand Sebastian Michaelis wieder. Kapitel 20: Kapitel 20.Heimkehr und Antworten --------------------------------------------- Die Schifffahrt verlief auch ohne Zwischenfälle, nur die Angst vor Sebastian und die Wehmut unsere Freunde in England verlassen zu haben, nagte an uns. Würde Sebastian uns folgen? Er will Rache, das war gewiss. Wie knapp vor einem Jahr dauerte es einen Tag und eine Nacht bis wir in Rotterdam ankamen und umstiegen und wieder dauerte es einen Tag und eine Nacht bis wir in Bonn umstiegen und weiter nach Koblenz fahren. Ein halber Tag dauerte die Fahrt nach Marburg, von da aus gingen wir zu Fuß Richtung Birrekopp. Auch wenn der Schnee tief war und immer wieder kalte Winde um uns peitschten, wollten wir nicht weiter warten, nur nach Hause! Zu Mama! Weil der Winter in England milder ist, und wir so den deutschen Winter unterschätzt hatten, war es kräftezehrend. Auch die Nacht gingen wir durch, immer wieder spürte ich die Henna-Runen aufglühen und mir Kraft geben, was mir für Lieschen leidtat, weil sie ihre Kraft gab, aber wir erreichten unser Heimatstädtchen Birrekopp. Durch den Schnee und Wind stapfend fanden wir automatisch die richtigen Straßen, bibbernd fanden wir auch das richtige Haus, natürlich waren alle Lichter aus gewesen. Deshalb gingen wir einmal um das Haus herum und klopften heftig an die Fensterläden, wo dahinter das Schlafzimmer unserer Mutter war. „MAMA! MAMA! WACH AUF! BITTE LASS UNS REIN!“ Dann erklang ein Ruckeln und die Läden wurden geöffnet. „…Was soll dieser Lärm, mitten in der Nacht, ihr ungezogenen…“ „Mama!“ „Wiebchen?! Lieschen!? Warte! Moment, ich lass euch rein!“ Auch wenn wir schon halb steif gefroren zur Haustür schlurften, hörten wir drinnen schnelle Schritte und wie die Haustür entriegelt wurde. „Kommt rein, kommt rein! Oh Gott! Ihr seid schon ganz blau!“ Mama war selbst im Nachthemd, Morgenmantel und Schlafhaube gekleidet mit einer Öllampe in der Hand, als sie uns rein ließ. Ihre Augen waren voll Schrecken und Sorgen aber ohne Müdigkeit, obwohl sie grade noch geschlafen hatte. „D…d…danke Mama…“ „Kommt in die Küche, der Herd müsste noch warm sein und zieht die nassen Kleider aus! Ich hole euch trockene Unterwäsche und Nachthemden. Dann mach ich auch Wasser warm damit ihr eure Füße aufwärmen könnt.“, sagte Mama sofort ohne eine Spur von Müdigkeit. „Mama… hast du was zu essen?“, fragte ich hungrig. „Besonders, hast du Fleisch?“ „Hmmm… ich müsste gepökelte Rinderzunge haben… ansonsten habe ich nichts Fleischiges mehr… aber ich habe auch Steckrübeneintopf…“ „Nein! Keine Zunge! Ich will nichts vom Rind! Aber kann ich den Eintopf haben?“, sagte ich, obwohl mein Körper was anderes sagte. „Ok? Na gut, den Eintopf sollst du haben, so viel wie du magst.“, sagte meine Mutter verwirrt und warf einen Holzscheit in die Glut des Herdes nachdem sie ein bisschen mit dem Schürhaken darin gestochert hatte. „Konvertierst du zum Hinduismus oder warum willst du die Zunge nicht?“, fragte Lisabeth als unsere Mutter aus der Küche gegangen war, um trockene Kleider zu holen. „Nein, aber es wäre respektlos gegenüber Agni, dass sein Kind mit Rindfleisch genährt wurde.“ „Es scheint du findest dich langsam mit deinem Zustand ab.“ „Ändern kann ich es ja nicht!“ „Was kannst du nicht ändern, Schnakenhälschen?“, fragte Mama als sie zurück kam. Wir beide verstummten peinlich berührt und sahen uns an. „Was ist denn eigentlich los? Warum habt ihr nicht geschrieben, dass ihr kommt? Und hättet ihr nicht bis morgen warten können, anstatt mich nachts aus dem Bett zu holen? Und, vor allem: Solltet ihr eigentlich nicht im Frühjahr kommen? Im April? Es ist doch kurz vor Weihnachten, also warum… WIGBURG!!! Was hast du mit deiner Hand gemacht?!“ Mama hatte den Verband an meiner Hand entdeckt und dass auch rötliches Wundsekret durch den Verband gesickert ist. Schon rupfte sie den Verband ab und sah meine Wunde vom Messer damals beim Angriff in der Villa. „Wer hat dir das angetan?!“, fragte meine Mutter mit vor Zorn brennenden Augen. „Der der meinen Geliebten getötet hat.“, antwortete ich mit ebenso brennenden Augen. „Was?“ „Mama… Das ist eine lange Geschichte…“, sagte Lisabeth. „Zuallererst: Wir mussten aus England fliehen.“ Mama blieb die Luft weg und sie brauchte einen Moment, um sich zu beruhigen. „Zieht erst mal eure nassen Kleider aus und die hier an. Wärmt euch auf und isst was, bevor ihr alles erzählt, ich mach eure Betten fertig.“ „Danke Mama. Vielen Dank.“ Das war eine Erleichterung die durchnässten Kleider abzulegen und in warme, trockene Unterkleidung und Nachthemd zu schlüpfen. Später in der Wohnstube, saßen wir am Tisch, eingehüllt in dicken Decken, die Füße in Eimern voll warmen Wassers und Steckrübeneintopf essend, während wir erzählten was passiert ist. „...Ihr wurdet angegriffen?!!“, schrie Mama entsetzt, wir nickten. „Agni wurde... weil... er wollte seinen Herrn beschützen. Und... ich weiß nicht wie ich das geschafft habe, aber... Mama...ich... ich habe Wodans Macht nutzen können um ihn zurück ins Leben zu holen obwohl er weder mein Königskandidat ist, noch ich mein Leben dafür hergegeben habe, obwohl ich bereit war es zu geben.“ „Du hast... Seltsam... Da müssen wir morgen mit deiner Großmutter reden. Das kann nicht sein dass du die erste Augenträgerin bist, die bei einer Wiederbelebung überlebt hat... und dazu bei einem der nicht dein König ist.“ „Mit Oma müssen wir sowieso reden...“, sagte Lisabeth und ich senkte beschämt den Kopf. „Wieso? Ist noch etwas mit Runenmagie passiert?“ „Nein.“,sagte Lisabeth, obwohl es mir grad lieber wäre, dass sie den Mund hält. „Wir brauchen sie als Hebamme.“ „Was?! Wigburg?“, fragte sie verwirrter und starrte nun mich an, weil ich den Kopf gesenkt hielt. „Mama... ich... ich bin... aber ich schwöre, Agni hat mich nicht gezwungen oder mit Gewalt genommen! Ich habe mich ihm freiwillig und aus Liebe hingegeben... und... jetzt...“ „Ich lege für Agni meine Hand ins Feuer.“, sagte Lisabeth. „Er ist ein guter Mann, der so was niemals tun würde. Eher stirbt er noch einmal und endgültig, als dass er ihr wehtut oder gegen ihren Willen handelt.“ „Du bist schwanger?!!!“ Mama fiel fast in Ohnmacht. „J... ja...“ Ich zitterte ängstlich, während Mama zuerst gar nichts sagte. Nachdem sie den Schock etwas verdaut hatte, fragte sie uns beide:“Seid ihr euch ganz sicher, dass er ein guter Mann ist?!“ „Ja!“, sagten wir beide gleichzeitig, Mama schwieg nochmal, holte Luft bevor sie antwortete:“Also gut... Ich glaube eurem Urteil... und den liebst du, Wigburg?“ „Ja! Und er mich!“,sagte ich mit seligen Lächeln. „Sie ist fast seine Göttin.“, feixte Lieschen bevor ich sie anzischte, mit einer Mischung aus größtenteils Verlegenheit und klein bisschen Wut. Mama beruhigte sich dadurch. „Ok... hoffentlich lerne ich mal den Mann kennen, der mich zu einer Oma gemacht hat!“ „Aber der Grund warum wir fliehen mussten ist... Sebastian... glaubt wir sind sein Besitz weil... Er hat Lisabeth als sie schlief... und mich hatte er in die Wäschekammer gezerrt, mir die Kleider vom Leib gerissen und...“ „ER HAT EUCH VERGEWALTIGT?!!!“ Mama fiel vom Stuhl und begann zu weinen. „Nein! Nein!! Meine Kinder...! Ich hätte euch nicht gehen lassen sollen! Ich wusste, dass was passieren würde!! Ich könnte eurem Vater den Schädel einschlagen! Er ist schuld, dass ihr in die Fänge dieses Monsters geraten seid, dieser verfluchte Mistkerl hätte die Schulden seines Vaters abarbeiten sollen und nicht... Wigburg!“ Schon sah sie mich mit Entsetzen an. „Bist du dir sicher, dass das Kind in dir nicht doch...“ „Sebastian tat es im März... und mein Bauch sagt da was anderes...“ Mama atmete erleichtert auf. „Gott sei dank... Gott sei dank...“ „Er wurde richtig wütend wie er herausfand dass Lisabeth mit Soma und ich mit Agni zusammen gekommen waren... und dass ich... nun ja... in anderen Umständen bin... Seitdem er uns das angetan hat, sieht er uns als seinen Besitz an und...“ „...er weiß was wir sind...“,beendete Lisabeth den Satz kreidebleich. „Was? Er kennt unser Geheimnis?“ „Er weiß dass wir Walas sind. Und noch schlimmer... er ist ein Teufel! Wirklich!“ Lisabeth zitterte bei ihren eigenen Worten. „Was? Das kann nicht sein!“ „Doch! Er bewegt sich unnatürlich schnell, ist übermenschlich stark und hat auch rot leuchtende Augen und spitze Zähne, wenn er seine teuflischen Kräfte benutzt! Meist sieht er aber wie ein schwarzhaariger Mann im Frack aus.“,erklärte ich meiner Mutter während ich ihr auf die Beine half, aber sie setzte sich gleich auf den Stuhl weil ihre Knie wackelten. „Nachdem was er uns angetan hat, denkt er wir sind sein Eigentum und wollte dass wir ihn zum König machen, offenbar über die Dämonen.“ „Verstehe... er hat vielleicht versucht euch zu manipulieren indem er euch eingeredet hätte, dass ihr ihn angezogen und gereizt hättet und er deshalb nicht anders konnte und er euch eigentlich mag... Typische Ausrede solcher Schweine!!! Gut, dass ihr das nicht glaubt!“ „Wir waren ja schon verliebt, deshalb hätten wir es nicht geglaubt.“, bekräftigte ich nur Mamas Aussage. „Oh je, oh je... Warum habe ich euch nur gehen lassen? Bitte verzeiht mir, dass ich euch nicht beschützen konnte...“ Dabei weinte Mama herzzerreißend. „Mama...“ „Nicht weinen... Du kannst nichts dafür... du musst nicht um Verzeihung bitten...“ Nur langsam hörte Mama auf zu weinen. „Ich... ich bin froh, dass ihr heil nach Hause gekommen seid... Legt euch ins Bett... schlaft so lange ihr wollt, ich werde morgen Oma holen, damit sie dich untersucht, Wiebchen...“ „Ja Mama...“,sage ich und fühlte nun, dass ich müde wurde. „Danke Mama, ich bin auch sehr müde...“ Und endlich konnten wir uns in unsere Betten legen, die durch metallene Wärmflaschen schön warm waren. Es fühlte sich etwas seltsam an wieder in den eigenen Betten zu schlafen, nach einem Jahr fern der Heimat. Mama stattdessen konnte überhaupt nicht mehr schlafen für den Rest der Nacht. „...Hmmm... Das Herz schlägt so gut wie erwartet. Erstaunlich, wenn man bedenkt was für Strapazen ihr hinter euch hattet... Hmmm... ich denk aber trotzdem, dass dein Kind recht klein werden wird. Oder wie groß ist der Vater?“,fragte meine Großmutter als sie mit einem Pinard-Rohr meinen Bauch abgehorcht hatte. Sie war noch vor Sonnenaufgang von unserer Mutter aufgesucht worden und zu uns gekommen. Nachdem wir alles erzählt hatten, auch das mit Sebastian, hatte sie begonnen mich zu untersuchen. „Ähm... größer als Papa...“, antwortete ich auf ihre Frage. „Oh!“, gab meine Mutter erstaunt im Hintergrund von sich. „Und ich dachte schon dein Vater wäre groß... Bei deiner Geburt hatte ich deshalb Angst, Schnakenhälschen...“ „Martina!“, ermahnte Oma. „Mach ihr nicht noch mehr Angst als ohnehin schon! Außerdem hast du es auch geschafft, trotz dass sie recht groß war, also denke ich dass Wigburg das auch schaffen kann. Und so wie ihr Bauch grad aussieht, wie leise das Herzchen ist trotz, dass es kräftig schlägt und die Strapazen nach allem was die Mädchen erlebt haben, wird das Kind recht klein sein, aber gesund wenn nichts passiert.“ „Die Henna-Runen haben richtig gut gewirkt Oma!“,sagte Lisabeth, drehte mich um und hob mein Unterhemd bis in den Nierenbereich hoch. Oma und Mama staunte. „Was ist das?! Das... das ist doch nicht aufgemalt?“, sagte Oma immer mehr und mehr erstaunt, als sie mit den Finger drüber gefahren ist. „Das sieht ja aus wie runenförmige Muttermale! Wie habt ihr beide das gemacht?!“, fügte Mama zu als sie selber mit dem Finger drüber ging. „Doch Oma, es ist aufgemalt. Aber diese Paste aus dem Pulver gemahlener Henna-Blätter und unserem Blut, hat mit der Haut reagiert. Der Zauber ist seitdem aktiv.“, sagte ich. „Und laut dem was Wigburgs Geliebter über diese Paste erzählt hat, hält das bis zu 6 Wochen, solange man nicht zu kräftig schrubbt. Deshalb kam ich auf die Idee. Das hat geholfen körperlich anstrengende Arbeit zu machen ohne dass was passiert ist. Wenn ich das mal demonstrieren darf? Entschuldigung, Schwesterherz...“ Und trat mir mit voller Wucht in den Bauch, dass ich zurück stolperte und ein roter Abdruck von ihrem Schuh auf meinem Bauch zurückblieb. „Aua!!!!“ „LISABETH, BIST DU WAHNSINNIG?!!!!!“, schrie Oma während Mama mich auffing, dann sah sie aber die Runen auf meinem unteren Rücken aufglühen und der Abdruck auf meinem Bauch verschwand. „He... Das... das funktioniert?!“ „Das muss ich überprüfen!!“ Und Oma legte das Rohr wieder an meinen Bauch. Nach einer Weile, entspannte sich ihr Gesicht. „Puh... Das Kleine hat sich ordentlich erschreckt aber das Herz schlägt wieder normal... Hmmm... Es sieht so aus als ob du nicht mal einen blauen Fleck bekommen wirst!! Wirklich erstaunlich!!!“ „Ja... auch die Schmerzen sind auch wieder weg. Aber Lieschen...“,sagte ich grinsend zu meiner Schwester. „...lass das nicht Agni hören, dass du seine Göttin getreten hast.“ „Ne, ich werde schon nix sagen!“,lachte sie. „Hach... wie gerne würde ich wissen ob ich ein Enkelsöhnchen oder -Töchterchen bekomme!“, quengelte meine Mutter und wippte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. „Tja, dass werden wir erst am Tage der Geburt herausfinden. Und Nein! Das kann man nicht mit Ernährung und so beeinflussen. Wer sich diesen Quatsch ausgedacht hat frage ich mich immer wieder.“, sagte Oma, während sie eine Einkaufsliste schrieb. „Ich... ich hoffe es wird ein Junge...“,sagte ich ängstlich und zog mich dabei an. „Warum?“,fragte nun meine Mutter. „Will dein Geliebter einen Sohn?“ „Wie denn wenn er nicht mal weiß, dass er Vater wird?! Nein... Wenn ich eine Tochter bekomme und sie unsere Kräfte erbt... Sebastian könnte sie entführen und ausnutzen um König zu werden!!“ „Glaubst du ein Sohn macht es besser?“, sagte Oma ernst und stand von ihrem Stuhl und ihrer Einkaufsliste auf. „Jungs erben doch nicht die Wala-Kräfte, oder?“ „Das stimmt, aber vielleicht könnte dieser Teufel ihn auch entführen und als persönlichen Racheengel gegen dich erziehen, oder vor deinen Augen töten, nur um dich zu quälen. Egal was es wird, er kann dieses Kind für seine Zwecke verwenden!“ Ich weinte weil ich nicht darüber nachgedacht hatte. „Egal was es wird, ich freue mich drauf.“, versuchte Mama mich zu trösten. Ich wusste sie meinte es ernst, weil sie Kinder über alles liebte und gerne mehr als zwei Kinder gehabt hätte. „Vielleicht, mal angenommen es wird ein Mädchen, bekommt sie die Wala-Kräfte nicht. Weil ihr Geliebter ja Kali geweiht ist und in ihrem Herrschaftsgebiet geboren wurde, wie dessen Vorfahren.“, mutmaßte Lisabeth. „Hmm... kann sein...“, sagte ich, etwas beruhigt. „Das glaube ich nicht.“,widersprach Oma. „Zuerst, bis vor kurzem wusstet ihr beide nichts von euren Kräften und wurdet christlich erzogen. Ich bin schon froh dass ihr euer Erbe angenommen habt und es nutzt. Zweitens, Lydia von Sachsen, die erste unseres Zweiges von unserem Familienstammbaum, war die Tochter vom Sohn einer walisischen Sklavin und er glaubte an Avalon.“ „von Sachsen?“ „Nur um sie von ihrer Großmutter, Lydia von Wales, zu unterscheiden. Darum glaube ich nicht, dass es nicht vererbt wird wegen der Göttin deines Geliebten, Wigburg.“ „Das mag sein, Mama.“, fügte meine Mutter hinzu. „Aber sowohl in Dänemark, wo Lydias Mutter herkam, als auch im alten Germanien, wo Lydia geboren wurde und unser Zweig nach ihr lebt, hatte Wodan großen Einfluss. Ich bezweifle, dass das in Indien so ist.“ „Allerdings ist Wodan ein Wanderer und könnte dadurch auch woanders Einfluss gewinnen.“, sagte Oma nachdenklich. „Wer weiß... Wodan ist Gott des Todes, genauso wie Kali. Beide geraten auch in Ekstase. Spricht für eine Vererbung, für den Fall, dass es ein Mädchen wird, weil sich beide da ähneln.“, sagte wiederum Lisabeth nachdenklich. Auch ich dachte kurz nach. „Oma... wegen der Macht Wodans... mit der ich meinen Geliebten...“ „Hmmm...In welcher Beziehung steht er zu deinem König?“, fragte meine Großmutter. „Naja... Soma hat ihn das Leben gerettet und ihn bekehrt und seitdem sieht er in ihm einen Gott. Immerhin hat er sich für ihn geopfert...“ „Ja, das kann ich nur bestätigen.“, bekräftigte Lisabeth. „Also das klingt nach einem guten Schwiegersohn für mich.“, meinte meine Mutter beeindruckt. „Mama!“ Ich war rot im Gesicht. „Vielleicht eben wegen dieser Bindung zu deinem König, warst du in der Lage ihn wieder zurück zu holen, obwohl du ihn nicht gewählt hast. Aber warum du das überlebt hast, kann ich mir auch nicht erklären. Wie auch immer! Das wichtigste ist, dass das Kind gesund und wohlbehalten zur Welt kommt. So! Lisabeth...“ Oma gab ihr die Einkaufsliste. „...Du gehst zum Krämer und Markt und holst alles was auf der Liste steht.“ „Braucht man das alles für eine Schwangerschaft?“, fragte sie als sie hauptsächlich Stoff, Binden und Salbe fand. „Nicht alles, aber die Leute könnten Verdacht schöpfen wenn du das holst was ich auf meiner Liste habe. Als Hebamme, brauche ich täglich bestimmte Kräuter gegen Übelkeit, Wassereinlagerungen und andere typische Wehwehchen in der Schwangerschaft, so würde niemand Fragen stellen.“ „Verstehe...“,sagte Lisabeth und ich senkte den Kopf. „Ja, Wigburg! Auch wenn es dir widerstrebt aber du musst dich verstecken, sobald dein Bauch beginnt anzuschwellen. Ein bisschen können wir mit Kleidung und dran gebundenen Stoffballen kaschieren, aber nicht für ewig.“ Ich seufzte frustriert. „Manno! Aber... ja, stimmt...“ „Und deinem Vater werde ich schreiben, Wigburg. Auch damit ihr euer Erbe bekommt und ihr später nach Indien könnt.“ „Mama! Bitte nicht!“, wimmerte ich. „Auch vor ihm kannst du es nicht ewig verstecken. Er muss auch mal lernen, dass ihr eigenständige Menschen seid und nicht seine Schachfiguren! Weil was nützt es ihm, dass ihr irgendwelche reichen Schnösel heiratet? Die Liebe und Anerkennung von seinem Vater kann er jetzt erst recht nicht bekommen weil er tot ist, mal abgesehen, dass er selbst zu Lebzeiten es nicht geschafft hat. Ob er nun will oder nicht, Wigburg du musst ihm die Wahrheit sagen!“ „Aber ich... er... er...!“ „Keine Sorge Schwesterherz. Ich steh dir bei! Wie versprochen!“ „Aber er hat... und ich...! Urgh...!“ Damit würde mein Lügenkonstrukt auf sehr hässliche Art zusammenbrechen weil ich ja sowohl meinen Vater als auch meine Schwester belogen habe. „Mach dir absolut keine Sorgen, Schnakenhälschen. Wir kriegen das hin.“ Aber ich seufzte erneut frustriert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)