Digimon 00001100 von UrrSharrador (Samsara Madness [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 28: Schlangenbeschwörer und Herzensangelegenheiten ---------------------------------------------------------- Nach und nach klärte sich Jagaris Blick wieder, ohne dass er wusste, was los war oder wie viel Zeit eigentlich vergangen war, seit LordMyotismons Attacke sie erwischt hatte. Zuerst war er so froh darüber, wieder sehen zu können, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Hastig wischte er sie weg. „Hey.“ Jagari zuckte zurück, vornehmlich, weil er immer noch nur Umrisse sah, aber schließlich erkannte er Kouki, der sich zu ihnen gesellte. „Was ist geschehen?“, murmelte Tageko. Sie war ganz in der Nähe, stützte sich an der Wand ab. „Hast du es …?“ „Ja.“ Kouki schien ungewöhnlich ernst. Er legte die Hand in die Flanke seines Digimons und sah irgendwie traurig aus. Tageko stieß einen erleichterten Seufzer aus. Nach und nach scharten sich auch die anderen um den Helden der Stunde. Fumiko machte einen Schritt auf sie zu, verharrte aber, als sie seinem Blick begegnete. Als sie sich vergewissert hatten, dass keine bösartigen Digimon mehr am Leben waren, digitierten ihre Partner zurück. Auch sie wirkten völlig verausgabt. Gegen so viele Digimon hintereinander hatten sie noch nie gekämpft. In Stichworten tauschten Tageko und Kouki aus, was ihnen seit diesem hirnrissigen Streit widerfahren war. Kouki entschuldigte sich ebenfalls für sein Verhalten, sah dabei aber eigentlich nur Fumiko an. Taneo erkundete derweilen den Saal und meinte dann, sie sollten sich beeilen und von hier verschwinden. Auch für Jagaris Geschmack konnten sie gar nicht schnell genug aus diesen gruseligen Hallen rauskommen, und ihrem Tempo sah man ihre Erschöpfung an. Taneo bestand darauf, Soulmon zu befreien, da es offenbar die Wahrheit gesagt hatte. Er wurde mit den Argumenten überstimmt, dass dem Geistdigimon dennoch nicht zu trauen wäre, machte dann aber Anstalten, sich allein auf den Weg zu machen. Resigniert beschloss Tageko, dass sie alle gemeinsam gehen und dabei keine Zeit verschwenden würden. Sie fanden Soulmons Verlies jedoch leer vor. Die Gitterstäbe, die beim letzten Mal so seltsam schwarz geglüht hatten, waren nun ganz gewöhnlich, wenn auch unbeschädigt. Wahrscheinlich war LordMyotismons Kraft auch an diesem Ort versiegt und das Geistdigimon von alleine freigekommen. Schließlich folgten die DigiRitter dem Weg nach draußen, und Jagari hatte irgendwie das Gefühl, dass selbst außerhalb der Finsterzitadelle kein Licht scheinen würde, kein Mond und keine Sterne, nie wieder. Im ersten Moment schien er fast recht zu behalten. Der lange Gang endete an einem gigantischen Tor aus schwarzem Stein, das natürlich geschlossen war. Mit letzter Kraft digitierte Elecmon erneut, weil Tyrannomon ihr kräftigstes Champion-Digimon war, und drückte das Tor nur einen kleinen Spalt auf, der sie schließlich in tiefdunkle Nacht hinaus spuckte. Erst war Jagari ganz beklommen zumute, dann verschwanden die Wolken vor den Sternen und ein samtener Nachthimmel ließ sich erkennen. Sie befanden sich mitten in den Bergen, wo ein schneidend kalter Wind fauchte. Die Zitadelle schien selbst mit einem Berg zu verschmelzen; wäre da nicht der schwarze Fleck des Tores, hätte man gar nicht den Eindruck, dass hier Digimon leben könnten. „Und wohin jetzt?“, fragte Jagari unsicher und fröstelte. In jeder Richtung war nur grauer Fels zu sehen. Kokuwamon flog in die Höhe und sah sich um, doch auch es konnte wenig erkennen. „Das könnte eine kalte Nacht werden“, meinte Tageko und schien es ernst zu meinen. Es war ein schwerer Fehler gewesen, keine Vorräte mitzunehmen. Sie hatten eigentlich den Lichtsamen überrennen und flugs wieder heimkehren wollen, nun waren sie in den Bergen gestrandet. In eine Höhle in einer schaurig geformten Bergflanke, eine halbe Wegstunde vom Eingang der Festung entfernt, schlugen die DigiRitter ihr Nachtlager auf. Es stellte sich heraus, dass Tageko Schokoriegel mitgebracht hatte, die sie an alle verteilte. Jagaris Hunger stachelten sie eher an, als dass sie ihn stillten. Schließlich versuchten sie, ein wenig Schlaf zu finden. Auch hier war es scheußlich kalt, also schlug Kouki vor, dass sie sich eng aneinander schmiegen sollten. Das hatte natürlich eine peinliche Diskussion mit Renji zur Folge, die damit endete, dass je die beiden Mädchen und Mushroomon, Renji und Kouki mit ihren Digimon, und Jagari und Taneo mit den ihren auf einem Fleck des Felsenbodens landeten. Candlemons Flamme war die einzige Lichtquelle, und gesprochen wurde überhaupt nicht mehr. Kouki schien immer noch wegen irgendetwas bedrückt zu sein, und seine Stimmung färbte auf die anderen ab. Jagari streichelte Elecmons warmes Fell, bis er in einen kalten und unruhigen Schlaf fiel.   Kouki fand keine Ruhe. Er kraulte Salamon im Nacken und dachte nach. Eigentlich hatte er gedacht, wenn er es an LordMyotismon rächte, würde es ihnen beiden besser gehen. Das Gegenteil war der Fall. Irgendwie hatte es alte Wunden aufgerissen. Aber immerhin war LordMyotismon definitiv überrascht gewesen, als es Salamons neue Form gesehen hatte. Salamon bemerkte, dass Koukis Hand innehielt. Es drehte das Köpfchen und vergrub es von sich aus in seiner Handfläche. Er lächelte. Plötzlich wusste er genau, was sein Digimon dachte. Es war noch alles genau wie vorher. Sie hatten sich schon vor geraumer Zeit mit Salamons Verstümmelung abgefunden und das Beste daraus gemacht. Es lohnte sich nicht, jetzt wieder darüber nachzugrübeln. Mit dem heutigen Tag war das Thema abgeschlossen. Er wusste, dass Salamon genauso empfand. Sie waren immer noch zusammen, ein eingeschworenes Team. Und das würden sie bleiben.   Was hätte Tageko nicht alles für einen ordentlichen Kaffee gegeben. Sie streckte sich in der Morgenluft, die noch kälter schien als bei Nacht, und betrachtete die Landschaft vor ihrer Höhle. Sie sah Schattierungen von Düsterweiß bis zu bleichem Schwarz. Die Sonne stand schon recht hoch; sie hatten länger geschlafen, als sie gewollt hatte. Zum Glück war nichts passiert. Auf ihrer mentalen Liste vermerkte Tageko, niemals mehr ohne vollständige Ausrüstung in die DigiWelt zu gehen, egal, wie lange sie zu bleiben beabsichtigten. Kouki ging es wieder besser. Er und Salamon scherzten über das fehlende Frühstück, was bei Renji auf eine saure Reaktion stieß. Es war wahrscheinlich gut, dass wieder ein wenig Normalität einkehrte. Da ihre Digimon unmöglich noch einmal kämpfen konnten, gingen sie schließlich das Risiko ein, sich aufzuteilen und nach Wegen zu suchen, auf denen sie dieses Niemandsland verlassen konnten. Es war Kokuwamon, das von einem Pfad in ein grünes Tal berichtete, als sie sich gegen Mittag wieder trafen. Das Tal selbst erreichten sie mit schmerzenden Beinen, knurrenden Mägen und Blasen an den Füßen erst am Abend. Es war weit gefehlt, die Gegend fruchtbar zu nennen; das Grün war so blass, dass vermutlich nur der Kontrast zu den umliegenden Bergen ihm den Eindruck dieser Farbe verlieh. Und zu ihrer großen Enttäuschung war es vollständig unbewohnt; die paar steinernen Gebilde, die Kokuwamon entdeckt hatte, waren, sofern sie überhaupt Wohngebäude darstellten, verlassen. Tageko begann sich schon ernsthafte Sorgen zu machen, als Jagari aufgeregt angelaufen kam und berichtete, dass er im hintersten Winkel des Tals in einer kleinen Felsnische einen Fernseher gefunden hatte. Fast gierig, als könnten LordMyotismons davongetriebene Datenreste auch dieses Tor in die Menschenwelt zerstören, drängten sich die DigiRitter vor das Gerät und landeten wieder in ihrer Heimat.   „Wenn das mal kein Schuss in den Ofen war“, seufzte Renji. „Das kannst du laut sagen. Wir wären fast gestorben, mal wieder – und wir sind nicht mal in die Nähe eines Samens gekommen“, meinte Tageko. „So würde ich das nicht sehen“, sagte Fumiko. „Ein Asura weniger ist auch eine Leistung.“ Dagegen konnte niemand etwas sagen. Da alle so hungrig wie der sprichwörtliche Bär waren, verköstigte Renji sie mit allem, was sein Kühlschrank hergab. Danach machten sie sich auf den Weg nachhause, da sie auch so müde wie ein Bär waren, den man aus seinem wohlverdienten Winterschlaf geweckt hatte. Fürs Erste schmiedete niemand Pläne für die Zukunft, sie waren einfach nur froh, das jüngste Abenteuer überstanden zu haben. Am nächsten Tag überraschte sie alle eine SMS von Kouki. Es ging um nichts, was mit der DigiWelt zu tun hatte; er fragte die anderen einfach nur, ob sie Zeit und Lust hätten, gemeinsam ins Kino zu gehen. Sogar Renji kam, und das Staunen der anderen brachte ihn sichtlich in Verlegenheit. Budmon, Motimon und Kyaromon waren klein genug, dass sie sie ebenfalls in den Kinosaal schmuggeln konnten. Unter den Jacken ihrer Partner lugten sie hervor und betrachteten fasziniert die bewegten Bilder auf der Leinwand. Zum Glück hatte Kouki eine Komödie gewählt. Wäre es ein Horrorfilm gewesen, wären sie vielleicht digitiert und hätten gegen die scheinbar riesigen Monster gekämpft, dachte Jagari belustigt. Als sie, immer noch lachend, aus dem Kino spazierten, entschieden sie, beim nächsten McDonald‘s zu Abend zu essen. Sie erwähnten die DigiWelt immer noch gelegentlich, aber es lief nicht auf striktes Planen hinaus wie üblicherweise. Für Jagari fühlte es sich tatsächlich so an, als wäre er mit Freunden unterwegs. Es war ein schöner Abend. Als Renji sich zum vierten Mal Pommes nachgeholt hatte und als Letzter noch aß, räusperte sich Fumiko. „Ich habe was anzukündigen.“ Sofort waren die anderen still und sahen sie erwartungsvoll an. „Also … Ich habe ja demnächst Geburtstag und dachte mir … Ich will euch gern einladen. Die Party ist am sechsundzwanzigsten bei mir zu Hause. Würde mich freuen, wenn ihr Zeit habt.“ Sie sah die anderen nacheinander an und Jagari meinte ein gespanntes Funkeln in ihren Augen zu sehen. „Klar kommen wir!“, rief Kouki sofort. „Stimmt’s, Renji?“ „Darauf kannst du einen lassen“, grinste der blonde Junge und verschonte sie sogar mit seinem typischen Fumiko-chan-Gesäusel. Tageko lächelte. „Gerne.“ Auch Taneo nickte lächelnd. Jagari schluckte. Wie lange war es her, dass er auf einer Geburtstagsparty eingeladen gewesen war? Das letzte Mal musste in der Grundschule gewesen sein, wenn überhaupt. Er konnte gar nicht in Worte fassen, wie sehr er sich freute. „Ich … Ich komme sehr gerne!“, sagte er laut und so schnell, dass er sich verhaspelte. „Was ist mit uns?“, rief Kyaromon unter Renjis Jacke hervor. „Pscht!“, herrschte sein Partner ihn an. Fumiko lächelte es an. „Die Digimon sind natürlich auch alle eingeladen.“ Kyaromon jauchzte vor Freude auf und sprang aus seinem Versteck hervor, um auf Renjis Kopf herumzutanzen. Während Renji versuchte, es wieder einzufangen, ehe man es sah, beschlichen Jagari dunkle Zweifel. Zählte eine Einladung von Fumiko überhaupt? Zählte sie so richtig? Er wusste, dass er im Grunde kaum Freunde hatte, die er persönlich kannte. Vielleicht gar keine. Was waren dann Fumiko und die anderen für ihn? Er machte sich nichts vor; wenn sie nicht im selben Boot säßen wegen der DigiWelt und ihrer Mission, wäre Fumiko nie auf die Idee gekommen, ihn einzuladen. Für Kouki und die anderen war es vielleicht selbstverständlich, mit irgendjemandem ausgelassen zu feiern. Für ihn nicht. Selbst wenn Fumiko mit ihnen als Freunde feiern wollte und nicht als Kollegen oder etwas in der Art – wer sagte ihm, dass sie ihn nicht nur dabeihaben wollte, weil es seltsam aussähe, bekäme er als Einziger keine Einladung? Motimon bemerkte seinen Stimmungswechsel sofort. „Was ist denn los, Jagari?“, fragte er leise. „Nichts“, murmelte Jagari und stand auf. „Ich geh mal auf die Toilette.“ Als er die Türen am hinteren Ende der McDonald‘s-Filiale ansteuerte, meinte er Tagekos Blicke im Rücken zu spüren, aber vielleicht täuschte er sich.   „Wo willst du denn so eilig hin?“ Wisemon fuhr erschrocken herum. Persiamon hatte nicht geglaubt, dass man den Forscher so einfach überraschen konnte – offenbar funktionierte es, wenn man samtweiche Pfoten hatte. „Oh, Persiamon, welche Ehre. Ich würde Euch einen Stuhl anbieten, aber wie Ihr seht, sind wir gerade am Aufbrechen.“ Wenn man es schon in seinem Gesicht nicht sehen konnte, so machten wenigstens die Hände, die es nicht stillhalten konnten, auf seine Nervosität aufmerksam. Clockmon hastete eben mit einem Stapel gelb glühender Röhren durch das Labor. Als es Persiamon bemerkte, stockte es kurz im Schritt, verbeugte sich und ging dann mit normaler Geschwindigkeit – und auffällig unauffällig – weiter. Die beiden hatten sich eiligst daran gemacht, nach dem Tod ihres Schirmherrn dessen Labor zu räumen. Nun wirkte es, als hätte jegliche Hast ihren Sinn verloren, da ein anderes Asura sie erwischt hatte, noch bevor sie klammheimlich verschwinden konnten. „Wollt ihr beide etwa Urlaub machen?“, fragte Persiamon süffisant. „Nein. Ja. Das heißt, wir …“ Wisemon verstummte und tat, als würde es das Computerpult hinter sich putzen. Sein Benehmen war einigermaßen witzig. Als es dann noch ein Reagenzglas verschüttete, dessen Inhalt gelblich über die Armaturen tropfte, lachte Persiamon glockenhell auf und trat näher. „Ich hörte, du hast einige interessante Forschungen betrieben. Du hast ein künstliches Licht der Digitation entwickelt, ist es nicht so?“ „Nun das, ja, wie soll ich sagen … LordMyotismon hat mir streng untersagt, es auszutesten, weil …“ „Aber LordMyotismon ist nicht mehr hier. Zu seinem eigenen Pech war es zu feige, die Gelegenheit sofort am Schopf zu packen.“ Persiamons Krallen strichen über Wisemons Kutte, dort, wo sein Hals war. „Ich habe viel zu lange mit dem Digitieren gewartet. Ich bin sicher, du bist über einen neuen Arbeitgeber froh – auch wenn meine Geduld beinahe erschöpft ist. Und du suchst doch sicher nach neuen Forschungsdaten. Warum ziehen wir nicht beide einen Vorteil aus LordMyotismons Ableben?“, schnurrte es.   Fumiko war froh, dass alle zu ihrer Geburtstagsfeier erscheinen wollten. Auch wenn sie es nicht offen zeigte, freute sie sich schon sehr darauf, obwohl es noch fast einen Monat bis dahin war. Die Goldene Woche verging natürlich viel zu schnell. Auch in Bezug auf die DigiWelt verbrachten die DigiRitter sie recht sorglos. Natürlich lagen sie nicht auf der faulen Haut, aber Taneo und Tageko wollten nach dem letzten Reinfall einen besseren Überblick über die DigiWelt gewinnen, und das beinhaltete nur Spionage- und keine Kampfaufgaben. Jeweils zu zweit erkundeten die DigiRitter neue und bekannte Gebiete, stellten fest, wo die Fernseher gestohlen worden waren, und fragten einheimische Digimon über die Asuras aus. Dabei gingen sie sehr verdeckt vor; Kouki meinte einmal im Scherz, er fühle sich wie ein Undercover-Agent, und so falsch war das gar nicht. Jagari verzeichnete die Ergebnisse aller Erkundungstouren genau auf seiner Karte. Taneo ergänzte sie mit Anmerkungen wie der Gefahrenstufe eines Eintritts in die DigiWelt an der Stelle oder der Wahrscheinlichkeit, dass die Asuras dort einfallen oder zumindest den Fernseher an sich reißen würden. Die beiden Jüngeren arbeiteten in der Zeit recht eng zusammen. Ein Bekannter von Jagari hatte offenbar einen Schlachtplan für ihre Digimon ausgearbeitet, und daran tüftelten sie eine Weile herum, verfeinerten ihn und bezogen sogar das Terrain, das Klima und mögliche Wetterbedingungen in den einzelnen Gebieten in ihre Berechnungen. Irgendwann nannte Kouki Jagaris Zimmer, in dem sie sich oft stundenlang verschanzten, taktisches Hauptquartier. Ansonsten wiederholten sie den gemeinsamen Abend und sahen sich bei Kouki DVDs an oder gingen zu sechst in ein Game-Center. Jagari wirkte bei jedem der Treffen, als bedrückte ihn etwas, aber Fumiko kam nicht darauf, was es sein könnte. Er mied die meiste Gespräche, machte überall mit und hatte ganz offensichtlich Spaß dabei, aber es war, als würde dann und wann ein Schatten über sein Gesicht laufen, wenn er sich an etwas erinnerte. Die Digimon fühlten sich in dieser Zeit etwas vernachlässigt. Einige von ihnen könnten die DigiRitter zwar mitnehmen; da es für die anderen allerdings unfair gewesen wäre, ließen sie sie meist bei Taneo oder Kouki daheim, wo sie – möglichst leise – spielen konnten. Kokuwamon schien es zum ersten Mal zu bereuen, dass es in der Realen Welt auf dem Rookie-Level bleiben konnte. Am Abend des Sonntags, bevor die Schule wieder losging, hatten sie sich mal wieder bei Jagari im Zimmer versammelt. Es war ein einfacher Snackabend mit anschließendem strategischem Meeting, und auch die Digimon waren dabei. Zuvor machten Fumiko und Kouki jedoch eine Verkündigung, von der sie nicht sicher war, wie sie bei den anderen ankommen würde. Renjis Reaktion war natürlich die ausdrucksstärkste; seine Kinnlade klappte buchstäblich nach unten. „Ihr … ihr seid jetzt zusammen?“ „Tja, hat sich irgendwie so ergeben.“ Kouki zuckte lächelnd mit den Schultern und drückte Fumikos Hand. „Tut mir leid, Kumpel. Aber wir wollten’s dir auch nicht verschweigen.“ Renji schluckte, starrte von Kouki zu Fumiko und wieder zurück. „Schon okay. Kein Problem“, meinte er dann und grinste. „Freut mich für euch.“ Fumiko fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte befürchtet, dass Renji ein Riesentheater daraus machen würde, aber offenbar waren seine Gefühle für sie tatsächlich rein aus Stolz und Ehre oder so etwas geboren. Nicht, dass sie in der Hinsicht Skrupel gehabt oder sich etwas aus seinen Einwänden gemacht hätte, aber sie wollte auch nicht absichtlich das Team gefährden. Sie hatte sich in der Goldenen Woche auch ein paar Mal allein mit Kouki getroffen. Sie waren essen gegangen oder einfach nur spazieren – seltener zum Karaoke, seit Kouki einmal lachend angemerkt hatte, wie schrecklich Fumiko sang, was leider der Wahrheit entsprach. Diese Momente waren irgendwie die schönsten in der ganzen Woche gewesen. Anfangs hatte sie sich eingeredet, sie würde Kouki nur von seinen Sorgen wegen Salamon ablenken wollen und bräuchte selbst etwas Beistand wegen ihrem ungeborenen Partner, aber natürlich war dem nicht so. „Das ist toll. Glückwunsch, Fumiko“, meinte Tageko lächelnd. „Danke.“ Sie lächelte zurück. „Hey, und was ist mit mir? Hab ich keinen Glückwunsch verdient?“, empörte sich Kouki scherzhaft. „Hmm“, sinnierte Tageko. „Eigentlich schon, aber ich dachte, du hast schon eine ganze Wagenladung Glück gehabt, dass Fumiko dich genommen hat.“ Kouki lachte selbst über diesen Scherz. „Wie kam das eigentlich so schnell? Ich meine, es ist schon ziemlich unerwartet“, meinte Jagari. Fumiko und Kouki sahen einander an. „Tja, keine Ahnung“, meinte er. „Wir haben schon länger was gemeinsam unternommen und, naja“, er zuckte mit den Schultern, „neulich haben wir uns gesagt, machen wir’s doch offiziell.“ „Hä? Das mit euch läuft schon länger?“, rief Renji aus. „Ich hab überhaupt nichts davon gemerkt!“ Seinen Worten folgte neues Gelächter auf dem Fuß. Renji schürzte wichtig die Lippen. „Also schön. Kouki kann ich Fumiko-chan wohl überlassen. Fumiko, du hast dir da einen guten Kerl aufgerissen.“ „Ich weiß“, erklärte sie grinsend. „Und du hörst jetzt auf mit deiner Wichtigtuerei.“ Tageko boxte Renji gut gelaunt gegen den Arm. „Ich würde sagen, das gehört gefeiert, meint ihr nicht?“ „Das klingt aber gar nicht nach dir, Frau Lehrerin“, ahmte Renji die Stimme eines quengelnden Kindes nach. „Ob der kleine Renji mitdarf, muss ich mir auch noch gut überlegen.“ Fumiko fand, es hätte ein sehr lustiger und unbeschwerter Abend sein können, hätten sie nicht noch über ihre weiteren Schritte in der DigiWelt sprechen müssen. Zum wahrscheinlich ersten Mal verabscheute sie die Existenz der digitalen Welt.   Der Plan war ziemlich komplex. Taneo bestand darauf, dass sie ihn sich alle gut einprägten. Renji hatte aufgehört, ihn mit Zwischenrufen zu diskreditieren, stattdessen fluchte er nur, weil er sich die ganzen Einstiegspunkte und Abzweigungen, die Taneo miteinkalkuliert hatte, kaum merken konnte. Sie würden denselben Samen wie beim letzten Versuch aufs Korn nehmen. In dieser Woche hatte sich in seiner Nähe nur Orochimon blicken lassen. Gemeinsam hatten sie gegen das Digimon vermutlich eine reelle Chance. Das größte Risiko barg die Tatsache, dass viele der gewöhnlichen Digimon, die in benachbarten Gebieten wohnten, gar nicht wussten, wer die einzelnen Asuras waren, und außer Orochimon kannten auch die DigiRitter keines mehr. Taneo war jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Asuras sich in ihrem Verhalten wohl von anderen Digimon unterscheiden müssten, und außerdem kamen kaum fremde, starke Digimon in das Gebiet mit dem Dornenwald. Er hatte daher die Theorie aufgestellt, dass die Asuras noch etwas anderes planten, vielleicht irgendwo in der DigiWelt gegen Rebellen oder etwas in der Art kämpften und deswegen die Samen relativ unbewacht blieben. Ansonsten war der Plan jedoch idiotensicher, wie er behauptete. Im schlimmsten Fall würden sie fliehen und auf eine neue Gelegenheit warten, sich des Samens anzunehmen. Allzu groß war die Gefahr diesmal nicht, dafür hatte er gesorgt. Als sie am Mittwoch nach der Schule von Tagekos Computer aus aufbrachen – ihre Mutter hatte an diesem Tag frei und unternahm mit Tagekos Geschwistern einen Ausflug –, berührte Fumiko sacht Koukis Hand. Sie waren die Letzten, die in die DigiWelt gehen würden. „Danke“, sagte sie tonlos. „Wofür?“ „Dass du mich mitkommen lässt. Ich kann mir vorstellen, dass dir nicht wohl dabei ist.“ „Weil du kein Digimon hast und wir jetzt zusammen sind?“ Kouki lachte. „Du siehst zu viele kitschige Filme. Ich hab deine Judo-Griffe noch nicht vergessen.“ Er hatte sie einmal aufgefordert, ihre Kampfkünste an ihm auszuprobieren. Allein bei der Erinnerung tat ihm noch alles weh. „Ich bin sogar sehr dafür, dass du mitkommst. Ich hoffe nämlich, dass du mich beschützt, wenn es hart auf hart kommt.“ Fumiko schmunzelte. „Trotzdem danke. Wollen wir los?“ „Gironimo!“   Der Nachmittag war fast ein Abend. Irgendwie schien der Himmel rötlich zu sein, wo er nicht von Wolken bedeckt war. Die DigiRitter näherten sich von verschiedenen Richtungen dem Samen. Taneo und Jagari hatten zuvor schon ausgekundschaftet, in welchen Gebieten es noch Fernseher gab. Je zu zweit machten sie sich auf die Reise zu dem Gebiet mit dem dornigen Wald und dem Feld mit dem Lichtsamen, und hatten dabei schwere Last zu tragen. Orochimon schlief sogar direkt auf dem Feld, das von der Ferne gesehen wie ein riesiges, kariertes Tischtuch aussah. Der Gedanke brachte Taneo zum Schmunzeln. Wenn sein Plan aufging, würde ihnen das Essen nicht allzu schwer im Magen liegen. Das Asura bemerkte sie schon aus der Ferne. „Willkommen!“, grollte es und bäumte sich auf. Seine Köpfe zuckten in die verschiedenen Richtungen, und noch ehe es sich auf einen von ihnen konzentrieren konnte, griffen die DigiRitter auch schon an. Cyberdramon übernahm die Attacken aus mittelgroßer Distanz. Orochimon war an Land sehr träge und konnte seinen geschossenen Ausradierkrallen kaum ausweichen, die sich zischend in seine Haut fraßen. Allein seine schiere Größe rettete das Asura vor der sofortigen Vernichtung. Natürlich richtete es nun sein ganzes Augenmerk auf Cyberdramon, hob seinen feuerspeienden Kopf und rief: „Sake-Power!“ Der Feuerstoß kam genau wie erwartet. Nicht umsonst war Renji mit Taneo gegangen, obwohl sie erst ein einziges Mal gut zusammengearbeitet hatten. Meramon warf sich vor das Drachendigimon, das mit seinen Angriffen innehielt – und bekam die volle Ladung des Feuerstoßes ab. Taneo unterdrückte den Impuls, an den Fingernägeln kauen zu wollen. Würde es gutgehen? Es ging gut. Als die Flammen versiegten, war Meramons Größe auf das Vierfache angeschwollen. Auch wenn es sich nun erschöpft nach hinten sinken ließ und dabei Quadratmeter von Wiese versengte, es ging ihm gut. Und im nächsten Moment schoss Cyberdramon wieder seine Ausradierkralle auf das Asura. Dann waren auch die anderen da. Orochimon robbte sich langsam in Cyberdramons Nähe, als es hinter sich die anderen DigiRitter heranlaufen sah. Es musste glauben, Taneo wolle es von seinem Schatz weglocken – eisern hielt es die Stellung und peitschte mit seinem Schwanz nach Blossomon und Tyrannomon. „Ihr seid viel frecher als beim letzten Mal“, stellte es fest. „Lästig.“ Taneo konnte Jagari etwas zur Erwiderung schreien hören, aber er verstand die Worte nicht. Wie geplant verschoss Blossomon seine Spiralblumen und umwickelte damit mehr oder weniger Orochimon Schwanz. Das riesige Schlangendigimon befreite sich mühelos aus dem Würgegriff, indem es Blossomon einfach fortschleuderte, aber die kurze Zeit, in der es abgelenkt war, reichten Nefertimon und Kouki und Fumiko, die auf seinem Rücken saßen. Sie umflogen Orochimons Hauptkopf und deckten ihn mit einem vernichtenden Hagel aus Edelsteinen ein. Indessen spielte Tyrannomon weiter das lästige Insekt, das die Haut des Asuras verbrannte. In ohnmächtiger Wut brüllte Orochimon auf und schlug um sich. Es bewegte sich nun tatsächlich auf Cyberdramon zu und versuchte eine neuerliche Sake-Power. „Meramon soll nichts tun“, sagte Taneo. „Nur angreifen.“ Er wollte es nicht ein weiteres Mal der Feuerattacke aussetzen. Wer wusste schon, wie viel es ertragen konnte? Cyberdramon schaffte es auch so, auszuweichen. „Tu, was er sagt“, sagte Renji. Meramon rappelte sich hoch und lief in weitem Bogen um das Digimon herum. Dank seiner neuen Größe war es viel schneller, wenngleich der Boden unter seinen Schritten erzitterte. Im Laufen schoss es Feuerbälle auf Orochimons Körper ab und verminderte damit zusätzlich seine Zielgenauigkeit. Der nächste Teil des Plans wurde gestartet. Orochimon robbte sich weiter auf Taneo und Cyberdramon zu, die es als die größte Gefahr erachtete. Kaum dass es die Digimon in seinem Rücken vernachlässigt hatte, setzte Nefertimon Fumiko beim Samen ab, die begann, ihn mit ihrem DigiVice zu reinigen. Orochimon schien die Veränderung in seinem Netz aus Chaos zu spüren, denn sein neuerliches Fauchen klang schon fast verzweifelt. Es drehte den Kopf nach Fumiko um – und wurde prompt von einer ganzen Ladung Spiralblumen, Feuerstößen und Rosettasteinen begrüßt, die seine Sicht vernebelten. „Was auch immer die Asuras planen, sie hätten es sich sparen können, ein einzelnes von ihnen an einen Ort zu stellen. Wir sind mittlerweile gut genug, es mit Orochimon aufzunehmen. Und jetzt werden wir ein neues Ultra-Digimon dazugewinnen“, sagte Taneo. Renji antwortete nichts, aber vielleicht bedeutete sein grimmiger Gesichtsausdruck auch einfach, dass er beeindruckt war. Mit voller Kraft preschte Orochimon zu Fumiko zurück. Meramon stellte sich schützend vor sie und das Asura war schlau genug, es nicht erneut mit Feuer anzuhauchen. Stattdessen krachte es direkt in das Flammendigimon und fegte es mit seiner schieren Masse fort. Und noch bevor es in den tobenden Flammen, die aufstoben, seine Orientierung wiederfand, kam Cyberdramon wie aus dem Nichts herangeflogen, die Krallen ausgestreckt, und schlitzte den Hauptkörper des Asuras vom Rücken bis zum Kopf auf. Der nächste Schrei des Digimons war ein fassungsloser, wenn auch immer noch genauso wütend. „Verdammte DigiRitter!“, fauchte es, während seine Nebenköpfe zuckten wie unter Strom. „Ihr werdet niemals gewinnen, hört ihr? Unsere Geheimwaffe ist bald wieder einsatzbereit! Selbst wenn ihr alle Samen reinigt, solange einer von uns am Leben ist, werden wir einen Weg finden, die DigiWelt ins Chaos zu stürzen!“ „Wenn du meinst“, sagte Taneo unbeeindruckt, obwohl Orochimon ihn nicht hören konnte. Das Digimon bäumte sich ein letztes Mal auf, dann knallte sein Körper mit grausamer Endgültigkeit auf das Feld, zuckte noch kurz und löste sich auf. Wie schon zuvor erlebten die  DigiRitter das Phänomen, dass seine Daten nicht einfach im Nichts verlorengingen, sondern sich stattdessen am Abendhimmel sammelten und dann gen Westen trieben.   „Gut gemacht.“ Fumiko lächelte, während sie das DigiVice noch zu dem Samen hielt, dessen warzige schwarze Flecken langsam weniger wurden. „Die Ultra-Digimon bleiben, wie sie sind“, bestimmte Taneo. „Der Rest digitiert zurück. Reinigt den Samen.“ Plötzlich stockte er und warf den anderen einen Blick zu. „Wenn ihr alle einverstanden seid.“ Kouki grinste. „Klar. Machen wir es so.“ Renji zuckte mit den Achseln. Während Blossomon und Cyberdramon Wache standen und die anderen den Samen bearbeiteten, packten Taneo und Tageko ihre Rucksäcke aus. Eigentlich hätten sie schon viel früher auf diese Idee kommen können, dachte Tageko. Immerhin hatte schon Piximon einen Fernseher bei sich getragen und LordMyotismon hatte sogar mehrere gesammelt. Die Fernseher waren so schwer, wie es alte Röhrenmonitore eben waren, aber sie waren nicht sonderlich groß. In einem ordentlichen Reiserucksack hatten sie schon Platz. Auch Koukis Rucksack öffneten sie, damit drei Fernseher in der Nähe des Lichtsamens aufgestellt waren. Es sah ein wenig wie eine kleine Basis aus. Renjis Fernseher ließen sie vorerst in dessen Gepäck – wenn alle Stricke rissen und sie fliehen mussten, hatten sie noch einen auf Reserve. Der Samen wurde heller und heller, und bald erlosch auch das unangenehme Gefühl, das sie in seiner Nähe empfanden. Das schöne, schimmernde Licht, das die DigiWelt stabilisierte, übernahm wieder die Kontrolle. Und da sagte Taneo schließlich, wie vereinbart: „Stopp.“ Gehorsam senkten sie die DigiVices. Ein letzter, schwarzer Pilz klammerte sich noch an den Samen wie ein unförmiges Muttermal. „Bist du sicher, dass du es so machen willst?“, fragte Tageko noch einmal nach. „Es ist eine gute Gelegenheit, das schnell hinter uns zu bringen.“ „Das werden wir so oder so. Sofern die Asuras nicht wissen, was wir vorhaben, werden sie kommen, wenn sie es können.“ So warteten sie mit dem fast gereinigten Samen, warteten auf einen Angreifer. Die Digimon waren wieder digitiert – es fiel ihnen nun leichter, das mehrmals hintereinander zu tun. Sollte sich ein weiteres Asura zeigen, um den Samen zu verteidigen, würden sie es aufs Korn nehmen – und sobald das geschah, würde Fumiko den Samen fertigmachen. Und wenn sie das oder die herannahenden Asuras nicht besiegen konnten, würden sie durch die Fernseher in ihre eigene Welt fliehen. Es gab wenig Spielraum für die Asuras, Taneos Plan zu durchkreuzen. Ob deshalb niemand auftauchte, war schwer zu sagen. Vielleicht waren tatsächlich alle anderen Asuras anderweitig beschäftigt. Sie warteten fast eine Stunde, ehe Taneo die anderen abstimmen ließ – offenbar hatte er über Renjis verändertes Verhalten nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass er mit seiner gebieterischen Art selbst nicht ganz unschuldig an ihren Reibereien war. Tageko hielt diese Entwicklung für positiv. Schließlich waren sie einstimmig dafür, die Sache zu beenden. „Gehen wir unseren Sieg feiern“, sagte Renji und streckte sich. Fumiko hob ihr DigiVice ein letztes Mal. Der Strahl, der daraus hervorschoss, war wie ein Schuss, der die Dunkelheit mit einem Schlag zerstörte. Ein wohliges Gefühl durchströmte sie alle, dann tauchte die schillernde Blase aus dem Samen auf. Renji sah Jagari erwartungsvoll an. „Nimm ihn“, sagte der kleinere Junge. „So war es abgemacht.“ „Danke, Mann.“ Renji klopfte ihm fröhlich auf die Schulter und packte die Blase, zerdrückte sie zwischen seinen Fingern. Das Licht wurde von seinem DigiVice aufgesaugt, und fast sofort digitierte Meramon. „Meramon, du siehst beschissen aus“, war Renjis Kommentar zur neuen Form seines Digimon-Partners. „Ha. Ich bin jetzt nicht mehr Meramon.“ Das Digimon schlug die eisernen Fäuste gegeneinander. „Ich bin jetzt Volcanomon!“ Es hatte eine humanoide Gestalt, war aber ganz und gar von hellen Stahlplatten umgeben, die es ein wenig wie einen Roboter wirken ließen. Seine Beine steckten in grüne Hosen, vom Gesicht sah man nur Schwärze und gelbe Punktaugen. Volcanomon stand ein wenig nach vorn gebeugt, vielleicht weil aus seinem Rücken eine Art Mini-Vulkan spross. „Warum siehst du nicht furchterregender aus?“, beschwerte sich Renji. Die anderen lachten. „Hebt euch das für später auf“, meinte Kouki dann. „Es gibt keinen Grund mehr, hierzubleiben.“ Während sich die anderen den Fernsehern zuwandten, sah Tageko in die Richtung, in der Orochimons Überreste verschwunden waren, und fragte sich, was es wohl mit dieser Geheimwaffe gemeint hatte.   In dieser Nacht feierten sie noch ausgiebig bei Tageko. Sie hatte Snacks und Tee bereitgestellt und außerdem eine ultra-schokoladige Torte gebacken – oder gekauft? Renji wollte sie eigentlich fragen, fürchtete aber, dann kein Stück abzukriegen. „Du scheinst dir ziemlich sicher gewesen zu sein, dass wir Erfolg haben“, stellte Fumiko fest. Tageko lächelte schwach. „Seht es als Beweis meines Vertrauens in euch.“ Sie stellte die Torte auf den Tisch, während Jagari Teller austeilte. Während dem Essen herrschte heitere Stimmung. Renji scherzte viel mit Kyaromon über dessen neue Digitation. Er freute sich sehr, trotz seiner skeptischen Worte, dass sein Partner nun endlich auch das Ultra-Level erreicht hatte. Nun hinkte er nicht mehr hinter Taneo her – auch wenn ihm das plötzlich nicht mehr so wichtig vorkam. Fumiko und Kouki waren ein wenig seltsam drauf. Einerseits wirkten sie, als wollten sie einander am liebsten in die Arme springen, andererseits verhielten sie sich nun in Gegenwart der anderen so verklemmt, dass es beinahe witzig aussah. Und ausgerechnet Kouki! Renji vergönnte ihm seine Freundin. Nichts konnte ihm heute mehr die Laune vermiesen. Schade nur, dass der Tag nicht mehr lange dauerte. Jagari machte den Mund beim Essen kaum auf, bemerkte Renji irgendwann gegen Ende, aber er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Leute, die er nicht verstand, konnten seine Stimmung nur allzu schnell trüben.   Als sie sich gegen Mitternacht in der Diele des Hauses Mida verabschiedeten, nahm Tageko Taneo zur Seite. „Ist dir das mit Jagari aufgefallen?“, flüsterte sie ihm zu, während die anderen im Vorraum lachend die Schuhe anzogen. „Was denn?“ „Er ist neuerdings so … anders. Als würde ihn etwas bedrücken. Ich mache mir Sorgen um ihn.“ Tageko sah stirnrunzelnd nach draußen, wo Jagari etwas abseits der anderen stand und keinen Versuch startete, an ihren Gesprächen teilzunehmen. Taneo wiederum sah sie stirnrunzelnd an. Tageko war überraschend feinfühlig, was innere Spannungen anging. Vielleicht fühlte sie sich immer noch ein wenig verantwortlich für ihre Teammitglieder. „Denkst du, Renji hat ihn überrumpelt?“ Sie schüttelte den Kopf. „Er war schon vorher so. Seit einigen Tagen.“ „Und was erwartest du jetzt von mir?“ Sie zögerte. „Du … verstehst dich doch mit ihm.“ „Nicht besser oder schlechter als mit euch anderen.“ „Aber er versteht sich besser mit dir. Und ich glaube, er braucht ein Gespräch. Du wärst die beste Ansprechperson dafür. Dir würde er sich anvertrauen.“ Autsch. Taneo hatte wenig Erfahrung damit, die Schulter zum Ausweinen zu sein. „Und wenn du mit ihm redest?“ „Dann heißt es wieder, ich bemuttere ihn.“ Sie schürzte die Lippen. „Bitte, mach es einfach, ja? Ihr steht euch näher. Wenn ich mit ihm rede … Er würde es auch komisch finden.“ Und du auch, dachte er. Schließlich seufzte er. „Ich kann es ja mal versuchen.“ Manchmal schadete es ja nicht, neue Erfahrungen zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)