Fire in the Rain von Schangia (Wichtelgeschichte für ChocolateChip) ================================================================================ Kapitel 1: Platzregen --------------------- Luffy grinste zufrieden, als der auffrischende Wind ihm das schwarze Haar zerzauste. Von seinem Platz auf der Galionsfigur der Thousand Sunny konnte er weit aufs Meer hinausschauen und jede noch so kleine Welle dabei beobachten, wie sie am Bug des Schiffes zerbrach und sich in sprudelnden Schaum auflöste. Den Unterschied zwischen Himmel und Meer konnte er nur erkennen, weil der Himmel immer blasser wurde, je weiter er in die Ferne blickte. Gut gelaunt platzierte Luffy seinen Strohhut wieder auf seinem Kopf und sprang zurück aufs Deck. Als er spürte, wie ihm die warme Mittagssonne sogar durch seine Kleidung auf die Haut schien, richtete er kurz den Blick nach oben. Die Sonne strahlte hell und unbekümmert, und die großen Segel der Sunny standen im Kontrast zu dem kräftigen Blau des Himmels, das nur vereinzelt durch einige dünne Wolken unterbrochen wurde. Ein wunderschöner Tag, befand Luffy. Immer noch grinsend setzte er eher ziellos einen Fuß vor den anderen, ehe sein Blick auf Nami fiel, die etwas weiter oben die Ellbogen auf die Reling abstützte und nachdenklich in den Himmel blickte. »Nee, Nami!« Luffys Stimme hallte laut übers Deck, doch seine Crew war nach all der Zeit miteinander so sehr daran gewöhnt, dass nur Nami leicht den Kopf in seine Richtung drehte. »Das Wetter ist klasse heute, nicht wahr?« Sie wartete, bis Luffy neben ihr angekommen war, ehe sie die Stirn in Falten legte und zurück aufs Meer hinaussah. »Jetzt noch, ja«, meinte sie gedehnt, worauf Luffy nur fragend den Kopf schief legte. »Hm?« Nami hob einen Arm und zeigte auf die zerrissenen Wolkenfetzen, die wie weiße Sprenkel am Himmel schienen. »Siehst du die ganzen Wolken am Himmel? Wenn sie so tief fliegen, kündigt das Regen an.« »Achso?« So als würde er immer noch nicht ganz begreifen, was Nami ihm sagen wollte, zog Luffy angestrengt die Augenbrauen zusammen und sah ebenfalls in den Himmel. Für ihn wirkte nichts daran wie ein Indikator für einen Wetterumschwung, aber gerade weil er für solche Dinge kein Händchen hatte, verließ er sich vollends auf Nami. »Die nächste Insel ist eine Herbstinsel«, erklärte Robin, als sie die wenigen Treppenstufen hinaufstieg und sich zu den beiden gesellte. »Gerade im Sommer regnet es dort meist ununterbrochen.« »Dann dauert es wohl nicht mehr lange, bis wir anlegen können.« Ein Lächeln lag auf Namis Lippen. Sie freute sich darauf, bald wieder Land unter den Füßen zu haben und eine neue, unbekannte Insel erkunden zu können. Und dann auch noch eine Herbstinsel! Die Erste, die sie auf ihrer Reise betreten würden. Bevor Nami sich jedoch ausmalen konnte, wie sehr die Insel den Beschreibungen entsprechen würde, die sie über Herbstinseln gehört hatte, öffnete Sanji die Tür ins Innere des Schiffes und rief sie zum Essen. Das Mittagessen verlief so wie sonst auch – Luffy versuchte von so vielen fremden Tellern zu essen wie möglich, es wurde viel gelacht und noch mehr geschrien und Sanji war froh, dass er bereits vorher gegessen hatte –, mit der Ausnahme, dass Zoro sich auf das Sofa neben dem Esstisch setzte, nachdem er seinen Teller geleert hatte und ein Nickerchen hielt. Er hatte die ganze Nacht im Krähennest gesessen und beschwerte sich, dass er mindestens doppelt so viel Schlaf nachholen musste, wie ihm dadurch verloren gegangen war. Die anderen ließen ihn schlafen; bei all dem Lärm, der im Raum herrschte, störte sein Schnarchen sowieso keinen. Erst, als die anderen Crewmitglieder restlos gesättigt waren und sich wieder den Tätigkeiten widmeten, denen sie vorher nachgegangen waren, steuerte Sanji auf den anderen zu und blieb direkt vor ihm stehen. »Oi, Marimo, aufwachen«, sagte er laut, bevor er Zoro an einer Schulter packte und gröber wachrüttelte, als vermutlich nötig gewesen wäre. Zoro öffnete zwar schwerfällig die Augen, grunzte jedoch nur, anstatt ihm eine richtige Antwort zu geben. Ihn störte nicht einmal Sanjis genervtes Seufzen. »Du hast Abwaschdienst, also schwing deinen Arsch an die Spüle und schnapp dir ein Handtuch.« Zoro war schon immer der Ansicht gewesen, dass sein Timing echt beschissen war – und erst recht, wenn Sanji noch Einfluss darauf nehmen konnte. Aber all die Beschwerden, die ihm auf der Zunge lagen, würden ihn in diesem Fall auch nicht weiterbringen, also stand er schwerfällig auf, streckte sich einmal ausgiebig und schlurfte dann zur Spüle, an der Sanji bereits einen nun wieder sauberen Teller in der Hand hielt und mehr oder minder geduldig darauf wartete, dass er ihn abtrocknete. Je schneller er diese Arbeit hinter sich brachte, desto eher konnte er wieder schlafen, also schluckte Zoro jegliches böses Wort herunter, das ihm noch auf der Zunge lag, griff nach einem Geschirrhandtuch und dem Teller und machte sich nützlich. Die monotonen Handgriffe gingen ihm sehr viel leichter von der Hand als noch zu Anfang, und so fluchte er mittlerweile gar nicht mehr während der Arbeit. Stattdessen schwiegen sie beide, das Klirren des Geschirrs das einzige Geräusch in dem großen Raum. »Sag mal«, durchbrach Sanji irgendwann die Stille, ohne aufzusehen. Das Thema, das er anschneiden wollte, beschäftigte ihn schon lange, also wollte er die Gelegenheit nutzen, endlich Antworten zu bekommen. »Es geht mich zwar nichts an, aber... als du mit Mihawk trainiert hast—« »Da hast du recht, es geht dich nichts an«, fuhr Zoro ihm ins Wort, mit einem Mal hellwach. Sanji irritierte, wie defensiv sich der andere verhielt. In seinen Augen war das ein Zeichen dafür, dass definitiv etwas vorgefallen war. Die Möglichkeit, dass dem tatsächlich so war, nagte an ihm, seit sich die Crew vor einigen Wochen auf dem Sabaody Archipel wiedervereint hatte. Um seinen Wissensdurst zu stillen, nahm er auch einen Streit mit Zoro in Kauf – einer mehr oder weniger würde schon keine Auswirkungen haben. »Hat er tatsächlich einfach so zugesagt, dich zu trainieren?«, fuhr Sanji relativ ungerührt fort, nachdem er sich wieder etwas gesammelt hatte. Egal, wie einsilbig und offensichtlich feindselig Zoro ihm antworten würde, er war entschlossen zu erfahren, was er wissen wollte. »Ja.« »Echt? So ganz ohne Gegenleistung?« »Was willst du damit sagen?« Zoro hielt in seiner Bewegung inne und versuchte nicht einmal, das Misstrauen in seiner Stimme zu verbergen. Alles an ihm – seine Körperhaltung, seine Tonlage; der Glanz in seinen Augen, den man häufig bei in die Ecke gedrängten Tieren sah – zeigte Sanji, dass er seine nächsten Worte verdammt gut wählen musste, wenn die Situation nicht eskalieren sollte. Mit einer Ruhe, die er sich schon seit einigen Minuten wünschte, aber in diesem Moment nur so gut es ging vortäuschen konnte, widmete er sich einem der vielen Töpfe vor ihm. »Wenn du schon so fragst, weißt du doch, worauf ich hinauswill.« Zoros kehliges Auflachen sorgte dafür, dass ihm fast der Topf aus der Hand fiel. »Sex?« Nichts an dem animalischen Aufblitzen in seinen Augen erinnerte mehr an die abwehrende Haltung, die er noch vor einigen Sekunden eingenommen hatte. Ganz im Gegenteil; sein Grinsen bescherte Sanji ein Gefühl in der Magengegend, das er weder definieren wollte noch genau konnte. »Und wenn es so gewesen wäre? Was dann, Kochlöffel? Verurteilst du mich dann dafür?« »Ich würde dich nie wegen sowa—«, wollte Sanji hastig klarstellen, doch Zoro unterbrach ihn erneut. »Gut.« Der Blick, den Zoro ihm zuwarf, sagte ihm mit aller Deutlichkeit, dass er keine weiteren Fragen mehr beantworten würde. »Dann hättest wir das ja geklärt.« Eigentlich hatten sie das nicht, aber Sanji würde sich damit zufrieden geben müssen. Es stimme schon, dass Zoros Sex- oder gar Liebesleben ihn nichts anging; er wusste ja nicht einmal genau, warum die Frage ihn seit Tagen so intensiv beschäftigte. Er wusste auch nicht, warum das mulmige Gefühl in seinem Magen sich nicht verflüchtigte oder welche Antwort er sich erhofft hatte. Nur am Rande bemerkte Sanji, dass er mittlerweile das komplette Geschirr abgespült und zur Seite gestellt hatte. Er ließ das Wasser ablaufen, spülte die Schaumreste aus und griff sich dann ebenfalls ein Geschirrtuch, um Zoro beim Abtrocknen zu helfen. Die Stille zwischen ihnen war alles andere als angenehm, aber er war es selbst schuld, also konnte Sanji sich nicht wirklich beschweren. Irgendwann stellte Zoro den letzten Teller ab, warf sein Handtuch daneben und ging wortlos am Esstisch vorbei auf die Tür zu. »Er hat übrigens keine Gegenleistung gefordert«, sagte er so unvermittelt in die Stille hinein, dass Sanji kurz zusammenzuckte. Aus Reflex drehte er sich um und konnte gerade noch einen Blick auf Zoros Grinsen erhaschen, als dieser die Tür öffnete und die Küche verließ. »Aber wir haben es trotzdem getan.« Die Stille, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, hallte laut in Sanjis Ohren. Er stellte den Teller in seiner Hand ab, fummelte eine Zigarette aus seiner Hemdtasche, zündete sie mit viel zu zittrigen Fingern an und nahm einen langen Zug. Dann noch einen, und noch einen dritten, bis sein Herz endlich weniger wild in seiner Brust pochte. Er konnte nichts gegen das plötzliche Lachen tun, das seine Schultern schüttelte. Fast hätte er darüber den einsetzenden Regen überhört, der ihre baldige Ankunft auf der nächsten Insel ankündigte. »Scheiße.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)