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Der Palast in den Wolken

von

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Gift und andere Unglücke

Im Schatten der Bäume wurden Rin und Ah-Uhn nicht sofort von dem riesigen Dämon entdeckt, der auf die Lichtung getreten war. Aber offenbar war er auch nicht hinter ihnen her. Der Dämon blieb einen Moment ruhig auf der Lichtung stehen, bevor er sich wieder in Bewegung setzte.

Doch dann geschah etwas Seltsames. Es schien als würde sich der Yōkai in zwei Teile spalten. Die größere Hälfte verschwand in der Nacht und ließ nur die Gestalt eines Mannes zurück, der nun bewusstlos zu Boden fiel.

Offenbar war er von dem größeren Dämon besessen gewesen. Doch Rin ließ sich nicht täuschen. Auch dieser Mann war ein Dämon und es wunderte sie, dass jemand von ihm Besitz ergreifen konnte, denn offenbar war er die Quelle der großen Energie, die sie vorher gespürt hatte.

Ihr Blick ging von dem Yōkai zu Ah-Uhn und nachdem dieser nickte gingen sie hinüber zu dem Dämon. Vorsichtig kniete sich Rin neben ihm auf den Boden und drehte ihn auf den Rücken. Der Dämon war, wie alle Dämonen die sie kannte und die Menschengestalt annehmen konnten, ein wunderschöner Mann.

Sein Gesicht war fein gezeichnet und strahlte selbst in seinem jetzigen Zustand eine gewisse Macht aus. Sein schwarzes Haar glänzte wie Seide im Mondlicht und seine Kleidung war zwar die eines buddhistischen Mönches, doch die Qualität war sehr hochwertig. Sicher war er ein wohlhabender Mann.

Auf den ersten Blick konnte Rin keine Verletzungen erkennen, doch als sie den Oberkörper des Mannes anheben wollte, spürte sie Blut an ihren Händen. Die gesamte rechte Seite des Mannes war in Blut getränkt. Rin blickte zu Ah-Uhn auf und dieser legte sich ohne zu zögern hin.

„Wir müssen ihn zur Hütte bringen und seine Wunden versorgen!“, erklärte sie und zog den bewusstlosen Mann auf Ah-Uhns Rücken. Er war recht schwer, doch irgendwie schaffte sie es ihn schließlich in der Hütte unterzubringen.

Nachdem sie frisches Wasser und ein paar Tücher geholt hatte, machte sie dem Mann den Oberkörper frei, um seine Wunde zu waschen und zu untersuchen. In ihrer Tätigkeit als Heilerin hatte sie mittlerweile die Scheu vor nackter Haut verloren.

Es war eine gezackte Wunde, die von seiner Seite quer über seine Brust verlief und sehr tief reichte. Sie sah aus, als wäre sie von einem Schwert verursacht, oder von einer gewaltigen Energie.

Rin mischte einige Kräuter zusammen und verarbeitete sie zu einer Paste, die sie dick auf die Wunde auftrug. Anschließend verschloss sie alles mit einem Verband und schickte einen Impuls ihrer magischen Kräfte durch seinen Körper, der die Regeneration anregen sollte. Mehr konnte sie im Moment nicht für ihn tun, aber mithilfe der Paste würde sich die Wunde bald schließen.

Erschöpft verließ Rin die Hütte und fand Ah-Uhn sofort an ihrer Seite. Zärtlich streichelte sie den Drachen und lehnte sich an dessen warme Seite.

„Lass uns nach Hause gehen Ah-Uhn. Heute können wir hier nichts mehr ausrichten!“
 

Der nächste Morgen kam viel zu früh.

Es waren nur noch wenige Stunden bis zum Sonnenaufgang gewesen, als Rin in der Nacht nach Hause gekommen war. Und jetzt, kurz nach Sonnenaufgang, ging im Dorf das tägliche Leben wieder los.

Missmutig zog sie sich die Decke über den Kopf. Sie wollte weiter schlafen und etwas Ruhe und Frieden finden, doch dann ertönte auch schon eine Stimme, die ihren Namen rief.

„Rin-sama. Wir benötigen dringend eure Hilfe!“

Es war einer der Dorfbewohner und so blieb Rin nichts anderes übrig als sich anzukleiden und mit ihrem Medizinbeutel die Hütte zu verlassen. Direkt vor der Tür stand ein älterer Mann, der von der Arbeit gebeugt und dessen Haut von Sonne und Wind gegerbt war. Ganz so schlimm war es mit Rins Haut noch nicht, doch die ständige Arbeit in der Sonne hatte ihre Blässe bereits verschwinden lassen. Sollte ihr Lord an ihrem großen Tag erscheinen, dann würde er sie mit ihren abgearbeiteten Händen und der braunen Haut sicher nicht wieder erkennen. Doch jetzt blieb ihr keine Zeit darüber nachzudenken.

„Was ist passiert?“, fragte Rin mitfühlend.

„Herrin, mein Sohn! Wir waren im Wald um Holz zu schlagen, da fiel ein Baum nicht wie erwartet und traf ihn am Bein. Bitte, er darf es auf keinen Fall verlieren!“, rief der Mann verzweifelt woraufhin sich Rin von dem Vater zu seinem Sohn führen ließ.

Der Sohn saß im Wald neben dem umgefallenen Baum, die Lippen zusammengebissen, damit kein Laut darüber kam. Als Rin um den Stamm herum ging, konnte sie sich kaum vorstellen, welche Schmerzen er erleiden musste.

Der Baumstamm war direkt auf seinen Knöchel gefallen und hatte sicher seinen ganzen Knöchel sowie seinen Fuß zertrümmert. Das Flehen des Vaters war berechtigt gewesen und doch vergebens. Der junge Mann würde seinen Fuß verlieren, doch Rin konnte es so unkompliziert wie möglich machen.

„Ah-Uhn. Heb den Baumstamm für mich an. Ich muss das Bein befreien können um zu sehen was ich tun kann!“, wies Rin ihren Drachen an.

„Das wird jetzt weh tun, aber nur so kann ich sehen ob ich den Fuß retten kann!“, sagte Rin zu dem jungen Mann und als dieser nickte, gab sie Ah-Uhn ein Zeichen, damit dieser den Stamm anheben konnte.

Schnell zog sie das Bein unter dem Stamm hervor, was den jungen Mann vor Schmerz aufschreien ließ. Doch jetzt, da der Fuß frei war, konnte Rin endlich helfen und es war nicht so schlimm, wie sie erwartet hatte. Unter dem Stamm hatte sich eine kleine Kuhle befunden, die gerade groß genug für den Fuß gewesen war. Diesem Umstand verdankte der Mann sein Bein, denn so war nur der Knöchel gebrochen und nichts zertrümmert.

„Ich muss den Knöchel wieder richten, dass wird noch einmal schmerzen, doch wenn ihr das Bein in den nächsten Wochen still haltet, dann werdet ihr wieder gehen können und euer Bein behalten!“, erklärte Rin, nachdem sie den Knöchel untersucht hatte und sofort bracht der Vater des Mannes in Jubel und Dank aus.

Die dankenden Gebete des Vaters wurden nur einmal vom Schmerzensschrei des Sohnes unterbrochen, als Rin den Knöchel wieder in seine Ursprüngliche Form schob und diesen dann mit geraden Bambusstöcken und Verbänden schiente.

Die ganze Zeit über hatte der Sohn kein Wort gesagt und als Rin nach getaner Arbeit zu ihm aufsah, war sein Gesicht blass und er stand einer Ohnmacht nahe. Deshalb kramte sie in ihrem Beutel und zog ein kleines Päckchen hervor. Es waren Samenkörner, die in ein Blatt eingewickelt waren.

„Esst das. Es wird den Schmerz betäuben und dafür sorgen, dass ihr wieder Farbe ins Gesicht bekommt!“, erklärte sie und drückte das Päckchen in die zitternden Hände des Mannes.

„Habt vielen Dank Herrin. Ich weiß gar nicht wie ich euch das vergelten kann!“, sagte der Mann und warf sich vor ihre Füße, als Rin gerade gehen wollte.

Eine Geste, die Rin vor ihrem Aufenthalt in diesem Dorf noch nie ihr gegenüber erlebt hatte, aber an die sie sich langsam gewöhnt hatte. Die Menschen waren Dankbar für ihre Hilfe, dieses Gefühl bereitete ihr immer noch etwas Unbehagen, doch sie hatte von Kaede gelernt, dass es sich bei ihrem Gefühl um Bescheidenheit handelte. Sie wollte den Dank der Menschen nicht und glaubt auch nicht diesen zu verdienen, doch es schmeichelte ihr ein wenig, dass sie sich so verhielten.

„Ich müsst es mir nicht vergelten und ihr müsst nicht vor mir Knien. Es ist meine Aufgabe zu heilen und eure ist es jetzt dafür zu sorgen, dass euer Sohn gesund wird. Wenn ihr das für mich tut, dann habt ihr mir genug gedankt!“, erklärte sie sich.

Sie verneigte sich kurz vor beiden, dann ging sie mit Ah-Uhn davon.
 

Den restlichen Tag über war Rin damit beschäftigt den Menschen im Dorf zu helfen. Den Mittag verbrachte sie mit Shippō. Von dem sie all seine Abenteuer hören wollte, bevor sie sich mit Kagome traf, die jeden Nachmittag mit ihr übte ihre magischen Fähigkeiten zu verbessern.

Es war spät an diesem Nachmittag, bis es Rin endlich zu der Hütte am Waldrand schaffte. Es war niemand zu sehen, weder verletzte Dämonen, noch der Mann von gestern Nacht. Im Gegenteil. Es war erschreckend Still im Wald. Die Ereignisse der Nacht mussten die kleinen Dämonen verschreckt haben.

Leise öffnete Rin die Tür der Hütte und fand den Yōkai immer noch schlafend an der Stelle vor, an dem sie ihn zurückgelassen hatte. Offenbar war er doch schwerer verletzt als es den Anschein gemacht hatte.

Ihre mitgebrachten Kräuter verarbeitete sie wieder zu einer Paste, bevor sie die Verbände von der Brust des Mannes abnahm und die Wunde wieder reinigte. Sie hatte sich bereits etwas geschlossen, doch für die Stärke, die der Dämon ausstrahlte, hätte sie schon viel besser verheilt sein müssen.

„Was bist du nur für ein Wesen?“, fragte Rin eher zu sich selbst, als zu dem Dämon.

Diesmal inspizierte sie die Wunde gründlicher, bevor sie sie leichtfertig wieder mit der Paste verschloss. Die Kanten der Wunde waren gezackt, so als wäre die Haut aufgerissen und der Rand war leicht bläulich verfärbt. Rin zog die Augenbrauen zusammen. Sie hatte eine Vermutung, doch das konnte sie nicht allein mit ihren Augen bestätigen.

Vorsichtig beugte sie sich vor und roch an der Verletzung. Es war hauptsächlich der Geruch nach Blut, doch da war noch etwas anderes. Etwas Süßliches.

„Es ist Gift!“

Die unvermittelte Stimme des Mannes ließ Rin erschreckt zurückzucken. Sie hatte nicht bemerkt, dass er aufgewacht war und sie hatte keine Ahnung wie lange er sie schon beobachtete.

Der Yōkai belächelte ihre Reaktion amüsiert, während Rin ihn nur überrascht anstarren konnte. Mit dieser Vergiftung hatte sie nicht damit gerechnet, dass er so schnell wieder das Bewusstsein erlangen würde.

„Es ist mutig von dir, einfach allein hier her zu kommen und mich zu versorgen. Ich könnte dich im Handumdrehen töten. Dir dein kleines Herz herausreißen und in meiner Hand zerquetschen. Oder ich könnte dir deine Seele stehlen und über deinen Körper verfügen wie ich wollte!“

Seine Worte machten Rin keine Angst. Sie wusste das Ah-Uhn draußen war und sich schon bemerkbar gemacht hätte, wenn er Gefahr wittern würde. Und selbst wenn er ihr etwas antun würde und Ah-Uhn nichts ausrichten könnte, dann würde er zu seinem Meister zurückkehren und am Ende würde ihr Tod gerächt werden.

„Ihr macht mir keine Angst!“, stellte Rin deshalb klar und fand sich zurück in einer aufrechten Haltung.

Sie griff nach ihrem Beutel um eine weitere Zutat für ihre Paste herauszusuchen.

„Wer hat euch das angetan?“, fragte sie, während sie die neue Zutat mit dem Rest der Salbe vermischte.

Der Mann versuchte sich zu setzen, unterließ die Versuche allerdings schnell wieder, als die Wunde erneut zu Bluten begann. Rin griff sich ein Tuch und wischte das Blut von seiner Brust.

„Du bist ein seltsames Mädchen. Du hast wirklich keine Angst!“, stellte er nach einigen Minuten fest ohne ihr eine Antwort zu geben.

„Ihr Dämonen versteckt euch hinter euren schneidenden Worten und wilden Drohungen, nur damit ihr nicht sagen müsst, was ihr wirklich sagen wollt!“, erklärte sich Rin, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.

„Und was sollte ich einem kleinen Menschenmädchen wie dir sagen wollen?“

Ohne zu Antworten strich Rin die Paste auf die Wunde. Diesmal war aus der grünen Farbe eine eher bräunliche geworden. Ein Gegengift mit dem die Wunde schneller heilen würde. Nachdem sie die Paste verstrichen hatte, verband sie alles wieder und wusch sich die Hände. Erst dann begegnete sie dem Blick des Yōkai. Seine dunklen Augen fixierten sie und die goldenen Sprenkel darin leuchteten wie ein Feuerwerk.

„Danke! Ihr wollt Danke sagen!“, erklärte sich Rin, bevor sie alles zusammen packte und die Hütte verlassen wollte.

„Und wenn du recht hast?“

Die Frage des Mannes ließ sie an der Tür inne halten. Sie zögerte einen Moment, bevor sie sich noch einmal zu ihm umdrehte, ein breites Lächeln im Gesicht.

„Ich weiß dass ich Recht habe und ich kann euch sagen, dass es mir eine Freude ist jedem Wesen auf der Welt zu helfen, dass meine Hilfe braucht. Ruht euch jetzt aus, die Wunde wird bald verheilen!“

Das Blinzeln des Dämons ließ Rins Lächeln nur noch breiter werden. Wie so oft war ihr die Nähe zu Dämonen angenehmer als zu Menschen und wie so oft schien sie diese auch viel besser zu verstehen als ihresgleichen.

„Gute Nacht!“, sagte Rin nach einem Moment, dann schlüpfte sie durch die Tür hinaus in die kühle Abendluft.

Ah-Uhn beobachtete sie aufmerksam und auch ihm schenkte Rin ein Lächeln, bevor sie seine Köpfe streichelte und zwei Äpfel aus ihrer Tasche zauberte.

„Für euch meine Freunde. Wir sollte jetzt zurückgehen!“, sagte sie und fühlte sich dabei so gut wie lange nicht mehr.

Es war die erste Nacht seit langem, in der sie wieder einmal durchschlafen konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-09-19T11:41:12+00:00 19.09.2019 13:41
ein sehr schönes kapitel. was ist nur mit diesen Dämon . und wer hat in so verletzt ? Sess vieleicht ?
Von:  Anitasan
2017-08-07T13:51:04+00:00 07.08.2017 15:51
Spannendes Kapitel.
Ich lese schnell weiter.
LG Anitasan
Von: abgemeldet
2016-10-02T08:53:38+00:00 02.10.2016 10:53
Hallo!
 
Oha, es war wirklich nicht Sesshoumaru, aber ich habe seit dem Titel die Vermutung, er könne hinter der Verletzung des fremden Dämons stecken, denn seine Klauen könnten auch die Wundränder erklären. Ich war unheimlich neugierig darauf, was Rin feststellen würde - ach, aber das Geheimnis dauert noch etwas an. Sehr schön, um mich als Leserin zu faszinieren und am Ball zu halten! :-)
Ich bin auch erschrocken, als der Dämon sie aus dem Nichts heraus ansprach. Er strahlt nicht nur Selbstgefälligkeit aus, sondern wirkt die ganze Zeit, als sollte man ihm nicht den Rücken zukehren. Rin hat ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt, geschweige denn, wo er sich das zuzog. Das fällt ihr bestimmt noch auf die Füße, aber Dämonen mögen es bestimmt nicht, allzu viel gefragt zu werden, da könnte sie das generell so halten. Puh! Ich bin gespannt, ob sich Ah-Uhns Verhalten ändert, wenn der Mann wieder fitter wird. Den Drachen als Erklärung zu nutzen, wieso sie ruhig und recht zuversichtlich bleibt, fand ich klasse gemacht. Logisch und naheliegend, keine Frage. Das unterstreicht auch nochmal die Aussage, dass sich Rin in dämonischer Nähe wohler fühlt. Sie bleibt dennoch respektvoller, als ihr Gast, der sie duzt. Auffallend, ebenso ein schönes Detail.
Du kannst aber noch die Anzahl der Ausrufezeichen reduzieren. Vor Inquits wie 'sagt', 'wies hin', 'erklärte' (schöne Variabilität!) sind die nicht nötig, einfach weglassen. :-) Optional könntest du auch noch das Aussehen der inneren Hütte näher beschreiben.
Ah, und fast vergessen: Am Anfang, als die Spaltung beschrieben wurde, saß ich mit glänzenden Augen da. Ebenso, als diese umfassende Stille beschrieben wurde. So eine intensive Atmosphäre!
 
Viele Grüße, Morgi
KomMission-Unterstützerin, für mehr Feedback auf Animexx
Von:  Kyandoru
2016-09-25T12:38:16+00:00 25.09.2016 14:38
Rin ist richtig erwachsen geworden oder? Sehr spannende Story sehr detailiert und man merkt die Mühe die da hinter steckt :) Ich freue mich schon auf's nächste Kapitel
Antwort von:  C-T-Black
25.09.2016 22:41
Ja das ist sie :) Vor allem durch die Jahre, in denen sie allein Kaedes Aufgaben übernommen hat. Aber ich will auch, dass sie ein bisschen reifer ist, damit sie am Ende besser zu Sesshōmaru passt ^^
Es freut mich auf jeden Fall, wenn ich damit begeistern kann. :)


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