Assassin's Creed III - Forsaken von Sayajori_Dragon ================================================================================ Kapitel 1: Verlassen -------------------- Noch immer ertönte die Glocke und signalisierte damit den Eindringling in den militärischen Steinmauern, kurz bevor diese von der Bombardierung übertönt wurde. Die Melodie des Zusammenspiels von Kanonendonner und Glockenschlägen betonten die urplötzliche Stille. Der säuerliche Geruch des Blutes streifte durch sein Nasenbein, fuhr durch seine Atemwege und raubte für einen Moment lang seinen Verstand. Die heißen Tropfen befleckten sein Gesicht, ließen ihn den ganzen Schmerz spüren. Das Blut fiel wie ein heißer Regen auf den kalten Steinboden, färbte dabei die gesamte Umgebung plötzlich rot. Die Atemnot plagte ihn unerbittlich, entweder aufgrund des Blutes, das sein Gesicht vergrub oder der kalten Hand, die sich kurz zuvor um seinen Hals gelegt hatte. Die Eiseskälte in den Augen seines Gegenübers entwichen augenblicklich und im selben Moment begriff er was geschehen war. Er erlangte wieder die volle Kontrolle über seinen Körper, konnte wieder atmen, zügelte blitzartig seinen vorherigen Reflex seine Klinge auszufahren, doch es war zu spät. Das kalte Eisen war in seine bleiche Haut gedrungen, entstellte sein Gesicht, bis er begriff, dass es nicht sein eigenes Gesicht war, sondern das Abbild seines älteren Ichs. Ein krächzender Laut entfleuchte aus dessen trockenem Mund, seine grauen Haare spähten wie ein altes Vogelnest unter seinem Dreispitz hervor. Er löste seine kalten Hände von dem Hals des Unterliegenden, ging zu seinem eigenen Hals über, dorthin wo er den tiefen Schnitt verspürte. Das Eindringen in sein Fleisch und Blut, seiner Seele. Er blickte in das blutverschmierte Antlitz seines alternativen Lebens. In seinem Gesicht bildete sich etwas, was das Ende dieses Kampfes bewies...Ein Lächeln. „Glaube nicht, ich hätte vor, deine Wange zu streicheln und mir Fehler einzugestehen. Ich weine nicht und frage, was hätte sein können. Das verstehst du sicher.“ Sein Gleichgewicht trieb ihn dazu aufzustehen, fiel jedoch sogleich wieder auf die Knie. Der zuvor Todgeweihte erhob sich, atmete durch und blieb wie eine Statue stehen. Eine Statue, die so kurz davor war zu zerbrechen. Und doch schien er keine Reue zu zeigen. „Dennoch…bin ich irgendwie stolz auf dich. Du besitzt große Entschlossenheit, Stärke, Courage. Alles edle Tugenden…“ Er wand seinen Blick wieder zu seinem Sohn und lachte etwas, als er begriff wer wirklich vor ihm stand. Es war nicht ein einfacher Assassine oder ein ignoranter Junge, der niemals verstehen konnte was die Welt wirklich brauchte. Es war das Leben, das er hätte führen sollen…es war das Richtige. Nicht weil er ein Assassine war, sondern weil er sein Schicksal selbst auswählte. „Ich hätte dich längst töten sollen.“ Eine letzte, kalte Atemwolke bildete sich vor den Mund des Briten, kurz bevor er endgültig das Gleichgewicht verlor und rücklings zu Boden fiel. Die Zeit nahm ihre Gestalt an, der Angriff auf das Fort war wieder allgegenwärtig. Kanonendonner und Menschengebrüll ertönten aus dem Hintergrund und machten damit die Situation von Vater und Sohn unsichtbar. Der Assassine stand lange Zeit stumm da, wusste nicht wie er diesen Moment einschätzen sollte, konnte seine Gedanken und Gefühle für diesen Mann nicht sortieren. War es Respekt? Ehrfurcht? Was es auch war, es brachte ihn dazu stillschweigend dazustehen, dicht an den leblosen Körper, und ihn mit einer anbahnenden Fassungslosigkeit anzustarren. Sein Atem stockte, seine Lungenflügel hingen wie schwere Bleikugeln in seinem Körper und brachten seinen Verstand dazu zu zerbrechen. Was hatte er getan? War es nicht das Letzte gewesen was er wollte? War es nicht genau das, was er zu verhindern suchte? Er wollte den Verantwortlichen für all diese Tode zur Strecke bringen, um auf eine Versöhnung mit seinem lang verschollenen Vater hinzuarbeiten und plötzlich wurde das Gegenteil zur Voraussetzung für sein Ziel. Sein Mentor hatte Recht behalten. Um die Welt von der Kontrolle zu befreien, mussten beide sterben. Das war das Opfer, das er einbüßen musste, wenn er auch erst später begriff, was er dafür aufgeben musste. Er musste seiner steinernen Seele zugeben, dass es ihn schmerzte, wenn auch sehr spärlich und nicht ganz gewiss, doch er bereute es nicht. Weil er keine Reue spüren durfte. Eigentlich auch keinen Schmerz, doch durch die Tatsache, dass er seiner letzten Möglichkeit auf Frieden einen tödlichen Schnitt verpasste, war dies unaufhaltsam. Und wie groß der Schmerz doch plötzlich war. Die einzige Zeit, die er mit ihm verbrachte bestand lediglich aus Konfrontationen und Meinungsverschiedenheiten, dennoch hatten beide die Vorahnung, dass eine Allianz zum großen Vorteil werden würde. Doch es sollte wohl nicht so sein. Die letzten Tage und Monate, in denen er vergaß wofür er kämpfte, sollten mehr werden. Einst wollte er sein Dorf beschützen, doch diese ließen sich nicht vom Kämpfen abhalten, was sogar dazu führte, dass er seinen ehemals besten Freund töten musste. Niemand in seiner Heimat konnte mehr verstehen, weshalb er tötete. Dafür hatte er sich zu sehr verändert. Doch was brachte ihn eigentlich dazu? War es die Zeit mit seinem Vater? Oder sein Mentor und Ausbilder? Egal was er tat oder wie viel er tat, alles war umsonst. Zumindest fühlte es sich so für ihn an. Es kostete ihm seinen letzten Nerv, um zu verstehen warum er so viele Leben beendete. Nun lag er da, sein lebloser Körper, sein Blut in den Händen seines Sohnes. Kein Mucks kam mehr aus ihm heraus, keine Predigt über die Templer und deren Vorhaben und keine Offenbarungen über den Assassinen und seinen Fehleinschätzungen. Er begann langsam wieder zu atmen und biss die Zähne fest zusammen, bis sie anfingen zu knirschen. Was einst in seinem Verstand eine winzige Flamme war, war nun zu einem lodernden Feuer geworden. Seine Sicht verschwamm, ehe er blinzelte und sich auf seinem Gesicht ein kitzelndes Gefühl ausbreitete. Der nasse und salzige Geschmack in seinem Mund hätten dieses Feuer nicht löschen können. Er verkrampfte sich allmählich in seiner Haltung, ballte seine Hände zu Fäusten. Bevor er sich dem Ausgang des Forts widmete, wagte er noch einen letzten Blick in das steife Gesicht des Templers. „Dann gute Reise, Vater.“ Es war Zeit für das Blut jenen Mannes, das schon lange an seiner Klinge sein sollte: Charles Lee. Und doch…fühlte er sich verlassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)