Fire in the Rain von Schangia (Wichtelgeschichte für ChocolateChip) ================================================================================ Kapitel 4: Monsun ----------------- »Warum haben wir nicht erst gegesseeen?« Luffys für jeden anderen als seine Crew herzzerreißendes Gejammer hallte laut durch den Wald. Sie waren erst seit etwa einer Stunde unterwegs, doch er hatte bereits nach zehn Minuten angefangen, seinen leeren Magen zu beklagen. Anfangs noch hatten Kalan und Savi ihm besorgte Blicke zugeworfen. Da von seinen Freunde jedoch keinerlei Reaktion kam – außer einem gelegentlichen Aufstöhnen oder Augenrollen –, merkten sie schnell, dass er ihnen nicht wirklich leid tun musste. Savi lachte mittlerweile nur noch leise, und Kalan seufzte lautlos, verdrängte dabei die Frage nach Luffys Tauglichkeit als Captain. »Jetzt halt endlich deine Klappe!« Zoros Geduld hatte sich dem Ende zugeneigt, also verpasste er Luffy einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf, kurz bevor er wieder anfangen wollte zu jammern. Natürlich ließ Luffy sich das nicht gefallen – obwohl er maulte, ihm würde die Kraft für einen Kampf fehlen – und zankte sich bestimmt fünf Minuten mit Zoro, ehe dieser von Chopper zur Ordnung gerufen wurde. Zoro hatte ihn nach der Hälfte des Weges wortlos gepackt und auf seine Schulter gesetzt, wofür das kleine Rentier dankbar war. Das hieß jedoch nicht, dass er zwischen die Fronten von Luffy und Zoros Zankereien geraten wollte. Durch den stetig fallenden Regen war ihr Aufstieg beschwerlicher als unter normalen Umständen. In der ebenen Hafenstadt war der Nieselregen nur lästig gewesen, hatte sich aber nicht wirklich darauf ausgewirkt, wie gut sie vorankamen. Sobald sie jedoch den Fuß des Berges erreicht hatten, war ihr Weg beschwerlicher geworden. Der schmale Pfad, der sich durch einen zunächst noch lichten Wald den Berg hinaufschlängelte, war vom vielen Wasser schlammig und rutschig geworden. Noch bevor Zoro Chopper auf seine Schulter genommen hatte, hatte Franky mit einem saloppen ›Nicht erschrecken, ich bin mal so frei‹ sowohl Kalan als auch Savi hochgehoben und auf je eine seiner Schultern gesetzt. Savi hatte schnell viel Spaß daran gefunden, von dort oben so weit sehen zu können, während Kalan zwischenzeitlich immer wieder ein wenig reisekrank wirkte. Nachdem sie eine Weile schweigend dem Weg gefolgt waren, ließ Robin sich so weit zurückfallen, dass sie neben Franky lief. Bevor sie jedoch ein Wort sagen konnte, hob Franky seinen linken Arm – vorsichtig, damit Kalan nicht fiel – und hielt seine Hand über Robins Kopf, um sie ein wenig vor dem lästigen Regen zu schützen. Sie lächelte dankbar und suchte dann Blickkontakt zu dem leicht verwirrten Mann auf Frankys Schulter, der sich immer noch nicht ganz an dessen Körper gewöhnt hatte. »Wir haben vorhin nicht mehr darüber sprechen können, aber was genau macht dieses Wasser so speziell?« »Genau, das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Irgendetwas daran muss ja wirklich bahnbrechend sein«, rief Usopp von etwas weiter vorne, die Stimme lauter als sonst, um über den Regen hinweg gehört werden zu können. Kalan schwieg und überlegte, wie er am besten anfangen sollte. Als er sich entschieden hatte, sah er nicht nur Robin, sondern auch die anderen Crewmitglieder an, die auf seine Antwort warteten. »Wisst ihr, was normalerweise passiert, wenn man fast das ganze Jahr über keine Sonne sieht?« Brook, der ganz am Ende ihrer kleinen Gruppe ging, schüttelte sich die Regentropfen aus dem Haar und lachte kurz. »Der Sinn für Humor verkümmert ganz erheblich, habe ich mir sagen lassen.« Ein paar von ihnen lachten mit ihm, doch Nami verdreht nur die Augen. »Man fühlt sich müde, ausgelaugt und kann sogar depressiv werden.« Sie tippte sich kurz mit einem Finger ans Kinn. »Stimmt, eigentlich sollten die Bewohner dieser Insel nicht so gut gelaunt sein, wie die Menschen, die uns in der Stadt über den Weg gelaufen sind.« Darauf nickten die meisten. Sie alle hatten es als merkwürdig erachtet, dass die Bewohner der Insel trotz des unnachlässigen Regens so fröhlich waren und lebten, als müssten sie nicht mit wasserabweisender Kleidung durch die schwüle, klamme Luft laufen. Die kunterbunten Häuserfassaden allein konnte nicht für ihre gute Laune verantwortlich sein. »Das ist es, was unser Wasser so besonders macht.« In seiner Stimme klang Stolz mit, Stolz auf das, was ihr Dorf seit Generationen ausmachte, aber auch Ehrfurcht vor dem Unbekannten. »Es heilt zwar keine richtigen Depressionen, aber es ist mehr als genug, um den Bewohnern Tsuyus zu helfen.« Ein Lächeln stahl sich auf Kalans Gesicht. »Niemand von uns weiß, wie es dazu kommt, aber das Wasser macht glücklich.« Darauf sagte erst einmal niemand etwas. Einige grübelten über das nach, was sie eben gehört hatten, andere wiederum nahmen es einfach so hin. Vor allem Robin schien angestrengt über eine mögliche Erklärung nachzudenken. »Wenn sich das Wasser in einem Vulkankrater ansammelt«, setzte sie nach einer Weile an, die Stirn in Falten gelegt, »müsste es reich an Mineralien sein. Je nachdem, wie groß deren Menge ist, macht es durchaus Sinn, dass sich die Aufnahme positiv auf den Organismus auswirkt.« Neben ihr hörte sie Franky so laut auflachen, dass er damit das Geräusch des Regens kurzzeitig vollkommen übertönte. Bei jedem anderen hätte sie das als unhöflich empfunden, aber ihm konnte sie es gerade so verzeihen. Dennoch hob sie skeptisch eine Augenbraue und wartete auf eine ordentliche Antwort. »Du musst nicht immer versuchen, alles wissenschaftlich zu erklären«, meinte er schließlich, während er sie breit anlächelte. »Lass sie ruhig weiter an die Magie dahinter glauben.« Bevor Robin etwas darauf erwidern konnte, räusperte Chopper sich. Er saß zwar immer noch auf Zoros Schulter und musste sich an dessen Haaren festhalten, während er sich zu den beiden umdrehte, aber das konnte ihn nicht davon abhalten, an dieser Diskussion teilzunehmen. »Aber ist es nicht unzufriedenstellend, wenn man die Antwort herausfinden könnte, es aber nicht tut?« »Manchmal ja, manchmal nein.« Zur Überraschung aller war es Zoro, der ihm darauf antwortete. »Manche Fragen bleiben besser ungestellt.« Die übrigen Crewmitglieder waren zu perplex, um etwas darauf zu erwidern. Nur Sanji reagierte reflexartig, bevor er richtig darüber nachdenken konnte: »Warum?« Zoro warf ihm einen undefinierbaren Blick zu, ehe er wieder stur geradeaus sah. »Weil man nicht immer das zu hören kriegt, was man hören will.« Seine Worte hingen lange in der warmen Luft nach, ließen das stete Prasseln des Regens viel lauter wirken als davor. Unsicher, ob sie etwas darauf antworten sollten oder nicht, sagte erst einmal niemand etwas. Als die Stimmung fast unerträglich wurde, begann Savi, eine kurze, unbestimmte Melodie zu summen. »Solange es die Menschen glücklich macht, ist es doch egal, warum das so ist«, grinste sie mit einer Fröhlichkeit, die unmöglich nur von irgendeinem Wasser stammen konnte. »Findet ihr nicht?« Luffy war der Erste, der darauf wieder lächelte, und die anderen taten es ihm schnell gleich. Den Rest des Weges hatten sie größtenteils schweigend hinter sich gebracht. Als sie nur noch wenige Minuten Fußweg vor sich hatten, bat Kalan darum, selbst zu laufen. Der Pfad, dem sie gefolgt waren, hatte sich vor einigen Minuten bereits im Gestrüpp des Waldes verlaufen, also wollte er ihnen den sichersten Weg zeigen. Franky setzte Savi ebenfalls wieder ab, sorgte jedoch dafür, dass er immer in ihrer Nähe war. Wer wusste schon, wie die Situation im Dorf derzeit aussah? »Sie gehen zweimal zum Krater, einmal am Morgen und einmal gegen Abend«, erklärte Kalan, während er sich zielstrebig durchs Unterholz bewegte und einige Büsche zur Seite schob. »Um diese Zeit müssten sie gerade die Männer unseres Dorfes zurückbringen.« »Umso besser!« Luffy ließ seine Schultern kreisen, nachdem sie zum Stehen kamen. »Es sind eh nicht viele, die kann ich locker allein fertig machen.« »Warte mal, Luffy.« Usopp spähte durch die Bäume in die Richtung, in der das Dorf lag. »Auch wenn wir wissen, dass sie nur etwa fünf- oder sechsmal so viele Leute haben wie wir, sollten wir dennoch nichts überstürzen. Es wäre besser, wenn wir uns langsam an das Dorf heranwagen und erst einmal die Lage auskundschaften, anstatt einfach blindlings loszurennen.« Schmollend verschränkte Luffy die Arme vor der Brust. »Wie langweilig!« »Wir müssen auch darauf achten, das Dorf nicht zu beschädigen«, rief Robin ihnen ins Gedächtnis, worauf Savi bekräftigend nickte. Trotz Luffys Beschwerden beschlossen sie, zunächst einen Plan festzulegen, nach dem sie vorgehen wollten. Auf der kleinen Lichtung, auf der sie sich befanden, ließen die Baumkronen zwar genügend Licht zur Erde dringen, doch sie waren dennoch dicht genug, um einen Großteil des Regens abzuhalten. Weder Kalan noch Savi schienen sich an der schwülen Luft im Wald zu stören, doch aus Rücksichtnahme auf die anderen versuchten sie, ihnen die Lage des Dorfes so schnell und detailliert wie möglich zu beschreiben. Nach einigem Hin und Her einigten sie sich darauf, dass Usopp zuerst aus der Ferne für ein wenig Verwirrung stiften sollte, indem er zuerst auf Objekte und schließlich auf eines der Bandenmitglieder zielte. Robin würde sie dann bewegungsunfähig machen, bis Kalan und Savi die Dorfbewohner so weit beruhigt hatten, dass sie in den Mugiwara keine neue Bedrohung sahen. Luffy protestierte mehrmals, fügte sich letzten Endes jedoch dem Mehrheitsentscheid. So rückten sie langsam bis zum Rand des Dorfes vor und verbargen sich zwischen den Bäumen, um die Lage zu erfassen. Die Anspannung war sowohl Kalan als auch Savi deutlich anzumerken, besonders im Kontrast zu der Routine, mit der die Crewmitglieder an ihr Vorhaben herangingen. Derzeit befanden sich etwa dreißig Mitglieder der Samidare Piraten im Dorf, aus der Ferne klar daran zu erkennen, wie sehr sich ihre Kleidung von den Dorfbewohnern unterschieden. »Sind so viele Aufseher überhaupt nötig?« Sanji klang angewidert von der Grobheit, mit der die Piraten den Dorfbewohnern begegneten. »Samidare ist ein vorsichtiger Mann.« Kalans Hände ballten sich zu Fäusten. »Nachdem wir es einmal geschafft haben, seine Leute zu überwältigen und einer von ihnen dabei umgekommen ist, schickt er lieber mehr Wachen als zu wenige.« Kalan sah aus, als wollte er dem noch etwas hinzufügen, doch Luffy fuhr ihm ins Wort. »Oi, seht mal!« Die anderen wussten sofort, was er meinte. Obwohl sie zu weit weg waren, um zu verstehen, was im Dorf gesagt wurde, konnten sie klar erkennen, dass einige der Bandenmitglieder begonnen hatten, die Dorfbewohner anzupöbeln. Es eskalierte soweit, dass einer von ihnen ausholte, und gerade nach einem der Kinder schlagen wollte. Savi kniff fest die Augen zusammen und Kalan sah aus, als wollte er selbst dazwischen springen, auch wenn er es von ihrem Platz aus niemals rechtzeitig schaffen würde. Beide sahen jedoch erschrocken auf, als Luffy unter lautem Geschrei (das alle im Dorf aufblicken ließ) ausholte, seinen Arm dehnte und dem Bandenmitglied mitten ins Gesicht schlug. Anschließend rannte er wütend aus ihrem Versteck und wartete mit dem Austeilen seiner Schläge nicht einmal, bis er im Dorf angekommen war. Kalan war völlig überfordert mit der Situation. Er hatte zwar geahnt, dass die Mugiwara stark waren, aber er wusste nicht ansatzweise, in welcher Relation ihre Kräfte standen, ganz zu schweigen davon, welche besonderen Fähigkeiten sie besaßen. Zu sehen, wie Luffy seinen Arm über mehrere Dutzend Meter streckte, hatte ihm einen unglaublichen Schrecken eingejagt. Noch mehr irritierte ihn, mit was für einer Ruhe die Crewmitglieder das Verhalten ihres Captains hinnahmen. Usopp seufzte sogar, ganz so, als wäre es nicht das erste Mal, dass sie so vorgingen. »Warum haben wir uns überhaupt die Mühe mit dem Plan gemacht?« Zoro grinste ihn schief an. »Hätte er es nicht gemacht, hätte einer von uns es getan.« »Er ist halt ein wahrer Gentleman!« Nami bedachte Brook mit einem skeptischen Blick, ehe sie ebenfalls seufzte und sich durch die Haare fuhr. »Na ja, er dürfte jetzt auch fertig sein, also kommt.« Kalan brauchte einige Momente, um zu verarbeiten, was gerade passiert war. Hätte Savi nicht irgendwann an seinem Ärmel gezogen, um ihn zum Gehen zu bewegen, würde er vielleicht immer noch zwischen den Bäumen stehen und versuchen, die Situation zu begreifen. Immer noch ein wenig in Trance folgte er den anderen ins Dorf. »Seht ihr? Ich hab doch gesagt, ich krieg das locker allein hin!« Vollends zufrieden ließ Luffy seinen Blick über die bewusstlos geprügelten Piraten zu seinen Füßen streifen. Er war sich des Misstrauens der Dorfbewohner nicht bewusst, die zwar dankbar dafür waren, dass er ihre Peiniger ausgeschaltet hatte, aber nicht wissen sollten, was sie von ihrem Retter halten sollten. Selbst Kalan fragte sich für einen kurzen Moment, ob es eine gute Idee gewesen war, die Crew zu involvieren. Ehe er allerdings wirklich zweifeln konnte, rannte Savi an ihm vorbei auf Luffy zu und fiel ihm laut und glücklich lachend um den Hals. »Das war unglaublich, Luffy! Vielen Dank!« Bis über beide Ohren grinsend schlang Luffy ebenfalls die Arme um sie und wirbelte sie unter lautem Lachen herum. Das war der Moment, in dem Leben in die Dorfbewohner kam und sie aus ihrer Starre erwachten. »Savi, zum Glück geht es dir gut!« »Savi!« »Kalan, da bist du ja wieder!« »Was ist passiert?« Die Leute redeten wirr durcheinander und sammelten sich um Savi, die von Luffy abgelassen hatte und zu ihnen gelaufen war. Es dauerte eine Weile, bis Kalan sich soweit Gehör verschafft hatte, dass alle einigermaßen still waren und er nicht mehr schreien musste. Der Reihe nach stelle er die Crewmitglieder vor und erklärte kurz, was in den Stunden nach Savis plötzlichem Verschwinden am Morgen geschehen war. Dabei entging ihm nicht, dass gerade die älteren Dorfbewohner die Mugiwara immer noch mit vorsichtigen, fast ängstlichen Augen bedachten. »Sie mögen auch Piraten sein, aber sie haben sich dazu bereiterklärt, uns von Samidares Bande zu befreien«, versuchte er, seine skeptischen Freunde zu überzeugen. »Ich kann verstehen, wenn ihr euch unwohl dabei fühlt, euch von Piraten helfen zu lassen. Aber wenn ihr ihnen nicht vertrauen könnt, dann vertraut bitte zumindest meiner Entscheidung.« Für wenige Augenblicke war das ganze Dorf still, selbst der Regen schien leiser zu fallen. Das Volk der Rappahan schien zunächst noch unsicher; die Menschen warfen sich fragende Blicke zu. Schließlich fing eine Gruppe Männer an zu lachen, leise und heiter, und der Rest stimmte schnell ein. Eine ältere Frau ging auf Kalan zu und legte ihm lächeln eine Hand auf die Schulter. »Wann hast du je die falsche Entscheidung für uns getroffen?« »Stark sind sie zumindest.« »Wenn Savi und Kalan denken, dass wir ihnen vertrauen können...« Die gute Laune breitete sich schnell im gesamten Dorf aus, und wenig später schien jedes Misstrauen gegenüber den Mugiwara wie verflogen. Allmählich schien auch bei den meisten zu sacken, dass die Hälfte der Samidare Piraten bereits besiegt am Boden lagen. Erleichterung machte sich breit; die Menschen schienen wieder Hoffnung zu fassen, die jungen Männer des Dorfes kümmerten sich darum, die bewusstlosen Piraten zu fesseln, die Kinder lachten und umarmten ihre Mütter. Inmitten von all dem Trubel stand Savi, ein Strahlen auf dem Gesicht. Kalan beobachtete die heitere Stimmung im Dorf, bis Sanji neben ihn trat und sich ebenfalls umsah. »Sie haben uns zwar gesagt, was mit Savis Vater passiert ist, aber was ist denn mit ihrer Mutter passiert?« Seine Frage war beiläufig, aus Unwissenheit gestellt, doch Kalan konnte ein trauriges Lächeln nicht zurückhalten. »Meine Schwiegertochter starb bei Savis Geburt.« Er merkte zwar, dass Sanji sich entschuldigen wollte, fuhr jedoch fort, ohne ihm dazu die Chance zu geben. »Sie ist ein kleiner Sonnenschein, nicht wahr? Jeder im Dorf liebt sie.« Sanji wusste nicht, was er anderes tun sollte, als Kalan zuzustimmen. Eine Entschuldigung schien an dieser Stelle unangebracht, also hoffte er umso mehr, dass sie die Probleme des Dorfes schnell würden lösen können. Etwas weiter oberhalb des Dorfes, gut versteckt hinter einigen Bäumen und Büschen, beobachtete er mit Schrecken, was sich dort in den letzten Minuten ereignet hatte. Er war von Samidare mit einer Botschaft an die anderen geschickt worden und konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, bevor der Gummibengel seine Kameraden zu Boden geschlagen hatte. Seine Beine zitterten immer noch, doch er wusste, dass er so schnell wie möglich zu ihrer Basis zurückkehren und seinem Boss davon berichten musste. Er atmete ein paar mal tief durch, um sich zu beruhigen, drehte sich um und rannte den Berg wieder hoch. Nachdem die Situation im Dorf sich weitestgehend beruhigt hatte, bestanden nicht nur Kalan und Savi darauf, dass sie die Nacht dort verbrachten, sondern auch die anderen Bewohner. Viele von ihnen stellten ein oder zwei Betten für die Crew zur Verfügung, sodass sie sich trotz der anfänglichen Skepsis schnell heimisch und willkommen fühlten. Niemanden überraschte es, als Savi darauf bestand, dass Luffy bei ihr und Kalan übernachtete. Gegen Abend würden sie ihr weiteres Vorgehen besprechen, doch bis es soweit war, wollte die Crew so viel wie möglich über die Rappahan und ihre Traditionen lernen. Kalan hatte ihnen versprochen, dass sie am Abend nicht nur bei ihm und Savi würden essen können, sondern ihnen auch noch eine Kostprobe des Wassers zugesprochen, sobald sie Samidare am nächsten Tag losgeworden waren. Trotzdem waren besonders Robin, Chopper und Usopp so sehr daran interessiert, dass Kalan sie an einige der Männer verwiesen hatten, die sich schon vor Samidares Niederlassung am meisten mit den Effekten, der Gewinnung und dem Verkauf des Wassers beschäftigt hatten. Sanji interessierte sich offensichtlich am meisten für die lokalen Spezialitäten. Auch wenn er bereits in der Hafenstadt einige ungewöhnliche Gerichte und Zutaten kennengelernt hatte, unterschieden einige davon sich sehr von den Traditionen der Rappahan. Während er sich sehr viel mehr für die technische Seite dahinter interessierte, leistete Luffy ihm eigentlich nur deshalb Gesellschaft, weil ihm seit Stunden der Magen knurrte und er nicht bis zum Abend warten wollte. Die anderen befassten sich mit den verschiedenen Handwerksformen, mit denen die Dorfbewohner arbeiteten. Nami hatte sich mit einigen älteren Damen zusammengesetzt und ließ sich von ihnen zeigen, was die traditionelle Kleidung ihres Volkes ausmachte. Das Angebot, ob sie nicht einmal den Haarschmuck oder einige Kleider der Rappahan anprobieren wollte, nahm sie dankend an. Brook unterhielt sich angeregt mit einigen Männern darüber, aus welcher der auf dieser Insel angesiedelten Baumarten man wohl am besten welches Instrument herstellen konnte, und Zoro und Franky sahen dem dorfeigenen Schmied schon seit über einer Stunde angestrengt bei der Arbeit zu. Als der Abend hereinbrach und sie sich alle in Kalans Hütte versammelten, besprachen sie ihre Pläne für den nächsten Tag. Da momentan keine unmittelbare Gefahr mehr von Samidares Bande ausging, würden sie erst am Morgen aufbrechen und sich um ihn kümmern. Sie würden in zwei Gruppen agieren. Luffy, Franky, Brook, Robin und Chopper würden mit einigen Dorfbewohnern direkt zum Krater gehen, damit sie mit zusätzlicher Arbeitskraft und zusätzlichem Schutz mit der Gewinnung des Wassers weitermachen konnten. Sie alle hielten es für unwahrscheinlich, dass Samidare seine Leute nach den heutigen Ereignissen morgen zum Krater schicken würde, aber sie konnten nicht sicher genug gehen. Zoro, Sanji, Usopp und Nami würden sich auf die Suche nach Samidare und den restlichen Mitgliedern seiner Bande machen und sich darum kümmern, dass sie sich nie wieder in die Angelegenheiten der Insel einmischten. Luffy beschwerte sich mehr als einmal darüber, dass er nicht direkt am Kampfgeschehen beteiligt war, auch wenn er wusste, aus welchen persönlichen Gründen Nami am Kampf teilnehmen wollte. Nachdem sie ihre Strategie festgelegt hatten, hatten sie sich endlich den Speisen vor sich widmen können. Es war nur ein bescheidenes Mahl gewesen, doch Kalan versprach, dass es am nächsten Tag anders aussehen würde, sobald die Mugiwara sie von ihren Peinigern befreit hatten. Die Stimmung während des Essens war angenehm gewesen; sie hatten viel gelacht und über die verschiedenen Eindrücke geredet, die sie am Nachmittag gesammelt hatten. Nur Zoro war an diesem Abend nicht danach. Er war unruhig und genervt davon, dass er nicht sagen konnte, warum das so war. Also entschuldigte er sich irgendwann und verließ die Hütte – nachdem er wiederholt versprochen hatte, das Dorf nicht zu verlassen –, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Die Sonne war hinter all den Wolken schon längst untergegangen, und jetzt, da es dunkel war, fühlte sich der Regen vollkommen anders auf seiner Haut an, fast schon beklemmend. Es regnete stärker als in den vergangenen Stunden, und mit einem Mal fiel Zoro ein, dass Nami sie auf dem Schiff noch vor eventuellen Gewittern gewarnt hatte. Er hatte sich nie groß ums Wetter geschert und war seit sie auf dieser Insel angekommen waren sowieso nicht mehr komplett trocken gewesen, also würden ein paar Minuten mehr im Regen auch nichts mehr ausmachen. Etwas ziellos wanderte er durchs Dorf, prägte sich ein, wie viel anders seine Umrisse nachts aussahen, bis er schließlich vor einigen größeren Steinen stehen blieb und sich auf einem davon niederließ. Zoro wusste nicht, wie lange er dort im Regen gesessen und in den wolkenverhangenen Nachthimmel gestarrt hatte. Irgendwann hörte er Schritte, doch er erkannte an ihrem Rhythmus sofort, um wen es sich handelte. Wenn ihn sein Gang nicht schon verraten hätte, dann spätestens der schwache Nikotingeruch, der ihm anhaftete. »Yo«, grüßte Sanji leise, als er neben ihm zum Stehen kam. Zoro antwortete ihm lediglich mit einem leichten Kopfnicken, machte sich aber keine Mühe, ihn anzusehen. Stattdessen wartete er, bis Sanji von sich aus damit herausrückte, was ihn hergetrieben hatte. »Ist es wirklich so spaßig, die ganze Zeit im Regen zu sitzen?« »Was, wenn ich mit Ja antworten würde?«, schoss Zoro zunächst grinsend zurück, doch seine Mundwinkel wanderten fast augenblicklich wieder gen Boden. »Was willst du?« Sanji schien nicht ganz zu wissen, wie er anfangen sollte. Er versuchte sich Zeit zu verschaffen, indem er sich eine Zigarette ansteckte und einen lange Zug nahm, ehe er mit seinem Anliegen herausrückte. »Ich will dich was fragen.« »Das willst du in letzter Zeit öfter.« Zoro lachte rau auf, den Blick weiterhin stur geradeaus gerichtet. »Hast du vorhin nicht richtig zugehört? Manchmal ist es besser, gar nicht erst zu fragen, wenn man mit der Antwort nicht umgehen kann.« »Die Frage betrifft mich nicht selbst«, erklärte Sanji ruhiger, als er in diesem Moment war. »Sondern?« »Dich.« Zum ersten Mal während ihres Gespräches sah Zoro ihn an, verdutzt und ein wenig überrumpelt. Er wusste es jedoch schnell mit einem Grinsen zu überspielen. »Und du denkst, dann macht es nichts? Ganz schön egoistisch von dir.« Darauf herrschte eine Weile Stille zwischen ihnen, die Sanji dazu nutze, seine Gedanken zu ordnen. Er zog noch einmal an seiner Zigarette, ein wenig erstaunt darüber, dass sie trotz des starken Regens noch nicht ausgegangen war. »Hast du schonmal eine Frage gestellt, deren Antwort du im Nachhinein nicht hören wolltest?« »Wer hat das nicht?« Zoros Augen fixierten einen unbestimmten Punkt irgendwo in der Dunkelheit, und obwohl Sanji wusste, dass er dieses Gespräch nicht führen wollte, fragte er ihn dennoch. »Hast du Mihawk eine Frage gestellt, die du später bereut hast?« Selbst in der Dunkelheit konnte Sanji erkennen, wie er zusammenzuckte. Der Blick, den Zoro ihm zuwarf, war genauso misstrauisch wie am Vortag. »Worauf willst du hinaus?« Seine Stimme klang so feindselig, dass sich Sanjis Nackenhärchen aufstellten. Doch er konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Nicht, wenn er endlich Antworten bekommen konnte. »Hast du oder hast du nicht?« Es überraschte ihn selbst, wie ruhig er trotz seines klopfenden Herzens klang. Zoro starrte ihn eine Weile lang undefinierbar an. Der Anblick war so ungewohnt, dass Sanji unwohl wurde, je länger er den anderen ansah. Als er ihm endlich eine Antwort gab, klang er erschöpft. »Hab ich.« »Und welche?«, drängte Sanji weiter, bevor er richtig über seine Worte nachdenken konnte. Er erwartete, dass Zoro ihn wieder anfahren und darauf hinweisen würde, dass ihn solche Dinge nichts angingen, doch er blieb still. Ihn so anders als sonst zu erleben – die Ellbogen auf seinen Knien aufgestützt, die Schultern hochgezogen und sein Blick, der sich irgendwo in der Dunkelheit verlor und Schatten sah, deren Geschichte längst vergangen war –, schnürte Sanji die Kehle zu, auch wenn er das niemals laut zugeben würde. »›Bedeutet dir das hier etwas‹«, flüsterte Zoro irgendwann so leise, dass Sanji dachte, der Regen hätte seinen Ohren einen Streich gespielt. Unbewusst trat er näher an Zoro heran. »Huh?« »Das war die Frage, die ich ihm gestellt habe«, gab Zoro zu, die Stimme diesmal unnatürlich laut und beiläufig, so als würde er nicht über sich selbst, sondern einen Fremden sprechen. Sanji versuchte, den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken, aber es gelang ihm nicht. »Und die Antwort...?« »Frag doch nicht so blöd.« Sanji wusste, dass es darauf keine richtige Antwort gab. Die Stimmung zwischen ihnen war angespannt, und zum ersten Mal fühlte er sich neben Zoro richtig fehl am Platz. Wie viel es bringen würde wusste er nicht, aber eine Entschuldigung war das Mindestens, das er jetzt erwidern musste. »Tut mir leid.« Trotz des Grinsens auf seinen Lippen klang Zoros Schnauben abfällig. »Dass du gefragt hast?« »Nein«, bemühte er sich um Aufrichtigkeit, ehe er seine Zigarette ausdrückte und nach den richtigen Worten suchte. »Dass du nicht die Antwort bekommen hast, die du dir gewünscht hast.« Als er bemerkte, wie Zoro kaum merklich zusammenzuckte, wollte Sanji so viel mehr tun um ihm zu helfen, nur wusste er nicht wie. Sie beide waren gut darin, einander anzuspornen, auf die Palme zu bringen und das Beste aus dem jeweils anderen herauszuholen. Doch die jetzige Situation war so anders, so ungewohnt, dass ihm zunächst nichts einfiel, was er noch hätte tun können. Zögerlich legte er ihm eine Hand auf die Schulter, drückte sie leicht. Sowie Zoro sich jedoch leicht in die Berührung lehnte, hätte er die Hand fast vor lauter Überraschung zurückgezogen. Er brauchte einige Augenblicke, ehe er sich wieder soweit beruhigt hatte, dass er sprechen konnte. »Bleib nicht mehr so lange hier, sonst wirst du nachher noch krank und fällst morgen aus.« Damit drehte Sanji sich um, machte sich gemächlich auf den Weg zurück und fragte sich, ob er tatsächlich ein leises ›Danke‹ gehört hatte oder ob der Regen nur wieder das flüsterte, was er gerne hören wollte. Als Kumo völlig außer Atem in ihrer Basis ankam, krachte der Donner über der Insel zum ersten Mal. Er hatte es gerade noch geschafft, vor dem Gewitter zurückzukommen und war so außer Atem, dass ihn die irritierten Blicke der anderen nicht störten. Keuchend rannte er an ihnen vorbei, bis er das ausgelassene Lachen seines Bosses hören konnte. »Samidare-sama!« Seine Beine zitterten vom vielen Rennen, also fiel er mehr zu Boden, als dass er ehrfürchtig auf die Knie ging. Das heitere Lachen im Raum verstummte allmählich, während er nach Atem rang. »Hat dich der Teufel gejagt, Kumo? Ich wusste gar nicht, dass du so gerne re—«, setzte Samidare an, bevor der Angesprochene ihm ins Wort fiel. »Samidare-sama! Unsere Männer...« Für einen kurzen Moment war die Angst vor Samidares wütendem Gesichtsausdruck größer als die Notwendigkeit, ihm von den neusten Entwicklungen zu berichten. Ihm versagte die Stimme, worauf sein Boss mit den Augen rollte. »Was denn?« »Unsere Männer wurden ausgeschaltet! Irgendeine fremde Bande hat sich im Dorf eingenistet und sie alle zusammengeschlagen!« Die anderen Bandenmitglieder im Raum begannen zu tuscheln, erst leise und dann immer aufgeregter. Nach einer simplen Handbewegung von Samidare schwiegen sie jedoch schnell wieder. »Kein Grund zur Sorge, Männer.« Er warf einen selbstbewussten Blick in die Runde und lachte finster. »Morgen werden wir uns rächen.« Samidares Lachen wurde stetig lauter, bis es irgendwann sogar das Gewitter übertönte, das mit aller Kraft gegen die Wände ihrer Basis schlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)