Prince and Pea von Writing_League (A nohrian reenactment. Kind of.) ================================================================================ You should‘ve surrendered! -------------------------- Eine Audienz, drei Gespräche über nohrisches Wetter und ein blaues Auge - Niles‘, nicht Leos - später war er noch immer keinen Schritt weiter. Nur in einem Punkt war Leo sich mittlerweile absolut sicher: Die vor ihm liegenden Festlichkeiten würden sehr, sehr lange Festlichkeiten werden. Erinnerungen an die unglückseligen Gespräche, die er mit den Hoshiden zu führen versucht hatte, verfolgten ihn bis in den Schlaf. Selbst in seinen Träumen fragte Prinz Takumi ihn nach seinen Getreuen, lächelte Prinzessin Sakura ihr nichtssagendes Lächeln, nannte Corrin Kamui ihn Bruder. Als er schließlich aufwachte, tat Leo es unter Prinzessin Hinokas feindseligem Blick, den Geruch nach Schweiß und Eisen in der Nase und dem Geschmack von Blut auf der Zunge. Missmutig blinzelte er in trübes Morgenlicht. Ein paar Lidschläge später verschwand das Gesicht vor seinem inneren Auge und mit dem Anblick auch die Gerüche. Der Geschmack blieb. Vorsichtig tastete Leo mit seiner Zunge die Innenseiten seiner Wangen ab- Die Wunde fand er auf seiner Unterlippe. Er stöhnte und bereute es einen Moment später, als Kopfschmerzen ihm antworten. Kopfschmerzen und- „Mylord, raus aus den Federn!“ Niles. „Wer hat dich reingelassen?“ „Oh, das war ich. Und jetzt steht auf, Ihr seid spät dran.“ Ein viel zu gut gelaunter Niles. „Verschwinde.“ Statt Niles antwortete ihm das Geräusch sich öffnender Fensterläden. Eine eisige Brise strich wie eine letzte Warnung über sein Gesicht hinweg. Instinktiv zog Leo sich die Decke über den Kopf. Zu spät realisierte er, dass Niles den Schnee nicht werfen würde. Ein knappes Dutzend Schritte und eine nur beiläufig angehobene Decke später schritt Niles zur Tat. Leos Schrei hörte man noch bis zu den Gästequartieren.   Als Leo eine halbe Stunde später in Richtung Speisesaal schlich, zitterte er immer noch. Nachdem ihn auf den Weg bereits zwei Wachen, ein Dienstmädchen und eine viel zu gut aufgeweckte Peri gefragt hatten, ob alles in Ordnung mit ihm war, war er vorsichtiger geworden. Sorgsam lauschte er auf Schritte und Gespräche, die die Gänge hinab hallten, bedacht, niemandem mehr zu begegnen. Er machte sogar einen Umweg, als er eine Gruppe von Mägden zu den Wäschekammern eilen hörte. Niles, der ihm nicht nur mit Leichtigkeit folgte, sondern überdies deutlich leiser war, als sein Herr, kommentierte keine seiner Entscheidungen. Das er es mit einem besonders breiten Grinsen, als habe er soeben in die Heldenklasse gewechselt, tat, sah Leo nicht. Vielmehr spürte er es an der Art, wie sein Getreuer sich in jedem Moment, den Leo inne hielt, etwas zu dicht über ihn beugte. Leo ahnte auch, dass Niles diese Nähe nur suchte, um ihm das Grinsen und alles, was es implizierte, noch ein bisschen mehr unter die Nase zu reiben. Er strafte ihn mit völliger Missachtung.   Für einen Weg, an dem er an guten Tagen – wachen Tagen – kaum fünf Minuten gebraucht hätte, vertrödelte Leo so eine gute Viertelstunde. Bevor er den Speisesaal, und die Wachen vor ihm, schließlich erreichte lauschte er ein letztes auf Stimmen, doch hinter der Tür hörte er nur das Geklapper von Geschirr und eine fröhlich plappernde Stimme, die Elise gehören musste. Leo atmete tief durch, dann öffnete er die Tür. Erleichtert stellte er fest, das bislang nur seine Geschwister anwesend waren. Von den hoshidischen Gästen war noch keine Spur und insgeheim hoffte Leo, dass sie das Angebot, die Mahlzeiten gemeinsam einzunehmen, ausschlagen würden. „Guten Morgen.“ Schwungvoller, als er sich fühlte, trat er ein, Niles wie ein Schatten hinter ihm. Elise – die Xander tatsächlich in irgendein Gespräch verwickelt hatte, dessen Inhalt sich Leo so früh am Morgen noch nicht erschließen wollte – winkte ihm nur über die Teller hinweg zu, die die Dienstmädchen gerade auftrugen. Ihr gegenüber nickte ihr Bruder ihm nur knapp zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Elise widmete. Es war Camilla, die es an diesem Morgen auf sich nahm, ihn überschwänglich zu begrüßen. Ihr Kuss, den sie auf seine Wange drückte, war viel zu feucht. Und vermutlich Absicht. „Guten Morgen, mein lieber, süßer Leo“, flötete sie vergnügt. Für die frühe Stunde klang sie für seinen Geschmack viel zu gut gelaunt, doch Leo war auch ein ausgesprochener Morgenmuffel. „Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Morgen.“ Routiniert löste er sich aus ihrem Griff und schritt um den Tisch herum zu seinem Platz. Ihre Wortwahl irritierte ihn erst im zweiten Moment. Unter hochgezogenen Augenbrauen und über die hohe Lehne seines Stuhls hinweg warf Leo ihr einen Blick zu und versuchte abzuschätzen, wie viel sie mitbekommen hatte. Angesichts des Lächelns, das um ihre Lippen spielte, kam er zu dem Schluss: Zu viel. Leo warf einen knappen, aber finsteren Blick über seine Schulter. Niles erwiderte den Blick ohne eine Miene zu verziehen. Mit stoischem Gesichtsausdruck hielt er Leo den Stuhl zurecht, doch Leo wusste, dass das nur Fassade war. Er kannte Niles lang genug, um zu wissen, dass selbiger nur darauf wartete, um aus dem Nähkästchen zu plaudern – insofern Leo ihn ließ. Leo ließ ihn nicht. Eine stumme Aufforderung später setzte er sich. „Er war formidabel, Schwester. Warum fragst du?“ „Wir haben dich schreien gehört“, warf Xander ihm gegenüber ein. „Peri sagte, sie habe dich getroffen und es sei alles in Ordnung, aber …„ Oh, wundervoll. „Niles hat lediglich das Fenster geöffnet, Bruder.“ „Sicher?“, legte nun auch Elise den Finger auf die Wunde. „Du warst ganz schön laut.“ „Sicher. Das Fenster stand offen. Sicher hat es über den Hof gehallt.“ Natürlich war das nur die halbe Wahrheit, doch er würde seinen Geschwistern ganz sicher nicht erzählen, wo er heute bereits Schnee stecken gehabt hatte. „Sagt, wie war euer Morgen?“ Xander richtete sich ein wenig mehr in seinem Stuhl auf, antworte jedoch nicht – seine Art, ihm zu sagen, dass es keine besonderen Vorkommnisse gegeben hatte. Elise hingegen ging freudig auf den Themenwechsel ein. „Der war supi! Ich habe von einem Spaziergang unter Kirschblüten geträumt! Und von Erdbeerparfaits! Denkst du, die ersten Erdbeeren in den Gärten sind schon reif?“ Leo, der Katharinas Gärten nur betrat, um zu überprüfen, ob die Zauber, die Nyx und er auf die unterirdischen Gewächshäuser gewirkt hatten, nachgebessert werden mussten, zuckte mit den Achseln. Das Stück Magie, das Königin Katharina ihnen vererbt und das sie nach Kriegsende eher zufällig wiederentdeckt hatten, beeindruckte Leo zwar jedes Mal aufs Neue – doch das bedeutete eben noch lange nicht, dass er deshalb die Wachstumsphasen irgendwelcher Pflanzen abschätzen konnte. „Du könntest Jakob oder einen der anderen Diener fragen. Sie können dir sicher weiterhelfen.“ Der Versuch, die Verantwortung auf die Dienerschaft abzuschieben, war halbherzig. Zumal gerade Jakob sicher besseres zu tun hatten, als irgendwelchen Erdbeeren beim Wachsen zuzusehen. Elise jedoch schluckte den Köder. Sie nickte begeistert. „Das werde ich gleich nach dem Essen tun! Ich wette, Sakura mag Erdbeerparfaits so sehr, wie ich!“ Leo antwortete mit einem dünnen Lächeln. Bei seinem ganzen Ärger über den hoshidischen Besuch - mit Prinzessin Sakura hatte er bislang nur leere Floskeln austauschen können, mit Prinzessin Hinoka nur unterschwellige Feindseligkeiten und Prinz Takumi zürnte ihm wegen des Niles-Zwischenfalls noch mehr als üblich - hatte er beinahe vergessen, dass Elise sich am Abend zuvor ausgezeichnet mit Prinzessin Sakura unterhalten hatte. So gut offenbar, dass sie schon jetzt in eigentlich viel zu vertraute Anreden abrutschte. Für einen Moment spürte Leo den Neid auf die Leichtigkeit, mit der seine kleine Schwester neue Kontakte schloss, in sich aufwallen. Eisern schluckte er ihn hinunter. „Bestimmt tut sie das. Ich wünsche dir jedenfalls viel Glück. Du könntest ihr die Gärten zeigen, was hältst du davon?“ Elise machte große Augen. „Darf ich denn?“, fragte sie. „Es sind schließlich deine Zauber!“ Nach all den spitzen Seitenhieben, die er am gestrigen Abend zu hören bekommen hatte, juckte es ihm in den Fingern, eben den Hoshiden seine magischen Fähigkeiten unter die Nase zu reiben. Dennoch - die Vereinbarung mit Xander, sich um das Wohl ihrer Gäste zu kümmern, stand nach wie vor. Und so sehr Leo diese Vereinbarung auch mit jedem weiteren Gespräch mehr bereute, so wenig war er gewillt, jetzt von ihr abzuweichen. Wenn das bedeutete, dass er von unnötigen Provokationen absah, dann war dem so. Außerdem konnte er Elise den Spaß ruhig lassen. Er nickte knapp. „Ja, geht ihr nur, wenn ihr die Zeit dafür findet.“ „Danke, Leo! Du bist der Beste!“ Noch während sie sprach, fiel seine Schwester ihm um den Hals. Die Wucht genügte, ihn mitsamt seinem Stuhl kippeln zu lassen, doch er lachte nur. „Vergesst ihr beiden Hübschen nicht etwas?“, säuselte Camilla just in diesem Moment. Irritiert und beinahe synchron mit Elise blickte Leo auf. In seinem Augenwinkel sah er, wie Xander es ihnen gleich tat. „Ich wüsste nicht, was“, antwortete Leo zögernd. Ihre Frage weckte das dumpfe Gefühl, tatsächlich etwas vergessen zu haben - etwas essentielles – doch das würde er nicht freiwillig zugeben. Camilla indes genoss es sichtlich, dass alle Augen auf ihr ruhten. Betont lässig strich sie sich ein paar Locken aus dem Gesicht. „Nun, Leo, mein Lieber, sag, hast du unsere Gäste auf deinem Weg hierher zufällig schon getroffen?“ Das dumpfe Gefühl wurde drängender, doch Leo konnte sich keinen Reim darauf machen - weder auf das Gefühl selbst, noch auf Camillas Frage. „Nein, warum fragst du?“ Als spiele er ihr damit in die Hände, wurde ihr Lächeln noch etwas breiter. „Erinnerst du dich etwa nicht mehr an unser kleines Experiment?“ Ihr kleines- Oh. Oh, verdammt. Leo spürte, wie ihm die Gesichtszüge entglitten. Elises Miene hellte sich, wenn möglich, noch mehr auf. Sie strahlte förmlich über‘s ganze Gesicht – doch damit war sie auch die Einzige. Neben ihnen vergrub Xander das Gesicht in seiner Hand. Er stöhnte leise. „Stimmt!“, quietschte seine kleine Schwester begeistert. „Was denkst du, wer von Beiden wird es sein?“ Einen Moment lang war er versucht, es Xander gleichzutun, doch Elise hing ihm immer noch um den Hals. Missmutig starrte er stattdessen an die Decke. „Keine von beiden, Elise. Wie ich dir bereits gesagt habe: Es ist nicht möglich.“ „Doch, ist es!“ „Elise-“ „Jetzt sei nicht so gemein zu unserer armen, kleinen Elise“, mischte sich nun auch Camilla wieder ein. Leo warf ihr einen finsteren Blick zu, doch sie lächelte nur, als sei sie sich keiner Schuld bewusst. „Sag schon, wer von beiden wäre dir lieber?“, fuhr sie fort. „Prinzessin Sakura ist eine wirklich süße, kleine Prinzessin, aber ihre Schwester hat Feuer. Und du magst doch Rothaarige.“ Nur Elise zuliebe verzog er nicht das Gesicht. Er wusste, Camilla meinte es nicht böse. Er wusste auch, seine Schwester vermisste Selena so schmerzlich, wie er es noch immer tat. Dennoch - allein die Implikation, er könnte sich in Prinzessin Hinoka verlieben, weil sie Selena ähnlich erschien, widerte ihn an. Die kurzen Gespräche, die er bislang mit ihr geführt hatten, machten es nicht besser. Nein, wenn Leo nach seinen bisherigen Eindrücken ging, schnitt Prinzessin Sakura eindeutig besser ab. Nicht zuletzt, weil sie noch nie versucht hatte, ihm mit einem Naginata den Schädel zu spalten und ihn entsprechend auch nicht ständig daran erinnerte. „Ist das nicht vollkommen irrelevant?“, fragte er. „Für das Experiment, meine ich.“ Nicht für die Wahl seiner zukünftigen Ehefrau – auch wenn es für selbige nach dem gestrigen Tag nicht viel besser stand, als um die Sache mit der Erbse. „Aber es macht die Sache spannender, wenn du auf ein Ergebnis hoffst, oder?“ Leo seufzte erneut. Er brauchte auf kein Ergebnis hoffen. Er kannte es auch so. Und selbst wenn seine Schwestern aus irgendwelchen, ihm unerfindlichen Gründen recht behielten und sich eine der hoshidischen Prinzessinnen wider erwarten an der Erbse unter ihrer Matratze stören sollte - er hatte besseres zu tun, als irgendeinem Aberglauben zu vertrauen. „Nein“, antwortete er, „für mich macht es keinen Unterschied. Aber wenn du es so siehst - auf wen hoffst du, Camilla? Du kannst mir nicht ernsthaft weismachen, dass du ausgerechnet auf Prinzessin Hinoka setzt.“ Noch bevor Camilla ihm antworten konnte, fiel Niles' Schatten auf den Tisch vor ihm, während sein Getreuer sich zu ihm beugte. „Doch, tut sie, Mylord“, flüsterte er ihm zu. Selbst mit gesenktem Tonfall gelang es Niles, die Worte zu säuseln. „Der Einsatz ist höher.“ Beide Geschwister tauschten einen Blick. Camillas strahlendes Lächeln verdüsterte sich nur um eine Nuance und Leo zog die Augenbrauen nur wenige Millimeter zusammen - doch es genügte, um die Fronten zu klären. „Ihr widert mich an“, raunte Leo seinem Untergebenen zu, darauf bedacht, das nur Niles ihn hörte. „Alle beide.“ In seinem Augenwinkel sah er, wie Niles' Lächeln bei jedem seiner Worte breiter wurde. Daran änderte auch der finstere Blick, den Leo ihm zuwarf, nichts. Entnervt brach er den Augenkontakt ab. „Ihr ehrt mich zu sehr, Mylord“, flüsterte Niles, kaum, dass Leo sich von ihm abgewandt hatte. Leo reagierte nicht auf ihn - was Niles seinerseits ignorierte. „Bitte bedenkt jedoch folgendes: Eure Schwester hat recht. Es macht das Ergebnis spannender, wenn Ihr auf ein bestimmtes Ergebnis hofft. Also? Was glaubt ihr, wer wird die Erbse spüren? Prinzessin Hinoka oder Prinzessin Sakura?“ Leo verdrehte die Augen. „Niles …“ Niles lachte. „Oh, nein, nein, nein, Mylord“, antwortete Niles amüsiert. „Ich habe hervorragend geschlafen.“ Selbst Elise, für die ihre geflüsterte Unterhaltung mittlerweile offenbar laut genug war, um sie mitanzuhören, kicherte. „Du weißt, wie ich das meine!“ Niles blieb unbeeindruckt. „Weiß ich das, Mylord?“, raunte er, laut genug, damit alle am Tisch ihn hörten. „Wenn Ihr nicht auf eine der Prinzessinnen hofft, auf wen hofft Ihr dann?“ Auf Ruhe, Frieden und ein anderes Thema, dachte Leo genervt. Erst im zweiten Moment realisierte er Niles' Implikation. Alarmiert hob er den Kopf. „Die Auswahl beschränkt sich bei diesem Experiment auf Prinzessin Hinoka, Prinzessin Sakura und einen Fehlschlag, Niles“, antwortete er, die Augenbrauen zu einem Strich zusammengezogen. Neben ihm richtete Niles sich auf. „Natürlich, Mylord.“ Er lächelte. Es war ein Lächeln, das Leo das Blut in den Adern gefrieren ließ. Jedes einzelne der feinen Härchen in Leos Nacken stellte sich auf. „Niles.“ „Mylord?“ „Was hast du–“ Was auch immer er hatte fragen wollen - es blieb ihm im Halse stecken, als hinter der Eingangstür Stimmen laut wurden. Er erkannte nur eine von ihnen. Sie gehörte Prinz Ryoma. „Danke, ich finde den Weg“, hörte Leo ihn noch sagen, dann wurden die Flügeltüren aufgestoßen. Neben Leo setzte Xander sich gerader auf. Leo folgte seinem Beispiel. Er spürte, wie Elise ihre Umarmung löste, sah ihr jedoch nicht dabei zu, wie sie sich auf ihren Stuhl setzte. Zu beschäftigt war er damit, dem hoshidischen Prinzen dabei zuzusehen, wie er das morgendliche Hofprotokoll zum Teufel jagte. Gerade wedelte er einen der Diener, die ihn erst am Eintreten hatten hindern wollen und nun versuchten, ihm einen Platz zuzuweisen, fort. Leo konnte nicht hören, was Ryoma ihm genau sagte, doch das blasse Gesicht des Dieners sprach Bände. „Guten Morgen, Xander - ich meine, natürlich, König Xander“, grüßte er gut gelaunt. Wie selbstverständlich - und wahllos - ließ Prinz Ryoma sich auf einen der freien Stühle fallen. Er erwischte Azuras heute früh freien Platz. Leo zog die Brauen zusammen und linste im Augenwinkel zu seinem großen Bruder. Wenn diesem Ryomas Verhalten sauer aufstieß, so zeigte er es nicht. Lächelnd nickte er erst Ryoma und dann dessen Schwestern zu. „Guten Morgen, Prinz Ryoma“, grüßte er zurück. Immer noch lächelnd signalisierte er den Prinzessinnen mit einem Wink, sich ebenfalls zu setzen. „Prinzessin Hinoka? Prinzessin Sakura? Ich wünsche Euch ebenfalls einen schönen Morgen. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Nacht?“ Ein Blick in die Runde bestätigte Leo, dass Xander der einzige war, dem das Verhalten nicht befremdlich vorkam, abgesehen von Elise vielleicht, die Prinzessin Sakura gerade freudig zuwinkte. Ihm gegenüber schürzte Camilla die Lippen. Selbst die beiden hoshidischen Prinzessinnen, die in der Tür stehen geblieben waren, wirkten verunsichert - wenn man bei dem finsteren Blick, den Prinzessin Hinoka jedem Nohren im Raum zuwarf, von ‚verunsichert‘ sprechen mochte, zumindest. „Ich habe geschlafen Stein“, warf Ryoma ein. „Aber mir war, als hätte ich heute früh jemanden schreien gehört. Ist alles in Ordnung?“ „Oh, das war nur Leo“, antwortete Elise strahlend. „Setzt du dich zu mir, Sakura?“ Leo sah, wie Sakura nickte, doch er hatte dafür keinen Blick. Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Gern wäre er unter dem neugierigen Blick, den Ryoma ihm zuwarf, im Erdboden versunken. Die Steinfliesen taten ihm den Gefallen nicht. „Es besteht kein Grund zur Sorge“, presste er zwischen den Zähnen hindurch, ohne den Blick zu heben. „Es freut mich zu hören, dass Ihr eine angenehme Nacht hattet.“ Ein Stuhl kratzte über Stein. Im Augenwinkel sah Leo gerade noch, wie sich auch Prinzessin Hinoka setzte. „Mir sind nohrische Betten zu weich“, verkündete sie im Brustton der Überzeugung. Einen kurzen Blicktausch mit ihrem Bruder fügte sie hinzu: „Aber für ein paar Tage wird es gehen.“ Du siehst nicht so aus, als würde es gehen, dachte Leo. Allerdings sah Hinoka ohnehin so aus, als wäre sie jetzt lieber irgendwo, nur nicht in Nohr. Neben ihr huschte ihre Schwester auf den Platz, den Elise ihr angeboten hatte. Die beiden Mädchen begrüßten einander leise. Am anderen Ende des Tisches lehnte sich Camilla weiter vor. Leo beobachtete sie dabei, wie sie Hinoka noch einen Moment lang musterte, ihre Aufmerksamkeit dann aber ruckartig zu Sakura verlagerte. Sie schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, doch Leo konnte die Hintergedanken in dahinter förmlich sehen. Unweigerlich folgte er Camillas Blick. Wenn Prinzessin Hinoka gut geschlafen hatte - und offenbar hatte sie das, wenn sie nicht mehr, als weiche Matratzen zu beklagen hatte - blieb nur noch Sakura, die ihn von seinem Wettsieg trennte. „Prinzessin Sakura? Ihr habt uns noch nicht erzählt, wie Eure Nacht war. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen?“ Die Angesprochene zuckte zusammen, als habe Camilla sie angeschrien. „I-i-ich?“, fragte sie. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Camilla an und öffnete den Mund, ohne, dass ein Ton heraus kam. Hilfesuchend sah sie in die Runde. Als sie merkte, dass auch Camillas Geschwister auf ihre Antwort warteten, schluckte sie mehrfach. „I-ich habe g-gut geschlafen“, nuschelte sie, so leise, dass Leo sie kaum hörte. „E-es i-ist so r-ruhig, in d-der Nacht. I-in Schloss Shirasagi h-hört man immer jemanden.“ Leo hätte gerne die Gründe dafür erfragt, doch dafür war er zu erleichtert. Neben ihm sackte Elise ein wenig in sich zusammen. Sie lächelte noch, doch Leo sah, wie der Elan aus ihr wich, während die Erkenntnis einsickerte. Sein Mitleid hielt sich, zumindest für den Moment, in Grenzen. Triumphierend schaute er über den Tisch zu Camilla. Ha! Er hatte es ihnen gesagt! Seine Schwester erwiderte seinen Blick. Ihr Lächeln wirkte wie festgefroren, was er als zusätzlichen Pluspunkt verbuchte. Nicht, dass er es ihnen - Elise. Camilla. Niles. Vor allem Niles - gerade jetzt unter die Nase reiben konnte. Doch er wusste, seine Gelegenheit würde kommen. In seinen Gedanken bildeten sich freudig die ersten Formulierungsmöglichkeiten. Sie kamen genau bis zu Prinz Takumi, der in diesem Moment die Türen zum Speisesaal aufstieß. Ein Diener - der gleiche, der bereits Ryoma hatte einweisen wollen - rief ihm hinterher, doch der Prinz hörte ihn nicht einmal. Wutentbrannt stapfte er durch den Raum. Sein Zopf, sonst so ordentlich gebunden, peitschte wie ein langes Krähennest hinter ihm her. Leo sah die dunklen Ringe unter seinen Augen bereits an der Tür. Vor dem Tisch blieb Takumi stehen. „Wenn das ein Scherz ist“, knurrte er, „ist es ein verdammt schlechter!“ Er holte aus und warf. Ein, zwei, drei, vier kleine Kugeln kullerten über den Tisch. Kleine, grün-gelbe Kugeln. Eine davon blieb vor Leos Teller liegen. Leo erstarrte. Ihm war, als starre die Kugel zurück. Dumpf hörte er Elises überraschtes „Oh“ und das Klirren von Xanders Rüstung. Seine Wangen brannten vor Scham. Er musste nicht fragen, was passiert war. Leo konnte es sich denken – und er hätte es wissen müssen. Verhindern müssen. Langsam, ganz langsam, sah er zu Takumi auf. Das kleine runde Ding vor seinem Teller … Es war eine Erbse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)