Chrysalis von Puppenspieler ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Die Gruppe, die zum Anfeuern gekommen war, sah absolut nicht zusammenpassend aus. Dass Team Nekoma geschlossen da waren, rührte Tetsurou wirklich, und das war auch nicht das Problem dabei. Yaku wunderte ihn auch wenig. Dass Kai seine Freundin mitgebracht hatte, war absehbar gewesen, ließ das Bild aber trotzdem seltsam unpassend wirken. Dass Bokuto Akaashi mitschleifte, war auch total verständlich. Aber er verstand nicht, was Levs Schwester hier suchte. (Yamamotos Schwester war da wieder leichter nachzuvollziehen. Sie war eben ein Volleyballfreak.) Er verstand noch weniger, wieso sie an Yamamotos Arm baumelte und Yamamoto neben ihr leuchtete wie ein Weihnachtsbaum, der Feuer gefangen hatte. „Ihr wisst schon, dass Sporthallen kein guter Platz für ein Date sind?“, versuchte er einen lahmen Scherz, der Haiba Alisa tatsächlich zu einem gezierten, verlegenen Kichern brachte und Yaku – der sich offensichtlich auch angesprochen fühlte. Gut zu wissen! – zu einem defensiven Schnauben. „Du weißt schon, dass Volleyballfelder es noch weniger sind?“ Tetsurou öffnete den Mund zum Protest, aber – zu spät. Bokuto hatte längst angebissen. „Broooo!!! Ist nicht wahr?!“ Nein, Tetsurou hatte kein Date auf dem Spielfeld. Er verdrehte hilflos die Augen, konnte trotzdem nicht anders, als zu grinsen. „Neidisch?“ – „Bro, du willst wohl was von der Schlange! Ich hab’s doch gewusst!!! Hey hey hey!!!“ Während Bokuto noch seine Genialität feierte, warf Yaku einen amüsierten Blick in Tetsurous Richtung, die Augenbrauen spöttisch erhoben. Er würde sicher noch ein paar böse Kommentare machen, aber es war nicht, als hätte Tetsurou nicht die nötigen Retourkutschen, damit er schnell den Spaß daran verlor. Immerhin knutschte er nicht in der Öffentlichkeit. Und ja, er hatte übrigens ein Beweisfoto. Er wartete noch auf den rechten Moment, um es Yaku zu schicken. Nächstes Jahr zum Geburtstag zum Beispiel. Wäre doch ein nettes Geschenk, oder? Oder zum Jahrestag. Allein der Gedanke ließ ihn grinsen, sein Grinsen wiederum brachte Yaku zum Stirnrunzeln. Ah, was war das schön. Tetsurou wüsste gern, was der Pimpf sich nun ausmalte, aber andererseits – Yaku war noch nie kreativ gewesen. Tetsurous tatsächliche Pläne wären um Längen besser.   Er ließ Yaku Yaku sein und wandte sich lieber Kenma zu, dessen Nase wie üblich auf seinem Handy klebte. Ein schiefer Blick auf das Display zeigte, dass er ein Chatprogramm geöffnet hatte. „Hat der Chibi nichts Besseres zu tun?“, fragte er amüsiert nach. Kenma zuckte kurz zusammen, beinahe ertappt wirkend, dann zuckte er nichtssagend mit den Schultern. „Shouyou hat gerade Pause“, informierte er. Tetsurous Augenbrauen wanderten fragend, und auch wenn Kenma das kaum sah, wo er den Blick doch nicht mehr hob, er ahnte trotzdem, dass da mehr an Erklärung erfordert war: „Trainingscamp. Er ist hier.“ Das berühmte landesweite Elite-Trainingscamp. Tetsurou erinnerte sich daran, er erinnerte sich vor allem daran, immer sehr beleidigt gewesen zu sein, dass niemand aus seinem Team es dorthingeschafft hatte. Die paar Spieler, die jährlich dort waren, brüsteten sich immer so nervtötend penetrant damit; er hätte es zu gern gehabt, ebenfalls damit prahlen zu können. Aber gut, das war nun sowieso vorbei und er zu alt dafür. „Glückwunsch an den Chibi.“ Er hatte sich gemausert! Unfassbar. Kenma nickte vage, murmelte etwas davon, dass er es ausrichten würde, und dann war er auch schon mit dem Schreiben einer Nachricht beschäftigt. Vermutlich gab er es wirklich direkt weiter? Dieses Jahr war Tetsurou froh, dass niemand aus seinem Team den Weg zum Camp gefunden hatte, immerhin hätte er sonst auf seine Anfeuerungsrufe verzichten müssen! Es war egoistisch, das war ihm auch bewusst, aber durfte er nicht auch egoistisch sein? Und schlussendlich war es nicht, als wäre das ein Zeichen von Inkompetenz. Sie konnten auch so brillante Spieler sein, das wusste er zur Genüge. „Es ist ihr Verlust, dass sie mich nicht eingeladen haben“, fügte Lev großspurig hinzu. Er bekam dafür einen Tritt von Yaku, der ihn unselig aufjapsen ließ. „Sei doch froh darum, du Trottel! Nach dem dritten nutzlosen Selfie hätte ich mein Handy ausgeschaltet!“ – „Aber Moroch–“ – „LEV!“ Was auch immer er hatte sagen wollen, er ließ es bleiben. Tetsurou fand es unglaublich traurig, denn er war neugierig. So, wie Yaku dreinsah, war es peinlich. Er mochte peinlich und Yaku in einem Satz. Wie zur Strafe für seinen Fauxpas wandte Yaku sich von dem Riesen ab und Kai zu, um über etwas zu sprechen, das besorgniserregend nach Universitätskrempel klang – Tetsurou hörte wohlweislich weg. Lev unterdessen ließ seine grausamen Wunden von Inuoka und Shibayama versorgen, die ihm aufmunternd auf die Schultern klopften. Irgendwie ahnte Tetsurou, dass Lev sich da eine ganz schön anstrengende Beziehung angelacht hatte.   Aber er sah trotzdem ziemlich zufrieden aus, alles in allem. Und er war ja selbst schuld, huh? Selbst ein Blinder sah, dass Yaku schwierig war.   War doch irgendwie Teil seines Charmes, letztlich. Grinsend warf er einen Blick zu Yaku und Kai hinüber, die sich friedlich unterhielten, kein Ärger mehr auf Yakus Gesicht zu sehen. Lev betrachtete die Szene ebenfalls, ansatzweise beleidigt. Die Schnute erübrigte sich aber prompt, als sein kleiner Lover kurz grinsend zu ihm hinübersah, ehe er weiter auf Kai einredete. Irgendwie war es ja echt süß. Suguru, der herankam, lenkte Tetsurous Aufmerksamkeit von seinen Freunden ab. Mit einem beinahe dümmlich zufriedenen Grinsen wandte er sich dem Kerl zu, dessen Blick allerdings kaum halb so freundlich war. Seine Stirn war streng gerunzelt.  „Tetsurou, wehe, du trödelst. Wir müssen in zehn Minuten rein.“ – „Ich weiß, ich weiß~! Lass mir doch die Freude, ich seh die Jungs so selten!“ Sein Gegenüber schüttelte nur den Kopf. „Du siehst sie oft genug. Und jetzt beweg dich?“ – „Hey!!! Schlange!“ Tetsurou trat wohlweislich einen Schritt zur Seite, als Bokuto vorsprang, um sich auf Suguru zu stürzen. Mit großen, weit aufgerissenen Eulenaugen betrachtete er den jungen Mann, so eindringlich, als wolle er ihn hypnotisieren. Vielleicht wollte er das. Wie diese Typen mit ihren Schlangen in den Körben, die nach ihrer Flöte tanzten. Tetsurou hatte ernsthaft vergessen, wie sie sich nannten. „Seid ihr jetzt echt zusammen?!“ – „Bro! Wieso fragst du nicht einfach mich?!“ „Weil du eh nur lügst“, war Kenmas trockener Kommentar, der an Bokuto zwar total vorbeizog, aber dafür bei Suguru ankam. Er schnaubte hörbar amüsiert über die ungefragte Einmischung. Sein süffisantes Grinsen sprach Bände, da hätte Tetsurou den Kommentar, dass Kenma recht hatte, gar nicht mehr gebraucht. Hatte er nicht. „Und wenn?“ „Na. Dann ist das gut! Kuroo braucht doch ne Beziehung! Und wenn ihr nicht zusammen seid, dann wird’s aber höchste Zeit, so viele Dates, wie ihr habt!“ Ein Kaffeetrinken war kein Date, aber das Bokuto zu erklären war doch absolut hoffnungslos. Tetsurou schnaubte unwillig, verschränkte die Arme vor der Brust. Ob er Bokuto daran erinnern sollte, wie lange er nicht begriffen hatte, dass er auf Akaashi stand? Ob er ihm das wirklich unter die Nase reiben sollte? Einfach nur, weil er es konnte? Dann würde er gleich vermutlich jammern und an Akaashi kleben, aber das war dann echt nicht mehr Tetsurous Problem.   „Mach dir um deine eigene Beziehung Sorgen, Federvieh.“ – „Waaas?! Warum sollte ich? Akaashi und ich bleiben für immer zusammen, hey hey hey!“ Suguru lachte amüsiert. „Natürlich.“ In seinen Worten steckte Spott, den Bokuto wie immer überging. Er grinste stolz und völlig zufrieden, wandte sich zu Akaashi um, um ihm zuzubrüllen: „Hast du das gehört, Akaashiiii?!“ Natürlich hatte Akaashi es gehört. Wie immer verzog er keine Miene, während er bestätigte. Bokuto eilte wieder zu ihm, um lautstark ihre gemeinsame Zukunft zu planen, während Suguru die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte. „Unfassbar, dass deine Freunde noch dümmer sind als du.“ „Du bist neidisch, Suguru.“ „Ja.“ Die Antwort ließ Tetsurou so perplex zurück, dass er kein Wort mehr über die Lippen bekam. Er starrte Suguru hinterher, während der sich wieder umwandte, verkündend, dass er beim Team warten würde, und sich dann daran machte, wieder abzumarschieren. Tetsurou verstand es nicht. Er verstand es wirklich nicht, aber er mochte noch so verständnislos sein, er merkte, dass es in jedem Fall nicht in Ordnung war, wie es war. „Geh“, befahl Kenma leise. Tetsurou hatte nicht vor, ihm zu widersprechen. Er verabschiedete sich hastig von der Gruppe, verkündete, dass er noch etwas zu erledigen habe, aber dass er sie zwischen den Spielen noch einmal treffen würde. Er brauchte nur ein paar Schritte, um zu Suguru aufzuschließen. Er hatte immer noch keine Ahnung, aber er hatte zumindest Ideen.   „He. Stell mich deinen Schlangenbabys vor.“     ***     Das Achtelfinale war Endstation für Iwa-Chans Team gewesen. Tooru hatte sich natürlich jedes Spiel angesehen, versteckt hinter einer Brille und einem Schal, den er bis zur Nasenspitze hochgezogen hatte. Es waren gute Spiele, und er hatte sie gerne gesehen, aber er war noch nicht bereit, Iwa-Chan gegenüberzutreten. Wirklich nicht. Sie hatten ein paar Mal telefoniert seit Yudacchis blöder Post, und es war wieder deutlich besser zwischen ihnen, aber – Tooru wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, wenn da kein Telefon mehr zwischen ihnen war. So gut er darin war, sich zu verstellen, so gut war Iwa-Chan darin, es zu durchschauen. Er wollte gerade nicht durchschaut werden. Also tat er das einzig Richtige: Er machte sich, nachdem klar war, dass Iwa-Chan hiermit raus aus dem Turnier war, auf den Weg hinaus aus der Halle. Er hatte alles gesehen, was er sehen wollte, er hatte alles getan, was er tun wollte, er hatte gar keinen Grund, noch zu bleiben. Er rückte die Brille zurecht, zupfte den Schal noch einmal hoch, damit er möglichst viel Gesicht verbarg, ohne total dämlich auszusehen, und dann eilte er den Gang entlang, um möglichst schnell rauszukommen, bevor Iwa-Chan den Eingangsbereich erreichte.   „Oikawa!“   Er war noch lange nicht beim Ausgang, da erreichte ihn Iwa-Chans Stimme. Obwohl sein Instinkt ihm riet, weiterzulaufen, blieb er stehen, weil er immer stehen blieb, wenn Iwa-Chan ihn rief. Langsam drehte er sich um. Iwa-Chan hatte seinen Trainingsanzug übergezogen. Er sah erschöpft aus nach einem langen Spieltag, seine Stirn war gerunzelt, die Augenbrauen zusammengezogen, und der Krater zwischen ihnen so tief, dass Yudacchi vermutlich in schallendes Gelächter ausbrechen würde. „Deine Verkleidung ist mies.“ „Ich verkleide mich gar nicht!“, protestierte Tooru empört. Der Schal half ihm dabei, die verräterische Röte auf seinem Gesicht zu verbergen, „Ich fühl mich nur nicht so gut! Und du weißt, dass ich die Brille ab und zu tragen soll.“ Iwa-Chan sah überhaupt nicht überzeugt aus, brachte ihn damit dazu, beleidigt die Wangen aufzublähen und sich tiefer in seinem Schal zu vergraben. Es war nicht fair! Wieso hatte Iwa-Chan ihn überhaupt gefunden?! (Weil Iwa-Chan ihn immer fand.) Er hätte ihn nicht finden sollen! Tooru war doch gar nicht bereit für dieses Gespräch! Und trotzdem stand er jetzt hier. Und irgendwie funktionierte es. Das war immer noch Iwa-Chan, und nach all den hässlichen Dingen zwischen ihnen war er immer noch da. Tooru holte bebend Luft, presste die Lippen aufeinander, während er versuchte, die verschwommen werdenden Umrisse seines besten Freundes fester zu fixieren, gegen die Tränen wieder scharf zu stellen. Es klappte kaum, aber er war zu trotzig, die Feuchtigkeit aus seinen Augen zu wischen und damit noch mehr Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Er zog die Nase ein bisschen zu geräuschvoll hoch, beschloss dann, dass er das genauso gut als Schnupfen wegreden konnte und verschränkte die Arme vor der Brust, reckte das Kinn trotzig vor. „Ihr wart ganz schön mies, Iwa-Chan. Man sollte meinen, nachdem ihr Ushiwaka besiegt habt, hättet ihr mehr drauf als das!“   Iwa-Chan, ganz absehbar, wurde wütend. Er knurrte, stapfte die letzten Schritte auf Tooru zu, bis er ganz eindeutig schon zu nah gekommen war. „Ich geb dir gleich schlecht, Trashykawa! Wer war denn zu blöd, um überhaupt das ganze Spiel auf dem Feld zu bleiben?!“ – „Das war doch nur, weil Iwa-Chan nicht auf mich aufgepasst hat~!“ Es war einfacher so. Versteckt in ihrem üblichen Geplänkel all die Dinge loszuwerden, die sie eigentlich sagen wollten. Sorgen. Ängste. Vorwürfe, Sehnsüchte. Wieso hatten sie das nicht sofort probiert? Wahrscheinlich hätte es gar nicht geklappt. Warum auch immer es jetzt auf einmal funktionierte, es war Tooru egal – er war einfach dankbar dafür. „Du weißt noch, dass du unbedingt auf ne andere Uni wolltest?“, gab Iwa-Chan trocken zurück. Tooru lachte ertappt und kratzte sich am Hinterkopf. Es stimmte, es war seine Entscheidung gewesen. Aber nicht seine Schuld! Was konnte er dafür, dass Iwa-Chan so einen schlechten Geschmack hatte? Seine Universität war Tooru eben nicht attraktiv genug erschienen, und sie hatte nicht einmal ordentliche sportorientierte Hauptfächer! Sie erschien ihm immer noch nicht attraktiv. Was sollte er denn dort? Er wusste nicht, was es außer den medizinischen Fächern gab, und das war, auch wenn er den Kopf dafür hatte, trotzdem nichts für Tooru. Weder auf die Art, wie Iwa-Chan es anging, noch auf die Kurocchi-Methode, die einfach nur eklig war. Rechtsmedizin! Pfui! Er hatte sich das Angebot der Universität damals nicht näher angeschaut, vielleicht aus Trotz, weil er sich selbst beweisen wollte, dass er ohne Iwa-Chan leben konnte. Er hatte gnadenlos verkackt.   „Ach Iwa-Chan. Jeder weiß doch, dass Perfektion nur dann charmant ist, wenn man ab und zu einen kleinen Fehler macht. Aber davon verstehst du ja nichts, dafür müsstest du mal etwas anderes machen als nur Fehler.“ „Ich geb dir gleich Fehler, Shittykawa!!!“ Tooru lachte, auch als Iwa-Chan ihn so grob am Kragen packte, dass es ihm auch den Schal mit herunterrutschen ließ. Es war eine saudumme Idee gewesen, auf getrennte Unis zu gehen. So im Nachhinein wusste Tooru auch echt nicht mehr, wie er so überzeugt davon gewesen sein konnte – aber andererseits, Iwa-Chan hatte auch nie protestiert. Vielleicht waren sie schlussendlich beide dumm gewesen. „Aber, Iwa-Chan“, begann er grinsend, hob belehrend den Zeigefinger, „Weißt du, was noch charmanter ist als ein kleiner Makel in der Perfektion? Wenn man Fehler eingestehen und wiedergutmachen kann.“ Iwa-Chans Blick war misstrauisch, während er Tooru musterte. Langsam ließ er von seinem Oberteil ab und Tooru nutzte die Gelegenheit, sein Outfit wieder zurechtzurücken. Er mochte getarnt sein, aber er musste auch getarnt immer noch wunderschön aussehen! Anders ging es überhaupt nicht. „Und das willst du wie tun?“ Im Grunde wusste er es schon, das sah Tooru in seinem Blick. Ihm war bewusst, dass er es trotzdem aussprechen musste, denn manche Dinge wurden erst so richtig real, wenn man sie ausgesprochen hatte und nicht mehr zurücknehmen konnte. War das wirklich eine so gute Idee? Er grinste hilflos. Yudacchi fände es sicher toll. Makki und Mattsun würden lachen und spotten. Ucchi die Augen verdrehen. Shicchi versuchen, nicht zu heulen, und es dann am Ende vermutlich doch tun. Wo er so darüber nachdachte, vermutlich hatten Makki und Mattsun längst darüber gewettet und würden grinsend ihren Wettgewinn einstreichen, wenn es soweit war – Nichts, wie immer. Tooru stieß langsam die Luft aus. Das Grinsen, das sein Gesicht verzog, fühlte sich viel echter an als die ganze aufgesetzte Fröhlichkeit der letzten Wochen.   „Deine Wohnung ist groß genug für zwei, nicht wahr, Iwa-Chan?“   Iwa-Chan schnaubte erheitert. Er hatte es natürlich gewusst.   „Du kannst auf dem Boden pennen, Tooru.“     ***     Am Ende schaffte Tetsurou es nicht einmal bis ins Achtelfinale. Er war frustriert, und es wurde nicht besser, als Yaku eiskalt kommentierte, dass es ganz schön erbärmlich sei, von einem solchen Loser geschlagen worden zu sein. Er hätte ihn gern allein dafür noch einmal fertig gemacht, aber nachdem er dazu keine Gelegenheit hatte, verlegte er sich darauf, sich theatralisch zu fragen, wieso er überhaupt mit dem kleinen Sadisten abhing. „Gleich und gleich gesellt sich gern“, erwiderte seine winzige Gesellschaft unbekümmert, als sie Kaffeetassen auf den kleinen Küchentisch stellte. Yaku ließ sich ihm gegenüber nieder und streckte entspannt die Beine aus. Sie waren so klein, dass sie Tetsurou auf der anderen Seite des Tisches gar nicht störten. „Laut der Theorie bist du inkompetent und hast zu viel Ego“, konterte er unschuldig grinsend. Yaku sah einen Moment lang sehr, sehr angepisst aus – niemand außer ihm selbst beleidigte seinen Freund, so einfach war das –, dann lachte er aber nur freundlich auf, „Ach Kuroo, so schlimm bist du auch nicht.“ Tetsurou knurrte unwillig. Er hasste Eigentore! Unzufrieden verzog er das Gesicht. Er konnte wirklich besseres mit seiner Zeit anfangen, als sich von kleinen Mistgören ärgern zu lassen! Gut, Bokuto war beschäftigt, und Kenma auch, und Suguru hatte ein Treffen mit seinem alten Team vereinbart, bei dem er Tetsurou nicht dabei haben wollte, weil er ein gemeiner Kerl war, aber trotzdem. Er könnte lernen. Selbst das war charmanter als Yakus spitze Zunge. Nicht wirklich. Er mochte die Gesellschaft von dem Zwerg doch, zumindest die meiste Zeit. Außerdem hatten sie sich echt lang genug nicht mehr wirklich gesehen, außer zu den Spielen, die sie teilweise gemeinsam angesehen hatten, da hatten sie einiges an Klatsch und Tratsch aufzuholen! (Nicht, dass Yaku so viel tratschte. Er mochte klein wie ein Mädchen sein, aber nicht halb so sensationsgeil, zumindest nicht in Tetsurous Beisein.)   „Sag mal“, kommentierte Tetsurou nach einem großen Schluck Kaffee. Von seinem Platz aus hatte er den Berg an Lernmaterialien auf Yakus Schreibtisch im Blick. Ein stattlicher Berg. Sein eigenes Lernmaterial war nicht weniger umfangreich, aber in der Regel verbarg Tetsurou es vor seinem Blick, einfach nur, damit er nicht ständig daran denken musste. „Ist der gewachsen seit dem letzten Mal?“ Eigentlich war das dumpfe Lachen, das Yaku von sich gab, Antwort genug. „Ja. Ich hab Russisch angefangen.“ – „Russisch. Wow. Muss dir ja echt ernst sein mit dem Kerl.“ Yaku sah so beleidigt aus, als hätte Tetsurou – ja. Ihn beleidigt. Dabei hätte jeder normale Mensch das als Kompliment genommen! Aber nicht Yaku. Niemals Yaku. Er war viel zu schlecht darin, seine Gefühle einzugestehen, was einfach eine verblüffend erheiternde Mischung war, wenn man bedachte, dass er ganz hervorragend gut darin war, seine Kouhai zu betütteln. Oder mit Suga zu einem alten Klatschweib zu werden. Apropos Suga, der Kerl bekam auch nie irgendetwas von Yakus gemeiner Seite ab. Das war echt unfair! „Es hat sinnvolle Gründe“, gab er beleidigt zurück. Weil er sinnvolle Gründe nicht einmal näher erläuterte, ging Tetsurou davon aus, dass sie sich höchstens darauf beliefen, dass er nicht verpassen wollte, wenn Levs Familie versuchte, über ihn zu lästern. Wahrscheinlich war er paranoid genug, dass er wirklich fürchtete, sich mit solcherlei Dingen konfrontiert zu sehen. Kommentare, die er nicht hören sollte, und die deshalb in der fremden Sprache gemacht wurden. Irgendwie war es niedlich. „Wehe, du sagst es Lev!“ Es war wirklich niedlich. Tetsurou zuckte unbekümmert die Schultern. Er grinste sanft in Yakus Richtung, auch wenn es nicht half, den grimmigen Blick auf dessen Gesicht zu erweichen. „Wenn es dir Freude macht – have fun? Komm nur nicht bei mir weinen, wenn es dir zu viel wird, und du plötzlich die Sprachen in deinen Klausuren vermischst!“ – „Mir passiert so etwas nicht, Kuroo.“   Es war ihm ein einziges Mal passiert. Tetsurou fand, dass Yaku da nun wirklich nicht drauf rumhacken musste! Immerhin hatte er es nicht wie Yamamoto gemacht und einen Aufsatz für das Fach Englisch über die USA in Japanisch abgegeben, weil er bei der Aufgabenstellung gepennt hatte. Das war wirklich peinlich. Tetsurou hatte einfach nur für ein paar Sekunden nicht aufgepasst, das konnte jedem passieren! Genug davon. Ans Pauken wollte Tetsurou wirklich nicht denken, er hatte zuhause noch genug Gründe, sich damit auseinanderzusetzen. Abgabetermine zum Beispiel. Yaku schien es ähnlich zu gehen, denn er wechselte nonchalant das Thema: „Hat Oikawa dich eigentlich auch genervt? Von wegen Umzugshilfe?“ Tetsurou lachte herzlich. „Natürlich.“ Im Gegensatz zu dem Winzling Yaku würde er auch sinnvoll helfen können; er war kräftig genug, um ein paar Möbel zu schleppen. Wobei er sich ernsthaft fragte, was Oikawa eigentlich überhaupt brauchte. Von allem, was er mitbekommen hatte, war Iwaizumis Wohnung komplett eingerichtet und da war gar kein Platz mehr für Oikawas Zeug. Aber gut, es musste ja auch entsorgt werden, dafür waren wohl auch helfende Hände erwünscht. „Bokuto auch, übrigens. Er hat schon eine ganze Kiste voller Brause-Ufos gekauft, um sie mitzunehmen, weil Oikawa immer noch keinen Laden gefunden hat, wo er die Dinger kriegt.“ Yaku verdrehte die Augen, aber es sah sogar liebevoll dabei aus. Er schüttelte schmunzelnd den Kopf und trank einen Schluck Kaffee. „Suga-Kun kommt auch. Er bringt Sawamura-Kun mit, sagt er. Ich glaube, wenn jeder auftaucht, den Oikawa um Hilfe gebeten hat, dann verstopfen wir einfach nur die Wohnungstür und kommen nicht voran.“ – „Aber es wird lustig!“ Für Tetsurou zumindest. Yaku sah nicht aus, als ob er es sich lustig vorstellte, zwischen Oikawa und seinen verrückten Freunden zu versuchen, dessen Habseligkeiten von A nach B zu bringen, während sicher an allen Enden und Ecken Pannen passierten, weil sie zu viele und zu unruhig waren. Fallende Kartons, aufklaffende Koffer, die ihren Inhalt auf die Straße auskotzten, oder ein Umzugswagen, der sich verfuhr, weil der Fahrer nicht aufpasste. Die Möglichkeiten waren endlos! Es war perfekt.   „Du hilfst also jedenfalls auch, huh, Yakkun?“ – „Ja. Aber ich fahr am Abend wieder heim. So toll ich mir eine Übernachtung in der Sardinendose vorstelle, ich hab Neujahr echt besseres zu tun als es mit einem Haufen Idioten zu verbringen.“ „Ein Idiot reicht?“ – „Klappe! Ich mach das nicht freiwillig! Er hat drauf bestanden, okay?“ Yaku machte es freiwillig. Er wollte es nur nicht zugeben. Tetsurou war ein bisschen neidisch, wenn er ehrlich war. Suguru verbrachte Neujahr bei seiner Familie. Akaashi auch, übrigens, was der Grund war, wieso Bokuto auch schon ganz heiß auf Oikawas Umzugsparty war. Es war okay. Er hatte Jahre ohne Suguru gelebt, er würde auch ein paar Tage überleben. Sie klebten sowieso nicht völlig exzessiv aufeinander, und überhaupt war es nicht, als wären sie einander wirklich etwas schuldig, aber – trotzdem. Tetsurou war kitschig genug, um an Neujahr ein Date haben zu wollen statt einem Haufen verrückter Typen, die dann mitten in der Nacht auf die Idee kamen, Aliens jagen zu gehen. Wahrscheinlich am Schrein. Weil die Aliens sicher keinen besseren Platz finden würden, um herumzustromern. Dabei wusste doch jeder Idiot, dass Aliens aus Prinzip nur die USA angriffen, also warum versuchten sie es überhaupt? „Keine Sorge, Yakkun. Ich liveticker dir die großartige Alienjagd, die du verpasst.“   „Spar’s dir. Nachher will Lev auch eine veranstalten!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)