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Fire in the Rain

Wichtelgeschichte für ChocolateChip
von

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Platzregen

Luffy grinste zufrieden, als der auffrischende Wind ihm das schwarze Haar zerzauste. Von seinem Platz auf der Galionsfigur der Thousand Sunny konnte er weit aufs Meer hinausschauen und jede noch so kleine Welle dabei beobachten, wie sie am Bug des Schiffes zerbrach und sich in sprudelnden Schaum auflöste. Den Unterschied zwischen Himmel und Meer konnte er nur erkennen, weil der Himmel immer blasser wurde, je weiter er in die Ferne blickte.

Gut gelaunt platzierte Luffy seinen Strohhut wieder auf seinem Kopf und sprang zurück aufs Deck. Als er spürte, wie ihm die warme Mittagssonne sogar durch seine Kleidung auf die Haut schien, richtete er kurz den Blick nach oben. Die Sonne strahlte hell und unbekümmert, und die großen Segel der Sunny standen im Kontrast zu dem kräftigen Blau des Himmels, das nur vereinzelt durch einige dünne Wolken unterbrochen wurde. Ein wunderschöner Tag, befand Luffy. Immer noch grinsend setzte er eher ziellos einen Fuß vor den anderen, ehe sein Blick auf Nami fiel, die etwas weiter oben die Ellbogen auf die Reling abstützte und nachdenklich in den Himmel blickte.

»Nee, Nami!« Luffys Stimme hallte laut übers Deck, doch seine Crew war nach all der Zeit miteinander so sehr daran gewöhnt, dass nur Nami leicht den Kopf in seine Richtung drehte. »Das Wetter ist klasse heute, nicht wahr?«

Sie wartete, bis Luffy neben ihr angekommen war, ehe sie die Stirn in Falten legte und zurück aufs Meer hinaussah.

»Jetzt noch, ja«, meinte sie gedehnt, worauf Luffy nur fragend den Kopf schief legte.

»Hm?«

Nami hob einen Arm und zeigte auf die zerrissenen Wolkenfetzen, die wie weiße Sprenkel am Himmel schienen.

»Siehst du die ganzen Wolken am Himmel? Wenn sie so tief fliegen, kündigt das Regen an.«

»Achso?«

So als würde er immer noch nicht ganz begreifen, was Nami ihm sagen wollte, zog Luffy angestrengt die Augenbrauen zusammen und sah ebenfalls in den Himmel. Für ihn wirkte nichts daran wie ein Indikator für einen Wetterumschwung, aber gerade weil er für solche Dinge kein Händchen hatte, verließ er sich vollends auf Nami.

»Die nächste Insel ist eine Herbstinsel«, erklärte Robin, als sie die wenigen Treppenstufen hinaufstieg und sich zu den beiden gesellte. »Gerade im Sommer regnet es dort meist ununterbrochen.«

»Dann dauert es wohl nicht mehr lange, bis wir anlegen können.«

Ein Lächeln lag auf Namis Lippen. Sie freute sich darauf, bald wieder Land unter den Füßen zu haben und eine neue, unbekannte Insel erkunden zu können. Und dann auch noch eine Herbstinsel! Die Erste, die sie auf ihrer Reise betreten würden.

Bevor Nami sich jedoch ausmalen konnte, wie sehr die Insel den Beschreibungen entsprechen würde, die sie über Herbstinseln gehört hatte, öffnete Sanji die Tür ins Innere des Schiffes und rief sie zum Essen.
 

Das Mittagessen verlief so wie sonst auch – Luffy versuchte von so vielen fremden Tellern zu essen wie möglich, es wurde viel gelacht und noch mehr geschrien und Sanji war froh, dass er bereits vorher gegessen hatte –, mit der Ausnahme, dass Zoro sich auf das Sofa neben dem Esstisch setzte, nachdem er seinen Teller geleert hatte und ein Nickerchen hielt. Er hatte die ganze Nacht im Krähennest gesessen und beschwerte sich, dass er mindestens doppelt so viel Schlaf nachholen musste, wie ihm dadurch verloren gegangen war.

Die anderen ließen ihn schlafen; bei all dem Lärm, der im Raum herrschte, störte sein Schnarchen sowieso keinen. Erst, als die anderen Crewmitglieder restlos gesättigt waren und sich wieder den Tätigkeiten widmeten, denen sie vorher nachgegangen waren, steuerte Sanji auf den anderen zu und blieb direkt vor ihm stehen.

»Oi, Marimo, aufwachen«, sagte er laut, bevor er Zoro an einer Schulter packte und gröber wachrüttelte, als vermutlich nötig gewesen wäre. Zoro öffnete zwar schwerfällig die Augen, grunzte jedoch nur, anstatt ihm eine richtige Antwort zu geben. Ihn störte nicht einmal Sanjis genervtes Seufzen. »Du hast Abwaschdienst, also schwing deinen Arsch an die Spüle und schnapp dir ein Handtuch.«

Zoro war schon immer der Ansicht gewesen, dass sein Timing echt beschissen war – und erst recht, wenn Sanji noch Einfluss darauf nehmen konnte. Aber all die Beschwerden, die ihm auf der Zunge lagen, würden ihn in diesem Fall auch nicht weiterbringen, also stand er schwerfällig auf, streckte sich einmal ausgiebig und schlurfte dann zur Spüle, an der Sanji bereits einen nun wieder sauberen Teller in der Hand hielt und mehr oder minder geduldig darauf wartete, dass er ihn abtrocknete.

Je schneller er diese Arbeit hinter sich brachte, desto eher konnte er wieder schlafen, also schluckte Zoro jegliches böses Wort herunter, das ihm noch auf der Zunge lag, griff nach einem Geschirrhandtuch und dem Teller und machte sich nützlich. Die monotonen Handgriffe gingen ihm sehr viel leichter von der Hand als noch zu Anfang, und so fluchte er mittlerweile gar nicht mehr während der Arbeit. Stattdessen schwiegen sie beide, das Klirren des Geschirrs das einzige Geräusch in dem großen Raum.

»Sag mal«, durchbrach Sanji irgendwann die Stille, ohne aufzusehen. Das Thema, das er anschneiden wollte, beschäftigte ihn schon lange, also wollte er die Gelegenheit nutzen, endlich Antworten zu bekommen. »Es geht mich zwar nichts an, aber... als du mit Mihawk trainiert hast—«

»Da hast du recht, es geht dich nichts an«, fuhr Zoro ihm ins Wort, mit einem Mal hellwach.

Sanji irritierte, wie defensiv sich der andere verhielt. In seinen Augen war das ein Zeichen dafür, dass definitiv etwas vorgefallen war. Die Möglichkeit, dass dem tatsächlich so war, nagte an ihm, seit sich die Crew vor einigen Wochen auf dem Sabaody Archipel wiedervereint hatte. Um seinen Wissensdurst zu stillen, nahm er auch einen Streit mit Zoro in Kauf – einer mehr oder weniger würde schon keine Auswirkungen haben.

»Hat er tatsächlich einfach so zugesagt, dich zu trainieren?«, fuhr Sanji relativ ungerührt fort, nachdem er sich wieder etwas gesammelt hatte. Egal, wie einsilbig und offensichtlich feindselig Zoro ihm antworten würde, er war entschlossen zu erfahren, was er wissen wollte.

»Ja.«

»Echt? So ganz ohne Gegenleistung?«

»Was willst du damit sagen?«

Zoro hielt in seiner Bewegung inne und versuchte nicht einmal, das Misstrauen in seiner Stimme zu verbergen. Alles an ihm – seine Körperhaltung, seine Tonlage; der Glanz in seinen Augen, den man häufig bei in die Ecke gedrängten Tieren sah – zeigte Sanji, dass er seine nächsten Worte verdammt gut wählen musste, wenn die Situation nicht eskalieren sollte. Mit einer Ruhe, die er sich schon seit einigen Minuten wünschte, aber in diesem Moment nur so gut es ging vortäuschen konnte, widmete er sich einem der vielen Töpfe vor ihm.

»Wenn du schon so fragst, weißt du doch, worauf ich hinauswill.«

Zoros kehliges Auflachen sorgte dafür, dass ihm fast der Topf aus der Hand fiel.

»Sex?« Nichts an dem animalischen Aufblitzen in seinen Augen erinnerte mehr an die abwehrende Haltung, die er noch vor einigen Sekunden eingenommen hatte. Ganz im Gegenteil; sein Grinsen bescherte Sanji ein Gefühl in der Magengegend, das er weder definieren wollte noch genau konnte. »Und wenn es so gewesen wäre? Was dann, Kochlöffel? Verurteilst du mich dann dafür?«

»Ich würde dich nie wegen sowa—«, wollte Sanji hastig klarstellen, doch Zoro unterbrach ihn erneut.

»Gut.« Der Blick, den Zoro ihm zuwarf, sagte ihm mit aller Deutlichkeit, dass er keine weiteren Fragen mehr beantworten würde. »Dann hättest wir das ja geklärt.«

Eigentlich hatten sie das nicht, aber Sanji würde sich damit zufrieden geben müssen. Es stimme schon, dass Zoros Sex- oder gar Liebesleben ihn nichts anging; er wusste ja nicht einmal genau, warum die Frage ihn seit Tagen so intensiv beschäftigte. Er wusste auch nicht, warum das mulmige Gefühl in seinem Magen sich nicht verflüchtigte oder welche Antwort er sich erhofft hatte.

Nur am Rande bemerkte Sanji, dass er mittlerweile das komplette Geschirr abgespült und zur Seite gestellt hatte. Er ließ das Wasser ablaufen, spülte die Schaumreste aus und griff sich dann ebenfalls ein Geschirrtuch, um Zoro beim Abtrocknen zu helfen. Die Stille zwischen ihnen war alles andere als angenehm, aber er war es selbst schuld, also konnte Sanji sich nicht wirklich beschweren. Irgendwann stellte Zoro den letzten Teller ab, warf sein Handtuch daneben und ging wortlos am Esstisch vorbei auf die Tür zu.

»Er hat übrigens keine Gegenleistung gefordert«, sagte er so unvermittelt in die Stille hinein, dass Sanji kurz zusammenzuckte. Aus Reflex drehte er sich um und konnte gerade noch einen Blick auf Zoros Grinsen erhaschen, als dieser die Tür öffnete und die Küche verließ.

»Aber wir haben es trotzdem getan.«

Die Stille, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, hallte laut in Sanjis Ohren. Er stellte den Teller in seiner Hand ab, fummelte eine Zigarette aus seiner Hemdtasche, zündete sie mit viel zu zittrigen Fingern an und nahm einen langen Zug. Dann noch einen, und noch einen dritten, bis sein Herz endlich weniger wild in seiner Brust pochte. Er konnte nichts gegen das plötzliche Lachen tun, das seine Schultern schüttelte. Fast hätte er darüber den einsetzenden Regen überhört, der ihre baldige Ankunft auf der nächsten Insel ankündigte.

»Scheiße.«

Schlagregen

Als sie am nächsten Morgen in den Hafen der kleinen Insel einliefen, goss es in Strömen. Seit es am Vortag gegen Mittag zu nieseln angefangen hatte, hatte sich der Himmel immer weiter zugezogen. Seit den frühen Abendstunden war es nicht mehr kräftiges Blau, das sie begleitete, sondern tristes Grau in allen Schattierungen. Der Regen war nicht einmal sonderlich stark – man hörte ihn im Inneren des Schiffes nicht –, doch er fiel unablässig, machte die Luft klamm und schwül. Derzeit herrschte Sommer, also mussten sie gegen Abend mit Hitzegewittern rechnen, hatte Nami sie gewarnt.

Tsuyu, so hatte Robin ihnen während des Frühstücks erklärt, war eine Herbstinsel mit mehr als 330 Regentagen im Jahr. Im Winter regnete es ununterbrochen (dafür schneite es so gut wie nie), und selbst im Sommer konnte man die Anzahl der trockenen Abende leicht an einer Hand abzählen. Die Hafenstadt war gemessen an anderen Inseln recht klein, im Gegensatz zu den kleinen, auf der ganzen Insel verstreuten Dörfern aber fast schon gigantisch. Die Bewohner der Insel lebten vom Export, auch wenn weder Robin noch Nami wussten, womit genau sie handelten.

Nami zog die Stirn kraus, als sie unter der Krempe ihrer Kapuze in den wolkenverhangenen Himmel blickte. Dass sie wettertaugliche Kleidung an Bord hatten, machte den Regen zwar erträglich, verbesserten ihre Stimmung aber kaum. Sie seufzte kurz, ehe sie sich zum Rest der Crew umdrehte.

»Okay, dann gehen wir das noch einmal kurz durch«, begann sie, die Stimme etwas lauter als sonst, um gegen den Regen anzukommen. »Robin, Usopp, Chopper, Brook und Franky wollten Werkzeuge, Bücher, Medizin und was auch immer ihr sonst noch braucht beschaffen, richtig?«

Die Angesprochenen nickten kurz und Nami fuhr fort: »Sanji-kun kümmert sich darum, dass unsere Vorräte aufgestockt werden.«

Sanjis überschwängliches Nicken ignorierend wandte sie sich an die letzten beiden.

»Und Luffy und Zoro...«

Sie ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen, zu abgelenkt von Luffys breitem Grinsen und Zoros gelangweiltem Gähnen, doch Usopp nahm ihr die Arbeit gerne ab: »Die beiden können nicht ohne Aufsicht durch die Stadt laufen.«

»Wer bewacht überhaupt das Schiff?«, fragte Chopper in die Runde, während Sanji nur mit den Augen rollte.

»Wenn sie nichts zu tun haben, sollen sie mir tragen helfen.«

»Kann Luffy machen, ich pass solange auf das Schiff auf«, nahm Zoro ihnen die Entscheidung nach einem weiteren ausgiebigen Gähnen ab. Sanji war sich nicht ganz sicher, warum ihn das so wütend machte, aber er sah auch nicht ein, seinen Ärger herunterzuschlucken.

»Du pennst doch sowieso nur«, stichelte er, die Arme verschränkt und darauf vorbereitet, gleich mit dem anderen aneinander zu geraten. Wie erwartet war Zoros Müdigkeit mit einem Mal wie weggeblasen, als er einen Schritt auf Sanji zuging.

»Wie war das?!«

Kurz bevor einer der beiden den ersten Schlag austeilen konnte, rief Nami sie zur Ordnung. Nach einem gezielten Schlag auf den Hinterkopf hielten sie inne und sahen ihr mehr oder minder wütend dabei zu, wie sie die Hände in die Hüfte stemmte und genervt aufstöhnte.

»Jetzt gebt schon Ruhe. Könnt ihr euch nicht einmal benehmen?« Sie seufzte schwer, bevor sie fortfuhr. »Also, Luffy begleitet Sanji-kun und hilft ihm mit dem Transport, und Zoro passt derweil aufs Schiff auf. Meinetwegen auch schlafend, solange nichts passiert.«

Den letzten Teil hatte sie nur hinzugefügt, weil Sanji so aussah, als wollte er noch ein letztes Mal sticheln. Um einem weiteren Aneinandergeraten entgegenzuwirken, klatschte sie einmal in die Hände und scheuchte die Crew vom Schiff in die Stadt. Je schneller sie mit ihren Einkäufen und Erkundungstouren fertig waren, desto eher konnte sie zur trockenen Wärme der Sunny zurückkehren.

Zoro sah den anderen eine Weile nach, wie sie das Schiff verließen und in die kleine Hafenstadt ausschwärmten. Die Insel besaß für ihn keinen wirklichen Charme; wenn überhaupt konnte er sich vorstellen, dass die Bewohner die meiste Zeit über ziemlich deprimiert waren, wenn es das ganze Jahr über regnete. Sie gaben sich allerdings Mühe, das musste er ihnen lassen. Die meisten Häuserfassaden waren in den unterschiedlichsten Farben angestrichen, die zwar hinter dem steten Regenschleier matt und weniger strahlend wirkten als in einer anderen Kulisse, aber hätten sie die Fassaden in den üblichen Farben gehalten, wäre die Stadt vermutlich sehr viel weniger einladend gewesen.

Nicht, dass er großartig Wert auf so etwas legte. Es war auch völlig egal, ob die Häuser knallbunt oder grau waren; am Ende des Tages verlor er ja doch die Orientierung und stresste sich mehr als nötig. Da konnte er besser auf dem Schiff bleiben und ein wenig Augenpflege betreiben. Zoro entschied, dass es klüger war, wenn er sich trotz des Regens nicht ins Innere des Schiffes zurückzog und suchte sich stattdessen einen überdachten Platz auf dem Deck, an dem er nicht ganz so durchnässt aufwachen würde.
 

Sie stand in einer kleinen Gasse zwischen einem großen, hellblauen Gebäude und einem kleineren, schlichten Cafe in Gelbtönen und sah verstohlen um die Ecke. Seit etwa einer Viertelstunde schon beobachtete sie das neue, pompöse Schiff, das in den Hafen ihrer Insel eingelaufen war. Sie hatte zwar schon einige Piratenschiffe gesehen, aber dieses zählte zu den größten – und zu den einladendsten, aber den Gedanken daran verdrängte sie hastig. Soweit sie von ihrem Standpunkt aus sehen konnte, waren fast alle Crewmitglieder von Bord gegangen. Einige von ihnen liefen an ihrer Gasse vorbei, doch bevor sie entdeckt werden konnte, verbarg sie sich in den Schatten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Piraten, die sie in ihrem Leben bereits gesehen hatte, schien ihr diese kleine Truppe sympathisch. Zumindest so sympathisch, wie Piraten sein konnten. Matt schüttelte sie den Kopf; an so etwas sollte sie jetzt nicht denken, sie hatte Wichtigeres zu tun.

Sich auf das Piratenschiff zu schleichen würde nicht schwer werden. Es waren zwar trotz des Regens viele Menschen auf der Straße, aber niemand sah bei diesem Wetter auf oder achtete besonders ausgiebig auf seine Umgebung. Außerdem stach sie mit ihrer eher schmächtigen Statur kaum aus der Menschenmasse heraus, selbst dann nicht, wenn man ihre ungewöhnliche Kleidung in Betracht zog. Verschmitzt lächelnd strich sie sich einige Strähnen ihres kurzes Haares hinter die Ohren, schlenderte auf das Schiff zu, als würde sie zur Crew gehören, und betrat es schließlich leisen Schrittes.

Auf dem Deck angekommen fiel ihr Blick sofort auf den Mann, der gut sichtbar an einer Wand lehnte. Durch das rhythmische, sanfte Heben und Senken seines Brustkorbes wirkte es so, als würde er ruhig und tief schlafen, doch es beunruhigte sie, dass sich seine Schwerter in greifbarer Nähe befanden. Noch mehr beunruhigte sie, dass sie fast genauso nah an ihm vorbei musste, wenn sie ins Innere des Schiffes gelangen wollte.

Sie atmete ein paar mal tief durch, um sich zu beruhigen, ehe sie probeweise den ersten Schritt auf ihn zu wagte. Danach hielt sie kurz inne, beobachtete jede Regung ihres Gegenübers, doch alles an ihm schien unverändert. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, immer darauf bedacht, dass jedes Geräusch, das sie machte, vom Regen geschluckt wurde. Fast war sie an ihm vorbei, konnte sich vor ihrem inneren Auge schon triumphieren sehen, als sich plötzlich eine Hand um ihren Knöchel schloss.

»Das kannst du dir abschminken, Kleine.«

Die Warnung in der dunklen Stimme ließ ihre Nackenhärchen aufrecht stehen. Sie war so geschockt und verängstigt zugleich, dass sie nicht einmal schreien konnte, bevor sie mit einem kräftigen Ruck zu Fall gebracht wurde.
 

Es endete damit, dass sie geknebelt und mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt an die Reling gefesselt wurde, während der junge Mann weiterschlief. Anfangs versuchte sie noch, sich zu befreien, doch das Seil war viel zu fest geschnürt als dass sie es ohne Hilfe hätte lösen können. Sie versuchte ruhig zu bleiben und schaffte es nach einigen Minuten auch tatsächlich, gleichmäßiger zu atmen. Mit der Ruhe war es jedoch vorbei, als sie die Stimmen der anderen Crewmitglieder hören konnte, die sich wohl vor dem Schiff getroffen hatten und wieder an Bord kommen würden. Panik stieg in ihr auf, doch egal, wie verzweifelt sie an ihren Fesseln rüttelte, es tat sich nichts.

Trotz des Regens, der unablässig fiel, konnte sie spüren, wie ihr Angstschweiß in den Nacken trat. Die Stimmen kamen näher, klangen noch fröhlich und belustigt, aber wer konnte schon wissen wie Piraten reagierten, wenn sich jemand unerlaubt auf ihr Schiff begab? Zitternd schloss sie die Augen und wartete angespannt darauf, dass die Piraten das Schiff betraten.
 

»Was ist denn hier passiert? Wo kommt das Kind her?«

Frankys Stimme klang so verwirrt, wie die anderen dreinblickten.

»Zorooo, hast du sie eingefangen?«, fragte Luffy laut, sichtlich begeistert von dem unerwarteten Gast. Bevor er jedoch näher an sie herankam, schob Sanji ihn zur Seite und stellte sich zwischen das Mädchen und Zoro. Der gähnte erst ausgiebig und schaute den Koch dann unschlüssig an. Er war gerade erst aufgewacht; konnte er ihn nicht erst einmal richtig wach werden lassen, ehe er einen neuen Streit vom Zaun brach? Zoro verstand ohnehin nicht, warum Sanji in letzter Zeit so feindselig war.

»So kannst du ein Mädchen doch nicht behandeln!« Sanji starrte ihn eine Weile wütend an, bis ihm ein Gedanke in den Sinn kam und sich seine Augen kurz entsetzt weiteten. »Du wirst dich ja wohl nicht an ihr vergangen haben...«

Er hatte sich wohl verhört. Für gewöhnlich kratzten ihn die haltlosen Anschuldigungen des anderen nicht, aber diesmal war er zu weit gegangen. Zoro gab sich die größte Mühe, seine Wut zu unterdrücken, doch selbst er merkte, dass sein gereiztes Zischen aggressiver klang als sein übliches Gebrüll

»Wofür hältst du mich eigentlich?!«

Darauf antwortete Sanji nicht. Stattdessen färbten seine Wangen und sogar Ohrenspitzen sich rot und er vermied jeden Augenkontakt zu ihm. Zoro wollte sich gar nicht vorstellen, was ihm durch den Kopf ging, also seufzte er nur schwer und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes Haar, bevor er die Situation erklärte.

»Sie hat sich aufs Schiff geschlichen, also hab ich dafür gesorgt, dass sie nicht abhauen kann, bevor wir wissen warum.«

»So viel gesunden Menschenverstand hätte ich ihm gar nicht zugetraut«, merket Usopp an, obwohl Zoros Hand an seinem Schwert ihn schnell zum Schweigen brachte.

»Du hast dir wirklich das falsche Schiff für eine Erkundungstour ausgesucht«, sagte Nami, die indes auf das Mädchen zugegangen war, bis sie direkt vor ihr stand. Sie kniete sich hin und befreite sie vorsichtig von ihren Fesseln, lächelte sie dann freundlich an. »Ich heiße Nami, und wer bist du?«

Es dauerte einige Augenblicke, in denen ihr Blick verunsichert von einem Crewmitglied zum anderen huschte, doch schließlich räusperte sie sich zögerlich.

»Savi.«

»Hallo Savi!«, rief Luffy sofort begeistert, merkte gar nicht, wie Savi vor Schreck über seine laute Stimme zusammenzuckte und ihn mit geweiteten Augen anstarrte. Gut gelaunt stellte er ihr jedes Mitglied seiner Bande vor und erzählte ihr munter von seinem Ziel, Piratenkönig zu werden. Vermutlich hätte er noch Ewigkeiten so weiter plappern können, wenn Robin nicht einen Arm aus seiner Schulter hätte wachsen lassen und ihm damit den Mund zugehalten hätte. Nami nickte ihr dankbar zu.

»Ignorier die Jungs erst einmal, okay?«, versuchte Nami das Mädchen zu beruhigen, während Robin sich neben sie kniete.

»Was hat dich denn auf unser Schiff verschlagen?«

Daraufhin schwieg Savi wieder. Ihr war anzusehen, wie unwohl sie sich fühlte; sie zitterte und schaute sich immer wieder hektisch um, so als würde sie hoffen, doch noch eine Fluchtmöglichkeit zu finden.

»Hör mal, wir werden dir nichts tun, schließlich ist niemand zu Schaden gekommen. Aber du musst schon ehrlich mit uns sein, in Ordnung?«

Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, legte Nami ihr eine Hand auf den Rücken und wartete geduldig darauf, dass Savi von sich aus etwas sagte. Die anderen Crewmitglieder blieben still, sogar Luffy, der mittlerweile wieder hätte sprechen können, wenn er den Wink mit dem Zaunpfahl zuvor nicht verstanden hätte.

»Wir brauchen Geld«, gab Savi irgendwann leise zu, den Blick stur auf den Boden gerichtet.

»Geld? Wofür?«, fragte Chopper verwirrt. Vielleicht lag es daran, dass das Rentier mehr nach einem Kuscheltier als nach einer Bedrohung aussah, aber Savi schien ein wenig ruhiger zu werden, nachdem sie seine Stimme gehört hatte. Sie traute sich sogar, einen schüchternen Blick in die Runde zu werfen.

»Um uns freizukaufen.«

Savi blinzelte überrascht, als Nami neben ihr scharf die Luft einsog. Es verunsicherte sie, wie die Blicke einiger der Männer sich auf einmal verdüsterten, so als hätte sie ein Thema angeschnitten, über das man an Bord nicht reden durfte. Sie wollte gerade zu einer genaueren Erklärung ansetzen, als sie laute Geräusche vom Hafen hörten.

Die Arbeiter und Passanten wurden plötzlich lauter, einige riefen unverständliche Sätze über den Lärm. Ein alter Mann, die Haare lang und grau und mit ungewöhnlichem Schmuck versehen, rannte so schnell durch den Regen, wie sein Körper es zuließ. Er war völlig außer Atem und schien so zerstreut, dass ihn nicht einmal störte, wie viel Dreck die Pfützen ihm um die Beine spritzten. Die anderen Fußgänger wichen ihm aus, beäugten ihn misstrauisch, ignorierten ihn aber sonst.

»Yohohoho, was ist denn das auf einmal für ein Aufstand?«

Brook schirmte seine Augenhöhlen mit einer Hand vom Regen ab und warf einen prüfenden Blick auf das Geschehen an Land. Luffy wollte sich ebenfalls nicht entgehen lassen, was die Inselbewohner so in Aufruhr versetzte, also stützte er sich mit beiden Händen auf der Reling ab, lehnte sich nach vorne und machte den Hals lang, um so viel wie möglich zu sehen.

»Da ist so'n alter Mann, der irgendwas zu suchen scheint. Sollen wir ihm helfen?«

Usopp schüttelte entschieden den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Lass gut sein, Luffy, das geht uns nichts an.«

Mehr als widerwillig widmete Luffy sich wieder den Geschehnissen an Deck und richtete seinen Blick auf Savi, wie die anderen auch. Doch dann, bevor das Mädchen weitersprechen konnte, hörten sie die verzweifelten Rufe des alten Mannes vom Hafen her: »Savi! Savi, wo bist du denn?«

Bevor einer von ihnen reagieren konnte, war Savi aufgesprungen und zur Reling gerannt, an der sie sich hochzog und nach dem Mann Ausschau hielt, bis sie ihn erspähen konnte.

»Opa!«

Die Crew brauchte einige Augenblicke, bis sie verstand, was gerade vor sich ging. Als sie die Situation jedoch vollständig begriffen hatten, drängten sie sich ebenfalls alle an die Reling.

»›Opa‹?!«

Schauer

Nachdem die Crew sich gefangen hatte, hatten sie Savis Großvater an Bord geholt. Ohne großartig auf sie zu achten war der alte Mann aufs Schiff gestolpert und hatte seine Enkeltochter fest in die Arme geschlossen. Wenn man sie zusammen sah und sich ihre auffällige Kleidung betrachtete, erkannte man sofort, dass sie miteinander zu tun haben mussten. Ihre Haare zierte aufwändiger Schmuck, die Kleidung war in verschiedene Blau- und Grüntöne gehalten, die an Seen, das Meer und andere Gewässer erinnerten.

Nach all der Zeit, die sie bereits im Regen verbracht hatten, waren sie all bis auf die Knochen durchnässt – zum Glück war es warm genug, dass sie dennoch nicht froren – und wollten nur noch ins Warme, also schlug Robin vor, alle weiteren Gespräche ins Esszimmer zu verlegen. Savi und ihr Großvater folgten ihnen, in diesem Moment einfach nur froh, einander wiedergefunden zu haben.

Während sie sich alle in der Küche versammelt hatten, hatte Zoro Chopper kurz beiseite genommen und ihn gebeten, sich auf den Schoß des Mädchens zu setzen, sofern das für sie in Ordnung war. Chopper hätte ihn gerne darauf angesprochen, ob er ihm dazu riet, weil er sich wegen seiner vorhergegangenen Grobheit schuldig fühlte, aber da Zoro es ohnehin niemals zugeben würde, ließ er es ruhen. Nachdem er sich ausgiebig geschüttelt hatte und wieder weitestgehend trocken war, tapste er also auf zu Savi, zupfte an ihrem Oberteil und ließ sich von ihr auf den Schoß heben, nachdem sie ihn auf seine Frage hin glücklich angelächelt hatte.

Sanji versorgte derweil alle mit warmen Getränken und ließ nebenher eine Suppe köcheln, damit sie zu Mittag essen konnten, sobald alles weitere geklärt war. Er war froh, dass er eine Beschäftigung hatte und nicht mit den anderen am Tisch saß; die Stimmung war zwar nicht mehr angespannt, aber die ganzen unbeantworteten Fragen der Crew hingen unangenehm in der Luft.

Die meisten von ihnen saßen am Esstisch, Savi neben ihrem Großvater, der vor Kopf saß und seit einiger Zeit konzentriert auf seine im Schoß gefalteten Hände sah. Nami hatte sich neben Savi gesetzt und dankte Chopper still dafür, dass er sich um die Kleine kümmerte. Franky und Zoro hatten mit der Couch an der Wand vorlieb genommen, wobei Letzterer wieder kurz davor war einzuschlafen. Ab und zu stieß Franky ihn mit der Schulter an, damit er die Augen offen behielt.

Nachdem das geschäftige Treiben nachgelassen und jeder sich beruhigt hatte, richtete die Crew ihre erwartungsvollen Blicke auf ihre zwei Gäste. Der alte Mann spürte die vielen Augen auf sich, atmete einige Male tief durch und blickte schließlich in die Runde.

»Entschuldigt, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Kalan, ich bin der Dorfälteste der Rappahan und Savis Großvater. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft.«

Seine Stimme klang viel ruhiger und voller als noch vor einigen Minuten. Wäre er körperlich in besserer Verfassung gewesen – ohne vor Sorge eingefallenen Wangen und erschöpften Augen –, hätte man ihm ohne zu zögern abgenommen, dass er der Anführer eines ganzen Dorfes war.

Robin war die Erste, die sprach: »Gerne doch. Sie hatten immerhin einen aufregenden Morgen.«

Kalan lächelte sie dankbar an und richtete seinen Blick dann auf einen unbestimmten Punkt auf dem Tisch. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken, also gaben sie ihm alle Zeit, um seine Gedanken zu ordnen.

»Ich war vorhin zu sehr in Aufruhr, als dass ich daran gedacht hätte, aber...«, begann er zögernd, während er unsicher von einem Crewmitglied zum nächsten sah. »Ihr seid Piraten, oder?«

Luffy, der Kalan am Tisch direkt gegenüber saß, nickte eifrig und grinste ihn fröhlich an. Ehe er jedoch etwas sagen konnte, gab Sanji ihm im Vorbeigehen einen Klaps auf den Hinterkopf, ging weiter als wäre nichts gewesen und stellte je eine Tasse voll dampfender Suppe vor Savi und Kalan.

»Sie haben wohl bisher nur schlechte Erfahrungen mit Piraten gemacht?«, fragte er, in der einen Hand bereits eine Zigarette und mit der anderen in der Hosentasche nach seinem Feuerzeug kramend.

Kalan nickte. »Leider.«

Das unangenehme Schweigen war wieder zurück, doch bevor es zu lange anhalten konnte, als dass Zoro es mit einem leisen Schnarchen stören konnte, versetzte Franky ihm einen weiteren Schubs und richtete sich dann an Kalan.

»Sie das die, von denen Sie sich freikaufen müssen?«

»Freikaufen?« Verwirrt ruckte Kalans Kopf in Richtung Franky, den er für einige Momente nur mit offenem Mund ansah. Dann sah er jedem anderen Crewmitglied ins Gesicht, schien jedoch nur noch überraschter, als von ihnen keine Einwände kamen. Schließlich fiel sein Blick auf seine Enkeltochter neben ihm.

»Savi, was hast du ihnen denn erzählt? Und warum bist du überhaupt hierher gekommen?« Etwas leiser fügte er hinzu: »Wer weiß, was dir passiert wäre, wenn du auf einem anderen Schiff gelandet wärst.«

Savi war den Tränen nah. Ihre schmalen Schultern schüttelten sich unkontrolliert, als sie zu schluchzen begann und nach Worten rang.

»Sie sind doch nur auf Geld aus, oder nicht?« Verzweifelt schlang sie die Arme um Chopper, vergrub ihr Gesicht in seinem Hut. Ihre Stimme, ohnehin schon tränenerstickt, war kaum noch zu verstehen. »Wenn wir ihnen genug Geld zahlen, verschwinden sie vielleicht endlich!«

Niemand wusste so recht, wie er mit dem weinenden Mädchen umgehen sollte; nicht einmal Kalan, der wie gelähmt dasaß und in diesem Moment viel gebrechlicher wirkte, als er eigentlich war. Chopper drehte sich irgendwann auf Savis Schoß um, reichte ihr ein Taschentuch und sprach ihr leise gut zu, damit sie sich wieder beruhigte.

Keiner von ihnen wollte der Erste sein, um die Stille zu durchbrechen, aber letzten Endes opferte Usopp sich. »Ähm, wovon genau redet Savi?«

Wie aus einer Schockstarre gerissen sah Kalan ihn kurz desorientiert an. Dann seufzte er.

»Von den Samidare Piraten«, antwortete er mit so bedeutungsschwerer Stimme, dass die Mugiwara Crew sich beinahe schon schämte, noch nie von dieser Bande gehört zu haben. Die meisten von ihnen sahen erst Robin, dann Nami fragend an, doch keine der beiden konnte ihnen weiterhelfen. Allmählich merkte auch Kalan, dass er etwas weiter ausholen musste.

»Am besten, ich fange ganz von vorne an.« Er trank einige Schlucke aus der Tasse, die Sanji ihm hingestellt hatte, und räusperte sich dann leise. »Tsuyu ist eine Insel, die vom Export lebt. Wie ihr vielleicht wisst, regnet es hier fast das ganze Jahr über, also sind wir besonders gut im Anbau von einigen Pflanzen, die entweder nur mit viel Wasser oder ohne viel Sonnenlicht überleben. Überall auf der Insel verteilt gibt es kleinere Gemeinschaften, die sich auf einige wenige Produkte spezialisiert haben.«

Soweit machte das für sie alle Sinn. Robin hatte ihnen bereits am Morgen einige Dinge über Tsuyu erzählt, die von den anderen Crewmitgliedern mal mehr, mal weniger aufmerksam aufgenommen worden waren.

»Wir Rappahan bauen zwar auch Gemüse und Obst an, aber das dient lediglich der Selbstversorgung. Wir exportieren etwas anderes, und wenn ich das so frei sagen darf, ist unser Produkt die Hauptexportseinnahmequelle unserer Insel.«

Bei seinen letzten Worten hatte Kalans Gesicht sich plötzlich aufgehellt. Er sah zum ersten Mal in den letzten Minuten richtig glücklich aus, so als könnte der Stolz auf seine Familie und ihre harte Arbeit gegen alles ankommen.

»Was denn, was denn?«

Luffy rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl herum und lehnte sich weit nach vorne, die Augen vor Staunen geweitet und ein breites Grinsen im Gesicht. Kalan lächelte ihn verschmitzt an, wartete ein paar Augenblicke mit seiner Antwort, um die Spannung aufrecht zu erhalten.

»Wasser«, verriet er schließlich und schien Begeisterungsstürme zu erwarten, doch Luffy starrte ihn nur entgeistert an, zu geschockt, um etwas zu erwidern. Auch die anderen Mitglieder der Strohhutpiraten wussten nicht so recht, wie sie darauf angemessen antworten sollten. Zoro nahm ihnen die Entscheidung ab, lehnte sich vor und sah Kalan skeptisch vor.

»Aber hier regnet es doch das ganze Jahr, wozu Wasser exportieren?«

Sanji wollte reflexartig einen negativen Kommentar dazu ablassen, aber da Zoros Frage Sinn ergab, hielt er sich zurück und widmete sich stattdessen wieder der Küchenarmatur. Derweil lächelte Kalan, der sich schnell wieder gefasst hatte, nur wissend.

»Oh, es ist ganz besonderes Wasser, meine jungen Freunde«, verkündete er mit einem Zwinkern in Zoros Richtung. »Habt ihr die Berge in der Mitte der Insel gesehen? Vor mehreren hundert Jahren gab es viele aktive Vulkane auf Tsuyu, doch die sind mittlerweile alle erloschen. Unser Dorf liegt auf einem dieser Vulkane, und etwa eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt gibt es einen alten Krater.«

Kalan untermalte seine Erklärung damit, dass er mit seinem Finger einige unsichtbare Linien in die Luft malte.

»Es regnet hier zwar fast immer, das stimmt schon, doch der Regen im Sommer ist besonders. Deswegen warten wir darauf, dass der Krater sich mit diesem Regenwasser füllt, damit wir es abfüllen und verkaufen können.«

»Und diese Samidare Piraten bereiten dem Dorf Schwierigkeiten?«

Obwohl Robin großes Interesse an Kalans Ausführungen hatte und mehr über dieses spezielle Regenwasser wissen wollte, hielt sie es für klüger, das eigentliche Problem anzusprechen und hoffentlich zu lösen. Ihre Frage schien Kalan in die Wirklichkeit zurückzuholen; er nickte, legte die Stirn in Falten.

»Sie kamen vor einigen Monaten, fielen in unser Dorf ein und zwingen die Männer unseres Stammes seitdem, für sie zu arbeiten. Es wäre die eine Sache, wenn sie uns nur um unsere Einnahmen bringen und dann wieder verschwinden würden.« Kalan hielt inne, bevor er weitersprach, und legte eine Hand auf Savis Kopf, der erneut Tränen in die Augen schossen. »Aber diejenigen von uns, die sich auflehnen, töten sie.«

Er schluckte, aber seine Stimme klang dennoch belegt. »Wie meinen Sohn.«

Die Luft im Raum war mit einem Mal viel schwerer, lag wie eine Decke über allem. Keiner wagte, einen Laut zu machen, auch wenn sich die Gesichter aller verfinsterten. Nami warf einen prüfenden Blick zu Luffy, dessen zu Fäusten geballte Hände vor Wut zitterten.

»Aus wie vielen Leuten besteht die Bande?«

Frankys Frage und Zoros darauffolgendes kehliges Auflachen zerrissen die angespannte Stille.

»Macht das einen Unterschied?«, fragte er mit einem düsteren Grinsen.

»Yohohoho, gewiss nicht!«

Kalan und Savi wussten nicht, wie sie reagieren sollten und schauten einander verwirrt an. Es beunruhigte sie, wie schnell die Stimmung der Crew gekippt war.

»Neben dem Anführer vielleicht noch vier, fünf Dutzend mehr. Warum?«

Kalans Unbehagen wuchs, als er zu Luffy sah. Der junge Captain war aufgestanden, den ganzen Körper wie zum Kampf bereit gespannt. Sein Strohhut ließ keinen Blick auf seine Augen zu, doch das fehlende Lächeln auf seinem Gesicht verriet Kalan, was er wissen musste. Zum ersten Mal, seit er auf das Piratenschiff gekommen war, empfand er richtige Angst.

»Wie lange läuft man von hier bis zu eurem Dorf?«

»E-etwa zwei Stunden«, beantwortete er Luffys Frage mit zitternder Stimme und beobachtete mit stetig wachsender Verwirrung, wie dieser seinen Kameraden dabei zusah, wie sie sich in Bewegung setzten.

»Okay, dann brechen wir direkt auf«, verkündete er, bevor er sich zu Sanji umdrehte. »Sorry, Sanji, aber das Mittagessen muss warten.«

Der Angesprochene war bereits dabei, Suppe und Geschirr wegzuräumen. Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, drückte sie aus und winkte ab. »Kein Problem.«

Chopper war mittlerweile von Savis Schoß gesprungen und griff nach ihrer Hand, um sie ebenfalls zum Aufstehen zu bewegen.

»Komm Savi, je schneller wir aufbrechen, desto eher hat sich euer Problem gelöst.«

Savi nickte dankbar und brachte sogar ein Lächeln zustande. Sie konnte gar nicht fassen, was die Crew im Begriff war zu tun. Nami und Franky gaben derweil letzte Anweisungen, was noch zu tun war, um die Sunny auch ohne zurückbleibende Crewmitglieder wetterfest zu machen. Es war Bewegung in den Raum gekommen. Nur Kalan saß noch starr am Tisch, ohne wirklich zu verstehen, was vor sich ging.

»W-wartet mal!«

Ganz unvermittelt fuhr er hoch, knallte seine flachen Hände auf die Tischplatte vor sich und hoffte, damit Ruhe einkehren lassen zu können. Tatsächlich hielten alle in ihren Bewegungen inne und sahen ihn verwundert an.

»Hm? Was denn? Wir haben keine Zeit zu verlieren, Großväterchen«, beschwerte sich Luffy laut, worauf Usopp ihm einen Schlag auf den Hinterkopf verpasste.

»Sei ein bisschen höflicher, Luffy.«

Schmollend rieb Luffy sich den Kopf, wartete aber dennoch geduldig, dass Kalan weitersprach. Es dauerte einige Sekunden, ehe der alte Mann seine Verwunderung überwunden und seine Gedanken soweit geordnet hatte, dass er die Frage stellen konnte, die ihn so sehr beschäftigte.

»Nehmt mir mein Misstrauen nicht übel, aber warum solltet ihr uns helfen wollen?«

Sie alle tauschten wissende Blicke untereinander aus, doch letzten Endes war es Nami, die ihm schwach lächelnd antwortete: »Weil wir uns mal in der gleichen Situation befunden haben.«

Kalan studierte ihr Gesicht genau, suchte nach irgendeinem Zeichen, das sie verraten könnte. Doch auch wenn er mit einem Blick in ihre Augen sagen konnte, dass sie die Wahrheit sprach, war ihm nicht wohl dabei. Es beschämte ihn, dass er seinem Dorf nicht selbst helfen konnte und sich auf Außenstehende zu verlassen drohte, die er nicht einmal eine Stunde kannte. Als er irgendwann seufzte und die Stimme hob, klang er müde, resignierend.

»Man hat uns alles genommen, also können wir euch auch nicht entlohnen.«

»Entlohnen? Wofür?« Verwirrt legte Luffy den Kopf schief, dachte für einen Moment angestrengt nach, ehe er Kalan wieder breit angrinste. »Das ist ein Freundschaftsdienst.«

Der alte Mann wusste nicht, wie ihm geschah. Fassungslos starrte er Luffy und die anderen Crewmitglieder an, die zu allem bereit neben der Tür darauf warteten, dass er ihnen den Weg zum Dorf zeigte. Sein Körper wollte ihm nicht gehorchen, zitterte leicht, bis er spürte, wie ihm jemand flüchtig auf die Schulter klopfte.

»Wenn Ihnen unwohl dabei ist, unsere Hilfe anzunehmen, sehen Sie es einfach so, dass die kampfverrückten Idioten unserer Crew sich nicht zurückhalten konnten, einer Gruppe Banditen den Arsch aufzureißen«, schlug Sanji ihm ruhig vor und schloss zu seinen wartenden Kameraden auf. Zoro schnaubte derweil belustigt und sah ihn herausfordernd an.

»Jetzt tu nicht so erhaben, du zählst doch auch dazu.«

In seiner Stimme lag nur der übliche falsche Hohn und nichts sonst, was darauf hätte hinweisen können, dass er Sanji das Gespräch am Tag davor übel nahm. Aber genau das war es, das Sanji durcheinander brachte.

»Hab ich auch nie behauptet!«, konterte er etwas lauter als beabsichtigt und regte sich im Stillen darüber auf, dass er auf Zoros Grinsen nichts zu erwidern wusste.

Ohne auf Kalan Antwort zu warten, öffnete Luffy die Tür und machte sich auf den Weg ans Deck, die anderen dicht hinter ihm. Einige Sekunden später setzte auch der alte Mann sich in Bewegung, schloss rasch zu ihnen auf und legte Savi im Gehen eine Hand auf den oberen Rücken. Als sie sich zu ihm drehte und lächelte, hatte er seit langem wieder das Gefühl, dass tatsächlich alles gut werden würde.

Monsun

»Warum haben wir nicht erst gegesseeen?«

Luffys für jeden anderen als seine Crew herzzerreißendes Gejammer hallte laut durch den Wald. Sie waren erst seit etwa einer Stunde unterwegs, doch er hatte bereits nach zehn Minuten angefangen, seinen leeren Magen zu beklagen. Anfangs noch hatten Kalan und Savi ihm besorgte Blicke zugeworfen. Da von seinen Freunde jedoch keinerlei Reaktion kam – außer einem gelegentlichen Aufstöhnen oder Augenrollen –, merkten sie schnell, dass er ihnen nicht wirklich leid tun musste. Savi lachte mittlerweile nur noch leise, und Kalan seufzte lautlos, verdrängte dabei die Frage nach Luffys Tauglichkeit als Captain.

»Jetzt halt endlich deine Klappe!«

Zoros Geduld hatte sich dem Ende zugeneigt, also verpasste er Luffy einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf, kurz bevor er wieder anfangen wollte zu jammern. Natürlich ließ Luffy sich das nicht gefallen – obwohl er maulte, ihm würde die Kraft für einen Kampf fehlen – und zankte sich bestimmt fünf Minuten mit Zoro, ehe dieser von Chopper zur Ordnung gerufen wurde. Zoro hatte ihn nach der Hälfte des Weges wortlos gepackt und auf seine Schulter gesetzt, wofür das kleine Rentier dankbar war. Das hieß jedoch nicht, dass er zwischen die Fronten von Luffy und Zoros Zankereien geraten wollte.

Durch den stetig fallenden Regen war ihr Aufstieg beschwerlicher als unter normalen Umständen. In der ebenen Hafenstadt war der Nieselregen nur lästig gewesen, hatte sich aber nicht wirklich darauf ausgewirkt, wie gut sie vorankamen. Sobald sie jedoch den Fuß des Berges erreicht hatten, war ihr Weg beschwerlicher geworden. Der schmale Pfad, der sich durch einen zunächst noch lichten Wald den Berg hinaufschlängelte, war vom vielen Wasser schlammig und rutschig geworden. Noch bevor Zoro Chopper auf seine Schulter genommen hatte, hatte Franky mit einem saloppen ›Nicht erschrecken, ich bin mal so frei‹ sowohl Kalan als auch Savi hochgehoben und auf je eine seiner Schultern gesetzt. Savi hatte schnell viel Spaß daran gefunden, von dort oben so weit sehen zu können, während Kalan zwischenzeitlich immer wieder ein wenig reisekrank wirkte.

Nachdem sie eine Weile schweigend dem Weg gefolgt waren, ließ Robin sich so weit zurückfallen, dass sie neben Franky lief. Bevor sie jedoch ein Wort sagen konnte, hob Franky seinen linken Arm – vorsichtig, damit Kalan nicht fiel – und hielt seine Hand über Robins Kopf, um sie ein wenig vor dem lästigen Regen zu schützen. Sie lächelte dankbar und suchte dann Blickkontakt zu dem leicht verwirrten Mann auf Frankys Schulter, der sich immer noch nicht ganz an dessen Körper gewöhnt hatte.

»Wir haben vorhin nicht mehr darüber sprechen können, aber was genau macht dieses Wasser so speziell?«

»Genau, das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Irgendetwas daran muss ja wirklich bahnbrechend sein«, rief Usopp von etwas weiter vorne, die Stimme lauter als sonst, um über den Regen hinweg gehört werden zu können.

Kalan schwieg und überlegte, wie er am besten anfangen sollte. Als er sich entschieden hatte, sah er nicht nur Robin, sondern auch die anderen Crewmitglieder an, die auf seine Antwort warteten.

»Wisst ihr, was normalerweise passiert, wenn man fast das ganze Jahr über keine Sonne sieht?«

Brook, der ganz am Ende ihrer kleinen Gruppe ging, schüttelte sich die Regentropfen aus dem Haar und lachte kurz. »Der Sinn für Humor verkümmert ganz erheblich, habe ich mir sagen lassen.«

Ein paar von ihnen lachten mit ihm, doch Nami verdreht nur die Augen.

»Man fühlt sich müde, ausgelaugt und kann sogar depressiv werden.« Sie tippte sich kurz mit einem Finger ans Kinn. »Stimmt, eigentlich sollten die Bewohner dieser Insel nicht so gut gelaunt sein, wie die Menschen, die uns in der Stadt über den Weg gelaufen sind.«

Darauf nickten die meisten. Sie alle hatten es als merkwürdig erachtet, dass die Bewohner der Insel trotz des unnachlässigen Regens so fröhlich waren und lebten, als müssten sie nicht mit wasserabweisender Kleidung durch die schwüle, klamme Luft laufen. Die kunterbunten Häuserfassaden allein konnte nicht für ihre gute Laune verantwortlich sein.

»Das ist es, was unser Wasser so besonders macht.« In seiner Stimme klang Stolz mit, Stolz auf das, was ihr Dorf seit Generationen ausmachte, aber auch Ehrfurcht vor dem Unbekannten. »Es heilt zwar keine richtigen Depressionen, aber es ist mehr als genug, um den Bewohnern Tsuyus zu helfen.« Ein Lächeln stahl sich auf Kalans Gesicht. »Niemand von uns weiß, wie es dazu kommt, aber das Wasser macht glücklich.«

Darauf sagte erst einmal niemand etwas. Einige grübelten über das nach, was sie eben gehört hatten, andere wiederum nahmen es einfach so hin. Vor allem Robin schien angestrengt über eine mögliche Erklärung nachzudenken.

»Wenn sich das Wasser in einem Vulkankrater ansammelt«, setzte sie nach einer Weile an, die Stirn in Falten gelegt, »müsste es reich an Mineralien sein. Je nachdem, wie groß deren Menge ist, macht es durchaus Sinn, dass sich die Aufnahme positiv auf den Organismus auswirkt.«

Neben ihr hörte sie Franky so laut auflachen, dass er damit das Geräusch des Regens kurzzeitig vollkommen übertönte. Bei jedem anderen hätte sie das als unhöflich empfunden, aber ihm konnte sie es gerade so verzeihen. Dennoch hob sie skeptisch eine Augenbraue und wartete auf eine ordentliche Antwort.

»Du musst nicht immer versuchen, alles wissenschaftlich zu erklären«, meinte er schließlich, während er sie breit anlächelte. »Lass sie ruhig weiter an die Magie dahinter glauben.«

Bevor Robin etwas darauf erwidern konnte, räusperte Chopper sich. Er saß zwar immer noch auf Zoros Schulter und musste sich an dessen Haaren festhalten, während er sich zu den beiden umdrehte, aber das konnte ihn nicht davon abhalten, an dieser Diskussion teilzunehmen.

»Aber ist es nicht unzufriedenstellend, wenn man die Antwort herausfinden könnte, es aber nicht tut?«

»Manchmal ja, manchmal nein.« Zur Überraschung aller war es Zoro, der ihm darauf antwortete. »Manche Fragen bleiben besser ungestellt.«

Die übrigen Crewmitglieder waren zu perplex, um etwas darauf zu erwidern. Nur Sanji reagierte reflexartig, bevor er richtig darüber nachdenken konnte: »Warum?«

Zoro warf ihm einen undefinierbaren Blick zu, ehe er wieder stur geradeaus sah.

»Weil man nicht immer das zu hören kriegt, was man hören will.«

Seine Worte hingen lange in der warmen Luft nach, ließen das stete Prasseln des Regens viel lauter wirken als davor. Unsicher, ob sie etwas darauf antworten sollten oder nicht, sagte erst einmal niemand etwas. Als die Stimmung fast unerträglich wurde, begann Savi, eine kurze, unbestimmte Melodie zu summen.

»Solange es die Menschen glücklich macht, ist es doch egal, warum das so ist«, grinste sie mit einer Fröhlichkeit, die unmöglich nur von irgendeinem Wasser stammen konnte. »Findet ihr nicht?«

Luffy war der Erste, der darauf wieder lächelte, und die anderen taten es ihm schnell gleich.
 

Den Rest des Weges hatten sie größtenteils schweigend hinter sich gebracht. Als sie nur noch wenige Minuten Fußweg vor sich hatten, bat Kalan darum, selbst zu laufen. Der Pfad, dem sie gefolgt waren, hatte sich vor einigen Minuten bereits im Gestrüpp des Waldes verlaufen, also wollte er ihnen den sichersten Weg zeigen. Franky setzte Savi ebenfalls wieder ab, sorgte jedoch dafür, dass er immer in ihrer Nähe war. Wer wusste schon, wie die Situation im Dorf derzeit aussah?

»Sie gehen zweimal zum Krater, einmal am Morgen und einmal gegen Abend«, erklärte Kalan, während er sich zielstrebig durchs Unterholz bewegte und einige Büsche zur Seite schob. »Um diese Zeit müssten sie gerade die Männer unseres Dorfes zurückbringen.«

»Umso besser!« Luffy ließ seine Schultern kreisen, nachdem sie zum Stehen kamen. »Es sind eh nicht viele, die kann ich locker allein fertig machen.«

»Warte mal, Luffy.« Usopp spähte durch die Bäume in die Richtung, in der das Dorf lag. »Auch wenn wir wissen, dass sie nur etwa fünf- oder sechsmal so viele Leute haben wie wir, sollten wir dennoch nichts überstürzen. Es wäre besser, wenn wir uns langsam an das Dorf heranwagen und erst einmal die Lage auskundschaften, anstatt einfach blindlings loszurennen.«

Schmollend verschränkte Luffy die Arme vor der Brust. »Wie langweilig!«

»Wir müssen auch darauf achten, das Dorf nicht zu beschädigen«, rief Robin ihnen ins Gedächtnis, worauf Savi bekräftigend nickte.

Trotz Luffys Beschwerden beschlossen sie, zunächst einen Plan festzulegen, nach dem sie vorgehen wollten. Auf der kleinen Lichtung, auf der sie sich befanden, ließen die Baumkronen zwar genügend Licht zur Erde dringen, doch sie waren dennoch dicht genug, um einen Großteil des Regens abzuhalten. Weder Kalan noch Savi schienen sich an der schwülen Luft im Wald zu stören, doch aus Rücksichtnahme auf die anderen versuchten sie, ihnen die Lage des Dorfes so schnell und detailliert wie möglich zu beschreiben.

Nach einigem Hin und Her einigten sie sich darauf, dass Usopp zuerst aus der Ferne für ein wenig Verwirrung stiften sollte, indem er zuerst auf Objekte und schließlich auf eines der Bandenmitglieder zielte. Robin würde sie dann bewegungsunfähig machen, bis Kalan und Savi die Dorfbewohner so weit beruhigt hatten, dass sie in den Mugiwara keine neue Bedrohung sahen. Luffy protestierte mehrmals, fügte sich letzten Endes jedoch dem Mehrheitsentscheid.

So rückten sie langsam bis zum Rand des Dorfes vor und verbargen sich zwischen den Bäumen, um die Lage zu erfassen. Die Anspannung war sowohl Kalan als auch Savi deutlich anzumerken, besonders im Kontrast zu der Routine, mit der die Crewmitglieder an ihr Vorhaben herangingen. Derzeit befanden sich etwa dreißig Mitglieder der Samidare Piraten im Dorf, aus der Ferne klar daran zu erkennen, wie sehr sich ihre Kleidung von den Dorfbewohnern unterschieden.

»Sind so viele Aufseher überhaupt nötig?«

Sanji klang angewidert von der Grobheit, mit der die Piraten den Dorfbewohnern begegneten.

»Samidare ist ein vorsichtiger Mann.« Kalans Hände ballten sich zu Fäusten. »Nachdem wir es einmal geschafft haben, seine Leute zu überwältigen und einer von ihnen dabei umgekommen ist, schickt er lieber mehr Wachen als zu wenige.«

Kalan sah aus, als wollte er dem noch etwas hinzufügen, doch Luffy fuhr ihm ins Wort. »Oi, seht mal!«

Die anderen wussten sofort, was er meinte. Obwohl sie zu weit weg waren, um zu verstehen, was im Dorf gesagt wurde, konnten sie klar erkennen, dass einige der Bandenmitglieder begonnen hatten, die Dorfbewohner anzupöbeln. Es eskalierte soweit, dass einer von ihnen ausholte, und gerade nach einem der Kinder schlagen wollte.

Savi kniff fest die Augen zusammen und Kalan sah aus, als wollte er selbst dazwischen springen, auch wenn er es von ihrem Platz aus niemals rechtzeitig schaffen würde. Beide sahen jedoch erschrocken auf, als Luffy unter lautem Geschrei (das alle im Dorf aufblicken ließ) ausholte, seinen Arm dehnte und dem Bandenmitglied mitten ins Gesicht schlug. Anschließend rannte er wütend aus ihrem Versteck und wartete mit dem Austeilen seiner Schläge nicht einmal, bis er im Dorf angekommen war.

Kalan war völlig überfordert mit der Situation. Er hatte zwar geahnt, dass die Mugiwara stark waren, aber er wusste nicht ansatzweise, in welcher Relation ihre Kräfte standen, ganz zu schweigen davon, welche besonderen Fähigkeiten sie besaßen. Zu sehen, wie Luffy seinen Arm über mehrere Dutzend Meter streckte, hatte ihm einen unglaublichen Schrecken eingejagt. Noch mehr irritierte ihn, mit was für einer Ruhe die Crewmitglieder das Verhalten ihres Captains hinnahmen. Usopp seufzte sogar, ganz so, als wäre es nicht das erste Mal, dass sie so vorgingen.

»Warum haben wir uns überhaupt die Mühe mit dem Plan gemacht?«

Zoro grinste ihn schief an. »Hätte er es nicht gemacht, hätte einer von uns es getan.«

»Er ist halt ein wahrer Gentleman!«

Nami bedachte Brook mit einem skeptischen Blick, ehe sie ebenfalls seufzte und sich durch die Haare fuhr. »Na ja, er dürfte jetzt auch fertig sein, also kommt.«

Kalan brauchte einige Momente, um zu verarbeiten, was gerade passiert war. Hätte Savi nicht irgendwann an seinem Ärmel gezogen, um ihn zum Gehen zu bewegen, würde er vielleicht immer noch zwischen den Bäumen stehen und versuchen, die Situation zu begreifen. Immer noch ein wenig in Trance folgte er den anderen ins Dorf.

»Seht ihr? Ich hab doch gesagt, ich krieg das locker allein hin!«

Vollends zufrieden ließ Luffy seinen Blick über die bewusstlos geprügelten Piraten zu seinen Füßen streifen. Er war sich des Misstrauens der Dorfbewohner nicht bewusst, die zwar dankbar dafür waren, dass er ihre Peiniger ausgeschaltet hatte, aber nicht wissen sollten, was sie von ihrem Retter halten sollten. Selbst Kalan fragte sich für einen kurzen Moment, ob es eine gute Idee gewesen war, die Crew zu involvieren.

Ehe er allerdings wirklich zweifeln konnte, rannte Savi an ihm vorbei auf Luffy zu und fiel ihm laut und glücklich lachend um den Hals.

»Das war unglaublich, Luffy! Vielen Dank!«

Bis über beide Ohren grinsend schlang Luffy ebenfalls die Arme um sie und wirbelte sie unter lautem Lachen herum. Das war der Moment, in dem Leben in die Dorfbewohner kam und sie aus ihrer Starre erwachten.

»Savi, zum Glück geht es dir gut!«

»Savi!«

»Kalan, da bist du ja wieder!«

»Was ist passiert?«

Die Leute redeten wirr durcheinander und sammelten sich um Savi, die von Luffy abgelassen hatte und zu ihnen gelaufen war. Es dauerte eine Weile, bis Kalan sich soweit Gehör verschafft hatte, dass alle einigermaßen still waren und er nicht mehr schreien musste. Der Reihe nach stelle er die Crewmitglieder vor und erklärte kurz, was in den Stunden nach Savis plötzlichem Verschwinden am Morgen geschehen war. Dabei entging ihm nicht, dass gerade die älteren Dorfbewohner die Mugiwara immer noch mit vorsichtigen, fast ängstlichen Augen bedachten.

»Sie mögen auch Piraten sein, aber sie haben sich dazu bereiterklärt, uns von Samidares Bande zu befreien«, versuchte er, seine skeptischen Freunde zu überzeugen. »Ich kann verstehen, wenn ihr euch unwohl dabei fühlt, euch von Piraten helfen zu lassen. Aber wenn ihr ihnen nicht vertrauen könnt, dann vertraut bitte zumindest meiner Entscheidung.«

Für wenige Augenblicke war das ganze Dorf still, selbst der Regen schien leiser zu fallen. Das Volk der Rappahan schien zunächst noch unsicher; die Menschen warfen sich fragende Blicke zu. Schließlich fing eine Gruppe Männer an zu lachen, leise und heiter, und der Rest stimmte schnell ein. Eine ältere Frau ging auf Kalan zu und legte ihm lächeln eine Hand auf die Schulter.

»Wann hast du je die falsche Entscheidung für uns getroffen?«

»Stark sind sie zumindest.«

»Wenn Savi und Kalan denken, dass wir ihnen vertrauen können...«

Die gute Laune breitete sich schnell im gesamten Dorf aus, und wenig später schien jedes Misstrauen gegenüber den Mugiwara wie verflogen. Allmählich schien auch bei den meisten zu sacken, dass die Hälfte der Samidare Piraten bereits besiegt am Boden lagen. Erleichterung machte sich breit; die Menschen schienen wieder Hoffnung zu fassen, die jungen Männer des Dorfes kümmerten sich darum, die bewusstlosen Piraten zu fesseln, die Kinder lachten und umarmten ihre Mütter.

Inmitten von all dem Trubel stand Savi, ein Strahlen auf dem Gesicht. Kalan beobachtete die heitere Stimmung im Dorf, bis Sanji neben ihn trat und sich ebenfalls umsah.

»Sie haben uns zwar gesagt, was mit Savis Vater passiert ist, aber was ist denn mit ihrer Mutter passiert?«

Seine Frage war beiläufig, aus Unwissenheit gestellt, doch Kalan konnte ein trauriges Lächeln nicht zurückhalten.

»Meine Schwiegertochter starb bei Savis Geburt.« Er merkte zwar, dass Sanji sich entschuldigen wollte, fuhr jedoch fort, ohne ihm dazu die Chance zu geben. »Sie ist ein kleiner Sonnenschein, nicht wahr? Jeder im Dorf liebt sie.«

Sanji wusste nicht, was er anderes tun sollte, als Kalan zuzustimmen. Eine Entschuldigung schien an dieser Stelle unangebracht, also hoffte er umso mehr, dass sie die Probleme des Dorfes schnell würden lösen können.
 

Etwas weiter oberhalb des Dorfes, gut versteckt hinter einigen Bäumen und Büschen, beobachtete er mit Schrecken, was sich dort in den letzten Minuten ereignet hatte. Er war von Samidare mit einer Botschaft an die anderen geschickt worden und konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, bevor der Gummibengel seine Kameraden zu Boden geschlagen hatte. Seine Beine zitterten immer noch, doch er wusste, dass er so schnell wie möglich zu ihrer Basis zurückkehren und seinem Boss davon berichten musste. Er atmete ein paar mal tief durch, um sich zu beruhigen, drehte sich um und rannte den Berg wieder hoch.
 

Nachdem die Situation im Dorf sich weitestgehend beruhigt hatte, bestanden nicht nur Kalan und Savi darauf, dass sie die Nacht dort verbrachten, sondern auch die anderen Bewohner. Viele von ihnen stellten ein oder zwei Betten für die Crew zur Verfügung, sodass sie sich trotz der anfänglichen Skepsis schnell heimisch und willkommen fühlten. Niemanden überraschte es, als Savi darauf bestand, dass Luffy bei ihr und Kalan übernachtete.

Gegen Abend würden sie ihr weiteres Vorgehen besprechen, doch bis es soweit war, wollte die Crew so viel wie möglich über die Rappahan und ihre Traditionen lernen. Kalan hatte ihnen versprochen, dass sie am Abend nicht nur bei ihm und Savi würden essen können, sondern ihnen auch noch eine Kostprobe des Wassers zugesprochen, sobald sie Samidare am nächsten Tag losgeworden waren. Trotzdem waren besonders Robin, Chopper und Usopp so sehr daran interessiert, dass Kalan sie an einige der Männer verwiesen hatten, die sich schon vor Samidares Niederlassung am meisten mit den Effekten, der Gewinnung und dem Verkauf des Wassers beschäftigt hatten.

Sanji interessierte sich offensichtlich am meisten für die lokalen Spezialitäten. Auch wenn er bereits in der Hafenstadt einige ungewöhnliche Gerichte und Zutaten kennengelernt hatte, unterschieden einige davon sich sehr von den Traditionen der Rappahan. Während er sich sehr viel mehr für die technische Seite dahinter interessierte, leistete Luffy ihm eigentlich nur deshalb Gesellschaft, weil ihm seit Stunden der Magen knurrte und er nicht bis zum Abend warten wollte.

Die anderen befassten sich mit den verschiedenen Handwerksformen, mit denen die Dorfbewohner arbeiteten. Nami hatte sich mit einigen älteren Damen zusammengesetzt und ließ sich von ihnen zeigen, was die traditionelle Kleidung ihres Volkes ausmachte. Das Angebot, ob sie nicht einmal den Haarschmuck oder einige Kleider der Rappahan anprobieren wollte, nahm sie dankend an. Brook unterhielt sich angeregt mit einigen Männern darüber, aus welcher der auf dieser Insel angesiedelten Baumarten man wohl am besten welches Instrument herstellen konnte, und Zoro und Franky sahen dem dorfeigenen Schmied schon seit über einer Stunde angestrengt bei der Arbeit zu.

Als der Abend hereinbrach und sie sich alle in Kalans Hütte versammelten, besprachen sie ihre Pläne für den nächsten Tag. Da momentan keine unmittelbare Gefahr mehr von Samidares Bande ausging, würden sie erst am Morgen aufbrechen und sich um ihn kümmern. Sie würden in zwei Gruppen agieren. Luffy, Franky, Brook, Robin und Chopper würden mit einigen Dorfbewohnern direkt zum Krater gehen, damit sie mit zusätzlicher Arbeitskraft und zusätzlichem Schutz mit der Gewinnung des Wassers weitermachen konnten. Sie alle hielten es für unwahrscheinlich, dass Samidare seine Leute nach den heutigen Ereignissen morgen zum Krater schicken würde, aber sie konnten nicht sicher genug gehen. Zoro, Sanji, Usopp und Nami würden sich auf die Suche nach Samidare und den restlichen Mitgliedern seiner Bande machen und sich darum kümmern, dass sie sich nie wieder in die Angelegenheiten der Insel einmischten. Luffy beschwerte sich mehr als einmal darüber, dass er nicht direkt am Kampfgeschehen beteiligt war, auch wenn er wusste, aus welchen persönlichen Gründen Nami am Kampf teilnehmen wollte.
 

Nachdem sie ihre Strategie festgelegt hatten, hatten sie sich endlich den Speisen vor sich widmen können. Es war nur ein bescheidenes Mahl gewesen, doch Kalan versprach, dass es am nächsten Tag anders aussehen würde, sobald die Mugiwara sie von ihren Peinigern befreit hatten. Die Stimmung während des Essens war angenehm gewesen; sie hatten viel gelacht und über die verschiedenen Eindrücke geredet, die sie am Nachmittag gesammelt hatten.

Nur Zoro war an diesem Abend nicht danach. Er war unruhig und genervt davon, dass er nicht sagen konnte, warum das so war. Also entschuldigte er sich irgendwann und verließ die Hütte – nachdem er wiederholt versprochen hatte, das Dorf nicht zu verlassen –, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Die Sonne war hinter all den Wolken schon längst untergegangen, und jetzt, da es dunkel war, fühlte sich der Regen vollkommen anders auf seiner Haut an, fast schon beklemmend. Es regnete stärker als in den vergangenen Stunden, und mit einem Mal fiel Zoro ein, dass Nami sie auf dem Schiff noch vor eventuellen Gewittern gewarnt hatte.

Er hatte sich nie groß ums Wetter geschert und war seit sie auf dieser Insel angekommen waren sowieso nicht mehr komplett trocken gewesen, also würden ein paar Minuten mehr im Regen auch nichts mehr ausmachen. Etwas ziellos wanderte er durchs Dorf, prägte sich ein, wie viel anders seine Umrisse nachts aussahen, bis er schließlich vor einigen größeren Steinen stehen blieb und sich auf einem davon niederließ.

Zoro wusste nicht, wie lange er dort im Regen gesessen und in den wolkenverhangenen Nachthimmel gestarrt hatte. Irgendwann hörte er Schritte, doch er erkannte an ihrem Rhythmus sofort, um wen es sich handelte. Wenn ihn sein Gang nicht schon verraten hätte, dann spätestens der schwache Nikotingeruch, der ihm anhaftete.

»Yo«, grüßte Sanji leise, als er neben ihm zum Stehen kam. Zoro antwortete ihm lediglich mit einem leichten Kopfnicken, machte sich aber keine Mühe, ihn anzusehen. Stattdessen wartete er, bis Sanji von sich aus damit herausrückte, was ihn hergetrieben hatte.

»Ist es wirklich so spaßig, die ganze Zeit im Regen zu sitzen?«

»Was, wenn ich mit Ja antworten würde?«, schoss Zoro zunächst grinsend zurück, doch seine Mundwinkel wanderten fast augenblicklich wieder gen Boden. »Was willst du?«

Sanji schien nicht ganz zu wissen, wie er anfangen sollte. Er versuchte sich Zeit zu verschaffen, indem er sich eine Zigarette ansteckte und einen lange Zug nahm, ehe er mit seinem Anliegen herausrückte.

»Ich will dich was fragen.«

»Das willst du in letzter Zeit öfter.« Zoro lachte rau auf, den Blick weiterhin stur geradeaus gerichtet. »Hast du vorhin nicht richtig zugehört? Manchmal ist es besser, gar nicht erst zu fragen, wenn man mit der Antwort nicht umgehen kann.«

»Die Frage betrifft mich nicht selbst«, erklärte Sanji ruhiger, als er in diesem Moment war.

»Sondern?«

»Dich.«

Zum ersten Mal während ihres Gespräches sah Zoro ihn an, verdutzt und ein wenig überrumpelt. Er wusste es jedoch schnell mit einem Grinsen zu überspielen.

»Und du denkst, dann macht es nichts? Ganz schön egoistisch von dir.«

Darauf herrschte eine Weile Stille zwischen ihnen, die Sanji dazu nutze, seine Gedanken zu ordnen. Er zog noch einmal an seiner Zigarette, ein wenig erstaunt darüber, dass sie trotz des starken Regens noch nicht ausgegangen war.

»Hast du schonmal eine Frage gestellt, deren Antwort du im Nachhinein nicht hören wolltest?«

»Wer hat das nicht?«

Zoros Augen fixierten einen unbestimmten Punkt irgendwo in der Dunkelheit, und obwohl Sanji wusste, dass er dieses Gespräch nicht führen wollte, fragte er ihn dennoch.

»Hast du Mihawk eine Frage gestellt, die du später bereut hast?«

Selbst in der Dunkelheit konnte Sanji erkennen, wie er zusammenzuckte. Der Blick, den Zoro ihm zuwarf, war genauso misstrauisch wie am Vortag.

»Worauf willst du hinaus?«

Seine Stimme klang so feindselig, dass sich Sanjis Nackenhärchen aufstellten. Doch er konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Nicht, wenn er endlich Antworten bekommen konnte.

»Hast du oder hast du nicht?«

Es überraschte ihn selbst, wie ruhig er trotz seines klopfenden Herzens klang. Zoro starrte ihn eine Weile lang undefinierbar an. Der Anblick war so ungewohnt, dass Sanji unwohl wurde, je länger er den anderen ansah. Als er ihm endlich eine Antwort gab, klang er erschöpft.

»Hab ich.«

»Und welche?«, drängte Sanji weiter, bevor er richtig über seine Worte nachdenken konnte. Er erwartete, dass Zoro ihn wieder anfahren und darauf hinweisen würde, dass ihn solche Dinge nichts angingen, doch er blieb still. Ihn so anders als sonst zu erleben – die Ellbogen auf seinen Knien aufgestützt, die Schultern hochgezogen und sein Blick, der sich irgendwo in der Dunkelheit verlor und Schatten sah, deren Geschichte längst vergangen war –, schnürte Sanji die Kehle zu, auch wenn er das niemals laut zugeben würde.

»›Bedeutet dir das hier etwas‹«, flüsterte Zoro irgendwann so leise, dass Sanji dachte, der Regen hätte seinen Ohren einen Streich gespielt.

Unbewusst trat er näher an Zoro heran. »Huh?«

»Das war die Frage, die ich ihm gestellt habe«, gab Zoro zu, die Stimme diesmal unnatürlich laut und beiläufig, so als würde er nicht über sich selbst, sondern einen Fremden sprechen. Sanji versuchte, den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken, aber es gelang ihm nicht.

»Und die Antwort...?«

»Frag doch nicht so blöd.«

Sanji wusste, dass es darauf keine richtige Antwort gab. Die Stimmung zwischen ihnen war angespannt, und zum ersten Mal fühlte er sich neben Zoro richtig fehl am Platz. Wie viel es bringen würde wusste er nicht, aber eine Entschuldigung war das Mindestens, das er jetzt erwidern musste.

»Tut mir leid.«

Trotz des Grinsens auf seinen Lippen klang Zoros Schnauben abfällig.

»Dass du gefragt hast?«

»Nein«, bemühte er sich um Aufrichtigkeit, ehe er seine Zigarette ausdrückte und nach den richtigen Worten suchte. »Dass du nicht die Antwort bekommen hast, die du dir gewünscht hast.«

Als er bemerkte, wie Zoro kaum merklich zusammenzuckte, wollte Sanji so viel mehr tun um ihm zu helfen, nur wusste er nicht wie. Sie beide waren gut darin, einander anzuspornen, auf die Palme zu bringen und das Beste aus dem jeweils anderen herauszuholen. Doch die jetzige Situation war so anders, so ungewohnt, dass ihm zunächst nichts einfiel, was er noch hätte tun können.

Zögerlich legte er ihm eine Hand auf die Schulter, drückte sie leicht. Sowie Zoro sich jedoch leicht in die Berührung lehnte, hätte er die Hand fast vor lauter Überraschung zurückgezogen. Er brauchte einige Augenblicke, ehe er sich wieder soweit beruhigt hatte, dass er sprechen konnte.

»Bleib nicht mehr so lange hier, sonst wirst du nachher noch krank und fällst morgen aus.«

Damit drehte Sanji sich um, machte sich gemächlich auf den Weg zurück und fragte sich, ob er tatsächlich ein leises ›Danke‹ gehört hatte oder ob der Regen nur wieder das flüsterte, was er gerne hören wollte.
 

Als Kumo völlig außer Atem in ihrer Basis ankam, krachte der Donner über der Insel zum ersten Mal. Er hatte es gerade noch geschafft, vor dem Gewitter zurückzukommen und war so außer Atem, dass ihn die irritierten Blicke der anderen nicht störten. Keuchend rannte er an ihnen vorbei, bis er das ausgelassene Lachen seines Bosses hören konnte.

»Samidare-sama!«

Seine Beine zitterten vom vielen Rennen, also fiel er mehr zu Boden, als dass er ehrfürchtig auf die Knie ging. Das heitere Lachen im Raum verstummte allmählich, während er nach Atem rang.

»Hat dich der Teufel gejagt, Kumo? Ich wusste gar nicht, dass du so gerne re—«, setzte Samidare an, bevor der Angesprochene ihm ins Wort fiel.

»Samidare-sama! Unsere Männer...«

Für einen kurzen Moment war die Angst vor Samidares wütendem Gesichtsausdruck größer als die Notwendigkeit, ihm von den neusten Entwicklungen zu berichten. Ihm versagte die Stimme, worauf sein Boss mit den Augen rollte.

»Was denn?«

»Unsere Männer wurden ausgeschaltet! Irgendeine fremde Bande hat sich im Dorf eingenistet und sie alle zusammengeschlagen!«

Die anderen Bandenmitglieder im Raum begannen zu tuscheln, erst leise und dann immer aufgeregter. Nach einer simplen Handbewegung von Samidare schwiegen sie jedoch schnell wieder.

»Kein Grund zur Sorge, Männer.« Er warf einen selbstbewussten Blick in die Runde und lachte finster. »Morgen werden wir uns rächen.«

Samidares Lachen wurde stetig lauter, bis es irgendwann sogar das Gewitter übertönte, das mit aller Kraft gegen die Wände ihrer Basis schlug.

Sprühregen

Nach dem Gewitter in der Nacht zuvor war der Boden an diesem Morgen von unzähligen Pfützen überzogen. In ihnen spiegelte sich der Himmel, sodass es viel eher so wirkte, als würden sie auf flüssigem Silber laufen als auf braunem Grund. Es regnete zwar immer noch, doch selbst die Mugiwara hatten sich mittlerweile so sehr daran gewöhnt, dass sie der leichte Niesel nicht mehr störte.

Sie waren mit dem Sonnengang aufgestanden und machten sich seit etwa einer halben Stunde bereit zum Aufbruch. Kalan hatte Nami am Vorabend noch eine Karte gezeichnet, die ihnen den Weg höher auf den Berg einfacher machen sollte. Savi und er selbst würden im Dorf zurückbleiben, während ein Dutzend junger Männer mit der einen Gruppe zum Krater gehen würde. Luffy hatte darauf bestanden, dass sie Verpflegung mitnahmen, und nachdem diese verstaut und sie ihr Vorgehen ein letztes Mal durchgegangen waren, verließen die zwei Gruppen das Dorf aus unterschiedlichen Ecken.

Zoro, Sanji, Usopp und Nami – die mit der Karte in der Hand vorausging – liefen Richtung Norden auf einem schmalen Pfad, der sich den Berg hinaufwand. Je höher sie kamen, desto steiler wurde der Aufstieg. Laut Kalan befand sich die Basis von Samidares Bande an einem anderen Vulkankrater, dem höchsten auf der Insel. Sie verbrachten einen Großteil des Weges schweigend, sodass jeder seinen eigenen Gedanken nachhängen konnte. Mit der Zeit geriet Usopp ins Grübeln und kratzte sich ab und an nachdenklich am Kinn.

»Ist es wirklich okay, wie wir das handhaben?«, fragte er schließlich, den Blick besorgt gen Himmel gerichtet.

Sanji warf ihm einen kurzen Blick zu. »Was meinst du?«

»Na, wie wir an die ganze Sache herangehen. Wir haben ja nicht einmal einen richtigen Plan!«

»Wann hatten wir den je, wenn es nur darum ging, den Gegner zu besiegen?«

Zoros Auflachen war so ungeniert amüsiert, dass Usopp es ihm fast schon übel nahm. Am liebsten hätte er mit etwas Cleverem oder sogar Beleidigendem gekontert, doch aus Angst um seine körperliche Unversehrtheit hielt er sich zurück.

»Und du meinst nicht, dass wir uns damit irgendwann mal richtig auf die Nase legen?«

Es war Sanji, der darauf antwortete: »Du hast doch gesehen, wie schwach Samidares Leute waren. Wenn das bereits die Hälfte seiner Bande war, mache ich mir eigentlich keine Sorgen um uns.«

Usopp sah so aus, als würde er sich am liebsten einige Büschel Haare ausreißen. Frustriert seufzend rieb er sich die Schläfen, ehe er zu einer Antwort ansetzte.

»Dieses bodenlose Selbstvertrauen ist es, das euch irgendwann—«

»Usopp, lass die beiden. Du weißt doch, wie sie sind«, unterbrach ihn Nami, die bisher schweigend zugehört hatte. Usopp seufzte erneut, diesmal resignierend, und fügte sich seinem Schicksal. Eigentlich hatten sie ja recht, aber er konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen. Wie enttäuschend wäre denn das Ende ihrer Geschichte, wenn ihre Gegner tatsächlich so schwach waren, wie sie den Anschein machten?

Eine Weile lang folgten sie schweigend dem Weg, achteten mal mehr, mal weniger auf ihre Umgebung. Wenn sie nach links in Richtung Abgrund blickten, konnten sie etwas weiter oben sehen, wie sich der Pfad, auf dem sie sich befanden, immer weiter hinaufschlängelte. Plötzlich fiel Usopps Blick auf einen Abschnitt, der etwas weniger dicht mit Bäumen bewachsen war als der übrige Weg.

»Wartet mal.« Er hielt an und legte die Stirn in Falten. Dann hob er einen Arm und zeigte den anderen die Stelle, die ihm eben aufgefallen war. »Seht ihr das? Dort drüben haben sich einige von ihnen auf die Lauer gelegt, um uns zu überraschen.«

Die Blicke der anderen folgten seinem ausgestreckten Arm, und an ihren Gesichtsausdrücken, die irgendwo zwischen Unglaube und Ärger lagen, erkannte er, dass sie wussten, was er meinte. Niemand von ihnen wusste so recht, was er sagen sollte. Letzten Endes erbarmte Nami sich, wenn auch zögerlich.

»Liegt es nur an mir, oder wirken die auf euch auch sehr... einfach gestrickt?«

Sie alle nickten zustimmend.

»Der Einzige, der in so eine offensichtliche Falle laufen würde, ist Luffy«, murmelte Zoro genervt, während Sanji sich an Usopp wandte.

»Kannst du dich darum kümmern?«

»Verlass dich drauf!« Selbstbewusst klopfte er sich mit einer Faust auf die Brust, ein breites Grinsen auf den Lippen. Während er in seiner Tasche nach einigen Geschossen kramte, fügte er bemüht beiläufig hinzu: »Am besten, ich lenke sie von hier ab, während ihr dem Pfad folgt.«

Eine gute halbe Minute herrschte Stille zwischen ihnen. Je länger sich das Schweigen zog, desto schwerer wurde es für Usopp so zu tun, als ob er immer noch nach seiner Munition suchen würde.

»Und was machst du danach?«, meinte Nami irgendwann, die Stimme flach und trocken. Ertappt sah Usopp auf, rieb sich den Hinterkopf und begann nervös zu lachen. Neben ihm legte Zoro genervt den Kopf in den Nacken und stöhnte laut auf.

»Gib doch einfach zu, dass du keinen Bock hast, den Rest des Berges zu besteigen.«

Anstatt ihm darauf zu antworten, warf Usopp sich in eine theatralische Pose und räusperte sich leise, bevor er mit perfekt eingeübter Dramatik einen Monolog begann.

»Meine teuren Freunde, trauert nicht um meinen Verlust! Behaltet mich in Erinnerung als den tapferen Helden, der bereitwillig sein Leben für euch gab, um euch vor den gegnerischen Truppen zu retten. Wisset, dass euch mein Geist auf eurem Weg auf diesen unnötig steilen, nassen Berg begleiten wi—«

»Lasst uns einfach gehen. Vermutlich reicht sowieso einer von uns aus, um das zu regeln«, unterbrach Sanji ihn monoton und setzte sich dann in Bewegung. Zoro und Nami folgten ihm wortlos, sodass nur noch Usopp zurückblieb, dem ein wenig Schamesröte ins Gesicht stieg.

»H-hey, ich war noch nicht fertig!«

Ohne stehen zu bleiben oder sich umzusehen hob Nami den Arm und winkte ihm zu.

»Erzähl uns den Rest, wenn du als Geist hinter uns her schwebst.«

Darauf wusste Usopp keine schlaue oder notfalls sarkastische Antwort, also beließ er es bei einem missmutigen Grummeln, bis die drei außer Hörweite waren. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, bereitete er sich darauf vor, die Bandenmitglieder von seinem Standpunkt aus auszuschalten. Sie hatten sich so furchtbar dilettantisch versteckt, dass er sogar kurz darüber nachdachte, ob das nicht ein Trick sein könnte. Da es aber letzten Endes egal war – schließlich würde er sie so oder so mit einem Schuss außer Gefecht setzen –, zuckte er nur mit den Schultern und wartete auf den richtigen Moment, um seinen Freunden den Weg zu bereiten.
 

Luffy rannte schon seit einigen Minuten mehrere Meter von seiner Gruppe entfernt voraus, obwohl er den Weg zum Krater gar nicht wusste. Die Dorfbewohner, die sie begleiteten, schien das nicht sonderlich zu beunruhigen, immerhin hatten sie mit eigenen Augen miterlebt, wie stark der junge Pirat war. Die anderen Crewmitglieder waren jedoch wenig begeistert von seinem Verhalten. Als es Robin zu anstrengend wurde, ihn immer wieder zu ermahnen, ließ sie einen Arm aus dem Boden vor ihrem Captain wachsen, packte ihn fest am Knöchel und brachte ihn so zu Fall. Er schrie zwar auf, landete jedoch mit dem Gesicht voraus auf dem Boden und verstummte deshalb fast augenblicklich wieder.

»Rooobiiin, wiesooo?«

Luffy hatte sein Gesicht zur Seite gedreht, lag nun auf seiner rechten Wange und starrte empört nach oben, als Robin und die anderen an ihm vorbeigingen.

»Wir wissen nicht, ob Samidare einige seiner Leute zum Krater geschickt hat, also sollten wir vorsichtig sein«, erklärte sie lächelnd.

Franky konnte sein Lachen nicht ganz so gut zurückhalten und drehte Luffy vorsichtshalber den Rücken zu. Luffy schob seine Unterlippe vor und blieb noch eine Weile beleidigt liegen. Sobald er die anderen kaum noch sehen konnte, sprang er auf und schloss eilig zu ihnen auf, auch wenn er sie keines Blickes würdigte. Seinen Platz an der Spitze der Gruppe hatte er schnell wieder eingenommen.

Eine Weile folgten sie dem Weg ohne Probleme. Robin und Chopper unterhielten sich angeregt mit den Rappahan, Franky und Brook redeten darüber, wie sie möglichst effizient große Mengen des Wassers transportieren konnten, und Luffy schmollte immer noch leise vor sich hin. Als plötzlich ein Mann aus dem Gebüsch sprang und sich mit wildem Geschrei auf sie stürzen wollte, holte er wortlos mit einem Arm aus, traf ihn in der Körpermitte und schleuderte ihn mindestens zehn Meter durch die Luft.

»Hast du sie nicht gehört? Wir sollen vorsichtig sein«, maulte er, den Blick immer noch auf den Weg vor sich gerichtet und ohne zu bemerken, dass er soeben einen von Samidares Männern ausgeschaltet hatte.
 

Nami, Sanji und Zoro hatten mittlerweile fast den Krater erreicht, an dem sich Samidares Basis befand. Der Regen war stärker geworden, doch das konnte auch schlichtweg daran liegen, dass weniger Bäume am Wegesrand wuchsen, die das Wasser mit ihren Kronen abfangen konnten. Da sie sich nur noch wenige Minuten Fußweg von ihrem Ziel entfernt befanden, musterten die drei ihre Umgebung etwas genauer und bemühten sich darum, möglichst vorsichtig zu sein.

»Wer schlägt dem Dreckskerl eigentlich gleich den Schädel ein?«, fragte Sanji in die Runde. Nami wollte ihm darauf antworten, doch Zoro packte beide an der Schulter und zwang sie zum Stehen. Gerade als die beiden protestieren wollten, schlug eine Kugel im Boden vor ihnen ein.

Sofort schossen ihre Blicke in die Richtung, aus der die Attacke gekommen war. An der Wegkreuzung einige Meter vor ihnen traten zwei Gestalten aus dem Gebüsch, ein Mann und eine Frau. Letztere fuhr sich mit einer Hand durch ihr langes, hellblaues Haar und brach in schallendes Gelächter aus.

»Sie sind besser als gedacht, nicht wahr, Anan?«

»Aber das wird sie auch nicht retten, Aria«, belehrte der Mann sie. Seine Haare hatten die gleiche Farbe wie ihre, doch im Gegensatz zu ihr trug er einen Afro. Ihre Kleidung, zum größten Teil in verschiedenen Gelb- und Orangetönen gehalten, stach sich unangenehm mit ihrer Haarfarbe. Beide hielten eine Pistole in der Hand; der Mann trug zusätzlich noch ein Gewehr auf dem Rücken.

»Was sind das denn für Vögel?«, fragte Sanji skeptisch, erhielt jedoch keine Antwort von Nami oder Zoro, sondern von ihren Gegnern persönlich.

»Wie unhöflich! Wir sind Samidares rechte und linke Hand«, rief die Frau laut und zeigte dann in einer dramatischen Pose auf sich selbst. »Aria!«

»Und Anan!«, fügte der Mann hinzu, während er sich ähnlich peinlich in Pose warf.

»Unter Samidare haben wir uns als die Teufelszwillinge einen Namen gemacht und sind auf der Grand Line bekannt und gefürchtet. Geboren unter einfachen Verhältnissen im North Blue haben wir uns seiner Bande vor vielen Jahren angeschlossen. Seitdem fürchtet uns die Marine so sehr, dass sie sich nicht wagen, ein Kopfgeld auf uns auszuse—«

Mehr hielt Zoro nicht aus; er stöhnte so genervt auf, dass Aria irritiert innehielt.

»Warum denken solche Typen immer, dass man sich für ihre Lebensgeschichte interessiert?«, motzte er, das Gesicht in einer Handfläche vergraben. Sanji rollte nur mit den Augen.

»Lass die Dame zumindest ausreden. Ein Gentleman fällt Frauen nicht ins Wort.«

Zoro konnte nicht ganz fassen, was der andere da gesagt hatte und starrte ihn mit offenem Mund an. Ehe er jedoch etwas erwidern konnte, ergriff Nami das Wort.

»Wir haben jetzt keine Zeit, uns mit den zwei Lachnummern zu begnügen. Lasst sie uns schnell erledigen, damit wir weiter können.«

Sie wirkte unruhig, unausgeglichener als sonst, und hatte die Stirn in Falten gelegt. Zoro und Sanji tauschten einen wissenden Blick aus und nickten sich kaum merklich zu.

»Nami-san, mach dir keine Gedanken um die zwei hier und geh schonmal ohne uns vor«, schlug Sanji in einer Tonlage vor, in der man für gewöhnlich übers Wetter redete. Zoros Stimme klang ähnlich, nur dass man sein Grinsen noch heraushören konnte.

»Wir regeln das, kümmere du dich um Samidare.«

Nami wusste im ersten Moment nicht, was sie darauf sagen sollte. Nach einiger Zeit fragte sie zögerlich: »Seid ihr euch sicher?«

»Ich kann mir niemanden vorstellen, der es mehr verdient, so einen Typen zu Fall zu bringen.«

Sanjis Lächeln trieb ihr fast Tränen in die Augen. Hastig wischte Nami sie weg, atmete einmal tief durch und nickte dann entschlossen.

»Danke, Jungs. Seid vorsichtig!«

Damit lief sie los, vorbei an Aria und Anan, die sie gewähren ließen und nicht einmal daran zu denken schienen, ihr zu folgen. Es dauerte nicht lange, bis sie vollständig aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Ihre zwei Gegner waren derweil viel zu sehr mit ihren Posen beschäftigt, als dass sie sich darum hätten kümmern können, Nami hinterher zu rennen.

»So nobel von euch, das Mädchen entkommen zu lassen«, tönte Aria, während sie sich in gespielter Dramatik eine Hand an die Stirn legte. Ihr Bruder pflichtete ihr bei.

»Aber auch so töricht«, rief er laut, zog seine Silben unnatürlich lang.

Zoro rieb sich die Schläfen und seufzte tief. Das Theater der beiden bereitete ihm allmählich Kopfschmerzen, also wollte er den Kampf – von dem er sich nicht viel Spannung erhoffte, wenn er ehrlich war – so schnell wie möglich hinter sich bringen.

»Die zwei gehen mir jetzt schon auf die Nerven«, murmelte er, worauf Sanji zustimmend nickte.

»Dann lass sie uns schnell besiegen und Nami-san folgen.«

Sie wollten sich zum Angriff bereit machen, doch Arias schrilles Lachen ließ sie innehalten. Zoro hielt sich mit einer Hand die Ohren zu, und sogar Sanji verzog das Gesicht.

»Ihr wollt uns besiegen? Schwachsinn!«

Neben ihr stützte Anan sich auf einem Knie ab und räusperte sich.

»Meine große Schwester hat die Toki Toki no Mi gegessen. Damit kann sie die Zeit aller leblosen Dinge in einem Umkreis von 5 Metern langsamer oder schneller laufen lassen. Gepaart mit unseren Schusswaffen sind wir unschlagbar! Ihr habt keine Chance gegen uns!«

Für einen Moment schien es so, als hätte sogar der Regen gestoppt. Oder vielleicht demonstrierte Aria auch gerade ihre Teufelskraft, indem sie die Zeit der einzelnen Regentropfen langsamer vergehen ließ. So oder so war Zoro mehr als genervt von den beiden.

»Wieso erzählt ihr uns das? Wäre es nicht klüger, wenn ihr das für euch behalten würdet?«, schrie er diesmal, während er mit den Armen fuchtelte und die Zwillinge beinahe schon vorwurfsvoll ansah.

»Diskutier nicht mit denen, du weißt doch, wie solche Typen drauf sind«, versuchte Sanji halbherzig, ihn zu beruhigen, doch Zoro regte sich mittlerweile viel zu sehr auf, als dass er noch auf ihn hören würde. Es ärgerte Sanji, dass der andere nicht aufmerksamer war und ihre Gegner – so lächerlich sie auch waren – nicht ein wenig ernster nahm. Er hörte ihm nur noch am Rande zu, als er sah, wie Aria mit ihrer Pistole auf sie zielte.

»Dir geht das doch genauso auf den Piss wie—«

Zoro war so überrumpelt von dem lauten Schuss und dem plötzlichen Gewicht, das ihn zur Seite auf den Boden warf, dass er erstickt aufschrie. Er brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen was geschehen war, und um zu realisieren, dass Sanji fast komplett auf ihm lag.

»Spinnst du?! Was ist denn bei dir kapu— oi, alles in Ordnung?!«

Nachdem Zoro die letzten Sekunden endlich verarbeitet hatte, wollte er sich gerade lauthals über Sanjis Aktion beschweren, als ihm dessen verzerrter Gesichtsausdruck auffiel. Sanji war bereits im Begriff sich aufzurichten, als Zoro instinktiv begann, seinen Körper nach Wunden abzusuchen.

»Nur ein Streifschuss am Bein, nichts Dramatisches.«

Sanji sah kurz zu Aria und Anan, die schallend lachten und sie momentan gar nicht mehr zu beachten schienen, ehe er sich wieder zu Zoro drehte und kurz innehielt. Er wusste nicht, wie er Zoros Blick zu deuten hatte, aber ihm missfiel, dass er meinte, Schuld darin erkennen zu können. Ehe er ihn jedoch darauf ansprechen konnte, schnalzte Zoro mit der Zunge.

»Ich kann nicht glauben, dass wir nach einem Kampf gegen solche Idioten mit einem Verletzten zurückkommen.«

Er hatte sich wohl verhört. Sanjis erster Impuls war, ihm dafür mitten ins Gesicht zu treten, aber er hielt sich zurück und kramte stattdessen nach einer Zigarette und seinem Feuerzeug, um sich zu beruhigen.

»Ein ›Danke‹ wäre angebrachter, Grasschädel«, murrte er, nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte. Er erwartete, dass Zoro ihm ebenfalls eine leere Beleidigung entgegenschleudern würde, so wie es bei ihnen üblich war, doch er tat nichts dergleichen. Vielmehr richtete er sich ebenfalls auf und starrte ihre Gegner so wütend an, dass es Sanji nicht gewundert hätte, wenn sie unter seinem Blick zusammengezuckt wären.

»Wie wäre es, wenn ich ihnen aus Dankbarkeit die Schädel spalte?«

Zoros Reaktion erstaunte und rührte ihn zugleich, aber warum der andere auf einmal so wütend war, konnte er auch später noch herausfinden. Er selbst brannte darauf, es den zwei Witzfiguren heimzuzahlen.

»Hmpf, barbarisch wie eh und je.« Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, fixierte Aria mit seinem Blick und legte die Stirn in Falten. »Die Lady gehört mir.«
 

Nami rannte trotz der zunehmenden Steigung so schnell sie ihre Beine trugen. Je höher sie kam, desto mehr lichteten sich die Bäume und Büsche am Wegesrand. Den Krater, an dem sich Samidares Basis befand, konnte sie schon seit einigen Minuten sehen; er war mittlerweile nur noch wenige hundert Meter entfernt. Als der Weg vor ihr endlich breiter wurde und hinter einer weiteren Steigung plötzlich abzufallen schien, wusste sie, dass sie ihr Ziel erreicht hatte.

Sie wurde langsamer und betrat vorsichtig das feindliche Gebiet. Die Basis, von der man im Dorf ehrfürchtig gesprochen hatte, bestand nur aus einigen kleinen Schuppen und einem größeren Gebäude, in dem die Bandenmitglieder vermutlich schliefen und das Wasser zwischenlagerten.

Allzu viel Zeit sich umzusehen blieb Nami nicht. Kurz nachdem sie den Weg verlassen hatte, bemerkte sie einen hochgewachsenen Mann mit kurzen blonden Haaren, der in einigem Abstand vor der Basis stand und auf sie zu warten schien.

»Oh? Ich dachte, Aria und Anan wollten sich um euch kümmern«, tönte er gespielt überrascht, ein selbstsicheres Grinsen auf den Lippen. Alles an seinem Auftreten machte sie wütend, ließ sie beinahe ihre eigene Galle im Mund schmecken. Herausfordernd reckte Nami ihm das Kinn entgegen und spiegelte seine arrogante Haltung.

»Die beiden dürften schon längst besiegt am Boden liegen.«

Diesmal schien er tatsächlich ein wenig überrascht.

»Dann hat euer Boss nicht nur dich auf die Jagd geschickt? So viel Grips hätte ich euch gar nicht zugetraut.«

Samidare ging ein paar Schritte auf sie zu, doch Nami schwieg eisern. In ihren Augen gab es nichts, das der Mann vor ihr sagen konnte, um ihre Meinung von ihm zu ändern. Sie war gekommen, um ihn auszuschalten – nicht mehr und nicht weniger. Ihm schien es jedoch nicht zu gefallen, dass sie kaum reagierte.

»Seid ihr auch hinter dem Wasser her?« Samidare verzog kurz das Gesicht, als ob er auf etwas Saures gebissen hätte, bevor sein Grinsen zurückkehrte. »Tut mir leid, euch zu enttäuschen, aber wir waren zuerst hier.«

Namis Blick verdunkelte sich. »Falsch, die Rappahan waren zuerst hier.«

Samidare sah sie überrascht an, brach jedoch bald in schallendes Gelächter aus, das so rau klang, wie sein Gesicht aussah. Er zelebrierte sein Lachen fast schon, zog es in die Länge und tat so, als wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Hör mal, Kleine. Ich weiß nicht, warum ihr denen helfen wollt, aber dass wir an ihrer Stelle mit dem Wasser Geld verdienen, steht uns zu. Wir sind nämlich—«

»Spar dir den Atem, deine Geschichte interessiert mich nicht«, unterbrach Nami ihn mit harter Stimme, müde von seinem affektierten Gerede.

»Kein Grund, mich so hasserfüllt anzugucken.« Abwehrend hob er die Hände vor seinen Oberkörper, doch sein Grinsen verschwand nicht. »Du kannst ohnehin nichts gegen mich ausrichten. Sogar das Wetter ist auf meiner Seite!«

Er lachte erneut, laut und unnatürlich, doch es klang gedämpfter als zuvor. In den letzten paar Minuten war der Regen stärker geworden und prasselte nun gnadenlos auf sie nieder. Der Wind hatte an Geschwindigkeit zugenommen und dunkle Wolken über den Krater getrieben, auf dem sie sich befanden. Einige Blitze zuckten in den fast nachtschwarzen Wolkenbergen umher, sprenkelten sie mit hellen Flecken.

Samidare schien so siegessicher, dass er Namis Grinsen nicht bemerkte, als sie ihren Klimataktstock hoch über ihren Kopf hielt.

»Glaubst du, ja? Dann mach dich mal auf eine Überraschung gefasst.«
 

Franky erwies sich als der wohl nützlichste Begleiter ihrer Gruppe. Sie waren vor einer guten Viertelstunde am Krater angekommen, der dank des Gewitters am Vorabend fast bis zum Rand mit dem besonderen Wasser gefüllt war. Es war klar und schien gerade vor dem tristen Grau der Insel blaugrün zu leuchten. Die Dorfbewohner waren direkt an die Arbeit gegangen, doch Franky hatte sie nach einigen Minuten gestoppt und ihnen Vorschläge gemacht, wie sie effizienter arbeiten und mehr Wasser in der gleichen Zeit gewinnen konnten.

Sie wollten gerade richtig mit der Arbeit beginnen, als Luffy plötzlich angestrengt in die Richtung starrte, aus der sie gekommen waren. Nach einigen Augenblicken grinste er breit und winkte aufgeregt.

»Usopp! Hier sind wir!«

Die anderen blickten ebenfalls auf und warteten, bis Usopp zu ihnen aufgeschlossen hatte.

»Das ging aber schnell. Wo sind die anderen?«, fragte Chopper neugierig, der momentan in seiner Rentierform vor einen Karren gespannt war, auf den später das Wasser geladen werden sollte.

»Wir haben uns aufgeteilt. Die drei sind weitergegangen, während ich mich um diejenigen gekümmert habe, die uns einen Hinterhalt legen wollten.« Usopp sah sich interessiert um, damit er sich ein schnelles Bild von ihren Arbeitsschritten machen konnte. Dann grinste er in die Runde. »Kann man euch zur Hand gehen?«
 

Sanji war letzten Endes doch nicht dazu in der Lage gewesen, ordentlich gegen Aria zu kämpfen. Wobei es sowieso kein ordentlicher Kampf gewesen war, zumindest nicht, wenn man ihn und Zoro fragte. Sie waren zeitgleich auf ihre Gegner losgelaufen, doch als Zoro das Zögern des anderen gespürt hatte, hatte ein Blick genügt, damit sie ihr Ziel tauschten. Sanji hatte einen Kick und Zoro einen Hieb mit der stumpfen Seite seines Schwertes benötigt, bis Aria und Anan vor ihnen auf dem Boden lagen und sich nicht mehr bewegten.

Etwas überrumpelt von der lächerlich kurzen Dauer ihres Kampfes stieß Zoro beide mit seiner Schwertscheide an. Entweder, sie stellten sich bewusstlos, oder sie waren tatsächlich nach nur einem Schlag am Ende.

»Mir war zwar klar, dass wir gewinnen würden, aber das ist ziemlich traurig.«

Unschlüssig darüber, was sie als nächstes tun sollten, fuhr Zoro sich mit einer Hand durch das kurze Haar und bedachte ihre Gegner mit einem letzten, enttäuschten Blick. Als Sanji ihm nicht antwortete, räusperte er sich kurz. »Wie geht's deinem Bein?«

Für einen Moment sah er so hilflos aus, dass Sanji nicht anders konnte als zu lächeln.

»Nicht viel anders als sonst auch.«

Er warf Zoro einen amüsierten Blick zu, auf den dieser nur beleidigt schnaubte. In der Stille, die danach zwischen ihnen herrschte, sahen sie beide zum Himmel hinauf. In der Richtung, in die Nami vor einigen Minuten verschwunden war, hatten sich Sturmwolken zusammengezogen. Der Wind riss an ihrer Kleidung, kühlte die schwüle Luft ab. Plötzlich zerriss ein Blitz den dunklen Himmel und schlug in dem Krater weiter oben ein.

Sanji streckte sich ausgiebig und grinste schief. »Nami-san dürfte auch gleich fertig sein. Lass uns solange hier warten.«
 

Es war ein Leichtes für Nami gewesen, ein Gewitter hinaufzubeschwören. Selbst ohne die bereits aufgestauten Wolken und den Regen war es nicht allzu schwer, aber so hatte sie sich nicht einmal anstrengen müssen. Der erste Blitz war vor Samidares Füßen eingeschlagen, hatte ihn so erschrocken, dass er nach hinten gefallen war. Wenige Sekunden später traf der zweite Blitz sein Ziel punktgenau. Samidares Aufschreien klang erstickt und abgehackt, als er nach einem kurzen Aufbäumen zu Boden fiel und bewegungslos liegen blieb.

Nami wusste nicht ganz, was sie damit anfangen sollte. Sie legte den Kopf schief und ging zügigen Schrittes auf den regungslosen Mann zu. Etwas ratlos blieb sie vor ihm stehen und rief ein paar mal laut seinen Namen, worauf er jedoch nicht antwortete.

»Ist das sein Ernst?«, murmelte sie eher zu sich als zu ihm, ehe sie ihm einen kräftigen Tritt in die Seite verpasste. Er ächzte, wachte allerdings nicht auf. Nami rollte mit den Augen und seufzte laut.

»Was für ein Waschlappen.«

Dann bückte sie sich, griff ihm ins Haar und zog ihn daran zurück zu Sanji und Zoro, um mit den besiegten Piraten ins Dorf zurückzukehren.

Nebelnässe

Luffys Gruppe war die erste, die am Nachmittag wieder im Dorf ankam. Dank Franky und Usopps Ideen hatten sie sehr viel mehr Wasser transportieren können, als es den Rappahan vorher möglich gewesen war. Sie waren gerade dabei, die Flaschen in einer leeren Hütte zu verstauen, als Nami, Sanji und Zoro ebenfalls eintrafen. Die immer noch bewusstlosen Mitglieder von Samidares Bande wurden von ihnen gefesselt und den Dorfbewohnern überlassen, die sie bei der nächsten Gelegenheit zum Hafen bringen und dort von einem Marineschiff abholen lassen wollten.

Die Stimmung unter den Rappahan war unbeschwert und heiter, ganz anders als noch am Vortag. Nach dem Gewitter hatte sich auch der Himmel etwas aufgeklart und wirkte nun eher blau als grau. Gut gelaunt machten sich die meisten von ihnen daran, ein Fest für den Abend vorzubereiten, um der Crew für ihre Hilfe zu danken, bevor sie am nächsten Morgen zu ihrem Schiff zurückkehren würden. Kalan und Savi, die beiden im Dorf geblieben waren und auf ihre Rückkehr gewartet hatten, empfingen sie mit offenen Armen und bedankten sich überschwänglich. Kalan stiegen vor Erleichterung sogar Tränen in die Augen, sodass sie für sich behielten, wie schwach Samidares Bande letzten Endes gewesen war.

Die Mugiwara hatten sich mittlerweile so sehr an den steten Regen gewöhnt, dass sie die wenigen Tropfen, die noch hinabfielen, kaum noch störten. Während die Vorbereitungen für den Abend liefen, leisteten sie den Dorfbewohnern noch etwas Gesellschaft. Franky und Usopp erklärten die neuen Gerätschaften und ihre Wartung, damit die Rappahan sie auch nach ihrer Abreise weiterhin nutzen konnten. Brook, Nami und Robin halfen bei der Planung des Abends, Luffy spielte mit Savi, die ihm nicht mehr von der Seite wich, und Zoro hatte sich einen überdachten Platz gesucht, an dem er ein kurzes Nickerchen halten konnte. Und hätte Chopper Robin nicht irgendwann darum gebeten, Sanji mit ihrer Teufelskraft am Boden zu halten, während er ihm die Wunde am Fuß verband, würde der Koch vermutlich immer noch Blutstropfen im Dorf verteilen. Er hatte sich vehement gewehrt und wollte ihm versichern, dass er so einen kleinen Kratzer nicht behandeln musste, doch davon hatte Chopper nichts hören wollen.
 

Als es zum Abend hin immer dunkler im Dorf wurde und die Wege nur noch von Fackeln und kleineren Feuerstellen erhellt wurden, fiel kein einziger Regentropfen mehr vom Himmel. Wie selten so ein Moment war merkte die Crew daran, dass fast alle Dorfbewohner innehielten und den Blick nach oben richteten, als ob sie sich versichern wollten, nicht zu träumen. Es war das erste Mal seit vielen Monaten, dass sie die Sterne sehen konnten, und ihre Freude darüber war ansteckend.

Die Feier fand im ganzen Dorf statt. Im Zentrum stand eine große Festtafel, die sie aufgrund des guten Wetters draußen hatten aufbauen können. Ringsherum gab es kleinere Tische, auf denen ebenfalls aufgetischt wurde. Um ein kleines Lagerfeuer herum standen einige Musikanten und spielten alte Volkslieder des Stammes (Brook hatte sich zu ihnen gesellt und musizierte munter mit ihnen, schließlich konnte er mit dem Essen ohnehin nicht viel anfangen). Nami, Zoro, Sanji und Usopp waren schon den ganzen Tag über zu ihrem Kampf gegen Samidares Bande befragt worden, doch letzten Endes hatten sie es Usopp überlassen, dem gesamten Dorf nach dem Essen mit einer groß aufgezogenen Geschichte zu imponieren. Sie alle lachten viel, einige tanzten und sangen zur Musik oder genossen die ausgelassene, glückliche Stimmung, für die sie nicht einmal einen Schluck des besonderen Wassers benötigten.
 

Zoro wusste nicht ganz warum, aber ihm war auch an diesem Abend nicht danach zu feiern. Es mochte daran liegen, dass er das erste Mal seit langem über längere Zeit wieder halbwegs trocken war. Aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch konnte er es auf all die Gedanken schieben, die ihm seit zwei Tagen im Kopf herumspukten und keine Anstalten machten, ihn in Ruhe zu lassen. Wenn er sich nicht mehr mit Schlaf oder Training ablenken konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich diesen Gedanken zu stellen, ganz gleich ob ihm wohl dabei war oder nicht.

Einige Stunden nachdem die Feier begonnen hatte, beschloss er, sich einen ruhigeren Ort weit ab vom Zentrum des Festes zu suchen. Da sich fast das gesamte Dorf an einem Fleck versammelt hatte, fiel es ihm nicht schwer, eine geeignete Stelle zu finden, an der er sich niederlassen konnte. Es war ein kleiner Abhang am Rande des Dorfes, an dem fast keine Bäume wuchsen und er sich bequem ins Gras setzen und die Sterne betrachten konnte.

Im Gegensatz zum vergangenen Abend war der Himmel klar. Nur vereinzelt trübten dünne Wolken seine Sicht, auch wenn er weit in der Ferne Wolkenberge erkennen konnte, die am nächsten Tag vermutlich wieder Regen bringen würden. Zoro ließ sich auf den Rücken fallen und sah den Sternen dabei zu, wie sie versuchten, die Nacht zu erhellen.

»Dich bei einer Feier ohne Alkohol zu sehen ist auch mal was Neues.«

Zoro war so in Gedanken versunken, dass Sanji ihn fast hätte überraschen können, wenn der Wind ihn nicht verraten hätte. Er war dankbar für die Ablenkung, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Geduldig wartete Zoro mit seiner Antwort, bis der andere etwas näher herangekommen war.

»Dass du eine Attacke für mich abfängst aber auch.«

»Jetzt hört doch endlich alle auf, darüber zu reden.«

Auch ohne sich zu ihm zu drehen wusste Zoro, dass Sanji sich unschlüssig den Nacken rieb. Obwohl ihm die Situation unangenehm war, stellte er sich trotzdem fast direkt neben ihn und betrachtete ebenfalls den Himmel. Sie schwiegen lange, weil keiner wusste, wie er anfangen sollte, bis Zoro schließlich die Stille durchbrach.

»Danke.« Sanji war so überrumpelt, dass er nichts darauf sagte, doch aus dem Augenwinkel konnte er Zoros Grinsen sehen. »Auch wenn es nicht notwendig war.«

»Verdammt nochmal, ich hab's kapi—«, begann Sanji etwas lauter, doch Zoro unterbrach ihn mit ruhiger Stimme, bevor er sich in Rage reden konnte.

»Sieh es doch mal von der Seite: solange du für ein paar Tage mit den Sticheleien klarkommst, frage ich dich nicht, warum du es überhaupt getan hast.«

Mittlerweile hatte Zoro sich aufgesetzt und leicht zur Seite gedreht, damit er Sanjis Reaktion sehen konnte. Wie erwartet war dieser einen Moment lang sprachlos. Als wüsste er nicht, wo er hinsehen sollte, ließ er seinen Blick fast schon panisch schweifen, wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Es dauerte einige Augenblicke, doch irgendwann fing Sanji sich wieder und lachte sogar leise.

»Sicher, dass du mit der Antwort leben könntest?«

Darauf grinste Zoro wissend. »Ziemlich sicher, ja.«

Sie lächelten einander kurz an, ehe wieder Stille zwischen ihnen herrschte. Als Sanji sich jedoch nach einiger Zeit zum Gehen wandte, zog Zoro fragend eine Augenbraue hoch.

»Oi, wo willst du hin?«

»Kalan hat uns allen eine Kostprobe dieses komischen Wassers versprochen, also wollte ich uns was davon holen gehen.« Sanji hielt erstaunt inne, legte den Kopf schief und schien angestrengt zu überlegen. »Wer weiß, vielleicht tut dir das Zeug ganz gut.«

Jetzt war es Zoro, der sein Gegenüber verwirrt ansah. »Warum das denn?«

Mit so einer Frage hatte Sanji nicht gerechnet. Obwohl er genau wusste, was seine Beweggründe waren, war es ihm im ersten Moment zu peinlich, sie laut auszusprechen. Fast schon überfordert mit der Situation schaute er stur zur Seite und sprach sehr viel lauter, um seine Unsicherheit zu verbergen.

»Du hast in den letzten Tagen so viel nachgedacht wie lange nicht. Vermutlich raucht dir deswegen schon der Schädel.«

Zoros Lachen besserte seine Laune nicht.

»Wie rücksichtsvoll von dir, dich um meine Gesundheit zu sorgen.«

»Also? Willst du das Zeug jetzt probieren oder nicht?«

Sanji klang beleidigter und aggressiver, als er eigentlich war, aber es irritierte ihn nicht zu wissen, aus welchem Grund Zoro ihn gestoppt hatte.

»Solange du mir noch ein wenig Gesellschaft leistest, brauch ich dieses Wasser ganz bestimmt nicht.«

Wenn er zuvor noch sauer war, weil Zoro ihm den Rücken zukehrte, war er jetzt ziemlich froh, dass der andere nicht sehen konnte, wie sich seine Wangen rot färbten. Er konnte nichts gegen das Lächeln tun, das sich auf seine Züge schlich, als er sich umdrehte und wieder auf Zoro zuging.

»Das ist bei weitem kitschiger als alles, was ich je gesagt habe, Marimo«, versuchte er, seine Freunde zu überdecken, nachdem er neben dem anderen zum Stehen kam. Dass er Zoros Stimme jedoch dessen eigenes Lächeln anhören konnte, ließ ihn nur noch mehr strahlen.

»Du mich auch, Kochlöffel.«



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  DoD
2018-04-30T21:02:29+00:00 30.04.2018 23:02
Hallo

Für das, dass es nicht unbedingt deine Serie und dein Pairring ist, war die Geschichte sehr bezaubernd. Auch wenn die beiden ein bisschen OoC waren - was einfach sehr in der Natur der Sache liegt- fand ich, dass die Geschichte sich gut in das OP Universum einfügt.

Ich finds super, dass es eine Geschichte darum gegeben hat. Ein Setting für die beiden, in dem sie zu einander finden. Und auch schön ist das angedeutete Franky/Robin.
Ich finde es beachtlich, dass du ohne explizite Gesten eine Armosphäre geschaffen hast, bei der mir warm ums Herz wird. Zorro steht eine verletzliche Seite durchaus gut finde ich und du gehst mit meiner Meinung konfrom, dass Sanji sehr wohl ein Gentleman sein kann, egal wer sein Partner ist.

Danke für die Geschichte, es war enzückend, was sie herrvor zu rufen vermag.

GG, DoD
Antwort von:  Schangia
01.05.2018 23:45
Hey! Vielen Dank für die lieben Worte, ich hab mich sehr über deinen Kommentar gefreut. Es ist eine Erleichterung zu wissen, dass ich mit der Geschichte erreichen konnte, was ich mir vorgestellt habe, gerade auf emotionaler Ebene. Danke! <3
Von:  ChocolateChip
2016-10-17T19:02:00+00:00 17.10.2016 21:02
Hallöle! Hier kommt dann auch mein Kommi, auch wenn ich nie genau weiss was ich kommentieren soll haha

Also erst einmal habe ich mich wirklich darüber gefreut, dass ich eine One Piece Geschichte bekommen habe xD Zurzeit gehört die Serie zu einem meiner aktuellen Flashs xD Und das schon lange haha Auch wenn Pairings nur angedeutet waren, war das gar nicht schlimm x3 Bei einer Serie wie One Piece kommen Fanfictions auch ohne Pair gut aus xD Immerhin gehört Action und Freundschaft und auch Drama zu One Piece x3 Passt also xD

Ich mag es wirklich sehr wenn man sich die Mühe macht und ein neues Abenteuer für die Mugiwaras bereithält xD Ich finde du hast sie gut getroffen x3 Und der Arme Sanji erkennt nicht, dass er eifersüchtig ist xD schon sehr niedlich haha xD es gab viele kleine Momente, die mir gefallen haben und um sie alle aufzuzählen müsste ich die Geschichte noch einmal lesen, aber dazu fehlt mir gerade etwas die Zeit >x<'
Schon schade, dass die Mugiwaras mit dem Kampf unterfordert waren... Ich kann den Frust des Monstertrios gut verstehen auch wenn das feige Trio wohl froh darüber ist xD Wann sonst kann Nami den Boss alleine besiegen xD haha
Ich finde es auch gut, dass du Zoro und Sanji nach dem Kampf nicht sofort so richtig zusammenkommen lässt... Ich mag es wenn eine Beziehung sich langsam in Geschichten aufbaut und hier liegt ja noch seeeehr viel vor ihnen dann xD

Aber wie schon gesagt... Ich mochte die Geschichte sehr und hatte sie in einem Zug durchgelesen und wollte nicht eher schlafen gehen bis ich alles gelesen hatte haha

LG Choco


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