Von Asen & Devas von Flos_Sapientiae ================================================================================ Prolog: Von Asen erwählt ------------------------ Eine regnerische Nacht im späten Mai, eine junge Frau lag in den Wehen. Ihre Mutter half ihr bei der Entbindung, während ihre Schwiegermutter am Fenster stand, die Hände gefaltet. “Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum. Benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui, Iesus… » « Inge!!! Du könntest mir ein bisschen behilflich sein!!!“, beschwerte sich Renate Smets während sie ihrer Tochter Martina beistand. „Tu ich doch!!“, erwiderte Inge Herman und umklammerte ihren Rosenkranz. „Ich rufe die heilige Jungfrau an, damit sie Martina beisteht!“ „Mir wäre aber es lieber wenn du mit anpackst! Beten kannst du dabei immer noch!!“ Martina schrie wieder unter Schmerzen ihrer Wehen. „Kleines!“ Renate wandte sich an ihre Tochter. „Willst du doch nicht lieber etwas gegen deine Schmerzen??? Ein bisschen Hanf-Tinktur?“ Doch Martina schüttelte ihren dunklen Lockenkopf. „Nein! Mama!! Ich gebäre ohne!!“ „Gut so, Martina!“, sagte Inge und glitt mit den Fingern über die Perlen ihres Rosenkranzes. „Die Schmerzen der Geburt ist die Buße dafür, dass Eva die Sünde über die Menschheit brachte.“ „Wenn es gegen Gottes Willen ist, dass Frauen die Geburtsschmerzen betäuben, dann hätten die Menschen das nicht entdeckt. Die Königin von England hat ein paar ihrer Kinder unter Betäubung zur Welt gebracht.“ „Sie ist ohnehin keine gute Christin. Regiert zwar ein riesiges Volk, einigt sie aber nicht unter dem Banner Christi, wie in Indien oder Afrika.“ „Wir sind beide keine Königinnen, wer weiß wie sie ihren Weg geht!“ Wieder schrie Martina auf. „Ah! Ich sehe den Kopf!!! Weiter Martina! Atmen!!!“ Einige Augenblicke später zerschnitt der Schrei eines Säuglings die Luft und Martina Herman sank erleichtert und erschöpft in ihre Kissen. „Es ist ein Mädchen!“, sagte Renate glücklich als sie und Inge zusammen das Kind von der Nabelschnur befreit hatten, es gebadet hatten und somit das Geschlecht überprüft hatten. „Ein Mädchen? Ich hatte für einen Jungen gebetet.“, sagte Inge. „Aber wie süß sie ist!“ Sie war auch über ihre Enkelin erfreut. „Ich gehe und hole Peter, er muss sie sich ansehen!“ Und Inge verließ den Raum. „Mama…“, sagte Martina erschöpft. „Bitte… ich will mein Kind haben…“ Renate nickte und wollte grad Martina ihre Tochter überreichen als sie plötzlich stockte. Das Baby hatte soeben die Augen geöffnet und Renate sah was. „Mama?“ „Naud?!“, fragte Renate sich laut. „Was?“ Renate guckte sich das rechte Auge ihrer Enkeltochter genauer an. „D… Das kann nicht sein!“ „Was denn? Stimmt etwas nicht mit meinem Kind?! Ist es missgebildet?!!“, fragte die junge Mutter panisch. „Nein… es ist schön, kräftig und gesund, aber…“ „Wo ist sie?!“, erklang die Stimme eines Mannes mit dunkelblonden Haaren, Backen- und Schnurrbart und blauen Augen. „Meine Tochter?! Wo ist sie?“ „Hier Peter.“, sagte Inge fröhlich und deutet auf Renate, die immer noch das kleine Mädchen hielt. Nach kurzem Zögern gab Renate, das Baby an ihren Schwiegersohn, er strahlte vor Glück. „Oh Martina! Das hast du toll gemacht!! Sie ist wunderschön!!“ „Ich… wüsste schon einen Namen… sogar einen germanischen wie es sich dein Vater wünschte…“, sagte Martina ermattet aber ebenso lächelnd. Renate war verwirrt. „Wigburg…“, sagte Martina. „So soll sie heißen… Wigburg… die kämpfende Beschützerin…“ „Ja Martina!“, stimmte Peter fröhlich seiner Frau zu. „So soll es sein, unser Engelchen soll Wigburg heißen und eine große Frau werden!“ „Dann muss aber ein ebenso großer Mann sie später zur Frau nehmen.“, sagte Inge, während Peter, seine Tochter endlich in die Arme ihrer Mutter legt. „Mutter!!! Das muss gefeiert werden! Im Lokal warten schon Thomas und Matthias, ich werde eine Runde spendieren!“ Und Peter ging mit seiner Mutter Inge dann raus. Renate und Martina waren mit dem Säugling allein und Martina wollte schon ihrer Tochter die Brust geben. Doch Renate beguckte sich das kleine Mädchen an, besonders ihr rechtes Auge. „Was ist denn, Mama?!“ „Ich hätte schwören können… aber… da war eine Rune!!!“ „Rune?!“ „Ja! Auf ihrer Iris! Als ob sie da eingeritzt wäre, aber jetzt ist sie weg!“ „Was war das für eine Rune?“ „Naud…“ Renate klang ernst und nachdenklich. „Naud?! Die Schicksals-Rune?!!!“, fragte Martina erschüttert. „Ja, laut dieser Rune, wird sie viel leiden müssen aber nicht vermeiden können. Aber das ist nicht das was mir Sorge bereitet. Immer, wenn eine von uns mit einer Rune im Auge geboren wurde, war sie mit Wodans Weisheit und seiner Kraft gesegnet. Wenn es stimmt, wird sie große Stärke besitzen, eine Meisterin der Kräuter sein und vielleicht sogar in der Lage sein die Macht der Runen zu nutzen.“ „Aber dafür muss sie leiden?!!! NEIN!! Dass kann nicht Allvaters Wille sein! Mein Kind soll ein glückliches Leben führen!!!“ „Das wird passieren aber sie wird auch viel Leid erleben. Wir werden mit der Zeit sehen, ob Allvater ihr wirklich seine Weisheit gegeben hat. Bis dahin…“ Renate kniete vor dem Wochenbett nieder, hielt ihrer Enkelin einen Finger hin und sagte bedeutungsvoll. „Naud ist Marter der Magd und mühsame Qual und elendes Leid. Wigburg, Tochter von Martina… Möge Wodan, unser Herr dich leiten und beschützen, auf dass unsere Linie weiterlebt. Wir, die von Wodan gesegneten Seherinnen, seine Walas…“ So begann mein Leben, von mir Wigburg Antonia Inge Herman, Tochter vom Händlergesellen Peter Wolfgang Herman und der Schneiderin Martina Herman. Zwei Jahre später kam meine kleine Schwester Elisabeth, Elisabeth Felicia Renate Herman. Töchter armer Eltern aber Enkeltöchter eines reichen Großvaters. Dadurch würden wir als bürgerliche ab der 8.Klasse in eine ordentliche Schule kommen. Doch endlich war ich 6 Jahre alt und der Tag meiner Einschulung da. Ich fand auch schnell ein Mädchen, namens Sarah mit dem ich mich rasch anfreundete. Ich fand auch ein paar andere Freundinnen aber allerdings merkte ich rasch, dass etwas nicht stimmt. Einige Kinder behandelten mich schlecht. Oft waren es Jungen, sie sagten immer wieder ich sei eine Hexe. „Warum sagt ihr sowas? Ich bin keine Hexe!!!“ „Mein Opa sagte immer Weiber, die grüne Augen haben, sind Hexen!!“ „Ich bin aber keine Hexe!!!!“ „Hey guck mal!!“ Einer der Jungs hatte in meine Schultasche gegriffen und hat was rausgezogen. „Was haben wir denn da???“ Er hatte ein Glas rausgezogen worin, eine Alraunenwurzel drin ist. „Hey!! Gib die mir zurück!!!“ Aber der Junge warf aber lachend das Glas zu seinem Freund, der es fing. „Hör auf damit!!! Die hab ich aus dem Garten meiner Oma und wollte sie Sarah, Julia und Luise zeigen!!“ „Du willst sie auch zu Hexen machen?! Dann muss du sie dir wieder holen!“ Schon warfen sie das Glas hin und her und ich konnte es nicht erwischen. Dann aber konnte einer es nicht fangen und das Glas zerbarst am Boden. Weinend fischte ich die Wurzel aus den Scherben, während die beiden Jungen lachten. „Was macht ihr da?!“ Es war Sarah, die mit Julia und Luise grad kam. „Sie hat versucht euch zu verhexen!!“, sagte der eine und deutete auf mich. „Das ist nicht wahr!!!!“ „Und was hattest du mit der Alraune vor?! Das ist doch eine Hexenpflanze!“ „Nein!!! Oma braucht die um Medizin zu machen!!“ „Woher willst du das wissen?!!“ „Genug, Kinder!!!“, hörten wir den Lehrer rufen. „Kommt sofort rein!! Der Unterricht beginnt!“ Wir gingen dann rein. Als ich zwölf wurde, bekam ich ein dickes, altes und in Leder gebundenes Buch von meiner Großmutter Renate geschenkt. „Das ist ein Erbe unserer Blutlinie.“, hatte sie gesagt. „Du und Elisabeth, macht uns stolz.“ Und sie hatte meinen Kopf gestreichelt. In diesem Buch waren Rezepte für Heil- und Rauschmittel, zusammen mit diversen Runenliedern. Das hatte ich sogar in die Schulpause mitgenommen um es zu lesen, so sehr liebte ich es, allerdings verstärkte es sogar den Glauben meiner Mitschüler und den einiger Dorfbewohner, dass ich eine Hexe sei. Das isolierte mich noch mehr, aber auch Lieschen wurde ausgeschlossen von den Schulkameraden. Trotzdem hielt sie zu mir. Aber Sarah, Julia und Luise? Julia und Luise wandten sich aus Angst und Druck der Menge von mir ab. Sarah, nun alleine stehend, wandte sich sogar an meine Peiniger, nicht nur weil ihr einer der fiesen Jungs sie mit schönen Worten umschmeichelt hatte. Am Ende schien sie es sogar auch zu glauben ich sei eine Hexe. Auch meine Konfirmation und Onkel Thomas‘ Worte, welcher Pfarrer war, halfen nicht. Oft kam ich mit verdreckten Klamotten heim oder ein paar meiner Schulsachen wurden gestohlen. Lieschen legte sich immer mal wieder mit ein paar der Kinder an, aber auch mir platzte immer mal wieder der Kragen von der ganzen Diskriminierung, so dass ich auch ein paar Kindern wehtat. Ich schämte mich dafür, ich fühlte mich als ob ich verflucht wäre. Lieschen gab mir aber immer wieder Mut, besonders durch unsere Träume, einmal die Welt zu erkundigen. Doch eines Abends hörten Lieschen und ich mal wieder unsere Eltern streiten. „Du hast sie schon wieder getroffen?!!“, schrie Mama wütend Papa an. „Das war purer Zufall! Sie ist nur eine Bekannte von einer Geschäftsreise!“ „Ja sicher, mit der du wie selbstverständlich das Zimmer teilst!“ „Es war kein weiteres Zimmer frei und es war nichts passiert!“ „Also mir hat sie erzählt dass Matthias dich dazu überredet hat mit ihr zu kommen! Und dass du verheiratet bist und Kinder hast, hast du nebenbei nicht erwähnt!“ „Matthias ist schon immer ein Dummkopf gewesen!! Martina, ich liebe dich und nur dich!“ „Wer’s glaubt! Wenn du mich lieben würdest, hättest du widerstanden. Ich bin dir wohl nicht mehr gut genug!“ „Würdest du dich mehr wie eine richtige Frau benehmen, hätte ich es nicht getan!“, platzte es aus ihm raus, offenbar um sich von seiner Schuld loszureden. Lieschen und ich zitterten hinter der Tür, Mama blieb hart. „Wie eine richtige Frau, sagst du?“ „Ja!! Die sich mit anderen Frauen zum Kaffeekränzchen trifft, sonntags Kuchen backt, den Haushalt macht und nichts über Botanik und Philosophie liest!! Die Mädchen erziehst du ohnehin falsch!“ „Lass die Mädchen daraus! Es geht nur um dich und mich!“ Mama glitzerten schon Tränen im Gesicht. „Oh doch!! Deinetwegen werden sie zu Möchtegern-Gelehrten und das steht einer Frau einfach nicht zu! Deinetwegen werden sie niemals anständige Männer heiraten!“ „NEIN“, gab ich von mir und unsere Eltern sahen zu uns, die hinter der Tür versteckt waren. Papas Gesicht wurde fahl, als er uns sah. „Du… liebst uns nicht?“, stotterte ich und rannte davon. Lieschen folgte weinend. „Wigburg! Elisabeth!!“ „Zu spät Peter!“, sagte Mama, todernst. „Diesen Satz werden sie dir nie verzeihen. Sie werden heiraten, nur keine dummen und schwachen Männer, wie ich es leider tat…“ Ihr tat der nächste Satz weh. „Du kannst demnächst zu deiner Metze gehen ohne schlechtes Gewissen zu haben… Ich will die Scheidung!“ „Das… kannst du nicht!!! Du als Frau…“ „Wer von uns beiden hat die Ehe gebrochen?“ Und Mama ging. Mama hatte es schwer aber sie bekam Recht. Während der Scheidungsprozess aber verlief, verging viel Zeit. Papa hatte schon längst unser Dorf verlassen. Als ich sechzehn wurde zogen wir in das Städtchen Birrekopp, wo auch meine Großmutter Renate wohnte. Wir lebten bei ihr bis wir eine eigene Wohnung haben würden. Dafür halfen wir Oma Renate und Opa Heinz daheim. Eines Tages klopfte es an der Tür. Oma machte auf. „Ja, was willst du?“ „Ich… ich bräuchte Ihre spezielle Hilfe…“ Ich erkannte Sahras Stimme, als ich grade Butter in der Küche stampfte. Sie klang sehr nervös und unsicher. „So? Seit wann weißt du dass du guter Hoffnung bist?“ Ich stockte und spitzte die Ohren. „Seit… seit zwei bis drei Wochen…“ „Wer war es? Und hat er dich mit Gewalt besessen?“ „Mein Liebster war es, aber…“ Sahras Stimme zitterte, ich konnte mir trotz dass ich nicht im selben Raum war, mir denken das sie weinte. „…Er hat mich nicht gezwungen!! Er hat sogar mir versprochen mich zu heiraten, aber erst später!“ „Hmmm… wenn du dich ihm freiwillig hingegeben hast, dann brauchst du meine Hilfe nicht, sondern solltest ihn so schnell wie möglich heiraten!“ „Darüber hab ich auch mit ihm gesprochen, aber er sagt er will noch nicht!!!! Er will es wenn er soweit ist. Aber wenn meine Eltern und er herausfinden dass…“ „Ah, so ist das!“, sagte Oma Renate und guckte verachtend. „Du hast Angst dass er dich verlassen würde wenn er von deiner Leibesfrucht erfährt. Nun, tut mir Leid, das hast du dir selbst eingebrockt! Du solltest mit ihn und mit deinen Eltern reden anstatt mich um sowas zu bitten!“ „NEIN!!! Bitte Frau Smets! Helfen sie mir!!! Ich bezahle auch dafür!“ „Ich treibe keine Kinder ab, die von ihren Müttern freiwillig empfangen worden sind und erst recht nicht gegen Geld! Der Himmel bewahre!“ „Oma!“ Ich trat herbei. „Geh du mal zu Mama, ich werde ein bisschen mit Sahra reden.“ Ich ging mit ihr hinters Haus. „Was willst du Wigburg?“ „Sahra, du solltest es ihm sagen, vielleicht heiratet er dich dann auch eher.“ „Aber er will noch keine Kinder! Ehrlich gesagt… er will überhaupt keine…“ „Und dann fickt er dich!!!“ „Wigburg! Sowas sagt man nicht!!!“ Ich war wütend. „Verdammt nochmal, so blind kann man nicht vor Liebe sein!!! Er ist schon in der Schule mit einigen Mädchen gegangen, bevor er dich hatte!“ „Aber er hat sich geändert!“, widersprach Sahra. „Er sagt ich sei was Besonderes und die anderen seien nur dumme Gänse und sehen nicht sein wahres Ich.“ „Das sagte er auch zu Angelika, Wilhelmine, Emilia, Laura…“ „Aber er liebt mich!!! Und nur mich!!!“ Sahra war wütend aber auch verzweifelt. „Du siehst nur schlechtes in ihm, nur weil seine Freunde dich drangsaliert haben!“ „Nur seine Freunde?!! Er war mehr als genug ganz vorn mit dabei! Zweimal hatte er mich auch dabei unsittlich angefasst!“ „DU LÜGST!!!“ „Dir zu liebe, auch wenn wir keine Freundinnen mehr sind, hatte ich es dir nie gesagt! Er liebt dich nicht! Er nutzt dich nur aus!!!“ „Nein tut er nicht!!!“ „Du blöde Kuh!!! Ich will dir nur helfen, unserer alten Freundschaft wegen!!“ „NEIN TUST DU NICHT!!!“ Sahra war in heftigeren Tränen ausgebrochen. „Du weißt nicht was wahre Liebe ist!!! Du hast eh nie gewusst was richtig war! Du wirst nie wissen was wahre Liebe ist!“ Das nervte mich so!! „Derjenige der mich wirklich liebt, denkt an mein Wohl und steht mir immer zur Seite, egal was kommt. Er würde auch nicht einfach abhauen wenn es ernst wird oder ich was von ihm bitte! Ich glaube eher, DU weißt nicht was Liebe ist!“ Sahra stand nur da und stockte, während ihre Tränen flossen. Ich dagegen ging zu Omas Kräutergarten und rupfte ein Bund Petersilie aus. „Das tu ich nur weil wir einst Freundinnen waren. Koch daraus einen Sud und trink ihn. Aber glaub mir! Das Kind wirst du unter Schmerzen verlieren!“ Sahra starrte mich an. „Alles in dieser Welt hat seinen Preis… Bezahl auch dafür!“ Sie ging schweigend. Ich sah dass, Oma aus dem Fenster uns zugesehen hatte. Ebenso schweigend gehe ich auch ins Haus und würdigte Oma beschämt keines Blickes. „Frigga, verzeih dem Auge deines Gemahls…“, meinte ich sie flüstern gehört zu haben. Ich hatte genug, dass Sahra sich das gefallen ließ und beschloss was dagegen zu unternehmen! Ich wusste dass er immer gerne trinken geht mit seinen Freunden und dass er früher dem Lehrer auch mal was aus der Tasche geklaut hatte, so als Mutprobe. Also wartete ich bis zum nächsten Freitag, wo er sich wieder mit seinen Freunden traf und trinken würde. Ich wartete draußen bis ich die Jungs drinnen das Trinklied singen hörte und ich wusste, dass sie genug getrunken haben. Dann schlich ich mich rein, suchte mir den nächsten Herrn mit der größten Geldbörse aus und steckte heimlich dessen Börse in die Tasche von Sahras ach so großer Liebe. Im Suff hatte er nix gemerkt und hatte seine ungewollte Beute mit nachhause genommen, ich dagegen war schon längst selber nachhause gegangen. Natürlich wurde er wegen Diebstahls dran gekriegt, tja blöd für ihn dass, er sich schon in der Schule an der Tasche des Lehrers vergriffen hatte. Dafür wurde er drei Wochen ins Zuchthaus gesperrt, aber auch nur weil er betrunken war und keinen Pfennig ausgegeben hatte. Sahra war am Boden zerstört als sie davon hörte. Ich hoffte so sehr dass sie dann endlich von ihm los kam. Aber! Genau einen Tag bevor er entlassen wurde traf ich Sahra völlig glücklich mit einem großen Koffer am Brunnen auf dem Marktplatz. „Sahra! Was machst du hier?! Und wozu der Koffer?!“ „Ich bin von Zuhause ausgerissen und werde mit ihm durchbrennen!“ Vor Schreck ließ ich den Korb Äpfel, den ich grad bei mir hatte, fallen. „Wie bitte!? Du hängst immer noch an ihn!!!?“ „Er hatte mir gesagt, irgendwann laufen wir weg und fangen zusammen was Neues an!“ „Ganz bestimmt am Anfang, aber ich zweifle dass er sich dran erinnert!“ „Das tut er!!! Er hat‘s mir versprochen!!!“ „Nachdem was er dir angetan hat, waren das nur leere Worte! Bestimmt hat er dich in dieser Zeit vergessen!“ Sahras Blick wurde auf einmal anders, grade zu psychotisch. „Sahra?“ „Jetzt verstehe ich es… Du hast es ihm angehangen… Ich wusste er war unschuldig!“ Ich stockte, weil es ja auch stimmte. „Warte Sahra, das…!“ „Du hast gehofft dass er im Zuchthaus mich vergisst, damit du ihn danach mir wegnimmst!!“ „WAS?!!! Hast du nicht mehr alle Latten am Zaun?!!! Warum sollte ich ihn dir wegnehmen?!!! Jemand der mich gequält hat??!!!“ „Was weiß ich was in deinem kranken Hexen-Hirn abgeht! Du hattest bestimmt mir nie mein Glück gegönnt! Ich mit wohlhabenden Eltern, ohne eine Hexe als Großmutter, ohne selbst eine Hexe zu sein und mit jemanden der mich wirklich liebt!“ Voller Wut stürmte ich schreiend auf Sahra und warf sie zu Boden. „NENNE MICH NIE WIEDER EINE HEXE, DU VERBLENDETES PARANOIDES MISTSTÜCK!!“ Sahra schrie vor Angst und streckte mir die Geste der Feige entgegen. „WEICHE VON MIR, MIT DEINEM BÖSEN BLICK!!!“ Erschrocken ließ ich sie los, mein rechtes Auge fühlte sich seltsam warm an, als ob ich da Fieber hätte oder es geglüht hätte. Die Leute starrten uns an. „Ich hatte ehrlich Mitleid. Jetzt hasse ich dich abgrundtief! Und ich habe nicht den bösen Blick!!!“ Immer noch starrte man uns an als ich mit Zornestränen meiner Wege ging. Immer wieder fasste ich mir, voll Verwirrung ans Auge. Aber am nächsten Morgen, fanden zwei Waschweiber Sahra tot am Flussufer. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf, was wohl die Todesursache war. Wer es war, war schnell klar und ihr Liebster war schnell gefasst. Nach langem Verhör, gestand er mit ihr in einen Streit geraten zu sein, weil sie unbedingt mit ihn fliehen wollte, Sahra ihm aber lästig geworden wäre. Er beteuerte aber er habe sie im Zorn geschubst und sie sei aus Versehen auf einem Stein gelandet, der sie auch tödlich verletzt hatte. Aus Angst vor Strafe hatte er ihre Leiche in den Fluss gestoßen. Aber es half nichts! Er wurde später wegen Totschlags zu lebenslanger Haft verurteilt. Das hatte mich getroffen, auch wenn mein Peiniger im Zuchthaus sitzen würde und Sahra mich verraten und beleidigt hatte. An ihrem Grabe flossen auch meine Tränen. „Und? Glaubst du es mir jetzt? Jetzt wo es zu spät ist…“ „Das ist deine Schuld!“, hörte ich hinter mir Sahras Vater wütend zischen. „Du hast sie ins Unglück gestürzt!! Mit dem Bösen Blick hast du sie verflucht!“ „Das stimmt nicht!“, rief Lieschen die dazu gekommen war um ihre Blumen abzulegen. „Sie hat den Bösen Blick nicht!!!“ „Das stimmt…“, kam es von Sahras große Schwester Marianne. „Daran ist Wigburg nicht schuld. Es war seine Schuld, dieser…“ „Man hat aber gesehen wie sie den Bösen Blick auf Sahra angewandt hatte!!! Gestern auf dem Marktplatz!!“ „Das war bestimmt Einbildung!!!“, widersprach Elisabeth, ich schwieg weil ich mir unsicher war ob da nicht wirklich was an meinem rechten Auge gewesen war. „Bestimmt, Papa. Hätte Wigburg versucht Sahra zu schaden, hätte sie es viel früher getan und bestimmt nicht in aller Öffentlichkeit wo es jeder sehen konnte!“ Ich war gerührt von Mariannes Worten. Doch ich sprach: „Irgendwie, tragen wir alle eine gewisse Schuld: Der Kerl wegen seinem übergroßem Ego, Sahra wegen ihrer Naivität, Ich weil ich nicht energischer sie aufgehalten hatte und auch ihr, die ihr hättet beistehen können als er im Gefängnis gesessen hatte, um ihr zu zeigen dass sie nicht alleine ist und nicht zu ihm gehen muss. Niemand hier trägt alleine die Schuld und ich habe sie auch nicht verflucht, auch wenn ich sie für einen Moment lang gehasst habe. Ich hätte eine alte Freundin nie verflucht.“ Sahras Vater schwieg verwundert über meine Worte, während Lieschen mit mir vom Friedhof gingen. Als ich fast siebzehn war und Lieschen vierzehn war, besuchten wir ab und zu unseren Vater, der jetzt in einem anderen Dorf wohnte. Nur immer wenn wir ihn besuchten, waren immer Matthias und ein zwei ihrer gemeinsamen Geschäftspartner dabei plus mindestens zwei ihrer Söhne, Neffen oder Enkel. Immer bestand Papa, betont diskret und ohne direkten Andeutungen, dass wir viel Zeit mit den jungen Männern verbringen sollten. Lieschen und ich merkten rasch Papas Absicht uns zu verheiraten zu wollen. Ganz bestimmt um Mama eins auszuwischen, weil er habe die richtigen Freier für uns ausgesucht. Aber immer wieder versauten Lieschen und ich seine Pläne, ich mit meinem Intellekt und Sarkasmus und Lisabeth mit ihrem Eigensinn. Papa kam es mit der Zeit wie verhext vor, tja selber schuld! Des Abends lagen wir beide in unserem Zimmer in unseren Betten. Ich schrieb in mein Tagebuch und Elisabeth flocht mir die Haare, bevor sie auch ihre zum Schlafen flocht. „Das dämliche Gesicht von dem Lackaffen heute Nachmittag hättest du sehen sollen. Wie er über Astronomie geredet hatte als ob er Ahnung hätte, hatte ich ihm vom Stern „Caput te“ im Sternbild „in anus est“ erzählt.“ „Aber das heißt doch beides „dein Kopf ist im A…““, sagte Lieschen lachend. „Ja!!!“, kicherte ich. „Als Onkelchen Matthias das übersetzt hat, was hat er dämlich geguckt und wie beleidigt er war!“ „Lustig aber etwas geschmacklos, Schwesterchen.“ „Naja, langsam gehen mir die Ideen aus.“ Ich seufzte entnervt. „Papa ist so ein Idiot geworden. Lieber kriecht er der Gesellschaft in den Hintern anstatt die Gefühle seiner Töchter zu respektieren.“ „Ich will noch nicht heiraten! Und erst recht keinen, den ich nicht liebe!“, klagte Lieschen. „Ich auch nicht… Außerdem will ich was erleben bevor ich heirate. Eine große Stadt sehen wie Paris oder London.“ „Oder Bombay, da soll es doch Tiger geben.“ „Soweit willst du weg?“ „Ja, aber nur wenn du dabei bist.“, sagte Lisabeth. „Davor hab ich auch Angst. Wenn wir heiraten, werden wir bestimmt getrennt.“ „Och Lieschen…“ Ich nahm sie in den Arm. „Nie im Leben lass ich dich allein. Am besten wir lachen uns zwei Brüder an.“ „Mindestens beste Freunde, damit wir immer zusammen sind.“ „Genau. Niemals werden wir auseinander gehen, oder?“ „Niemals, niemals.“ Wir hakten unsere kleinen Finger zum Schwur ineinander. Opa Wolfgang hatte einige Geschäftspartner im Ausland, besonders im englischen Königreich. Aber als er im späten Winter des Jahres 1888 starb, kam heraus, dass er Schulden bei einem Geschäftspartner hatte. In seinem Testament hatte er vermerkt, dass wir, seine Enkel, die Schulden durch Arbeit bei diesem Geschäftspartner abbauen sollten. Nur waren unsere Vettern studieren und unsere Basen relativ frisch verheiratet, also blieb es an mir und Lieschen hängen. Unser Vater war damit einverstanden, insgeheim hoffte er bestimmt, dass wir in England adelige oder zumindest reiche Männer treffen würden, die uns freien könnten. Als ob wir so nachgiebig wären wie unsere Basen… Der Sommer kam. Im Hinterhof wuschen wir drei, große Laken im Waschbottich, später würden sie zum bleichen und trocknen auf die Bleichwiesen gebracht werden. Auf einmal kam ein Postbote herbei. „Ähm… Die Fräuleins Wigburg und Elisabeth Herman?“, fragte er. Ich und Lieschen bejahten. Der Postbote zog einen Brief mit einem dicken Wachssiegel raus. „Ein Brief aus London.“ Er übergab den uns und wir öffneten ihn. Er war in feiner Handschrift verfasst und in Englisch. Ein bisschen konnten wir englisch sprechen und lesen. Darin stand: Sehr geehrte Misses Wigburg und Elisabeth Herman, Mit Freude teile ich Ihnen mit, dass ich das Angebot eures Vaters und eurer Onkel annehme, euch als meine Hausmädchen auf Zeit einzustellen, bis die Schulden meines geschätzten Geschäftspartners Wolfgang Herman beglichen sind. Ich erwarte euch in den ersten zwei Wochen des kommenden Dezembers, in meiner Stadtvilla in London. Meine Adresse dafür werdet ihr vor eurer Ankunft in London erhalten. Als bald und mit freundlichem Gruß Earl Ciel Phantomhive „Weißt du was das heißt, Schwesterherz???!!“, fragte ich, als ich den Brief ein zweites Mal durchgelesen hatte. Lieschen grinste mich an. „Wir werden nach England fahren!!“ „WIR FAHREN NACH ENGLAND!!! HURRAAAA!!!“ Wir freuten uns riesig, raus aus dem verschlafenen Nest, raus in die weite Welt!! Unserer Mutter tat es schon in der Seele etwas weh, aber wir waren schon je 18 und 16 Jahre alt, eindeutig alt genug. Bis zum Winter übten wir uns im Haushalt und in der englischen Sprache. Wir nähten uns sogar eigene Dienstmädchen-Kleider. Schließlich, im darauffolgenden Winter, verabschiedeten wir uns von unseren Eltern, die uns bis zum Hafen in Hamburg begleitet hatten. Von da aus würden wir mit dem Schiff nach London fahren und das würde einen Tag und eine Nacht dauern. Als wir an Bord gingen und das Schiff ablegte, winkten wir noch lange ihnen nach, die stolz aber auch wehmütig dreinblickten. Ich und Lieschen konnten uns aber auch die eine oder andere Abschiedsträne nicht verkneifen. Wir gingen recht früh in unsere Kabine, wir waren sehr erschöpft von der Reise mit Zug und Kutsche. Was wird uns erwarten? Was für Leute werden wir treffen? Was für neue Abenteuer werden wir erleben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)