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Digimon 00001100 <Twelve>

Samsara Madness [Video-Opening online]
von

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Schrecken in der Dunkelheit

Pumpkinmon spielte gerade ein lustiges Spiel mit Impmon, als es unerwarteten Besuch bekam. Durch die Öffnung im Stamm des riesigen, ausgehölten Baumes, die aussah wie das grinsende Gesicht eines Halloween-Kürbisses, trat anmutig eine weibliche, katzenartige Gestalt, wie immer flankiert von ihren beiden PawnChessmon-Leibwächtern.

„Oh, ich hoffe, ich störe nicht“, klang Persiamons weiche Stimme durch das hohe Versteck aus feuchter Rinde, Felsen und Erde.

„Naajaaa“, sagte Pumpkinmon gedehnt. „Wir sind gerade so schön in Fahrt, weißt du?“

Sein koboldhafter Spielgefährte war gerade am Zug. Er musste innerhalb einer vorgegebenen Zeit die Kerzen in den Kürbisköpfen anzünden, die überall in der Höhle versteckt waren. Schaffte er das nicht, musste er zur Strafe zehn Minuten lang in Kürbissuppe schwimmen, die langsam gekocht wurde.

„Wenn man euch so zusieht, weiß man sofort, welchem unserer Meister du am meisten nachgeeifert hast“, brummte Persiamon.

„Wieso?“

Das Katzendigimon überging seine Frage. „Ich hätte euch ja nicht gestört, wenn es nicht wichtig wäre, aber ich brauche deine Hilfe, Pumpkinmon.“ Es faltete die Hände, sodass die überlangen, rosa Krallen aneinander schabten.

„Hm. Und wobei soll ich dir helfen?“

„Geschafft!“, rief in diesem Moment Impmon und deutete grinsend auf all die angezündeten Kürbislaternen.

„Du hast gemogelt! Ich hab nicht hingeschaut, das gilt nicht!“

Persiamon kam näher und ging vor Pumpkinmon in die Hocke, damit sie einigermaßen auf Augenhöhe waren. „Es ist so … Ein DigiRitter ist kürzlich in meinem Gebiet aufgetaucht. In Digitamamons Restaurant am See, das kennst du doch? Er zieht in Richtung Klaffendes Gebirge.“

„Na und?“, murrte Pumpkinmon, das von Impmon die Zunge gezeigt bekam. „Töte ihn doch.“

„Genau darum geht es. Ich fürchte, das schaffe ich nicht … Ein großes, furchtbares Ogremon ist bei ihm. Ich bin doch so hilflos und kann überhaupt nicht kämpfen.“ Persiamon strich ihm mit der Pfote sanft über den Kürbisschädel. „Ein so starker Krieger wie du schafft es doch mit Sicherheit, ihn zu besiegen, meinst du nicht? Du würdest mir damit wirklich aus der Patsche helfen …“

„Ich bin beschäftigt“, quengelte Pumpkinmon. „Warum fragst du nicht einen von den anderen?“

„Oh, bitte“, flehte Persiamon und sah ihn aus Augen an, so treuherzig, wie eine Katze es nur zustande bringen konnte. „Du weißt doch, Digitamamons Restaurant ist knapp an der Grenze zu deinem Gebiet.“

„Aber das Klaffende Gebirge nicht. Das gehört nur dir. Nur wenn sie dort nach Westen gehen, dann kommen sie in mein Gebiet, oder in das von Karatenmon. Warum fragst du nicht das? Der olle Rabenschädel tut eh alles, was du willst.“

„Aber Karatenmon ist so … Es ist seltsam, das weißt du. Bitte, ich kann nur dir vertrauen. Ich weiß, du bist mutig genug, dich selbst der Sache anzunehmen. Man darf die DigiRitter nicht unterschätzen.“

Pumpkinmon überlegte. „Aber ich muss doch auf die Eier aufpassen. Ich kann nicht einfach loslaufen.“

„Ach ja, richtig! Die ArmorEier!“ Persiamon schlug die Pfoten zusammen und setzte ein Lächeln auf, das nicht ganz zu seinen nächsten Worten passte. „Das hatte ich ganz vergessen. Du hast sie doch nicht hier, oder?“

„Nö, sind in einer alten Burgruine, im Keller. Aber den Schlüssel hab ich hier.“ Pumpkinmon lief zu einer Kiste, die achtlos in der Ecke lag, und fischte einen kupferfarbenen Schlüssel mit hübschen Ziselierungen heraus. Andächtig beäugte es ihn. „Darum muss ich auf diesen Schlüssel aufpassen. Niemand darf ja die Eier finden, und deswegen muss ich hierbleiben.“

„Wenn es weiter nichts ist.“ Persiamon schnappte ihm den Schlüssel ganz einfach aus den Händen. „Ich passe solange für dich darauf auf, während du den anderen und mir beweisen kannst, was für ein Held du bist. Deine Feinde vergessen noch, wie furchterregend du bist, wenn du so lange nicht kämpfst.“

„Hm, da kannst du recht haben.“ Pumpkinmon streckte die kleine, stoffgefüllte Brust raus. „Gut, ich mach’s. Pass gut auf den Schlüssel auf; wenn ich zurückkomme, will ich ihn wieder haben.“

Persiamon seufzte erfreut auf und umarmte es stürmisch. „Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen. Eine Sache noch …“ Seine Augen schimmerten treuherzig.

„Was’n?“

„Sag’s nicht den anderen, vor allem nicht LordMyotismon, okay? Du bist das Einzige, das weiß, wie schwach ich in Wirklichkeit bin.“

„Du kannst dich auf mich verlassen.“ Pumpkinmon grinste eigentlich ständig, aber diesmal war das Grinsen noch breiter als sonst. Es schlug sich mit dem genähten Handschuh gegen die Brust. „Komm, Impmon, wir spielen woanders weiter.“

Das kleine, violette Kobolddigimon folgte seinem Gebieter in den düster werdenden Wald hinaus. Persiamon blieb in Pumpkinmons Versteck und bedachte den Schlüssel mit einem Lächeln.

 

Eigentlich hätte sie es sich ja denken können. Nachdem es Renji als Erster geschafft hatte, seinem Digimon zu einer neuen, stärkeren Form zu verhelfen, war er noch unausstehlicher als sonst. Zwar sah er davon ab, die anderen anzumotzen, aber …

„Es war ja keine allzu große Sache. Einfach ein bisschen Mut beweisen, ist ja easy. Solche Digimon stecken wir ab jetzt mit links weg, Candlemon und ich. Ihr könnt euch zurücklehnen, wir blasen den anderen Asuras für euch das Licht aus.“

Tageko seufzte.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte Mushroomon vorsichtig, das neben ihr an der Spitze der Gruppe herging.

„Alles okay.“

Mushroomon schien enttäuscht zu sein, weil sie sich ihm nicht anvertraute. Aber was hätte sie auch sagen sollen? Sie hatte ihren Hals vor Renji riskiert, trotzdem war sein Digimon digitiert. Allein das schien Mushroomon ein schlechtes Gewissen zu bereiten. Und damit nicht genug, prahlte Renji jetzt die ganze Zeit vor Taneo und Jagari. Sie hätte sich wohl freuen sollen, dass die Streitereien aufgehört hatten, aber sie wusste, dass er glaubte, nett zu den beiden jüngeren zu sein würde ihm Pluspunkte bei Fumiko einbringen.

Tageko blieb stehen und sah zu den Baumwipfeln hoch, die sich vor dem dunkelblauen Himmel schwarz färbten. „Es wird zu dunkel. Wir sollten es für heute gut sein lassen“, entschied sie.

„Hm? Och, das bisschen Dunkelheit. Meramon kann uns ja den Weg leuchten, oder?“, grinste Renji.

„Klaro!“ Das Energiebündel Candlemon war auf eine andere Art prahlerisch als sein Menschenpartner und beschrieb das Gefühl der Digitation den anderen Digimon in höchsten Tönen.

„Nein, Schluss für heute. Wir suchen morgen weiter; Kouki wird kaum um diese Uhrzeit draußen herumlaufen. Er hat sicher einen Unterschlupf gefunden.“

„Was ist, wenn er längst wieder in der Realen Welt ist?“, fragte Fumiko plötzlich.

„Du meinst, er hat das mit den Fernsehern herausgefunden?“ Tageko überlegte einen Moment angestrengt. „Stimmt. Wenn wir wieder daheim sind, sollten wir das überprüfen.“

„Heißt das, wir gehen wieder in unsere Welt?“, fragte Jagari, dessen Husten in den letzten Stunden immer schlimmer geworden war.

„Nein, das heißt es nicht“, antwortete Tageko. „Oder siehst du hier irgendwo einen Fernseher?“ Der letzte Monitor, der sie in ihre Welt zurückbringen könnte, war gleichzeitig der gewesen, durch den sie gekommen waren. Das Gebiet hier schien sehr groß zu sein, aber sie waren sich mittlerweile sicher, dass es der richtige Wald war. Bei Einbruch der Dunkelheit hatte die Jahreszeit für die Bäume gewechselt; frisches Grün und kecke Knospen waren überall im Licht von Tagekos Taschenlampe aufgetaucht, die sie vorsichtshalber in ihrem Rucksack mitgenommen hatte.

„Also übernachten wir hier im Wald?“ Taneo klang nicht begeistert.

„Hast du eine bessere Idee? Morgen suchen wir weiter, nach Kouki und nach einem Fernseher. Ich hab meiner Mutter gesagt, dass ich bei einer Party eingeladen bin.“ Ihre Tante hatte Zeit gehabt, sich um Tagekos Geschwister zu kümmern. Wie gut, dass morgen Wochenende war. Die Schule für Kouki zu schwänzen wäre … Nun, sie war froh, nicht in die Verlegenheit zu kommen, sich dazwischen entscheiden zu müssen.

Tageko fand eine Mulde zwischen den Bäumen, die dank des Buschwerks recht geschützt aussah. Dort lud sie ihren Rucksack ab und packte ihre Sachen aus.

„Du hast ja ein halbes Haus mit“, stellte Renji mit großen Augen fest.

„Und du natürlich gar nichts.“ Sie riss eine Packung Schokomüsliriegel auf und breitete die dicke Decke aus. „Für dich, Jagari. Sie hält dich hoffentlich warm.“

Der gesundheitlich angeschlagene Junge sah sie mit laufender Nase an und nickte dann lächelnd.

„Hast du für uns nichts?“, fragte Renji, als sie ihren eigenen Schlafsack ausrollte.

Bin ich eure Mutter? Sie seufzte innerlich. Eigentlich war sie das, ja. Zumindest hier, wo die anderen ganz offensichtlich nicht auf sich selbst aufpassen konnten. Aber das war nichts Neues. „Echte Männer schlafen auf nackter Erde“, meinte sie schnippisch. „Oder nicht?“

Er schnaubte. „Na schön. Vielleicht schlaf ich ja gar nicht. Ich bin überhaupt noch nicht müde.“

„Wunderbar, dann übernimm doch gleich die erste Wache“, sagte Tageko zuckersüß. „Fumiko, für dich ist auch noch Platz im Schlafsack.“

„Klar“, brummte Renji verstimmt. „Macht ihr Mädels es euch ruhig gemütlich.“

„Ich wusste, dass du uns verstehst.“

Ein Feuer entfachten sie nicht, nur Tagekos Lampe blieb angeknipst. Sie knabberten Müsliriegel und Kekse und machten es sich dann auf dem weichen, trotzdem von Wurzeln durchzogenen Waldboden so bequem wie möglich.

 

„Wenn du ein echter Krieger sein willst, dann schläfst du nur mal eben ein paar Stunden. Das geht auch im Sitzen, wenn du dich gegen einen Baumstamm lehnst“, sagte Ogremon.

„Vielleicht gilt das für Digimonkrieger“, murmelte Kouki müde. „Aber Menschenkrieger haben gewisse Ansprüche.“

Es war bereits stockdunkel, und der Wald, durch den sie trotteten, gab sich alle Mühe, unheimlich zu sein. Kouki fiel vor Müdigkeit fast aus den Latschen, und Salamon ging es nicht besser. Selbst Ogremon gähnte einmal, obwohl es so putzmunter tat.

„Kouki, sieh mal!“, rief Salamon. Er folgte seiner Blickrichtung.

„Ist das … eine Burg?“

„Hm?“ Ogremon trat neben ihn. Über den Wipfeln sah man steinerne Türme aus einem bewaldeten Hügel stechen, die der Mond schwach beleuchtete. „Eine alte Ruine. Was willst du damit?“

„Wenn sie alt ist, ist sie sicher unbewohnt. Dort drin hätten wir einen trockenen Platz zum Schlafen. Sag nichts“, rief Kouki, als Ogremon etwas entgegnen wollte. „Menschenkrieger haben früher in Burgen gewohnt. Anders sind sie auch nicht berühmt geworden.“

„Ich werd euch Menschen nie verstehen“, grummelte Ogremon, folgte Kouki aber, der sich querfeldein auf die Burg zu durchs Unterholz schlug. Er glaubte nicht an Geister, nur an Bakemon, aber die hatte er schon einmal besiegt. Und ein Dach über dem Kopf und ein trockener Boden, egal wie staubig, waren hundertmal besser, als im Freien auf einem Silbertablett für hungrige Digimon zu übernachten.

Die Burg war winzig. Zwischen die beiden zweistöckigen Türme, wovon der rechte eingestürzt war, zwängte sich ein quadratischer Block aus grauem Stein. Die doppelflügelige Tür nahm fast dessen gesamte Breite ein und klemmte. Erst, als Ogremon seine Muskelkraft spielen ließ, öffnete sie sich ein Stück. Sie traten ein, und der Oger zog das Tor wieder zu, sodass sie in völliger Dunkelheit standen.

„Ich mach Licht“, verkündete Kouki, und kurz darauf flammte ein geisterhafter, bleicher Schein in seiner Hand auf. Während er den Raum erkundete, betrachtete Ogremon das Licht fasziniert.

„Ist immer wieder interessant, was ihr Menschen mit diesen Dingern, die ihr von Gennai bekommt, machen könnt.“

Kouki ersparte es sich, dem Digimon zu erklären, dass es sein Handy war, das ihnen nun den Weg leuchtete. Wenn er in der DigiWelt auch keinen Empfang hatte und keine der eingebauten Programme funktionierte, die Displaybeleuchtung war noch intakt, obwohl das Handy drohte, dass der Akku bald den Geist aufgeben würde. Der Raum war gähnend leer, zu jedem der Türme gab es einen Durchgang ohne Tür, und in den Ecken prangten riesige, staubige Spinnweben. „Na, hoffen wir mal, dass die Dokugumon sich schon verzogen haben“, brummte Ogremon. „Obwohl mir ein ordentlicher Kampf bald mal wieder gut tun würde.“

Kouki verzichtete auch darauf, nachzuhaken, was Dokugumon waren. Er hatte das Gefühl, es würde ihm nur Albträume bescheren.

„Schau, Kouki!“ Salamon hatte eine Falltür entdeckt. Sie war völlig von Staub befreit, und das erweckte Koukis Neugier. Er hatte als Kind oft Schatzsuchen gespielt und Schatzsucherromane gelesen. Und von einem Computerspiel, das er mal kurz probiert hatte, wusste er, dass einsame Ruinen inmitten von Wäldern immer Geheimnisse bargen.

In die Holzklappe war ein Eisenring eingelassen, mit der er sie hochziehen konnte. Ein Schacht kam zum Vorschein, in dessen Seite Eisensprossen geschlagen waren. Ein wenig unheimlich war es ihm doch, aber er wollte Ogremon nicht wieder einen Grund geben, an seiner Männlichkeit zu zweifeln. „Wenn mich was fressen will, schieß es bitte mit deiner Faust weg“, sagte er mit einem schwachen Lächeln zu seinem grünen Begleiter, nahm das Handy zwischen die Zähne und begann den Abstieg.

„Kouki? Du solltest da vielleicht nicht runter gehen“, piepste Salamon ängstlich, aber er hörte nicht auf es.

Nach fünf Metern fühlte er wieder einen Boden unter den Füßen. Er leuchtete wieder mit seinem Handy herum und entdeckte einen kurzen Gang, der an einer massiven Eisentür endete. „Sackgasse“, murmelte er, als er sie verschlossen vorfand.

Etwas hinter ihm rumpelte und er fuhr herum, nur um zu sehen, dass Ogremon ihm mit einem Sprung gefolgt war. „Mach sowas nie wieder“, stieß er aus. Sein Herz klopfte wie verrückt.

„Dein vierbeiniger Knilch hätte keine Ruhe gegeben. Macht sich vor Angst fast in die Hose.“ Erst jetzt sah Kouki Salamon, das auf Ogremons Schulter saß und ihn vorwurfsvoll ansah. „Ich wäre sowieso wieder heraufgekommen. Da geht es nicht weiter.“

„Lass mal sehen.“ Ogremon rüttelte an der Tür und warf sich dagegen, nur um ob der Schmerzen aufzufluchen. „Nichts zu machen. Such dir einen Platz zum Pennen, und fertig. Was weiß ich, wozu sie in dieser Ruine eine Tür abschließen müssen.“

„Warte.“ Kouki war etwas eingefallen. Er untersuchte noch einmal die Tür. Das Schloss sah äußerst stabil aus, aber auch so einfach gestrickt, wie alte Schlösser waren. Kein Vergleich zu einem Zylinderschloss. Kouki war früher oft in seinen eigenen Gartenschuppen eingebrochen, um mit seinen Freunden unerlaubterweise mit Gartenwerkzeugen zu spielen. Später hatte er es auch einmal bei der Hintertür seiner Grundschule geschafft, als er zu spät gekommen war und nicht durch den Vordereingang an den Lehrerzimmern vorbei schleichen wollte. Mit etwas Glück gelang es ihm hier auch. „Mit einer Haarnadel könnte ich das aufkriegen“, überlegte er.

„Und warum zur Hölle glaubst du, dass ich eine Haarnadel bei mir habe? Was ist das überhaupt?“, grunzte Ogremon.

Er brauchte irgendwas Ähnliches … Sein Blick fiel auf Ogremons Ohrringe. „Ich … hätte da eine Idee. Ich weiß aber nicht, ob sie dir gefällt.“

 

„Wer sie zuerst findet, kriegt ein Kürbisbonbon!“, rief Pumpkinmon eifrig.

„Keine Lust“, murmelte Impmon und streckte sich.

„Du musst mir schon suchen helfen!“

„Hat doch keinen Sinn.“

Seit Stunden, so kam es den beiden vor, flogen sie nun schon auf einem von Pumpkinmons Kürbissen, die es mit seinem Willen steuern konnte, über bewaldetes Gebiet. Im Klaffenden Gebirge waren sie nicht fündig geworden, also hatten sie sich westlich gehalten und waren nun schon auf Karatenmons Land. Und keine Spur von einem DigiRitter oder einem Ogremon.

„Ich hab keine Lust mehr“, beschwerte sich Impmon, als es plötzlich aufhorchte. „Da!“

„Was? Hast du sie? Hast du sie?“ Pumpkinmon hüpfte vor Aufregung auf dem Kürbis auf und ab.

„Pscht!“ Impmon sah sich um, dann schnupperte es. Es hatte eine unglaubliche Nase, vor allem, was Süßigkeiten anging. „Schokolade. Und Nüsse. Mitten im Wald.“

„Essen Menschen sowas?“

„Weiß nicht. Mir würde es schmecken.“

Pumpkinmon ließ sich die Stelle zeigen, wo ungefähr der Geruch aufstieg. Selbst bemerkte es keinen Hauch von Schokolade, aber Impmon war auf diesem Gebiet unschlagbar. Das Asura ließ seinen Kürbis sanft am Rand einer nahen Lichtung landen. „Schau nach, ich kümmere mich um das Haus.“ Während Impmon ins Dickicht huschte, bereitete Pumpkinmon das Ritual vor. Mit einem Stock pflügte es unter großer Anstrengung Linien in den mit spärlichem Gras bewachsenen Boden, bis im Zentrum der Lichtung ein halbwegs passables, recht einfach gehaltenes Mandala prangte. Nun brauchte es noch eine Opfergabe, also ließ es in der Mitte des Symbols einen Kürbis erscheinen. Dann setzte es sich auf den feuchten Boden, die linke Hand im Schoß, die Handfläche nach oben, die rechte so, dass sie gerade den Boden berührte.

Als es gerade mit dem Mantra beginnen wollte, kam Impmon dahergelaufen. „Sie sind es, sie sind es!“, rief es atemlos. „Fünf Menschen, und fünf Digimon! Sie schlafen!“

„Fünf?“ Pumpkinmon war verwirrt. „Es sollte doch nur einer sein! Hast du Ogremon gesehen?“

„Nö. Kein Ogremon. Aber ich hab das hier stibitzt.“ Grinsend hob Impmon einen Stück Papier hoch, aus dem ein schokoladeüberzogener Riegel ragte. „Schmeckt ausgezeichnet!“

„Heb mir auch was auf. Und jetzt geh aus dem Mandala raus.“ Pumpkinmon begann das Mantra zu zitieren, einen kurzen Vers, den es wieder und wieder wiederholte, bis die Erde sanft zu beben begann. Impmon grinste in vorfreudiger Erwartung.

Dann brach die Erde mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf, und etwas Riesiges, Hölzernes bohrte sich daraus hervor.

 

„Du schuldest mir was“, brummte das ungeschlachte Digimon, während es hämmerte. „Ich weiß nicht mal, warum ich das für dich tu.“

„Wenn wir da drin was Interessantes finden, kriegst du die Hälfte“, beschwichtigte Kouki es.

„Zwei Drittel. Das hat nämlich weh getan.“

„Also schön.“ Kouki seufzte. Er hatte nicht gedacht, dass Ogremon sich den Ohrring einfach so aus dem Fleisch reißen würde. Noch dazu war er mitten in der Ohrmuschel gehangen, da es kein wirkliches Ohrläppchen hatte. Nun lief dunkelrotes Blut in krassem Kontrast zu seiner Hautfarbe über seine Wange.

„Gut so?“ Ogremon reichte ihm den improvisierten Dietrich. Es hatte eine Kerbe in den Ring geschlagen und dann mit großer Muskelkraft dort auseinander gerissen. Dann hatte es das Metall so lange mit seiner eisenverstärkten Keule geschlagen, bis es in eine halbwegs gerade, dünne und schmale Form gebracht worden war.

Damit stocherte Kouki nun in dem klobigen Schloss herum. Wenn in der DigiWelt Schlösser im Allgemeinen auch … „Fertig“, sagte er erfreut, als nach mehreren erfolglosen Versuchen das schwere Klicken eines Riegels zu hören war. Kouki drückte die eiserne Schnalle nach unten, und erbärmlich quietschend schwang die Tür auf. Ein winziger Raum lag dahinter, der Boden war aus gestampfter Erde, nicht mehr aus Stein, und von einer sandgelben Plane bedeckt. Kouki wappnete sich und riss sie zur Seite.

Fein säuberlich angeordnet lagen dort acht seltsam geformte Skulpturen, jede in etwa so groß, dass man sie bequem in einer Hand halten konnte. Sie waren so verschieden, wie sie nur sein konnten, und als Kouki mit dem Handy darüber leuchtete, sah er, dass auf ihnen allen unterschiedliche Symbole prangten. „Hast du so etwas schon einmal gesehen, Ogremon?“

Das Ogerdigimon schob sich neben ihm in den Raum. „Und das ist jetzt dieser Schatz, für den ich mir das halbe Ohr abgerissen hab?“

„Was ist das wohl?“ Kouki hob eines der Dinger auf. Es war, als hätten sie gar kein Gewicht.

„Woher soll ich das wissen?“

„Gib mir deinen Mantel.“

„Hä?“

„Deinen Mantel“, beharrte Kouki. „Wenn die schon hier versteckt liegen, müssen sie wichtig sein.“

„Wir sollten sie liegen lassen“, murmelte Salamon ängstlich.

„Quatsch. Wir haben sie gefunden, also gehören sie uns.“

Ogremon grummelte etwas von „Als Nächstes soll ich mir dann wohl die Zähne ausreißen“, während Kouki die Skulpturen in seinen Mantel wickelte und obenauf einen Knoten machte.

„So“, sagte er. „Und jetzt gehen wir schlafen.“

 

Als die Erde erzitterte, waren sie alle sofort wach. Taneo schrak von seinem unbequemen Nachtlager hoch. Etwas rumpelte, etwas krachte … Blätter und Nadeln rieselten auf sie herab. „Was ist das?“, kreischte Renji und schützte seinen Kopf mit den Händen, als es auch noch Äste hagelte.

Irgendwo links von ihnen im Wald knarrte und knarzte etwas. Taneo hielt die Luft an. „Kokuwamon, wo bist du?“

„Hier“, sagte der Käfer neben seinen Füßen. Er sah ihn in der Dunkelheit kam.

Schritte kamen näher – falls man es Schritte nennen konnte. Die Erde erbebte einfach in regelmäßigen Abständen und man hörte lautes Knarren und Knirschen, als bewegte sich etwas Riesiges, Massiges durch den Wald.

„Weg hier!“ Er sprang in die Höhe.

„Was … was ist denn los?“ Jagari rieb sich verschlafen die Augen. „Wo sind wir?“

Taneo war mit einem Satz bei ihm und zog ihn auf die Beine. Renji kreischte, als irgendwo im Wald mit einem lauten Knarzen und dem Reißen von Holz ein Baum umstürzte. Fumiko und Tageko waren hektisch damit beschäftigt, sich aus dem Schlafsack zu befreien, und Renji herrschte sie an, sich zu beeilen. Taneo hingegen legte den Kopf in den Nacken. Eine Silhouette, dort zwischen den Bäumen …

Ein Schlag traf die Baumstämme direkt vor ihnen und zerbrach sie wie Streichhölzer. Die DigiRitter schrien nun alle lautstark auf, prallten zurück und versuchten, dem Hagel aus Ästen und Tannenzapfen zu entgehen, während die Digimon nicht wussten, wogegen sie eigentlich kämpfen sollten …

„Runter!“, schrie Taneo, als er etwas durch die Blätter rauschen hörte, und warf sich zur Seite. Etwas Gewaltiges, Rechteckiges schob sich wie ein UFO über die gekappten Baumstämme auf ihr Lager zu – und stampfte genau darin auf. Der Einschlag war so heftig, dass Renji, der dem unförmigen Etwas nur um Haaresbreite entkommen war, einen unfreiwilligen Hüpfer machte und auf seinem Hinterteil landete. Er war wie zur Salzsäule erstarrt.

Taneo zog Jagari hinter sich her, als dem überdimensionalen Fuß das restliche Bein folgte und Äste und Blattwerk abrasierte. Er war noch ganz benommen und stolperte über Wurzeln und die Äste der umgeworfenen Bäume, als er versuchte, sie beide außer Reichweite zu bringen. Wo ein Fuß war, war meistens auch noch ein zweiter …

„Was ist das?!“, hörte er Renjis aufgelösten Schrei, der in einem aggressiven Fauchen unterging, als Candlemon einen Feuerhauch auf den Angreifer spie. Taneo glaubte nicht, dass das irgendetwas bringen würde. Auch kleine Explosionen von Mushroomons Pilzen hörte er.

„Jagari, sollen wir nicht kämpfen?“, fragte Elecmon, das hinter ihnen her über Stock und Stein lief.

„Nein“, sagte Taneo, „das hat keinen Sinn – sieh mal, wie groß das Ding ist!“ Als er sicher war, dass das Wesen mit lautem Getöse auch den zweiten Fuß nachgezogen hatte, schlug er eine Kurve ein, um hinter es zu gelangen. Sicher war es am besten, wenn sie sich aufteilten … aber er wollte nicht als Feigling dastehen, und wenn den anderen etwas passierte, das er verhindern könnte … „Bleib hinter mir“, sagte er zu Jagari.

„Ich kann auch kämpfen, ich …“

„Aber du willst nicht, oder?“, unterbrach er ihn schrill. „Und du bist krank. Wir sehen nur nach, ob es den anderen gut geht, und dann verschwinden wir.“ Dieses Digimon war eindeutig eine Nummer zu groß für sie … wortwörtlich.

 

Candlemons Körper flammte auf, Licht erhellte die Nacht, und diesmal brauchte es keine selbstmörderische Aktion von Renji, dass es zu Meramon digitierte. Während es Feuerbälle auf das riesige, hölzerne Bein, das so dick wie zehn Baumstämme in diesem Wald war, abschoss, blickte Tageko zittrig atmend zu dem Ungetüm hoch. Sein … Körper, wenn es denn einer war, war so hoch oben, dass sie nur einen Schatten ausmachen konnte, aber es schien auch mächtige Hände zu haben – dessen war sie sich spätestens sicher, als eine davon wie ein schwarzer Blitz herabgesaust kam und einen Krater in den weichen Waldboden schlug, so breit wie die Garage ihrer Mutter und genau dort, wo Meramon eben noch stand. Das Flammendigimon hatte sich mit einem gewagten Sprung gerettet. Mushroomon schoss wieder Pilze auf die riesige hölzerne Faust ab, die daran zerplatzten wie Seifenblasen. Als das Monster den Arm hob, rieselten frische schwarze Erde, Laub und trockene Nadeln herab. „Tageko!“, brüllte Renji. „Sieh zu, dass dein Pilz auch digitiert, verdammt!“

„Jaja, halt den Rand!“, schrie sie zurück. Ihr Herz raste. Wie sollten sie gegen so etwas ankämpfen? Es war unmöglich. Selbst, wenn sie noch zehn Digimon von Meramons Schlagkraft hätten, wäre es aussichtslos. „Wir müssen fliehen!“, brüllte sie über das Getöse hinweg, als das Holzwesen erneut versuchte, Meramon wie ein lästiges Insekt zu erschlagen.

„Wir können vor so einem Riesending nicht davonlaufen“, sagte Fumiko mutlos. Sie umklammerte ihr Ei. Der Riss war im Mondlicht sichtbar. „Verdammt, schlüpf schon endlich, wir brauchen dich“, flüsterte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

„Wo sind Taneo und Jagari?“, rief Tageko, als ihr plötzlich auffiel, dass die beiden fehlten. Verdammt, das hätte nicht passieren dürfen – sie musste doch auf sie aufpassen!

 

Pumpkinmon kugelte sich vor Lachen. Es saß auf einem hohen Baumstamm und konnte den Kampf überblicken. Dass dieser kleine Kürbis das Behältnis für ein so gigantisches Spielzeug werden konnte, überraschte es immer wieder. Es war amüsant, wie Meramon versuchte, das Holz in Brand zu setzen.

„Nur Zusehen ist langweilig“, beschwerte sich Impmon.

„Also, ich finde es lustig.“

„Ich aber nicht.“ Das Kobolddigimon verschränkte die Arme. „Sie werden ja doch nur in den Boden gestampft, und wir haben gar nicht richtig mit ihnen gespielt.“

Pumpkinmon überlegte. „Du hast recht. Dabei kann man drinnen doch so schön Verstecken spielen. Also schön.“ Es patschte in die Hände und ließ vor ihnen in der Luft einen Kürbis erscheinen. Die beiden Spielkameraden sprangen auf und Pumpkinmon ließ ihn in halsbrecherischer Geschwindigkeit zum Kampfplatz fliegen. „Holen wir uns jemanden zum Spielen!“

 

„Kokuwamon, meinst du, du kannst uns alle hier rausbringen, wenn du digitierst?“, fragte Taneo atemlos.

Sein Käferdigimon surrte neben ihm her, als er und Jagari sich über die gesplitterten Baumstümpfe quälten, um sich dem monströsen Ding von hinten zu nähern. „Kann ich nicht sagen, Taneo“, murmelte es. „Ich weiß nicht, zu was ich als Nächstes werde … tut mir leid.“

Er biss sich auf die Lippen. Konnte es sein, dass sie, die angeblich die DigiWelt retten sollten, tatsächlich so hilflos waren? Der Titan stampfte seit etlicher Zeit auf einem Fleck herum. Alles, was über seinen langen Holzbeinen lag, verschwand in der Dunkelheit. Wenn er sich nicht nach neuen Opfern umsah, musste das bedeuten, dass die anderen noch lebten … Oder auch nur einer von ihnen. Taneo musste diese Möglichkeit ebenfalls in Betracht ziehen. Jagari hustete kehlig, als er ihn über einem umgestürzten Baumstamm zog.

Elecmon sprang auf einen abstehenden Ast, der wie eine Antenne in die Höhe ragte. „Da kommt etwas!“, rief es.

Taneo warf einen Blick über die Schulter und konnte gerade noch etwas annähernd Rundes, im spärlichen Licht Grauoranges ausmachen, das rasend schnell auf sie zuflog. Was war das jetzt schon wieder?

„Duck dich!“ Er zog Jagari hinter sich her, der mit ihm über den Baumstamm stolperte und ins weiche Moos fiel. Das fliegende Etwas rauschte über ihren Köpfen hinweg – und im nächsten Moment bewegte sich der Boden unter ihnen. Taneo hielt den Atem an. Pflanzenranken rissen schnalzend, Äste bogen sich, das Moos löste sich – und plötzlich wurden sie wie von einem Katapult in die Höhe gerissen.

Laut schreiend fanden sich Taneo, Jagari und ihre Digimon auf etwas wie orangen Ballons wieder, die einfach aus der Erde geschossen waren, und mussten sich in die glatte, dick gerillte Oberfläche krallen, um nicht abgeworfen zu werden. Elecmon hatte sich an Jagaris Bein festgehalten, dessen Hand Taneo losgelassen hatte. Der jüngste der DigiRitter schrie sich die Seele aus dem Leib, während sein Transportmittel sich rasend schnell um sich selbst drehte und sie durch die kühle Nachtluft, die an ihren Haaren und ihrer Kleidung zerrte, um den Titan herum zu dessen Vorderseite flogen.

Taneo legte sich so flach wie möglich auf den Bauch, um wenig Luftwiderstand zu bieten, und hob den Kopf, als sie in weitem Bogen auf das monströse Holzmonster zuflogen. Erstmals konnte er dessen Oberkörper sehen … War das überhaupt ein Digimon? Die Arme und Beine ragten aus etwas, das ein gewöhnliches, bunt gemaltes Haus sein könnte. Schwarze, eckige Fenster wirkten wie Augen, die Schultern waren die beiden Flügel des Gebäudes, und der Rumpf mochte ein Kellergeschoss sein. Das Dach war mit rötlichen Schindeln bedeckt, und die verschnörkelten Überhänge wirkten auf dem Kopf wie gelocktes Haar. Wo bei einem Menschen das Brustbein gewesen wäre, hatte der Riese ein großes, hölzernes Eingangstor, offen stehend.

Während der Titan sich wütend bewegte und auf dem Boden herumstampfte, fand das fliegende Ding von vorhin seinen Weg in sein Inneres. Taneo kniff die Augen zusammen, Jagari schrie, und sie wurden von Schwärze, dunkler als die Nacht, verschluckt, als ihre Ballons wie zwei Jets ebenfalls in das Haus rasten. Mit einem Krachen schlug die Tür hinter ihnen zu, und ihre Mitfluggelegenheiten zerplatzten. Taneo und Jagari kullerten einige Meter über einen harten Dielenboden, bis sie desorientiert und schwindelig zum Liegen kamen. Taneo schmeckte Blut; er hatte sich auf die Zunge gebissen.

Als sie sich benommen hochstemmten, flammte am Ende des Flurs, in dem sie sich befanden, ein schummriges rotes Licht auf. Taneo erkannte etwas wie eine Halloweenlaterne, einen ausgehöhlten Kürbis, durch dessen Fratze eine unnatürlich rote Flamme leuchtete. Und davor standen, von Dunkelheit und Zinnober umrissen, die Silhouetten zweier recht kleiner Digimon, die aufgekratzt kicherten.

„Also dann“, sagte das eine von ihnen. „Während eure Freunde draußen zu Mus verarbeitet werden, lasst uns spielen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  EL-CK
2016-12-08T19:17:33+00:00 08.12.2016 20:17
Ein interessantes Kapi... Die Armor-Eier?!?! Nicht schlecht!!
Antwort von:  UrrSharrador
08.12.2016 22:25
Danke dir^^ Jep, die musste ich auch einbauen B)


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