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Verborgen in Stille

von

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Ein unerwartetes Ereignis

Es war ein früher Frühlingsabend als ich vom Baseballtraining nach Hause kam. Doch eigentlich achtete ich kaum auf meine Umgebung. Zu sehr, war ich in meinen Gedanken vertieft. Selbst meinen Freunden war aufgefallen, dass ich heute mit meinem Kopf nicht beim Team war, etwas, was für mich sehr unverständlich war. Baseball war schließlich mein Leben, meine größte Leidenschaft, welche mich seit Jahren begleitete. Ich war ein Junge von 17 Jahren und hatte dunkelbraune Haare, welche der Wind mir fast schon frech ins Gesicht wehte. Ich trug sie häufiger hochgegelt und strubbelig, doch jetzt nach dem Training waren sie frisch gewaschen. Mein Pony war kurz geschnitten und wie der Rest meiner Frisur meistens hochgegelt. Trotz meines Protestes beim letzten Frisörbesuch ließ die Frau, die mir die Haare schnitt, meinen Pony stehen. Ich würde es nie mit Frisuren, Mode oder so etwas haben. Für so etwas hatte ich kaum Interesse, doch sie war davon überzeugt dass diese Frisur total angesagt sei. „Trag den Pony, so lange du ihn noch hast.“ Meinte sie zu mir und lachte dabei.

Ich bog in die Straße ein, in welcher ich wohnte und grüßte fast schon automatisch unseren Nachbar, wie er hieß wusste ich gar nicht mehr. Große Lust, nach Hause zu gehen hatte ich derzeit eher weniger. Für mein Alter war recht groß und kräftig, worauf ich sehr stolz war. Die meiste Freizeit verbrachte ich mit Sport. Ich hatte ein breiteres Kreuz als viele meiner Mitschüler, dennoch reichte es nicht an die ganzen Footballspieler heran. Sehr stolz war ich auf das angedeutete Sixpack welches ich nicht hatte, weil ich zu dünn war. Außerdem war ich froh über eine gesunde Hautfarbe, die mich das ganze Jahr über leicht gebräunt aussehen ließ. Ich hatte einen leichten Bartschatten. Schon jetzt sah man mir an, dass ich wohl einen recht dichten Bartwuchs haben würde. Seit kurzer Zeit kamen immer mehr Haare auf der Brust dazu. Um den Mädchen in meinem Jahrgang zu gefallen, musste ich diese regelmäßig rasieren. Eine nervige Angelegenheit. Zum Glück ist es nicht all zu viel. Doch auch meine Arme hatten schon ziemlich viele Haare und meine Freunde meinten, dass ich später aussehe wie ein Tier. Sie waren jedoch nicht all zu dunkel. Von meinem Vater hatte ein kräftiges Kinn, wie auch seine braunen Augen und Haare. Eigentlich war ich regelrecht eine jüngere Kopie meines Vaters. Alle die Bilder meines Vaters sahen, sagten mir immer, wie ähnlich ich ihm doch sah. Doch Charakterlich trennten uns ab und zu Welten. Das einzige war ich von meiner Mutter hatte waren ihre gerade Nase, die zu meinem Gesicht passte. Anders wie mein älterer Bruder hatte ich keine abstehenden Ohren. Ganz allgemein konnte man sagen, dass ich ein hübscher Kerl war. Tatsächlich war ich dafür recht dankbar. Auch war ich dankbar, dass ich in meiner Schule das Glück hatte, zu den Beliebten zu gehören.

Ich lebte am Rande einer Vorstadt in einem Haus mit meinen Eltern im größten Bundesstaat der USA, Texas. Es war ein gewöhnliches Haus, nichts Besonderes. Es hatte neben dem Erdgeschoss eine zweite Etage, in der sich unsere Schlafräume befanden. Meine älteren Geschwister waren alle schon ausgezogen, hatten zum Teil ihre eigenen Familien und lebten in anderen Städten. Deswegen waren wir vor einigen Jahren in dieses kleinere Haus gezogen. Ich war um einiges jünger, ein Nachzügler. Meine Schwester war vor gut fünf Jahren ausgezogen und hatte diesen Sommer das College beendet. Seither konnte ihr Zimmer als Gästezimmer genutzt werden wenn einer meine vielen Geschwister zu Besuch war. Betrübt schaute ich mich im Flur um. Alles hatte seinen Platz, alles war geordnet und schien den Schein des ruhigen und beschaulichen Vorstadtlebens zu wahren. Nichts deutete daraufhin, dass mein Vater immer lauter wurde, immer wütender aus der Haut fuhr, wenn ihm etwas nicht zu passen schien. Als würde er in seinem Zorn nicht Sachen nach mir, oder meiner Mutter werfen. Alles passte einfach perfekt hinein. Die Gardienen an den Fenstern. Die lieb drapierten Bilder unserer Familie an der Wand, die davon zeugten, wie groß meine Familie bereits war. Die große hölzerne Treppe nahm den meisten Platz im Flur ein und eben neben jene Treppe kickte ich meine Turnschuhe neben die anderen Schuhe, welche bereits dort standen.

Das Auto meiner Mutter hatte ich bereits in der Einfahrt gesehen und ich hörte sie in der Küche. Der Pistolenhalfter meines Vaters sowie seine Schuhe waren nicht da, also musste er noch arbeiten sein, was mich erleichternd aufatmen ließ. Ich liebte meinen Vater, schließlich war ich sein Sohn, trotzdem wollte ich in den letzten Tagen Abstand zu ihm haben. Seit er immer unruhiger wurde, verbrachte nicht mehr gerne Zeit mit ihm.

Nachdem ich die Turnschuhe in die Ecke verfrachtete hatte ging ich zur Küche und streckte meinen dunklen Schopf durch die Tür. Mum musste einkaufen gewesen sein. Ich beobachtete wie sie Tüten auspacken und große Wasserkästen standen herum. Irgendwie wirkte sie unzufrieden und als sei sie in Gedanken versunken. Auch dies war ein häufiges Bild welches mir sich in den letzten Wochen immer mehr bot.

„Hi, Mum. Na, soll ich dir helfen“, fragte ich und versuchte sie fröhlich anzulächeln. Meine Mutter drehte sich zu mir um und man sah ihr an, dass sie in jungen Jahren wahrlich schön gewesen war. Die gerade Nase, die geraden Zähne hatte sie an mich vererbt. Ihre hellbraunen Haare hatte sie zu einem Knoten auf den Hinterkopf zusammen gebunden aus dem sich einige Strähnen gelöst haben und nur wenige graue Strähnen hatte sich in den letzten Jahren in ihren Haaren wiedergefunden. Sie schminkte sich so gut wie nie. Dafür hätte sie nie wirklich Zeit, so ihre Aussage. Wirklich Ahnung von diesem Kram hatte ich ohnehin nicht, doch seit meine Schwester nicht mehr hier wohnte, wirkte sie unzufriedener. Um ihrem Hals hing ein vergoldetes Kreuz, es war stets ihr Begleiter. Meine Mutter war eine sehr gläubige Frau und war in unserer Gemeinde sehr aktiv. Nichts ungewöhnliches in den Vereinigten Staaten. „Oh, Jasper“, rief sie erfreut und packte nebenbei das Obst in den Kühlschrank, „Nein, nein, alles schon fast erledigt. Wieso kommst du denn erst jetzt nach Hause, Schatz?“ Mit diesen Worten schaute sie zur Küchenuhr. Ja, ich war wieder mal später dran. Ich mochte es nicht mehr so gerne Zuhause außerdem war ich zu gerne auf dem Baseballplatz!

„Das Baseballtraining ging länger heute, wir wollen doch diese Saison mal gewinnen“, antwortete ich und grinste sie schräg an. Ja, Baseball war meine Leidenschaft! Auch wenn ich im falschen Bundesstaat dazu wohnte. Hier in Texas gab es fast nur Football. Trotzdem gab es an seiner High School eine Baseballmannschaft und ich war dieses Jahr zum Kapitän der Mannschaft ernannt worden. Ich rechnete mir gute Chancen aus, dass ein Talentscout mir ein Stipendium anbieten könnte. Das Footballteam in unserer High School war zudem sehr sehr schlecht. So bekam mein Team viel Aufmerksamkeit und wer es beim Mittagessen an unseren Tisch schaffte, hatte es an unserer Schule „geschafft“.

„Ist was schief gelaufen? Du siehst so betrübt aus, Jazzy. Wirklich alles gut“, fragte meine Mutter, welche mich mit ihren dunkelblauen Augen durchbohrte. Sie kannte mir wirklich ziemlich gut und trotzdem wusste wie, wie sehr sie die Situation und diese fast schon passive aggressive Stimmung Zuhause mitnahm. „Ach, gibt immer mal schlechte Trainingstage, keine Sorge. Ich bin oben.“, meinte ich und grinste meine Mutter schräg an und zwinkerte ihr freundlich zu. Sie ist immer schnell besorgt, was zwar durchaus lieb gemeint war, aber mit siebzehn einfach nur nervig war. Ich drehte mich um, schnell nahm ich die Stufen hoch zu seinem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Ich wollte keine weiteren Fragen. Auch ich war seit Tagen immer wieder etwas kopflos. Schon seit Tagen wusste ich nicht wo, mir Kopf stand. Seit diesem einen Vorfall in der Schule…

Als ich mein Zimmer betrat fiel mein Bick sofort auf die Wand gegenüber des Bettes. Über meinen Bett hing eine Fahne meiner Lieblingsmannschaft, der Texas Rangers. Mein größter Traum zurzeit war es, irgendwann für eben diese Mannschat zu spielen. Auf meinem Bett fand ich einen Stapel frisch gewaschener Wäsche und das Chaos auf dem Schreibtisch sah genauso aus, wie ich es hinterlassen hatte. Die dreckige Wäsche, die am Morgen noch auf dem Boden lag war wie durch Zauberhand verschwunden. Das Zimmer besaß nur ein Fenster von welchem man in den Garten des Nachbarn schauen konnte. Doch derzeit wohnte dort niemand mehr. Die älteren Herrschaften waren vor einigen Monaten ausgezogen. Eine einsame Pflanze stand auf dem Fensterbrett und wäre ohne die Fürsorge meiner Mutter wohl längst vertrocknet. Doch einige Bilder hingen an der Wand. Bilder die mich mit meinen Freunden zeigten. Einige zeigten mich gemeinsam mit meinem besten Freund auf dem Baseballplatz. Bilder von meiner Familie, außer meiner Schwester hatte ich hier nicht. Auch auf meinem Schreibtisch lagen viele Fotos herum die mich, meine Freunde zeigten. Ich betrachtete die Gruppe, unsere Baseballmannschaft. Mein bester Freund war natürlich im Team. Allgemein konnte ich sagen, dass unser Team ein gutes Verhältnis untereinander hatte. Doch seit diesem einen Vorfall in der Schule, konnten mit meine Freunde und auch das Baseballspielen nur noch bedingt ablenken.

Frustriert ließ ich mich auf das Bett fallen. Schon seit Tagen nagte eine Ungewissheit an mir. Vor ein paar Wochen war es in der Schule zu einem Zwischenfall gekommen, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging und der anfing mein Leben auf den Kopf zu stellen. Etwas, was ich durch den ganzen Stress Zuhause eigentlich nicht noch brauchte. Nach der Sportstunde, in der wir Rugby spielten, sollten ich und ein Klassenkamerad die liegen gebliebenen Utensilien wegpacken.
 

Ich wusste noch, dass ich genervt die Augen verdrehte und meinen besten Freund aus dem Schwitzkasten, in dem ich ihn aus Spaß genommen hatte, ließ. Mein Sportlehrer schaute mich über die Ränder seine Brille hin streng an, was mich nur gelinde beeindruckte. Ebenso wenig wie die Strafe des Aufräumens.

Tobey, der mir helfen sollte, wirkte zerknirscht und schien noch weniger als sonst seine Umgebung zu beachten. Was mich nicht wunderte wurde er doch gemobbt und ich dies vermutlich ebenso ignoriert hätte wie er. Er hatte es nicht leicht auf der High School. Tobey war schwul. Dies ist eigentlich nicht schlimm, würde man nicht in den Vereinigten Staaten wohnen und noch dazu in Texas. Waren wir doch, anders wie Kalifornien, nicht für unsere Offenheit bekannt. Als er in meine Richtung lief, stichelten die anderen und zischten ihm Beleidigungen zu und unser Sportlehrer nahm diese nicht wahr, oder eher wollte es nicht wahrnehmen.

Einer meiner Mannschaftskollegen, Colin, klopfte mir ermutigend auf die Schultern, grinste mir zu und sagte: „Bor, Jazz! Das tut mir ja Leid für dich. Pass auf deinen Hintern auf. Nicht bücken, schön in die Knie gehen.“ Ich schaute Colin in seine grauen Augen und sah beim Grinsen die markanten Grübchen, die sich bei ihm bildeten und musste ihn ebenfalls angrinsen. Colin fand es absolut widerlich, wenn jemand sich outete, vor allem als Mann oder Jugendlicher. Frauen hätten seiner Meinung nach einfach bis jetzt den falschen Mann gehabt. Ich hatte nichts gegen Schwule, aber komisch fand ich es dennoch. Es passte nicht in das Wertebild welches meine Eltern mir versuchten beizubringen. Ich kannte meinen Vater zu gut. Sollte einer meiner Brüder oder ich schwul werden, würde ich schnellst möglich der Stadt verwiesen werden oder gleich aus dem Staat. Als Sheriff bei der Polizei genoss er in unserer Nachbarschaft einen tadellosen Ruf und alles was nur irgendwie diesen Ruf gefährden könnte war ihm zuwider. Dies hatte er bereits vor Jahren unter Beweis gestellt. Und seit einiger Zeit wurde es immer schlimmer.
 

Mein älterer Bruder Jackson hatte dies auf eine harte Weise zu spüren bekommen, als er gerade ein Teenager war. Nachdem er von Vater mit Gras erwischt wurde. Er war immer der „Sonderbare“ in unserer Familie. Färbte sich die Haare, war recht schmal und recht blass. Die Musik die er hörte machte mir mit meinen jungen Jahren sogar manchmal etwas Angst. Doch immer wenn ich ihm das sagte war er sehr lieb erklärte mir die oftmals etwas düsteren Texte und lachte sehr oft, wenn ich ihn fragen dazu stellte. Dass, der süßliche Geruch in seinem Zimmer nicht von ihm kam, wusste ich nicht. Erst, nachdem unser Vater ihn darauf ansprach. Ich erinnerte mich an den Lärm und die Schreie, während sie unten stritten und das Leben für meinen Bruder wurde nicht leichter.

Trotz Androhung von, wie Vater es nannte, „Sanktionen“, brachte Jackson stärkere Drogen mit nach Hause und Vater erwischte ihn dabei, vermutlich hatte Jackson Vaters Drohungen nicht ernst genommen. Irgendwelche bunten Pillen, welche ich damals einfach als Süßigkeit beschrieben hätte, wurden von Vater in seinem Zimmer gefunden.

Vater hatte seine Androhung in die Tat umgesetzt. Er führte unangemeldete Zimmerkontrollen durch und als er die Pillen gefunden hatte, vermutlich Ecstasy, brauch Zuhause kurzzeitig die Hölle aus. Ich war noch klein. Gerade mal acht als ich nach Hause kam und Schreie durch das Haus hallten. Schreie, die ich nie vergessen werde. Mein Bruder schrie als ob man versuchte ihn umzubringen, panisch, hoch, verzweifelt. Was er schrie verstand ich nicht. Ich bekam Angst und fing an nach meinen Eltern zu schreien und fühlte mich wie gelähmt. Meine Mutter fing mich noch im Eingang ab und brachte mich raus, Eis essen.

Später erst verstand ich was dort alles geschehen sein musste. An diesem Abend saß Jackson nicht mit uns am Tisch und Vater wirkte wütend. Ich verstand es nicht, meine Mutter war blass und zittrig, meine Schwester still. Mein Vater beugte sich zu mir und sagte streng: „Jasper, du wirst doch niemals so eine Scheiße bauen oder?“ Ich schüttelte nur den Kopf und versuchte zu lächeln. Ich liebte meinen Vater und war immer stolz darauf, wenn er stolz auf mich war! Jackson wurde wenig später auf eine Farm geschickt, zum ausgiften wie es hieß und meldete sich seither kaum noch bei uns. Auch bei mir nicht mehr, was sollte er mir auch schon sagen? Irgendwann wurde nicht mehr viel über ihn gesprochen und ich fragte nicht mehr und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, ging das Leben einfach weiter und Jackson geriet immer mehr in Vergessenheit.

Jedoch wurde mir an diese Tag bewusst, wie schmal der Grad bei Vater war, zwischen geliebter Sohn und Ausgestoßener. Jackson hat etwas getan was Vater wütend machte und die blauen Flecken an Vaters Händen waren der offensichtliche Beweis, dass man zu funktionieren harre. Man hatte einfach zu funktionieren in unserem Familienrad. Jeder hatte seine Rolle. Meine ältesten Geschwister, John und Jason erfüllten im Großen und Ganzen genau das, was mein Vater wollte. Beide hatten Arbeit, Frauen und Kinder, sie liebten Waffen, waren sehr konservativ und Amerika war ihnen heilig. Jenny, das einzige Mädchen genoss eigentlich einen Schutz, doch je älter und selbständiger sie wurde desto mehr Konflikte gab es zwischen ihr und Dad. Und ich? Ja ich funktionierte auch so wie Dad es von mir wollte. Öfter als ich jünger war verbrachten Dad und ich Zeit auf den Schießstand. Ich war sportlich, machte auf einen Wunsch hin Kampfsport und strengte mich so gut ich es konnte in der Schule an. Bis letzte Woche tat ich genau das, was Dad von mir wollte.

Seit den Streit und der Eskalation war ich stets bemüht, es ihm recht zu machen. Da Vater in der Waffenlobby äußerst aktiv war, fand er es wichtig, dass wir uns verteidigen sollten. Jeder meiner Brüder sollte Sport treiben und ich war gut in dem was ich tat, jedenfalls im Baseball, worauf ich sehr stolz war. Ich war und bin immer eine sehr ehrgeizige Person gewesen, etwas was ich mir bis heute beibehalten habe. Der angenehme Nebeneffekt dazu war, dass Vater immer mit mir zufrieden war und ich liebte ihn schließlich auch. Denn er war, nein er ist mein Vater, auch wenn er seine Fehler hatte. Die hatte jeder und warum er in letzter Zeit wieder lauter und aggressiver wurde, konnte ich nicht verstehen.
 

Erneute dachte ich an letzte Woche, nach dem Sportunterricht. Ich erinnerte mich wie ich meinen Freunden nachsah, die in Richtung der Umkleiden gingen. Ich beobachtete, wie sie lachten und sich gegenseitig schubsen und drehte mich dann zu Tobey um der herangetrottet kam und mich stillschweigend musterte. Schon öfter war es mir aufgefallen, doch er wurde schon von den Anderen so sehr geärgert, dass ich niemanden etwas sagte, nicht mal meinem besten Freund Eric. Doch irgendwie fühlte ich mich unter seinen Blicken unwohl und so sah ich mich in der Sporthalle um, welche wir ja aufräumen sollten. „Na dann…. Wir sollten anfangen. Ist ja nicht viel“, meinte ich damals, während ich ihm nicht in die Augen blickte und ging die Bälle einsammeln. Ich wollte schnell zum Essen und zu meinen Freunden. Außerdem musste ich noch von irgendjemandem die Hausaufgaben für Biologie bekommen, mit Abstand mein schlechtestes Fach.

„Okay“, kam es leise von ihm und er folgte mir schweigend, während wir das Feld absuchten und die Bälle aufsammelten. Gemeinsam verstauten wir die Bälle im Schuppen und stapelten sie ordentlich auf. Mr. Houver, unser Sportlehrer hasste Unordnung. Darin war er fast schon pedantisch.

„Houver übertreibt schon ziemlich mit der Ordnung oder“, fragte ich neben bei und grinste ihn über die Schulter hinweg an. Darauf folgte ein langgezogenes hm, und ich verdrehte die Augen. Wenn er wollte, dass nicht alle ihn mobbten muss er auch mal die Zähne auseinander kriegen, dachte ich missmutig. Als ich fertig war und den letzten Ball verstaut hatte, drehte ich mich zu ihm um. Ich erwischte ihn dabei, wie er mich eingehend betrachtete und zog fragend die Augenbrauen hinauf. Konnte es sein, dass seine Augen gerade an meiner Rückseite entlanggeglitten waren? Tobey war um einiges kleiner wie ich. Und schien eher schmächtig, seine kurzen dunkelblonden Haare waren vom Sport zerzaust und noch leicht verschwitzt. Tatsächlich war er eher der untersichtbare Typ. „Ja“, fragte ich ihn und klang dabei unsicherer, wie ich eigentlich wollte.

„Sag mal Jasper, warum… also warum machst du mich nicht eigentlich auch fertig. So, wie die anderen aus der Mannschaft“, fragte mich Tobey und klang alles andere als unsicher, ob es mir nur so vorkam konnte ich nicht sagen. Eine Tatsache die mich nervöser machte, als ich je hätte zugegeben. Ich dachte nicht, dass er so locker damit umzugehen schien, oder kam es mir gerade nur so vor? Ich war mir vollkommen unschlüssig. Eigentlich hatte ich ihn kaum je wirklich reden gehört, viel es mir auf. Aber ja es stimmte. Ich machte keine fiesen Scherze auf seine Kosten, ich fand, das taten andere zu oft. Aber helfen tat ich auch nie. Warum eigentlich, fragte ich mich in diesem Moment selbst… Doch eigentlich kannte ich die Antwort, ich wolle einfach nicht mein Gesicht verlieren.

Ich schaute ihn einen Moment lang verwirrt an ehe ich mich besann und nach kurzem Zögern antwortete: „Weiß nicht, ich sehe darin keinen großen…Sinn? Ich mein… ist doch deine Sache von wem du was willst. Ich kann mich auch so durchsetzen, da muss ich nicht noch auf anderen rumhacken.“

Verstehend nickend kam Tobey einen Schritt auf mich zu. „Du hast dich letztens von Viola getrennt… Stimmt das?“ Zögernd nickte ich unschlüssig, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte. Und nun wurde ich nervös und fragte ihn: „Wie kommst du darauf? Hast du mit ihr gesprochen?“ Bitte nicht, dachte ich fast schon verzweifelt. Ich hoffe sie würde niemals mit irgendwem über die Peinlichkeit sprechen, welche zu unserer Trennung geführt hatten! Aber wieso sollte Viola, eine beliebte Cheerleaderin, mit ihm sprechen? Und unsere Trennung lag schon einige Wochen zurück. Seither gingen wir uns aus dem Weg und redeten nicht mehr miteinander. Etwas, was ich wenn ich ehrlich war sehr bedauerte.

„Nein“, war seine Antwort und er erklärte weiter, „machte halt die Runde, weißt du. Und…ich mag dich, Jasper. Du bist nicht gemein zu mir. Du wirkst sehr sympathisch, siehst gut aus…Das gefällt mir.“ Während er sprach kam er auf mich zu. Der sonst so schüchterne und zurückhaltende Tobey drängte mich weiter in den Schuppen und ich verstand die Welt nicht mehr. Bis heute konnte und kann ich das nicht verstehen!

„Hey….Tobey…was“, doch weiter kam ich nicht, denn als ich mit den Rücken an die Wand stieß, schlang Tobey seine Arme um meinen Nacken und zog mich zu sich runter. Unsere Lippen trafen sich und ein Schauer lief mir den Rücken hinunter.
 

Wie versteinert stand ich dort im Schuppen, ich der beliebte Kapitän des Baseballteams und ließ mich von der Schul-Schwuchtel bedrängen! Automatisch hob ich meine Arme, wollte ihn wegstoßen. Wollte angewidert sein, von dem Jungen der seine Lippen auf meine presste. Mein Verstand raste, verbot es mir, mahnte mich ihn wegzustoßen! Zuschlagen! Wofür lernte ich denn Karate?! Ich sollte das hier absolut widerlich finden. Doch auf einmal regte sich noch was anderes. Keine Verachtung oder Ekel, sondern ein Gefühl, das nicht da sein sollte. Etwas in meinem Körper genoss es. Diese fremden Lippen auf meinen und bevor ich begreifen konnte was und wieso ist dies tat erwiderte ich den Kuss. Statt ihn von mich zu schubsen legten sich meine Arme um seinen schmalen Körper und drückten ihn kurz aber feste an mich. Er war sehr schmal fast schon zierlich im Gegensatz zu mir. Ich hörte ihn kurz zufrieden aufseufzten. Und irgendwie fand ich es cool, dass er so auf mich reagierte!

Ein Geräusch außerhalb des Schuppens ließ mich zur Besinnung kommen und grob schubste ich Tobey von mir weg und sah ihn verwirrt in die hellen Augen. Wie zum Teufel konnte Das passieren?! „Was“, entfuhr es mir und ich strich mir nervös die Haare nach hinten, ein Teil jedoch fiel mir gleich wieder ins Gesicht. Ich konnte Tobey frech grinsen sehen und er leckte sich kurz über die Lippen. „Keine Sorge Jazz… Mir fiel nur auf, dass du gerne mal Kerlen nachsiehst aber hey, mir würde doch eh keiner glauben… oder“, fragte er drehte sich um und ging hinaus und ließ mich verwirrt zurück. Ich starrte ihm einen Augenblick nach und erst nach einem Moment konnte ich mich aus meiner Starre lösen und schritt langsam Richtung Umkleide. Ich sah doch keinen Männern nach? Wie kam er denn auf die bekloppte Idee? Er konnte einfach nicht Recht haben, ich war davon überzeugt, dass Tobey Gespenster sah!
 

Auch heute saß ich wieder in meinem Zimmer und konnte nicht anders als immer wieder an diesen Moment denken zu müssen. Ich redete mir ein, dass ich zu verwirrt war um etwas gegen Tobey hätte unternehmen können. Und das man bei einem Kuss keinen Unterschied machte, ob er von einem Mann oder einer Frau kam. Ich hatte schließlich erst vor kurzen mit meiner Freundin Schluss gemacht! Zögernd hing ich mit dem Pfeil über der Suchleiste einer Suchmaschine. Irgendwie wollte ich mehr Wissen. Unsicher schaute ich mich in meinem Zimmer um. Als ob ich befürchtete meine Mutter oder noch schlimmer mein Vater kamen just in dem Moment hinein. Ich suchte eine Pornoseite auf und fand schneller als gedacht, was ich suchte…

Neue Erfahrungen

Immer noch versuchte ich nicht an den Vorfall zu denken, was schwieriger ist als ich eigentlich dachte. Ich erwischte mich selbst dabei, dass ich nach dem Training den Blick an den anderen Teammitgliedern schweifen ließ und innerlich ohrfeigte ich mich jedes Mal. Doch eigentlich sagte das doch gar nichts aus! Am liebsten hätte ich mit jemanden gesprochen, doch ich wusste einfach nicht mit wem ich darüber sprechen konnte!

Auch Tobey kam nicht mehr in meine Nähe und ich versuchte ihn einfach zu ignorieren. Trotzdem hatte sich was verändert und dies machte mir unheimlich Angst. War es doch einfach normal, dass man nach dem Training duschen ging. Natürlich habe ich sie vorher auch betrachtet, doch irgendwie war es anders. Ich betrachtete sie und ihre Körper eingehender, aufmerksamer. Sie alle waren recht groß und viel kräftiger als Tobey. Man konnte ihre Muskeln erahnen. Da wir alle um die siebzehn waren, war keiner ein Muskelberg, dennoch waren wir alle recht sportlich. Besonders Eric, mein bester Freund, hatte einen recht sportlich athletischen Körper, auch er hatte wie ich ein angedeutetes Sixpack. Ich hatte ihm nie viel Beachtung geschenkt doch jetzt fiel es mir umso mehr auf und der Anblick gefiel mir äußerst gut. Das Spiel der sich bewegenden Muskeln… Erneut mahnte ich mich und wusch mir schnell meinen braunen Schopf.

Kein anderer aus meinem Team oder meiner Freunde war untrainiert und ich stellte fest, dass ich den Anblick schon ziemlich…schön fand. Durfte ich es eigentlich als schön bezeichnen?

Jedoch gab es einen großen Unterschied zwischen mir und meinen Freunden. Ich sah älter aus, als ich war. Viele glaubten, dass ich einige Extrarunden gedreht habe… häufig schätzte man mich um die 20. Ich machte das Beste aus dieser Situation und lachte einfach mit, wenn die anderen mich damit aufzogen. Wenn wieder einmal ein Referendar mich verwirrt betrachtete und entsetzt fragte wieso ich noch hier sei. Meine Standard Antwort darauf war immer, dass ich dies auch nicht verstehe.

Ich betrachtete Eric erneut aus den Augenwinkeln und ermahnte mich selbst, dass nie wieder zu tun. Doch einen Augenblick später brach ich diesen selbst auferlegten Schwur wieder. Ja, Eric sah gut aus! Mit den blonden etwas längeren Haaren und den ziemlich hellen blauen Augen, den sehnigen Oberarmen. Aber man konnte doch auch als heterosexueller Männer attraktiv finden. Oder nicht?

„Jazz! Hey sag` mal träumst du gerade“, riss mich die Stimme von Zack, unserem Pitchers, aus meinen Gedanken. Seine schwarzen nassen Haare hingen dem Jungen, dessen Eltern aus Mexico stammten, nass ins Gesicht. Ein Handtuch hatte er um seine Hüfte geschlungen und er grinste mich freundlich an.

„Äh… was? Ja….War gerade woanders.“ Hatte er gemerkt, wo ich mit meinen Gedanken war? Ich hoffte nicht.

„Jetzt lass mal Baseball links liegen. Am Wochenende steigt eine Party und du kommst als einziger an Bier“, grinste mich ein Teamkollege an. Ja, dafür war es wahrlich ein Vorteil älter auszusehen. Und nicht selten hatte ich dies ausgenutzt. „Du siehst halt aus als wärst du schon zwanzig…oder so, du alter Sack. Dein Pech Alter. Wir haben letztens übrigens darüber philosophiert, wenn wir Anfang zwanzig sind und Clubs und Bars unsicher machen…“

„Ja, dann gehe ich schon auf Ü30 Partys. Also sollte ich jetzt anfangen, Clubs und Bars unsicher zu machen“, lachte ich und meine Freunde stimmten kurz in mein Lachen ein.

„Ja klar, warum nicht…ich schau ob ich Bier bekomme. Nur nicht hier in der Stadt, ich glaube mein Vater fände das nicht so prickelnd.“

Ich zog mich an und versuchte nicht weiter an den Vorfall von letztens zu denken. Als ich mit meinen Freunden lachend Richtung Parkplatz ging sprachen wir von dem bevorstehenden Spiel und ob wir Chancen auf ein Baseballstipendium haben würden. Tobey und alles andere war für mich weit weg und ich freute mich auf ein Wochenende mit meinen Freunden.
 

Als ich Zuhause ankam hörte ich wieder meine Mutter, die Essen machte und mich später runter rief. Wir redeten nicht viel ich hörte ihr eher zu, wie Mutter von ihren und Dads Plänen sprach meinen ältesten Bruder, John, zu besuchen dessen Frau gerade hochschwanger war. Was es neues im Gemeindezentrum gab. Alles Themen, welche mich nicht wirklich interessierten.

Auch das Mum mich ermahnte häufiger den Gottesdienst beizuwohnen, überging ich geflissen und lenkte das Gespräch auf das Essen. Große Lust Sonntags dorthin zu gehen hatte ich nicht. Spät am Abend versuchte ich alles zu verdrängen lag ich die letzten Tage häufig wach im Bett. Wälzte mich von einer zur anderen Seite. Ich wollte den Kuss vergessen, dass Eric auf einmal attraktiver wirkte, dass die Pornos, die ich schaute eine Wirkung auf mich hatten.

Ich versuchte mir andere erotische Situationen vorzustellen. Sah eine große schlanke Frau mit großen Busen vor mir und unbewusst verzog ich das Gesicht… Immer wieder änderte sich die Vorstellung und ein großer kräftiger Mann, wurde aus der Frau. Ein Mann der kniend vor einem anderen hockte und die Beine spreizte, während er sich selbst über sein Glied strich und er seinen Hintern präsentierte. Ich strich über meine Boxer zuerst noch unsicher, aber wollüstig aufseufzten. Ich hörte im Haus nichts und nach einem Moment griff ich mit meinen Fingern in die Shorts und strich mir über mein erwachendes Glied, während ich an das tiefe Stöhnen des Mannes dachte. Zu Beginn ermahnte ich mich an anderes zu denken, doch es gelang nicht. Ich sah immer wieder den kräftigen Mann vor mir kniend und stöhnend. Fester umschloss ich mein Glied mit meiner Hand und keuchte wohlig auf. Ich mochte es lieber wenn ich härter angefasst wurde. Ich versuchte immer noch an nichts zu denken doch immer wieder kam das Bild dieses muskulösen Mannes in meinen Sinn. Ich merkte, wie ich mit der Hand schneller über mein Glied strich und es schneller hart wurde. Immer wieder glitt meine Hand auf und ab während ich leise keuchte. Ich dachte an den Porno, den ich gesehen hatte und fragte mich, wie sich ein Mann anfühlen würde…ist es enger? Bei dem Gedanken keuchte ich kurz auf und merkte wie sich erste Lusttropfen bildeten und umschloss mein Glied fester mit der Hand. Ich stöhnte leise auf und drehte den Kopf zur Seite um meine Laute im Kissen ersticken zu lassen. Ich stellte mir vor, dass statt meiner eine andere kräftige, vielleicht auch raue Hand sich an meinem Glied zu schaffen macht. Ich verrieb die Feuchtigkeit mit meinem Finger und ich wurde immer schneller mit der Hand. Ein leichter Schweißfilm legte sich auf meinen Körper. Mein Puls raste. Immer wieder schossen mir Bilder von Kerlen durch den Kopf. Es war mir gleich, dass ich das nicht sollte! Gerade fühlte es sich gut an! Und so intensivierte ich den Druck meiner Hand und spürte Augenblicke später mein warmes Sperma auf meiner Hand. Während ich mir vorstellte in einen anderen Kerl zu stoßen und erstickte meine Laute im Kissen.
 

Frustriert setzte ich mich auf und seufzte. Ich schaute auf meine Hand hinunter und ließ mich frustriert ins Bett fallen. Ich konnte nicht schwul sein… Das war sicher nur eine Phase, redete ich mir ein und kramte in der Schublade nach einem Taschentuch. Hatten Frauen nicht sowas auch immer, mit ihrer besten Freundin? Ich stand auf und ging zum Fenster und öffnete es. Ich brauchte frische Luft und wollte meine Gedanken ordnen. Unten in der Einfahrt sah ich den Polizeiwagen den mein Vater fuhr. Heute war die Stimmung am Tisch wieder sehr bedrückt gewesen, warum verstand ich einfach nicht. Warum sich mein Vater in den letzten Wochen so sehr verändert hatte konnte ich nicht sagen. Manchmal, wenn er wütend wurde, machte er mir sogar etwas Angst.

Wie sollte ich ihm das je sagen? Er hasste Schwule. Für ihn war es eine Krankheit, etwas, was Gott nicht gewollte hat. Gott hatte schließlich Mann und Frau erschaffen, redete er bei solchen Themen. Ob er mich je wieder als Sohn sehen würde, wenn ich es ihm sagen würde? Wohl eher nicht…Aber nein ich bin sicher nicht schwul, das kann nur eine Phase sein, oder so. Ich kann und darf einfach nicht schwul sein. Ein letzten Mal, strich ich mir durch die braunen Haare, eher ich das Fenster schloss.
 

In den nächsten Tagen versuchte ich mich damit anzufreunden beziehungsweise mit mir selbst einig zu werden, dass gerade irgendetwas komisch war. Ich las viel im Internet woher sowas kam und was sich eventuell ändern würde und ob es so was auch eine Phase sein könnte. Alle waren sich einig, dass es Phasen nicht wirklich gab. Doch fand ich auch radikale Seiten im Internet, welche vom ausprügeln und anderen merkwürdigen Sachen sprachen.

Ich wollte nicht so werden wie Tobey. Ich wollte meine Freunde nicht verlieren. Wollte weiterhin Kapitän des Teams sein. Ich wollte nicht, dass sich etwas ändert. Ich wollte weiterhin beliebt sein, egal wie egoistisch es klingen mag. Also sprach ich mit keinem über meine Gefühle. Versuchte es einfach zu ignorieren. Auch wenn es sehr schwer für mich war. Denn in mir wuchs nicht nur der Wunsch mit jemandem zu reden. Ich schaute noch den ein oder anderen Porno und fragte mich häufiger, wie es sei, dass alles in die Tat umzusetzen.

Trotzdem hatte sich eines doch verändert. Ich fuhr regelmäßiger in die Nachbarstadt. Dort kannte mich keiner. Dort kannte keiner meinen Vater. Ich war neugierig und schaute dort den Männern nach… Doch eigentlich schaffte es mir nicht mal innerlich einzustehen, dass ich Männer interessant finden könnte. Wie sollten auch Beziehungen zwischen Männern wirklich ablaufen?

Gab es immer einen der sich weiblich Verhalten sollte? Ab wann war jemand schwuchtelig? Könnte ich mir vorstellen je diesen „weiblichen“ Part in einer Beziehung haben zu wollen? Konnte ich mir überhaupt eine Beziehung mit einem Mann vorstellen? Nein, war immer meine Antwort darauf, doch dieses nein, klang selbst in meinen Gedanken von Mal zu Mal falscher. Ich wollte so gerne antworten auf meine Fragen, auch wenn diese vielleicht lauten würde, dass es wahnsinnig albern sei sich darüber Gedanken zu machen.

Ich setzte mich frustriert auf eine Bank und schaute ein paar anderen Jugendlichen beim Football spielen zu. Die Sonne schien, wie häufig hier und es war recht warm für die Jahreszeit. Es war bereits Mitte Februar und das Thermometer zeigte heute 16 Grad an. Ich traute mich nicht jemanden anzusprechen, was mich frustrierte. Zu groß war die Sorge auf Ablehnung zu stoßen und immer noch, war ich ja eigentlich nicht schwul! Als ich dachte, ich sei in Viola verliebt gewesen, war es so einfach gewesen. Nach einem gewonnen Spiel waren wir Eis essen und nur wenige Tage später zusammen. Nichts kompliziertes nicht Schweres.

Einer der Jugendlichen, ein groß gewachsener kräftiger Junge mit gebräunter Haut und dunklen Augen, schwarzen Haaren kam zu mir rüber und heran. Er schien ein Latino zu sein. Laut rief er mir entgegen: „Hey, du schaust schon so lange zu. Wir könnten einen vierten gebrauchen… Also wenn du Lust hast.“ Und mit diesen Worten stand er vor mir und grinste mir entgegen.
 

Während er auf mich zugegangen war hatte ich mich bereits von der Bank erhoben und lächelte ihn freundlich entgegen und antwortete: „Hey, na ja eigentlich hab ich nichts dagegen, aber ich spiele wenn eher Baseball. Bin also im Football nicht so gut.“

„Ach kein Thema. Siehst nicht so aus als ob ich dich so schnell weghauen könnte. Ich bin übrigens Sergio.“ Er grinste und ich nickte ihm begrüßend und freundlich zu.

„Ich bin Jasper, aber eigentlich sagen die meisten Jazz.“

„Okay, Jazz. Wenn du willst…Sahst zu schüchtern aus um uns anzusprechen.“

Ich grinste über die Aussage und gemeinsam gingen wir rüber zu seinen Freunden. Den eigentlichen Grund meiner Zurückhaltung behielt ich jedoch für mich. Alle drei spielten in ihrer High School Football und nach einer Diskussion über den besseren Sport, wobei keiner weder ich noch die anderen nachgeben wollten begannen wir zu spielen. Sergio war gut, soweit ich das beurteilen konnte, aber was noch interessanter war, er sah sehr gut aus. Er war breiter wie ich um einiges. Das T-Shirt spannte über seine Schulter und ließ mich das ein oder andere mal ablenken, was ich zu spüren bekam als ich mich unter ihm wieder fand und er mir dir Luft aus den Lungen drückte.

„Verdammt, Alter“, lachte ich und drückte ihn von mir weg, „ich will noch atmen können. Du wiegst sicher um die 100 Kilo!“

Sergio lachte stand auf reichte mir die Hand und zog mich auf die Beine ehe er antwortete: „Kommt fast hin. Tut mir ja leid. Du Fliegengewicht, du.“

Ich musterte ihn zog die Augenbrauen hoch. „Wenn du 100 Kilo wiegen würdest wärst du Schwarzenegger… Das sind wenn gerade mal 80…“ Scherzte ich herum und grinste ihn fast schon frech an.

Sergio musste lachen und zwinkerte mir aus seinen dunklen Augen zu eher er meinte: „Du hast mich erwischt… Ich komme noch lange nicht an die 100 Kilo.“

Er und ich gingen zu den anderen beiden. Als wir bei ihnen ankamen meinte einer, dass ihn seine Mutter geschrieben hatte und er gehen musste. Zusammen mit seinem, wie sich für mich dann rausstellte, Bruder ließ er mich mit Sergio im Park stehen. Ich schaute auf den Breitschultigen neben mir der mich ebenfalls kurz ansah.

Sergios dunkle Augen musterten mich und er fragte: „Okay Jazz und was jetzt? Oder bist willst du auch weg?“

„Nein muss ich noch nicht… Willst du vielleicht was trinken… oder so?“

„Wenn du willst. Okay was hältst du von Burger essen?“

„Klingt gut!“

Wir gingen gemeinsam aus den Park und fanden schnell was wir suchten. Wir sprachen viel über unser Lieblingsfernsehprogramm Musik und vieles mehr.

„… Sergio… ich finde dich echt nett“, begann ich vorsichtig und schaute ihm in die dunklen Augen und grinste ihn schräg an. Vielleicht war Angriff ja der beste Weg.

„Ja, du bist auch ganz nett. Wieso sagst du das? Das ist komisch“, meinte Sergio und runzelte die Stirn.

„Ach, ich weiß nicht, ich dachte wir könnten uns mal treffen…Auf ein Date oder so oder was du sonst so magst“, sagte ich und klang dabei weniger schüchtern oder unsicher als ich befürchtet hatte, worüber ich sehr froh war.

Sergios Augen weiteten sich und plötzlich sprang er von seinen Platz auf und starrte mich hasserfüllt an. „Soll das heißen ich hab Football mit einer Schwuchtel gespielt? Ist ja widerlich! Komm mir bloß nicht zu nah oder ich verspreche dir! Nein, ich schwöre dir, ich werde dich erschießen! Ist ja krank! Bah! Ich kenn genug Leute die das machen würden!“ Rief er laut und spuckte mir vor die Füße. Ich sah ihn erschrocken an und meinte beschwichtigend zu ihm: „Ist gut Mann, beruhig` dich mal. Du kennst…“ Sergio sah mich hasserfüllt an, etwas was ich so in der Form gar nicht kannte, ehe er mir entgegen schrie: „Ich brauch dich nicht kennen! Alle Schwuchteln sind gleich, du Schwanzlutscher!“ Ich wurde wütend und stand auf, denn Sergio raste vor Wut und ich wollte ihn auf Augenhöhe begegnen. Denn mich trafen die gleichen Worte wie ich sie sonst nur von Tobey kenne. „Ich mein es ernst, du Schwuchtel. Sollte ich dich noch mal sehen erschieß ich dich. Dafür würde ich ja sogar noch gefeiert werden!“

Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich verwirrt und unsicher zurück. Es war, als würde ich in einer Trance feststecken.

Erst nach einem Augenblick rührte ich mich wieder und stellte fest, dass viele in der Umgebung mich neugierig musterten und einige verächtlich schauten und zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, wie es war bloß gestellt zu werden. In dieser Form, war es mir noch nie passiert! Eiskalte Schauer jagten mir den Rücken hinunter und ich musste Schlucken obwohl mein Mund sich staubtrocken anfühlte. Langsam stand ich auf und hatte nur noch das Gefühl diesen Ort schnell verlassen zu müssen! Ich spürte die Blicke der Menschen, ob sie mich nur neugierig musterten oder verachtend ansahen machte keinen Unterschied. Sie brannten sich in diesem Moment ein und sie taten so weh! Wie mechanisch bewegten mich meine Füße weg von dem Ort. Tatsächlich war es wie eine Flucht für mich. Wie konnte Tobey das nur aushalten? Und das jeden verdammten Tag?!
 

An den Weg nach Hause erinnerte ich mich kaum noch und als ich Zuhause ankam lief ich fast in meinen Vater hinein, der sich gerade die Schuhe auszog.

„Pass doch auf Junge“, mahnte er mich genervt und runzelte die Stirn als er mich sah. „Alles klar, Jasper? Siehst ja auch als hättest du einen Geist gesehen.“ Ich sah meinem Vater in die Augen und erkannte meine eigenen in ihnen wieder. Er hatte die gleichen Gesichtszüge, ein markantes Kinn auf dem sich ein drei Tage Bart abzeichnete. Er hatte wie ich dunkelbraunes Haar, nur war seines durchzogen von grauen Haaren. Er könnte die Vaterschaft nicht abstreiten, selbst wenn er es gewollt hätte. Ich beobachtete ihn dabei wie er seine Waffe nahm, sie sicherte und mit dem Holster an die Garderobe hing. Kurz kam mir der Gedanke, dass ich mit ihm reden könnte, doch gleich darauf verwarf ich ihn wieder. Dad war keine Person mit der ich über dieses Thema reden könnte!

„Nein, ist alles okay. Nur… hatte mit jemandem Stress. Das ist alles. Aber ist nichts passiert“, log ich schnell und setzte ein Grinsen auf, von dem ich hoffte es erreichte meine Augen.

„Will ich doch hoffen… Sag mal, John hat angerufen, wenn das Baby da ist, sollen wir ihn besuchen und seine Frau… Da sind vermutlich Ferien, willst du mit?“ Selten ging Dad darauf ein, wenn es jemanden schlecht ging. Irgendwie fehlte ihn dafür die Empathie.

Ich verdrehte die Augen und irgendwie war ich enttäuscht, wie schnell es egal war. Mein Bruder John war fast Mitte dreißig. Als ich geboren wurde war er bereits sechzehn und wenige Jahre später war er ausgezogen, mit ihm verband mich, außer den traditionellen Familienfesten eigentlich nichts. „Hm…weiß nicht… muss nicht sein, weißt du. Ist auch mal cool Sturmfrei zu haben.“

Vaters Brauen zogen sich zusammen und er musterte mich, dann fing er an zu grinsen: „Willst eine Party schmeißen, ne? Ich warne dich Jazz räum danach auf und pass auf, dass die Nachbarn nicht zu schlecht reden klar?“

Ich verdrehte grinsend die Augen und zog mir die Jacke aus und erwiderte: „Du kennst mich. Ich werde schon keinen scheiß bauen… Wie war denn die Arbeit?“

„Ach… haben einen neuen bekommen. Mal schauen, der ist Schwarz“, war seine Erklärung, als ob dies allein schon etwas war weswegen man sich beweisen musste. Ich verstand nicht, weswegen war Vater so und wieso ich nicht? Hatte er mir damals wirklich so Angst gemacht als er Jackson zu Rede stellte? Seither fing ich an die Meinung meines Vaters zu hinterfragen und seine Handlungen. Zwar tat ich alles um ein guter Sohn zu sein, doch wenn ich ehrlich war, tat ich es häufig um Problemen oder Konflikte mit ihm aus dem Weg zu gehen. Unschlüssig nickte ich ihm zu und ging langsam die Treppe hinauf.

Nein Vater würde es nie gutheißen sollte ich mich outen, wenn es nicht einfach gerade eine Phase ist. Doch ich liebe ihn. Ich liebe meine Familie, aber würde sie das wirklich überstehen.

An diesem Abend schwirrten Gedanken und Fragen durch meinen Kopf, die Drohung, die Sorgen die unausgesprochenen Fragen… Ich kannte nur einen, der sie mir beantworten konnte, aber wie sollte ich mit ihm sprechen ohne das es den anderen Auffällt?

Unzufrieden stellende Antworten

Schon am nächsten Tag sollte ich meine Antwort bekommen. Ich saß neben Eric im Englischunterricht als Mrs. Williams Referate verteilte um denjenigen eine Chance zu geben, die zwischen zwei Noten standen. Mrs Williams war eine strenge, aber gerechte Lehrerin, die in ihrem grauen Rock und weißer Bluse äußerst bieder aussah. Ich schaute hinüber zu Eric, der unsicher auf seinem Stuhl herumrutschte und am Ärmel seiner Sportjacke zupfte. „Sorry, Jazz“, flüsterte mein bester Freund und wirkte zerknirscht, „Ich würde das Referat gerne mit Zoey machen. Will mal schauen was da…na ja…“ Und zum ersten Mal sah ich wie Eric begann leicht rot anlaufen und verlegen grinsen. Mein bester Freund war also verknallt. So hatte ich ihn noch nie gesehen und ich freute mich ziemlich für ihn. Ich grinste breit und schlug ihm freundlich gegen den Arm. „Klar. Mach mal. Wird sicher ein scheiß Referat werden, weil du nicht zum Arbeiten kommst“, lachte ich leise und als Williams zu uns kam, lehnte ich mich entspannt in meinen Stuhl zurück und sagte: „Hab keinen Partner.“ Verwirrt schaute sie zu Eric, der sich zu Zoey gedreht hatte und sah dann mich wieder verständnislos an. „Oh…ja…ähm, wer hat den noch keinen Partner…“, rief sie durch die Klasse und eigentlich wollte ich ihr gerade sagen, dass man diese Arbeit auch aufteilen konnte auf drei Personen, als leise aus einem anderen Teil der Klasse sich Tobey meldete: „Ich…“

Mrs. Williams drehte sich zu ihm und schaute dann mich an. „Dann machst du das mit Tobey.“ Ohne zu protestieren stand ich auf, doch Colin rief laut durch die Klasse: „Mrs. Williams, das können sie Jazz nicht antun… Mit der Schwuchtel. Der kann auch bei uns mitmachen!“

„Colin White! Ich verbitte mir so etwas! Noch einmal und Sie sitzen nach! Haben wir uns verstanden? Jasper, geh rüber und wehe ich höre Beschwerden“, mahnte sie mich böse und ich nahm meine Sachen und ging ohne ein Wort zu Tobey rüber.

Ich grinste ihn kurz zu, doch er schaute teilnahmslos in meine Augen und begann den Text zu lesen.
 

Zunächst arbeiteten wir stumm. Ich konnte mich kaum auf den Text konzentrieren. Ich wollte mit ihm sprechen, aber konnte es nicht hier tun. Immer und immer wieder las ich denselben Satz ohne seine Bedeutung zu verstehen. „Brauchst du immer so lange zum Lesen“, kam es leicht genervt von Tobey und ich schaute zu ihm auf. Mit dem Stift trommelte er unruhig auf seinem Block herum und schaute mir gelangweilt zu. „Nein, eigentlich nicht. Bin in Gedanken“, grummelte ich und fühlte mich fast schon ertappt. Erneut versuchte ich den Text zu lesen eher ich aufgab „Hey Tobey… ich kann mich gerade echt schlecht konzentrieren. Was würdest du davon halten heute Nachmittag zu mir zu kommen?“

„Zur dir? Für eine Schularbeit? Wieso?“

„Es ist…“, fing ich an und wusste selbst nicht wie ich den Satz sinnvoll beenden sollte.

„Jetzt sag nicht wichtig…“, grinste mich Tobey an und auch ich musste grinsen.

„Na ja… wichtig unwichtig…egal. Kommst du oder nicht?“

„Sind die anderen aus dem Team da? Ist das irgendwas…“

„Ich hab sowas nie gemacht und werde sicher jetzt nicht damit anfangen!“

Nach kurzem Zögern und augenscheinlichem Abwägen stimmte er zu. Ich schrieb ihm meine Adresse auf und bat ihm gegen 16 Uhr zu kommen.

Zum Glück war niemand Zuhause. Mutter schien weg zu sein für die Kirche etwas zu machen und Vater hatte Dienst. So war ich alleine, als es klingelte.

Ich ging runter und öffnete Tobey die Tür. Er schien sich etwas zögerlich umzuschauen. Er trug engere Jeans als in der Schule. Auch an seinem Hemd war ein Knopf zu viel offen. Mir war sofort klar, dass sollte er so zur Schule kommen, er noch mehr Beleidigungen ausgesetzt wäre. Ich war mir auch nicht sicher, aber es sah auch so aus, als wäre er leicht geschminkt. „Keine Sorge, ich bin alleine. Komm rauf“, sagte ich ihm und führte ihn hinauf in mein Zimmer.

„Du bist echt allein hier! Ich dachte Eric oder Colin wären hier.“

„Nein. Keine Sorge.“ Ich verdrehte die Augen. „Wie kommst du darauf?“

„Nun ja, nach letztens nach dem Sport… Ich war von meiner Courage überrascht und…Ich weiß nicht. Nachher wolltest du dich rächen?“

Ich stutze. Dass er das wirklich von mir dachte! Zuerst war ich empört, doch dann musste ich Sergio und seine Drohung denken und verstand ihn. Hier in dieser Umgebung schien man besser vorsichtig zu sein. Warum er dann aber in diesem Outfit durch die Gegend lief, war mir schleierhaft. Würde ich auch immer so vorsichtig sein müssen? Aber ich war mir ja nicht mal sicher was ich empfinden sollte…

„Nein…sowas mache ich nicht.“

„Das machen leider viele! Ich hab das Gefühl, meistens kommen Schwule nur mit anderen Schwulen dauerhaft zurecht.“

Ich zog skeptisch die Augenbrauen hoch, denn irgendwie klang es recht albern und ich bekam die Befürchtung, dass ich nur wenige meine Fragen ihm würde stellen können…

Ich konzentrierte mich also eher auf die Geschehnisse im Schuppen und begann: „Aber… deswegen wollte ich dich sprechen. Wegen letztens. Also…wieso...also wieso hast du das gemacht?“

„Na ja… darum? Ein Anflug des Übermutes…? Weiß auch nicht genau, dachte mir du schlägst nicht gleich…“ Er grinste leicht und kratzte sich nervös am Kopf und schien weitaus weniger Selbstischer als im Schuppen. Ich überging dies und fragte: „Hm… Woher wusstest du eigentlich das du Schwul bist?“

„Weil ich mich in Männer verliebt habe?“

„Hat dir das…ich weiß nicht, Angst gemacht“, fragte ich ihn und setzte mich auf mein Bett und lehnte mich an die Wand und deute ihm an, sich setzen zu können.

„Hm… am Anfang. Aber meine Eltern sind da sehr offen. Im Gegensatz zu vielen anderen in Texas sind sie schon im 21.ten Jahrhundert angekommen. Sie haben sich und mir Hilfe gesucht“, erklärte er mir und setzte sich auf den Schreibtischstuhl und drehte sich etwas hin und her und begutachtete mein Zimmer. Sein Blick blieb etwas an den Bildern hängen die auf meinen Schreibtisch lagen. Bilder von mir und meinen Freunden beim Baseball.

„Hilfe gesucht“, fragte ich verwirrt und verstand nicht was er meinte. Das einzige was mir einfiel in diesem Zusammenhang war, dass Tobeys Eltern Schwule für ihn gesucht haben. Aber das klang schon in meinen Gedanken so bescheuert, dass ich sie nicht aussprach.

„Na ja… du wirst es vielleicht nicht so ganz glauben können, Jazz, aber auch hier in Texas gibt es noch mehr Schwule. Und diese haben auch Plattformen auf denen man sich austauschen kann. Meine Eltern haben mich zu einem Jugendzentrum in Austin gefahren, in dem es viele Homosexuelle gibt. Da hab ich viele Freunde gefunden.“, erklärte er mir und musste über mein verdutztes Gesicht grinsen. Toll, dachte ich… ich konnte nicht mal eben 125 Kilometer fahren und meine Eltern zu bitten kam nicht in Frage…

„Jasper… Hat dich mein Kuss so aus der Fassung gebracht? Meinst du jetzt, du bist schwul? Oder hast eventuell Angst, du wirst es jetzt“, fragte er und klang dabei äußert sarkastisch.

„So ein Quatsch“, wich ich aus und winkte ab, „ich hätte nur gedacht, dass es mich mehr…na ja das es mir nicht irgendwie gefallen hätte.“ Zum Ende des Satzes wurde ich leiser und schaffte es auch nicht mehr ihn anzuschauen.

„Weißt du Jazz, es gibt auch diejenigen die auf Beides stehen… Auf Männer und Frauen, schon mal darauf gekommen?“

„Ja, darüber hatte ich mir schon mal Gedanken gemacht.“

„Wenn du dir Sorgen machst und erstmal nur schauen willst, versuch es doch über das Internet?“

„Ja… das wäre jedenfalls anonym. Aber… stehst du irgendwie auf mich? Oder weswegen das Überfallen?“

„Hm… Joa schon ein wenig. Du gefällst mir gut das kann ich nicht abstreiten. Aber es bricht für mich keine Welt zusammen, wenn du sagst, ich sei nicht dein Typ“, meinte Tobey und wirkte kein bisschen verletzt er schien eher neugierig. Als er weitersprach hörte man einzig den neugierigen Unterton, als er fragte: „Also…gehen wir davon aus, du findest Männer attraktiv… Was wären das denn dann für Männer?“

Ich wollte nicht, dass er davon ausging, dass ich schwul sei.

„Ich bin nicht Stockschwul!“

„Oh Mann, Jazz, davon redet keiner! Also?“

Ich grummelte vor mich hin, es fiel mir schwer mit ihm darüber zu reden. Und schwer seufze ich, als ich mir Gedanken dazu machte. Nach kurzem nachdenklichem Zögern begann ich schließlich: „Weiß nicht, wenn muss es schon ein richtiger Kerl sein… Nicht sowas Schwuchteliges… Muskeln finde ich attraktiv und Bart, dass sieht gut aus. Keinen Bierbauch oder Hungerhacken. Ich mag es nicht wenn jemand so ein perfektes Modellgesicht hat. Es muss Kanten und Ecken haben…Aber auch als Heterosexueller kann man Männer attraktiv finden.“

Tobey nickte langsam und nachdenklich eher er dann anfing zu grinsen und feststellte: „Also bin ich überhaupt nicht dein Typ. Ich hab weder Muskeln wirklich noch einen Bart und laut der Definition von anderen bin ich ja das Schwuchteligste unter der Sonne.“

Ich schaute ihm in die hellen Augen und bekam ein schlechtes Gewissen. Jetzt wo man mit ihm sprach, war er mir sympathischer wie ich dachte. „Na ja, tut mir Leid Tobey? War nicht meine Absicht… Aber ne… eigentlich bist du…wirklich nicht so mein Typ. Also wenn ich von Kerlen ausgehen würde…“

„Du brauchst dich nicht entschuldigen Jasper! Ich werde davon nicht umkommen“, grinste er mich an und ich musste ihn einfach fragen: „Wieso nimmst du das so locker?“

„Weißt du, ich habe vielleicht nicht auf der High School viele Freunde aber außerhalb davon… Es gibt Tage, ich bin ehrlich, da ist es schwer, da tun diese Mobbingsachen sehr sehr weh. Aber ich weiß, ich habe Freunde die mir helfen das durchzustehen. Und ich habe mehr Eisen im Feuer als du vielleicht glaubst. Und so wie du mich anschaust hättest du das echt nicht geglaubt.“ Tobey lachte, denn tatsächlich hatte ich ihm, so etwas nie zugetraut und ich stimmte in sein Lachen ein. „Du scheinst schlimmer zu sein, als man im ersten Moment glaubt.“ Er antwortete auf diese Aussage nicht, doch ein anzügliches Grinsen schlich sich auf seine Züge.

„Tobey… es tut mir wirklich leid, dass ich dir nie geholfen habe. Ich schau mal, dass die aus dem Team dich etwas in Ruhe lassen… und auch so. Wegschauen ist… genauso schlimm wie mitmachen. Glaube ich…ja“, meinte ich entschuldigend zu ihm denn es stimmte. Ich habe nie mitgemacht ihn zu mobben, aber ich hielt die anderen auch nicht ab.

Tobey wirkte überrascht und ein lächelte mich etwas traurig an. „Das ist wirklich lieb von dir. Du bist der Erste, der sich entschuldigt. Das…bor das tut…“ Und als Tobey wirklich ein zwei Tränen über die Wange liefen wuchs das schlechte Gewissen. Ich kramte nach Taschentüchern und reichte ihm eines. Ich wusste nichts zu sagen, nichts intelligentes, also schwieg ich und ließ ihn sich beruhigen.

„Ach komm lass uns jetzt endlich diese beschissenen Schulsachen machen“, meinte ich zu ihm als er sich beruhigt hatte und gemeinsam machten wir endlich unsere Schularbeit.

Einige Zeit später, nachdem wir unser Referat beendet hatten, schaute Tobey zu mir und fragte: „Stehst du jetzt dazu, dass du schwul bist?“

Ich starrte ihn mit großen Augen entsetzt an. „Ich habe nie…was?“ Natürlich kam das für mich nicht in Frage! „Tobey, nur weil ich gerade etwas…verwirrt bin…das legt sich sicher wieder! Das ist nur, weil das letztens eben erst passiert ist“, redete ich mir ein. Tobey seufzte genervt und fuhr sich durch die kurzen blonden Haare. „Ich finde es so scheiße, wenn die Leute dazu nicht stehen können. Das ist wirklich irgendwie schade.“

Ich starrte ihn an und schüttelte den Kopf. „Das hat damit nichts zu tun“, ging ich ihn fast schon gereizt an. „Doch genau das hat es. Du konntest mir benennen, was du an Typen toll findest. Hast gesagt, der Kuss habe dir besser gefallen als du dachtest. Wieso kannst du dann nicht einfach sagen. Ich bin schwul?“ Weil ich das erstmal mit mir selbst ausmachen muss, dachte ich missmutig. Ja, es war erstaunlich und…eigentlich gut, wie Tobey dazu stehen konnte, aber das von anderen zu verlangen…Nein das ging nicht.

Ich wollte keinen Streit und so lenkte ich nach einem kurzem Moment des Schweigens ein: „Komm, Tobey, wir sollten fertig werden. Lass das andere meine Sache sein.“
 

Später am frühen Abend brachte ich ihn runter zu Tür just in dem Moment als Vater aus seinem Wagen stieg. Tobey nickte ihm freundlich zu und mit einem „Bis Morgen Jazz“, verschwand er und schlenderte die Straße hinunter.

Vater sah ihn skeptisch nach und fixierte mich mit seinen braunen Augen den meinen so ähnlich.

„Ist das nicht Tobey Mason?“

Ich nickte und als ich Vaters skeptischen Blick bemerkte wurde ich unruhig. Ich wusste wie gut er sich in der Nachbarschaft auskannte.

„Ist das nicht der Sohn von Michael und Susanne Mason?“

Ich kannte die Namen seiner Eltern nicht also zuckte ich mit den Schultern, aber mein Vater kannte diese Nachbarschaft zu gut. Als Sheriff mischte er sich in viele Dinge ein und Mum hörte in der Kirche vieles und gab bei meinem Vater ihren Senf dazu. „Der Junge soll doch vom anderen Ufer sein… Was macht der hier? Und wie sieht der bitte aus?“ Und Vaters Blick durchbohrte mich und eingehend musterte er mich.

„Schule. Für Englisch müssen wir ein Referat machen. Die scheint Mrs. Williams sehr ernst zu nehmen. Haben das zu Ende gemacht. Wieso?“

„Ich will nicht, dass du mit so jemandem viel Zeit verbringst. Nachher färbt das noch ab…Oder die Nachbarn denken noch das schlimmste, Junge.“ Er klopfte mir auf die Schulter und ging an mir vorbei ins Haus und ließ die Tür offen stehen.

Einen kurzen Moment später folgte ich meinen Vater ins Haus. Ich ging die Treppe hinauf und setzte mich an den Schreibtisch und öffnete den Laptop. Internet, riet mir Tobey.

„Warum eigentlich nicht“, sagte ich leise zu mir selbst und suchte eine kostenlose Dating-Seite. Ich hatte nichts zu verlieren und ich wollte Antworten. Nach einer erstaunlich kurzen Suche fand ich tatsächlich eine Seite. Unsicher klickte ich auf der Seite hin und her. Suchte etwas, weswegen ich mich doch nicht anmelden sollte. Doch nachdem ich keine versteckten Kosten gefunden hatte, meldete ich mich an. Ich kramte in meinen Ordnern nach Bildern und fand schließlich zwei. Das eine zeigte mich beim Baseball spielen, dass zweite war von unserem letzten Sommerurlaub in Florida am Strand. Ich lag auf einen Liegestuhl hatte eine Sonnenbrille auf uns grinste in die Kamera. „Schreiben sie etwas über sich“, las ich leise vor und stutze. Was sollte ich über mich schreiben.

Sportbegeisterter, junger Mann, der offen ist für neue Bekanntschaften ist, damit konnte man nicht viel falsch machen. Ich setzte mein alter auf 20 und starrte den PC lange an. Erst als Mutter mich und meinen Vater zum Essen rief, klappte ich den Computer zu und ging nach unten.

Auch in dieser Nacht lag ich wach und mir wurde immer mehr bewusst, dass das was Tobey in mir geweckt hatte, endlich Erfolg haben wollte. Ich hatte nicht viel Erfahrung was Sex und Lust anbelangt und diese Erfahrungen waren schlecht und nicht befriedigend. Wenn ich ehrlich zur mir selbst war wollte ich endlich genau das Erleben und wenn Tobey viele „Eisen im Feuer hatte“, wie und wen könnte ich dann von mir überzeugen? Warum aber war ich so verdammt zwiegespalten. Auf der einen Seite wünschte ich mir Erfahrungen zu machen, auf der anderen verfluchte ich mich regelrecht dafür. Ich verstand diese Ambivalenz nicht. Doch glaubte ich nicht, dass ich diese mit Tobey aus der Welt schaffen konnte. Natürlich ist er enttäuscht, dass sollte ich schwul sein, noch nicht dazu bereit war, dazu zu stehen. Vielleicht meinte er, er wäre dann nicht alleine? Ich wollte und würde mich jedoch nicht drängen lassen.

Ein neuer Nachbar zieht ein…

Die Idee mit dem Internet entpuppte sich als eine eher schlechte. Ja, es schrieben einen viele Männer an, aber sie alle waren nur auf dasselbe aus: Ficken. Klar, ich war neugierig und wollte gerne, aber ich hatte ein gewisses Niveau, von dem ich nicht runtergehen wollte. Die Anonymität des Internets verlieh vielen ein größeres Mundwerk als sie es je in Wirklichkeit gehabt hätten. So schrieb mir ein alter Sack, „Hey, Kleiner...siehst ja ganz schnuckelig aus. Möchtest du mal erleben, wie ein geiler, erfahrener Schwanz es dir richtig besorgt…? Ruf einfach an!“ Dahinter stand dann tatsächlich eine Telefonnummer. In seinem Profil war zu lesen, dass dieser Mann über 50 Jahre alt war. Ich bekam einige dieser Nachrichten und beschloss das ganze erst mal sein zu lassen. In der Schule lief alles seinen gewohnten Gang. Einzig dass ich anfing, meine Freunde und Teamkollegen jedes Mal anzufahren wenn sie anfingen Tobey zu mobben. Sie sollten ihn in Ruhe lassen. Auf deren Frage weswegen, erklärte ich ihnen, dass ich bei der Referatsarbeit festgestellt hatte, dass er gar kein schlechter Typ sei. Und das wir alle mal im 21ten Jahrhundert ankommen sollten. Die meiste Zeit, obwohl vielen es schwer fiel hielten sie sich daran, was auch daran liegen konnte, dass Ferien vor der Tür standen. Zwar wurde Tobey immer noch von den meisten gemieden, aber vor den Augen der anderen passierte kaum noch etwas.

Nur Erfolg mit den Männern hatte ich noch nicht, was mich selbst ziemlich frustrierte und erleichterte.
 

So begannen nach wenigen Wochen die Ferien und ich wurde am Anfang der Ferien gleich Onkel. Meine Eltern konnten ihr Glück nicht in Worte fassen und wären lieber gestern statt nächste Woche losgefahren. Die Ferien waren gut, endlich ausschlafen! Aber leider waren einige aus dem Team im Urlaub und so konnten wir nicht trainieren. Ich unternahm viel mit Eric, der wirklich Zoey von sich überzeugen konnte und so musste ich mich an ihre Anwesenheit gewöhnen.

Ich wollte endlich mein Erfolgserlebnis. Ich wollte wissen, wie und ob ich Kerle von mir überzeugen könnte. Ob ich es wirklich wollte. Ich wusste, wenn ich Tobey anrief, dass er sofort da sein würde um mir zu helfen, aber ich wollte es nicht. Langsam aber sicher musste ich mir eingestehen, dass ich wohl weniger an Frauen interessiert gewesen war als ich mir am Anfang hatte einreden wollen. Trotzdem habe ich es noch nicht einmal ausgesprochen, dass ich schwul bin. Vielleicht ist das ähnlich wie zum ersten Mal zu sagen, dass man verliebt sei. Auch meine Fragen die ich gerne jemanden stellen wollte konnte ich noch keinem Stellen. Tobey besuchte mich während der Ferien ein zwei Mal, doch wir kamen bei diesem Thema wenig auf einen Nenner. Er war immer noch davon überzeugt es einfach jedem zu sagen und wenn die damit nicht zurechtkommen, dann sei das deren Problem. Dass ich Angst wegen meiner Familie hatte und was der Grund dafür war behielt ich für mich.
 

Und so waren die Ferien recht langweilig. Als ich an einem Samstagmorgen auch noch von Lärm geweckt wurde drehte ich mich frustriert seufztend in meinem Bett herum. Ich hörte Stimmen, die sich draußen Laut unterhielten und einen großen Wagen dessen Motor noch nicht abgestellt wurde. Verdammter Mist! Genervt setzte ich mich auf und streckte mich erst mal bevor ich mich entschied hinaus zu schauen um der Ursache des Lärmes auf den Grund zu gehen.

Neben unserem Haus stand ein LKW auf dessen Seite das Wort „Umzug“ zu lesen war. In unser Nachbarhaus gingen quatschend die Umzugshelfer hinein und hinaus. Jemand hatte tatsächlich das Haus neben an gemietet oder gekauft, schoss es mir durch den Kopf. Es war recht klein und nur für eine Person oder ein Paar gedacht.

Hoffentlich kommen die mit Dad klar, dachte ich und zog mich an. Sie würden nicht so schnell fertig werden also konnte ich mich auch anziehen. An Schlafen war leider nicht mehr zu denken. Unten machte ich mir eine Schüssel Cornflakes und setzte mich auf die Terrasse im Garten. Außer einer Rasenfläche und einigen Büschen hatten wir hier nichts drauf gepflanzt, meine Eltern hatten keine Zeit dafür und ich kein Interesse. Ich kaute auf den pappig schmeckenden Flakes herum, unsicher, ob ich nicht doch Brötchen holen sollte als ich etwas neben mir fiepen hörte. Ich blickte hinab und sah in das Gesicht eines noch ziemlich kleinen etwas wuschelig aussehenden Welpen. Seine Schultern waren gerade mal so hoch, dass sie einige Zentimeter über mein Schienbein reichten. Sein Fell war grau und an den Pfoten und um die Schnauze herum wurde es heller. Ich musste grinsen. Als ich dem Hund in das Gesicht blickte trübte sich jedoch mein Blick. Sei linkes Auge fehlte, als ob jemand das Tier gequält hatte. Sein gesundes Auge fixierte mich jedoch sehr aufmerksam und als der Kleine merkte, dass ich ihm Beachtung schenkte, fing er fröhlich an zu hecheln und mit dem kleinen Schwanz zu wedeln. Seine Ohren spitzten sich und erneut fiepte er mich fröhlich an. Ich grinste leicht und hielt meine Hand hin, an der er sofort zu schnüffeln begann und darüber leckte. Egal was dem Kleinen passiert war, es hatte seiner Seele nicht zugesetzt. „Ja wer bist du denn, Kleiner“, fragte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich kraulte den Welpen. Dieser legte sich vor mir hin und präsentierte mir stolz seinen hellen Bauch den ich gleich kraulte. Die Pfoten des Tieres waren sehr groß und ich konnte mir vorstellen, dass der Welpe ausgewachsen ein riesiges Tier werden würde.

Ich nahm den Kleinen vorsichtig auf den Arm und ging zum Zaun und schaute hinüber in den Garten meines neuen Nachbarn. Er konnte nur von hier kommen. Die Tür stand offen. Ich konnte Menschen sprechen hören. Da keiner draußen war und ich den Namen nicht wusste verdrehte ich genervt die Augen und entschied mich den Kleinen einfach so vorbei zu bringen. Also trug ich den Hund hinein, nahm meine Schüssel mit und stellte sie in die Spüle ehe ich hinüberging.

Ich wusste nicht, wer von den Menschen die die Kisten trugen, der neue Bewohner ist doch bevor ich jemanden fragen konnte fragte mich eine sehr tiefe und rauchige Stimme: „Was machst du mit meinem Hund?“

Ich drehte mich um und meine Augen weiteten sich einen Moment. Denn vor mir stand ein Mann, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Es war ein großer und sehr kräftig gebauter Mann. Ich war nicht sonderlich klein und auch fand ich mich nicht schmal, doch der Mann vor mir, vielleicht nur wenige Zentimeter größer wie ich, war sehr viel kräftiger. Seine Schultern waren breit und ließen mich schmächtig wirken. Sein Kinn war sehr markant und kantig und ein dunkler Bart zog sich darüber die Wange hinauf. Zwischen seinem Oberlippenbart und den Haaren der Wange war eine schmale Haarlose Lücke. Seine Lippen waren schmal und streng. Kein Lächeln zierte sein Gesicht. Doch das auffälligste an diesem Mann war, -eine schwarze Augenklappe über dem linken Auge. Die Augenklappe war aus Leder und hatte farblich abgehobene Ziernähte in Weiß. Das Auge was nicht bedeckt war hatte ein durchdringendes helles Blau welches sich in meine braunen Augen einbrannte. Noch nie hatte ich ein solches Blau gesehen. Im ersten Moment wirkte es kalt doch in ihnen konnte man auch eine tiefe erahnen. Vom äußeren Rande seiner rechten Augenbraue zog sich eine Narbe die Stirn hinauf bis zum Haaransatz an seiner Schläfe. Die Narbe verlief nicht gerade und wurde mit sechs groben Stichen genäht, die deutlich zu erkennen waren. Seine braunen Haare waren nach hinten gekämmt. Sie fielen ihm so leicht nach hinten, dass ein paar Strähnen leicht nach oben abstanden. Zwei vereinzelte Strähnen vielen nach vorne über seine Stirn. Im Nacken wurden seine Haare etwas länger und etwas struppiger.

Ich schluckte leicht denn dieser Mann flößte mir Respekt ein. Je länger ich ihn allerdings betrachtete desto mehr gefiel er mir. Er hatte kein Modellaussehen, denn dafür sah zu bullig aus und auch nicht hübsch im klassischen Sinne, aber er strahlte etwas aus, was mir gefiel. Er hatte ein unglaubliches Charisma, das von ihm ausging. Ich starrte ihn für einige Sekunden an, die mir vorkamen wie eine Ewigkeit.

„Der kam auf unser Grundstück. Ich wohne neben an“, erklärte ich und lächelte ihn leicht an, während ich ihm den Welpen übergab der sich gleich daran machte den Mann vor sich abzulecken und wieder fröhlich anfing zu fiepen.

„Hm… Dann muss ein Loch im Zaun sein…wollte ihn nicht in ner Kiste lassen. Danke“, murrte er mit seiner tiefen Stimmte, ohne, dass wirklich Dankbarkeit in seiner Stimme zu hören war. Er kraulte das Tier hinter dem Ohr, welches freudig mit dem Schwanz zu wedeln begann.

„Ach nicht schlimm. Wie heißt der denn? Der ist ja total süß.“

„Der heißt Didi. Der lockt ständig irgendwelche kleinen Kinder an…“, erklärte mir der Fremde und ließ nicht erkennen, ob er es nervig fand oder nicht, dass Kinder ihn wegen des Hundes ansprachen. Er ließ den Hund wieder ab der gleich an einem Busch schnüffelte.

„Ja… der ist ja auch süß. Wenn der groß wird sicher nicht mehr. Der wird sicher riesig…Ich bin übrigens Jasper, aber die meisten sagen Jazz“, stellte ich mich höflich vor und reichte ihm die Hand.

„John, aber sag ruhig Jack. Und ja ich glaub auch das der Hund sehr groß wird“, stellte er sich vor und schlug ein. Sein Händedruck war äußert feste. Jedoch ließen mich seine Worte lustlos auflachen.

„Nicht dein ernst oder“, fragte ich und grinste schräg.

„Was ist daran lustig“, fragte mich Jack und zog die Augenbrauen zusammen. Es ließ ihn grimmiger drein schauen. Ich interpretierte dies als fragend. Er schien eine Maske zu tragen, weswegen war mir nicht klar.

„Na ja, in meiner Familie ist es so…sagen wir mal Tradition, dass alle ersten Jungs den Namen John bekommen. Mein Großvater heißt John, mein Vater, mein ältester Bruder und der Sohn von meinem Bruder. Und ich hab einen Bruder der heißt Jackson, den nennen aber die meisten nur Jack.“

Er schwieg auf meine Erklärung und als ich nicht mehr mit einer Reaktion rechnete sprach er: „Also, alle heißen John und du hast einen Bruder der John heißt, einen der Jack heißt und du heißt Jasper? Ich glaube ich erkenne da ein Muster.“ Und tatsächlich fing er an zu grinsen, wenn auch nur kurz, dann fügte er hinzu: „Kannte mal wen, der hieß in der 5. Generation Johnny… Ihr seid viele, drei Kinder…“

„Fünf“, berichtigte ich ihn.

„Fünf? Haben die auch alle J-Namen und sag nicht die wohnen alle da in dem Haus? Nicht ein bisschen klein?“

„Nein, die sind alle schon ausgezogen. Meine Schwester hat das College beendet und joa.“

„Ah…und du ziehst dann auch aus wenn du fertig bist?“

Ich fragte mich ob Jack ahnte, dass ich noch nicht auf das College ging. Ich konnte sein Alter nicht einschätzen. Neben den Narben sah man ein paar Falten an der Stirn und einige sogenannte Zornesfalten zwischen den Augenbrauen. Doch einschätzen ob er Mitte zwanzig oder ende Zwanzig war konnte ich nicht. Ich ließ die Frage offen. Zuckte mit den Schultern und grinste. Also beschloss ich lieber auf den anderen Teil der Fragen einzugehen.

„Aber was die Namen betrifft, ja, wir haben alle einen Namen der mit J beginnt. Meine Schwester heißt Jenny. Und der andere Bruder Jason.“

„Seit ihr Mormonen oder so“, fragte er und sah mich skeptisch an.

„Nein, meine Eltern haben nur früh angefangen und dann nicht aufgehört“, lachte ich und schüttelte den Kopf. Ich sah zum Umzugswagen und sah wie die Leute gerade mit der Waschmaschine zu kämpfen hatten.

„Woher kommst du“, fragte ich, denn dieser Mann so einschüchternd er wirkte, wirkte auch sehr interessant und ich wollte mehr über ihn erfahren.

„Ich komme aus Virginia…“, als er mich weiterhin fragend blickend sah ergänzte er, „aus Arlington.“

„Oh, da steht doch das Pentagon! Und da ist dieser riesen Soldatenfriedhof. Liegt da nicht sogar Kennedy?“

Er nickte nur stumm und ich hatte einen kurzen Moment das Gefühl, dass er meinem Blick kurz auswich. Er sah zu Didi runter. „Ich mach den besser mal fest und helfe mal weiter.“

Ich war mir unschlüssig, hatte ich was Falsches gesagt? Ich sah ihm zu wie er Didi an einer großen Schleppleine festmachte und diese etwas außerhalb an einem Baum festband. Als er sich bückte um die Leine an den Hund zu befestigen konnte ich nicht anders als eingehend seinen Hintern zu bewundern. Es hatte den Anschein, als ob alles an diesem Mann trainiert sei und sein Hintern gefiel mir äußert gut. Ich musste Schlucken und stellte fest, dass sich mein Mund sehr trocken anfühlte. Als Jack sich von Didi entfernte lief ihm der Hund mit seinen kurzen Beinen so schnell es für ihn ging nach und jammerte als die Leine ihn nicht weiter ließ.

Ich sah zum LKW, der schon halb leer war und fragte als Jack vorbei ging mit einer Kiste: „Soll ich vielleicht helfen?“

Skeptisch, musterte er mich, blickt mich an und fragte: „Hast du denn nichts Besseres zu tun?“

Ich lachte leise. Setzte eine gespielte Unschuldsmiene auf und erklärte: „Ich bin ein guter Mensch und helfe jedem“, ich musste über mich selbst lachen und erklärte dann, „Nein, weiß nicht, eigentlich nicht. Also?“ Ich fand ihn aufregend, weswegen wusste ich noch nicht.

„Wenn du willst“, meinte er und übergab mir die Kiste mit dem Kommentar, die sei nicht so schwer. Ich nahm die Kiste entgegen. Ging die drei Stufen seiner Veranda hinauf und trug die Kiste in das Haus. Vor einigen Monaten lebte hier noch ein älteres Ehepaar. Ich hatte das Haus nie wirklich betreten. Meine Mutter hatte ihnen aus, wie sie es nannte, Nächstenliebe geholfen. Trotzdem hatten sie sich entschieden nun gemeinsam in einem Altenheim zu leben. Das Haus war recht dunkel von innen. Als ich den Karton abstellte, sah ich mich um. Die Wände waren zum Teil mit Holz verkleidet und auch der Boden war aus Holz, ebenso wie die Decke. Für meinen Geschmack, war es zu viel Holz! In der Küche hörte ich die Männer die beim Umzug halfen gerade einige Küchenutensilien aufbauen. Jack kam gerade mit einer wie es aussah schweren Kiste und stellte diese neben meine.

„Hilfst du mir bei einem Schrank“, fragte er und ich nickte.
 

Im Nachhinein bereute ich es, meine Hilfe angeboten zu haben. Mir taten die Knochen weh und als der Umzugswagen mit den Helfern wegfuhr, ließ ich mich erschöpft auf die alte Ledercouch fallen. Mir lief der Schweiß die Stirn hinunter und mein T-Shirt klebte etwas an mir. Aber was noch schlimmer war, war das mir mein Magen mir in den Knien hing.

Jack kam gerade herein. Er ließ den Welpen auf den Boden ab der sich wild schnüffelnd in dem kleinen Haus umschaute. Er seufzte schwer wirkte erschöpft. Genauso wie sein Shirt auch an ihm klebte, so dass man sein Sixpack erahnen konnte. „Willst du ein Bier haben“, fragte er mich und kam ohne eine Antwort abzuwarten zu mir hinüber und reichte mir eines.

Ich nahm es dankend an und wusste nun, dass er davon ausging, dass ich um die 20 war. „Hast du vielleicht noch Cola? Ich misch das gerne…“

„Echt? Öhm… ja ich schau mal, vielleicht.“ Nach einigem Suchen kam er mit einer Dose Cola und einem Glas. Er setzte sich neben mich auf die Couch und seufzte leicht erschöpft als er saß.

„Danke für die Hilfe“, sagte er und genehmigte sich einen Schluck aus der Flasche. Er kramte an seiner Tasche herum zog ein zerfleddertes schwarzes Portemonnaie aus der Tasche. Er reichte mir einen 50$ Schein.

„Danke“, meinte ich überrascht. Ich hätte es zwar auch ohne Geld getan, aber warum nicht. Deswegen schob ich den Schein in meine Hosentasche. Erneut betrachtete ich ihn und fragte: „Sag mal… Als was genau arbeitest du? Türsteher? Bodyguard?“

Jack blickte hinüber und seine Brauen zogen sich skeptisch zusammen es wirkte fast also wiege er ab. Bevor er antwortete genehmigte er sich einen Schluck aus der Bierflasche. Er drehte diese in der Hand während er meine Frage beantwortete: „Zurzeit bin ich quasi „Freigestellt“.“

Nun zog ich meine Augen fragend zusammen, denn es klang in meinen Ohren irgendwie komisch: „Und wenn du… na ja nicht „Freigestellt“ bist? Du weißt ja, dass du nicht antworten musst.“

„Ja das weiß ich“, sagte er ruhig blickte mir dabei direkt in die Augen. Nach einem weiteren Schluck sprach er weiter: „Ich war, nein, ich bin beim Militär.“

Ich bekam große Augen. Ein Soldat! Das bedeutete: „… also heißt das, dass das mit dem Auge…“

„Es ist weg. Hab es verloren, weil jemand meinte mit einem Messer vor mir rumzufuchteln“, unterbrach er mich. Es klang irgendwie nicht so, als ob er die Wahrheit zu sagen schien. Ich war zwar neugierig fand es allerdings zu unhöflich nachzufragen, wer weiß schon wie frisch diese Wunde ist?

„Oh…Man hast du Glück gehabt! Tut mir trotzdem leid…“

„Hab noch ein zweites. Ist also nicht so schlimm…“

Ich wurde unsicher. Ich wollte kein Thema anschneiden, welches eventuell belastend sein könnte also wechselte ich es lieber. Auch wenn er diesbezüglich nicht so klang.

„Willst du das ganze Holz hier drinnen lassen? Nicht ein wenig viel?

„Ja, schon etwas. Habe aber keine Lust auf renovieren.“

„Okay“, sollte jeder wohnen wie er es mochte, „ich kenne ne gute Pizzabude, die liefert. Willst du vielleicht was essen?“

„Ja später, erstmal räum ich hier was aus… und bau den ein oder anderen Schrank zusammen.“

Ich sah zu den Brettern und nickte verstehend. Ich verstand nicht viel vom Möbel aufbauen.

„Hm… Bis jetzt hab ich morgen nichts vor. Soll ich dir helfen? Ich versteh zwar nicht viel davon aber halten kann ich ganz gut.“

Er grinste mich kurz an und stimmte zu: „In Ordnung … Ach komm lass ne Pizza bestellen. Ich höre deinen Magen bis hier hin…“

Von Zigarren, Schrott und Medaillen

Ich stöhnte zufrieden auf als ich in die Pizza biss und gierig aß. Das ich nur eine halbe Schüssel Cornflakes zum Frühstück hatte, zollte nach dem Umzug ihren Tribut. Wie konnte eine Pizza nur so verdammt geil sein?

Ich saß im Schneidersitz auf der Couch während ich aß. Jack hatte netterweise bezahlt. „Danke für das Essen“, meinte ich nachdem mein größter Hunger gestillt war, im Gegensatz zu Jacks Pizza war meine riesig.

„Passt schon“, grummelte er während er aß, wenn auch weniger gierig wie ich die Meine. Ich beobachtete ihn und mir viel erneut auf, dass er mir sehr gut gefiel. Trotz diesem speziellen Aussehen. Ein Soldat… was er wohl alles schon gesehen hat? Sicher ziemlich viel Scheiß. Sein Gesicht sprach schließlich für sich. Und auch was hinter der aufgesetzten Maske war, die er zur Schau trug, weckte mein Interesse.

Als Jack fertig war, kramte er in einer der Kisten. Als er sich aufrichtete, hatte er eine große dunkle Zigarre in der Hand. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinem strengen Mund. Ich habe noch nie jemanden so etwas rauchen sehen. Als er sich setzte bemerkte er meinen Blick. „Schon mal versucht?“ Er zündete sich die Zigarre an.

„Nein, hab noch nie geraucht“, antwortete ich und roch das Aroma, welches von der Zigarre ausging, „ich weiß nur, dass einige echt teuer sein sollen.“

„Ja Kubanische können zum Beispiel recht teuer werden. Willst du mal versuchen“, fragte Jack mich. Er reichte sie mir nachdem er selbst einige Male genüsslich an ihr gezogen hatte, „darfst du nur nicht auf Lunge rauchen.“

„Ich weiß“, sagte ich grinsend und nahm sie entgegen. Neugierig war ich schon und wieso nicht? So nahm ich die Zigarre und atmete erstmal ein wenig von ihrem Duft ein. Einige meiner Klassenkameraden rauchten heimlich Zigaretten, daher war mir das Aroma in meiner Nase nicht ganz unbekannt. Jedoch unterschied sich der Geruch der Zigarre von Zigaretten. Das Aroma war stärker, intensiver und trotzdem nicht so kratzig im Hals. Es war ein Hauch von Vanille darin auszumachen. Ich zog vorsichtig an der Zigarre und achtete penibel darauf nicht zu tief einzuatmen. Ich spürte, wie sich der dichte Rauch in meinem Mund ausbreitete. Es schmeckte bitter auf der Zunge, jedoch nicht so kratzig wie angenommen. Einem Moment lang hielt ich den Rauch inne, bevor ich den Mund öffnete um ihn hinauszulassen. Also ich den Rauch langsam auspustete legte sich der Hauch von Vanille erneut auf meine Geschmacksknospen und ließ den anfänglich bitteren Geschmack fast schon süß werden. Durch die Nase atmete ich jedoch Rauchschwaden ein, die von der glühenden Zigarre in meiner Hand kamen. Beim tiefen Einatmen durch die Nase wurde dieser Rauch äußert bissig und ich hustete, was Jack zum Lachen brachte.

Ich reichte sie ihm wieder. Er steckte sie sich in den Mund während er sich auf dem Sofa zurücklehnte. Er schien mich zu betrachteten. Was er wohl dachte, schoss es mir durch den Kopf. Ich schaute ihm ins Gesicht und wich seinem Blick nicht aus.

„Scheinst eher ein süßer Typ zu sein“, meinte er nach einem kurzen Moment. Nachdem er noch einmal genussvoll an der Zigarre gezogen hatte. Ich blickte ihn skeptisch ins Gesicht, war das ein Scherz von ihm?

„Na ja“, erklärte er und zog erneut an der Zigarre, „Cola mit Bier ist verdammt süß und noch nie geraucht… Magst du wenigstens Kaffee? Oder nur mit Milch und Zucker?“

Ich grinste, lachte leise und schüttelte den Kopf: „Nein…Ich unterstütze deine These…Ich trinke wenn eigentlich nur Kakao oder halt ab und zu Karamellcappuccino. Kaffee so ist mir zu bitter.“ Jack schüttelte nur verständnislos den Kopf über meine Aussage. Er schien sich darüber zu amüsieren.

„Du hast ganz schön Hunger, oder? So wie du die Pizza verschlingst“, meinte er zu mir und ich schaute hinunter auf meine XL Pizza von der nur noch ein Viertel übrig war. „Ich hatte auch nur eine Schüssel Cornflakes zum Frühstück und du hattest nur ´ne Kleine, die ist schneller weg“, verteidigte ich mich und biss einfach in die nächste Ecke des Pizzastückes.

„Und was machst du so“, fragte Jack nach einem kurzen Moment der Stille und betrachtete mich erneut eingehend. „Hm…ich mache viel Sport. Vor allem Baseball, aber auch ab und an noch Karate. Aber mehr Baseball eigentlich“, erklärte ich und leckte mir kurz über die leicht fettigen Finger.

„Welchen Gürtel hast du“, fragte Jack und blickte mich interessiert an.

„Den grünen“, erklärte ich, „Aber zurzeit habe ich kaum noch Zeit zum Trainieren. Bin viel auf dem Baseballplatz…“

„Oh dann solltest du also ein wenig was draufhaben, bei beidem“, stellte Jack grinsend mit seiner tiefen rauchigen Stimme fest und ich grinste leicht zurück.

„Ich würde sagen ja, aber du siehst aus, als ob du mich angespitzt in den Boden rammen könntest“, grinste ich ihm zu und schaute auf seine breiten Oberarme, doch er winkte ab.

„Bestimmt. Aber hab ja keinen Grund dazu. Also, Jazz…Baseball? Welche Mannschaft?“ Ein breites Grinsen schlich sich auf mein Gesicht und ich begann sofort von den Texas Rangers zu schwärmen. „Die hatten nur Glück bei der Auslosung ihrer Gegner“, meinte Jack nach einem Moment. Ich prustete genervt aus und meinte: „Vielleicht in der Vorrunde, aber danach war es reines Können. Für welche Mannschaft bist du denn gut?“

„Ich mag die Cleaveland Indians. Finde ich besser, spielen besser zusammen. Haben gute Runs und wissen wie man eine Base klaut“, kommentierte Jack und wir fingen an über die letzte Saison zu reden. Lange redeten wir nicht über Baseball, denn irgendwie schweifte das Gespräch ab. Wir redeten über Fernsehshows, dumme Menschen im Fernseher, Autos, die wir gerne haben wollten. In diesem Zusammenhang stellte sich heraus, dass Jack und ich beide auf Geländewagen standen, dass Jack ein Motorrad besaß, auf welches ich ziemlich neidisch war.

Als wir unser Gespräch beendeten dämmerte es bereits draußen. Ich schaute hinaus. Didi hatte sich neben dem Sofa eingerollt und schlief.

Mein Blick viel auf das flauschige Tierchen. Ich fragte ihn: „Wieso hat der eigentlich ein Auge verloren?“

Auch Jack blickte hinunter zu seinem kleinen Gefährten, während er antwortete: „Hatte er schon als ich ihn gefunden habe. War in einer Wüste. Vielleicht war es ein anderes Tier… Ich weiß es nicht. Als ich ihn so fand konnte ich ihn nicht da lassen. Jetzt habe ich was nerviges an mir hängen was die ganze Zeit Aufmerksamkeit will…“, doch hörte ich an seiner Stimmte, dass er es überhaupt nicht nervig fand. „Außerdem“, fuhr er fort, „kann der sich vielleicht mal als nützlich erweisen.“

„Das versteh ich nicht, was soll der denn alles können“, fragte ich und schaute zu dem kleinen Tierchen runter, welches unschuldig und lieb eingerollt da lag und dessen kleine Brust sich schnell hob und senkte.

„Sitz, Platz, Aus, Fass, bring die Zeitung, verjag den Briefträger, tippe die Lottozahlen. Sowas halt“, erklärte er mir, ohne die Miene zu verziehen und nahm die Zigarre wieder in den Mund, aber ich konnte sehen, dass sich seine Mundwinkel leicht gehoben hatten, während er all diese Sachen aufzählte. Ich lachte und meinte: „Wenn du letzteres geschafft hast und er erfolgreich ist bring ihn bitte rüber.“

„Geht klar“, und er hielt mir erneut die Zigarre hin, die ich freundlich ablehnte.

Ich sah auf mein Handy und stellte fest, dass es später war als ich angenommen hatte. So fragte ich ihn: „Wann soll ich morgen eigentlich kommen zum Helfen?“

„Ich bin früh wach“, erklärte mir Jack und ich fragte mich, was bei einem Soldaten früh hieß.

„Ich steh vor neun halb zehn nicht auf“, sagte ich grinsend.

„Echt so lange, dann komm einfach nach dem Frühstück oder so“, sagte Jack und stand auf, woraufhin Didi gleich sein Köpfchen hob und ihn müde gähnend betrachtete.

„Kannst du mir heute noch mit dem Bett helfen, allein krieg ich das zwar auch irgendwie hin, aber so geht es schneller“, fragte Jack mich und ich nickte. Er führte mich Richtung Schafzimmer, in dem die Matratzen an der Wand lehnten und die Bretter des Bettes auf dem Boden lagen. Auch einige Kartons hatten den Weg ins Schlafzimmer gefunden.

„Schau mal in den Kisten dahinten, da muss irgendwo ein Akkuschrauber drinnen sein“, meinte Jack und öffnete selbst eine Kiste.

Ich zog das Klebeband ab und öffnete sie und fand nur Kleidungsstücke alle meistens in grün, braun und beige gehalten. Auch im zweiten Karton fand ich nicht das gesuchte. Mein Blick wurde jedoch von einer großen Holzschatulle angezogen. So etwas Ähnliches besaß meine Mutter auch und ein Grinsen schlich sich auf meine Züge. Ich wurde neugierig, was für Schmuck könnte ein Mann wie Jack besitzen. Er schien weniger der Typ zu sein, der Uhren oder Manschettenknöpfe sammelte. Vielleicht ja auch Familienerbstücke. Ich blickte zu Jack und sah das er über einen anderen Karton hing und herumkramte. Mein Blick richtete sich wieder auf das Kästchen vor mir und neugierig öffnete ich es vorsichtig. Er brauchte ja nicht wissen, dass ich reingeschaut hatte.

Doch was ich sah ließ mich stutzten. Statt Uhren oder Ketten waren in dem Kästchen achtlos Orden reingeschmissen worden- Viele Orden. Doch nur einer schoss mir sofort in die Augen. An einem hellblauen dickeren Band befand sich ein goldenes Abzeichen. Das Band schimmerte leicht im Licht und als ich es anfasste fühlte es sich seidig an. Oben prangte ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Unter dem Adler war ein Balken angebracht auf dem das Wort „Valor“, Heldenmut draufgeprägt war. Ein großer goldener Stern, der von einem Kranz umgeben ist bildete das Zentrum der Medaille. Oberhalb der Medaille waren auf dem blauen Band mehrere Sterne rauf gestickt. Ich kannte diese Medaille. Ich hatte sie nie real gesehen, Geschweige denn in der Hand gehalten. Ehrfürchtig strich ich über den goldenen Stern. Einzig in unserem Unterricht für Sozialkunde hatte ich Bilder von ihr gesehen. Es war die Medal of Honor, die Ehrenmedaille. Sie ist die höchste militärische Auszeichnung der Vereinigten Staaten und einzig der Präsident überreicht sie. Wie um alles in der Welt hatte Jack diese Medaille verdient? Oder war Sie ein Erbstück? Wie hieß es noch mal im Unterricht, dachte ich nach. Sie wurde nur verliehen wenn, auffallende Tapferkeit und Furchtlosigkeit bei Lebensgefahr weit über die Pflichterfüllung hinaus im Gefecht gegen einen Feind der Vereinigten Staaten, bestand.

Ich sah Jacks Rücken und ich sah ihn in einem anderen Licht. Aus dem einfachen Soldaten von dem ich annahm, dass er im Irak oder Afghanistan schwer verwundet wurde, wurde etwas Anderes. Ich konnte nicht Held sagen, denn ich wusste nicht was er getan hatte. Vielleicht stand vor mir ein Elitesoldat, vielleicht ein Navy-Seal oder vielleicht auch ein hochrangiger Offizier? Schnell schloss ich das Kästchen wieder ohne auf die anderen Medaillen zu schauen. Sollte ich ihn darauf ansprechen?

Unsicher wog ich das Kästchen in den Händen, schluckte meine Überraschung herunter und fragte: „Hey Jack, was soll denn hier drinnen sein? Hast du irgendwelche Kettchen oder was?“ Ich hatte meine Stimme im Griff und setzte ein Grinsen auf und präsentierte die Holzschachtel.

Er wandte sich zu mir und schaute von der Kiste zu mir herüber.

Jack winkte ab und erklärte: „Ach da ist nur Schrott drinnen. Bin noch nicht dazu gekommen das weg zu tun.“

„Schrott?“

„Ja“, meinte er. Jack kam mit lockeren Schritten auf mich zu und nahm mir die Schachtel freundlich aus der Hand. Er fixierte mich eingehend, fast prüfend, taxierend.

Auf seiner Stirn bildeten sich Falten und er fragte: „Hast du…den Akkuschrauber gefunden?“

Wieso kam er jetzt auf das Dingen, dachte ich, doch dann klickte es. Er wollte vermutlich fragen ob ich hineingeschaut habe. Ich schüttelte den Kopf. „Ne, dann hätte ich schon geschrien“, sagte ich frech zu ihm und zwinkerte ihm zu.

„Einfach sagen du hast ihn reicht. Der Hund pennt noch“, sprach er und machte die nächste Kiste auf und fand nach kurzem kramen endlich den Bohrer. Das Kästchen stellte er auf die Fensterbank, weg von mir, ob bewusst oder unbewusst konnte ich nicht sagen.
 

Wir begannen das Bett aufzubauen und immer noch schwirrte mir im Kopf die Frage, wieso hatte er diese Medaille bekommen und wieso war sie und die anderen Medaillen für ihn nur „Schrott“? Das Bett war schnell zusammengebaut und gemeinsam legten wir die Lattenroste und Matratzen hinauf. Didi kam ab und zu herüber gelaufen, weil der Lärm ihn geweckt hatte. Als keiner ihm Beachtung schenkte, legte er sich in eine Ecke des Raumes und verfolgte alles wachsam.

„Wenigstens muss ich heut nicht auf der Couch pennen“, meinte Jack und schob das Bett an die richtige Stelle. Er schaute in die offenen Kisten, in der sich saubere Kleidung befand. Sein T-Shirt war immer noch etwas durchgeschwitzt.

Ohne etwas zu sagen, zog er sich sein Shirt aus. Seine Bauchmuskeln bildeten ein deutlich antrainiertes Sixpack Und mir gefiel mir was ich sah. Ich schaute dem Spiel der Muskeln zu, wie sie sich bewegten. Ich leckte mir leicht über die Lippen, die trocken geworden waren. Ja, so etwas gefiel mir wirklich. Fast wollte ich protestieren als er sich ein T-Shirt aus dem Karton fischte und es sich überzog. Ich bemerkte gar nicht wie Jack sich umdrehte und mich betrachtete. Zu spät um es nicht zu merken hob ich meinen Blick. Als meine braunen Augen auf sein blaues traf, schaute er leicht grinsend an sich herunter: „Gefalle ich dir so sehr, dass du die Augen nicht mehr von mir abwenden kannst?“

Klar gefiel es mir, doch ich versuchte abzulenken. Grade im Moment und nachdem was ich über ihn herausgefunden hatte wollte ich nicht zu weit gehen: „Ach quatsch…“

Jack musterte mich noch mal zuckte dann jedoch mit den Schultern: „Sah aus, als ob du wolltest, dass ich mich wieder ausziehe.“

Ich lachte auf und strich mir durch die braunen Haare eher ich ihn frech grinsend fragte: „Sehe ich irgendwie schwul aus?“

„Sieht man es denn allen an“, war Jacks trockene Gegenfrage zu meiner. Er zog ein letztes mal an seiner Zigarre ehe er sie im Aschenbecher ausdrückte.

„…Sicher nicht allen“, meinte ich kleinlauter und kratze mich am Hinterkopf.

„Siehst du. Ist doch nicht schlimm. Gibt schlimmeres, glaub mir“, sagte er ruhig und überraschte mich mit dieser Aussage. Ich sah ihm in das Auge und entdeckte Neugierde in seinem Blick während er mich betrachtete.

„Heißt es nicht, dass alle Soldaten…Na ja was dagegen haben“, fragte ich unsicher. Ich wusste, dass es Vorurteile waren, aber auch in denen steckte ein Fünkchen Wahrheit.

Jack schnaubte und winkte ab: „Wenn es drauf ankommt, ist es dir scheiß egal wer dir den Arsch rettet. Da spielt sowas keine Rolle mehr. Aber es gibt überall Idioten, dass stimmt.“

Ich schaute ihn skeptisch fragend an: „Heißt das du bist…irgendwie schwul?“ Schlussfolgerte ich und mein Puls beschleunigte sich. Denn ich wollte, dass er ja sagt.

„Nein, ich bin Bi. Ich steh auf beides. Und du? Bist du schwul“, fragte er und überraschte mich mit seiner ehrlichen Antwort. Die Medaillen waren wie aus meinen Kopf geblasen. Ich hatte es noch nie ausgesprochen und auch jetzt brachte ich es nicht über die Lippen. Zu viel Angst stigmatisiert zu werden hing an diesem einen Satz.

Also entschloss ich auszuweichen: „Ich hatte eine Freundin, sagt nicht das nicht alles?“ Unbeeindruckt von der Antwort schaute Jack mir ins Gesicht. „Nein. Das sagt eigentlich gar nichts aus.“

Seine unbeeindruckte Art ließ mich für einen kurzen Moment stocken und ich schluckte leicht. Ich wusste nichts zu sagen. Skeptisch schaute ich ihn an und schüttelte nur den Kopf. „Wieso soll das nichts aussagen?“

„Einen festen Partner zu haben, sagt nichts über die eigene Sexualität aus. Sie könnte auch nur ein Alibi gewesen sein. Überleg mal wie viele ihre Partnerin betrügen… auch mit Männern.“

„Nein“, sagte ich entschieden und meinte es auch so, „War sie nicht.“ Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. Doch wieso eigentlich, wenn er Bi ist…

„Du solltest das besser nie meinem Dad sagen, wenn du eine ruhige Nachbarschaft willst.“

Jack schaute verwirrt bevor er fragte: „Was nicht sagen?“

„Na ja“, begann ich und steckte meine Hände in die Hosentaschen, „dass du…irgendwie was mit Männern hattest…“

Er schaute mich einen Moment lang trocken an: „Ist dein Vater homophob?“ Ein Kloß bildete sich in meinen Hals und ich schluckte. Kurz zögerte ich und nickte danach.

„Aha“, kam es emotionslos von Jack. Seine Reaktion ließ mich nicht erkennen, ob er mich möglicherweise gerade durschaut hatte. Das machte mir Sorgen. „Weißt du, Jazz“, fing er an zu reden, „eigentlich ist es wichtiger, dass du selbst mit deiner eigenen Sexualität zurechtkommst. Da solltest du wenig auf andere geben.“

Jack ging an mir vorbei und klopfte mir auf die Schulter und nickte in Richtung Wohnzimmer.

Gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer und Didi folgte uns fröhlich kläffend. Die kleinen Beinchen des Hundes schienen Didi gerade nicht zu gehorchen. Ich sah den kleinen Welpen über seine eigenen Beinchen stolpern. Er schlug einen Purzelbaum. Setzte sich kurz, schüttelte den Kopf und rannte weiter.

„Dummes Tier. Ich muss gleich noch mit dem raus“, meinte Jack und sah zu dem Fellknäuel was sich gerade aufrappelte und schnell zu Herrchen rannte. Leise begann Didi zu jammern. Er streichelte es kurz und schaute mich dann auffordernd an.

„Ja. Ich geh dann auch mal. War auch schon lange hier… Eigentlich den ganzen Tag“, stellte ich fest und ging mit Jack, der den Welpen gerade auf den Arm genommen hatte Richtung Tür. Nun leicht in Gedanken versunken.

„Ich komme dann morgen so nach dem Aufstehen zu dir“, meinte ich noch freundlich und Jack nickte mir zu. Während er die Leine an dem Halsband des Tieres festmachte.

Ich fragte mich, wie viel ihm dieses kleine Fellknäul wohl bedeutete.

„Bis morgen, Jazz“, meinte Jack und ich ging langsam rüber in mein Haus, während er mit Didi die Straße rauf ging. Ich dachte noch lange an Jack und seine Worte. Ich war mir unschlüssig, ob ich in Jack jemanden gefunden hatte, dem ich endlich meine Fragen würde stellen können. Ich hatte das Gefühl in ihm wahrscheinlich einen kompetenteren Gesprächspartner zu finden als in Tobey. So sympathisch Tobey mir auch geworden war, hatte er doch eine noch sehr unreife Einstellung zu dem Thema. Seiner Meinung nach hatte sowieso jeder etwas gegen Schwule, außer Schwule selbst. Außerdem war er in Gesprächen oft der Meinung, man müsse genauso dazu stehen können, wie er selbst und das konnte ich noch nicht. Die Vorstellung, dass Tobey mich outen könnte, machte mir Angst. Ich wollte nicht, dass Tobey wegen diesem Wissen, Macht über mich hatte. Jack hatte diese Möglichkeit nicht. Er kannte meine Freunde nicht, meine Familie. Er war neutral.

Ich kannte diesem Mann weniger als zehn Stunden, aber trotzdem hatte ich das Gefühl mit ihm reden zu können.

So etwas nach nicht mal einem Tag zu denken fand ich selbst albern. Vielleicht war ich auch noch zu sehr von seinem Aussehen und seiner Art fasziniert.

Meine Geschwindigkeit

Meine Geschwindigkeit
 

Am nächsten Morgen wachte ich früher auf als ich dachte und fragte mich, warum? Doch wenn ich darüber nachdachte, wusste ich genau was mich so nervös machte. Der Grund war Jack. Ich wollte mehr erfahren über diesen Mann. Also stand ich früher als für mich üblich auf und zog mir bequeme Sachen an. Unten in der Küche schlang ich einige Toasts herunter, nahm mein Handy und war schon gegen halb neun vor seiner Tür und klopfte. Ich war mir ziemlich sicher, dass er schon wach war.

Erst hörte ich nichts bis leise kläffen sich der Tür näherte und eine tiefe Männerstimmte sagte streng: „Aus!“ Die Tür öffnete sich mir. Ich sah Jack in sein Auge er hatte die gleiche lederne Augenklappe wie am Tag zuvor aufgesetzt und ich fragte mich, ob er sie ab und zu absetzte. Er raunte mir ein Morgen zu und ließ mich eintreten. Ich schaute zu Jack und war erneut angetan von seinem Aussehen. Das grüne T-Shirt was er trug spannte ich über seine breite Brust. Seine dunkel braunen Haare fielen ihm locker und leicht zerzaust in den Nacken. Er trug schwarze Shorts die ihm über die Knie gingen und kräftige muskulöse Unterschenkel zeigten. Mein Blick klebte förmlich an ihm. Didi kläffte mich schwanzwedelnd an und brachte mich in die Realität zurück. Er setzte sich auf seine Hinterläufe und machte Männchen.

Ich lachte leise, beugte mich herunter und streichelte den kleinen Welpen während ich fragte: „Ist der immer so gut drauf?“

„Ja, meistens… Wie kommt es das du jetzt schon hier bist? Ich dachte du kommst später.“

„Ach“, meinte ich und zuckte mit den Schultern während ich mich zu ihm drehte, „bin irgendwie früher wach geworden. Und da ich was zu tun hatte, bin ich aufgestanden.“

Jack nickte mir stumm zu und verschwand Richtung Küche. Erneut schaute ich ihm nach. Ja, schoss es mir durch den Kopf, wenn ich einen Typen will dann so jemanden. Ich genoss den Anblick seines muskulösen Rückens und mein Blick blieb an seinem Hintern hängen der in der Hose leider schlecht zu erkennen war. Ich hörte ihn im Kühlschrank kramen und als er wiederkam hielt er eine Tasse in der einen Hand und reichte mir mit der anderen eine gekühlte Flasche Kakao.

Überrascht schaute ich auf das Etikett und blickte fragend in sein Gesicht.

„Nicht richtig? Dachte du hättest gestern gesagt statt Kaffee trinkst du Kakao“, meinte er und trank aus einer großen Tasse aus welcher es dampfte. Es schien, dass er mich ebenfalls stumm musterte. Ich hoffte ich hatte meine Blicke vor ihm verstecken können. Ich war mir jedoch nicht sicher.

„Ja schon, aber ich dachte nicht…also das du dir das gemerkt hast“, meinte ich auf den Kakao schauend. Die Geste brachte mich zum Lächeln. Ich öffnete die Flasche und trank einen großen Schluck. „Danke“, meinte ich fröhlich, verschloss die Flasche und drehte sie etwas in der Hand.

Ich schaute mich in der Wohnstube um und stellte fest, dass Jack die Couch verschoben hatte und einen dunkelroten Fernsehsessel aus Leder dazugestellt hatte. Einige Kartons standen herum, die meisten geöffnet. Der Fernseher und eine Stereoanlage standen bereits auf einem Sideboard. Daneben lag ausgepackt, eine wie es aussah, unfertige Kommode. Ich erkannte den Stil und musste grinsen während ich ihn fragte: „Ernsthaft? Du gehst nach Ikea?“

Er sah zu der Kommode und kratze sich fast etwas verlegen am Hinterkopf eher er antwortete: „Ich wollte nur ein Regal.“

Ich lachte leise, denn das kannte ich von meiner Mutter, wenn sie diesen Laden betrat und ich meinte: „Kenn ich. Hast du wenigstens an das Regal gedacht?“

Er nickte und deutete auf einen kleinen noch verschlossenen Karton. Ich konnte mir diesen muskulösen Mann mit Augenklappe schlecht in diesem Laden vorstellen. „Man muss durch den ganzen Laden laufen. Und überall waren Kerzen“, sagte er als Erklärung und begann sich die Anleitung anzuschauen.

„Hast du noch mehr gekauft was du nicht wolltest?“

„Ja. Kerzen…und eine Pfanne. Und einen Topf“

Lachend ging ich zu ihm hinüber und schaute mir die Anleitung an. Nebenbei fragte ich: „Und gestern noch in der Nachbarschaft umgeschaut?“

Jack nickte und fing an Schrauben zu sortieren während er antwortete: „War gestern im Supermarkt um die Ecke. Hab die Verkäuferin erschreckt. Die dachte ich wollte sie ausrauben. Komische Leute hier.“ Ich war mir nicht sicher, doch ich glaubte einen Moment lang den Anflug eines Grinsens in seinen Mundwinkel gesehen zu haben. Es sah so aus als habe er sich darüber amüsiert. Ich kannte den Laden an der Ecke und prustete los. Ja die Frau die da meistens Arbeitete war schon komisch. Und wenn ein großgebauter und kräftiger Mann, mit grimmigem Gesicht, noch dazu mit einer Augenklappe, alleine hineinkam, könnte das für sie bedrohlich aussehen. „Ließ dich nicht mal Didi freundlicher wirken“, fragte ich, während ich den Boden der Kommode suchte.

„Den hat sie glaub ich gar nicht wahrgenommen“, meinte Jack Kopfschüttelnd, während er begann Schrauben in das Holz zu drehen.

„Oh man… Geiler Eindruck Jack“, meinte ich grinsend während ich nur den Kopfschütteln konnte. Jack zuckte mit den Schultern und grinste mich kurz an. Wir arbeiten eine Weile schweigend an der Kommode. Generell wirkte Jack eher schweigsam, doch ich empfand es nicht als unangenehm. Für einen Soldaten sprach er zudem recht leise, ich hatte erwartet, dass so jemand häufiger lauter Sprach, von Berufswegen alleine schon. Außerdem viel mir auf, dass er häufiger ein wenig nuschelte bei seinen Antworten. Man verstand ihn zwar immer noch, doch seine Worte wirkten vor sich hin gebrummelt, immer wenn er über etwas nachzudenken schien.

„Wie alt bist du eigentlich“, fragte ich nach einer Weile als die Seiten der Kommode schon mit dem Boden verbunden waren. Ich konnte es durch die Augenklappe, die Narben und die Falten nicht einschätzen.

„24“, meinte er knapp und schlug auf das Brett damit es feste mit den Dübeln verbunden war, „Und du?“ Ich reichte ihm ein weiteres Brett und war unschlüssig. Ich wollte ihn gerne mehr kennenlernen, hatte nur noch keine Ahnung wie ich es anstellen sollte. Vielleicht war ich ihm zu jung wenn ich ehrlich war…

„Wie alt sehe ich denn aus“, fragte ich frech grinsend und zog eine Schraube nach.

„Hm…weiß nicht…So um die 20“, meinte Jack und musterte mein Gesicht stirnrunzelnd.

„Okay…gut.“ So hatte ich jedenfalls nicht gelogen, dachte ich zufrieden. Bevor er weitersprach fragte ich schnell: „Sag mal glaubst du aus Didi wird echt ein Wachhund?“

Jack schaute zu dem Hund hinüber der gleich anfing mit seinem Schwänzchen zu wedeln als man ihn beachtete.

„Hm. Ja, der muss nur richtig trainiert werden. Dann ist der sicher nützlich“, nickte Jack leicht und baute nebenbei eine Schublade zusammen. Ich betrachtete wieder sein Profil. Der Bart der sich über sein Kinn und die Wangen zog, den kräftigen Hals und die Lippen die sich gerade zusammen gepresst hatten während er die Anleitung erneut zu Rate zog. Ich schluckte leicht und wandte mich von dem Bild ab bevor ich darüber nachdachte wie es wäre diese Lippen einfach zu küssen… Wie er darauf reagieren würde?

„Ich hoffe du kommst mit meinem Vater aus, sonst versucht er es dir hier schwer zu machen“, meinte ich um mich selbst von meinen Gedanken abzulenken. Ich setzte nebenbei die von Jack gebaute Schublade in die Kommode.

Jack schnaubte, zog die Augenbrauen rauf und grinste mich leicht an während er fragte: „Glaubst du wirklich, ich lasse mich ärgern? Wenn er mich nerven sollte hab ich noch eine Tür. Die kann ich schließen.“

Auch ich grinste leicht, ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass dieser Mann meinen Vater als nicht sehr beeindruckend empfinden würde. „Mein Dad meint er muss die Nachbarschaft beschützen. Er ist bei der Polizei und der Scheriff hier“, erklärte ich das Verhalten meines Vaters und grinste schräg.

Jack schaute mich an bevor er die trockene Gegenfrage stellte: „Sehe ich aus als ob ich Schutz brauche?“

„Nein“, lachte ich, „aber vielleicht meint Dad ja er muss die Nachbarschaft vor dir schützen.“ Nein, Jack sah aus als ob er nie Schutz brauchte. Auch er schien sich über meine Aussage ziemlich zu amüsieren. Als Jack mir die nächste Schublade reichte viel mein Blick auf seinen Unterarm über den sich eine lange Narbe zog, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte. An dem selben Arm schien er noch mehrere kleinere Narben zu haben die zum Teil schon sehr verblasst waren. Doch die eine große die sich den Unterarm entlang zog zeichnete sich deutlich von den anderen verblassteren ab.

Ohne darüber nachzudenken fragte ich ihn was damit passiert sei und deutete dabei auf seinen Unterarm. Auch Jack sah hinunter, hob den Arm und betrachtete nachdenklich die Narbe. Er strich darüber. Er schien kurz in Gedanken zu sein. Er murmelte: „Ach Helikopterunfall.“

„Was ist da passiert“, fragte ich und schaute ihn neugierig an.

„Uns hat ein Raketenwerfer gestreift. Der Helikopter ist abgestürzt“, er zuckte mit den Schultern, als ob es das normalste der Welt sei. „Ich mag die Dinger nicht“, fügte er hinzu, „die werden immer so schnell abgeschossen.“

„Wie kann man sowas überleben“, fragte ich ehrfürchtig und mit geweiteten Augen.

„Mit mehr Glück als Verstand. Ich wurde irgendwie rausgeschleudert bevor wir aufgeschlagen sind. Ein Trümmerteil hat mich erwischt“, sagte er ruhig und sachlich, doch es erschien ein Distanzierter Ausdruck auf seinem Gesicht.

„Oh man“, staunte ich und dachte an die ganzen Medaillen die im Schlafzimmer waren, „deine Familie muss wirklich stolz auf dich sein.“

„Wieso“, war eine Gegenfrage, mit der ich nicht gerechnet hatte. Sie ließ mich verwirrt dreinschauen, schließlich wurde uns von Kindheitsbeinen an eingetrichtert auf unsere Nation stolz zu sein.

„Na ja“, begann ich und klag unsicher, „Ich meine du bist doch…ein Held. Da wird deine Familie sicher stolz auf dich sein.“

„Hab keine“, entgegnete er kurz nur und stand auf als er die letzte Schublade fertig gebaut war. Ich nahm sie und setzte sie in die Kommode. Frustriert stellte ich fest: „Ich habe das Gefühl ich trete von einem Fettnäpfchen ins nächste. Tut mir leid Jack.“

Er winkte ab und endlich änderte sich seine sonst eher Monotone Stimme. Versöhnlich antwortete er mir: „Schon gut. Kannst du nicht wissen Kleiner. Wieso fragst du so viel?“

Ich schaute kurz hinauf in sein Gesicht und stand ebenfalls auf während ich ihm erklärte: „Ich finde dich interessant.“

Er musterte mich kurz. Ich war mir unschlüssig wie ich seinen Blick deuten sollte. Er grinste leicht, verschränkte die breiten Arme vor der Brust und fragte mit seiner tiefen Stimme: „Woran liegt das?“

Du siehst geil aus! Ich will dich! Weiß nur nicht wie ich das anstellen soll…. Ich dachte einen Moment über meine Antwort nach und entschied mich zu sagen: „Weiß nicht, finde dich interessant und würd dich gerne kennen lernen…ja.“ Jack grinste nun anders, als einen Moment zuvor. Er begann die Kommode den richtigen Platz schieben.

„Ist es schwer für dich hier als Schwuler zu leben“, fragte Jack als wäre es das normalste der Welt und ging zu dem kleinen Regal, was er auspackte.

Ich nickte unschlüssig in Gedanken versunken. Als ich mich fing und antwortete ich hastig: „Wie kommst du denn darauf? Ich bin nicht schwul.“ Ich klang fast etwas hysterisch.

Jack schaute hinüber und sein Blick scannte mich einmal vom Kopf bis Fuß. „Sicher? Dafür schaust du mir aber sehr interessiert nach.“

Ich fühlte mich ertappt wusste nichts zu sagen und schaute Jack entsetzt an. „Ähm…“, war meine weniger intelligente Kommentar dazu. Mir war es unangenehm, dass er meine Blicke gemerkt hatte und ich spürte wärme mein Gesicht aufsteigen.

Jack schaute mich erwartungsvoll an und meinte nach dem er einen Moment gewartet hatte: „Kommt da noch was?“

Ich sah mit Rehaugen zu ihm rüber und wusste nicht viel was ich sagen sollte. Also versuchte ich allgemein zu antworten: „Also auf unserer…ich meine auf meiner High School war einer der war offen Schwul und…na ja die anderen haben den schon fertig gemacht du… Also leicht hatte der es jetzt nicht.“

Jack nickte verstehend und fragte mich mit beinahe sanfter Stimme: „Hast du deswegen Angst das zu zugeben?“ Die Frage klang fast schon etwas beiläufig. Als wäre es keine große Sache über so etwas zu reden.

Konnte oder wollte ich darauf antworten? „Hm… ich weiß nicht…ich glaub nicht…ich hatte ja auch schon eine Freundin mit der ich zusammen war…“, meinte ich nachdenklich und dachte an Viola.

„Und mit der war es aber nicht so toll wie du es dir vorgestellt hattest“, es war keine Frage die Jack formulierte es war eine reine Feststellung. Der Mann konnte mich lesen wie ein offenes Buch!

Ich seufzte schwer, wusste nicht was ich dazu erwidern sollte, doch Jack schien keine Antwort mehr zu verlangen. Er öffnete den Karton in dem sich das Regal.

Ich sah ihm dabei zu und setzte mich auf den roten Sessel. Als Didi zu mir gehuschelt kam streichelte ich den Hund.

„Das muss ja nicht daran gelegen haben, dass sie ein Mädchen war.“

„Klar bestimmt“, sagte Jack trocken. Mir war klar, dass er keine meine Ausreden für bahre Münze nehmen würde.
 

Nach einer Weile des Schweigens schaute Jack zu mir herüber: „Du weißt schon, dass es nicht schlimm ist schwul zu sein oder? Oder Bi oder sonst was.“

Ich nickte leicht, war mir aber selbst nicht sicher ob ich mir gerade glaubte. „Ja, ich hab ja auch nichts dagegen“, antwortete ich, „ Ich bin nicht mein Vater.“ Nach einem Moment beobachtete ich weiter den Hund vor mir. Jacks abschätzenden Blick konnte ich jedoch auf mir fühlen. „Warum tust du dich dann so schwer“, fragte er und schraubte die einzelnen Bretter zusammen.

Ich seufzte auf. Eigentlich sollte ich mich freuen. Ich könnte ihm endlich alle Fragen stellen die ich schon lange fragen wollte. Er kannte meine Freunde nicht und so brauchte ich auch eigentlich keine Sorge zu haben, dass er es weiter erzählen würde. Dennoch kannte ich diesen Menschen kaum vor mir. „Ich bin nicht schwul“, meinte ich und versuchte dabei selbstsicher zu klingen. Etwas was mir auf dem Baseballplatz immer gelang, hier gerade nicht. Jack blickte mir ins Gesicht und ließ keine Gefühlslage erkennen. Nach einem Moment nickte er. Fügte dem nicken ein: „Wenn du das sagst, wird es stimmen.“ Hinzu. Frustriert schaute ich ihn an. Er glaubte mir nicht, dafür brauchte ich kein Genie sein. Dennoch wollte ich mich nicht drängen lassen. In dieser persönlich Krise von mir, bestimmte ich das Tempo und nicht irgendwer anders. Ich werde mich nicht drängen lassen.

Ein kurzer Blick hinter die Maske

Es dauerte, bis ein Ende des Aufbauens der Schränke in Sicht war. Nerven kostete das Einstellen der Türen des Schlafzimmerschrankes. Wir sprachen zwar noch ab und zu, aber eher weniger. Die wenigen Gespräche bezogen sich ausschließlich auf die zu erledigende Arbeit. Ich war etwas in Gedanken versunken. Jack ließ es zu und ich war ihm sehr dankbar dafür. Ich war mir nicht sicher, ob und wie sehr es ihn interessierte, ob ich nun schwul war oder nicht, aber es schien, als ließe er mir mein Tempo. Eine Tatsache, die den Knoten in meiner Brust etwas leichter werden ließ. Ich fühlte mich nicht bedrängt von ihm.

Didi hatten wir in den Garten verfrachtet. Als der letzte Schrank an seinen richtigen Platz stand zündete sich Jack eine seiner Zigarren an. Das gleiche Aroma wie am Tag zuvor stieg mir in die Nase. Gemeinsam gingen wir auf die Veranda um nach dem Hund zu schauen. Von Didi war jedoch nichts zu sehen. „Wo ist der verdammte Köter“, grummelte Jack und schaute systematisch von der Veranda den Garten ab. Auch mein Blick glitt über den Rasen jedoch hatte ich eine Vermutung. Ich ging zum Zaun hinüber und blickte in den Garten meiner Eltern. Dort sah ich den kleinen Welpen an einem meiner Baseballs herumkauen. „Dein Hund ist hier“, rief ich Jack zu und Didi blickte auf und kläffte fröhlich. Ich holte mein Handy aus der Tasche und machte von dem kleinen Hund ein Foto. Er versuchte den Ball in die Schnauze zu kriegen, welcher jedoch noch zu groß für ihn war. „Dafür bist du wohl noch zu klein“, meinte ich und versuchte den Hund anzulocken.

Jack kam zu mir, betrachtete den Hund im fremden Garten und schüttelte den Kopf über sein Tier.

„Ah ja, da war ja ein Loch“, meinte er genervt und rief nach dem Tier.

„Ich geh eben rüber und hol ihn“, meinte ich, denn Didi fand den Weg zurück augenscheinlich noch nicht. Er rannte vor den Büschen am Zaun auf und ab, steckte ab und zu den Kopf hinein und entschied sich dann es an einer anderen Stelle zu probieren.

Also ging ich schnell nach Hause und sammelte das Tier ein. Ich reichte es Jack über den Zaun zu. Schlendernd machte ich mich wieder zurück. Jack hatte mir bereits die Tür geöffnet.

„Danke, ich muss unbedingt das Loch finden“, meinte er ruhig und zog erneut an der Zigarre und hielt sie mir fragend hin. Ich schüttelte leicht den Kopf und meinte: „Nee, lass mal. Eigentlich muss ich heute noch zum Karate und Rauchen und Sport ist nicht gut.“

Jack grinste leicht und entgegnete: „Ach jeder Mensch braucht ein Laster. Wann musst du denn los zum Training?“

Ich seufzte schwer, seit einiger Zeit hatte ich wenig Lust auf das Training. Ich blickte auf mein Handy und meinte: „So gegen fünf. Eigentlich hab ich keine Lust mehr…“

„Dann hör doch auf“, war Jacks verständlicher Kommentar dazu. Ja eigentlich hatte er Recht. Ich hatte dieses Thema bereits Zuhause angesprochen, doch mein Vater verbot es mir. Er wollte, dass Sachen, die begonnen wurden, auch zu Ende gemacht wurden. Für mich war es unverständlich, schließlich hatte ich nicht erst letztes Jahr mit dem Training begonnen. "Was das anging war er eben schwierig", redete ich mir ein.

„Ich soll nicht aufhören. Dad meint, man soll Sachen nicht einfach so hinschmeißen“, ich verdrehte leicht die Augen, denn dieses Thema hatte damals schon eine hitzige Diskussion ausgelöst.

„Das ist albern. Wenn man nicht mehr will, kann man doch aufhören. Ist doch dein Leben und deine Freizeit“, sagte Jack und erneut klang es so simpel, doch war es das für mich nicht.

„Hm“, meinte ich nüchtern und zuckte mit den Schultern. Ich versuchte die Situation mit einem aufgesetzten Lächeln herunterzuspielen. Immerhin wollte ich meinen Vater ja auch nicht schlecht reden. Er hatte ja auch gute Seiten. Als ich noch klein war schien er für alle meine Frage immer die richtige Antwort gehabt zu haben. Er hat mir beigebracht selbstbewusst durch das Leben zu gehen und mich nicht unterkriegen zu lassen. Wenn ich Angst hatte, konnte ich mich ihm bis dahin immer anvertrauen.

Doch leider zeigte er diese Seiten nur noch selten. Er nahm seine Vaterrolle so ernst, dass er meinte, uns vor allem, was er für schlecht befand, schützen zu müssen. Seit Jackson die Familie verlassen hatte wurden seine Ansichten immer radikaler. "Wie konnte ein Mensch sich nur so verändern?", schoss es mir durch den Kopf.

„Deine Sache“, war Jacks neutrale Reaktion auf mein „hm“. Er ging in die Küche und suchte anscheinend etwas zu Essen. Ich seufzte schwer, fand es selbst auch komisch. Ich stand noch einen Moment unsicher herum, als ich mich fing ließ ich mich schwerfällig auf die Couch fallen. Hatte ich wirklich so große Angst vor meinen Vater? Ein kleiner, sehr ehrlicher Teil in meinem Hinterkopf begann zu nicken und ich hasste ihn dafür! Egal was Dad getan oder gesagt hatte, er war immer noch mein Vater, vor ihm sollte ich keine Angst haben, sondern einzig Respekt.
 

Jack kam wieder, hatte eine Packung Brownies dabei und reichte sie mir. Gedankenverloren nahm ich einen raus, aß ihn jedoch nicht sofort.

Ich dachte darüber nach, was ich alles schon von Jack wusste und stellte fest, dass es fast gar nichts war. Er mich jedoch lesen konnte wie ein offenen Buch. "Warum ihn nicht einfach etwas fragen", dachte ich mir. Ich kaute einige male auf den Brownie und fand den Mut zu fragen: „Sag mal…wie war das als du gemerkt hast, dass du auch auf Kerle stehst?“ Jack blickte mir kurz ins Gesicht und schien über etwas nachzudenken, während er mein Gesicht studierte. Sein neutraler, fast emotionsloser Ausdruck wich aus seinem Gesicht. Mit ruhiger und erstaunlich freundlich klingender Stimme begann er zu erzählen: „Es war schon irgendwie komisch…“ Ein offener Ausdruck trat in sein Gesicht, etwas das ich vorher noch nicht an ihm registriert hatte. Und als er weiter erzählte schien diese Offenheit zu bleiben: „Aber da es so viele Menschen gibt, die das auch machen, dachte ich mir, kann es sicher nicht so schlimm sein.“ Ich nickte leicht verstehend, denn auch dies war ein Argument, welches ich mir immer wieder selbst sagte.

„Und als du eine Beziehung mit einem Kerl hattest, was war da anders? Was hat dir…vielleicht besser gefallen?“, wollte ich wissen. Vielleicht konnte er etwas nennen, das mir auch an Beziehungen mit Männern besser gefiel, oder eben auch nicht.

„Ich hatte noch nie eine Beziehung.“

Diese Aussage überraschte mich und so sah ich ihn auch an. „Wieso?“, fragte ich entsetzt klingend. Ja, Jacks Aussehen war speziell, aber dennoch…

„Hatte nie die Zeit dafür“, kam es knapp von ihm als Erklärung und langsam wich die Offenheit aus seinem Gesicht.

„Ich dachte für sowas hat man immer Zeit“, entgegnete ich darauf, wofür er nur ein Kopfschütteln übrig hatte. „Aber wieso?“, fragte ich und klang leicht entsetzt.

„Ich war immer weg - Training, Einsatz, Krankenhaus, Einsatz, Training“, zählte er in neutral klingendem Ton. Seine Maske hatte den Weg in sein Gesicht zurück gefunden.

Bevor die Situation unangenehm wurde, versuchte ich diese zu entschärfen. Ich grinste ihn leicht an und fragte scherzhaft: „Und wie kannst du dir sicher sein, dass du Bi bist? Heißt es nicht, dass Menschen die Bi sind sich nur nicht einig werden können?“ Ich hoffte er verstand meine Art, denn sonst könnten solche Sprüche gewaltig nach hinten losgehen. Doch erleichtert stellte ich fest, dass Jack ebenfalls grinste und ein freundliches Leuchten in seinen Augen erschien.

„Ich denke, ich bin mir bezüglich meiner Sexualität sehr sicher.“ Ich lachte kurz ehe ich ihn fragte: „Worauf stehst du denn bei Frauen?“

Jack überlegte nicht lange als er antwortete: „Blond find ich toll. Und eine große Oberweite hat auch schon was. Ich mag Frauen, die wissen was sie wollen…und das dann auch kriegen. Ich brauch nichts, was unselbständig ist oder nicht auf sich selbst aufpassen kann. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Ich brauch keinen, der mir ständig zustimmt…Aber eine Diva ist auch schrecklich…“

Ich grinste leicht und nickte, ich konnte mir vorstellen, dass ich es ähnlich sehen würde.

„Und bei Männern?“, fragte ich weiter und spitzte gespannt die Ohren.

Er taxierte mich kurz mit seinem Blick und begann langsam zu sprechen. Es schien so, als beobachtete er mich in diesem Moment genauso eingehend wie ich ihn.

„Männer sollten aussehen wie Männer. Ich kann mit diesen Schwulen nicht viel anfangen, die sich benehmen wie eine Frau. Ich mag, wenn sie trainiert sind. Bei einem schmalen Hemd muss ich ja Angst haben was kaputt zu machen…Ich meine, dass ist bei einigen Frauen auch so, aber da ist es eben auch wieder was anderes. Frauen dürfen süß und zierlich aussehen, dass sollte ein Mann nicht sein.“

Ich hing an seinen Lippen, während er sprach. Es war für mich irgendwie erleichternd. Zwar stellte ich keine meiner Fragen, aber einfach mal über das Thema unbefangen zu sprechen tat gut. Es tat auch gut, dass es mal nicht meine Sexualität war, die zum Gesprächsstoff gemacht wurde. „Hattest du schon viele Männer?“, fragte ich ihn und lächelte ihn offen an. Jack schüttelte den Kopf.

„Es waren drei, aber einer häufiger.“

„Dann hattest du also doch eine Beziehung“, meinte ich. Doch Jack schüttelte den Kopf.

„Wir waren nur Freunde. Mehr war da nicht. Da waren keine Gefühle im Spiel. Das haben wir getrennt.“

„Also warst du nie verliebt? Oder wie?“

Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre des Raumes schlagartig. Es schien als schaute Jack kurz in eine andere Ebene oder Zeit.

Sein Blick wurde anders bei der Frage. Ich dachte erst, er würde nur nachdenklich werden. Doch da war noch etwas anderes. Um zu verstehen, was hinter seiner Fassade steckte, brauchte ich nicht lange in diesem Moment.

Er sah traurig aus, fast schon verletzlich.

Ich erwartete fast schon, dass er sich fast augenblicklich unter Kontrolle hatte. So wie ich ihn eben kennengelernt hatte. Doch scheinbar konnte er es nicht.

Ich starrte ihn einige Sekunden lang an, die mir vorkamen wie Stunden. Als ich kaum noch damit rechnete, sprach er: „ Doch, war ich.“ Er zog an seiner Zigarre, die immer noch glühte, bevor er weitersprach. „Es ging aber nicht gut aus.“ Jack sah mir in die Augen, doch wirkte es so, als würde er in diesem Moment jemand ganz anderes ansehen. Als wäre ich nicht da.

Er sprach leise und wirkte sehr bedacht auf das, was er sagte.

Fast war es, als säße plötzlich ein ganz anderer Jack neben mir. Etwas in seiner gesamten Ausstrahlung hatte sich geändert. In diesem einen Moment konnte ich einen verletzten, zu tiefst verletzten Mann neben mir sitzen sehen. Ich traute mich gar nicht weiter zu fragen. Weder was mit seiner Liebe passiert war, noch was auf einmal mit ihm los war.

Es verging ein Moment von absoluter Stille zwischen uns. Eine Stille wie ich so noch nie zwischen zwei Menschen erlebt hatte. Erst nach diesen stillen Sekunden sah Jack wieder mich an.

„Sie lebt nicht mehr.“ Sagte er knapp um auf die Frage zu antworten, die man in meinem Gesicht ablesen konnte.

Er schien sich wieder etwas unter Kontrolle zu haben. Aber immer noch war etwas in seinem Blick, das sich schwer deuten lies. Trauer? Wut? Verbitterung?

Mir war plötzlich als hätte ich eine Grenze überschritten und mir war nicht klar, wie Jack nun weiter auf mich reagieren würde.

Ich legte meine Hand vorsichtig auf seinen Oberschenkel, streichelte diesen fast schon sanft. Als ich ihm wieder ins Gesicht sah meinte ich entschuldigend: „Ich wollte dich mit der Frage nicht…verletzen.“

Er schaute mich an als er erklärte: „Schwieriges Thema…“

Wir hingen jeder unseren Gedanken nach. Ich kaute mir kurz auf den Lippen herum und seufzte schwer. Meine Hand lag weiterhin auf seinem Beim. Ich wollte ihn ablenken. Es war meine Frage gewesen, die ihn so aus der Fassung brachte, die seine Maske hat zerspringen lassen.

Mein Blick fiel auf seinen Hund, der gerade mit einem quietschenden Kauknochen spielte. Ich lächelte als ich ihn betrachtete. Ich sah hinüber zu Jack und auch er sah seinen Hund an. Ein fast schon sanftes lächeln lag auf seinen Lippen als er ihn betrachtete. „Sag mal… was glaubst du wie groß wird Didi?“, fragte ich nach einer Weile, in der wir schweigend dem Hund zugesehen hatten. Jack blickte zu mir und schien über meine Antwort nachzudenken. „Schwer abzuschätzen. Ich geh davon aus das neben Hund auch Wolf in ihm steckt…“ Ich blinzelte mehrmals und sah zu dem kleinen grauen Welpen, den man ganz locker mit einer Hand hoch heben konnte.

„Wow“, meinte ich nur und nickte. Wir redeten etwas über Didi und es schien Jack gut zu tun und nach einigen Augenblicken schien er wieder der Alte zu sein.
 

Als es später wurde verabschiedete ich mich von Jack und als er mir für die Hilfe wieder Geld geben wollte, lehnte ich ab.

„Nein“, meinte ich freundlich lächelnd, „ich hab das freiwillig getan und…na ja, ich finde dich nett. Ich will dein Geld nicht.“

Jack nickte, steckte das Geld wieder weg. Er lächelte mich kurz an ehe er meinte: „Kannst rüber kommen, wenn was ist, ne, Kleiner?“

Ich verdrehte leicht genervt die Augen: „Alter, jetzt hör auf mich Kleiner zu nennen, das ging mir schon beim ersten Mal auf den Sack.“

Jack lachte kurz auf und schüttelte den Kopf: „Vergiss es, Kleiner.“ Und mit einem genervten Seufzen und Augenverdrehen ging ich rüber und packte meine Sachen für das Karatetraining. Doch erneut kreisten meine Gedanken um Jack…

Familienwand

Am nächsten Morgen bekam ich eine Nachricht von Eric, der mich fragte, ob wir gemeinsam joggen wollten. Ich blickte aus dem Fenster und sah einen klaren wolkenlosen Himmel. Vermutlich würde es ein angenehmer Frühlingstag werden. Auf ein Treffen mit Eric freute ich mich und stimmte gleich zu. Ich traf ihn am Mittag und endlich war er mal ohne seine neue Freundin da. Zudem dachte ich auch mal nicht an Jack und meine Sorgen. Denn nach dem Gespräch und der Situation gestern, ließ der Gedanke an Jack mich kaum noch los. So tat es gut Eric zu treffen und für einige Augenblicke war ich der unbeschwerte Teenager, der ich noch vor wenigen Wochen gewesen war. Ehe Tobey und Jack mein Leben begannen auf den Kopf zu stellen.

Gemeinsam joggten Eric und ich durch den Park, quatschten und alberten ein wenig herum. Ich genoss es ziemlich. Ich fühlte mich unbeschwert, etwas das viel zu selten vorkam in letzter Zeit. Immer wieder spornten wir uns zu Wettläufen an und um ein Haar wäre ich mit einer Dame zusammengeprallt die Nordic Walking machte. Als wir eine Pause brauchten setzten wir uns auf eine Bank und tranken unser mitgenommenes Wasser. Wir beide waren ziemlich am schwitzen und ich vermutete, dass mein Gesicht genauso rot war wie Erics.

„Und was gibt es sonst neues bei dir, Jazz?“, fragte Eric mich und strich sich die hellblonden verschwitzten Haare aus der Stirn. Ich dachte nach und verwuschelte mir meine Haare, die mir an der Stirn klebten. Eigentlich gab es viel neues, das man erzählen könnte… Ich kannte Eric seit ich klein war, wir waren wirklich Sandkastenfreunde. Etwas das es nur noch selten gab. Ich vertraute ihm. Doch meine Sorgen, die mich quälten, wollte ich ihm nicht mitteilen. Zudem gehörte er zu den Leuten, die Tobey ab und an in der Schule aufgezogen hatten. Unsicher war ich mir, ob er das getan hatte, weil die Anderen dies auch taten, oder einfach weil er Schwule nicht mochte. Ich schluckte leicht. Ich wollte nicht daran denken, dass ich eventuell meinen besten Freund verlieren könnte…

„Jemand hat das Haus gegenüber gemietet oder gekauft“, meinte ich, nachdem ich mir einen großen Schluck gegönnt hatte.

„Okay? Jemand nettes? Oder wer? Schon kennen gelernt?“, fragte Eric dessen Atmung sich langsam wieder normalisierte, ebenso wie meine.

„Ein Soldat. Der scheint voll okay zu sein. Heißt Jack, beziehungsweise John“, ich verdrehte leicht die Augen. Eric erwiderte mit einem Grinsen: „Also wie dein Vater, dein Bruder, dein Großvater und wie alle anderen in deiner Familie.“ Ich nickte, während ich leise lachte.

„Er hat auch einen kleinen Hund. Der ist echt niedlich“, ich zeigte ihm das Bild, das ich von Didi und meinem Baseball im Garten gemacht hatte. Auch Eric fand, dass der Welpe sehr süß sei und schmunzelte über das Bild.

„Okay und sonst so? Noch was interessantes, was du von ihm weißt“, fragte Eric grinsend. Als erstes kam mir die Medal of Honor in den Sinn. Da ich jedoch nicht wusste für was Jack die Medaille verdient hatte, behielt ich das Wissen für mich. Ebenso das Gespräch gestern in dem er mir einen kurzen Einblick in seine Seele gewährt hatte.

Doch dann kann mir etwas anderes in den Sinn. „Ja, doch. Wir haben so gequatscht und dabei stellte sich raus, dass er auch mal was mit Kerlen hatte“, vertraute ich Eric an. Dabei achtete ich genau darauf, wie mein bester Freund auf diese Nachricht reagierte. Ich beobachtete eingehend sein Mienenspiel. Ich hoffte, betete schon fast, dass seine Reaktion nicht der von Sergio ähneln würde. Denn dafür war Eric mir zu wichtig.

Eric blickte mich überrascht an doch keineswegs angewidert und fragte dasselbe wie ich damals Jack: „Darf man das? Also, darf man das einfach so sagen, wenn man Soldat ist. Gibt es keine Probleme?“ Ich sah und hörte keine Verachtung oder Ekel in seiner Stimme und seiner Mimik. Einzig erstaunen. Eine Woge der Erleichterung überkam mich.

Ich zuckte mit den Schultern und gab Jacks Antwort wieder. Konnte mich gerade noch zurückhalten sie euphorisch klingen zu lassen: „Also er meinte, wenn man sich genug Respekt verdient hat, traut sich keiner einen deswegen anzugehen. Und wenn es darauf ankommt, sei es einem auch egal, wer einen rettet.“ Eric fing an zu grinsen: „Oh bitte ich will das Gesicht deines Vaters sehen, wenn der das herausbekommt. Das passt doch nicht in sein Weltbild.“ Eric grinste mich verschmitzt an.

Ich war erleichtert von seinen Antworten, seinen Reaktionen und ein breites Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht.

Auf einmal war der Tag schöner geworden und eine Leichtigkeit erfüllte mich. Und so antwortete ich lachend: „Das möchte ich auch sehen! Dad wird sowas nicht glauben können! Aber der ist wirklich cool. Nur etwas schweigsam aber ansonsten.“

Erics Blick wurde kurz ernster und er sagte: „Na ja, wer weiß, was der alles schon so gesehen hat. Dann wäre ich auch schweigsam.“

"Ja", dachte ich "Jack wird sicher schon einiges gesehen haben. Ob man ihn darauf wohl ansprechen könnte?"

„Sicher einiges“, meinte ich nach einem Moment, „dem fehlt ein Auge…“ Und Eric schaute mich mit geweiteten Augen an. „Sieht es komisch aus?“, fragte er mich und nahm noch einen Schluck Wasser. Ich dachte darüber nach, klar im ersten Moment, aber ansonsten…

„Also…klar, du schaust schon etwas komisch, aber irgendwie…ich weiß nicht. Er trägt eine Augenklappe. Die trägt er so selbstbewusst, dass man es irgendwie nicht mehr wahrnimmt“, meinte ich und trank den Rest der Flasche leer.

„Aber es ist gut, wenn er sich von sowas nicht fertig machen lässt.“ Zustimmend nickte ich Eric zu und fragte ihn: „Sollen wir weiter? Mir wird kalt.“ Eric nickte und gemeinsam liefen wir unsere Runde zu Ende.

„Willst du noch mit zu mir? Meine Eltern sind ja nicht da“, fragte ich Eric als wir langsam aus dem Park gingen. Er schüttelte verneinend den Kopf und erklärte: „Würde ja gerne, aber ich soll heute Nachmittag Zoeys Eltern kennen lernen. Muss also noch duschen und so.“

Ich grinste ihn an und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter, während ich sagte: „Wird schon.“

Eric nickte nur und fragte mich: „Kann ich morgen kommen? Die Rangers spielen, wir können das zusammen schauen, wenn du willst. Ich bring Popcorn mit.“ Ich nickte und freute mich jetzt schon auf morgen. Ich rief ihm noch zu: „Das mit Butter oder das Gesalzene?“ Eric sah mich an und fing an zu grinsen: „Alter, Jazz, Salzig. Dumme Frage, oder?“ Ich lachte, winkte ihm noch kurz und schlenderte nach Hause.
 

Als ich Zuhause ankam ging ich sofort unter die Dusche und rief kurz darauf meine Eltern an. Sie redeten nur über ihr neues Enkelkind und freuten sich über jede Regung, die das kleine Würmchen von sich gab. Das zweite Kind meines Bruders hatte natürlich einen J. Namen bekommen. John führte die dämliche Tradition meiner Familie weiter. Mein erster Neffe hatte tatsächlich den Namen John Jepedia bekommen, wie ich fand eine schreckliche Namenskombination. Mein jüngster Neffe hieß Julien, was ich als eine Steigerung empfand gegenüber meinem älteren Neffen. Meine Eltern würden in fünf Tagen wieder da sein und Jenny würde mit ihnen kommen und uns besuchen. Ich freute mich auf Jenny. Wir verstanden uns ziemlich gut, was vielleicht auch daran lag, dass sie die Meinung meines Vaters nur wenig schätze.

Ich surfte gerade ein wenig durch das Internet, als ich aufblickte und aus meinem Fenster sah. Von hier aus konnte man gut auf Jacks Grundstück schauen. Ich sah ihn gerade in der Erde graben. Skeptisch zog ich die Augenbrauen zusammen und beobachtete ihn. Mit einer Schaufel grub er einen Teil des Gartens um. Ich war verwirrt, denn Jack kam mir nicht wie jemand vor, der gerne Gartenarbeit verrichten würde. Ich fragte mich, was er da tat. Als ich dann Blumenerde sah, schüttelte ich verwirrt den Kopf. Jack und Blumen pflanzen? Das passte nicht und so schaute ich ihm weiter zu. Er verschüttete einen kleinen Teil der Erde und ging ins Haus. Nur kurze Zeit später kam er mit mehreren weißen kleinen Blumen in Töpfen heraus. Dieses Mal folgte ihm Didi schwanzwedelnd. Und tatsächlich, bedächtig und fast schon vorsichtig, pflanzte er jede Blume sorgfältig ein. "Was hatte es damit auf sich?", fragte ich mich und schaute gerade dabei zu, wie Jack frische Blumenerde zwischen den von ihm gepflanzten Blumen verteilte.

Ich klappte den Laptop zu und ging hinunter. Meine Neugier war zu groß und so ging ich gleich in den Garten. Ich lehnte mich an den Zaun und schaute Jack dabei zu, wie er gerade mit mehreren Wasserflaschen aus dem Haus kam. „Hey, Jack“, rief ich ihm zu und er blickte herüber, „wir haben einen Wasserschlauch, kannst du den gebrauchen? Und wieso…wieso pflanzt du Blumen?“ Ich klang äußert verwirrt und zog fragend die Brauen zusammen.

Jack schaute herüber, sah dann zu seinen Wasserflaschen und schien kurz über mein Angebot nachzudenken. „Okay“, meinte er nur und stellte die Flaschen ab, „ich komm eben rüber.“

Ich nickte ihm kurz zu, suchte unseren Schlauch und öffnete Jack danach die Tür. „Liegt im Garten. So schnell war ich jetzt nicht“, meinte ich und führte ihn durch unser Haus. Er schaute sich genau um. Ich merkte, wie sein Blick über die Bilder schweifte, die meine Eltern von meinen Geschwistern, Enkeln und mir an der Wand hängen hatten. Unsere Familienwand, wie meine Eltern sie nannten. Er sagte nichts dazu, sondern folgte mir weiterhin stumm in den Garten.

Im Garten angekommen wurden wir von Didi kläffend und schwanzwedelnd begrüßt. Ich musste lachen als ich den kleinen grau weißen Welpen sah. Jack seufzte genervt und sah seinen Hund streng an, während er sagte: „Verdammt Didi, nein! Nicht dein Grundstück! Ich muss das verdammte Loch finden…“

Ich lachte als ich Jacks Gesicht sah und lachend sagte ich: „Ist doch nicht sein Problem wenn du hier einfach rüber gehst und ihn alleine da lässt. Hier ist es vielleicht schöner…“

Jack grinste leicht und schüttelte den Kopf. Er nahm den Schlauch in die Hand. „Trotzdem soll er verstehen, dass das nicht sein Grundstück ist“, meinte er und nahm den Hund auf den Arm.

Ich sah zu dem Blumenbeet hinüber und fragte: „Was hat es damit auf sich?“

Auch Jack folgte meinen Blick und seine Miene wurde wieder verschlossener. „Sie gefallen mir“, war seine schlichte kurze Erklärung. Ich glaubte ihm die Antwort nicht. Er schaute mir kurz ins Gesicht, welches ihn skeptisch anschaute. Er überging die nonverbale Frage und sagte nuschelnd: „Ich geh die Blumen jetzt mal gießen. Ich bring dir den gleich rüber.“ Und zusammen mit Didi ging er wieder rüber.

Ich war verwirrt und betrachtete die Blumen vom Zaun aus. Es waren keine außergewöhnlichen Blumen. Kleine weiße schmale Blüten waren zu erkennen. Sie hatten eine gelbe Mitte. Ansonsten waren sie mehr grün und erinnerten an ein Kraut.

Didi kam als erster wieder in den Garten und gleich fing er an, an den neuen Blumen zu schnüffeln. Jack kam erst nach einigen Momenten raus und fing an die Blumen zu bewässern, nachdem er den Schlauch angestellt hatte. „Wann kommen deine Eltern eigentlich mal wieder?“, fragte Jack mich, während er mir den Rücken zudrehte.

„In fünf Tagen“, meinte ich und war immer noch am Nachdenken über das Blumenpflanzen, das für mich nicht in das Bild passte, das ich mir von Jack gemacht hatte.

„Hättest du gerne, dass sie länger wegbleiben“, fragte er mich und drehte sich etwas zu mir. Als Didi anfing an einer der Blumen herum zu kauen, spritze Jack den Hund kurz nass. Dieser fiepte erschrocken auf und sprang im hohen Bogen weg von den Blumen. Er fing an zu jammern und lief zwischen Jacks Beine. Ich lachte als ich das beobachtete und meinte: „Das war gemein, der ist doch noch klein.“

„Und genau deswegen soll er lernen, dass er das nicht soll“, sagte er mit seiner tiefen Stimme und sah dem nassen Welpen zu, wie er sich schüttelte. Als Jack fertig war stellte er den Schlauch aus und sah sich sein Werk an. Er schien zufrieden. „Ich bring dir den gleich rüber, Jazz“, meinte er und fing an den Schlauch einzurollen. Ich nickte ihm zu als er kurz rüber sah. Langsam ging ich hinein und schon nach wenigen Augenblicken hörte ich es an der Tür klopfen. Ich öffnete Jack gleich die Tür.

„Wo soll ich den ablegen“, fragte er und ich zeigte ihm die Stelle in unserem Garten. Erstaunlicher Weise war Didi dieses mal nicht in den Garten geschlichen. Vermutlich hatte er nach der Attacke des Wasserschlauches die Lust verloren auf Entdeckungsreise zu gehen.

Ich führte Jack wieder Richtung Haustür und wieder kamen wir an der Familienwand vorbei an der unsere Familienbilder hingen. Jacks Blick glitt über die Wand und er fragte mich: „Darf ich mal sehen?“ Im ersten Moment wusste ich nicht was er meinte, als er dann zu den Fotos blickte, nickte ich und lächelte leicht: „Klar, wieso nicht…“

Ich stand neben ihm und folgte seinem Blick. Da war ein Hochzeitsbild meiner Eltern. Sie waren jung gewesen als sie heirateten. Meine Mutter gerade mal 18 und mein Vater 20. In diesem Alter sah er aus wie ich jetzt. Wenig unterschied uns. „Mann, du siehst aus wie dein Vater“, stellte Jack schmunzelnd fest und sah sich nach einem aktuelleren Bild von ihm um. Als er es fand, ein Portraitbild von ihm in seiner Polizeiuniform, mutmaßte er, dass ich, wenn ich älter würde, sicher genauso aussehen würde. Diese Aussage Jacks brachte mich zum Lächeln, denn das sagte meine Familie auch häufiger.

„Das ist mein ältester Bruder“, sagte ich nach einem Moment und deutete auf John. Er hatte die hellbraunen Haare und blauen Augen meiner Mutter vererbt bekommen, doch auch seine Gesichtszüge ähnelten denen meines Vaters. Er sah streng aus und war auch so weniger eine Spaßbombe, eher eine Spaßbremse. Wir hatten am wenigstens gemeinsam. „Er ist mein ältester Bruder und lebt mit seiner Familie in Austin. Mein zweitältester Bruder ist Jason“, erklärte ich weiter und deutete auf einen recht beleibten Mann. Auch wenn Dad wollte, dass wir immer sportlich sein sollten, hatte es Jason geschafft ziemlich dick zu werden. Er hatte kurz rasierte Haare, heller braun als meine und die unseres Vaters. „Jason hat auch eine Frau und lebt mit der in Houston. Er trifft sich häufig mit John und meinem Vater zum Schießen.“

Jack nickte verstehend und deutete auf ein Bild meiner Schwester und sagte: „Deine Schwester ist recht hübsch.“ Ich nickte und sah auf ein Bild von Jenny, welches sie an ihrem Ausflug zum Grand Canyon zeigte. Sie war nicht klein und hatte eine nette Figur. Kurven hatte sie an den richtigen Stellen und ihre langen braunen Haare waren glatt und fielen ihr bis zur Mitte ihres Rückens. Sie hatte feine Gesichtszüge und die blauen Augen meiner Mutter. „Ja, Jenny ist schon hübsch. Sie ist etwas Jünger wie du. Sie ist 23.“

Jack feixte mich an und stellte belustigt fest: „Du bist der kleinste? Du hast nur ältere Geschwister? Wie niedlich. Du bist wirklich ein Kleiner.“ Mit seiner kräftigen Hand verwuschelte er mir meine Haare. Ich verdrehte genervt die Augen und versuchte mir die Haare wieder richtig zu sortieren.

Jack betrachtete mich kurz belustigt. Als er die Bilder noch mal ansah fragte er: „Hattest du nicht noch einen Bruder den du Jack nennst? Keine Bilder von ihm hier?“ Ich stutzte und schaute nach Bildern, aber nur auf einem alten Familienbild war er zu sehen. Wo wir alle drauf waren. Ich gerade sieben und er ein Teenager. Ich deutete auf ihn, er war damals sehr schmal und hatte unreinere Haut. Er schaute genervt in die Kamera. Seine Haare hatte er schwarz gefärbt, was meinen Vater ziemlich wütend machte. „Das ist Jack… Er hatte Streit mit meinen Eltern und seither haben wir wenig…Kontakt“, meinte ich und klang dabei nachdenklich. „Hm“, sagte Jack und er studierte mein Gesicht.

„Jenny hat wohl noch regelmäßig Kontakt zu ihm, er müsste jetzt 27 sein“, meinte ich und betrachtete Jacksons Gesicht auf dem Bild. Ich hatte wirklich keine genaue Ahnung, wie er heute aussah. Erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, dass er nicht mehr an der Familienwand war… Würden meine Bilder hier irgendwann auch nicht mehr hängen, wenn ich zugeben würde, dass ich eventuell schwul bin, fragte ich mich und ein Schatten legte sich auf meine Züge.

Jack betrachtete mein Gesicht und runzelte kurz die Stirn, fragte aber nicht nach, sondern sah sich die Bilder von meinen Nichten und Neffen an.

„Ihr seid eine recht große Familie“, stellte er fest und sah mir dann in die Augen. Fast hatte ich das Gefühl er versuchte heraus zu finden, was meine Laune getrübt hatte. Ich nickte und versuchte eine fröhliche Mine aufzusetzen. Obwohl ich mir sicher war, dass ich ihm kaum etwas vorspielen konnte. „Bei Familientreffen braucht es schon einen recht großen Raum“, meinte ich und betrachtete die Wand etwas stillschweigend.

„Magst du Fotos?“, fragte ich während ich Jack ansah und er nickte leicht.

„Manche hinterlassen nicht mehr als ein Foto als Erinnerung“, meinte er ruhig, fast sanft klang er dabei. Dachte er an die Frau die er verloren hatte?

„Hast du viele Fotos“, fragte ich ruhig und betrachtete den kräftigen Mann neben mir. Er nickte und auf einmal grinste er kurz, während er erklärte: „Hab von einigen Einsätzen lustige Bilder. Einmal hat mich eine Ziege verfolgt. Ich musste etwas bewachen… Mir war langweilig, jetzt hab ich Zuhause einen Haufen Ziegenfotos.“ Ich lachte auf, tatsächlich steigerte diese sinnfreie Aussage meine Laune. „Die will ich sehen“, forderte ich ihn auf. Und zu meiner Überraschung nickte Jack und ich hörte nur ein „Okay“.

Ich betrachtete sein Gesicht freundlich und sagte ehrlich zu ihm: „Weißt du, ich finde dich wirklich interessant und echt nett.“

Auch Jack sah mir ins Gesicht und grinste mich an ehe er sagte: „Wieso, weil ich eine Augenklappe trage?“ Kopfschüttelnd lachte ich und erklärte: „Nee nicht deswegen. Vielleicht doch auch deswegen ein wenig“, zwinkerte ich ihn frech zu, „nein, einfach nur so, Jack“ Und ich zuckte leicht mit den Schultern.

Jack lachte und schlug mir freundlich auf die Schulter. Er ging Richtung Tür und trat langsam hinaus. „So interessant bin ich nicht, Kleiner“. Er drehte sich noch einmal kurz um eher er hinüber ging in sein Haus.

Von Ziegen und Krieg

Kapitel von Ziegen und Krieg
 

Die nächsten Tage zogen Ereignislos an mir vorbei. Ich machte Sport schlief aus, genoss die letzten Tage ohne meine Eltern. Ich hatte mich zum Baseball schauen mit Eric getroffen und den Sieg der Rangers gefeiert. Die Ferien neigten sich dem Ende und meine Eltern sollten Morgen wiederkommen. Jack hatte das Loch im Zaun nicht finden können und Didi lief häufiger in unseren Garten und klaute meine liegen gebliebenen Baseballs. Auch wenn er sie nicht wirklich in sein Maul bekam.

Tobey hatte ich nicht getroffen und auch Jack ließ ich ihn ruhe den Rest seinen Umzuges machen. So kam es, dass Eric und ich, nach einige Tage, gemeinsam in meinem Garten standen. Ich hatte einen Baseball in der Hand, er einen Schläger. Ich war kein guter Pitcher. Werfen und richtiges zielen lag mir nicht. Eric und ich waren in unserem Team die besten Schlagmänner. Wir trafen meist den Ball und waren gute Sprinter. Ich zielte mit dem Ball auf Eric doch er war zu niedrig geworfen. Eric ließ den Schläger sinken und schüttelte grinsend den Kopf eher er meinte: „Ernsthaft wie konntest du Kapitän werden?“

Ich lachte leise und fing den Ball den er mit zuwarf. „Nicht in dem ich der Pitcher bin.“ Wir mussten aufpassen, dass wir nicht zu hart gegen den Ball schlugen. Der nächste Ball kam besser und Eric traf ihn. Ich grinste meinen Freund an und nickte zufrieden.

Ich war stolz, selten ließ ich einen Ball durch. Und spätestens nach dem dritten Versuch traf ich! Ich ließ den Ball spielerisch von einer in die andere Hand rollen und Eric grinste während er mit dem Schläger leicht gegen seine Schuhe klopfte. „Los komm du Profi“, rief er fröhlich und ich warf. Dieses Mal flog der Ball gut, richtig gut. Und Eric traf ihn noch besser. Man hörte das Aufschlagen des Baseballs auf den Schläger und der Ball flog über unsere Köpfe weg. Ich drehte mich um und sah ihm nach wie er am anderen Ende auf Jacks Grundstück landete und weiter rollte bis er am anderen Ende des Zaunes zum Stillstand kam. Eric kam zu mir und sah ebenfalls hinüber.

„War das wenigstens ein Home Run“, war Erics trockene Frage die mich zum Lachen brachte. Ich schlug ihm gegen die Seite und Eric grinste. „Ich hol den Später“, meinte ich grinsend und holte aus meinem Zimmer einen neuen Ball. Wir spielten noch einige Runden und auch mir gelangen schwierigere Treffer.

Eric und ich bestellten eine Pizza, doch leider durfte er nicht bei mir schlafen. So ging er später am Abend nach Hause. Ich schaute gerade eine Quizshow im Fernseher als es an der Tür klopfte. Ich seufzte genervt auf, ging Richtung Tür und öffnete sie. Vor mir stand Jack und hielt meinen Baseball in der Hand.

„Oh!“ entfuhr es mir, „den hatte ich vergessen Danke.“ Und nahm den Ball entgegen. Ich hörte leises fiepen und spürte etwas an meinem Bein. Als ich hinabblickte sah ich Didi, der mich freudig angesprungen hatte und wild mit dem Schwanz wedelte. „Hi du“, sagte ich grinsend hocke mich zu ihm runter und flauschte den kleinen Welpen fröhlich.

„Er hat den gefunden“, meinte Jack ruhig und sah zu wie ich seinen Hund streichelte.

„Ja hab mit einem Freund etwas Baseball gespielt… ein Ball flog genau zu dir. Ist ja nichts kaputt gegangen.“

„Kann passieren“, meinte Jack und ich richtete mich wieder auf und blickte ihm ins Gesicht.

„Alle Kisten ausgepackt“, fragte ich ihn fröhlich klingend und er nickte leicht.

„Die meisten“, kam es von ihm.

Didi schnüffelte gerade an einem Schirmständer der bei der Garderobe stand. „Hey wolltest du mir nicht mal Ziegenbilder zeigen“, fragte ich. Jack blickte mir ins Gesicht während ich an unser letztes richtiges Gespräch denken musste. „Ja stimmt, dass hatte ich gesagt. Wann denn? Jetzt“, fragte er und schien leicht überrascht.

Ich nickte. „Hab gerade nichts zu tun. Also wenn es okay für dich ist…“ Ich war unschlüssig, denn ich wollte mich nicht einfach einladen. Doch Jack nickte zustimmend und meinte: „Die Bilder muss ich aber erst suchen.“

Ich schaltete den Fernseher aus und folgte Jack in sein Haus. Eine Kiste stand noch herum, ansonsten schien alles seinen Platz gefunden zu haben. Ein Teppich mit gräulichen Muster hatte den Weg in das Haus gefunden und lag nun vor dem Sofa. Ebenso wie ein kleiner Esstisch mit drei Stühlen der in einer Ecke stand. Kleiderhacken hingen an der Wand und eine grüne Regenjacke hing dort neben den Leinen für Didi. Auf dem Wohnzimmertisch stand eine einzelne weiße Kerze, vermutlich die Kerze die er bei Ikea gekauft hatte. Ohne untersetzter und andere Deko wirkte die Kerze irgendwie falsch, dachte ich und schmunzelte vor mich hin.

„Bist echt schnell“, meinte ich anerkennend. Ich konnte mich noch an das Chaos während unseres Umzuges vor einigen Jahren erinnern. Wir hatten fast vier Wochen gebraucht oder noch länger…

„Setzt dich, ich such die Bilder“, meinte Jack und deutete auf das Sofa und ging in einen Raum in dem ich noch nicht betreten hatte. Neben dem Wohnraum an den eine kleine Kochküche anschloss hatte das Haus noch ein Schlafzimmer, ein Badezimmer und einen weiteren kleineren Raum den ich während des Umzuges nicht betreten hatte.

Ich war zwar neugierig und wollte sehen, was in diesen Raum was war, ließ es jedoch bleiben. Wenige Augenblicke später kam Jack wieder und hielt eine Schachtel in den Händen. Er setzte sich neben mich und öffnete sie. In dem inneren der Schachtel waren eine Menge Bilder zu sehen. Ich konnte viele Personen, Tiere und Landschaften ausmachen. Jack zog ein Bild heraus und reichte es mir. Es zeigte eine dreckige weiße Ziege. Sie sah nach hinten in die Kamera. Jack schien direkt hinter dem Tier gestanden zu haben, als er es gemacht hat.

Im Hintergrund war eine felsige Wüstenlandschaft auszumachen. Auf dem nächsten Bild was Jack mir reichte war er selbst drauf. Er hatte einen Arm um die Ziege gelehnt und ihren Kopf zu seinem eigenen hingezogen. Er grinste leicht in die Kamera. Man konnte ein sandfarbenes Tarnmuster erkennen, da man einen Ärmel seiner Kleidung sehen konnte. Um den Hals trug er ein beiges Tuch, was ihm weit über eine Schulter reichte. Doch eins war anders auf dem Bild. Er hatte noch beide Augen. Zwei hellblaue Augen die leicht belustigt in die Kamera schauten, blickten von dem Bild zu mir auf. Die Ziege neben ihm hatte das Maul geöffnete um sich wahrscheinlich meckernd zu beschweren.

„Ziegenselfie“, stellte ich belustigt fest. Ich betrachtete weiterhin in sein Gesicht auf dem Bild und verglich es mit seinem jetzigen Gesicht. Die Augenklappe, sowie die große Auffällige Narbe an der Stirn fehlte. Er schien gelöster auf dem Bild zu sein, weniger ernst. Zudem wirkte sein Gesicht jünger, als es jetzt tat.

„Du hattest da noch beide Augen“, stellte ich das offensichtliche fest und reichte Jack das Bild wieder. Er nickte kurz, schaute auf das Bild als er es wieder zurücklegte.

„Darf ich mir ein paar anschauen“, fragte ich ihn unsicher ob er es mir erlaubte. Jacks Blick glitt hinunter in die Kiste. Er schaute sich erst einige Bilder an und reichte mir nach einem kurzen Moment ein weiteres. Es ähnelte dem des Ziegenbildes nur waren statt des Ziegenkopfes ein weißes Pferd zu sehen. Der Kopf des Pferdes passte jedoch nicht gänzlich auf das Bild.

„Du magst Tiere, hab ich recht“, stellte ich fest und grinste leicht. Jack nickte leicht und erklärte mit erstaunlich freundlich klingender Stimme: „Ja schon. Tiere sind meist die treueren Gefährten.“ Ich glaubte ihm, doch war ich sicher, dass es nicht der ganze Teil der Antwort war.

Auf einem Bild war nur ein einziges großes Bieber Gesicht auszumachen. Jack erklärte mir, dass das Tier ihm die Kamera klauen wollte und auf den Auslöser gekommen sei. „Wo warst du schon überall“, fragte ich ihn nachdem ich mehre Bilder von ihm und Tieren angesehen hatte und im Hintergrund immer unterschiedliche Landschaften auszumachen wahren. Einige Bilder zeigten eine Wüstenlandschaft, andere grüne Einöden. Wieder andere hohe dichte Bäumen und Gras, was ich als Dschungel interpretierte.

„Überall. Russland, Afghanistan, Irak, Kongo… überall wo Krieg ist“, meinte er sachlich. Der neutrale Ton klang nicht erschüttert, geschweige denn geschockt, er schien darüber zu reden wie über das aktuelle Wetter. Ich nickte leicht und sah ihn an. „Du bist doch erst 24… Wie kommt es das du schon so viel…na ja das du schon an so vielen Orten warst?“

Jack überlegte. Er sah mich prüfend an und schien seine Worte mit Bedacht zu wählen während er antwortete.

„Nicht alle haben, dass Glück so…groß zu werden wie du. Ich wuchs in einem Militärwaisenhaus auf… Ich wurde mein ganzes Leben auf Krieg vorbereitet. Ich kenne nichts anderes als Krieg.“

Ich starrte ihn an. Meine Augen weiteten sich, davon hatte ich noch nie etwas gehört und skeptisch meinte ich: „Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist gegen das Gesetzt, sowas gibt es doch nicht wirklich?“

Jack blickte mich wieder mit seiner Maske der Emotionslosigkeit an. Selten wirkte das Blau seines Auges so eisig wie jetzt. „Und warum nicht? Glaubst du Zivilisten erfahren alles? Glaubst du alles was in den Nachrichten gesagt wird“, fragte er mich und Verbitterung schwang in seiner Stimmte mit.

Ich stockte, denn natürlich war mir klar, dass nicht alle Informationen der Regierung an die Öffentlichkeit gelangten, aber sowas…

Ich schüttelte leicht verwirrt den Kopf während ich Jack entsetzt anstarrte. Wieso sollte er mich anlügen, dachte ich, obwohl seine Aussage schier unglaublich war. Ich schaute in die Kiste und sah ein Bild von Jack auf dem ich ihn fast nicht erkannt hätte. Ohne zu fragen griff ich danach. Hob es raus. Jack hielt meine Hand nicht auf und ich betrachtete das Bild.

Es zeigte Jack… Doch auf diesem Bild zeigte ihn weder mit Falten, noch mit Narben. Sogar gänzlich ohne Bart. Nicht mal ein Bartschatten war zu erkennen. Auf dem Bild wirkte er viel weniger breit und bullig. Er trug ein durchgehende olivgründe Uniform. Kleine Taschen spannten sich über seine Brust. Schwere lederne Schuhe bedeckten die Füße des Jungen. In der Hand hielt er ein Maschinen Gewehr. Er lächelte nicht in die Kamera sondern Blickte ernst, erwachsen. Dennoch wirkte er Jung vielleicht in meinem Alter sechzehn oder siebzehn. Im Hintergrund waren andere schwer bewaffnete Männer zu sehen, sowie hohes grünes Gras. Auch schien er, im Vergleich zu den anderen Männer auf dem Bild, noch kleiner zu sein, als heute. Auch Jack betrachtete das Bild in meiner Hand. „Das war im Kongo glaub ich“, fing er an zu erklären und seine Stimme klang wieder murmelnder, „mein zweiter oder dritter großer Einsatz meine ich…Ich weiß es nicht mehr.“

Ich sah immer noch auf das junge Gesicht auf dem Bild und starrte hinauf. Ich wusste nichts zu sagen. Meine Probleme, mein Leben, unterschieden sich von seinen in dem Alter maßgeblich. Es war kein Vergleich möglich. „Wie alt warst du sechzehn, siebzehn“, fragte ich und schaffte es endlich mich von dem Bild los zu reißen.

Jack nickte und schien kurz nachzudenken. „Da müsste ich sechzehn sein. Meinen ersten richtigen Einsatz hatte ich mit fünfzehn.“ Ich schluckte schwer, es tat mir leid. Man hatte ihm alles genommen, seine Kindheit, seine Jugend all das was ich gerade genoss und durchlebte, hatte er nie gehabt. Ich sah auf die MG in der Hand des Teenagers. Die Frage ob sie geladen war erübrigte sich, wenn es ein richtiger Einsatz gewesen war. Ich sah in das Gesicht des Jugendlichen auf dem Bild und blickte hinauf in die ernste ältere Version des Erwachsenen als ich zu fragen begann: „War es schwer jemanden…Na ja du weißt schon.“ Ich konnte schießen, Vater wollte, dass wir alle es können. Auch ich besaß mehrere Waffen, doch außer auf eine Zielscheibe hatte ich nie auf etwas geschossen. Jack schaute kurz weg in einen anderen Teil des Hauses. Er zog, wie es für mich aussah, leicht schmerzlich die Augenbrauen zusammen, nur kurz. Kaum wahrnehmbar. Ich war überrascht als er tatsächlich begann zu sprechen.

„Ja, war es. Als ich das erste Mal jemanden erschießen musste war ich noch jung. Wenn man das erst mal ein Leben nimmt, verändert einen das.“ Man konnte erahnen, dass er gerade dort war. An den Moment dachte, vermutlich sah er gerade den Mann vor sich stehen. Und etwas wie Reue lag in seinen Blick, doch so schnell wie sie gekommen war verflog der Ausdruck wieder.

Augenausreißend blickte ich ihn an und stellte fest, dass ich das Atmen vergessen hatte. Ich schaute ihm vorsichtig in das Gesicht, eher ich zu meiner Frage ansetzte: „Hast du…viele erschießen müssen?“ Ich wusste, dass es einige im Militär gab, die Stolz auf eine hohe Abschussliste waren doch Jack schien da anders. Er lächelt mich kurz bitter an. „Es waren…schon einige. Ich hab nie mitgezählt. Ist sicher auch besser… Das ist wie bei der Liebe…den ersten vergisst man nicht… der Rest geht irgendwann unter…“ Ich schluckte, so hatte ich davon noch nie jemanden reden gehört. Nicht mal wenn mein Vater von solchen Einsätzen bei der Polizei sprach.

Ich legte das Foto zurück zu den anderen. Dieses Mal hielt ich den Mund. Zu sehr drückte das Wissen auf mein Gemüht.

Ich blickte hinunter auf seine Narbe am Arm und bat vorsichtig: „Würdest du mir…Genauer erzählen was passiert ist? Bei dem Helikopterunfall?“ Jack runzelte die Stirn. Er sah hinunter in die Kiste und schien nach einem Bild zu suchen. Ich schaute ebenfalls hinunter. Doch wonach genau er suchte, blieb sein Geheimnis. Ebenso ob er es fand. Er schloss die Schachtel wieder und sah mir ins Gesicht. „Ich darf darüber eigentlich nicht reden“, begann er kurz angebunden. Er klang zögernd und hielt inne. Er schien wohl darüber nachzudenken ob er es mir erzählte oder nicht.

Gespannt wartete ich, dass er weiter sprach, doch als er es nicht tat sagte ich leise: „Wem soll ich das schon erzählen? Ich werde das auch sicher nicht ins Internet stellen…“ Jack seufzte schwer und strich sich über die Narbe, die sich fast um den ganzen Unterarm zog. Er schien sicher abzuwägen, wie weit er mir vertrauen konnte, was er bereit war preis zu geben. Vermutlich viel es ihm in diesen Moment genauso so schwer dies zu entscheiden, wie mir, ob ich ihm von meinen Befürchtungen schwul zu sein erzählen sollte.

„Die Große Narbe auf der Stirn und die am Unterarm stammen beide von dem Helicrasch… Der Auftrag lautete Geiseln zu befreien“, begann er und schien sehr bedacht zu sein, was und wie er es mir sagte. Wieder war ich überrascht wie bedacht und ruhig er als Soldat sprach. „Ein Junge und ein Mädchen. Beide nicht älter als 15. Keiner von beiden war in gutem Zustand.“ Eine Sekunde lang fragte ich mich was genau er damit meinte. Waren sie verletzt oder krank? Wurden die vielleicht sogar gefoltert? Wie kommen zwei Kinder, die jünger waren als ich überhaupt in Kriegsgefangenschaft? So viele Gedanken schossen mir in dieser einen Sekunde durch den Kopf. Doch ich kam nicht dazu auch nur eine einzige Frage zu stellen. „Das Mädchen war bewusstlos als ich sie fand“, sprach Jack weiter. Mir war klar, dass er an dieser Stelle einen gewaltigen Teil der Geschichte ausgelassen hatte. „ Kurz vor unserer Basis wurde uns klar, dass man uns hat entkommen lassen. In dem Mädchen war eine Bombe.“

Sagte er grade wirklich in dem Mädchen? Oder hatte ich mich einfach nur verhört. Und wie zum Teufel hatten sie das bemerkt? Jack schielte mit seinem Auge kurz zu mir herüber. Wollte er vielleicht abschätzen wie gut ich diese Geschichte verkrafte? Ich hatte fast das Gefühl sein Blick würde mich durchbohren. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen.

„Um uns nicht alle mitzunehmen sprang sie aus dem Heli“, redete er leise weiter und ich hörte die tiefe Betroffenheit. „ In dem Moment ging die Bombe hoch. Durch die Druckwelle hat unser Pilot die Kontrolle verloren und ...“ Er machte eine kurze Pause zum Nachdenken, oder um sich zu sammeln. Was die Pause tatsächlich war konnte ich nicht sagen. „ …wir sind abgestürzt. Ich erinnere mich nicht genau was passiert ist. Nur einzelne Bilder von Trümmerteilen, Feuer und meinen Kameraden. Ich weiß nicht was mich getroffen hat, noch weiß ich wie ich dort weggekommen bin. Das nächste an das ich mich wieder Erinnern kann ist das Krankenhaus in dem ich war. Ich war wohl schon auf der anderen Seite, aber sie haben mich zurückgeholt.“ Er schüttelte den Kopf, als versuche er so die Gedanken an diesem Vorfall von sich abzuschütteln.“ Mir stockte während Jacks Erzählung der Atmen. Ich hing wie gebannt an seinen Lippen. Es klang so mutig, so tapfer und vor allem Furchtlos.

Während der letzten Sätze war seine Stimme eisigkalt, ließ keine Regung erkennen. Vielleicht versuchte er das geschehene so nicht zu sehr an sich ran zu lassen. Ich schwieg und war immer noch gebannt von seiner Erzählung als auch von Jacks Reaktion.

„Was wurde…ich meine hast nur du überlebt“, fragte ich ihn fast flüsternd aus Angst ihn zu verletzten. Jack schaute mir ins Gesicht und schüttelte nach einem kurzen Moment den Kopf. „Nein noch ein paar Andere. Aber wir haben gute Männer verloren…“, und tatsächlich hörte ich tiefe Trauer in seiner sonst so neutralen Stimme.

Ich nickte ihn mitfühlend zu, es tat mir Leid für ihn. Vielleicht waren einige davon seine Freunde gewesen und nicht nur Kameraden.

Wir hingen Beide unseren Gedanken nach bevor ich unbedacht fragte: „Hast du deswegen die Medal of Honor.“ Auf Jacks zuvor noch regungsloses Gesicht bildete sich ein leichtes schmunzeln. „Ich wusste, dass du reingeschaut hast“, stellte er sehr ruhig fest, doch kein Ärger oder Wut lag in seinen fast gemurmelten Worten. Er schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, dafür bekommt man die nicht. Nicht für einen gescheiterten Einsatz…“

„Wofür“, begann ich, doch Jack unterbrach mich sofort: „Das werde ich dir nicht sagen Kleiner. Genug Geschichten für heute.“ Fast schon unzufrieden blickte ich ihn an und Jack lachte kurz auf. „Glaub mir. Die Geschichte ist nicht so toll oder Heldenhaft wie du vielleicht glaubst…“

„Bist du denn gar nicht stolz, dass du die hast“, fragte ich und war verwirrt. Jack schüttelte leicht den Kopf. „Nein, bin ich nicht…“, sagte er betroffen. Ich schaute ihn verwirrt an und strich mir durch die Haare. „Da waren doch viele Medaillen drinnen…Auf welche bist du denn Stolz“, fragte ich. Jack blickte hinunter auf die Schachtel mit den Fotos an und schien nachzudenken.

Er stutzte über meine Frage. „Hm…“, kam es nachdenklich von ihm, „gute Frage…hm… Ja auf eine.

Ein Einsatz in Afrika. Ein Dorf wurde von Rebellen besetzt. Die sollten natürlich zum Rückzug gezwungen werden. Die Sache war mir von Anfang an Suspekt. Also bin ich ohne meine Einheit in das Dorf hingeschlichen. Dort waren nur Kinder.“ Auf meinen entsetzten Blick hin fügte er hinzu, „Kindersoldaten. Ja es waren die besagten Rebellen und es waren auch gute Soldaten unter ihnen. Aber ich fand es nicht richtig“, fügte er hinzu und blickte ernst.

Doch als er fort fuhr klang in seiner Stimme sogar eine leichte Belustigung mit: „Sie wollten mich umbringen als sie mich entdeckten. Die kleinen Biester haben mich auch ganz gut getroffen.“ Er grinste mich kurz an. Ich verstand überhaupt nicht wieso er gerade grinste. Er hob den Saum seines Pullovers und deute auf eine weitere Narbe die schon ziemlich verblasst schien. Es war ein Streifschuss. „Jedenfalls konnte ich sie alle ausschalten, …Vielleicht nicht wirklich nett, aber besser als um die 20 Kinder zu erschießen… Obwohl sie mich versucht haben zu töten, habe ich alle am Leben gelassen. Dafür bekam ich eine Medaille, dass ich Gnade gegenüber dem Feind gezeigt habe. Ich hätte auch bestraft werden können, wegen Befehlsverweigerung...“

„Was wurde aus den Kindern“, fragte ich skeptisch. Jack zuckte leicht mit den Schultern als er antwortete: „Ich glaub eine Schutzorganisation wurde eingeschaltet…“

Ich nickte und grinste leicht. „Klingt wirklich spannend. Wie aus einem Film“, meinte ich. Jack zuckte mit den Schultern als würde es ihn nicht interessieren.

„Was hast du denn sonst noch alles für Orden“, fragte ich begierig.

„Weiß nicht alle… Ein Silver Star ist dabei.“ Wieder weiteten sich meine Augen, denn auch das war eine Tapferkeitsmedaille. „Und natürlich ein Purple Heart“, fügte er hinzu und deutete auf das fehlende Auge. Eine Auszeichnung für Verwundete Soldaten. Ich wollte weiter sprechen als ich neben an ein Auto in die Einfahrt fahren hörte. Ich schaute hinaus und sah meine Eltern und meine Schwester aus dem Auto steigen.

„Meine Eltern sind wieder da“, sagte ich fast schon enttäuscht klingend. „Die wollten doch erst Morgen kommen…“ Auch Jack kam zu mir blickte hinaus und sah meine Familie an. „Dann solltest du vielleicht gehen Jazz“, meinte er und blickte zu mir rüber. „Ja…“, meinte ich unzufrieden klingend, „kann ich noch mal rüber kommen?“

Jack nickte und klopfte mir fast schon freundschaftlich auf die Schulter während er zustimmte: „Klar. Klopf nur vorher an.“ Unzufrieden verließ ich das Haus und winkte Jack noch freundlich zu. Wäre es nach mir gegangen hätten wir uns noch lange Unterhalten können. So ging ich jedoch zügig hinüber zu mir nach Hause. Meine Mutter wirkte überrascht als ich hinter ihr auftauchte und meinte: „Hallo Schatz wo kommst du denn her?“

Ich nickte zu Jacks Haus während ich erklärte: „War bei unserem neuen Nachbarn. Der ist total in Ordnung.“

Meine Mutter schien darüber überrascht lächelte dann jedoch während sie meinte: „Es ist schön, dass du unsere neuen Nachbarn begrüßt!“ Ich grinste kurz und drücke sie lieb und auch Dad der sich gerade aus der Küche was zu trinken geholt hatte. Dann hörte ich eine weiche, für mich fast schon melodisch klingende Stimme die rief: „Oh, da ist ja mein kleiner Bruder!“ Ich sah hinter den breiten Schultern meines Vaters Jennys fröhliches Gesicht. Auch auf meinem Gesicht breitete sich ein strahlen aus. Ich ging zügig an meinen Vater vorbei und schloss sie in meine Arme.

Ein inneres Coming Out

Ein inneres Coming Out
 

Wir saßen noch lange abends zusammen in unserem Wohnzimmer. Meine anfängliche Unzufriedenheit, dass meine Familie einen Tag früher wieder kam war gänzlich verflogen als ich Jenny sah. Meine Eltern und sie zeigten mir Bilder die sie bei John gemacht haben. Das Baby war wirklich süß, dachte ich während sie es mir auf Bildern zeigten. Alle Neuigkeiten auf Houston wurden berichtete, die mich zum großen Teil gar nicht interessierten. Das mein Bruder eine neue Arbeitsstelle anfangen wollte und so weiter. Am meisten redete mein Vater, er bestimmte das Gespräch und so konnten Jenny und ich uns kaum unterhalten.

Meine Mutter wusste, wie sehr ich Jenny liebte und meinte zu meinen Dad, dass es für sie Zeit sei ins Bett zu gehen. Mutter wollte, dass wir Zeit zu zweit haben. Ich lächelte ihr dankend zu als sie das Wohnzimmer verließen, welches sie erwiderte und mir lieb zuzwinkerte. Sie verschwanden und ließen uns alleine zurück.

„Ich hab dich noch gar nicht persönlich zu deinem Collegeabschluss beglückwünscht“, meinte ich grinsend und sah ihr in die blauen Augen. Sie nickte mir fröhlich zu und sagte: „Ich hab schon einen Praktikumsplatz in einer guten Firma. Die wollen mich vermutlich übernehmen.“ Ich freute mich für sie und strahlte sie an.

„Und bei dir Jazz? Stimmt es was Mum sagte? Sie meinte, dass bald zu euren Spielen ein Taltenscout kommt?“

Ich nickt zufrieden und der stolz klang in meiner Stimme mit als ich erklärte: „Ja, wenn wir das nächste Spiel gewinnen kommt der wohl und schaut zu. Ich hoffe wirklich, dass man mir ein Stipendium anbietet. Wenn ich zu einem College mit guter Mannschaft komme….“ Ich ließ den Satz offen und träumte für einen Moment wirklich ein Profi zu werden.

Jenny schaute mir in die Augen und lächelte mich fast schon liebevoll an. „Du weißt ja Jazz, wenn du berühmt bist und Geld hast, wer dann immer an dich geglaubt hat.“ Sie zwinkerte mir zu. Ich lachte leise und versprach: „Ich kauf dir ein Haus am Strand wenn du willst.“ Lachend wuschelte sie mir durch die Haare, wobei ich mich fragte warum das so viele in letzter Zeit taten.

„Mein kleiner Bruder der zukünftige Baseball Profi… Ich drück dir die Daumen Jasper.“ Ich fühlte mich wohl bei ihr und nickte. Immer wenn sie uns besuchte merkte ich wie sehr sie mir hier fehlte. Ihre Wärme die sie ausstrahlte ließ das Haus freundlicher wirken, etwas was dieses Haus in der letzten Zeit gebrauchen konnte. „Wie lange bleibst du“, fragte ich sie und hoffte, dass sie nicht gleich in den nächsten Tagen verschwand.

„Eine Woche noch, dann will ich auch mal wieder nach Hause“, schaute sie mich fröhlich an, fügte dann jedoch ernster hinzu, „länger halt ich es mit DEM auch nicht aus.“ Ich wusste, sie meinte Dad und ich zuckte leicht mit den Schultern. Mir blieb nichts anderes übrig als hier zu bleiben…

Ich schaute an unsere Familienwand und auch Jenny folgte meinem Blick dorthin. Das Bild von meinem jüngsten Neffen hatte mein Vater bereits jetzt angebracht.

„Sag mal“, begann ich zögernd klingend, „wie geht es eigentlich Jackson?“ Jenny seufzte schwerer und ihr blick glitt zu mir während sie antwortete: „Soweit ganz okay. Er arbeitet auf einer Ranch…“ Ich nickte. Das wäre überhaupt nichts für mich, aber ich hoffte, dass mein Bruder zufrieden war, egal wo er gerade ist. „Ich weiß gar nicht wirklich, wie er jetzt aussieht“, sagte ich ihr und klang dabei ziemlich ernüchtert. „Irgendwie…vergisst man ihn tatsächlich häufiger.“ Ich fühlte mich schuldig, dass ich kaum noch an ihn gedacht hatte, dass unser Leben einfach so weiterhing als gehöre er nicht dazu. Jenny nickte leicht und sah mich verständnisvoll an. Sie nahm meine Hand und drückte sie sanft. „Mach dir keine Vorwürfe Jazz. Dad hätte es auch nicht zugelassen, dass ihr Kontakt habt. Und du warst so jung…als der Scheiß losging.“

„Hm…trotzdem. Hast du vielleicht mal ein Bild von ihm?“

Jenny nickte leicht und holte ihr Handy aus einer bunten Handtasche. Sie schien einige Ordner durchzugehen und reichte es mir dann. Ich erkannte ihn sofort, trotz der Zeit in der ich ihn nicht mehr gesehen hatte. Er war immer noch schmal. Die Gesichtszüge ähnelten unserer Mutter. Er hatte einige Falten bekommen. Seine Haut war nicht mehr blass, sondern schien eine gesündere Farbe zu haben als ich sie in Erinnerung hatte. Auch Unreinheiten waren verschwunden, jedoch Narben an den Stellen zu sehen, wo er zu viel gekratzt hatte. Seine Haare schien er immer noch schwarz gefärbt zu tragen. Im Hintergrund sah ich Rinder stehen. Auf dem Kopf trug er einen Cowboyhut der ihn vor der blendenden Sonne schützte.

„Ist er von den Drogen weg“, fragte ich Jenny und reichte ihr das Handy zurück.

„Soweit ich weiß… So viel Kontakt habe ich leider nicht zu ihm…Jacky meldet sich nicht viel. Aber ich denke schon. Letztens schrieb er mir auch fröhlich, aber das bleibt unter uns Jazz, dass er eine Freundin hat.“

Ich sah sie verwirrt an und fragte sie: „Wieso muss das denn unter uns bleiben?“

Jenny seufzte genervt blickte Richtung der Treppe die meine Eltern genommen hatten und begann frustriert zu erklären: „Sie heißt Amber. Sie ist schwarz.“

Ich verstand sofort. „Ist doch egal“, entgegnete ich, doch ich verstand was Jenny mir zu verstehen geben wollte. Dad würde es nicht einfach als „egal“ hinstellen. Er schaffte es schließlich kaum seine schwarzen Kollegen zu respektieren. Wie würde er da eine schwarze Schwiegertochter finden? „Für uns beide vielleicht, aber na ja“, beendete sie den Satz und schien, dass Thema nicht weiter vertiefen zu wollen. Sie sah sich genervt im Wohnzimmer um. Ja Jenny und Dad stritten häufiger über die Ansichten des Anderen. Als Jenny sich dann auch noch entschloss bei den Demokraten beizutreten war das für meinen Vater nur schwer nachzuvollziehen. Zudem hatte Jenny während ihrer Zeit am College viele schwarze Freunde gefunden, von denen ich einige kennen gelernt hatte, wenn ich sie besuchte.

„Dad will morgen grillen“, sagte Jenny nach einem kurzen Moment des Schweigens. Ich hatte mir bereits sowas gedacht und nickte leicht. „Cool Spareribs“, grinste ich zufrieden und freute mich schon auf das Essen morgen. „Darfst du die eigentlich essen, jetzt wo du als Ernährungsberaterin tätig bist“, zog ich Jenny grinsend auf. Sie sah mir in die Augen und schürzte die Lippen.

„Klar, aber für dich als Sportler…“, begann sie leise lachend doch beendete den Satz nicht. Später am Abend, es war weit nach Mitternacht gingen wir ins Bett. Doch bevor ich ins Bett stieg sah ich noch einmal hinaus.

Ich konnte durch Jacks Fenster das blaue Licht des Fernsehers sehen und fragte mich wirklich, ob er sich einsam fühlte. Wenn ich darüber nachdachte, während und nach dem Umzug habe ich keinen gesehen, der kam und ihn geholfen hatte. Auch danach schien er keinen Besuch empfangen zu haben. Ich dachte an seinen Mut und das Gespräch von gerade. Vergessen hatte ich dieses während ich mit Jenny sprach nicht, doch mein Geist hatte sich auf anderes konzentriert.

Seine Gesichte klang so unglaublich, wie aus einem schlechtes Actionfilm. Ich blickte an meinen Körper hinunter und eine Eiseskälte zog sich meinen Körper hinauf. Jetzt wo ich nicht mehr abgelenkt wurde war Jacks Geschichte wieder in meine Gedanken geschlichen und setzte sich dort fest. Wo könnte man eine Bombe reinsetzten, dachte ich angewiderte. Meine Hände glitten an meinem Körper hinab und ich schauderte. Hatte er wirklich gemeint, sie sei in den Körper des Mädchens gewesen? Wie konnte man das überhaupt rausbekommen? Und wie kam die Bombe da hin? Musste sie verschluckt werden? Wurde sie hinein operiert? Wie groß kann so etwas überhaupt sein? Ob sie die Bombe in sich gespürt hatte? Tausender solcher Gedanken schossen mir durch den Kopf. Doch daran wollte ich nicht genau denken. Wie es Jack damit ergehen muss? Ich ertrage den bloßen Gedanken daran schon kaum, doch er war dabei. Ob sein Verstand Schaden genommen hat? Oder wie hält er das aus? Deswegen war er wohl häufiger so still…

War er vielleicht sogar enttäuscht, dass die Ärzte sein Leben gerettet hatten? Würde er jetzt nach dem er hier war nicht mehr zur Army gehen?

Jetzt wo ich die Geschichten gehörten habe und es waren nur wenige, verstand ich immer weniger wieso so viele Amerikaner Krieg etwas Gutes abgewinnen können. Krieg scheint viel weniger ehrenvoll zu sein, wie ich immer dachte. Ich stand noch einmal auf und ging zu meinem Fenster. Wieder sah ich das Flackern des Fernsehers bei ihm. Ob ihn das Gespräch zu sehr aufgewühlt hatte? Habe ich Wunden aufgerissen ohne, dass ich es wollte und konnte er deswegen nicht schlafen? Ich mochte Jack. Ich wollte ihm weder etwas Böses noch wollte ich ihm wehtun. Schwer seufzten, unsicher ob ich es überhaupt noch mal ansprechen sollte oder nicht legte ich mich wieder hin. Die Gedanken an das was er sagte ließen mich schlecht schlafen.
 

Am nächsten Morgen übertraf sich meine Mutter mit dem Essen. Schon um neun saß die gesamte Familie am Frühstücktisch, denn das ganze Haus duftete nach Pfannkuchen. So quälte ich mich trotz der nicht erholsamen Nacht aus meinem Bett. Ich liebte die Pfannkuchen meiner Mutter. Tat mir ordentlich Ahornsirup drüber und reichte ihn gleich weiter an Dad. Es wurde nicht viel gesprochen. Alles genossen das Essen, was meine Mutter sichtlich freute. Als wir während des Essens einen Geländewagen hörten sahen meine Mutter und ich auf und blickten aus dem Fenster. Ich erkannte Jack der am Steuer saß. Wo er wohl hin wollte, fragte ich mich. Meine Mutter schürzte die Lippen. Sie blickte mich an: „Und den findest du wirklich nett Jazzy…“, fragte mich meine Mutter mit Unverständnis in der Stimme, „ich hab mich heute Morgen beim reinbringen der Zeitung erschrocken als ich sein Gesicht sah! Ich weiß nicht ob ich es gut finde, wenn du Zeit mit so einem verbringst.“

Bevor ich antworten konnte sagte die scharfe tiefe Stimmte meines Vaters: „Wieso was ist mit dem Typen? Stimmt da was nicht?“

Meine Mutter wandte sich augenblicklich zu ihm um und plapperte drauf los: „Der sieht schrecklich aus. Wirklich gruselig! Der trägt eine Augenklappe und der hat überall Narben. Dann raucht der auch noch Zigarre, das machen doch nur Kriminelle oder Zuhälter. Er hat sich nicht mal vorgestellt! Ist das zu fassen?“

Ich wollt gerade etwas darauf eingehen, doch Vater unterbrach mich erneut als ich den Mund aufmachte: „Das klingt ja echt nach einem Verbrecher, oder jemand der Dreck am Stecken hat. Hoffentlich keiner der gerade aus dem Knast entlassen wurde. Hat der Tattoos oder sowas?“

Wieder versuchte ich was zu sagen doch erneut ließ man mich nicht zu Wort kommen. Dieses mal was es nicht mein Vater, sondern meine Mutter: „Nein, wäre ja auch noch schöner! Aber der hat einen kleinen Hund. Ich hoffe damit will der keine Kinder anlocken…“

„Mum“, rief ich und schlug tatsächlich mit der Hand auf den Tisch. Meine Eltern und Jenny blickten mich erschrocken an. „Sowas unterstellt man keinem! Ich hab ihn kennen gelernt. Er ist wirklich in Ordnung…“ Jemand der so viel gegeben hatte brauchte sich nicht so beleidigen zu lassen! Nicht von Personen die keine Ahnung haben. Auch wenn meine Eltern es vielleicht nie herausfinden würden was hinter Jacks Äußerem alles steckte.

Mein Vater blickte mich ernst an, doch dann nickte er, verstehend sogar. „Du hast recht Jasper. Ich werde ihn mal begrüßen und mich vorstellen. Dann werde ich ja sehen, was das für ein Mensch ist. Außerdem kann ich den ja mal durch unseren Computer bei der Arbeit jagen. Wenn der nicht kriminell ist sollte ich ja nicht finden.“ Ich sah meinen Vater mit einer Mischung aus entsetzten und Belustigung an, während ich mir versuchte vorzustellen wie er sich Jack vorstellte. Egal was ich sagen würde, er würde sich sowieso nicht aufhalten lassen… Also nickte ich leicht und aß lieber den Pfannkuchen auf, welcher nun gar nicht mehr so gut schmeckte. Jenny verdrehte genervt die Augen und ich konnte sie verstehen.
 

Nach dem Frühstück fragte ich Jenny, ob sie mit mir etwas Radfahren würde. Auch sie schien froh das Haus verlassen zu können und so setzten wir uns auf die Räder. Jacks Auto war immer noch nicht wieder da. Ich hoffte, dass er besser geschlafen hatte als ich die Nacht über. Ich wollte ihn gerne irgendwie kurz sprechen, doch leider kam er auch im Laufe des Vormittages nicht nach Hause. Also stieg ich auf mein Rad und Jenny bekam das Fahrrad von unserer Mutter. Ich forderte sie auf, immer wieder kleine Rennen zu fahren. Ich drängte sich dazu schneller und mehr zu fahren. Und so waren wir einige Meilen unterwegs.

Während der Fahrt flogen Gedanken und Situationen an mir vorbei wie die vorbeiziehende Landschaft. Der Kuss von Tobey. Die Treffen mit Jack. Seine Geschichten. Sein Mut. Der Gedanke ob ich schwul war oder nicht schwirrte durch meinen Kopf. Doch die Panik die damit eigentlich immer verbunden war, verschwand.

Es war mein Leben. Ja ich würde auf Wiederstand stoßen, doch gerade schien dieser Wiederstand nicht so unüberwindbar wie ich mir sonst immer dachte. Langsam aber sicher klärten sich meine Gedanken, meine Gefühle. Ich hatte das Gefühl meine Gedanken kamen ins Reine, während ich in die Pedale trat.

Wir machten eine Pause und Jenny war ziemlich ins Schwitzen gekommen. „Alles klar“, fragte ich sie und runzelte leicht die Stirn. „Mach mal langsamer“, beschwerte sie sich und atmete durch. Ich reichte ihr mein Wasser und sie trank es gierig.

Einige Male musste ich noch auf Jenny warten und als wir nach mehreren Stunden Zuhause ankamen sah sie mich erschöpft und zornfunkelnd an. Ihr blick wurde etwas wütend und sie zischte mir zu: „Ich fahr nie wieder mit dir!“ Sie ging ins Haus und ließ mich mit beiden Rädern stehen.

Ich grinste und stellte sie in die Garage. Danach ging ich zu meinem Vater in den Garten. Das Feuer brannte schon und ich sah in die lodernden Flammen. „Wie war es“, fragte mich mein Vater und betrachtete mich kurz.

„Gut. Jenny war es zu anstrengend.“

„Wirklich? Na ja ihr wart schon lange weg…“

„Kann sein, jetzt ist sie zickig.“

„Frauen“, grinste mich Dad kurz an, „das wirst du alles noch kennen lernen Jazz.“ Ich grinste zurück und merkte, sie hölzern es sich anfühlte.

Er ließ mich beim Feuer stehen und holte sich ein Bier. Ich schaute ihm nach und runzelte die Stirn. Ich muss endlich mich jemanden sprechen. Ich blickte hinüber zu Jacks Haus, doch die Türen waren verschlossen, es war immer noch verweist. Ich blickte zu dem Blumenbeet, das er vor wenigen Tagen gepflanzt hatte und immer noch fragte ich mich, was es damit auf sich hat. Nachdem Vater wieder kam, ging ich hinein und duschte mir den Schweiß vom Körper. Meine Muskeln entspannten sich unter dem warmen Strahl des Wassers. Danach betrachtete ich mich eingehend im Spiegel. Mein Gesicht, meine Haare und meinen Oberkörper. Ich dachte an die letzten Tage und Wochen. Erneut schlichen sich die Fragen, des Schwul seins, in mein Gedächtnis, doch auch dieses Mal bleib die Sorge aus. Endlich fällte ich den Entschluss. Ich werde mit Jack reden, jetzt wo ich selbst beruhigter an die Sache heranging.

Er würde nicht lachen und er würde zuhören. Vielleicht hatte er auch Verständnis für meine Sorge. In diesem Moment war ich bereit endlich mit jemanden zu sprechen und ich wollte es mit ihm tun. Tatsächlich stahl sich in diesem Moment ein zufriedenes Lächeln auf mein Gesicht. Ich schaffte es mir selbst in die braunen Augen zu blicken während ich leise sprach: „Ich bin schwul und daran ist nichts schlimm.“ Würde ich mich deswegen ändern? Nein… Ich würde weiterhin Baseball lieben, würde weiterhin gerne jeden Scheiß ausprobieren. Ich würde weiterhin ich sein, obwohl nein! Ich würde zufriedener sein, dabei war ich mir sicher. Ich hörte einen lauten Motor der abgeschaltet wurde und als ich aus dem Badezimmerfenster lugte sah ich Jack mit Didi zum Haus gehen. Ein Lächeln schlich sich auf meine Züge als ich die Beiden sah. Jetzt brauchte ich nur den Richtigen Augenblick. Wieso diese Entscheidung jetzt fiel wusste ich nicht. Es war mir auch egal. Vielleicht tat die Ablenkung gut um mich selbst runter zu fahren, aber endlich hatte ich das Gefühl wieder ich zu sein.

Offenbarung

Hallo liebe Leser,
 

ich weiß nicht wie viele es tatsächlich sind die meine Geschichte regelmäßig verfolgen, aber denjenigen möchte ich mitteilen, dass ich vermutlich nicht mehr dazu komme jeden Tag ein Kapitel online zu stellen. Tut mir wirklich leid!

Ich fang diese Woche nämlich meinen neuen Job an, worauf ich mich so sehr freue! Trotzdem werde ich weiterhin regelmäßig neue Kapitel hochstellen. Einige sind auch schon fast fertig^^
 

Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und sollte euch was auffallen, nicht gefallen, oder vielleicht auch gefallen könnt ihr weiterhin gerne schreiben.

Liebe Grüße!
 

Kapitel Offenbarung
 

Später am Nachmittag als das Feuer nur noch eine heiße Glut hinterlassen hatte packte mein Vater die Spareribs und anderes Fleisch auf den Grill. Schon nach kurzer Zeit roch man das gar werdende Fleisch im gesamten Garten. Ich half meiner Mutter beim Tischdecken als ich meinen Vater plötzlich laut meckern hörte: „Das ist nicht deine Wust du verdammter Straßenköter!“ Über den Tisch hinweg schauten meine Mutter und ich uns erschrocken an.

Ich schaltete sofort, Didi! Weder Jack noch ich hatten wirklich das Loch gesucht. Der Geruch muss für den Welpen zu verlockend sein. Ich ließ die Gabeln und Messer klirrend auf den Tisch fallen und ging schnell hinaus in unseren Garten. Ich sah den kleinen grauen Welpen sofort. Er hatte den Schwanz eingezogen und kauerte sich erschrocken zusammen. Neben ihn lag eine Wurst die wohl vom Grill gefallen war. Ein Stück fehlte. Als Dad sich vor ihm aufrichtete und ihn anschrie winselte Didi und wich zurück. „Du hast hier gar nichts zu suchen! Wo kommt der verdammte Straßenköter her! Junge hol die Pistole!“ Er blickte mich auffordernd an doch ich rührte mich nicht. Didi kläffte ängstlich und nach einem kurzen Moment später schien er flüchten zu wollen. Er rannte zur Hecke fand jedoch das Loch nicht. Er schien nicht zu wissen wohin. Dad folgte ihn wütend er schien sogar nach ihm treten zu wollen.

„Didi“, rief ich den Hund erschrocken zu und rannte ihm entgegen. Als er meine vertraute Stimmte hörte flitzte er zu mir. Didi jaulte mich ängstlich an und sprang an meinem Bein hinauf. Ich bückte mich schnell und nahm das nervöse Bündel auf den Arm. Ich streichelte den kleinen Welpen beruhigend über den Kopf und kraulte ihn hinterm Ohr.

Noch bevor ich etwas sagen konnte hörte ich Jacks tiefe Stimme lauter und strenger, als sonst sagen: „Was ist hier los?“ Er stand am Zaun und ein schlichtes braunes T-Shirt spannte sich über seine breite Brust. Sein Blick glitt zu meinem Vater der wutentbrannt im Garten stand. Zu der angefressenen Wurst, die neben den Grill lag und blieb Schlussendlich an mir und Didi hängen. Der Hund drückte sein Köpfchen an mich und war immer noch am Zittern. Ich redete beruhigend auf ihn ein während ich langsam zum Zaun ging.

Mein Vater blickte Jack an und schien von seinem Aussehen einem Moment wie versteinert. Sein Blick wanderte von den Narbe zu seiner Stirn zu der Augenklappte die er trug. Dann besann er sich und meckerte wutschnaufend: „Der Köter ist auf mein Grundstück geschlichen und hat die Wurst gefressen!“

Jack sah meinen Vater eiskalt an. So hatte ich ihn noch nie gesehen. „Das ist kein Straßenköter“, meinte mit eisiger Stimmte. Eine Stimme wie sie auch von einem Mörder hätte stammen können, „und wenn du die Wurst fallen lässt ist, dann ist das dein Problem.“

Vater schien für einen kurzen Moment zu stocken unter Jacks eisigen Blick. Auch mir jagte der Ausdruck einen Schauer über den Rücken. So stellte ich mir vor sah er gegnerischen Soldaten an eher abdrückte. Doch dann schaute Dad ebenfalls wütend eher er begann weiter laut zu meckern: „Wenn der auf mein Grundstück kommt darf ich ihn erschießen, dass ist dir bewusst oder?“

Jack blickte meinem Vater direkt in die Augen und sagte deutlich immer noch mit Eiseskälte in der Stimmte: „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.“ Ich schluckte bei den Worten und sah Didi an der sich beruhigt hatte. Langsam ging ich zum Zaun und hoffte, mein Vater würde den Mund halten. Aber das tat er nicht. „Willst du mir etwa drohen“, zischte er wütend und schien mich nicht zu beachten. „Du drohst mir doch auch, damit meinen Hund zu erschießen“, war Jacks erstaunlich ruhige aber immer noch eisige Antwort.

Ich reichte ihm den Hund. Er nahm mir Didi aus der Hand und nickte mir dankend zu. Ich versuchte zu lächeln doch es gelang nicht. Didi fiepte Jack zu und schien froh, dass er wieder bei seinem Herrchen war.

„Du weißt noch nicht wer ich bin“, begann mein Vater aufgeregt zu sagen. Ich seufzte schwer auf. „Ich bin Officer…“ Doch Jack unterbrach ihn: „Ich weiß genau wer Sie sind Officer John Hale. Ich mache mich schlau in welche Nachbarschaft ich ziehe.“ Und mit diesen Worten ging er mit Didi ins Haus und schloss die Tür hinter sich.

Ich blieb stumm. Sah zu meinem Vater. Ich wusste es war besser nichts zu sagen. Ich schluckte als ich sein Gesicht sah. Er schaute mich wutverzerrt an, als habe ich ihn gerade provoziert. Ich wollte weg von ihm, ging ich schnell wieder durch den Garten hinein ins Haus. Ich sah meine Mutter an der Gartentür stehen. Unsere Blicke trafen sich. Wir wussten beide, dass es nicht gut war, meinen Vater so zu verärgern vor allem nicht zur Zeit.

Jenny die das ganze aus dem Wohnzimmer beobachtete hatte seufzte genervt als ich reinkam und schüttelte nur den Kopf. Ich hörte sie murmelnd sagend aus dem Wohnzimmer gehen, „selbst eine Woche hier ist zu viel.“

Das Essen verlief eher schweigsam. Zwar schmeckte es gut, doch meine Gedanken waren woanders. Ich nagte an den Rippchen das letzte Fleisch ab. Meine Mutter und Jenny unterhielten sich gerade über ein Kleid, welches sie im Internet gesehen hatten. Als Vaters tiefe Stimme über den Tisch zu mir herüber wehte verstummte das leise Gespräch der beiden Frauen. „Was weißt du über diesen Typen, Bursche?“

Ich sah auf und alle Blicke waren auf mich gerichtet. Langsam fast bedächtig schluckte ich den letzten Rest hinunter. Ich räusperte mich kurz und dachte nach was ich darauf antworten sollte. Dad schaute mich auffordernd an. Zögernd begann ich zu sprechen: „Nicht… nicht viel. Er kommt aus Arlington, Virginia und hat wohl mal beim Militär gedient…Und er hat bei Ikea eingekauft…“ Mein Vater schnaubte. „Sicher so einer, der nicht klar kommt mit dem was er gesehen hat! So ein traumatisierter. Hoffentlich kein Irrer…Sonst noch was?“

Ich schüttelte langsam den Kopf und sah auf meinen Teller hinunter. „Nein“, sagte ich und hoffte, das Dad mich in Ruhe ließ. „So jemand kann gefährlich sein! Wenn die Waffen haben… jeder von uns sollte seine Waffe bereit haben, damit wir ihm im schlimmsten Fall aufhalten können…“, während Dad sprach schweiften meine Gedanken ab. Es tat mir leid, was geschehen war. Ich hatte das Gefühl ich müsse mich bei Jack für das Verhalten entschuldigen. Mir war das alles ziemlich unangenehm. Wieder einmal fragte ich mich, wie groß die Angst vor meinem Vater sei. In letzter Zeit wurde es immer schlimmer. Er hatte häufiger Wutanfälle, ohne ersichtlichen Grund. Ich beobachtete ihn kurz und blickte wieder auf meinen Teller. Schon einige Male fragte ich mich ob er meine Mutter schlug. In den letzten Monaten war mein Vater häufiger sehr schlecht drauf. Er musste viele Überstunden machen was ihm zu schaffen machte. Sehr häufig stritt er sich mit ihr. Ich vermutete, dass er es tat, wusste es jedoch nicht. Häufig versuchte ich lange außer Haus zu bleiben, zumeist auf dem Baseballplatz. Heute schien ein falsches Wort zu reichen und Vater würde hoch gehen wie eine Bombe… Ich weiß nicht was ich tun würde, wenn ich ihn dabei erwischte, wenn er meine Mutter wirklich schlug.

Plötzlich spürte ich einen Schmerz in meinem Schienbein und unterdrückte ein schmerzvolles aufstöhnen. Ich sah hinüber zu Jenny die leicht zu Vater nickte. Ich sah ihm in die Augen die mich etwas wütend anfunkelten. „Hörst du mir nicht zu?“

„Tut mir leid, war gerade in Gedanken…“, meinte ich und versuchte ihn freundlich anzulächeln, „was war denn?“

„Ob du weißt wie der Typ heißt“, genervt seufzte er auf und trommelte mit seinen Fingern auf den Tisch.

„Jack“, antwortete ich schnell, „Also eigentlich John, aber er will Jack genannt werden.“ Ich sah zu Jenny hinüber die genervt die Augen verdrehte als ich den Namen nannte. Auf meinem Teller schauend musste ich ebenfalls kurz schmunzeln. „Ich kenne aber seinen Nachnamen nicht“, stellte ich selbst dann fest und Dad schnaufte. Warum verstand ich nicht. Da es mich nicht interessierte fragte ich auch nicht nach.

Ich nahm mein Glas in die Hand und trank es in einem Zug leer bevor ich fragte: „Würde es wen stören, wenn ich mich auf den Weg zu Eric mache?“ Mein Vater wollte gerade erbost etwas sagen als meine Mutter schnell antwortete: „Nein Schatz geh ruhig. Bestell seinen Eltern schöne Grüße. Jenny will sich heute Abend auch noch mit Freunden treffen…“

Ich schaute jedem kurz ins Gesicht. Dann stand schnell auf wusch mir die fettigen Finger und verschwand aus dem Haus.
 

Ich mochte diese Stimmung nicht. Es war kälte am Tisch die eine beklemmende Enge in meine Brust schnürte. Ich raufte mir die Haare und dachte einen Moment wirklich daran zu Eric zu gehen. Doch als ich an Jacks Tür vorbei ging schaute ich sie nur wenige Augenblicke an eher ich einfach auf sie zuging und gleich klopfte. Unsicher schaute ich mich um, doch meine Familie könnte mich nur sehen, wenn sie selbst gerade aus der Haustür kämen.

Die Tür wurde geöffnet und Jack schaute mich überrascht an. Er trat beiseite während er sprach: „Du darfst rüberkommen?“

„Ich hab nicht gefragt“, sagte ich und trat schnell ein. Didi lief fröhlich auf mich zu und schnupperte an meiner Hose. Die Geschehnisse von heute Nachmittag schienen ihn nicht beeinflusst zu haben. Ich sah auf den kleinen gut gelaunten Welpen hinunter und blickte Jack entschuldigend an. „Es tut mir leid was passiert ist“, begann ich doch Jack unterbrach mich schnell: „Du musst dich nicht entschuldigen. Das war nicht deine Schuld.“ Seine Stimme bekam einen freundlichen fast schon sanften Ton und er lächelte mich tatsächlich kurz an.

„Ich will es trotzdem…Mein Vater ist eben…“, ich dachte über das richtige Wort nach als Jack meinen Satz beendete in dem er sagte, mein Dad sei ein Arschloch. Ich nickte leicht nachdenklich. Wie ich es drehte und wendete, es ließ sich nicht abstreiten.

Ob ich nur deswegen hier sei, fragte mich Jack eher er den Fernseher ausschaltete. „Nein, nicht nur“ sagte ich und blickte ihm in das blaue Auge. „Ich kann es endlich sagen“, meinte ich nach einem kurzen Moment und musste leicht grinsen. Jack setzte sich langsam auf seinen roten Sessel während ich mich auf der Couch nieder ließ. „Was sagen“, meinte er und klang verwirrt.

Ich atmete noch einmal durch und sagte dann: „Das ich schwul bin.“

Jack zog verstehend die Augenbrauen hoch und meinte trocken: „Das weiß ich, aber schön wenn du es jetzt sagen kannst.“ Ich nickte, mir war klar, dass er es geahnt hatte, vermutlich auch gewusst. Jack betrachtete mich. Es war kein unangenehmes schweigen was den Raum erfüllte. Ich hatte das Gefühl, dass er mir die Führung des Gespräches gab.

„Das ist nicht so einfach. Also…sich das einzugestehen“, begann ich nach einer Weile in der ich auf meine Turnschuhe sah.

Jetzt wurde ich doch nervös, denn hier ging es um Ängste die ich hatte. Etwas sehr persönliches. Etwas das einen angreifbar und schwach werden lässt, doch Jack hatte mir auch schon einen Einblick in seine Gefühlswelt gegeben. Ich atmete tief durch eher ich weitersprach: „Ich hab…irgendwie Angst. Ich hab Angst, dass sich was ändert.“

„Natürlich wird sich einiges ändern“, meinte Jack ehrlich, doch eine Sanftheit war in seiner Stimme zu hören trotz der ehrlichen, direkten Worte, „du wirst Freunde verlieren. Aber du wirst auch herausfinden wem du 100% vertrauen kannst.“ Die Worte die er wählte waren hart und trafen mich wie ein Stich. Ich hatte mich sanfteren Tönen gerechnet.

„Aber ich mag mein Leben wie es ist“, sagte ich und klang fast schon verzweifelt. Ich war zwar froh über die Ehrlichkeit aber sie tat so verdammt weh.

Ich spürte Jacks Blick auf mir ruhen. Er schwieg einen Moment und als ich zu ihm blickte begann er zu sprechen. „Du musst dein Leben doch auch nicht ändern… Jasper keiner zwingt dich, dass jemanden zu sagen. Das ist doch allein deine Entscheidung.“

Ich dachte an Tobey, der sofort wollte, dass ich mich oute und erklärte Jack: „In meiner Klasse ist einer Schwul… Und alles begann als er mich nach dem Unterricht einfach küsste. Es hat mir besser gefallen als ich dachte. Ich hatte mit ihm darüber gesprochen, fühlte mich von ihm bedrängt. Er meinte ich soll es einfach heraus posaunen. Am besten wohl vor der ganzen Schule.“ Jacks Brauen die sich bei dem Worten Schule, Klasse und Unterricht hochzogen bemerkte ich nicht.

Er schien kurz zu zögern bevor er mir versicherte: „Jazz, niemand, wirklich niemand kann dich dazu zwingen. Wenn der Typ in deiner Klasse das so macht, dann ist das seine Sache. Du musst mit dir klar kommen.“

Langsam blickte ich auch in sein Gesicht. Dieser Mann, der vor wenigen Stunden so eiskalt, fast mörderisch klang, sprach jetzt mit einer Sanftheit die mich verblüffte. „Sieh mal Jazz…du hast es mir gesagt, das bedeutet ja nicht, dass du es in der Schule jedem sagen sollst. Irgendwann erzählst du es noch jemanden und irgendwann wissen es dann alle…Und wenn du über diesen Zeitraum jemanden verlierst fällt es kaum auf.“ Ja.. dachte ich so konnte es funktionieren.

Ich nickte leicht, war erleichtert. Ich war froh in Jack einen Freund gefunden zu haben der mir gerade beistand, der nicht lachte oder meine Sorgen herunterspielte.

„Mein Vater…Mein Vater wird das sicher nicht akzeptieren… Ich weiß nicht was er tun würde aber…ich will es nicht rausfinden.“ Das Ende des Satzes war leise, fast flüsternd gesagt doch Jack hatte alles gehört.

„Kannst du denn dein Leben lang eine Lüge leben, ohne dich deswegen irgendwann umzubringen, nur um andere glücklich zu machen?“

Ich schüttelte verneinend den Kopf. Natürlich wollte ich sowas nicht machen, aber auch nicht immer so Leben.

Jack betrachtete mein Gesicht und auf einmal spürte ich seine Finger unter meinem Kinn die es leicht anhoben. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, bei dieser sanften Geste. Jack blickte mir in die Augen und ein fast schon liebevolles Lächeln schwang in seinem Mundwinkel mit. „Schau nicht immer auf den Boden“, begann er ruhig auf mich einzureden, „Daran ist nichts schlimm. Schwul zu sein ist nichts wofür du dich schämen musst.“

Ein Klos bildete sich in meinen Hals und ich musste schlucken. Das ich bei diesem Thema immer auswich oder auf den Boden schaute wurde mir erst jetzt bewusst. Jack schaffte es, dass ich mich in diesem Moment sicher bei hm fühlte. Ein Gefühl was ich gerade brauchte, wie ich erstaunt feststelle. „Ich…“, begann ich zögernd und langsam nahm Jack seine Hand von meinem Kinn. „Ich habe einmal versucht jemanden anzusprechen… Der hat mir gleich gedroht mich zu erschießen…“ Ich wollte lachen darüber, doch selbst ich hörte, dass dieses Lachen falsch und aufgesetzt war.

Verächtlich schnaufte Jack: „Was für ein Idiot. Du musst lernen da rüber zu stehen. Du kannst doch Karate, dann hau ihnen auf die Fresse wenn dir jemand doof kommt…“ Ich grinste leicht. Wollte meinen Kopf erneut senken, doch wieder legte Jack seine Hand unter mein Kinn. Ich blickte ihm fast schon erschrocken ins Gesicht und er schüttelte nur leicht den Kopf. Er wollte nicht, dass ich auf den Boden sah…

„Ich hab keine Ahnung was…ich meine der Typ in der Schule, der meinte, dass er auf mich steht, ist so…er ist nicht mein Typ…Was ist wenn nur solche Typen auf mich stehen?“ Vielleicht ist diese Frage irgendwann albern oder unverständlich für mich, doch gerade war sie es nicht.

Jack nahm erneut seine Hand von meinem Kinn und musterte mich eingehend, er schien jede der Fragen und Sorgen ernst zu meinen egal wie albern sie für außenstehende erschienen. „Wie ist denn der Junge aus deiner Klasse“, fragte er ruhig und lehnte sich in seinen Sessel zurück.

„Klein, zierlich. Eigentlich okay, aber sehr extrovertiert. Recht schmal einfach und… ich weiß nicht ob ihm das Bewusst ist, aber er bindet jeden schnell auf, dass er schwul ist. Er meint, nur Schwule kämen mit Schwulen zu Recht…“

In Jacks Augen trat ein amüsierter Ausdruck eher er nachfragte: „Wirklich, dass meint er? Wie albern. Was hättest du denn gerne für einen Kerl?“

Ich dachte kurz nach, denn sofort schoss mir durch den Kopf: Dich! Ich atmete tief durch um Zeit zu haben die richtigen Worte zu finden, eher ich zögernd begann zu erklären: „Also… ich finde es ansehnlich wenn Männer trainiert sind. Wenn sie aussehen halt…wie Männer und nicht wie Jungs. Ich finde Gesichter ohne Ecken und Kanten irgendwie langweilig anzuschauen.“ Ich zögerte kurz, eigentlich bin ich keine schüchterne Person. Ich blickte Jack direkt in das blau seines Auges als ich weiterfuhr: „Eigentlich bist du mein Typ…“

Jack zog die Augenbrauen nach oben und erneut glitt sein Blick an mir herab und ein leichtes grinsen zierte seine Lippen. Ich schaute erneut zu Boden und hätte mich Ohrfeigen können dafür, dass ich das tat.

Ich strich mir durch meine dunkel braunen Haare und seufzte frustriert. „Du muss glauben ich sei total schüchtern oder“, fragte ich ihn und war selbst genervt von mir. Ich blickte Jack wieder ins Gesicht. Er schien kurz nachzudenken eher er langsam Kopfschüttelnd meinte: „Nein. Ich glaube, dass dich das Thema nervös macht und dich überfordert. Glaub mir Jazz, wenn du willst kriegst du auch Typen die du willst. Du siehst gut aus, bist nett ab und zu auch witzig. Du bist charismatisch genug um zu kriegen was du willst. Auch wenn es nicht beim ersten Mal funktioniert hat.“ Als ich immer noch etwas skeptisch schaute fügte Jack hinzu, „brauchst du unbedingt ein Erfolgserlebnis?“ Ich dachte über die Frage nach. Worauf will er hinaus, schoss es mir durch den Kopf. Zögerlich nickend antwortete ich: „Ich war schon immer ein Erfolgsmensch.“

„Dann nimm dir am Wochenende nichts vor“, meinte Jack leicht schmunzelnd. Ich nickte zögernd. Was hat er vor, dachte ich. Als ich ihn fragte ob er es mir verraten würde verneinte er nur.

„Schule also“, sagte Jack nachdem wir einige Augenblicke geschwiegen hatten. Ich stutzte. Hatte ich mich doch verraten ohne es gemerkt zu haben. Frech sah ich ihm in die Augen. „Ich hab nie gelogen oder so. Dein Problem wenn du nicht genauer nachfragst.“ Jack lachte als ich das sagte auf.

„Wie alt bist du“, fragte mich Jack und blickte mir trocken ins Gesicht.

Ich seufzte, jetzt wusste er es eh also antwortete ich wahrheitsgemäß. „Ich bin siebzehn.“ Sein blick glitt über mein Gesicht, meinen Körper und mir wurde warm im Gesicht. Er nickte leicht anerkennend. Doch dann sah ich in seinem Gesicht einen frechen Ausdruck, etwas was ich vorher noch nie registriert hatte. „Du armer Kerl. Wie siehst du erst mit 30 aus…“ Ich verdrehte die Augen. Ja, dachte ich, jetzt beginnt das wieder.

„Ich hoffte wie so alt wie ich dann auch bin, ich kann ja nicht immer älter aussehen.“ Jack grinste und ich meinte scherzend zu ihm: „Wir beginnen einfach zur selben Zeit mit Anti-Aging. Vielleicht kriegen wir ja dann irgendwo Gruppenrabatte.“ Jack lachte kurz auf und schüttelte den Kopf als ihn leise vor sich hinmurmeln hörte: „Siebzehn, meine Güte…“

Gute und schlechte Tage

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Gute und schlechte Tage
 

Als ich später am Abend nach Hause ging fühlte ich mich besser. Jetzt wo ich mich jemanden anvertraut hatte war meine Situation besser, verständlicher. In zwei Tagen war Wochenende dachte ich fast schon euphorisch. Am liebsten hätte ich heute schon gewusst was Jack vorhatte. Auch fragte ich mich, wie interessant er mich fand. Ich hatte während unseres letzten Gesprächs einen merkwürdigen Ausdruck in Jacks bemerkt.

Ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen was es war, dass ich dort in ihm gesehen hatte.

Natürlich merkte ich, dass er mich eingehend betrachtete und musterte. Doch wie genau sollte ich diese Blicke deuten? Fand er es nur süß, dass ich ihm sagte ich finde ihn interessant? Könnte er vielleicht auch Interesse an mir haben? Es machte mich nervös und die Gedanken lösten ein Kribbeln in mir aus. Ich fühlte mich gut, doch als ich das Haus betrat war es still im inneren. Zu still. Unten war niemand, als ich mich umschaute. Vorsichtig ging ich die Treppe hinauf und hörte Geräusche im Bad. Unsicher klopfte ich an die Tür.

„Mum?...Dad?“ Doch keine Antwort. Erneut klopfte ich und hörte dann schnelle Schritte sich der Tür nähern. Ich blickte in das fast schon erschrockene Gesicht meiner Mutter. Ihre Augen waren rot und ich konnte Tränen in ihnen erkennen, welche sie versuchte zurückzuhalten. Ihre Wange war gerötet. Er hatte es tatsächlich getan, er hatte sie wirklich geschlagen… Ihre gerötete Wange war der sichtbare Beweis. Ich konnte sie nur anstarren. Eine Mischung aus Wut und Verzweiflung breitete sich in mir aus. Ich war nicht da um sie zu beschützen. Ich habe das Haus verlassen.

Auch wenn ich ihr Sohn bin, bin ich doch stärker wie sie. Könnte mich meinem Vater eher in den Weg stellen. Sie war im Grunde genommen eine so zerbrechliche, zarte Person, dass ich nicht verstand wieso mein Vater ihr so etwas antut.

„Was machst du denn schon hier Jazzy“, fragte Mum überrascht und räusperte sich, „ich dachte du kommst erst in einer Stunde oder so…“

Sie legte ihre schmale Hand auf die gerötete Wange, um sie vor mir zu verbergen. Sie wollte wohl nicht, dass ich sie so sah. Ich schüttelte leicht den Kopf. Meine Kehle war trocken und zugeschnürt. Ich konnte nicht sprechen. Ich hätte da sein sollen. Das war mein einziger klarer Gedanke.

Ich war größer wie meine Mutter und als ich sie umarmte legten sich meine Arme schützend um ihren Körper. Ihr zierlicher Körper verschwand fast in meinen Armen. Ich bettete ihren Kopf auf meiner Brust. Ich hielt sie einfach und streichelte ihr über den Rücken. Dabei spürte ich wie sie begann zu zittern. „Shh...“ hauchte ich um sie zu beruhigen. Vorsichtig drücke ich sie enger an mich. Es ist schwierig Erwachsen zu sein. Das dachte ich immer in solchen Momenten. Mum war nach heftigen Auseinandersetzungen mit meinem Vater schon öfter so aufgelöst, doch niemals war sie geschlagen worden, glaube ich. Ich würde niemals so werden habe ich mir geschworen. Niemals würde ich zulasse, dass jemand meinetwegen so leidet.

Leiden…

Ist das überhaupt das richtige Wort? Nur weil es grade schlecht läuft?

Ich registrierte ihr zittern und brauchte auch nicht runterschauen um zu wissen, dass sie weinte. Ich wog sie, leicht wie ein Kind. Erst nach einigen Augenblicken begann sie sich wieder zu fangen und erklärte: „Er ist nur schlecht drauf zur….Zurzeit. Viel Stress… muss häufiger Überstunden machen…weißt du. Das…das war heute auch das erst mal…“ Ich nickte leicht, wusste immer noch nichts zu sagen und so strich ich meiner Mutter weiter beruhigend über den Rücken.

„Das wird wieder. Irgendwann können sie ihm ja nicht noch mehr Arbeit auferlegen…“, brabbelte sie vor sich hin. Ich seufzte während ich sie langsam los ließ. Ich sah ihr in die blauen verweinten Augen und ein Schmerz durchzog meinen Körper. Ich hasste es, sie weinen zu sehen. Ich strich ihr die Tränen weg die ihre Wange benetzten. Auch in meinen Augen brannten Tränen, aber ich hielt sie zurück. Ich durfte jetzt nicht schwach sein und so schluckte ich die Wut, die in diesem Moment hatte hinunter.

„Mum…das…das musst du nicht mir dir machen lassen“, sagte ich leise zu ihr. Doch sie schüttelte den Kopf. „Ich liebe deinen Vater und er hat doch auch so tolle Seiten, dass weißt du doch Schatz. Das war wirklich erst heute…so schlimm…der Stress in letzter Zeit“ Ich nickte mechanisch. Ja gute Seiten hatte er, zeigen tat er sie selten „Wo ist er“, fragte ich und sah mich um, als ob ich befürchtete Dad würde hinter mir stehen.

„Ist vor einer halben Stunde gegangen. Ich hab gesagt, dass er übertrieben habe…heute Mittag. Da wurde er sauer. Ein Wort folgte dem nächsten…Aber der Nachbar ist auch ein schrecklicher Mensch“, redete sie sich ein und ich ließ sie in den glauben. Es war unfair. Jack war gar nicht so schlimm wie sie meinte. Sie jetzt allerdings noch anzugehen hätte sie noch mehr aus der Fassung gebracht. Ich seufzte schwer und drückte sie noch einmal an mich als ich ihr über den Kopf streichelte.

„Ich liebe dich Jasper“, hörte ich sie murmeln. Ich drückte ihr sanft einen Kuss auf den Kopf und versprach: „Ich bin immer an deiner Seite, Mum… Das weißt du oder?“ Sie nickte und löste sich von mir. Sie versuchte zu lächeln, doch es erreichte ihre Augen nicht. „Tut mir leid Jazzy… Das ist manchmal so wenn Erwachsene sich streiten… Das sollst du gar nicht mitkriegen. Komm geh ins Bett, ja?“ Ich nickte ihr zu und ging unschlüssig in Richtung meines Zimmers. Ich wollte sie nicht wieder alleine lassen aber ich kannte sie. Sie würde eh nicht weiter darüber reden wollen. Meine Mutter tat manchmal so als wäre ich erst sechs und würde nicht verstehen was zwischen ihr und Dad vorgeht. Ich nahm an das lag daran, dass sie mir einfach nicht so viel aufbürden wollte. Doch dieses Schweigen und das Gefühl der Machtlosigkeit war sehr viel schlimmer, fand ich.

„Mum, kann ich…am Wochenende weg, oder soll ich bei dir bleiben“, fragte ich sie zögernd. In diesem Moment hatte ich wirklich Angst, sie allein zu lassen. Doch sie schüttelte vehement den Kopf. „Mach ruhig Schatz, genieß das letzte Wochenende bevor die Schule los geht…Aber verspreche mir bitte eins Jazzy…Sag keinem davon. Besonders nicht Jenny. Sie macht sich immer so schnell Sorgen. Ja?“ Ich schluckte schwer, denn eigentlich wollte ich mit ihr darüber sprechen. Doch ein Blick in die Augen meiner Mutter reichte und ich versprach es ihr. Sie wusste genau welchen Blick sie aufsetzen musste um mich zu beeinflussen.

Die Freude die ich gefühlt hatte als ich das Haus betrat war verflogen und schmerzvoll ließ ich mich auf mein Bett fallen. Er zerstörte die Familie, dachte ich bitter. Ich unterdrückte meine Wut, meine Trauer. Wie soll ich Dad wieder unter die Augen treten. Mutter würde nicht wollen, dass ich ihn darauf ansprach. Vielleicht war es ja wirklich nur das eine Mal und er würde es nicht wieder machen. Jedem gingen dich mal die Nerven durch oder? Ich wälzte mich hin und her im Bett und fand erst spät in den Schlaf.
 

Auch am nächsten Tag war die Stimmung in unserem Haus nicht besser und ich wusste nicht wie ich meinem Vater begegnen sollte. Ich rief Eric an und als er abnahm hörte er schon an meiner Stimme, dass etwas schief gelaufen ist.

Nachdem wir uns begrüßt hatten war seine erste Frage: „Was ist los Jazz?“

Ich seufzte. Ich hätte es ihm gerne gesagt, doch das Versprechen und Scharm hielten mich zurück. „Dicke Luft hier… Ich brauch am Wochenende ein Alibi… Kann ich so tun, als ob ich von Samstag auf Sonntag bei dir schlafe?“ Ich hörte Eric tief einatmen. Er kannte mich zu gut. Auch er hatte wütende Augenblicke meines Vaters schon mal miterlebt.

So hatte mein Bruder Jason einst Eier auf das Haus des Nachbarn geworfen. Als Eric und ich ihn davon abhalten wollten wurde Jason wütend. Wir kleinen Kinder hätten ihm nichts zu sagen, meinte er damals. Er log meinen Vater an. Wir hätten die Eier geworfen. Er glaubte ihm. Auch als Eric ihn versicherte, schwur, dass wir es nicht getan haben, ließ es ihn nicht davon abhalten mir vor den Augen meines Freundes zwei saftige Ohrfeigen zu verpassen. Jason sei mit neunzehn viel zu alt für solcherlei Scherze und er könnte froh sein, das er nicht sein Sohn sei sonst würde er auch welche verpasst bekommen, meinte er wütend zu Eric.

Eric und ich durften das Haus des Nachbarn putzen. Jason war immer hinterlistig, doch das hatte ich ihm nicht zugetraut. Er hatte sich nie dafür entschuldigt.

„Was ist passiert Jazz“, fragte mich Eric erneut und klang er ziemlich besorgt.

„Einfach etwas Streit, kann ich mich mit dir am Sonntag treffen? Dann kann ich besser quatschen“, meinte ich und Eric stieß ein „ja“ aus.

„Danke Kumpel“, meinte ich und versuchte über das bevorstehende Training nach den Ferien zu sprechen. Doch die Laune verbesserte sich nicht wirklich und so legte ich schnell auf.
 

Doch schon am nächsten Tag besserte sich meine Laune. Jenny und ich gingen schwimmen. Wir spaßten und alberten herum und genossen den Tag. Ich war selten so froh meine Schwester um mich zu haben. Trotzdem wollte ich Jenny gerne erzählen was passiert war, doch das Versprechen lastete sehr auf mir. Auch wollte ich die Zeit die ich mit Jenny hatte genießen. Auch wenn es egoistisch ist von mir war.

Als wir jedoch zusammen im Whirlpool saßen blickte Jenny sich kurz um und rutschte zu mir herüber. „Jazz….weißt du was mit Mum los ist? In den letzten Tagen ist sie so komisch“, fragte sie leise und bedacht. Ich schluckte schwer, mein Herz wollte, dass ich es ihr sage, doch der andere Teil klammerte sich an das Versprechen. Ich liebte meinen Vater doch irgendwie immer noch. Vielleicht war es wirklich nur einmal passiert und Dad würde es nie wieder machen. Ich versuchte zu grinsen und schaffte es. „Ach Mum ist nur etwas genervt, dass Dad zur Zeit so viel arbeiten muss. Mach dir mal keine Sorgen, es ist alles gut“, log ich und war überrascht wie gut ich es konnte.

Jenny blickte mich skeptisch an. Als sie noch etwas sagen wollte unterbrach ich sie „Komm schon Jenny, du kennst unsere Eltern…“ Genau das war das Problem, sie kannte Dad. Jenny runzelte die Stirn und schien sich ihren Teil zu denken, was verriet sie mir nicht. Sie nickte nur und fragte ob wir gleich noch auf die Rutsche wollten.

Abends saß ich in meinem Zimmer am Laptop und schaute hinaus. Und erneut sah ich das flackernde Licht des Fernsehers aus Jacks Fenster leuchten. Ich freute mich auf morgen, egal was es sein würde. Ihn zu sehen, wieder Zeit mit ihm zu verbringen. Wieder durchzog ein Kribbeln meinen Körper. aufgeregt stieg ich ins Bett und fand erst nach einiger Zeit meinen schlaf.
 

Unschlüssig stand ich am nächsten Tag vor dem Kleiderschrank. Unsicher was Jack mit mir vorhatte zog ich mir ein Hemd über, eine gut sitzende Jeans und stylte mir die Haare. Ich schaute in den Spiegel und war zufrieden über die Wahl meines Outfits. Rasiert hatte ich mich gestern Abend noch. Ich hatte meiner Mutter beim Frühstück bereits gesagt das ich gegen Mittag verschwinden werde. Dad musste das Wochenende eine Schicht übernehmen und war gerade nicht Zuhause.

So kam es, dass ich gegen halb drei bei Jack klopfte. Er öffnete mir die Tür und betrachtete mich. „Schick“, brummte er anerkennend und ließ mich eintreten. Didi kam gleich angelaufen um mich freudig zu begrüßen. „Kann es sein, dass er gewachsen ist“, fragte ich Jack während mir der Hund über die Hände leckte. Er zuckte mit den Schultern. „Kann sein“, meinte er, „Das würde erklären weswegen der gerade so viel frisst.“ Ich schaute ihn an, auch er trug eine Jeans. Zudem ein enganliegendes schwarzes T-Shirt.

Mein Herz machte einen Sprung als ich ihn so sah. Er sah gut aus. „Was machen wir heute“, fragte ich ihn und richtete mich auf.

„Wir fahren heute in eine… speziellere Bar und du wirst mit Männern flirten“, erklärte er und grinste mich tatsächlich breit an.

„Ich komme mit siebzehn in keine Bar“, meinte ich skeptisch. Jack winkte meine Aussage ab und meinte locker: „Lass das meine Sorge sein.“

Jack schaute hinaus und sah zu unserem Haus. Ich fragte mich warum er hinüber sah. Aber die Antwort auf meine Frage bekam ich schon einen Moment später als er fragte: „Wie ist die Stimmung bei euch?“

„Angespannt“, sagte ich wahrheitsgemäß. Jack nickte langsam ging jedoch nicht weiter darauf ein. Hatte er etwas mitbekommen? Das hätte er gar nicht gekonnt, dachte ich angespannt. Aber er sah so verschwörerisch zu unserem Haus. Ich war beinahe sicher er wusste dass etwas passiert ist. Ich wollte nicht, dass wir weiterhin von Zuhause sprachen. Heute wollte ich endlich alles vergessen und einfach mal wieder Spaß haben. Als sich unsere Blicke Trafen schien er zu verstehen.

Jack ging zum Kühlschrank und holte mir eine Dose Cola. Er ging nicht weiter auf das Thema ein. Dankend nahm ich die Dose entgegen und trank einen Schluck. „Wenn du gleich in der Bar bist, stellst du dich an den Tresen okay“, begann Jack zu erklären und zog an einer Zigarre die er wohl angemacht hatte bevor ich gekommen war. Ich war erleichtert, dass er nicht weiter fragte.

Ich nickte ihm zu und er fuhr fort: „Dann schaust du dich etwas um. Irgendwer wird dich schon anschauen. Wenn er dir gefällt Lächle. Du wirst schon sehen. Das klappt.“

Ich grinste leicht und nickte. „Stehen und lächeln krieg ich hin“, sagte ich und trank einen Schluck von der Cola während ich ihn übertrieben anlächelte.

„Vielleicht nicht so grinsen wie der Joker aus Batman“, sagte er und pustete mir den Rauch seiner Zigarre ins Gesicht.

„Aber selbst der hat wen abbekommen mit dem grinsen“, entgegnete ich frech lachend während ich den Rauch weg wedelte. Jack verdrehte genervt die Augen, doch schien es mir, dass es ihn einzig amüsierte und nicht nervte.

„Was wirst du machen“, fragte ich ihn während ich Cola trank. „Ich werde darauf aufpassen, dass dir nichts passiert Kleiner. Nachher ist der Typ vergeben und der Freund ist eifersüchtig, oder irgendwer will dir was ins Glas mischen“, meinte Jack amüsiert und paffte weiter seine Zigarre.

„Wissen deine Eltern wo du bist“, fragte er mich und ich schüttelte den Kopf.

„Sie dürfen sicher auch nicht herausfinden wo du gerade bist oder“, fragte er skeptisch und ich verneinte. „Sie denken ich bin bei einem Freund“, erklärte ich.

„Gut dann fahren wir los wenn deine Mutter und dein Vater beschäftigt sind. „Wann esst ihr für gewöhnlich zu Abend?“

„So gegen sieben halb acht.“

Jack nickte und meinte dann, wir sollten gegen viertel vor sieben gehen, da Mutter dann kochen würde. Ich war gespannt auf die Bar. Ich hatte noch nie eine betreten. Um viertel vor sieben folgte ich Jack aus dem Haus. Didi musste zuhause bleiben. Es schien den Welpen nicht zu passen, wir hörten ihn leise durch die Tür jammern. Jack stieg in den Geländewagen. Ich sah neben dem Wagen ein schwarzes, schweres Motorrad stehen und bekam große Augen.

Ich schnallte mich gerade an und meinte anerkennend: „Die Maschine sieht toll aus! Was ist das für eine?“

„Das ist eine Triumph. Willst du später auch mal Motorrad fahren?“

Ich nickte und sah noch einmal zur der schwarzen Maschine. „Ja schon. Aber Mutter hat Angst davor deswegen hab ich den Führerschein nicht machen dürfen. „Hm“, kam es von Jack und er fuhr fort, „eventuell kann ich dich ja mal fahren lassen…“ Ich freute mich und strahlte ihn an. Wir fuhren raus aus der Stadt den Highway runter.

Es dauerte fast eine dreiviertel Stunde als wir auf einem Parkplatz anhielten. „Glaubst du wirklich ich komme rein“, fragte ich Jack und er nickte nur.

Ich folgte ihm und sah mich um. Es sah aus wie eine ganz gewöhnliche Bar. Natürlich, schellte ich mich in Gedanken. Als ob solche Bars rosa bemalt sind…

Jack ging rein nickte den Türsteher freundlich zu. Er war zwar irritiert von Jacks äußeren, schien jedoch nicht zu meinen, dass von ihm eine Gefahr ausginge. Mich würdigte er kaum eines Blickes. Vermutlich längte Jack ihn zu sehr ab. Wir betraten die Bar und neben dem Eingang stand ein Einarmiger Bandit, welcher wild blinkte. Daneben waren ein Automat für Zigaretten und einer für Kondome. Jack blieb stehen, sah mich kurz an und sagte: „Du gehst jetzt alleine rein. Wenn die meinen du gehörst zu mir wird dich keiner ansprechen.“ Er drückte mir noch mehrere zusammengerollte Scheine in die Hand und betrat vor mir das innere der Bar. Ich sah hinunter auf die Dollarscheine und bekam große Augen. Er hatte mir rund 100$ in kleinen Scheinen einfach so in die Hand gedrückt.

Da er schon weg war konnte ich mich nicht beschweren, also steckte ich das Geld ein und betrat ebenfalls nach einem kurzen Moment den nächsten Raum. Es war nur spärlich beleuchtet und einige Tischen standen im Inneren. An drei Ecken waren Bänke mit Tische aufgebaut. Eine kleine Bühne nahm den Platz in der vierten Ecke in Anspruch. Doch derzeit fand keine Show statt. Das Zentrum des Raumes bildete ein langer Tresen hinter dem ein junger Barkeeper gerade einen Drink zusammenstellte. Langsam ging ich hinein und sah mich um. Ich sah Jack in einer Ecke sitzen und gerade bei einer Kellnerin etwas bestellen. In seiner Nähe saßen mehrere Männer im Gespräch vertieft. Sowie zwei Frauen die sich verliebt und tief in die Augen sahen. Sie hielten einander an den Händen und schienen die Umgebung vergessen zu haben.

Auf der anderen Seite saß eine Gruppe von mehreren Männern und Frauen die über mehren Handys hingen und ich gegenseitig etwas zeigten oder schickten. Ich ging langsam hinunter zur Bar, setzte mich an den Tresen und musterte den Barkeeper. Er hatte lockiges rotblondes Haar, eine spitze Nase und Grübchen in den Wagen.

Er lächelte mich freundlich an als ich mich setzte. „Was darf es für dich sein“, fragte er mit einem irischen Akzent. Ich fühlte mich wohl und weder unsicher noch verlegen. Ich zwinkerte und fragte: „Was kannst du denn empfehlen?“

„Oh wenn du der harte Typ bist dann vielleicht einen Whiskey. Wenn du eher der süße bist kann ich dir sagen, dass ich super gut einen Tequila Sunrise hinbekomme.“ Auch er zwinkerte mir zu und sein Blick glitt kurz an meinem Körper runter. Er flirtete und meine Augen begannen zu leuchten.

„Also“, forderte er mich auf und beugte sich etwas zu mir. Leise lachend dachte ich nach und meinte: „Man hat mir schon mal gesagt, dass ich eher der süße Typ bin. Dann bleib ich erstmal dabei…“

Der Barkeeper lachte auf und machte sich daran den Drink zu mixen. Whiskey war mir eindeutig noch zu stark, pur ohne irgendwas, dachte ich und sah mich um. Jack nippte an seinem Getränk und schien mich Augenscheinlich nach nicht zu beachten, doch ich war mir sicher, dass er es tat. Ich blickte in die Gesichter der anderen Gäste. Das verliebte Frauenpärchen war immer noch mit sich beschäftigt, ebenso wie die Männer in der Nähe von Jack.

Also ließ ich meinen Blick über die anderen Gäste schweifen bis der Barkeeper mir das Getränk reichte. „Danke“, sagte ich höflich und probierte den bunten Cocktail. Trotz der süße schmeckte man den Alkohol noch ziemlich raus und ich beschloss, den besser nicht allzu schnell zu trinken. „Der ist gut“, meinte ich als ich merkte, dass der Barkeeper eine Reaktion von mir zu verlangen schien. Er schaute mich freundlich an, musste dann jedoch weiter arbeiten. Denn neue Gäste waren gerade gekommen und hatten Bestellungen aufgegeben.

Ich nahm noch einen Schluck während ich meinen Blick erneut schweifen lies. Bei dem Tisch an dem Frauen und Männer saßen bemerkte ich nach einigen Augenblicken, dass ein junger Mann ab und zu rüber schaute. Als er erneut im meine Richtung blickte fing ich seinen Blick ein und lächelte ihn leicht zu.

Seine Augen schienen sich kurz aufzuleuchten, was durch das dämmrige Licht jedoch nur schwer auszumachen war. Doch dann sah ich wie er erneut zu mir blickte und das Lächeln erwiderte.

Und da will mir wer erzählen flirten sei schwer, schoss es mir vielleicht auch arrogant klingend durch den Kopf. Er schaute noch einige Male herüber, was seinen Freunden aufzufallen schien. Sie schienen ihm irgendwas zu sagen. Als er erneut rüber blickte und ich wieder lächelte stand er zögernd auf. Er ging zum Tresen und sagte zum Barkeeper: „Vier Bier und eine Cola Light bitte.“ Während sich der Rotblonde umwand und die Getränke vorzubereiten sah der junge Mann zu mir rüber. Seine grünen Augen blickten mich freundlich musternd an. Er war etwas kleiner wie ich und etwas schmaler. Ich hätte ihn aber nicht als zierlich beschrieben. Er trug wie ich ein Hemd und Jeans und seine Haare hingen ihn leicht fransig ins Gesicht. Er sah hübsch aus.

„Hi“, sagte ich freundlich zu ihm. „Hi“, kam es zurück, „du schaust häufiger rüber…“

Ich grinste ihn leicht an eher ich erwiderte: „Du doch auch. Soll ich damit aufhören?“ Er schüttelte den Kopf und eine leicht röte zierte seine Wange. „Nein nein, so war das nicht gemeint. Ich bin Phil“, stellte er sich freundlich vor und reicht mir seine Hand. Ich schlug freundlich ein.

„Ich bin Jasper, aber die meisten sagen Jazz.“

„Ganz allein hier?“

„Ja“, log ich ohne rot zu werden, „bin neu hier und wollte mich mal umschauen.“

„Oh so interessant ist die Stadt hier nicht. Aber es gibt schon das ein oder andere Nette hier.“ Ich stutzte einen Moment. Ich wollte es wissen! „Du meinst sowas wie dich“, meinte ich frech. Ich sah wie er innehielt und die röte deutlicher in seine Wange schoss. Es gefiel mir. Ich mochte flirten, beschloss ich in diesem Moment. Mit diesem kleinen Erfolg änderte sich etwas in mir. Ich ließ die Zügel los und merkte augenblicklich wie ich selbstbewusster wurde. Es schien, dass der nette Junge aus der Nachbarschaft sich gerade etwas verabschiedete.

„Na ja“, kam es von ihm und er grinste verlegen, „wenn du das meinst…“

„Klar hätte ich es sonst gesagt“, grinste ich und dankte Jack für diesen Vorschlag. Es war ein Spiel und im Spielen war ich gut! Phil kratzte sich verlegen am Kopf und schien kurz nach Worten zu suchen, was ich äußert süß fand.

„Eigentlich muss ich zurück zu meinen Freunden“, kam es von ihm und ich nickte leicht. „Ist doch kein Problem. Kannst mir ja deine Nummer da lassen“, schlug ich vor. Phil nickte eifrig und ich tippte mir seine Nummer ins Handy. Er lächelte mich freudig an während er die Getränke nahm und zu seinen Freunden hinüber ging. Ich schaute mit stolz geschwellter Brust auf die Nummer als eine kratzige Stimme hinter mir meinte: „Wenn du einen richtigen Kerl willst, kann ich dir auch meine Nummer geben.“

Ich drehte mich um und stellte fest, dass es einer der Männer die in der Nähe von Jack war. Er war größer wie ich etwas breiter und hatte schwarzes Haar. Der Typ reichte dem Barkeeper gerade einen 50 Dollar schein. Er trug einen gut sitzenden Anzug und wirkte ziemlich selbstsicher. Sein Alter schätzte ich auf Anfang dreißig.

„Was meinst du damit“, fragte ich ihn verwirrt.

Sein Blick glitt hinüber zu Phil während er sprach: „Das ist ein Weichgekochtes Ei, ich bin ein hartes. Also wenn du willst…“ Er schob mir tatsächlich eine Nummer hin. Ich blickte hinab und starrte sie einen Moment lang an. Ich lachte auf und grinste: „Okay, du hart gekochtes Ei, was bin ich dann, wenn der ein weiches ist?“ Er blickte runter und tatsächlich blieb sein Blick zwischen meinen Beinen Hängen. Er sah mir wieder in die Augen eher er mit tiefer Stimmte meinte: „Du bist bereit hart gekocht zu werden.“

Ich lachte über den dreckigen Scherz. Ja der war billig, aber ich amüsierte mich gerade zu sehr darüber vielleicht tat der Alkohol in meinem Blut sein übrigens. „Hm… vielleicht mag ich meine Eier aber lieber weichgekocht…“ Er grinste mich an. „Nein“, meinte er selbstsicher, „bestimmt nicht…“ Er ließ mich damit stehen und ich hätte diesen Idioten so auslachen können. Ich drehte mich zum Barkeeper um der dem Typen nachsah. „Das ist ein Arsch“, meinte er an mich gewandt. „Sowas willst du nicht Süßer.“

Ich zwinkerte ihm zu und meinte: „Nein sowas will ich auch nicht.“ Auf einmal sah ich, wie sich die Augen des Barkeepers erschrocken weiteten und plötzlich spürte ich eine kräftige Hand auf meiner Schulter.

Ich drehte mich um und sah ins Jacks Gesicht. Er sah mich zufrieden an und ich blickte selbstbewusst zurück. Vergessen waren die angespannten Tage, endlich schien ein Tag mal wirklich gut zu werden und ich fragte mich wie gut der Abend noch werden kann?

Mein erstes Mal

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Mein erstes Mal Teil 2

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ein Gespräch unter Freunden

Am nächsten Morgen wachte ich auf und fragte mich wo ich mich gerade befand. Doch schon im nächsten Moment kamen die Erinnerungen wieder und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Jack und ich hatten es wirklich getan, schoss es mir durch den Kopf. Ich lächelte und war zufrieden. Sex mit einem Mann fühlte sich zu richtig an um wirklich falsch zu sein. Die Sorgen die ich vor dem ersten Mal mit einem Mann hatte waren unbegründet, wie ich jetzt wusste. Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass die Bettseite neben mir leer war. Jack schien schon aufgestanden zu sein. Schade, dachte ich.

Ich setzte mich auf und fragte mich, ob ich mich jetzt nach dem Sex irgendwie anders fühlte als am Tag vorher. Irgendwie nicht, dachte ich mir und verwuschelte meine Haare. Gemächlich stand ich auf und suchte meine Boxershort vom Boden. Ich zog sie mir über und ging hinüber zum Wohnzimmer. Didi lief mir fröhlich schwanzwedelnd entgegen und wollte begrüßt werden. Ich streichelte den Kleinen und schaute mich nach seinem Herrchen um. Würde er sich nun mir gegenüber nun anders verhalten, nach dem wir Es getan hatten? Oder interessierte es ihn gar nicht? Würde ich mich anders verhalten? Ob gleich peinliches Schweigen herrscht? Ich blickte an meinem Körper runter und fragte mich entsetzt, ob ich mich besser hätte vollständig bekleiden sollen?

Ich hörte Jack in der Küche und betrat den kleinen Raum. Er goss sich gerade einen Kaffee ein. Im Gegensatz zu mir war er vollständig bekleidet. Ein olivgrünes T-Shirt und eine graue Hose kleideten den kräftigen Mann vor mir. Ohne sich umzudrehen begann er mit mir zu sprechen: „Bist du endlich doch noch wach geworden.“ Er klang amüsiert und drehte sich zu mir um. Ich blickte ihn verwirrt an. „Wie spät ist es denn“, fragte ich verwirrt klingend und schaute mich nach einer Uhr um.

„Schon neun“, antwortete mir Jack und hielt mir eine Tasse dampfender Flüssigkeit hin, die ich ablehnen wollte. „Ich trink keinen Kaffee“, meinte ich doch als ich in die Tasse sah, konnte ich keinen schwarzen Kaffee ausmachen, sondern warmen Kakao. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich nahm Jack den Kakao dankend ab und setzte mich mit ihm an den kleinen Küchentisch. Wir sahen uns kurz in die Augen. Eine angenehme Stille war in diesem Moment zwischen uns und ich fragte mich wie er den Abend gestern empfunden hatte. Wir schwiegen, doch ich mochte dieses Schweigen, es war einvernehmlich. Ich trank meinen Kakao, Jack seinen Kaffee. Dieser Mann vor mir verbarg so viel mehr hinter seiner stillen Art wie ich mir je hätte vorstellen können. Es schien als verbarg er fast sein ganzes Ich in seiner Stille und ich fragte mich ob ich diese je würde brechen können. Der Wunsch weiter hinter diese Fassade zu blicken wuchs immer mehr.

„Wann stehst du denn auf“, fragte ich nach einem Augenblick während ich gähnen musste und wischte mir den letzten Rest des Schlafes aus den Augen. Nachdem sich Jack einen Schluck Kaffee gegönnt hatte antwortete er grummelnd: „Meist gegen halb sieben oder sieben. Schlaf selten mal länger…Außerdem muss ich an den Hund denken.“

„Klar“, meinte ich zustimmend. Ich blickte zu Didi der in der Küchentür saß und mit einem grünen Gummiknochen im Maul zu uns schaute. Ich schmunzelte über den grauen Welpen dessen Öhrchen sich freudig spitzen als ich ihn betrachtete. Er kaute auf dem Knochen und ein quietschender Ton kam heraus. „Sein Lieblingsspielzeug. Raubt einem den letzten Nerv“, kommentierte Jack als er den Hund betrachtete, doch erneut erschien ein kleiner sanfter Ausdruck um seine Augen. Ich trank den Kakao und merkte, wie wohl ich mich in diesem Haus fühlte, als ich meinen Blick schweifen ließ. Mein Blick glitt hinüber zu Jack. Ich stellte fest, dass er mich wohl beobachtet hatte und so grinste ich ihn leicht an. Was er wohl dachte, überlegte ich mir, doch traute ich mich nicht zu fragen. Auch fragte ich mich, in wie weit er mich einfach studieren konnte. Denn nichts schien ihm zu entgehen.

All meinem Mut zusammen nehmen wappnete ich mich bevor ich meine nächste Frage stellte. „Werden wir das eigentlich wiederholen“, fragte ich zu Beginn noch ziemlich selbstischer klingend zum Ende meines Satzes schwächte die Kraft meiner Stimme jedoch deutlich ab. Jack beobachtete mich einen Moment lang. Erst schien er mich ernst anzublicken, dann wandelte sich seine Mine jedoch und er sah mich amüsiert an. „Wenn du willst Kleiner“, erwiderte er mit einem tiefen Grollen, was mir ein Schauer über den Rücken jagte, „stellst du dir da was bestimmtest vor?“ Ich dachte an das, was ich in den Pornos gesehen hatte und was ich davon in die Tat umsetzten wollen würde. Ich runzelte während ich nachdachte die Stirn.

„Ich könnte mir schon vorstellen, die Führung zu haben“, begann ich langsam und sah Jack dabei ins Gesicht. Er schmunzelte mich amüsiert an nickte jedoch zustimmend. Er schien auf weitere Aussagen meinerseits zu warten und trank wieder einen Schluck aus seiner Tasse.

Er wartete noch einige Augenblicke auf weitere Sätze von mir und kraulte den Hund kurz als er zu ihm geschlichen war. Meine Unsicherheit über das Thema so unbefangen zu sprechen sah man mir an. Einfach so jemanden meine intimsten Gedanken mitteilen machte mich befangen.

So war ich sehr dankbar als er die Führung des Gespräches übernahm: „Du hast ja auch schon mitbekomme, dass es anders auch sehr stimulierend sein kann… Und mit einem richtigen Schwanz ist es noch besser!“ Wie konnte er nur so darüber reden, schoss es mir durch den Kopf, so…direkt. Ich nickte leicht und dachte daran wie er mir gestern den Verstand raubte. Ohne es zu wollen wurde mir etwas warm im Gesicht und ich trank noch einen Schluck Kakao um nicht sprechen zu müssen. Diese Erfahrung ließ eine Gänsehaut meine Arme hinaufwandern.

Ich war mir sicher, dass Jack diese Reaktion nicht verborgen geblieben war, doch er schwieg.

„Willst du gleich gehen“, fragte er mich nach einem Moment und ich nickte.

„Ich treffe mich heute noch mit meinem besten Freund… Ich will ihn na ja…einweihen“, meinte ich skeptisch klingend. Ich hoffte, dass Eric Verständnis zeigen würde. Es verging ein Augenblick eher Jack mich fragte ob ich besorgt sei.

Ich war mir unsicher und zog ich die Schultern hoch. „Ich weiß nicht. Wir kennen uns schon sehr, sehr lange. Trotzdem weiß ich es nicht… Wir haben ja nie darüber gesprochen was wir machen wenn einer von uns schwul wird…“ Jack nickte verstehend und schaute nachdenklich an die Wand. „Sollte es…nicht so laufen wir du dir vorgestellt hast kannst du dich bei mir melden oder vorbeikommen“, bot er mir nach einem kurzen Moment an.

Es rührte mich, dass er sich sorgte und eine Wärme breitete sich in meiner Brust aus. „Ich hab gar nicht deine Handynummer“, stellte ich fest und ein liebevolles Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Jack grummelte kurz und schien nachzudenken. „Na gut“, meinte er genervt nach einem kurzen Moment des Zögerns und gab mir seine Handynummer. Wieso er genervt war, verstand ich nicht, doch als ich ihn fragte winkte er nur ab. Ich versprach ihm, dass ich diese Nummer nicht an Dritte weiter reichen würde.

„Im schlimmsten Fall wechsle ich sie einfach“, meinte Jack während seine Stimme wieder trocken klang. „Bist du irgendwie…ich weiß auch nicht paranoid“, fragte ich scherzhaft, doch lag auch ein gewisser Ernst in meiner Frage. Jack grinste mich kurz an eher er tatsächlich frech klingend meinte: „Du hast ja keine Ahnung…“ Ich lachte doch war ich mir nicht sicher, ob es wirklich ein Scherz war. Kurz glitt mein Blick zur Tür des Zimmers, welches ich noch nie betreten hatte. Ob da wohl viele Geheimnisse drin verborgen waren?

Jack folgte meinen Blick, doch sagen tat er nichts. Stattdessen trank er seinen Kaffee leer und schaute mich prüfend an. Als mein Blick von der Tür zu seinem Gesicht wanderte und ich gerade den Mund aufmachte um etwas zu fragen fing Jack an zu sprechen. Ob es Absicht von ihm war wusste ich nicht. „Denk dran, dass du hier hin kommen kannst wenn es scheiße läuft“, sagte Jack noch einmal ernst. Ich nickte. Immer noch in Gedanken, ob sich hinter dieser Tür irgendwas verbarg. Nach dem Kakao zog ich meine Sachen an und verabschiedete mich von ihm. Ich hoffte er war nicht sauer, dass ich gehen musste. Jedoch wollte ich unbedingt mit Eric sprechen. Jack schlenderte mit mir zur Tür und wir sahen uns kurz an. „Was machst du heute“, fragte ich ihn, wollte ich ihn nicht alleine hier lassen. „Ach“, begann Jack, „ich geh mit dem Hund trainieren… oder spielen. Ich finde schon was. Mach dir mal keine Sorgen.“ Ich grinste ihn kurz an und winkte ihn verabschiedend zu.

Ich schlenderte durch die Straßen und war zufrieden.
 

Ich ließ die Geschehnisse von gestern Abend noch mal an mir vorbei ziehen. Es war plötzlich gekommen, für mich ohne Vorbereitung. War es so wie ich es mir Vorgestellt hatte? Nein war die ehrliche Antwort. Vieles von dem was er und ich getan hatten, hätte ich mich vermutlich selbst nicht so getraut. War es schlimm sein erstes Mal an jemanden verloren zu haben mit dem man nicht zusammen war… Angesträngt dachte ich darüber nach während ich an einer Straßenkreuzung auf grün wartete. Für mich kam ich zu dem Entschluss, dass es nicht tragisch war, ich vertraute Jack und ich mochte ihn. Er war eigentlich immer liebevoll gewesen. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hätte ich mich vermutlich auch auf keinen anderen Mann als Jack eingelassen. Weder auf jemanden in der Bar noch auf Tobey.

Als ich bei Eric klopfte war es bereits elf und ich hatte mächtig Hunger. Hätte ich mal besser bei Jack richtig Gefrühstückt, schoss es mir durch den Kopf.

Erics Mutter öffnete mir die Tür und nachdem wir kurz geredet hatten ging ich hinauf in Erics Zimmer. Ich klopfte kurz eher ich hinein ging. Sein Zimmer war größer als das Meine. Neben dem Bett passte hier noch ziemlich bequem eine Couch rein. Eigentlich war Eric eine eher unordentliche Person, jedoch hatte ich sein Zimmer nie so ordentlich gesehen. Ich vermutete, dass es an Zoey lag. Auch über seinen Bett hing, genau wie bei mir, die Flagge der Texas Rangers. Auf dem Bett saß Eric und spielte mit dem Handy. Seine Haare waren nass, vermutlich hatte er geduscht. Er trug ein weites T-Shirt und Jogginghose. Er schaute ernst als er mich sah. Natürlich, dachte ich, als wir das letzte mal gesprochen hatten war Zuhause schlechte Stimmung und unser Gespräch war schnell beendet. Ich grinste leicht und setze mich zu ihm während ich ihn begrüßte.

Ich nahm eine Packung Kekse die neben dem Bett lag und begann sie zu essen ohne vorher zu fragen. Sowas brauchte man bei besten Freunden nicht.

Auch Eric begrüßte mich und sah mit weiterhin fragend an, er sah fast schon besorgt aus. „Es ist alles okay“, meinte ich nach einem Moment des Schweigens. Er schien es mir nicht zu glauben. „Wirklich“, war seine Gegenfrage und die Skepsis schwang in seiner Stimme mit. Ich nickte und wollte gerade was sagen als Eric mich unterbrach: „Alter Jazz, was ist los bei dir? In letzter Zeit bist du echt seltsam. Und wieso brauchtest du eine Ausrede für gestern? Was hast du gemacht?“

Ich seufzte schwer und dachte nach. Hatte ich mich echt so anders verhalten in den letzten Wochen? Womit sollte ich beginnen? Das ich schwul bin? Das es Stress Zuhause gibt? Zögerlich begann ich zu berichten: „Jenny ist Zuhause und ich hab Zeit mit ihr verbracht. Ich sehe sie doch so selten. Dad ist einfach zurzeit im Stress und etwas geladen. Dann ist er ja immer etwas…schwierig…“ Eric nickte stockend. Er kannte Dad und schien bedacht als er die nächste Frage stellte: „Und…ist was passiert?“ Sofort schoss mir meine Mutter durch den Kopf, die geweint hatte, weil Dad sie geschlagen hatte. Doch ich dachte auch an das Versprechen, was sie mir abgenommen hatte. So blieb mir nichts anderes übrig als verneinend den Kopf zu schütteln und zu lügen: „Nein alles gut. Er war nur laut, mach dir mal keine Sorgen.“ Eric dachte nach, doch schien er mir zu glauben. Denn er fragte mich, was gestern Abend gewesen sei.

Mein Herz schlug schneller und Sorge durchflutete meine Gedanken. Erneut seufzte ich schwer auf und sah Eric in die hellen wachsameren Augen. Ja der Zeitpunkt war gekommen, wo ich mich nicht mehr vor jedem verstecken wollte. Jack hatte Recht, als er mich damals fragte ob ich es schaffen würde ein Leben lang eine Lüge zu leben. Das konnte man einfach nicht. Zögerlich, aber mir klarer Stimme setzte ich an um zu erzählen: „Ich brauchte gestern eine Ausrede, weil ich in einer Bar war.“ Eric sah mich verwirrt an eher er sich lachend beschwerte: „Warum hast du mich nicht mit genommen?“ Ich schmunzelte leicht. Mit so einer Reaktion hätte ich auf diesen Kommentar rechnen müssen.

„Na ja… es war eher eine speziellere Bar“, begann ich weiter zu sprechen.

„Wie geil“, kam es von Eric und anerkennend nickte er, „du warst in einem Strippclub.“

„Ähm…nein irgendwie nicht… Irgendwie… war es eine…Schwulenbar…“

Erics lachen verstummte plötzlich. „Äh“, kam es langezogen von ihm, „was machst du denn in einer Schwulenbar?“ Ich nestelte nervös an einem Faden herum der aus meiner Jeans kam. Zunächst blickte ich hinab, sah Eric nicht ins Gesicht, doch dann viel mir Jack ein. Ich hob meinen Blick und sah meinem Freund ins Gesicht wich seinem verwirrten Blick nicht aus. „Weil ich Schwul bin“, erklärte ich seine Frage und war erstaunt wie ruhig und besonnen ich klang. Eric nickte mechanisch. Er betrachtete mich eingehend und ich kreuzte in Gedanken meine Finger. „Okay“, kam es nach einem Moment der Stille, „okay…ähm und du bist dir sicher?“ Ich nickte, war froh, dass er so darauf reagierte. Eric blickte mir in die Augen und auch er kannte mich zu gut er sah meine Sorge: „Jazz, dass ist deine Sache. Hauptsache du bist mit dir zufrieden. Du bist trotzdem mein bester Freund“ Ich war erleichtert und ließ meine angespannten Schultern hängen. Erleichtert stieß ich ein seufzten aus. Ein weiterer Knoten löste sich in meiner Brust.

„Hattest du Angst mir das zu sagen“, fragte mich Eric dem meine Reaktionen natürlich nicht entgangen waren. Ich blickte ihm ins Gesicht und nickte wahrheitsgemäß. „Du machst Tobey ab und zu fertig und ja…“

Eric schlug sich gegen die Stirn und rief aus: „Man Jazz! Ich kann den Typen einfach nur nicht leiden. Ich hab nicht…ich bin nicht Schwulenfeindlich…wirklich nicht! Im Gegensatz zu deinem Vater lebe ich im 21ten Jahrhundert!“

Ich sah ihn an und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich klopfte Eric freundlich auf die Schulter während ich sagte: „Danke…“

Er nickte und auch er lächelte mir kurz zu. Dann entglitten ihm jedoch für einen Moment die Gesichtszüge. „Ähm Jazz… du warst doch nicht…also du hattest ja mit Tobey das Referat. Danach sollte ihn ja keiner mehr angehen…sag nicht das du und er…“

„Nein“, unterbrach ich ihn schnell und energisch. Ich schüttelte den Kopf. „Nein…Nicht er. Wegen ihm musste ich zwar darüber nachdenken aber ich hatte nichts mit ihm! Er ist aber okay Eric. Zwar speziell aber wirklich okay.“

„Hm“, kam es nachdenklich von ihm, „Hat es deswegen nicht mit Viola geklappt?“ Ich dachte über meine Antwort nach. Wenn ich darüber nachdachte vermutlich. Doch wusste ich es bis zu diesem Zeitpunkt nicht. „Ich denke ja…damals wusste ich es aber auch selbst noch nicht“, meinte ich zu ihm. Eric nickte und schien unsicher. Ich blickte ihn fragend an. „Ähm… sag mal Jazz… das ist jetzt vielleicht eine doofe Frage, aber…stehst du auf mich irgendwie? Das wäre irgendwie komisch…“

Ich betrachtete Eric und grinste: „Na ja… sagen wir so… Dein Hintern.“ Als ich Erics aufgerissen Augen sah lachte ich laut auf und meinte: „Nur Spaß… Nein tu ich nicht. Du siehst nicht schlecht aus, aber nein ich stehe nicht auf dich. Du bist mein bester Freund, dass wäre schon komisch…“ Eric nickte verstehend und schien erleichtert.

Erneut blickte Eric zu mir rüber. „Und jetzt? Willst du es allen in der Schule sagen? Colin wäre dann sicher raus aus dem Team…“ Ich dachte nach und schüttelte zögernd den Kopf. Ja Colin würde ich sicher als Freund verlieren, doch der Gedanke daran schmerzte weniger, jetzt wo ich weiß, dass Eric bleiben würde.

„Nein“, begann ich bedacht zu antworten, „ich sag es erstmal nur denen, den ich wirklich vertraue. Den Rest muss ich noch nicht einweihen. Nicht jetzt.“

Verstehend sah Eric mir ins Gesicht. „Okay“, kam es von ihm und er grinste leicht.

„Hast du…in der Bar jemanden kennen gelernt? Hast du schon einen Typen an der Angel?“

„Na ja… ich weiß jetzt nicht so genau wer da wen an der Angel hat…aber ja schon…“

„Cool und? Na ja…hattet ihr?“

Ich sah die Neugierde in seinen Augen und ich blickte kurz zur verschlossenen Zimmertür. Ich nickte und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Erics Augen weiteten sich, aber auch er fing an zu grinsen, anerkennend. Nachdem er fragte wie es sei berichtete ich ihm, dass ich es sehr erregend fand. Dass mir der Mann einen geblasen hatte, dafür erntete ich tatsächlich neidische Blicke. Als ich ihm jedoch sagte, dass ich dies auch getan habe verzog er kurz das Gesicht und fragte mich: „Und wie ist das so? Das Dingen von einem anderen im Mund zu haben?“

Ich dachte über meine Antwort nach und nach einem kurzen Moment antwortete ich: „Am Anfang schon komisch…Aber es macht auch Spaß. Das Wissen das du der Grund bist weswegen er die Kontrolle verliert ist…irgendwie geil.“ Eric nickte, schien sogar zu verstehen was ich meinte. „Und sonst so“, fragte er nach einem kurzen Augenblick, „tat es nicht irgendwie weh…Oder hast du ihn…?“

„Nein…geblasen und mal…mit Fingern…das tut nicht weh und wirklich…! Wenn ein Punkt stimuliert wird…ist es dir auch scheiß egal“, lachte ich und ein Schauer lief mir den Rücken runter als ich daran dachte wie Jack mich um den Verstand brachte. „Kann ich mir nicht so vorstellen, aber gut muss dir gefallen! Bist du jetzt mit dem Typen zusammen“, fragte mich Eric doch ich schüttelte den Kopf.

„Ich bin mir nicht so sicher, ob er wirklich ein Beziehungstyp ist…“, antwortete ich skeptisch klingend, während ich über Jack nachdachte.

Wir redeten noch lange und ich war glücklich. Eric stand mir bei. „Wer war der Typ“, wollte Eric später wissen nachdem ich genau beschreiben sollte was wir im Bett getan hatten.

Ich rang kurz mit mir doch dann rutschte es schon aus mir raus: „Mein neuer Nachbar…“

„Der Soldat?! Der mit der Augenklappe?“

„Ja.“

„Krass, auf solche Typen stehst du? Wirklich? Okay! Schade jetzt kann ich mich mit dir gar nicht mehr über Brüste unterhalten…“

Ich lachte bevor ich frech antwortete: „Aber über Ärsche.“ Und Eric fing fröhlich an zu lachen.

Wieso ich mir die letzten Wochen so Sorgen gemacht hatte verstand ich nicht mehr, doch ich wusste das nicht alle so darauf reagieren würden wie Jack und Eric. Eigentlich wusste ich es schon vorher doch nun war ich mir sicher, dass ich in Eric einen Freund fürs Leben gefunden hatte.

Als ich nachmittags Zuhause ankam sah ich Jack mit Didi an der Leine gerade das Haus verlassen. Er blickte mir ins Gesicht und schaute zu mir als ich herankam. „Hey. Lief gut bei meinem Freund“, meinte ich grinsend und strahlte Jack förmlich an. Auch er nickte zufrieden meinte jedoch: „Dachte ich mir schon. Sonst würdest du anders aussehen, Kleiner. Na dann freut mich für dich.“ Er klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter und ich strahlte.

Didi sprang an mir rauf und hörte erst damit auf als ich ihn lieb streichelte. „Ich würde ja gerne mitkommen, aber ich muss nach Hause. Sonst gibt es noch Stress, weil ich zu selten da bin. Meine Schwester ist nämlich gerade zu besuch.“ Auch Jack sah hinüber zum Haus wieder mit einem ernsten Ausdruck, welcher jedoch schnell wieder verschwand. Er nickte mir leicht zu. „Alles gut Kleiner. Ich sorg dafür das der hier heute Nacht gut schlafen kann“, sagte er und nickte zu Didi der fröhlich an einem Baum schnupperte.

„Viel Spaß beim Gassi gehen“, rief ich Jack noch fröhlich zu und ich sah ihn die Straße entlang schlendern zu meinem Elternhaus.

Du hast einen Freund in mir

Am nächsten Morgen begann die Schule wieder. Neidisch auf meine Schwester, die noch frei hatte stand ich auf und machte mich fertig. Doch ich freute mich auch, denn dass die Schule wieder los ging bedeutete, dass ich wieder regelmäßig Baseball spielen konnte! Ich packte gerade meine Tasche als ich mein Portemonnaie fand. Es war viel zu dick und als ich es öffnete sah ich das Geld was ich von Jack bekommen hatte! Ich hab es ihm nie wieder gegeben… Erneut kam die Frage auf, wieso er mir so viel Geld einfach geben kann. Vielen ihm 100$ die fehlen einfach nicht auf?

Viel Zeit um mir darüber Gedanken zu machen hatte ich nicht. Ich musste mich beeilen, da ich schon spät dran war. Als ich an Jacks Haus vorbei ging sah ich, dass schon Licht brannte. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln. Wieso stand jemand freiwillig immer so früh auf? Vor allem wenn er es doch nicht musste.

Ich hatte Ohrstöpsel im Ohr und lauschte der Musik die daraus kam während ich die Straßen entlang ging. Es waren nur noch zwei Blocks bis zu meiner Schule als plötzlich jemand nach meinem Arm griff. Reflexartig griff ich nach der Hand, wie ich es gelernt hatte und schlug sie weg, während ich mich umwandte. Mein Puls raste. Ich blickte in das erschrockene Gesicht von Tobey der sich die schmerzende Stelle am Arm rieb. Ich zog mir die Ohrstöpsel aus den Ohren und ich hörte ihn vorwurfsvoll sagen: „Wieso tust du mir weh…?“

„Da fragst du noch? Du hast mich erschreckt“, meinte ich ohne die Spur von Reue in meiner Stimme. Ich atmete beruhigend durch und mein Puls normalisierte sich. Er rieb sich die Stelle erneut und meinte: „Egal. Ich wollte dich nämlich abfangen. Ich dachte du meldest dich in den Ferien mal…“ Hörte ich da wirklich einen Vorwurf? Vermutlich hätte ich mich sogar gemeldet, wäre Jack nicht neben an eingezogen, das konnte ich ihm jedoch schlecht sagen. „Öhm“, entfuhr es mir, „hatte anderes zu tun. Wie waren deine Ferien?“ Langsam ging ich weiter. Wir hatten Bio in der ersten Stunde und da ich nicht gut in dem Fach war und der Lehrer mich nicht mochte wollte ich nicht unpünktlich sein.

„Sehr gut… Ich habe jetzt einen Freund. Wir sind ganz frisch zusammen“, meinte er breit grinsend. Ich sah zu ihm und lächelte freundlich. „Das ist schön für dich“, sagte ich und tatsächlich meinte ich es auch so. Tobey sah mich prüfend an eher er antwortete: „Du hast dich ja nicht gemeldet und da dachte ich du willst eh nichts von mir…“ Wie Recht er damit auch hatte…

Wir gingen weiter, wieso hatte er mich abgefangen? Nur um mir das zu sagen? „Sag mal Jazz…willst du jetzt endlich den Leuten sagen, dass du schwul bist“, fragte mit Tobey mit leiernder Stimme. Ich verdrehte die Augen und sah böse zu ihm herüber. Leider hatte mein Blick nicht die Wirkung, wie ich sie bei Jack schon häufiger wahrgenommen hatte. Denn statt zurück zu rudern blickte mich Tobey weiterhin auffordernd an.

„Tobey ich bin nicht schwul. Und wenn ich es bin, dann ist es auch meine Entscheidung wann und wem ich das sage, oder nicht? Verstanden?“ In meiner Stimme schwang meine Laune mit, ich war ziemlich genervt davon. Wieso redeten er da überhaupt Andere rein?

Tobey blickte mich missmutig an und meinte fast schon trotzig: „Man sollte einfach dazu stehen können. Ist doch egal was andere sagen.“

Ich verdrehte genervt die Augen und entgegnete: „Das hat nichts mit „dazu stehen“ können zu tun. Du kannst nicht verlangen, dass alle anderen damit so offen umgehen wie du. Das ist einzig deren Entscheidung. Wie sie damit umgehen.“ Oder ich, ergänzte ich in meinen Gedanken. Auch musste er verstehen, dass es nicht jedem egal war, was andere meinten. Tobey seufzte genervt, als habe er diesen Spruch schon häufiger gehört. Er blickte mich frustriert an und stöhnte theatralisch aus.

„Du hast ja recht…Trotzdem ist es nervig…“

„…Wie wäre es wenn du mir von deinem Freund erzählst“, schlug ich vor um ein positives Thema zu besprechen. Nach drei Minuten bereute ich diesen Vorschlag. Tobey hörte nicht mehr auf zu schwärmen. Wie toll der Junge sei, dass sie sich aus dem Jugendzentrum kanten. Wie viel sie gemeinsam hatten. Das sie beide dieselben Schuhe trugen?

Ich fragte mich gerade, wen das interessierte als Tobey mich auf einmal musterte. Fragend blickte ich ihm in sein Gesicht und zog skeptisch die Brauen zusammen. „Stört es dich wirklich nicht, dass ich einen festen Freund habe“, fragte mich Tobey plötzlich. Verwirrt über diese Frage meinte ich: „Hä? Nein? Ist doch schön für dich… oder nicht?“

„Ich dachte du hast mehr „Eisen im Feuer“, meinte ich schmunzelnd zu ihm während wir um eine Ecke gingen. Zögerlich nickend bestätigte mir Tobey meine Aussage und ergänzte: „Klar, hab ja auch jetzt, aber trotzdem…“ Innerlich verdrehte ich frustriert die Augen und sah in Tobey eigentlich so freundliches Gesicht. „Hey…ich will wirklich nichts von dir. Und freue mich, dass du einen anderen hast. Wirklich.“ Langsam nickte mir Tobey zu und tatsächlich lächelte er mich fast schon schüchtern an.

ich bemerkte, dass wir zu spät dran waren. Ich packte Tobey am Arm und meinte: „Beeil dich. Der Unterricht geht in zwei Minuten los.“ Tobey war nicht so schnell wie ich. Da ich ihn nicht einfach stehen lassen wollte musste ich langsamer laufen. Es war einfach nicht meine Art andere einfach stehen zu lassen.

Fünf Minuten zu spät kamen wir in den Biologieraum und Dr. Hunter, unser Biologielehrer, hatte uns bereits eingetragen. Er hätte mit seinen grauen Haaren, den Falten und der Hornbrille nett aussehen können, würde er mich nicht immer von oben herab mustern. Er grinste mich mit falscher Freundlichkeit an und verpasste uns beiden gleich eine Strafarbeit. Als ich den Mund aufmachen wollte um zu protestieren kam es mit öliger Stimme: „Mr Hale, wollen Sie sich etwa beschweren? Sie können auch gerne Nachsitzen wenn Sie wollen.“ Meine Augen verengten sich kurz und mit einem sehr falschen Lächeln nahm ich den Zettel den er mir reichte entgegen. Ich ging genervt zu meinen Platz und ließ die Tasche neben mir auf den Boden fallen. Während ich mich neben Eric setzte bemerkte ich wie er verstört zu Tobey schielte. Auch mein Blick wanderte automatisch zu Tobey der sich gerade auf seinen Platz niederließ. Ich sah Eric fast schon beleidigt an und schüttelte den Kopf. Das er immer noch denkt ich hätte was mit ihm... Dafür würde er später beim Training eine Runde mehr laufen, beschloss ich und sah rüber zu meinen verhassten Biologielehrer, der mit dem Unterricht begann.
 

Ich hielt mein selbst auferlegtes Versprechen und ließ alle wegen Eric eine Runde mehr laufen als normalerweise. Natürlich behielt ich das Wissen für mich, es war meine kleine Genugtun als ich Eric schwer atmen sah. Ich grinste ihn an. Natürlich war ich mitgelaufen und atmete genauso schwer, aber ich wusste es eben vorher.

Wir trainierten und es lief erstaunlich gut. Ich hatte gute Laune, fühlte mich erfrischt und befreiter als vor den Ferien. Diese Laune spiegelte sich auf mein Team wieder. Viel zu schnell für meinen Geschmack war das Training zu Ende und wir mussten uns umziehen.

Als ich Zuhause ankam saß meine Schwester gerade auf der Couch am Laptop und schien mit jemanden zu quatschen. Meine Eltern waren beide noch nicht zuhause. Sie klang fröhlich und kicherte. Um sie nicht zu stören wollte ich ihr nur zuwinken, doch fröhlich rief sie: „Oh mein Bruder ist da! Warte ich stell dir den mal vor! Jazzy komm mal her und sag hallo!“

Ich zog die Brauen skeptisch rauf und schlenderte langsam auf sie zu und fragte sarkastisch: „Bin ich fünf? Oder wieso redest du so?“ Sie winkte meinen Kommentar mit einer schnellen Handbewegung ab und drehte den Laptop. Ich sah in das Gesicht eines jungen Mannes. Er sah gut aus. Hatte blondes Haar und seine Augen schienen ein anfälliges grün zu haben. Er wirkte kräftig, jedoch viel weniger massiv als Jack. Er winkte mir fröhlich zu und sagte: „Hallo!“ Ich grinste und winkte zur Begrüßung während ich an beide fragte: „Wer ist das denn?“

„Das ist Clay! Wir haben uns kennen gelernt. Da das aber so frisch ist hab ich Mum noch nichts gesagt“, strahlte Jenny und blickte verliebt auf den Bildschirm.

„Hi Clay“, meinte ich freundlich und fragte: „Woher kommst du?“

„Aus Kalifornien und du bist der kleine Bruder welcher mal Baseballprofi wird?“

Ich grinste kurz zu Jenny und nickte: „Ja der bin ich wohl. Ja cool. Vielleicht sieht man sich ja mal persönlich.“ Clay grinste in die Kamera und nickte zustimmend und blickte dann zu Jenny.

Jenny meinte zu mir gewandt: „Clay ist Soldat… Er ist leider häufiger weg auf Einsätze als Sniper.“ Ich stockte und sah Clay an. Noch ein Soldat, dachte ich mir. Ich setzte ein Lächeln auf und nickte leicht. Ich wollte nicht unhöflich aussehen, aber durch die Geschichten von Jack hatte sich einfach die Einstellung gegenüber Krieg gewandelt.

„Ja“, meinte Clay kratze sich etwas verlegen am Kopf, „ist aber nicht so toll wie viele glauben. Ist halt nicht wie im Film. Verstehst du? Eigentlich liegt man nur stundenlang im Dreck und wartet, dass die richtige Person vorbeilatscht. Ist halt auch nicht immer schön und ehrenvoll…“

Ich nickte und schwieg, was sollte ich auch sagen? Weiß ich, hat man mir schon gesagt? Das hätte nur unnötige Fragen aufgeworfen. „Kann ich mir vorstellen“, sagte ich nach einem Moment und sah zu Jenny.

„Ich lass euch mal in Ruhe quatschen. Ich kam heute fünf Minuten zu spät und darf schon eine Strafarbeit machen“, meinte ich genervt und wollte hinauf in mein Zimmer gehen. Doch als ich an der Treppe war rief Jenny mir noch zu: „Jazz du kennst doch den neuen Nachbarn. Der Hund war wieder bei uns im Garten. Sag ihm mal er soll das Loch finden. Sonst bekommt Dad wieder einen Kollaps.“ Ich rief ihr zu, dass ich ihm das sagen werde. Oben versuchte ich mich auf meine Schulsachen zu konzentrieren. Doch eigentlich waren meine Gedanken wieder bei Jack, beim Krieg und seinen Geschichten die er mir erzählte.

Mehr schlecht als recht machte ich die zusätzlichen Arbeiten. Mein Biolehrer würde sich freuen mir Nachsitzen aufbrummen zu können, wenn ich sie nicht abgebe. Wegen dem Training konnte ich mir sowas nicht erlauben. Als ich beschloss schnell zu Jack zu gehen um ihm zu sagen, dass er das Loch finden sollte, kamen meine Eltern wieder und machten meinen Plan zunichte. Vater schien wieder schlecht drauf zu sein. Ich wusste nicht was passiert war also versuchte ich nicht viel mit ihm zu sprechen. Dass ich eine Strafarbeit bekommen hatte ließ ich einfach unter den Tisch fallen. Ich betrachtete meine Mutter, doch sie wich meinem Blick aus. Schwer schluckend sah ich auf den Rücken meines Vaters. Wie sollte ich ihn je wieder respektieren, nachdem ich weiß was er getan hat? Eine Wut stieg mir wie Galle hinauf und ich schluckte sie herunter. Mutter würde keine Hilfe wollen, ihr war es auch schon unangenehm, dass ich es wusste. Ich fühlte mich machtlos.
 

Ich blieb besser in meinem Zimmer, beschloss ich. Ich spähte aus dem Fenster und fand Jack mit Didi im Garten. Jack schien gerade zu trainieren. Ich sah ihn schnell mehre Liegestütze hintereinander machen. Didi schien etwas gefunden zu haben, was er gespannt mit der Nase verfolgte. Als es dem kleinen Welpen zu langweilig wurde rannte er zu seinem Herrchen und stand vor ihm. Er schien Jack einige Momente bei den Liegestützten zuzuschauen. Als er erneut mit dem Armen runterging leckte Didi Jack durchs Gesicht. Jack hielt einen Moment in der Bewegung inne und sah seinen Hund an. Er schien etwas zu sagen. Vermutlich aus, doch als er wieder runterkam wiederholte Didi das Ganze. Jack lachte auf und schob den Hund weg. Er wollte wohl weiter trainieren, doch sein Hund schien spielen zu wollen. Er kläffte Jack an, lehnte sich auf die Vorderpfoten und wedelte aufgeregt mit seinem Schwänzchen in der Luft. Als Jack erneut von Didi während der Liegestützte abgelegt wurde gab Jack lachend auf. Er ließ sich auf den Bauch fallen und sprach zu Didi, während er ihm durchs Fell wuschelte.

Jack streckte seine Hände nach dem Welpen aus und ärgerte den Welpen, indem er ihn auf den Rücken drehte. Dieser fing an wild mit den Beinen zu strampeln und an seiner Hand zu kauen. Jack lachte ausgelassen und kniete sich hin, während er mit dem kleinen Hund tobte. Ich freute mich als ich ihn so unbeschwert sah. Auch wenn er öfter etwas abfällig von seinem Hund sprach so hing sein Herz doch sehr an dem kleinen Fellknäul. Für mich persönlich war es fast eine Erleichterung einen so glücklichen Moment in Jacks Leben mitzuerleben. Ich musste unweigerlich lächeln.

Gleich im nächsten Augenblick fragte ich mich warum mich dieser Anblick so glücklich machte.

Bevor ich meine Gedanken dazu jedoch sammeln konnte rief meine Mutter mich hinunter.

Ihr viel auf das wir keinen Käse aus der Tube mehr hatten.

Ein Unding in einem richtigen Amerikanischen Haushalt! Und so wurde ich losgeschickt um eine Tube zu holen. Ich selber mochte das Zeug nicht mal. Es schmeckte wie eine Scheibe Schablettenkäse den man schaumig aufgeschlagen hatte. Widerlich. Aber mein Vater leibte es. Er aß diese Pampe gerne beim Football schauen.

Einen Augenblick sah ich noch hinüber in den Nachbarsgarten bevor ich genervt Richtung Supermarkt ging. Schon kurz nach dem Abendessen war die Tube mit dem Käse leer. Mutter bestand darauf, dass er ihn heute bekam und ich konnte mir denken warum, denn auch jetzt schien mein Vater äußerst angespannt zu sein. Vaters schlechte Laune nahm während des restlichen Abends nicht ab. Jenny war darüber ziemlich erbost und wäre meinen Vater dafür fast angegangen hätte Mutter sie nicht zurückgehalten.
 

So beschloss ich den Abend lieber in meinem Zimmer zu bleiben. Mir war langweilig und als ich raus blickte, es war bereits dunkel. Ich konnte wieder das flackernde Licht des Fernsehers aus Jacks Wohnzimmerfenster ausmachen.

Ich wusste es nicht, aber wieder mal schoss es mir durch den Kopf, dass er einsam sein musste. Er tat mir leid, denn ich fand, dass dieser Mann das nicht verdient hatte. Vielleicht waren die meisten seiner Freunde tot. Gefallen für irgendwas… Ich beschloss zu ihm zu gehen. Für mich war Jack ein Freund. Und Freunde ließ ich nicht im Stich.

Ich stand leise auf und schlich vorsichtig die Treppe runter. Unsere Treppe knatschte da sie aus Holz war. Ich konnte im Wohnzimmer den Fernseher laut hören und sah, dass meine Mutter und Jenny in der Küche saßen. Sie sich unterhielten angeregt. An meine Schuhe kam ich also nicht…

Von der Küche aus konnte man die Garderobe zu gut sehen. Also schlich ich barfuß hinaus und schloss die Tür so leise wie nur möglich. Ich nahm die Beine in die Hand als ich hinüber hechtete. Ich blickte durch ein Fenster neben der Tür und was ich sah ließ meine Befürchtungen wahr werden.

Jack saß auf seinem Sofa, er hatte Didi auf dem Arm und streichelte den schlafenden Welpen. Er ließ die Schultern hängen und ob er den Fernseher sah oder nicht wusste ich nicht. Er wirkte Teilnahmslos, doch sicher konnte ich mit nicht sein, da die Augenklappe seinen eigentlichen Gesichtsausdruck verfälschte. Es schien als seien alle Masken die er häufiger trug herabgefallen und ich konnte einen erschöpften traurigen Mann sehen. Er drückte den kleinen Welpen sanft und liebevoll an sich und die Flasche Bier neben ihm komplementierte das Bild. Das Schauspiel, was sich mir bot, traf mich und schmerzvoll zog sich meine Brust zusammen.

Ein eisiger frühlings Windzug erinnerte mich daran, dass ich barfuß war. Schnell ging ich hinüber zur Tür. Ich klopfte hastig mehrere Male hintereinander und wartete. Zögernd wurde die Tür geöffnet und Jack starrte mich für einige Sekunden an. Sein Blick glitt an mir herunter und blieb an meinen Füßen hängen die nur von Socken bedeckt waren.

Er trat beiseite mit den Worten: „Himmel, Jazz was machst du hier so spät abends? Und dann auch noch ohne Schuhe?“ Er blickte mich verwirrt an und schien sogar leicht besorgt zu sein. Beruhigend sah ich ihn an und meinte: „Es ist nichts! Keine Sorge…ich…“ Doch ich stockte unsicher was ich ihm genau sagen wollte also ging ich erstmal weiter in die Wohnstube hinein.

Jack schaute mich erwartungsvoll an und zog die brauen hoch. Didi den er auf das Sofa gelegt hatte wurde wach und streckte sich. Er schnüffelte mit der Nase in die Luft und fing an zu bellen. Er wedelte mit dem Schwanz und hüpfte von der Couch und rannte zu mir rüber.

Während ich den Hund streichelte wanderte mein Blick zum Fernseher. Ich sah eine Glückshow in der jemand gerade ein Auto gewann. „Ist das spannend“, fragte ich und ging Richtung Couch. Ich wollte ihm nicht auf die Nase binden, dass ich mich um ihn gesorgt habe. Ich wollte nicht, dass er dachte ich würde klammern oder sei ein Stalker. Ich wollte aber auch nicht, dass er traurig ist. Verwirrt sah Jack mir nach. Mit zögernden Schritten folgte er mir.

„Keine Ahnung“, fragte er mich während wir uns auf die Couch setzten. Ich sah kurz zum Fernseher, schaute jedoch schnell wieder ins Jacks Gesicht. Sein Blick haftete an mir. Nach einem kurzen Moment in dem wir uns beide stumm musterten fragte Jack mit seiner rauchigen Stimme: „Du willst mir doch nicht sagen, dass du zum Fernsehen, barfuß um diese Uhrzeit herüberkommst…“

Ich schaute kurz auf meine Füße und nickte leicht, ja da hatte er irgendwie recht…

„Hm… nein…irgendwie nicht“, begann ich zögerlich, „ich…ich hab heute Morgen das Geld gefunden was ich dir noch wieder geben muss… ja.“ Jack blickte mich fragend an und meinte: „Aja und wo hast du das?“

„Ähm…Zuhause… Hast du das nicht vermisst?“

„Nein? Jasper was ist los mit dir“, forderte er mich fast schon energisch auf.

„Ich…ach ich weiß auch nicht. Ich kann von meinem Zimmer dein Wohnzimmerfenster sehen. Abends sehe ich so häufig den Fernseher laufen… Ich dachte du bist eventuell einsam…“

Auf Jacks Gesicht erschien ein leichtes grinsen und er erwiderte nüchtern: „Weil Fernsehende Menschen Abends so selten sind meinst du?“ Ich war erleichtert, dass ich einen Blick durch das Fenster gewagt hatte, denn sonst hätte mich diese Aussage an meinen Verstand zweifeln lassen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihm in das Gesicht. Dieses Mal erkannte ich die aufgesetzte Maske sofort. Ich seufzte schwer und begann zu sprechen: „Ich habe gerade durch das Fenster gesehen. Du hast Didi ganz traurig gestreichelt und durch den Fernseher durch geschaut. Hast die Schultern hängen gelassen…Das sah einsam aus für mich…“ Jacks Blick blieb regungslos. Eine Maske des Schweigens hatte sich auf sein Gesicht gelegt. Ließ keine Regung erkennen.

Unruhig wurde ich, als ich ihn beobachtete. Ich kannte ihn nicht gut genug um immer hinter diese Maske zu schauen. Bin ich zu weit gegangen? Ist er jetzt wütend? Ich konnte ahnen, dass er verletzt war, wusste es jedoch nicht. Ob man ihn gebrochen hatte oder nicht wusste ich ebenfalls nicht. Je mehr Sekunden verstrichen desto nervöser und unsicherer wurde ich. Ich rutschte auf der Couch sitzend zu ihm und legte einfach meine Arme um seinen Hals. Ich zog ihn zu mir und umarmte den kräftigen Mann neben mir.

Er rührte sich nicht, sagte nichts und erwiderte die Umarmung nicht. Ich strich ihm über den Rücken während ich leise fast schon sanft zu ihm sprach: „Ich weiß nicht was du alles gesehen hast. Was du machen musstest…Aber du bist hier nicht alleine Jack. Ich weiß wir kennen uns nicht gut und nicht lange, aber manchmal muss man sich nicht lange kennen um sich so zu mögen oder jemanden zu vertrauen. Ich mag dich einfach wie du bist. Du musst hier nicht alleine sein, wenn du es nicht willst. Du hast einen Freund in mir…wirklich.“

Immer noch sagte er nichts. Innerlich war ich zum Zerreißen gespannt. Würde er mich wegschubsen? Mich eventuell sogar rausschmeißen? Vielleicht sogar lachen? Er wirkte so hölzern in diesem Moment. Als ich schon nicht mehr mit einer Reaktion rechnete und mich langsam von ihm lösen wollte legte er seine kräftigen Arme um meinen Körper. Er drückte mich, fester als ich dachte an sich. Ich hatte für einen kurzen Moment das Gefühl er würde sich festhalten. Als wäre ich ein Rettungsring und er ein Ertrinkender. Ich wusste, dass er darauf nichts sagen würde, dass brauchte er auch nicht. Für mich sagte die Umarmung mehr aus als es 1000 Worte hätten tun können. Sein Kopf ruhte auf meiner Schulter und ich atmete seinen Geruch tief ein, während ich ihm über den Rücken streichelte und sich sein kräftiger und doch gerade so schwachen Körper sich an mir drückte.

Peinlichkeit

Guten Abend,

ich hoffe ihr mögt das neue Kapitel.

Ich danke für die Kommentare und viel Spaß beim lesen.^^

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Wenig später lösten wir uns voneinander. Ich sah Jack ins Gesicht. Der Blick mit dem er mich betrachtete hatte sich verändert. Es war fast als würde er in mir nicht mehr bloß den Nachbarsjungen sehen mit dem man etwas Spaß haben konnte. Ich war unschlüssig ob ich nachfragen sollte was mit ihm los war. Vermutlich würde ich sowieso keine Antwort bekommen. Wir saßen nebeneinander auf der Couch und schauten uns in die Augen. Es war ein seltsames Gefühl. Ich hatte das Gefühl wir beide sahen in die Seele des Anderen, denn ich konnte erkennen, dass es Jack gerade nicht gut ging. Und damit meinte ich nicht bloß das untypische verhalten von grade eben. Nein, Die ganze Fassade die er aufgebaut hatte bröckelte grade in sich zusammen. Was auch immer er auch verborgen hielt nagte schwerer an ihm als ich dachte.

So still saßen wir da und die Sekunden zogen an uns vorbei.

Der Hund war wieder eingeschlafen.

Ich wusste nichts zu sagen, also schwieg ich. Dieser Moment war sehr intim und mir fast schon unangenehm. Mir war bewusst, dass Jack das Schweigen nicht brechen würde. Ich wollte ihn ablenken und runzelte die Stirn als ich zu der Gewinnshow sah, die gerade im Fernseher lief. Ich wollte ihn nicht mehr leiden sehen. Hinüberblickend zu Jack fing ich leise an zu erzählen: „War heute wieder in der Schule und auf dem Weg dorthin hat mich mein schwuler Klassenkamerad abgefangen.“

Ich schluckte, wusste nicht wie sehr ihn sowas interessierte, aber ich wollte nicht schweigen. Ich wollte nicht, dass er schlechte Gedanken hatte. Doch Jack schien glücklich darüber zu sein, dass gesprochen wurde. Mit monotoner Stimme setzte er zu einer Frage an: „Wieso? Steht er auf dich?“ Unwissend zuckte ich mit den Schultern und antwortete leise: „Glaub nicht. Er hat wohl einen Freund. Er will, dass ich mich oute… Habe ihm aber gleich gesagt, dass ich das nicht machen werde. Das ist meine Entscheidung.“ Jack grummelte etwas Zustimmendes wie ich heraushörte. Ich verstand von dem genuschel kein Wort Seine Haltung entspannte sich. Ich glaube er war erleichtert, dass ich ihn nicht versuchte auszuquetschen.

Vermutlich würde ich bei weiteren Fragen nur alte Wunden aufreißen. Dieser Moment war nicht der Richtige für ein Gespräch, was sicher tiefer ging als ich mir vorstellen konnte. Langsam fragte ich mich auch ob diese Wunden überhaupt alt waren? Da ich aber nicht fragte redeten wir weiter über dieses belanglose Thema. „Das hat ihm nicht gepasst oder“, fragte Jack und seine Stimme klang ziemlich abwesend. Ich atmete durch. Ich war unsicher in dieser Situation und begann zu berichten was Tobey von mir wollte. Jack hörte meinen Schilderungen zu und schwieg. Ich seufzte schwer und schaute zu Didi der zusammengerollt zu unseren Füßen lag.

„Dem Typen scheint es ziemlich wichtig zu sein, dass noch jemand dazu steht“, stellte Jack mit ruhiger festerer Stimme fest und blickte hinaus in den wolkenverhangenen Himmel. Auch ich folgte seinem Blick und nickte stumm. Ich hatte das Gefühl, dass Jack sich gefasst hatte. Die Kontrolle zurückbekommen hatte. Doch die Fassade die er häufig aufbaute war etwas verschwunden. Er schaute mir nun offener ins Gesicht.

„Vielleicht, weil er glaubt, dass die anderen ihn dann in Ruhe lassen. Er ist der einzige Schwule an unserer Schule“, mutmaßte ich nachdenklich.

Jack schnaubte kurz belustigt und ich blickte ihn fragend an. Er fing mit ruhiger, aber auch etwas amüsierter Stimme an zu erklären: „Das glaubst du nicht wirklich oder? Als ob er der einzige an der Schule ist… andere trauen sich sicher noch nicht sich zu outen, wegen den Idioten die den Jungen fertig machen. Es gibt sicher auch einige die es einfach noch nicht wissen wie du vor einigen Wochen… Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Junge und du die einzigen Schwulen auf der gesamten High School seid.“

Ich blinzelte über die Aussage verwirrt und dachte darüber nach. Wir waren schon einige Schüler und ja, schoss es mir durch den Kopf, da könnten neben uns beiden sicher noch andere Homosexuelle sein…

„Hm…. Vielleicht hast du Recht, aber sie werden sich trotzdem nicht outen“, meinte ich und sah ihm wieder ins Gesicht. Jack nickte zustimmend, schien darauf jedoch nichts weiter sagen zu wollen. Ich hatte ziemlich häufig das Gefühl, dass sich Jack in Wertungen und Meinungen zurückhielt und niemanden seine Ansichten aufdrängen wollte. Eigentlich eine angenehme Eigenschaft.

Während ich darüber nachdachte spürte ich auf einmal wie Jack seinen Arm um meine Schultern legte und mich zu sich heran zog. Er drückte meinen Körper an seinen kräftigen Torso. Er blickte mir in die Augen als er mich aufforderte: „Weißt du Kleiner, ich hab schon ziemlich viel von mir verraten… wie wäre es jetzt mit einer quid pro quo…“ Ich runzelte die Stirn und fragte mich worauf er hinaus wollte. Wenn ich so darüber nachdachte, dann hatte er Recht. Ich wusste schon einiges über diesen schweigsamen Soldaten neben mir. Das einzige persönliche was ich ihm preisgegeben hatte war, dass ich schwul bin…

Ich nickte und grinste ihn auffordernd an. „Dann stell mal deine ganzen Fragen“, meinte ich amüsiert und lehnte mich in seinen Armen entspannt zurück. Ich war erleichtert, dass die angespannte Situation vor einigen Minuten vergessen war.

„Wie lange warst du mit deiner Freundin zusammen“, kam es wie aus der Pistole geschossen von ihm.

„Sechs Wochen. Nicht lange“, antwortete ich genauso schnell und grinste schräg.

„Habt ihr euch geliebt“, fragte er weiter ziemlich direkt. Es wirkte so, dass er schon häufiger Person ausgefragte hatte.

Ich stutzte und dachte über die Antwort nach. „Hm“, begann ich zögerlich, „am Anfang dachte ich ja… Es war wirklich schön, aber im Nachhinein…wir waren sicher sehr, sehr gute Freunde und leider hab ich das wohl…mit Liebe verwechselt.“ Ich sah Jack ehrlich und offen ins Gesicht, das war nichts wofür ich mich schämen brauchte. Jack nickte verstehend und der Druck um meine Schulter verstärkte sich. Ich blickte zu seiner Hand, hinauf in sein Gesicht und sah einen frechen Ausdruck in seinen Augen aufschimmern. „Und ihr hattet Sex…wie war das?“

Ich bekam große Augen, dass würde ich ihm nicht erzählen! „Nein! Vergiss es, darüber rede ich nicht“, meinte ich schnell und ziemlich hastig. Jack lachte amüsiert und als ich mich aus seinen Armen winden wollte hielt er mich eisern fest. „Oh nein Kleiner“, meinte er schmunzelnd, „du hast mich auch gefragt. Also komm!“ Er blickte mich auffordernd an.

Doch ich wollte nicht. Es war mir zu peinlich! Jedes Mal wenn ich daran dachte wollte ich ihm Boden versinken und nie wieder hervorkommen. Fast würde ich sogar sagen, ich wollte lieber sterben als es jemanden zu sagen. In Jacks Auge flackerte Neugierde auf als ich mich so vehement gegen eine Aussage wehrte. „Los“, forderte er mich wieder auf, „komm das erste Mal ist immer Scheiße und läuft anders als man denkt.“ Doch ich schüttelte den Kopf.

Jack ließ nicht locker. Mein eisernes Schweigen beeindruckte ihn nicht mal. Es schien ihn anzustacheln und ich bereute, dass ich nicht einfach gelogen hatte damit er zufrieden war. Ich suchte nach einem Ausweg aus dieser unangenehmen Situation. Mein Puls raste und meine Gedanken suchten verzweifelt einen Hinterausgang.

„Nun komm schon Jazz“, meinte Jack und sah mir offen ins Gesicht, „Ich werde schon nicht lachen. Und glaub mir ich erkenne wann du lügst.“

„Woher willst du wissen wann ich lüge“, fragte ich in scharfen Ton und schürzte die Lippen.

„Weil ich darin ausgebildet wurde“, war seine trockene und simple Antwort. Ausgebildet? Er sagte das als sei es so normal, wie zum Kiosk zugehen. Ich starrte ihn einige Momente mit geweiteten Augen an und schwieg. Verwirrt fragte ich nach einigen Sekunden. „Wieso hat man dich darin ausgebildet“. Auf der einen Seite weil es mich brennend interessierte, auf der anderen hoffte ich er würde das Thema unter den Tisch fallen lassen. Doch Jack schmunzelte leicht und schüttelte den Kopf: „Nein Kleiner, keine Geschichten von mir, du bist dran. Erzähl, was ist bei deinem ersten Mal alles schief gegangen?“

Doch ich schüttelte den Kopf. Wenn ich ihm das sagen würde, würde er unterm Tisch liegen vor Lachen und ich würde am liebsten aus dieser Welt verschwinden. Ich schluckte schwer, rang mit mir. Hatte er mir doch wirklich gezeigt, dass er für mich da war. Ebenso habe ich ihn schon mit Fragen verletzt. Eigentlich war ich wirklich mal dran etwas Peinliches zu erzählen. Dennoch fragte frech: „Was krieg ich für die Story?“

„Was willst du“, war Jacks schnelle Gegenfrage die mich verblüfte. „Ähm“, entfuhr es mir stockend da ich nicht mit einer so schnellen Zustimmung gerechnet hatte, „eine Geschichte für eine Geschichte…wie wäre es du erzählst mir wieso du die Medal of Honor hast“, schlug ich vor und fing tatsächlich an zu zittern. Ich wollte nicht reden, aber ich brannte vor Neugierde was diese Geschichte anbelangte. Jack´s Griff um meine Schulter löste sich für wenige Augenblicke. In seinen Blick trat seine Maske aus Emotionslosigkeit und Schweigen wieder hervor. Es war fast so als würde ich ihn mit den falschen Fragen in eine andere Welt oder Zeit schicken. Zu einem Ort an dem er sich nicht erinnern wollte. Sekunden verstrichen und Jack kehrte wieder zurück zu mir. Er schüttelte den Kopf. „Nein“, meinte er klar und hatte seine Stimme im Griff, „die kriegst du nicht dafür. Such dir was anderes aus Kleiner.“

Mein Mund öffnete sich, wollte prositestieren. Doch dann begriff ich. Meine Geschichte war mir unsagbar peinlich und würde viele zum Lachen bringen. Jacks Geschichte nicht. Sie schien belastend und vielleicht sogar verstörend zu sein. Sie schien ihn zu verbittern und traurig zu machen. Vielleicht hatte dieses Ereignis diesen starken Mann auch gebrochen. Diese Geschichten konnte man weder miteinander vergleichen noch Gegenwerten. Ich nickte und konnte dennoch nicht verhindern enttäuscht auszusehen.

Vor mich hin grummelnd dachte ich nach. Was könnte diese Peinlichkeit wert sein. Nicht mal Eric hatte ich je davon erzählt…

Ich betrachtete Jacks Gesicht was meines genauestens studierte. Jede Regung meines inneren Kampfes schien er zu registrieren. Er drückte mich auffordernd an sich ran und starrte mir weiterhin in die Augen. Es war verunsichernd wie lange dieser Mann Blickkontakt halten konnte.

„Schenk mir einen Tag den ich nie vergessen werde“, meinte ich schneller als ich denken konnte und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Jack stutzte und schaute nachdenklich ins Leere. Nach einem kurzen Moment nickte er und sah mich auffordernd an. Ich blickte unsicher in sein Gesicht und meinte: „Also wirklich unvergessen nicht…. Keine Ahnung Motorrad fahren oder so…“

Jack nickte noch einmal und erwiderte: „Keine Sorge, was unvergessliches. Wird schon kein Kino oder so werden. Jetzt rede schon Kleiner. Oder muss ich es aus dir rausfoltern.“ Ich lachte kurz über den Witz um mir einen Moment später selbst die Frage zu stellen, ob er sowas wohl schon mal gemacht hatte. „Willst du mir wirklich sagen man hat dich darin ausgebildet zu foltern“, fragte ich ihn entsetzt. Jack grinste schräg und blickte mir erneut in die Augen ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. „Willst du das wirklich wissen Kleiner“, fragte er, seine Stimme klang beinahe tödlich. Ich konnte nicht anders als ihn nur anzustarren. Was war er für ein Soldat? Erneut öffnete ich den Mund, doch Jack unterbrach mich: „Deine Geschichte Jazz! Keine von mir mehr.“

Ich atmete durch und sortierte meine Gedanken. Ich dachte an das eine Mal mit Viola und die röte in meinen Wagen wurde intensiver. Wollte ich es ihm wirklich erzählen? Eigentlich nein, doch wollte ich, dass er heute Nacht nicht an etwas Schlechtes dachte und wenn dies bedeutete mich vor ihm bloß zu stellen war es leider so. Ich war verblüfft wie weit ich für Jack ging. Setzte ich mich mit dieser Geschichte doch seinem Spott aus.

Ich rang noch einmal schwer mit mir und sah noch mal hinauf in Jacks blaues Auge. Offene Neugierde war in sein Gesicht gemeißelt. Er hatte ein sanftes und gleichzeitig freches Grinsen auf den Lippen. Der Druck um meine Schulter verstärkte sich, gab mir Mut. Als ich anfing starrte ich jedoch vor Scharm auf den Boden. „Ich… Als wir zusammen kamen war alles immer recht locker. Dass war auch das was ich an ihr schätzte. Ihre lockere Art, ihre frechen Sprüche. Sie war halt nicht so…das Püppchen, auch wenn sie so aussah. Sie ist eine Cheerleaderin bei uns… Wir waren bei ihr…und haben uns halt geküsst und na ja… etwas gefummelt…“ Mir stockte der Atem. Ich brachte bis jetzt kaum einen zusammenhängenden Satz hervor.

„Mach doch nicht so ein Geheimnis daraus…“, meinte Jack und klang amüsiert während er meine Reaktionen betrachtete. Ich schluckte schwer und wollte mich aus seinem Arm winden, doch er hielt mich ohne große Mühe fest. „Da geblieben“, kam es von ihm fast schon lachend.

Ich atmete beruhigend durch eher ich zögernd weitersprach: „Also…na ja hat ja auch eigentlich alles geklappt…und war auch recht schön sogar…“ Wieder stockte ich und Jack grinste leicht als er mutmaßte: „Du bist nicht hart geworden.“

Ich schüttelte den Kopf und wünschte es wäre so. „Wir hatten schon Sex“, meinte ich und seufzte schwer.

„Oh Gott, sag bitte nicht du warst im falschen Loch“. Jacks Stimme klang fast mitleidsvoll.

Doch wieder schüttelte ich den Kopf.

„Es war alles gut. Wir wollten ja und ja…Dann hatte sie sich halt…drauf gesetzt und…“

Jack schmunzelte belustigt und riet weiter: „Du bist sofort gekommen.“ Doch ich schüttelte ein weiteres Mal den Kopf. Aus Scharm sammelten sich tatsächlich Tränen in meinen Augen. „Nein“, jammerte ich fast schon mit heiserer Stimme und blickte auf den Boden.

„Was denn dann?“

Ich riss mich zusammen und zwang mich weiter zu sprechen: „Wir… wir waren halt dabei und als sie sich draufsetzte war es irgendwie komisch... halt feucht…irgendwie…weiß auch nicht matschig … und Ja irgendwie …. Ekelig.“

Jack blickte mich verständnislos an, dann klicke es bei Jack und seine Augen weiteten sich. „…du bist schlaff geworden als sie auf deinem Ding saß?“ Ich nickte leicht und tatsächlich kullerten mir einige Tränen die Wange hinunter. Ich schaute kurz hinüber zu Jack und sah wie er sich feste auf die Lippen biss um sein Versprechen nicht zu brechen. Ein unterdrücktes Lachen hatte kurz seinen Körper erfasst. Ein ganz kleines Lachen stahl sich auf seinen Mund und er hustete. Er sammelte sich für ein paar Sekunden.

„Okay…und du warst dir danach wirklich noch unsicher ob du schwul bist?“ Er grinste mich wirklich amüsiert an und ich konnte nur erahnen wie sehr er einen Lachanfall unterdrückte. Wieder liefen mir Tränen die Wange hinunter. Ich hatte zwar mit so einer Reaktion gerechnet doch trotzdem gab es meinem Selbstbewusstsein in diesem Moment den Rest. Jack wischte mir die Tränen sanft weg.

„Sie hat es natürlich sofort gemerkt“, fragte er. Ich nickte leicht und blickte in die andere Ecke des Raumes. „Das ist scheiße“, kommentierte er nüchtern und sah mir in die Augen doch schnell wich ich dem Blick aus.

„Danach war auch irgendwie…schnell Schluss.“

„War es auch ihr erstes Mal?“

Ich nickte und Jack musste erneut ein Lachen unterdrücken während er meinte: „War ja echt beschissen für euch beide…“ Ich presste meine Lippen aufeinander und starrte auf den grauen Teppich zu meinen Füßen.

Jack schüttelte grinsend den Kopf und zog mich fast schon liebevoll zu sich heran. „Weißt du Kleiner, für diese Geschichte hast du dir wirklich einen unvergesslichen Tag verdient... Und hey.“ Jack schmunzelte mich an und zog mein Gesicht nah an seins. Unsere Blicke trafen sich. „Dafür war das erste Mal mit einem Kerl doch gleich viel besser oder“, fragte er mich fast schon liebevoll und als ich nickte spürte ich seine rauen Lippen auf meinen. Erleichtert erwiderte ich den Kuss. Legte meine Hände um seinen Hals und zog ihn näher an mich heran.

„Schwör mir“, begann ich nachdem sich unsere Lippen trennten, „dass du das nie irgendjemanden sagst. Okay?“ Jack nickte und versprach: „Werde ich nicht. Ich kann Geheimnisse bewahren. Aber…das ist wirklich die schlimmste Sexgeschichte die ich je gehört habe.“

Erneut wurde ich rot doch ich glaubte ihm, dass er es niemand weiter berichten würde. Trotzdem viel es mir schwer damit umzugehen, dass Jack diese Peinlichkeit kannte. Unzufrieden seufzte ich und Jack drückte mich noch einmal kurz an sich bevor er sich von mir löste. Ich sah ihm ins Gesicht und konnte keinen Spott oder Hohn in ihnen ausmachen. Wenigstens darüber war ich unglaublich froh.

„Willst du noch was wissen oder reicht das an Peinlichkeiten“, fragte ich nach einem Augenblick und schaffte es tatsächlich zu grinsen. In Jacks Augen stahl sich ein liebevoller Ausdruck und er schüttelte den Kopf während er meinte: „Reicht für heute. Du solltest vielleicht rüber gehen bevor deine Eltern was merken…“

Ich blickte hinüber zum Haus meiner Eltern und konnte kein Licht mehr sehen. Vermutlich waren alle schon im Bett. Bei einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es bereits weit nach Mitternacht war. „Ja da hast du Recht. Ich sollte rüber. Morgen komme ich sicher kaum aus dem Bett…“

„Das lernt man alles“, meinte Jack und schmunzelte.

Ich schaute ihn unschlüssig an. Wusste nicht, was ich mit der Aussage anfangen sollte, denn ich mochte ausschlafen ziemlich gerne. „Sag mal Jack, musst du eigentlich noch mit auf Einsätze?“ Jack verzog kurz das Gesicht und schüttelte zögerlich den Kopf.

„Sagen wir so“, begann er nach einem kurzen Moment, „ich versuch da gerade rauszukommen. Sollte jedoch noch irgendwas… Großes passieren muss ich noch mal ran.“ Ich dachte über seine Worte nach und fragte ihn: „Was ist denn was großes…?“ Doch Jack schüttelte leicht grinsend den Kopf. „Mach dir darüber mal keine Gedanken Kleiner, dass bekommst du ohnehin nicht mit.“ Ich schürzte die Lippen.

Während ich die Augen verdrehte meinte ich: „Jetzt hör endlich auf mich Kleiner zu nennen, das nervt echt gewaltig. Du bist gerade mal drei Zentimeter größer als ich!“ Jack grinste mich an. „Vergiss es. Du bist siebzehn, da kann ich dich auch Kleiner nennen.“

Ich schaute ihn kurz böse an eher ich frech meinte: „Okay du alter Sack.“ Jack war wenig beeindruckt und lachte mich nur aus. „Für die frechen Worte hättest du es verdient über´s Knie gelegt zu werden.“

„Versuch es“, meinte ich und versuchte bedrohlich zu klingen was Jack tatsächlich kichern ließ. Etwas was er noch nie zuvor getan hatte. „Nicht heute Kleiner. Beim nächsten Mal. Los hopp! Geh rüber ins Bett.“ Ich schaute Jack genervt an, da er aber Recht hatte stand ich langsam auf und ging Richtung Tür. Jack folgte mir.

„Nacht Jack“, meinte ich zu ihm und lächelte leicht.

„Bis dann.“

Unschlüssig lag meine Hand auf dem Türgriff und bevor Jack noch was sagen konnte beugte ich mich zu ihm und stahl mir einen Kuss. Ich grinste leicht und war stolz auf meine kleine Tat als ich mich löste und ihn verließ ohne mich noch mal umzudrehen sein Haus. Ob er mir hinterher sah und wie wusste ich nicht.

Ein unvergesslicher Moment

Hi, da ist wieder ein neues Kapitel.^^

Hierzu muss nur gesagt werden, das die liebe -Chiba- so nett war und gestern noch das Kapitel beta gelesen hat^^

wirklich noch mal herzliches Danke an dieser Stelle von mir.

Ich hoffe das neue Kapitel gefällt euch!
 

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Die nächste Woche zog ereignislos an mir vorbei. Leider schaffte ich es nicht mehr genug Zeit mit Jenny allein zu verbringen, um mich ihr anzuvertrauen. So musste ich sie am Mittwochnachmittag verabschieden, wofür ich tatsächlich das Baseballtraining ausfallen ließ. Ich drückte sie feste an mich und grinste Jenny spitzbübisch an.

„Jetzt, wo ich fertig mit dem Studium bin, kommst du mich gefälligst besuchen, klar“, meinte sie und grinste mich liebevoll an. Ich nickte und versprach es ihr. Ich würde sie schmerzlich vermissen, stellte ich fest. Jedes Mal wenn sie uns besuchte, gewöhnte ich mich viel zu schnell an ihre Anwesenheit und jedes Mal schmerzte es, wenn sie gehen musste. „Okay Jazzy bis dann!“, verabschiedete sie sich und küsste mich tatsächlich auf die Wange.

Ich wischte mir mit dem Handrücken darüber, was Jenny kichern ließ. Mum brachte Jenny zum Flughafen und unschlüssig stand ich im Flur rum. Dad kam aus dem Wohnzimmer und sah mich an. Er musterte mich stumm und ich sah fragend in sein Gesicht. Seit ich wusste, dass er meine Mutter geschlagen hatte, versuchte ich ihm aus dem Weg zu gehen. Ob es ihm auffiel oder nicht, wusste ich nicht. „Wir sollten mal wieder schießen gehen Jasper“, kam es von ihm und er griff nach den Autoschlüsseln. Scheinbar meinte er mit „mal“ jetzt sofort.

„In Ordnung“, meinte ich leise und ging zu unseren Schrank in dem die Waffen aufbewahrt wurden. Ich nahm meine Pistole, ein Kaliber 45 heraus und suchte nach der Munition. Lust auf Schießen hatte ich wenig heute, aber Dad würde eh nicht locker lassen bis wir auf dem Schießstand waren.

Wir saßen im Auto und Dad fragte mich: „Ist alles okay Junge? Du bist so verdammt still in letzter Zeit.“ Ich zögerte und blickte hinüber in sein Gesicht bevor ich log: „Ist doch alles wie immer…“ Ich merkte, dass er sich damit nicht zufrieden gab, also fing ich an zu lügen: „Ist nur etwas stressig Baseball und die Schule unter einen Hut zu bekommen.“ Mein Vater blickte zu mir herüber und nickte leicht. „Das wirst du schaffen“, versuchte er mich tatsächlich aufzubauen, „du hast dich immer dahinter geklemmt wenn du was wolltest, also wirst du das wohl auch schaffen. Da bin ich mir sicher.“

Fast schon traurig musste ich ihn anlächeln. Es war wirklich nett was er sagte, würde ich nicht wissen, wie er sonst sein kann. Aber vielleicht hatte Mum ja Recht. Vielleicht tat es Dad auch leid und er würde es nie wieder machen. „Sag mal Dad“, begann ich nach einigen Momenten der Stille, „treffen wir irgendwen auf den Schießplatz?“ Er nickte und erklärte: „Einige Arbeitskollegen sind da. Du warst schon so lange nicht mehr schießen, nachher rostest du ein. Das wäre nicht gut, besonders nicht wenn ein Irrer nebenan wohnt.“ Ich konnte nicht anders als ihn anzustarren. „Dad, Jack ist echt nett! Ihr habt euch nur einfach beschissen kennengelernt“, verteidigte ich ihn, doch mein Vater schnaubte bloß erbost. Ich wusste es brachte nichts mit ihm darüber zu sprechen und wieso sollte ich jetzt Streit anfangen? Es würde nichts bringen.

Dad und ich verbrachten fast den ganzen restlichen Tag dort. Mein Vater sprach viel mit den Leuten und ich fragte mich, ob den Menschen überhaupt klar war, was man alles mit den Waffen anstellen konnte. Ich dachte an die Jugendlichen, die Jack befreien wollte und die vermutlich gestorben waren. Die Lust auf Waffen war mir schon längst vergangen. Spätestens nach den sinnfreien Attentaten der vergangenen Zeit…

Auch erschloss sich mir die Logik nicht, die mein Vater nach jedem Attentat hatte. „Mehr Waffen würden gegen Terroristen, Amokläufer und andere Idioten helfen.“ Als ich ihm einmal sagte, dass die Amokläufer mit schärferen Gesetzen gar nicht erst an Waffen gekommen wären, war er beleidigt. Dad hatte reagiert, als ob ich ihn persönlich angegangen wäre.

Ich zielte auf die Scheibe und schoss einige Male hintereinander. Ich lernte schießen seit ich acht war, wie viele Kinder in meinem Alter damals.

Wieder schossen mir Jacks Worte durch den Kopf, dass sich das Leben verändert, wenn man ein anderes Leben nahm. Ich stellte mir vor, dass die Scheibe vor mir ein Mensch sei. Jemanden, den ich nicht mochte. Ich dachte an meinen Biolehrer, wie er da stand mit diesem überheblichen Grinsen. Ich senkte langsam den Arm und schluckte schwer. Auf Menschen schießen, dass könnte ich nicht. Aber vermutlich war es etwas anderes, wenn es um das eigene Leben ging. Ich verurteilte Jack nicht, er schien nie aus Lust getötet zu haben, einzig zum Überleben.
 

Als wir später nach Hause fuhren war mein Vater seit langer Zeit erstaunlich gut drauf. Wir hielten an einem Fast Food-Laden und kauften für alle Zuhause Hamburger. Das Essen war vergnügsam und endlich wurde am Tisch wieder gelacht, ein ziemlich befreiendes Gefühl.

Vater erzählte aufgeregt von seiner Arbeit und amüsierte sich über einen Kollegen. Heute hatte Vater nur einen sehr kurzen Arbeitstag. Vielleicht hatte Mutter Recht und mein Vater musste einfach weniger arbeiten, er war ja auch nicht mehr der Jüngste. Freiwillig brachte ich nach dem Essen den Müll raus und traf Jack mit Didi auf der Straße. „Hi“, rief ich ihm fröhlich gelaunt zu und lächelte als ich ihn sah. Auch mein Herzschlag beschleunigte sich. Unbewusst leckte ich mir über die Lippen als ich sein Gesicht und seinen Körper sah. Didi kläffte und lief schwanzwedelnd auf mich zu. Ich streichelte den quirligen Vierbeiner. „Hi“, raunte Jack mir mit seiner tiefen Stimme entgegen und betrachtete mich. „Alles klar bei dir“, fragte ich und sah ihm ins Gesicht. Er nickte nur und schaute zu dem Haus meiner Eltern. Er schien kurz die Stirn zu runzeln, warum wusste ich nicht. „Du musst noch ein Versprechen einlösen“, erinnerte ich ihn und grinste ihn leicht an.

„Stimmt“, meinte Jack als ich ihn scheinbar aus seinen Gedanken holte, „hab ich schon nicht vergessen Kleiner…wann hast du Zeit?“ Ich dachte kurz nach und meinte: „Samstag eigentlich… Da steht nichts an.“

„Dann Samstag“, meinte Jack freundlich klingend. „Vielleicht solltest du nicht zu schwer essen vorher.“

Ich blickte ihn verwirrt über die Aussage an doch bevor ich fragen konnte hörte ich die besorgte Stimme meiner Mutter: „Jazzy. Kommst du bitte rein. Du solltest mir noch helfen!“ Ich seufzte schwer. Jack hatte doch nichts gemacht, dachte ich genervt. Macht sein Aussehen echt so große Angst? Ich grinste Jack kurz an, welcher meiner Mutter höflich zugenickt hatte. Jack zog eine Augenbraue hoch. Sein Blick glitt zu mir und wieder zu meiner Mutter. Er seufzte kaum hörbar und sprach zu meiner Mutter: „Ich beiße nicht, auch wenn ich so aussehe.“ Ein kleines perverses Grinsen schlich kurz auf meine Lippen und schnell sah ich zu Boden.

Ich sah meine Mutter erschrocken zusammenzucken und fahrig antwortete sie: „Das weiß ich doch! Jasper war nur so nett und wollte helfen.“ Jacks Augen wanderten von meiner Mutter zu mir und er nickte mir leicht zu. Er schien mit sich zu ringen und dann tat er etwas, was mich verwunderte. Er versuchte meine Mutter freundlich anzulächeln und meinte: „Das ist nett von ihm. Ich bin Jack, aber das wird Jazz schon gesagte haben.“ Er wirkte überfordert im führen dieser Konversation. Meine Mutter nickte ihm mit großen Augen zu und blickte ihn unsicher an. „Ja hat er … auch das er beim Umzug geholfen hat“, sagte Mutter und versuchte selbstsicher zu klingen, was ihr nicht gelang. Ich freute mich, dass Jack versuchte das Eis zu brechen. Vermutlich tat er es nur, um mir einen Gefallen zu tun.

„Ja… hat mir auch ziemlich geholfen“, meinte Jack. Immer noch wirkte das Gespräch holprig und unbeholfen. Ich trat neben ihn um ihm in dieser Situation beizustehen und erklärte: „Jack war tatsächlich bei Ikea und hat da eingekauft.“ Mutter schaute von mir zu Jack und langsam wich der ängstliche Ausdruck aus ihrem Gesicht. Sie lächelte tatsächlich leicht, als könne sie sich, so wie ich, nicht vorstellen, wie Jack in diesem Laden einkaufte. „Ich geh da ab und zu gerne rein“, meinte sie leise, immer noch recht vorsichtig klingend. Jack nickte ihr nur zu und schien nichts darauf sagen zu wissen. „Ich finde den Laden ja grauenvoll“, kommentierte ich und versuchte den Gesprächsfluss aufrecht zu erhalten. Mutter grinste mich tatsächlich kurz an, kannte sie doch meine Haltung dazu, doch als sie weiter sprechen wollte kam mein Vater aus dem Haus getreten.

Als mein Vater neben sie trat fing Didi an zu knurren. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Ich schmunzelte, als ich den Welpen sah, der versuchte gefährlich auszusehen. Sollte Didi wirklich jedoch so groß werden wie ein Wolf, würde man später sicher nicht mehr grinsen sondern vor ihm Angst haben. Ich betrachtete das kleine Tierchen was sich schützend vor Jack und mir aufgestellt hatte.

„Didi aus!“, vernahm ich Jack's ernst klingende Stimme. Didi hörte auf zu knurren, ließ meinen Vater jedoch nicht aus den Augen. Ich war überrascht, dass der Hund tatsächlich auf den Befehl hörte. Das kleine Tierchen war doch sicher noch gar nicht in dem richtigen Alter um sowas zu trainieren.

Mein Vater ignorierte den Hund und funkelte Jack böse an. „Lass meinen Sohn und meine Frau in Ruhe!“, raunte er Jack finster an. Unbeeindruckt davon zog Jack die Augenbrauen rauf. „Er darf doch sprechen mit wem er will. Ebenso wie deine Frau. Aber wenn es dich beruhigt, dann kann ich es auch dir sagen“, meinte Jack und meine Augen wanderten erschrocken zu ihm. „Ich hab das Loch im Zaun gefunden. Ich nehme an ein Waschbär hat sich mal unter dem Zaun durchgegraben. Ich hab es zugeschüttet.“ Dad nickte zufrieden und meinte fast schon bösartig: „Will ich doch hoffen. Den Flohzirkus will ich nicht auf meinen Grundstück haben!“ Erneut blickte er hinunter zu Didi, welcher gleich wieder zu knurren begann. Ich blickte Jack kurz erleichtert ins Gesicht. Ich stand mit den Rücken zu meinen Eltern so konnten sie meinen entsetzten Blick nicht sehen, hatte ich doch Sorge, Jack erzählte von dem bevorstehenden Wochenende. Ich lächelte Jack entschuldigend an. Minimal, kaum wahrnehmbar hoben sich seine Mundwinkel ein Stück bevor er nach seinem Hund rief und nach Hause ging.

Auch ich wandte mich um und ging zu meinen Eltern. Eigentlich wäre ich lieber mit Jack gegangen. Schweigend betrat ich das Haus und schaute weder meiner Mutter noch meinem Vater in die Augen. Ich wollte gerade die Treppe hinauf gehen, als sich die Hand meines Vaters schmerzvoll um meinen Oberarm schloss. Ich kniff kurz die Augen zusammen und sah ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Sorge ins Gesicht. „Ich will nicht, dass du mit dem redest. Das ist ein Irrer“, meinte Vater mit ernster und tödlich ruhiger Stimme. Ich schluckte leicht. Ich nickte minimal und kurz verstärkte mein Vater den Druck um meinen Arm bevor er ihn los ließ. Als er los ließ schaute ich über den Kopf meines Vaters hinweg und sah Mutters geweiteten Augen. Sie sah uns beide erschrocken an und ich ging zügig hinauf in mein Zimmer. Warum musste er so sein, dachte ich frustriert. Noch beim Essen war die Stimmung gut und nun wieder sowas…

Ich brauchte wieder eine Ausrede für das Wochenende…
 

Die restliche Woche zog an mir vorbei. Ich trainierte viel und auch hart mit meiner Mannschaft. Bald stand ein Spiel auf dem Plan und ich wollte es gewinnen! Eric versprach mir für das Wochenende ein Alibi zu geben. So kam es, dass ich nach dem Mittagessen am Samstag das Haus verließ und an Jacks Tür klopfte. Ich war gespannt was er vorhatte. Ich hatte ihn versucht per SMS auszuquetschen, doch er weigerte sich mir irgendwas zu verraten. Er hatte eisern geschwiegen. Jack öffnete mir gleich die Tür und er trug ein olivenfarbenes Oberteil, dessen Ärmel hinaufgekrempelt waren. Schon wieder Olivgrün, dachte ich mir. Dazu eine olivgrüne Hose mit einem militärstreifen Tigermuster. Das T-Shirt war in die Hose gesteckt worden und ein breiter Gürtel hielt die Hose an der Hüfte. Seine Füße steckten in festen schwarzen ledernen Schuhen. „Hi“, begrüßte er mich freundlich. Ich konnte nur zurückstarren. Wollte er jetzt mit mir trainieren? Ja das könnte unvergesslich werden, aber das wollte ich nicht! Er griff gleich nach dem Schlüssel und zog eine Jacke an. Er nahm die Leine des Hundes und steuerte mit mir gleich auf seinen Wagen zu. „Wo geht es denn hin“, wollte ich endlich wissen und klang ziemlich skeptisch. Er sah mir in mein verwirrtes Gesicht als er den Motor startete. Ich schnallte mich an, unsicher ob ich wirklich noch mit ihm weg wollte. „Lass dich überraschen“, meinte er kurz angebunden und fuhr aus der Einfahrt raus. Immer noch war ich unsicher und fragte ihn: „Sicher das ich diese Überraschung haben möchte?“ Er blickte kurz zu mir und fragte: „Wieso? Nur weil ich eine Armyhose trage? Das heißt doch nichts.“ Ich nickte leicht, verlor aber meine Skepsis nicht. Jack schaltete das Radio an und wir fuhren erneut auf den Highway. Ich war gespannt wo es hin ging und spielte ein wenig mit dem Handy herum. „Sag mal“, fing ich an: „...hast du eigentlich auch andere Farben in deinem Kleiderschrank?“ Jack sah kurz an sich runter bevor er nach dem Wieso fragte. „Alles ist bei dir irgendwie Grün“, sagte ich. Noch einmal sah Jack an sich herunter. „Mhhhh…“ meinte er langgezogen. „ja stimmt irgendwie. Ist so eine Angewohnheit.“ Er lachte kurz auf. So witzig war das gar nicht.

Ich dachte in diesem Moment darüber nach, dass ich unbedingt mal mit ihm einkaufen müsste. Der Kerl brauchte Kleidung, die nicht nach Militärstützpunkt aussah. Ich schoss von Jack ein zwei Bilder beim Fahren und als er es merkte hob er die Hand vor die Linse. Ich lachte und meinte: „Du sagtest doch du magst Fotos!“

„Ja, aber was hast du damit vor“, fragte er direkt und klang dabei ein wenig unfreundlich. Ich stutze über die Aussage. Denn eigentlich hatte ich sie gemacht um des Machens willen. „Ähm…nichts. Nur so…wenn du nicht willst, stell ich die nicht ins Internet oder so“, meinte ich und nahm das Handy runter. „Natürlich nicht! Die kommen auf keinen Fall ins Internet! ... “, er blickte kurz zu mir rüber und als er meinen entrüsteten Gesichtsausdruck bemerkte, beruhigte er sich. Wir sahen einander einen Augenblick tief in die Augen.

Ein fast sanftes lächeln entglitt ihm als er freundlicher hinzufügte: „Aber wenn du willst, kannst du welche haben…“ Ich erwiderte das Lächeln, machte jedoch erstmal keine weiteren Bilder. Wurde er irgendwie verfolgt, schoss es mir durch den Kopf. Ich blickte hinaus auf die Straße und erkannte, dass wir uns immer weiter von unserem Zuhause entfernten. Und bei der nächsten Abzweigung verlor ich die Orientierung. Ich war unsicher wohin es ging. Nie zuvor war ich in dieser Gegend. In der Ferne konnte ich eine Art Häuschen ausmachen, welches neben einer Schranke stand. Als wir vor einer Schranke standen kam ein schwer bewaffneter Mann in Uniform auf unser Auto zu. Er hielt ein Maschinengewehr in den Händen. Jack öffnete das Seitenfenster und schaute entspannt zu dem Soldaten. Der Mann kam zu uns hinüber und blickte zuerst mich, dann Jack ernst ins Gesicht.

„Was wollen die Herren hier“, fragte er mit lauter und sehr strenger Stimme. Ohne sich von dem gehabe des Wachmannes beeindrucken zu lassen griff Jack in seine Jacke und holte eine kleine unscheinbare Plastikkarte hervor. Sie ähnelte einer Kreditkarte. Der Wachmann schaute hinauf und ich konnte sehen wie sich seine Augen vor erstaunen weiteten. Sein Blick glitt über Jacks gezeichnetes Gesicht und augenblicklich später salutierte er vor Jack.

„Der gehört zu mir“, sagte Jack und deutete auf mich und der Wachmann nickte nur zügig. „Ich mach die Schranke sofort auf Sir“, sagte er und beeilte sich zu seinem Häuschen zu kommen. Ich blickte ihm verwirrt nach und starrte auf die Karte, die Jack wieder in seiner Jacke verschwinden ließ. Der Wachmann wollte nicht mal meinen Ausweis sehen. Erneut salutierte er vor uns. Ich fand es komisch und mein Blick glitt zu Jack, dem das Verhalten wohl weit weniger komisch vorkam als mir.

„Sind wir auf einem geheimen Militärstützpunkt“, fragte ich Jack als das Haus des Wachmannes hinter uns verschwand.

„Nicht auf einem geheimen“, erwiderte Jack und blickte zu mir rüber. Ich starrte zu Jack und nickte leicht. Was wollte er hier? Ich sah mich um, doch immer noch war nichts Interessantes zu sehen. Nur felsige Landschaften und die Straße auf der wir fuhren. Doch langsam aber sicher konnte ich in der Ferne einige Gebäude ausmachen, auf die wir uns zubewegten. Je näher wir den Gebäuden kamen, desto mehr Details konnte man erkennen. Ich sah einen Jet starten und auch einige Helikopter standen herum. Als wir auf einem Parkplatz fuhren sah ich, dass sie alle ähnliche Kleidung trugen wie Jack. Hier würde ich mit meiner zivilen Kleidung ziemlich auffallen dachte ich und als das Auto stand, stieg ich aus.

Ich wartete bis Jack neben mir getreten war und sah skeptisch in sein Gesicht. „Du verrätst mir immer noch nicht was wir hier machen, oder“, fragte ich verwirrt und schaute gerade dabei zu wie einige Leute einen Jet aus einer Halle zogen. Jack grinste mich kurz an. Er leinte Didi an und während er ihn absetzte meinte er: „Nein. Lass dich einfach überraschen.“ Wir gingen los und einige der Soldaten, an denen wir vorbeikamen, grüßten uns. Andere salutierten, aber keiner schien nachzufragen was ich hier machte. Sie behandelten mich keineswegs wie Luft, aber entweder interessierte es sie nicht, oder Jacks Anwesenheit reichte aus, damit keiner fragte. Ich hörte einige „Snake“, murmeln. Doch ich verstand nicht weswegen sie es taten, bis auf einmal ein großer Mann auf uns zu trat. Er war hochgewachsen. Größer als Jack und ich. Seine Haare waren rasiert ebenso wie sein Bart. Er trug wie Jack eine Hose mit Armee Tarnmuster. Anders als Jack war auch sein Oberteil passend dazu gewählt. Er grinste uns beide an und rief mit lauter und kräftiger Stimme: „Snake, hier drüben! Da bist du ja, hab gedacht du kommst nicht mehr.“ Er ging auf Jack zu und die beiden Männer reichten einander die Hände. „Hi, haben länger gebraucht“, meinte Jack und klang professionell. Wieder fiel auf, wie viel ruhiger er sprach als die anderen Soldaten.

Der Fremde blickte von Jack zu mir und grinste mich mit einem breiten Grinsen an. Sein Blick glitt an meinem Körper entlang und scannte mich. Jedoch nicht, als ob er mich attraktiv fand, eher als schaue er ob ich was drauf habe.

„Das ist der Kleine, Snake?“ Ich blickte verwirrt zu Jack, wieso nannten die ihn so und was hatte er ihm gesagt? „Ja, das ist Jazz. Jazz das ist White Shark“, stellte Jack mir den Fremden vor. Ich blinzelte einige Male. White Shark? Das war doch kein Name. Genauso wie Snake doch kein Name war. Trotzdem schlug ich ein und schüttelte dem Mann, der sich White Shark nannte, die Hand.

„Wollen wir mal schauen wie tauglich du bist“, meint er und grinste mich an. Ich quittierte diese Aussage mit einem entsetzten Blick zu Jack, der kurz grinste, als er meinen Ausdruck sah. Dem Soldaten vor mir entging der Blick, denn er drehte sich zu Jack um und nickte ihm zu. Er ging und Jack folgte ihm.

Erst nach einigen Augenblicken merkte ich, dass ich folgen sollte. Schnell schloss ich zu Jack auf und murmelte ihm leise zu: „Snake?“ Jack blickte zu mir und erklärte leise: „Ein Codename. Anonymität ist unsere Lebensversicherung.“ Ich nickte kurz verstehend, doch dann richtete sich mein Blick auf den Jet der gerade noch aus dem Hangar gezogen wurde. Wir steuerten direkt darauf zu und es klickte.

„Ach du scheiße! Ich werde Jet fliegen! Ich flieg Jet! Wie geil ist das denn“, schrie ich vor Ektase und konnte nicht an mich halten. Aufgeregt begann ich ein- zweimal auf und abzuspringen. Jack und der andere Soldat drehten sich zu mir um und beide lachten, als sie sahen, wie sehr ich mich freute. Ich strahlte Jack begeistert an und meine Augen leuchteten. „Oh wie geil! Ich flieg Jet!“

Jack nickte, grinste breit und musste lachen als er mich so freudestrahlend sah. „Ja, tust du“, meinte er fröhlich. Selten hatte ich sein Gesicht so gelöst gesehen wie gerade.

Auch White Shark lachte und reichte mir einen Helm und eine Tüte. Er grinste breit und meinte: „Wenn du kotzen musst.“ Ich blickte die Tüte an und nahm sie entgegen. Zu den beiden erfahrenen Soldaten schauend fragte ich: „Habt ihr euch übergeben müssen?“ Beide nickten mir zu und Jack erklärte besonnen: „Dein Körper war diesen Kräften noch nie ausgesetzt. Da passiert das sehr schnell, dass ist nicht schlimm.“ Ich lachte immer noch und konnte nur den Kopf schütteln. Ich nahm mein Handy aus der Tasche, zog Jack zu mir und machte ein Selfie mit ihm. Tatsächlich grinste er sogar leicht in die Kamera. Dann nahm er mir das Handy aus der Hand und entfernte sich etwas. Er schoss ein zwei Bilder, eher er mit Didi weiter weg ging. White Shark begann mir zu erklären was ich zu tun hatte.

Eigentlich war das recht simpel. Sitzen, bloß nichts anfassen, wenn ich mich übergeben musste, dann genau die Tüte treffen und auf keinen Fall den Schleudersitz betätigen außer ich bekam das Kommando dazu. Ich grinste breit und setzte mich in den Jet. Das Atemgerät war komisch, doch notwendig. Ich musste einige Atemübungen machen bis der Soldat, der mich eingewiesen hatte, zufrieden war.

Über Funk vernahm ich die Stimme des Soldaten, die mich belustigt fragte: „Und? Bereit Kleiner.“ Wieso nennen mich eigentlich alle Kleiner? Ich verdrehte die Augen und sagte nur: „Klar!“ Der Jet rollte auf die Startbahn und mein Puls fing aufgeregt an zu schlagen. Ich hatte mit vielem gerechnet, was sich Jack hätte einfallen lassen können, doch Jetfliegen war nicht dabei!

Und dann ging es auch schon los. Ich wurde in den Sitzt gedrückt und mit einer Schnelligkeit, die für mich unbeschreiblich war, schossen wir über die Landebahn. Der Pilot zog den Jet hinauf und ich sah den Erdboden an uns vorbeizischen. Jetzt verstand ich auch das Atemgerät. Ohne dieses wäre vernünftiges Atmen bei dem Druck fast unmöglich gewesen. Bis jetzt hielt mein Magen stand, auch wenn er sich ziemlich flau anfühlte.

Ich sah die Wolken an uns vorbeiziehen. Wirklich erkennen was unter uns war, war nicht mehr möglich. Wir stiegen höher und durchstießen die Wolkendecke. Die Sonne war in unseren Rücken und die Wolken bildeten groteske Formen. Ich genoss den Anblick und spürte die Kraft der Geschwindigkeit auf meinen Körper.

„Schon gekotzt“, hörte ich die Stimme des Piloten in meinem Ohr. Ich schüttelte den Kopf und lachte während das Adrenalin durch meinen Körper schoss. Nachdem ich meinen Kopf schüttelte fiel mir auf, dass der Pilot mich ja gar nicht sehen konnte, denn die beiden Sitze waren in zwei getrennten Kammern. Er saß hinter mir und war ein paar Zentimeter erhöht. Durch die Trennwand zwischen uns konnte er mich jedoch trotzdem nicht sehen. Mein Puls raste und schien mit dem Jet mithalten zu wollen.

Ich hörte den Piloten lachen als er meinte: „Dann sollten wir das ändern!“ Mit diesen Worten zog er den Jet zur Seite und ließ ihn Schrauben fliegen. Mein Magen konnte gerade noch standhalten. Doch ich merkte, wie mir immer übler wurde. „Du bist ein harter Brocken Jazz“, hörte ich die Stimme in meinem Ohr. Man konnte schon an seiner Stimme erahnen, dass er mehr wie breit grinste.

„Jemals so schnell gewesen, Jazz“, fragte White Shark nach einigen Augenblicken des Schweigens. Ich wusste nicht ob ich antworten konnte. Nachdem ich mich einige Sekunden gesammelt hatte brachte ich ein schnelles „nein“ heraus. Er lachte freudig auf und man merkte, dass es ihm riesigen Spaß machte dieses Flugzeug zu fliegen.

„Lass uns schneller fliegen wie der Schall“, vernahm ich nach einigen Moment seine Stimme in meinem Ohr. Erneut wurde ich in den Sitz gedrückt und die Welt fegte an mir vorbei! Ich hörte einen Lauten knall, kurz darauf folgte ein zweiter!

„Jetzt fliegen wir mit Schallgeschwindigkeit“, vernahm ich die Stimme des Piloten. Meine Sicht verschwamm und ich musste mich auf das Atmen konzentrieren. So wie man es mir gezeigt hatte. Fast wäre mir schwarz vor Augen geworden. Doch ich konzentrierte mich auf das Ein- und Ausatmen und die Welt nahm wieder klarere Formen an. Plötzlich zog der Pilot das Flugzeug in die Höhe. Immer weiter nach oben und auf einmal war der Boden über meinem Kopf. Ein Looping. Mein Magen rebellierte. Das war zu viel. Schnell nahm ich die Tüte in die Hand und musste mich übergeben. Mein Magen beruhigte sich erst als die Welt wieder richtig herum war. Immer noch war mein Körper durchflutet von Adrenalin. Ja, dieser Tag wird mir immer in Erinnerung bleiben, schoss es mir durch den Kopf.

Nach einigen Manövern sah ich unter uns die Militärbasis und White Shark setzte zur Landung an. Ein wenig erleichtert war ich, als wir endlich wieder Boden unter den Füßen hatten. Mein gesamter Körper bebte wie Espenlaub. Etwas, was mir in der Luft nicht aufgefallen war. Als wir endlich zum Stillstand kamen sah ich Jack auf den Jet zukommen. Er hatte Didi nicht mehr bei sich, vermutlich hatte gerade ein anderer Soldat den Welpen. Das Verdeck wurde geöffnet. Und mit wackeligen Beinen verließ ich den Jet. Jack grinste mich breit an und ich grinste leicht zurück. „Du bist echt blass“, meinte er und hielt mir tatsächlich eine Flasche Wasser, eine Zahnbürste und Zahnpasta hin. Er blickte mich fragend an. Ich nickte nur und nahm es ihm dankbar ab. Er grinste breit und während ich mir die Zähne putzte schaute Jack zu seinem Kameraden.

„Dein neuer Rekrut hat schon was drauf. Hat erst beim Looping gekotzt“, meinte er zu Jack gewandt und blickte mich an. Jack lachte, kam auf mich zu und schlug mir auf die Schulter, denn meine Augen weiteten sich als ich „sein Rekrut“ hörte. Er blickte mir kurz eingehend in die Augen, so dass ich verstand, dass ich besser Schweigen sollte. Fast hätten meine Beine nachgeben. „Ja… der hält mehr aus wie ich damals. Ich konnte mich nach meinem ersten Flug nicht mehr auf den Beinen halten.“ Ich grinste Jack leicht an und war tatsächlich stolz darauf, als er mir das sagte. Er legte mir die Hand auf die Schulter und zusammen mit White Shark verließen wir die Startbahn. Ich sah einen Helikopter landen und sah hinüber zu Jack. „Das nächste Mal dann Heli fliegen?“ Jack sah abwechselnd zu mir, dann zum Helikopter und wieder lachte er freundlich auf. Er legte kurz den Arm um mich und zog mich zu sich ran während er meinte: „Okay. Versprochen Kleiner.“

Der Höhepunkt eines unvergesslichen Tages

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Weißt du den gar nicht, wie schön du bist?

Wir lagen nebeneinander.

Unsere Atmung beruhigte sich und Jack strich mir beruhigend über die Schulter. Obwohl ich gerade die Führung hatte, war ich froh, dass Jack mich in den Arm genommen hatte und ich ihn an meinem Rücken spürte. Seine Finger zeichneten die Konturen meiner Schulter nach und zufrieden seufzte ich auf. Ich genoss das Gefühl hier zu liegen mit Jack. Ich kuschelte mich an seine Brust und ließ meine Finger zwischen seine gleiten.

Jack streichelte meine Brust und meinen Bauch und schien zufrieden. Nachdem ich einige Minuten genossen hatte, drehte ich mich in seinen Armen um und blickte ihm ins Gesicht. Ich lächelte leicht und strich ihm einzelne Strähnen seines braunen Haares von der Stirn. Er sah mir direkt in mein Gesicht, sah nicht weg. In seinem Blick war eine angenehme Wärme auszumachen. Mit den Fingern fuhr ich vorsichtig die Narbe an seiner Schläfe nach. Sanft, fast schon behutsam streichelte ich über seine Wange. Jack schloss die Augen und sein Kopf lehnte sich leicht in meine Hand. Ich hätte nicht gedacht, dass er so positiv darauf regiert.

Ich streichelte ihn weiter und meine Finger fuhren liebevoll die Konturen seiner Lippen nach, welche sich leicht hoben. Ich spürte, wie er sanft meine Fingerspitzen küsste und gemächlich das Auge aufschlug.

Unsere Blicke begegneten sich und mein Herz fing an schneller zu schlagen. Langsam arbeitete ich mich vor zu seinen Hals und blickte Jack friedlich lächelnd an. Langsam schloss ich meine Augen, beugte mich zu ihm und legte sanft meine Lippen auf die seinen. Jack erwiderte den Kuss. So gefühlvoll hatten wir uns noch nie geküsst. Als ich mich nach einem kurzen Moment von ihm löste, war der Blick, mit dem er mich bedachte ein anderer.

Ich versuchte hinter seine Fassade zu schauen und glaubte zu erkennen, dass er mich mit tiefer Zuneigung betrachtete. „Irgendwie…ist das wirklich schön…hier mit dir.“ Jack schloss erneut die Augen als ich wieder über seine Wange streichelte. „Ach ja“, fragte er sanft, fast liebevoll, etwas was ich noch nie in seiner Stimme wahrgenommen hatte. Er legte die Arme um meinen Körper und streichelte mir über den Rücken.

„Ja, ich fühl mich hier bei dir…einfach wohl“, meinte ich ruhig und küsste seine Brust. Ich betrachtete seinen Oberkörper eingehender und stellte fest, dass auch hier einige Narben waren, welche ich vorher nicht registriert hatte. War ich wirklich so in Ekstase gewesen? Einige waren auffälliger, andere schon fast verblasst. An der rechten Schulter hatte er eine sehr große Narbe. Sie schien noch nicht alt zu sein. Man sah deutlich, dass sie mit groben Stichen genäht wurde. Etwas weiter darunter eine weitere. Auch diese Narbe war nicht alt. Sie verlief in die gleiche Richtung und war tief rot. Ich studierte seinen Körper weiter. Dann fuhr ich den Streifschuss nach, welchen er von den Kindersoldaten hatte, während Jack leise, fast schon unsicher auf meine Aussage von gerade eben einging: „Das...ähm…freut mich.“ Ich schmunzelte, als ich seine Unsicherheit hörte und küsste weiterhin sanft seine Brust, auf welcher nur wenige Haare wuchsen. Dass ihn offensichtliche Zuneigung verunsicherte, fand ich irgendwie süß. Er schien so etwas nur selten gehört zu haben. Ich erinnerte mich daran, dass er mir anvertraut hatte, dass er nie eine Beziehung hatte.

Ich stützte mich etwas ab und betrachtete den Mann, der unter mir lag und zu mir aufblickte. Das sonst so eisige blau seines Auges wirkte in diesem Moment warm und voller Zuneigung. Mein Blick glitt von seinem Gesicht zu seiner Brust. Erneut strich ich über den Streifschuss an seiner Seite. Daneben waren andere, zum Teil schon verblasste Narben. Ich strich über sie und hörte Jacks leise Stimme erklärend sprechen: „Ein Messer. Während meiner Ausbildung…“ Ich schaute kurz hoch in sein Gesicht und nickte zum Zeichen, dass ich zuhörte, während mein Blick weiter an seinem Körper hinab wanderte. Sein Ausbilder hatte ihn tatsächlich mit einem Messer verletzt?

Ich suchte seinen Körper weiter ab. Er drehte den Körper dabei auf die Seite und so konnte ich mir auch seinen Rücken genauer angucken. Eine kreisrunde Narbe zeigte, dass er an der rechten Schulter von einer Kugel getroffen wurde. Seine Beine sahen kaum besser aus. Am linken Oberschenkel wieder eine fast runde Narbe. Ich tippte vorsichtig mit dem Finger darauf. „Noch eine Kugel“, fragte ich ihn. Jack schüttelte leicht den Kopf. „So ein Irrer mit ner Armbrust.“ Er grinste, während er sprach. Viele andere verblasste Narben schienen vermutlich von Schrammen oder anderen weniger schlimmen Situationen herzurühren.

Ja, er war nicht perfekt, doch auch mit all seinen Narben fand ich, war er ein schöner und attraktiver Mann.

„Belastet dich das nicht“, fragte ich vorsichtig nach. Jack schüttelte langsam den Kopf.

Nach kurzem Zögern antwortete er mir: „ Ich bin mit der Army groß geworden. Man hat mir mein Leben lang beigebracht, dass es das Beste im Leben ist Soldat zu werden.“ Es schwang ein Hauch Verbitterung in seiner Stimme mit. „ Ich hätte für die Army jedes Körperteil geopfert ohne es zu bereuen. …aber das ist vorbei.“

Ich war nicht sicher, ob ich nach dem warum fragen sollte. Doch mein Mund war schneller als mein Kopf. In Gedanken ohrfeigte ich mich selbst dafür. Ich wollte nicht wieder schlechte Stimmung verbreiten. Zu meiner Überraschung bekam ich eine ehrliche Antwort von Jack:

„Man hat mich verarscht. Der letzte Auftrag war ein reines Schauspiel und dafür habe ich zu viel verloren.“

Ich sah zu seiner Augenklappe und verstand. Vielmehr glaubte ich zu verstehen was er sagen wollte.

„Weißt du eigentlich, dass ich dich ziemlich hübsch finde“, sagte ich nach einem Moment Stille zu ihm. Ich lächelte freundlich, doch diese Mal wich Jack meinem Blick aus, wenn auch nur für Millisekunden. Als er meinen Blick suchte, grinste er. Es wirkte aufgesetzt, als versuche er sich über meine Worte lustig zu machen: „Ich bin nicht hübsch. Hübsch sind Frauen…wenn bin ich attraktiv…“

Skeptisch betrachtete ich Jack. Wie er unter mir lag und tatsächlich wieder meinem Blick auswich. Dieses Mal legte ich meine Hand unter sein Kinn und zwang ihn mit sanfter Gewalt mir in die Augen zu sehen. Eisiges blau traf auf warmes braun „Du bist ein schöner Mann, Jack. Trotz der Narben. Auch die Augenklappe entstellt dich nicht. Dafür gehst du damit viel zu selbstsicher um“, meinte ich ehrlich zu ihm.

Seinem sonst so strengen Mund entwich ein sanftes Seufzten. Seine kräftige, raue Hand legte sich auf meine Wange und leise hauchte er: „Ach Kleiner…“ Er zog mich hinab zu sich und küsste mich sanft auf den Mund. Ich erwiderte den Kuss und seine Arme legten sich um meinen Körper. Er zog mich neben sich und als er den Kuss löste, strich er mir einige Strähnen aus dem Gesicht. Dieses Mal war es sein Blick, welcher mich liebevoll musterte.

Die Zuneigung, die ich ihm gegenüber spürte, verwirrte mich fast schon. Ich kannte diesen Mann nur wenige Wochen und trotzdem hatte ich das Gefühl, ihm vertrauen zu können, fast mehr wie anderen Menschen. Ich konnte nur ahnen, dass es ihm genauso erging. Ich hoffte es.

Die Sekunden verstrichen und wir lagen stumm nebeneinander. Ich fragte mich, ob für ihn gerade die Welt auch stehen geblieben ist. Nach einigen Augenblicken legte Jack die Decke um unsere nackten Körper und bedeckte diese. Ich hatte das Gefühl ewig hier liegen bleiben zu können. So leidenschaftlich wir gerade miteinander geschlafen hatten, so sanft gingen wir nun miteinander um. Ich sah noch einmal zu den ganzen Narben hinunter und Jacks Geschichten schlichen sich in mein Gedächtnis. Ich wollte es nicht, doch konnte ich es nicht verhindern. Wie häufig er wohl dem Tod schon knapp von der Schippe gesprungen ist, fragte ich mich.

„Jack“, begann ich leise zu sprechen, „ich bin so froh, dass du noch lebst, dass ich dich kennen lernen durfte.“ Er sah mir stumm in die Augen und ein schmerzlicher Ausdruck flackerte in ihnen auf. Etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Er sagte nichts und so mutmaßte ich, als ich flüsternd meinte: „Du bist darüber nicht froh, oder? Also, dass du noch lebst…habe ich Recht?“

Ich sah, wie er mit sich rang, wie versuchte, seine Maske wieder aufrecht zu erhalten, doch er schaffte es nicht als ich ihm ins Gesicht sah. Zärtlich strich ich über seine Wange. Ich zog ihn zu mir und legte meinen Arm um ihn. Nur wenige Male hat er mir einen ehrlichen Einblick in sein Innerstes gewährt. Er brauchte nicht zu sprechen, sich zu erklären.

„Ich habe etwas anderes verdient“, meinte er dennoch leise und tiefe Reue lag in seiner Stimme. Noch bevor ich fragen konnte, redete er flüsternd weiter: „Ich habe einige Sachen gemacht, auf die ich nicht stolz bin.“ Ich fragte mich was er meinte, doch als ich ihn fragen wollte, erkannte ich in seinem Ausdruck, dass er darüber nicht würde sprechen können. Nicht, weil er nicht wollte, sondern weil er litt. Weil die Erinnerung daran ihm die Kehle zuschnürte. In seinen Augen war ein Schmerz eingebrannt, von dem ich wünschte ich könnte ihn davon erlösen. Betroffen sah ich ihn an und er erwiderte meinen Blick verletzlich. Nein, es war einfach noch nicht an der Zeit ihn danach zu fragen.

So sahen ihn sicher nur die wenigsten. „Jack ich…ich möchte dir wirklich gerne helfen…du hast mir auch so sehr geholfen, als es mir nicht gut ging…“ Wenn ich an mein Coming-Out und die letzten Tage dachte, konnte ich mit ehrlicher Gewissheit sagen, dass Jack mir eine große Stützte geworden war. Dasselbe wollte ich für ihn sein.

Er winkte leicht ab, löste seinen Blick von mir. „Es reicht, wenn ich damit leben muss, dass musst du nicht auch noch abbekommen.“ Ich blickte ihm ins Gesicht und sah, dass die Maske ihren Weg in sein Gesicht zurückgefunden hatte. Ich wusste, dass es jetzt keinen Sinn machte weiter auf ihn einzureden. Doch ich schwor mir in diesem Moment, dass ich Jack helfen werde. Dass ich ihn nicht alleine lassen werde. Aber für den Moment murmelte ich leise: „Okay…“

Das Schweigen, was darauf folgte, wirkte nicht wie sonst angenehm. Es war drückend, etwas was ich nicht gewollt hatte. Missmutig ließ ich mich neben ihn rollen und seufzte schwer. Ich schaute hinauf zur Decke, schielte zu ihm herüber.

„Jazz“, hörte ich Jacks leise, fast schon vorsichtige Stimme und ich wandte den Kopf gänzlich zu ihm. „Ich mag dich wirklich und…ich vertraue dir. Ich kann nur….ich bin nicht gut im Reden.“ Ich verstand und nickte leicht. Freudlos blickte ich ihm ins Gesicht, als ich meinte: „Irgendwie tue ich dir, wenn wir reden, immer weh. Dabei will ich dir gar nicht wehtun.“ Wieder erschien ein erstaunlich sanfter Ausdruck in Jacks Gesicht. Er legte den Arm unter meinem Kopf und drückte mich wieder an sich heran. „Jazz, du hast mich nie verletzt.“ Er fing an, an meinem Hals zu knabbern und wohlig seufzte ich auf. Ich wusste, dass er wieder ablenkte, doch ich ließ ihn.

Er würde nicht reden, wenn er noch nicht bereit ist. „Ich bin froh, dass du da bist“, hörte ich Jacks rauchige, leise Stimme an meinem Ohr, in welches er sanft hinein biss. Ein Lächeln schlich sich wieder auf meine Züge. Als ich den Kopf zu ihm wandte, klaute mir Jack einen leichten Kuss. Langsam verstand ich, weswegen Jack mich so nah an sich heran ließ. Vermutlich sehnte er sich mehr als er je zugeben würde nach Zuneigung, Wärme, vielleicht auch Liebe.

Wir kuschelten noch einige Zeit miteinander und dieses Mal war die Stille wieder angenehm. „Was wünscht du dir eigentlich für dein Leben?“ überrascht von der Frage weiteten sich kurz meine Augen. Sie verblüffte mich so sehr, dass ich im ersten Moment gar nichts darauf sagen konnte. Was wünschte ich mir für mein Leben? „Hm… Sicherheit, begann ich zögernd. Und ich...na ja… ich würde es wirklich gerne schaffen Baseballprofi zu werden“, stammelte ich etwas unbeholfen. Aufmerksam und mit sanftem Blick betrachtete mich Jack und erneut verblüffte er mich, ging er doch nicht auf die Unsicherheit ein, als er antwortete: „Und du glaubst wirklich, dass du glücklich als Baseballprofi wirst?“ Ich nickte zögernd, verstand ich den Sinn der Frage nicht. Wer würde nicht gerne sein Hobby zum Beruf machen? Jack sagte nichts, nickte nur, doch war ich mir sicher, dass er seine Meinung erneut zurückhielt. Auffordernd sagte ich zu ihm: „Komm, sag mir warum du zweifelst… Du weiß doch wie sehr ich Baseball liebe. Und ich bin gut!“ Er nickte, streichelte mir weiterhin sanft über den Rücken und erst nach einem Augenblick begann er zu erklären: „Ich weiß nicht, ob du glücklich wirst. Profispieler sind nicht schwul. Das „dürfen“ sie nicht.“ Über diese Tatsache hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Irgendwie hatte er Recht, doch gerade fühlte ich mich so gut, dass ich das Gefühl hatte, auch diese Hürde überspringen zu können.

„Dann bin ich eben der Erste“, meinte ich fast schon euphorisch klingend. Jack grinste leicht, doch erneut sagte er nichts. Er drückte mich an sich und nuschelte: „Hauptsache du bist glücklich.“ Ich kuschelte mich an seine Brust, als mir noch eine Antwort zu seiner Frage einfiel: „Und was ich gerne behalten möchte, sind meine besten Freunde… Und eigentlich würde ich dich auch gerne als Freund behalten.“ Ein sanfter, verstehender Ausdruck schlich auf Jacks Züge und er streichelte mir durch die braunen Haare. „Oh und ich möchte gerne reisen“, meinte ich gähnend. „Ich würde gerne die Welt sehen…So wie du…nur ohne den ganzen Krieg.“ Ich drehte mich wieder um und kuschelte mich an seinen Rücken. Schläfrig murmelte ich leise: „Und dann nehme ich dich mit… Damit du endlich mal schöne Sachen siehst…nicht nur Krieg und so… Lass uns auf Hawaii anfangen, dann lernen wir surfen.“ Ich schloss die Augen und stellte es mir vor, wie es wäre mit Jack die Welt zu erkunden. Ich spürte seine rauen Lippen an meinem Hals und wie er sanft den Druck verstärkte.

Als ich langsam einschlief spürte ich Jack an meinem Rücken und sein Duft benebelte meinen Verstand.
 

Als ich am nächsten Morgen erwachte, fühlte ich mich ausgeruht und entspannt. Ich blickte neben mich und tatsächlich lag Jack auf der Seite und schlief. Etwas, was mich überraschte. Fast schon friedlich wirkte er und seine Brust hob und senkte sich entspannt. Müde wischte ich mir den Schlaf aus den Augen und blinzelte einige Male gegen die Helligkeit. Die Strahlen der Sonne, die in das Fenster hinein drangen, ließen nicht erkennen wie spät es tatsächlich war. Sanft streichelte ich über Jacks Schulter und betrachtete diesen schlafenden Mann neben mir. Ich rutschte zu ihm und atmete seinen Duft ein. Genießerisch seufzte ich leise aus. Ich strich ihm sanft die Haare aus dem Nacken und streichelte liebevoll seinen Hals. Meine Hände wanderten über seine Arme. Ich konnte mich nicht mehr belügen. Ich hatte mich wirklich in diesen Mann neben mir verliebt. Ich lächelte sanft, als ich ihn weiter streichelte. Spürte die harten, aber entspannten Muskeln seiner Arme. Langsam ließ ich meine Hände ruhen, wenn er mal aus schlief wollte ich ihn nicht wecken. Einen kurzen Augenblick, nachdem ich aufgehört hatte ihn zu streicheln, hörte ich Jack müde und verschlafen murmeln: „Oh…bitte hör nicht auf…So wurde ich noch nie geweckt…“

Wie lange war er schon wach?

Mein Herz zog sich bei diesen Worten zusammen und ohne zu sprechen kam ich seiner Bitte nach. Weiter streichelnd lehnte ich mich an Jacks Rücken und meine Arme legten sich um seinen breiten Torso. Sanft streichelte ich seinen Bauch und seine Brust. Ich spürte wie Jack zufrieden die Luft ausstieß. Ich musste über diese Reaktion lächeln.

Sein Auge war noch geschlossen und er räkelte sich in meinen Armen. Lehnte sich etwas gegen meine Brust und schien sich wirklich noch mal in das Laken zu kuscheln. Diesen sonst so starken und taffen Mann fast schnurrend wie ein Kätzchen neben mir zu wissen, ließ mich breit grinsen. Doch Jack schien sich nur wenige Augenblicke dieser Ruhe zu gönnen. Er wandte sich zu mir um. Verschlafen sah er zu mir hinauf und fragte verwirrt klingend: „Wieso bist du denn schon wach?“ Ich zuckte mit den Schultern und erklärte, dass die Sonne mich geweckt habe. Jacks Augen wanderten zu seinem Fenster und ich bemerkte, wie er überrascht auf das helle Licht sah, was sich den Weg durch das Fenster bahnte.

„Muss schon später sein“, meinte er und streckte sich, „Komisch, dass der Hund noch nicht da ist und meckert.“ Ich kramte nach meinem Handy und schaute hinauf und stellte fest, dass es bereits nach neun Uhr war. Erneut runzelte Jack die Stirn und schwang sich aus dem Bett. Er zog sich seine Hose an und als ich gerade meine Hose über die Hüfte zog, hörten wir Geräusche aus der Wohnstube. Geräusche, die eindeutig von einem Menschen kamen.

Ich sah wie Jack sich versteifte. Er fixierte die Tür. Schnell blickte er zu mir und schaute mir ernst ins Gesicht. Ich verstand, dass ich den Mund halten sollte. So wie Jack da stand, war er nicht mehr mein Nachbar, mein Liebhaber oder mein Freund. Das war Jack, der Soldat! So hatte ich ihn noch nie gesehen. Mein Puls beschleunigte sich und ich bekam Angst, als ich Jacks ernstes Gesicht sah. Ernst und tödlich. Was ist mit Didi passiert, fragte ich mich besorgt. Jack griff unter das Bett, holte eine Pistole hervor und reichte sie mir stillschweigend.

„Willst du nicht“, hauchte ich ihm leise zu doch er schüttelte den Kopf. Angst erfasste mich, er wollte, dass ich mich schützen könnte. „Bleib hier und wenn was ist, klettere aus dem Fenster“, antwortete Jack leise. Er schlich hinüber an die Wand und stellte sich seitlich neben die Tür. Er deutete an, ihm zu folgen. Unsicher entsicherte ich die Waffe in meiner Hand, während ich mich neben ihn stellte. Vorsichtig öffnete er die Tür zur Wohnstube und schielte um die Ecke. Sollte jemand vor der Tür gewartet haben um den ersten der hinaus kam zu erschießen, würde sein Schuss ins Leere gehen.

Doch nichts dergleichen geschah. Als Jack niemanden erspähen konnte, ging er hinaus. Gebückt, bereit zuzuschlagen. Ich blieb regungslos an der Wand stehen und Panik erfüllte mich. Wenn jemand hier war um Jack zu erschießen? Wenn er dann auch mich fand und keine Zeugen hinterlassen wollte? Mein Puls raste, rauschte in meinen Ohren. Ich atmete nur noch stoßweise.

Doch dann schossen mir Worte durch den Kopf, die mir Vater in Momenten der Angst immer wieder gesagt hatte. „Lass sie zu, aber lass sie dich nicht kontrollieren. Einen Augenblick und dann Jasper, entscheide. Kämpfen oder Fliehen.“

Ich ließ mich von ihr überrollen, zitterte, bebte am ganzen Körper. Mein Puls rauschte in meinen Ohren, doch dann schluckte ich es runter. Ich entschied mich nicht zu fliehen. Ebenfalls wagte ich einen Blick um die Ecke. Ich konnte Jack an der Wand sehen. Er schien sich umzuschauen. Ging gebückt, konzentriert. Vermutlich suchte er den Grund der Geräusche, doch er konnte niemanden sehen, aber ich. Plötzlich bemerkte ich eine Gestalt im Schatten. Ein großer schlanker Mann mit kurzen Haaren hatte sich hinter Jack geschlichen. Zu spät erkannte ich, dass diese Gestalt eine Pistole gezogen hatte. Er stand hinter Jack und drückte sie ihm gegen den Rücken in dem Moment, wo ich warnend: „Achtung!“ rief.

Reflexartig hob Jack die Arme und ich konnte sehen, wie angespannt er war. Ich sollte vermutlich schießen. Ich hob die Pistole und zielte auf die unbekannte Person. Bevor Jack etwas passierte, musste ich abdrücken.

Doch ich konnte nicht.

Es war, als ob meine Finger gelähmt seien. Immer noch zitterte ich am ganzen Körper. Ich wollte ihm wirklich helfen, doch es ging nicht. Die Person begann mit Jack zu sprechen. Ich verstand kein Wort. Würde er ihn jetzt erschießen? Sollte ich fliehen? Ich konnte es nicht! Ich wollte nicht, dass der Mann starb. Ich liebte ihn schließlich. Ich hielt die Waffe vor mir ausgestreckt. Direkt auf den Fremden und rief: „Lass die Waffe sinken!“

Der Mann blickte erstaunt zu mir und ich sah, dass er ein schmales Gesicht hatte. Eine recht große Nase für sein langes Gesicht und ich hatte nie jemanden mit so hellblonden Haaren gesehen. Seine Hände steckten in roten ledernen Handschuhen und er trug ein helles Hemd. Er sprach in einer Sprache, die ich nicht verstand. Was er sagte klang schnell gesprochen, aber unbeeindruckt. Vielleicht polnisch, russisch, rumänisch oder so.

Jack ließ die Arme sinken und ich erkannte, dass er sich entspannte, als der Fremde zu sprechen begann. Er drehte sich um und ich sah, dass er fröhlich den Mann ansah, der ihn noch vor wenigen Augenblicken bedroht hatte. Jack antwortete in der gleichen Sprache, die der Fremde gesprochen hatte und sie umarmten einander kurz, aber herzlich.

Verwirrt ließ ich die Pistole sinken und betrachtete das Schauspiel, was sich vor mir bot. Sie kannten sich? „Wer ist das“, fragte ich Jack verwirrt. Jack blickte zu mir herüber als er den Mann los ließ und erklärte: „Das ist ein Freund. Alles in Ordnung“ Nach seiner Erklärung sprachen sie wieder auf der anderen Sprache miteinander. Jack schien ihm zu erklären wer ich bin, denn nach einem kurzen Gespräch sahen beide zu mir herüber. Der Fremde kam auf mich zu und ließ seine Pistole kreisen. „Ich Adamska…sag Adam“, stellte er sich mit gebrochenem Englisch vor, reichte mir eine Hand und grinste mich fröhlich, gut gelaunt an. Als sei es das normalste der Welt in eine fremde Wohnung einzusteigen und die Bewohner zu bedrohen.

Der Fremde im Haus

Ich starrte den Fremden nur an. Konnte ihm nicht die Hand reichen. Meine verwirrten Augen glitten zu Jack, der langsam zu uns hinüber kam. Dann sah ich zu dem Fremden, der irgendwas sagte, was ich nicht verstand. Adam schaute mich an und lachte auf. Er ließ die Hand sinken. Fast schon verlegen lächelnd blickte er mich an und kratzte sich am Hinterkopf. Er drehte den Kopf zu Jack und wieder sprachen sie in dieser fremden Sprache. Ich versuchte zu erraten was es war, doch ich kannte sie nicht. Irgendwie machte es mich wütend, sie redeten über mich. Direkt vor mir! Während ich nicht darauf eingehen konnte! Doch schnell sollte ich aufgeklärt werden.

Jack trat neben mich und klopfte mir auf die Schulter. Lachend übersetzte er mir die Worte des Fremden. „Er fragte, ob er dir zu große Angst gemacht hat. Ich soll dir sagen, dass er dich nicht erschossen hätte.“ Entsetzt sah ich zu Jack und fragte: „Aber dich oder wie?“ Beruhigend war es nicht wirklich und ich verstand nicht, wieso Jack damit so locker umging, wenn er bei anderen Angelegenheiten so ernst war. Noch vor wenigen Augenblicken habe ich gesehen, wie er als Soldat ist und nun, nahm er es fast als selbstverständlich hin, dass der Mann in das Haus eingebrochen war um uns zu bedrohen.

Jack schien sich über meine Reaktion sichtlich zu amüsieren und ich sah mich fast schon erzürnt in der Wohnstube um. „Wo ist eigentlich der Hund“, fragte ich ihn forsch und sah fast schon beleidigt aus. Jack schmunzelte immer noch und meinte: „Oh ja, stimmt.“ Und er fragte Adam vermutlich, wo sich Didi befand, jedoch verstand ich erneut kein Wort. Er nickte zur Gartentür und redete schnell in der anderen Sprache auf ihn ein. Jack schien alles zu verstehen und entsetzt fragte ich ihn: „Was sprecht ihr da?“

Jack sah zu mir und erklärte: „Russisch. Ozelot ist Russe.“ Ich blickte ihn verwirrt an und fragte: „Also warte. Du sprichst Russisch? Hast einen Russen als Freund und…Ozelot?“ Doch bevor Jack antworten konnte kam der Blonde mit lockeren Schritten auf uns zu und meinte: „Ich Ozelot. Ich ähm… Codename. Nicht sprechen gut Englisch. Ich lernen!“ Freundlich lächelte er mich an, es wirkte fast schon brüderlich. Ich nickte ihm leicht zu und war ziemlich verwirrt. Diese ganzen Neuigkeiten überforderten mich. Wie konnte Jack sich als Amerikaner mit einem Russen anfreunden? Sind das nicht Feinde Amerikas? Könnte das auch ein Grund sein, warum er aus der Army austreten will, oder vielleicht auch muss?

„Wieso kannst du eigentlich Russisch“, fragte ich ihn und klang schon fast entsetzt dabei, was konnte dieser Mann eigentlich nicht?

„Weil ich es gelernt habe“, war sein simpler Kommentar, der mich leider nicht wirklich weiter brachte. Ob er noch andere Sprachen kann?

„Ja, aber wieso“, genervt seufzte ich auf und sah ihn auffordernd ins Gesicht. Jack quittierte meine Mimik, in dem sich seine Augenbraue nach oben zog. Er ließ einige Sekunden verstreichen, eher er beschloss, darauf zu antworten. „Es gibt ca. 140 Millionen Russen. Und die Bösen im Film sind auch immer Russen. Ist doch ganz gut, wenn man weiß, was die mit einem vorhaben, oder?“

DAS war seine Antwort? Das war mit Abstand die dämlichste Antwort, die er hätte geben können. Und schon wieder hat er meine Frage eigentlich nicht beantwortet.

„Wie habt ihr euch kennengelernt“, wollte ich von Jack wissen. Vielleicht erschloss sich mir dann die Frage, weswegen sie befreundet sind. Adam hatte sich bereits wieder zur Gartentür bewegt und sah hinaus zu Didi, welcher durch den Garten hetzte. Jack lachte amüsiert auf und sah von mir zu seinem Freund. „Bei einem Einsatz vor einiger Zeit. Ich dachte, er wollte mich umbringen. Stellte sich dann aber heraus, dass er eigentlich mein Undercover Kontaktmann war“, erklärte Jack gut gelaunt, als sei dies das normalste der Welt. Ich öffnete den Mund um irgendwas zu sagen, schloss ihn jedoch schnell wieder. Kopfschüttelnd sah ich zu den Männern. An solche komischen Dinge gewöhnt man sich in Jacks Umgebung. Ein russischer Soldat, der sich mit einem amerikanischen Soldaten anfreundet ist, bei dem angespannten Verhältnis zwischen beiden Ländern, fast unvorstellbar.

„Wie kann man sich denn so anfreunden“, fragte ich entsetzt. Unverständnis war kaum noch das richtige Wort für diese Absurdität, die man mir gerade versuchte zu erklären. „Ach ja, da waren noch andere Sachen, aber die sind nicht so wichtig“, winkte er schnell ab und redete kurz auf Russisch mit Adam. Doch, genau diese Dinge waren wichtig! Adam schien unser Gespräch nur wenig zu interessieren. Er blickte hinaus zu Didi. Sie redeten etwas und auf einmal präsentierte Adam einen Dietrich.

Aus dem Schauspiel vor mir ergab sich daraufhin auch der Gesprächsverlauf der Beiden. Sie schienen darüber zu diskutieren und ich fragte mich, was die Beiden für eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Bei dieser Sprache war ich nicht mal sicher, ob sie grade stritten oder einfach nur redeten. Ich betrachtete den Russen. Er wirkte überhaupt nicht gefährlich. Er war nicht viel breiter wie ich. Hatte ein fröhliches Lachen auf den Lippen, was fast schon frech wirkte. Seine Augen hatten ein ziemliches hellblau. Seine kurzen Haare waren so hell, sie wirkten fast schon weiß. Auch seine Augenbrauen waren recht hell. Er hatte eine entspannte Körperhaltung. Außerdem trug er eine schmal geschnittene dunkle Hose und ein dunkles Oberteil. Er wirkte gerade mal, als sei er neunzehn oder zwanzig.

Er trug einen Pistolenhalfter um die Hüfte, in dem zwei Revolver steckten. Vermutlich waren sie auch geladen. Das ausfälligste waren die ledernen roten Handschuhe. Seine Augen sondierten ziemlich wachsam den Raum. Er schien sich zu bewegen wie eine Raubkatze, geschmeidig und grazil. Vermutlich rührte daher auch der Codename Ozelot. Seine Waffen waren das einzige an dem Mann, was irgendwie darauf schließen könnte, dass eine Gefahr von ihm ausging. Noch einmal sah ich zu den Waffen, es waren wirklich keine Pistolen, sondern Revolver.

„Wieso hat Didi nicht angeschlagen“, fragte ich nach einem Moment, in dem ich die Beiden beobachtete hatte. Jack freute sich sichtlich seinen Freund zu sehen, seine Augen strahlten förmlich. Er drehte sich zu mir und erklärte: „Er hatte Futter dabei. Didi war zu abgelenkt. Das muss ich ihm schleunigst abtrainieren. Er möchte dabei helfen.“

Ich sah zu Adam, der sich ebenfalls zu mir gedrehte hatte und mich nun eingehend musterte, so wie ich ihn vorhin. Ich bemerkte, dass ich immer noch Jacks Pistole in der Hand hatte und legte sie schnell auf die Kommode, welche wir einst zusammen aufgebaut hatten. „Kann er denn Tiere trainieren“, fragte ich abschweifend und blickte Adam in die blauen Augen, die mich immer noch neugierig betrachteten. „Werde ich sehen“, meinte Jack belustigt und ließ den kleinen Welpen wieder ins Haus.

Als Didi hinein lief bemerkte ich, genau wie Jack, dass er mehre Blüten an der Schnauze hatte. Er sah den Hund fast schon böse an, etwas, was er vorher noch nicht getan hatte. Er packte ihn im Nacken und hielt ihn fest. Zog eine weiße Blüte von seinem Maul, hielt sie ihm vor die Nase und sagte streng: „Böser Hund!“ Didi blickte Jack fast schon erschrocken an und winselte leicht. Vermutlich wurde er selten so direkt von seinem Herrchen angemeckert. Ich erkannte, dass es die weißen Blumen waren, die Jack einst gepflanzt hatte.

Jack ließ den Hund los, welcher gleich zu mir lief, doch bevor ich ihn beruhigen konnte, sagte Jack streng zu mir: „Nicht streicheln! Er muss lernen, dass er das nicht soll.“ Ich blickte hinab zu Didi, der mich traurig musterte. Der kleine Hund ließ traurig die Ohren hängen. Ich sah schnell weg von ihm, sonst hätte ich Jacks Aufforderung nicht nachkommen können. So fiel mein Blick auf Adam, der einen Stängel der weißen Blumen aufhob und ihn in der Hand drehte. Er blickte hinüber zu Jack und schien ihn kurz nachdenklich zu betrachten, eher anfing mit ihm auf Russisch zu sprechen.

Ob er wusste, weswegen Jack die Blumen gepflanzt hatte, konnte ich nicht sagen. Ich war mir jedoch sicher, dass dieser Mann Jack besser kannte als ich. Etwas, was mir gar nicht passte, wenn ich ehrlich zu mir selbst war.

Ich schellte mich selbst in Gedanken. Ich sollte mich freuen, dass er endlich Besuch bekam. Nicht mehr einsam war, doch irgendwie… war ich eifersüchtig. Doch hatte ich überhaupt einen Grund? Jacks Vergangenheit kannte ich nicht wirklich. Nur einzelne Teile, die sogar von ihm gekürzt waren. Vermutlich wusste Adam mehr, vielleicht war er auch bei einigen Sachen dabei gewesen, doch sicher war ich mir dessen nicht. Ich atmete durch und beschloss meine Gefühle erstmal zu verdrängen. Freundlich ging ich hinüber zu Adam und Jack. Didi schaute traurig zu uns rüber und ließ das Köpfchen hängen.

Adam schien ein Freund zu sein, sonst hätte Jack ihn nicht so fröhlich begrüßt, als sie sich sahen. Ich wollte ein Teil seines Lebens werden, also wollte ich mich auch mit Jacks Freunden verstehen. Oder es jedenfalls versuchen. Als ich zu ihnen trat, hatte jeder der Beiden eine Blume in den Händen.

Jack betrachtete die Blume in der Hand seines Freundes und erneut war ein distanzierter Ausdruck auf seinem Gesicht. Als ich zu den beiden Männern trat, blickte Adam freundlich zu mir und langsam und deutlich fragte ich ihn: „Bist du auch ein Soldat?“ Adam schien zu überlegen, schien sich meine Worte zu übersetzen. Zögerlich begann er zu sprechen: „Ja…sowas fast.“ Fragend blickte ich ihn an und sah zu Jack, der kurz auf die Blume geschielt hatte. Als sich unser Blicke trafen, ließ er die Blüte sachte, aber sehr bewusst fallen. Ich hatte den Eindruck, dass er sich kurz sammelte, eher er begann zu sprechen: „Ozelot war in einer Spezialeinheit, die mich finden sollte. Er gehörte zu einer russischen Einheit. Der hat mich Nerven gekostet sag ich dir…“

Verwirrt sah ich Jack an und fragte ihn direkt: „Wieso freundest du dich mit den Feinden Amerikas an, wenn du doch Soldat bist?“ Jack stutze über meine direkte Frage, soweit ich weiß war dass das erste Mal, dass er dies tat. „Nicht alle Russen sind die Feinde Amerikas“, begann er erstaunlich ruhig zu erklären, „Glaubst du auch, dass alle Deutschen Nazis sind?“ Ich sah ihm ins Gesicht und schüttelte leicht den Kopf.

„Aber Russen…“, begann ich zögerlich, doch Jack unterbrach mich. „Was hat dir ein Russe denn schon getan?“ Ich blickte ihn verwirrt an und antwortete wahrheitsgemäß: „Nichts.“ Jack lächelte mich fast schon an, ehe er weiter sprach: „Siehst du. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Und die russische Regierung sind nicht alle Russen. Nicht alle Russen hassen Amerika und ihre Bevölkerung.“

Ich nickte und hatte erneut das Gefühl, dass ich nicht verstand, wie die Welt tickte. Vielleicht sollte ich beginnen die Meinungen, die man uns anerzog, zu hinterfragen. Stellten die Medien doch Russland immer als gefährliches Land dar, doch wahrlich, ich hatte nie selbst Erfahrungen mit Russen sammeln können. Doch Jack wertete meine Aussage nicht, machte sie nicht nieder. Er ließ sie mir, fragte einzig nach. Er wollte, dass ich selbst über meine Einstellung nachdachte und eventuell änderte. Wieder eine sehr angenehme Eigenschaft von ihm. Ich schaute zu Adam, der mich weiterhin eigentlich nur freundlich musterte.

Dennoch musste ich noch Fragen: „Wieso hat er uns bedroht? War das wirklich nur ein Spaß? Das ist nämlich nicht lustig!“ Jack nickte und Adam schien diesen Satz verstanden zu haben. Er kam auf mich zu, sah mir ehrlich entschuldigend ins Gesicht und meinte: „Ich sorry. Ich nicht weiß das…du hier. Ich nichts hätten getan. Versprochen.“

Erneut hielt er mir die Hand hin und ich sah hinunter auf die roten ledernen Handschuhe, die er trug. Ich gab mir einen Ruck und schlug endlich ein. Adam lächelte mir zu und ich nickte leicht.

„Der muss unbedingt Englisch lernen“, hörte ich Jack sagen, bevor er auf Russisch mit seinem Freund sprach. Vermutlich widerholte er den Satz. Denn Adam nickte und verdrehte fast schon genervt wirkend die Augen. Unschlüssig sah ich zu den Beiden und fragte: „Soll ich euch irgendwie…ich weiß auch nicht...alleine lassen?“ Jack zuckte mit den Schultern, blickte mich mit einem offenen und freundlichen Ausdruck an und meinte: „Mir egal. Ihr könnt euch auch etwas kennen lernen.“ Ich blickte Adam an, der zu überlegen schien, was Jack gesagt hatte. Ich runzelte die Stirn. Ich wollte Jack Zeit mit seinem Freund gönnen, doch da war der kleine eifersüchtige Teil in meinem Kopf, der sich weigerte. Hatte ich mir doch gerade erst eingestanden, dass ich mich verliebt hatte.

Schwer atmend entschied ich mich die Beiden alleine zu lassen. Jack hatte es verdient sich mal mit einem Freund zusammen zu setzen, vielleicht über alte Zeiten zu plaudern. Ich wusste nicht, ob ich Adam mochte oder nicht. Unser Start war schlichtweg beschissen gewesen. Er war so verdammt freundlich und höflich, doch er kannte Jack so gut! Etwas, was ich auch so gerne wollte. Ich ging ins Schlafzimmer und zog mir schnell die restliche Kleidung an. Didi folgte mir, immer noch etwas leise jammernd, da ihn niemand beachtete. Ich bückte mich und streichelte den Welpen, welcher erstaunlich glücklich darüber wirkte. Jack kam zu mir ins Schlafzimmer und suchte selbst gerade seine Kleidung zusammen. Wir sahen einander kurz in die Augen und etwas schien ihn zu verwirren.

„Ist alles okay, Kleiner“, fragte er und runzelte die Stirn. Wieso war dieser Mann so verdammt empathisch? Wieso konnte er mich lesen wie ein verdammtes offenes Buch?

„Nein, ist alles klar“, log ich und setzte ein grinsen auf, wie ich es auch häufiger bei meinem Vater tat. Weiterhin blickte er mir ins Gesicht und ein entschuldigender Ausdruck trat auf sein Auge. Er ging zu mir, blieb vor mir stehen und zog mich tatsächlich zu sich heran. Etwas, womit ich gar nicht gerechnet hatte.

„Das nächste Mal brechen wir nicht so plötzlich ab, versprochen.“

Ich legte ebenfalls meine Arme um ihn und das schlechte Gefühl, was sich in meiner Brust gestaut hatte, ließ langsam nach. Ehrlich lächelnd sah ich zu ihm und sprach: „Wirklich?“ Jack nickte nur und drückte mir kurz aber bestimmt seine Lippen auf meine. Mein Herz raste bei dieser kurzen Berührung. Er brauchte nichts mehr zu sagen und zufrieden ließen wir uns los.

„Was hast du deinem Freund gesagt, wer ich bin“, fragte ich und entschloss mich sein Bett zu machen. Er beobachtete mich dabei und antwortete: „Das du der Nachbarsjunge bist.“

„Will er gar nicht wissen, warum ich bei dir geschlafen habe?“

„Nein, bis jetzt noch nicht“, meinte er und immer noch klang er äußerst zufrieden. Selten hatte ich ihn so locker und entspannt gesehen. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm es nicht gönnte, dass sein Freund da war, doch ich schaffte es einfach nicht mich selbst zu belügen.

„Haben Russen nicht was gegen Schwule? Ich meine…Vorurteile beruhen doch irgendwie auf Tatsachen…“, meinte ich leise, als befürchtete ich, Adam könne hineinkommen und uns sehen. Stirnrunzelnd sah Jack zu mir, ehe er meinte: „Ich habe ihn nie gefragt, dass kam nie zur Sprache… Über sowas spricht man eher selten auf Einsätzen.“ Erleichtert seufzte ich innerlich auf, hatte ich doch gedacht, dass Adam der Freund war, mit dem er öfter etwas hatte. „Was ist, wenn er was dagegen hat?“ Nachdenklich sah Jack mir ins Gesicht und nickte leicht. „Stimmt…. Das sollte ich ihn mal fragen…“ Verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Mach das…aber erwähn mich nicht… Nachher.“ Doch Jack unterbrach mich: „Er kennt deinen Alten nicht. Aber keine Sorge, ich versuch es nicht zu sagen.“ Er hatte Recht, doch trotzdem war es mir unangenehm. Hier in seinem Haus war es leicht meine Homosexualität auszuleben, hier fühlte ich mich sicher. Doch außerhalb dieser vier Wände war ich dazu noch nicht bereit. „Keine Angst ihn als Freund zu verlieren“, fragte ich ihn, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich“, meinte er und schüttelte sein Kissen auf. Wir sahen einander noch kurz schweigend an. Ich hätte nicht gedacht, dass er so selbstsicher an die Sache herangeht. Ich hoffte, ich könne dies später auch.

„Weißt du, ich komme einfach morgen wieder“, meinte ich leicht grinsend und Jack nickte zustimmend. „Danke für den unvergesslichen Tag gestern“, meinte ich zu ihm und die Ehrlichkeit schwang in meiner Stimmte mit.

Jack schlug mir fröhlich auf die Schulter während wir das Schlafzimmer verließen und sagte: „Beim nächsten Mal dann Hubschrauber fliegen und Motorrad fahren.“ Ich konnte nicht anders als ihn glücklich anzustrahlen. Ich winkte Adam fröhlich zum Abschied und ging langsam rüber nach Hause.
 

Ich schlief schlecht. Zu sehr war ich abgelenkt, dass bei Jack ein anderer Mann war. Ich wusste, es war nicht der Typ, mit dem er im Bett gelandet war. Doch ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie gut Jack lügen konnte.

Vor der Schule traf ich Eric und Zoey, die auf mich zu warten schienen. Eric hatte sein Versprechen gehalten und niemanden berichtet, was ich ihm anvertraut hatte. Doch überrascht hatte es mich nicht wirklich. Auch Zoey, ein Mädchen mit ziemlich gelockten schwarzen Haaren, begrüßte mich und redete schnell auf mich ein: „Morgen Jasper, hast du schon davon gehört? Nein sicher nicht, deine Eltern sind ja auch nicht in der Elternpflegschaft, aber meine! Wir wollen dieses Jahr einen Frühsommerball veranstalten! Klasse oder? Wen willst du denn einladen?“ Fragte sie mich und schien die Ohren zu spitzen. Ich brauchte jedoch erstmal einige Augenblicke, um den Sinn hinter ihren Worten zu verstehen. Ein Frühsommerball? Was für eine dämliche Idee! Ich verdrehte schon fast genervt die Augen, als ich sarkastisch sagte: „Oh…toll…“ Zoey sah mich pikiert an und blickte zu Eric, der unbeeindruckt mit den Schultern zuckte.

„Lass uns lieber rein“, meinte ich zu den Beiden. Zoey hing an Erics Arm und redete begeistert weiter, wie sie sich anziehen würde und noch vielen anderen Mädchenkram. Für mich nur weißes Rauschen. Ein Schulball, dass hatte mir noch gefehlt! Wen sollte ich denn dazu einladen? So schwer würde es sicher nicht sein, ein Mädchen hier zu finden. Die Frage war nur, wie würde ich sie dann wieder loswerden? Diese Schulbälle waren reinste Partnerbörsen und viele Gerüchte kochten nach so einer Veranstaltung hoch. Ich setzte mich in den Raum unseres Politiklehrers. Colin, der neben mir saß, verdrehte genervt die Augen. Wir grinsten einander an, war Politik doch ein recht eintöniges Fach. Unser Lehrer Mr. Green hatte im Vietnamkrieg gedient und war sehr stolz darauf, vermutlich hatte er nur die Hälfte von dem, was er erzählte, selbst gesehen.

Als er hereinkam hatte er eine Kiste unter den Arm geklemmt und stellte sie vor sich hin. Begeistert über seine neue Idee, strahlte er uns an. „Ich möchte, dass ihr mehr über unsere Nation kennen lernt Leute, also haltet euch fest! Wir werden ein kleines Projekt machen. Das Thema...US-Army!“ Unbeeindruckt zog ich meine Brauen hinauf und nuschelte zu Colin: „Muss ich mich weiterhin festhalten?“ Colin schmunzelte belustigt und wir sahen weiter hinüber zu Mr. Green. Das Thema US-Army war in Politik bei Mr. Green so etwas, wie in Religion immer wieder über Sekten zu sprechen. Einfach nur nervig.

Die Neuigkeit begeisterte nur die wenigsten. Aaron, ein etwas schmächtig wirkender Junge, schien sich zu freuen. Ich wusste, dass er später gerne einige Jahre dienen wollte. Dafür müsste er dann jedoch mehr trainieren.

„Muss das wirklich sein, Mr. Green“, fragte Zack, unser Pitcher, genervt. Mr. Green strahlte ihn regelrecht an und nickte begeistert. Jeder sollte tatsächlich ein Thema alleine bearbeiten, was die ganze Angelegenheit nur noch langweiliger machte. Mr. Green fing an, die Themen auszuteilen und ich hoffte, ich würde ein interessantes bekommen. Neben den üblichen Themen Kriegsgründe für Afghanistan und dem Irak auszuarbeiten, gab es auch interessantere Themen. Eric durfte zum Beispiel das Thema Spezial und Sondereinheiten der Army bearbeiten. Eigentlich recht interessant. Ich hoffte, dass meins genauso spannend sein würde. Colin bekam das Thema Waffentechnologien. Als ich meinen Zettel bekam, blickte ich fast schon frustriert hinauf. Struktur und Aufbau der Army. Wie langweilig! Colin schielte auf meine Überschrift und lachte etwas hämisch auf. Ich sah ihn genervt an und grinste ironisch. Aufregen wäre eh Sinn frei. Ich wollte mir nicht den ganzen langweiligen Kram durchlesen. Ich hatte besseres zu tun. Plötzlich kam mir Jack in den Sinn. Wenn jemand von so etwas Ahnung hatte, dann er.
 

Nach der Schule saß ich genervt an meinem Schreibtisch. Ich hatte weder die Lust auf dieses Projekt, noch die Muße irgendetwas dafür zu tun. Ich wollte es mir nicht durchlesen und so beschloss ich einfach, das zu machen, was ich mir schon in der Schule gedacht hatte. Ich werde Jack fragen, auch wenn er Besuch hatte.

Ich schnappte mir meine Schulsachen und ging hinunter. Mutter wischte gerade die Küche und ich rief ihr zu: „Mum, ich bin drüben bei Jack. Der muss mir mal für die Schule helfen.“ Fast schon erschrocken sah mich meine Mutter an, eher sie nach dem Warum fragte.

„In der Schule war Mr. Green mal wieder auf einem komischen Trip. Wir machen jetzt ein Projekt über den Krieg in Afghanistan. Mein Thema ist dabei der Aufbau und die Strukturen in der Army. Total langweilig. Vielleicht kann Jack es mir einfach erklären.“

Nachdenklich nickte meine Mutter und ermahnte mich: „Pass nur auf, dass du da keine Wunden aufreißt. Wer weiß, was er schon alles erlebt hat.“ Die Aussage meiner Mutter überraschte mich doch ziemlich und ich fragte sie zögerlich: „Ich dachte du hast Angst vor Jack.“

Ehrlich antwortete mir meine Mutter darauf: „Hab ich auch ein wenig. Ich kann diesen Mann so schlecht einschätzen… Das macht mir einfach ein wenig Sorge. Es gibt ja so viele, die wirklich nicht mit dem zurechtkommen, was sie gesehen haben. Nachher ist das bei ihm auch so…“ Freundlich lächelte ich meine Mutter an. „Ach Mum, keine Sorge. Jack ist wirklich okay. Glaub mir einfach mal.“ Tatsächlich nickte sie und lächelte besänftigend. „Wir hatten uns schon im Gemeindezentrum über den jungen Mann unterhalten. Vielleicht sollten wir ihn einfach mal in die Kirche einladen aber besser zum Kirchcafé. Da gibt es immer leckeren Kuchen“, erklärte meine Mutter. Augenaufreißend sah ich sie an. Auf die Lippen beißend, um nicht zu lachen, hielt ich mir alle meine Kommentare zurück und meinte nur: „Wenn du meinst, versuch es…“

Mutter lächelte mich fröhlich an. Mich freute es sie so zu sehen. Früher war sie nicht so gläubig und aktiv in der Kirche gewesen. An Gott glaubte sie schon immer. Das gehörte für den guten Amerikaner fast schon zum guten Ton. Erst vor etwa vier Jahren begann sie immer aktiver in der Kirche zu werden. Mich konnte sie damit nur wenig begeistern. Sie hat nie von einem ihrer Kinder verlangt, an Gott zu glauben. Auch an Bibelkreisen oder dergleichen mussten wir nicht teilnehmen. Im Nachhinein fragte ich mich, ob sie wegen dem Verhalten meines Vaters so gläubig geworden war. Doch ich wollte mir nicht vorstellen, dass er schon seit so langer Zeit anders war.

„Wenn du willst, dann komm doch später rüber und hol mich ab. Dann kannst du mal mit Jack richtig reden… Dann siehst du auch, dass er nicht nur schlimm ist.“ Zögerlich nickte meine Mutter und ich ging hinüber. Ich freute mich, dass sie Jack versuchte kennen zu lernen. Nicht, dass ich ihr das mit uns sagen wollte, aber so bräuchte ich vielleicht nicht immer eine Ausrede. Jacks Wagen stand in der offenen Garage und ich klopfte an die Tür.

Adam öffnete die Tür und blickte mich freundlich an. Er begrüßte mich auf Russisch und ließ mich eintreten. Ich hörte seltsame Geräusche und stellte fest, dass dieser Mann Sporen an den Schuhen trug. Er war wirklich seltsam. Erneut wirkte er sehr gut gelaunt, fröhlich und ziemlich freundlich in seinem Auftreten. „Wo ist Jack“, fragte ich ihn und musste unweigerlich grinsen. „Schlafzimmer“, sagte er mit einem starken Akzent und deutete auf den Raum. Ich nickte, wollte mich gerade dorthin bewegen, als Jack aus der Tür kam.

„Hey Jazz, was gibt es“, fragte Jack mich und trank aus einer großen Wasserflasche mehrere Schlucke. „Ich brauch deine Hilfe für die Schule. Wir müssen so ein langweiliges Projekt machen. Ich habe das Thema Aufbau und Strukturen der US-Army bekommen.“

Jack grinste mich schräg an. „Die Regierung setzt echt alles daran, euch in die Army zu kriegen. Es ist nicht immer gut so patriotisch zu sein.“

Ich nickte schnell und fragte fast schon genervt: „Noch mehr schlaue Sprüche oder hilfst du mir jetzt? Ich hab auf den Scheiß auch keinen Bock.“ Eine Augenbraue hochziehend blickte Jack mich an und erst nach einigen Augenblicken nickte er. „Na gut. Kann ja nicht so lange dauern…“

Ein unfaires Versprechen

So schnell wie ich dachte, gestaltete sich die Arbeit dann leider doch nicht. Wir setzten uns an den Küchentisch und Jack fing an zu erklären, dass es ein Berufsheer gibt, wie viele Soldaten und Soldatinnen ungefähr dazu gehören. Er erklärte mir die einzelnen Funktionen der Reservekräfte. „Na ja und seit dem Vietnamkrieg ist der Wehrdienst ausgesetzt“, erklärte Jack stirnrunzelnd. Er betrachtete mein Gesicht und öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder.

Ich schrieb den letzten Satz auf und blickte ihn dann fragend an. „Wolltest du noch was ergänzen? Oder war es das“, fragte ich stirnrunzelnd. Wohl mit sich ringend sagte Jack: „Schreib das nicht in deine Arbeit…. Die Regierung will die Wehrpflicht wieder einführen. Soll wohl bald kommen. Damit wieder mehr Menschen der Army beitreten. Du wärst davon dann wohl auch betroffen.“ Ich starrte ihn an, fassungslos. „Äh“, kam es langgezogen von mir, „und wie soll der Spaß dann ablaufen?“ Jack zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Ich krieg nicht mehr alles mit. Außerdem hätte ich mit den Leuten nichts zu tun.“

„Ich will das aber nicht machen!“

Jack musterte mich von oben bis unten. Er schüttelte leicht den Kopf und schlussfolgerte: „Du wirst wohl eingezogen werden. Du bist sportlich, kannst schießen und hast sogar ein wenig Nahkampferfahrung. Die würden dich auch gleich rekrutieren.“ Ich verzog das Gesicht, Jacks Geschichten schossen mir wieder in den Kopf. Ich wollte das nicht! Nicht erleben und auch nicht lernen eventuell auf Menschen zu schießen. „Wird man dann auf richtige Einsätze geschickt“, fragte ich unsicher klingend. Meine Schularbeit hatte ich völlig vergessen. Über meine Frag nachdenkend runzelte Jack die Stirn. „Hm… Ich glaube nicht wirklich, oder jedenfalls keine großen Einsätze“, meinte er nachdenklich.

„Ich würde gar nicht auf Einsätze wollen! Ich bin… Ich könnte nie auf Menschen schießen“, rief ich aufgebracht und Adam blickte von der Couch zu uns rüber. Immer wieder ließ er seine Revolver kreisen. Es schien eine Angewohnheit von ihm zu sein. Er hatte uns in Ruhe arbeiten lassen, doch nun blickte er aufmerksam zu uns. Wie viel er von unserem Gespräch verstand, wusste ich nicht. Beschwichtigend hob Jack die Hände. „Muss du auch nicht“, raunte er mir beruhigend zu, „man lernt auf bewegte Ziele zu schießen, das ist eine reine Übungssache.“

Sprachlos starrte ich ihn an. Perplex von seiner und meiner Aussage. Irgendwie hatten wir uns jetzt nicht verstanden. Nach einem Augenblick begann ich zu erklären: „Ich meinte, dass ich gar nicht auf Menschen schießen will. Weder stehenden, sitzenden, rennenden oder keine Ahnung kackende Menschen!“ Ich war aufgebracht, dass konnte doch wohl nur ein schlechter Scherz der Regierung sein...oder von Jack.

Jack schaute mich überrascht an, als er verstand und nur ein „oh“, entfuhr seinen Lippen. Wir schweigen einen Moment ,bevor er meinte: „Dann hoffe ich mal, dass du nicht auf Menschen schießen musst.“ Ich nickte ernst und sah auf die holzvertäfelte Wand hinter ihm.

„Jazz“, hörte ich die Stimme von Adam, „wenn du schießen, dann schieß. Keine…Sorge.“ Bitter lächelte ich ihn an. Hier saßen zwei Soldaten, vermutlich hatten beide mehr Menschen erschossen, als ich mir vorstellen konnte, doch genau wollte ich darüber nicht nachdenken. „Ich will aber nicht“, sagte ich zu Adam. Ich war mir nicht sicher, ob er mich verstand. Trotzdem nickte er leicht. Nicht mal mein Vater hatte wen erschossen und er war Polizist. Ich musste durchatmen, um meine Gedanken zu beruhigen und zu ordnen. „Ist das denn überhaupt sicher, dass die wieder eingeführt wird“, fragte ich Jack, welcher leicht nickte. Mit einem Blick auf meine Notizen ermahnte er mich streng: „Sag das bloß niemanden in der Schule! Das wirft nur unnötige Fragen auf.“ Ich nickte und sah auf meine Unterlagen. Jack schien mich zu betrachten und auf einmal fragte er mich: „Ich hab eine Idee, wie du einige Zusatzpunkte oder so bekommst.“ Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Stuhl und ging hinüber zu der Tür, durch die ich noch nie gegangen war. Unsicher stand ich auf, wollte ihm folgen, als Jack schon wieder heraus kam.

Er hielt eine mir bekannte Holzschatulle in den Händen. Langsam ließ ich mich wieder an dem Küchentisch nieder, während Jack zu mir ging. Er schob mir wortlos das Kästchen zu. Unsicher öffnete ich den Decken und sah die ganzen Orden aufblitzen. Erneut schoss mir sofort die Medal of Honor in die Augen. Mein Blick klebte fast an ihr. Unsicher strich ich darüber und blickte hinauf in Jacks Gesicht. Eingehend beobachtete er mich. „Nehm sie mit. Vielleicht finden einige deiner Klassenkameraden die ja interessant“, nuschelte er. Er griff nach hinten zu einer Kommode und holte sich aus einer Schublade eine Zigarre. Ich nahm einzelne Medaillen heraus und legte sie auf den Tisch. Ich hörte Schritte, welche sich uns näherten und merkte, wie Adam neben uns trat. Auch er schien neugierig in die Kiste zu schauen. Er wirkte schmächtig im Gegensatz zu Jack. Das Gefühl, dass von diesem Mann Gefahr ausgehen könnte, stellte sich nicht ein. Das Aroma der Zigarre zog mir in die Nase und ich blickte zu Jack. „Kann ich die wirklich mitnehmen“, fragte ich unsicher. Er zog einmal an der Zigarre und nickte dann jedoch. „Vielleicht besser nicht alle… Such dir welche aus“, meinte er und lehnte sich in den Stuhl zurück. Sofort glitt mein Blick wieder zu der großen Medaille. Jack blieb dies nicht verborgen. Er griff über den Tisch hinweg in die Schatulle und drückte sie mir kommentarlos in die Hand. Ich spürte das kalte Metall in meiner Hand und sah ihn fragend an. Störte es ihn denn gar nicht?

„Nehm sie mit“, meinte er ruhig. Es schien ihn wirklich nicht zu interessieren oder zu belasten. Vermutlich war seine Aussage, dass sie für ihn Schrott sind ,wirklich wahr. „Was soll ich meinen Mitschülern erzählen, wenn sie fragen, warum die du verliehen bekommen hast“, fragte ich unsicher und blickte von dem goldenen Abzeichen zu seinem Gesicht.

Jack grinste leicht verschmitzt, als er antwortete: „Das weißt du doch selbst nicht. Sag denen es war ein geheimer Auftrag und mehr hat man dir nicht erzählt.“ Stumm nickte ich, strich mit dem Finger über den Kranz.

Ich blickte hinauf in Jacks Gesicht, weiter zu Adams. Er schien nicht verwundert, als er die Medaille betrachtete. Es hatte den Anschein, als sei er verwirrt, dass er sie mir gab. Ohne darüber nachzudenken rutschte die Frage aus mir heraus: „Weiß Adam, warum du sie bekommen hast?“ Von meiner Frage wohl überrascht, blickten mich beide an. Adam vermutlich, weil er seinen Namen gehört hatte und Jack schien von der Frage verwundert. Er nickte bestätigend und paffte weiter an seiner Zigarre. Erneut überkam mich das Gefühl der Eifersucht. Ich konnte es nicht verhindern, dass es da war.

Jack musterte mein Gesicht und erklärte ruhig: „Er weiß es, weil er dabei war… Was stört dich daran?“ Unsicher, ob ich sprechen sollte oder nicht, zuckte ich mit den Schultern. Einige Male öffneten sich meine Lippen, doch kein Laut kam über sie. Ich wusste nicht, wie gut Adam nun englisch konnte, wie viel er verstand. Ich wollte mehr über Jack erfahren, doch wollte ich das nicht vor einem Fremden sagen. Kurz, vermutlich waren es nur Millisekunden blickte ich zu Adam, eher sich mein Blick auf die Medaille richtete.

Jack blickte ebenfalls Adam an und sagte etwas auf Russisch zu ihm. Adam blickte Jack an, grinste leicht und nickte uns beiden zu. Er nahm die Leine von Didi. Den Hund anleinend ging er hinaus. Didi schien nicht Gassi gehen zu wollen und jammerte leise an der Tür. Verwirrt von dem Szenario vor mir, fand ich meine Stimme erst wieder, als sich die Tür hinter den Beiden schloss. „Wieso gehen die denn jetzt?“, fragte ich verwirrt.

„Ich habe ihm gesagt, dass er gehen soll“, meinte Jack mit seiner monotonen Stimme und paffte weiter, während er weiterhin mich betrachtete, „du schienst nicht reden zu wollen, wenn er da ist.“ Entsetzt starrte ich ihn an. Hätte ich Jack so ein, und ich konnte es nicht anders nennen, unhöfliches Verhalten zugetraut? Jedenfalls nicht gegenüber seines Freundes! „Du kannst ihm doch nicht einfach sagen, dass er gehen soll“, rief ich fast schon entsetzt. Jack zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern. „Doch, kann ich. Es hat dich gehemmt. Also! Wo ist das Problem, wenn Adam es weiß und du nicht?“ Ich schluckte, wollte ich doch gerade eigentlich nicht reden.

Jack sah es mir an, doch seine Mine blieb ungerührt, als er mein Hadern bemerkte. Ich wusste, er würde nicht locker lassen. Nicht, wenn er etwas wissen wollte. Ich seufzte schwer und wog ab, was ich sagen sollte. Wie ehrlich ich letztendlich war. Ich entschied mich ehrlich zu sein, denn Jack wusste, wie sehr ich die Geschichte hören wollte.

„Ich weiß nicht, ich will… Ich will dich einfach besser kennen lernen“, meinte ich leise und blickte auf die Tischplatte vor mir. Ich hörte Jacks monotone und neutral klingende Stimme und ich musste nicht erst aufblicken, um zu sehen, dass eben jene Maske wieder in sein Gesicht gemeißelt war. „Adam weiß es nur, weil er an dem Einsatz beteiligt gewesen war.“ Ich seufzte schwer und meine Finger kreisten um einen Kaffeekranz auf dem Tisch.

„Es ist albern aber…. Nein! Das, was da geschehen ist, hat dich verändert und verletzt. Ich will verstehen warum, einfach weil ich dir so gerne helfen würde, Jack.“ Ein letztes Mal kreisten meine Finger um diesen Kranz auf dem Tisch, bevor ich hinauf sah in sein Gesicht. Er sah mich weder gekränkt, noch wütend, noch fröhlich an. Eigentlich konnte man ihn nicht deuten. „Warum willst du mir denn unbedingt helfen? Sehe ich aus, als ob ich Hilfe brauche“, fragte er mit ziemlich neutral klingender Stimme. Vehement schüttelte ich den Kopf. „Ja, weil ich sehe, dass es dir schlecht geht. Ich war schon häufiger da, als du…als es dir scheiße ging!“ Er konnte mich nicht anlügen und als er seinen Blick von mir abwandte war mir klar, dass er es wusste.

Auffordernd sah ich ihm ins Gesicht und sagte: „Komm schon, Jack… Du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Warum nicht dabei?“

„Weil ich das Gefühl habe darüber nicht reden zu können“, seine Worte waren so genuschelt, dass ich sie kaum verstand.

Frustriert seufzte ich und meinte fast schon etwas patzig: „Und wenn ich es einfach mal wissen will?“

Keine Reaktion seinerseits. Er sah zur Seite, als würde er hoffen ,eine passende Antwort käme vorbeigelaufen.

Jack zuckte leicht mit den Schultern und legte eine verständnislose Miene auf.

„Dann willst du es wissen.“ Seine Antwort klang fast schon wie eine Gegenfrage, die er mir stellte. Ich schloss kurz die Augen, hatte ich doch das Gefühl, wir drehten uns im Kreis. „Jack… Ich will einfach nur nicht, dass du leidest. Dabei kann sprechen doch einfach helfen. Ich meine… Du bist mir wirklich zu wichtig um dich damit einfach alleine zu lassen“, sagte ich beschwichtigend und ehrlich zu dem Mann, der mir so wichtig geworden war. Ich fühlte mich unsicher in diesem Gespräch, doch war es mir einfach zu wichtig um einfach aufzuhören. Jacks Genuschel, was darauf folgte, verstand ich nicht. Doch das Ende des Satzes war: „Bei Zeiten…“ Ich nickte leicht. Hoffte, er würde es halten, doch war ich mir nicht sicher. Ich nahm Jacks Hand und drückte sie sanft, aber auch bestimmend. Wir blickten einander schweigend an und ich spürte, wie er den Druck erwiderte.

Bevor ich noch etwas sagen konnte klopfte es an der Tür. Schweigend stand Jack auf und ich blickte diesem Mann traurig lächelnd nach. Während ich hinabsah auf meine Notizen stutze ich, als ich die Stimme meiner Mutter hörte. Ich hatte ganz vergessen, dass ich ihr angeboten hatte herüber zukommen. Auch hatte ich Jack nichts davon gesagt.

Ich hörte Jacks verwunderten Ton, als er sie begrüßte. Schnell nahm ich meine Sachen, stopfte die Medaille in meinen Block und ging zügig hinüber zu Jack und meiner Mutter.

„Hey Mum“, sagte ich schnell und lächelte sie fröhlich an. Sie erwiderte das Lächeln, doch sah ich, dass sie ziemlich angespannt war. Wäre meine Mutter nicht immer so eine ängstliche Person, würde sie entspannter durch ihr Leben laufen.

„Ich hoffe, mein Sohn hat dich nicht gestört“, sagte sie höflich zu Jack. Jack nickte. Sah von mir zu meiner Mutter und begann unbeholfen zu sprechen: „Alles gut… Ist ja nicht schwer… oder so.“ Meine Mutter nickte und blickte von Jack zu mir. Auch sie schien etwas überfordert. Innerlich die Augen verdrehend, half ich den Beiden. „Jack konnte mir eigentlich die ganze Arbeit abnehmen. Ich muss das jetzt nur noch in so eine Power Point Präsentation bringen. Er kennt sich ziemlich aus.“ Meine Mutter nickte, meinte dann aber streng zu mir: „Es ist nicht gut, die Arbeit abzugeben. Es schadet dir nicht, dass selbst herauszuarbeiten.“ Ich grinste sie schräg an und zuckte mit den Schultern. „Aber wenn er sich so Zeit spart, dann ist das doch gut“, erklärte Jack und blickte stirnrunzelnd meine Mutter an. Er schien ihre Ansichten nicht nachvollziehen zu können. Doch sagte er nichts weiter dazu.

„Der Junge soll aber lernen selbst die Ergebnisse herauszubekommen“, erklärte sie ihm und blickte hinauf in sein markantes Gesicht. Stirnrunzelnd kratze sich Jack am Kopf bevor er begann: „Es zeugt doch von Intelligenz, dass er hier ist und mich gefragt hat. So hat er noch schneller die Antworten bekommen, die er brauchte.“ Meine Mutter blickte ihn fast schon entrüstet an, wusste jedoch wohl nichts zu sagen. Mit den Schultern zuckend meinte sie: „Wenn du das meinst… Hätten deine Eltern das etwa gut gefunden? Die Arbeit einfach so abzugeben?“

Jetzt war es an Jack, mit den Schultern zu zucken. Es war fast schon amüsant zu beobachten. Meine Mutter, die ängstlich und zurückhaltend war und Jack, der anscheinend nicht genau wusste, wie man mit Alltagsthemen vernünftig umging. Beide überforderten sich in dem Gespräch, so dass der Gesprächsverlauf sicher komische Wendungen genommen hätte, wäre ich nicht eingesprungen. „Mum, ist doch egal, was seine Eltern gesagt hätten“, meinte ich. Wenn Jack meiner Mum noch gesagt hätte, dass er ein Waisenkind war, wäre meine Mutter sicher zur Höchstform aufgelaufen, was ihren christlichen Glauben anging.

Meine Mutter seufzte schwer und nickte leicht. Dann wandte sie sich zu Jack und sprach freundlich klingend: „Irgendwie haben wir noch nicht wirklich miteinander gesprochen, dass tut mir leid. Auch für das Verhalten meines Mannes…“ Jack winkte schnell ab und sagte: „Da kannst du nichts für.“ Überrascht blickte meine Mutter ihn an. Denn dass Jack seine Aussage ernst meinte, hörte man deutlich an seiner Stimme. Es schien, als habe meine Mutter mit einer anderen Reaktion gerechnet und wüsste nun nicht, wie sie weiter sprechen sollte.

„Ähm ja… Schön, dass du das so siehst“, fing sie etwas an zu stammeln. Sie schien sich zu sammeln, eher sie weiter sprach: „Ich wollte dich auch eigentlich noch zu unserem Café am Sonntag nach dem Gottesdienst einladen. Viele aus der Gemeinde sind anwesend. So könnte man sich kennenlernen.“ Nach diesem Vorschlag herrsche Schweigen.

Jack blickte meine Mutter verwirrt an und runzelte die Stirn. Mehrmals öffnete sich sein Mund, doch kein Laut kam heraus. Ich biss mir auf die Wange, um nicht lachen zu müssen. Die Geste meiner Mutter war wirklich nett gemeint, aber so verdammt albern! Das sie wirklich glaubte, Jack würde in die Kirche gehen…

Ich sah es in Jacks Kopf rattern und nach einem Augenblick meinte er zögerlich: „Äh…Ja. Danke. Ich überleg mal…“ Ich war froh, dass er nicht sofort nein gesagt hatte, dass hätte meine Mutter sicher verletzt. Ich hörte den Motor von dem Streifenwagen meines Vaters und kurze Zeit später rollte der Wagen in unsere Einfahrt. Zu uns hinüber blickend, stieg er aus dem Wagen und sah meine Mutter direkt in die Augen. Er zeigte keine Emotionen, nur seine Brauen schienen sich kurz zusammen zu ziehen. Mum schien sich anzuspannen und schnell meinte sie an uns gewandt: „Ich geh mal Kaffee kochen. Komm später rüber Jazzy, ja?“ Ich nickte hölzern und sah meiner Mutter mit einem äußerst flauem Gefühl im Magen nach. Ich sah zu Jack und auch er sah ernst blickend meiner Mutter nach. Ich wurde unruhig. Nervös sah ich zu meinen Sachen.

„Ich geh rüber, Jack“, meinte ich hastig. Wenn er es wieder tat und ich war wieder nicht da um sie zu beschützten, würde ich mir nur schwer verzeihen können. Ich griff hastig nach all meinen Sachen, doch als ich an Jack vorbeiging, hielt er mich auf. Auch er wirkte anders als vorher, fast etwas unsicher. „Jasper… Ich bin…“, er schien mit sich zu ringen. Besorgnis war in seinem Blick. Er sah zur Seite, als er mitten im Satz stockte. Man sah ihm an, dass er grade einen heftigen Konflikt mit sich selbst hatte. Jack biss sich leicht auf die Unterlippe. Doch er ließ mich los, „Komm, wenn du noch Fragen hast…“

Er klang beinahe traurig und ich war mir sicher, dass er etwas völlig anderes sagen wollte. Ob er wusste, was bei mir passierte? Alles an seinem Verhalten deutete grade darauf hin. Ich nickte ihm kurz zu, wollte nicht fragen, was er wirklich sagen wollte. Ich wollte nur noch nach Hause! Nein. Eigentlich wollte ich bei Jack bleiben. Ich hatte einfach nur Angst um meine Mutter.
 

Als ich nach Hause ging, hörte ich aus dem Wohnzimmer ein lautes Scheppern und ich bekam Angst.

Ich hörte meine Mutter entsetzt aufschreien. „Ich hab ihn doch nur zum Café eingeladen…“. Ich ließ meinen Rucksack fallen und hechtete ins Wohnzimmer. Eine Vase lag zerdeppert auf dem Boden. Erde und Splitter hatten sich über den Fußboden verteilt. Bücher lagen herum, eine zerbrochene Tasse Kaffee lag in einer Pfütze der braunen Flüssigkeit. Meine Mutter wimmerte. Sie saß erschrocken auf dem Sofa und blickte panisch zu meinem Vater hinauf, welcher sie vermutlich auf dieses gestoßen hatte. Ihre Augen schwammen in Tränen und erneut sah ich, dass ihre Wange rot war. Sie bemerkten mich nicht. Ihr Blick war gefesselt in den Augen meines Vaters, der sie wütend anfunkelte. Eiskalte Schauer liefen mir den Rücken hinunter als ich sah, wie mein Vater die Hand erneut hob. Ohne groß nachzudenken stürmte ich auf ihn zu und schubste ihn weg. Weg von ihr, weg von uns. Er taumelte, wäre fast gestürzte und sah mich in diesem Moment fast schon hasserfüllt an. Ich blickte hinein in dieses vertraute Gesicht, doch schien es für mich nichts Vertrautes mehr zu haben. Schützend stellte ich mich vor meine Mutter, die etwas jammerte, was ich nicht verstand. Wir sahen uns in die Augen und einen Augenblick lang dachte ich, Vater hätte sich beruhigt. Doch dem war nicht so.

Wütend stapfte er auf mich zu und packte mich grob an den Oberarmen. Alles, was ich beim Karate gelernt hatte, war in diesem Moment vergessen, als ich in das wütende Gesicht meines Vaters blickte. Ich schluckte. Hatte Angst. Meine Atmung war schnell und stoßweise. „Mach das nie wieder!“, raunte er mir böse zu und seine Augen, den meinen so ähnlich, verengten sich.

„Schlag sie nicht!“, sagte ich und war von mir selbst erstaunt, wie feste meine Stimme doch klang, trotz der Angst in meiner Brust. „Du hast mir nichts zu sagen, Junge!“, spuckte er mir fast schon entgegen und schubste mich mit Kraft von sich. Ich stolperte und wäre auf den Boden gefallen, wäre nicht die Couch hinter mir. Dad blickte zu mir runter und nichts erinnerte an den liebevollen Vater, der mich früher ins Bett brachte oder der nach Monstern im Schrank suchte.

Schnell stand ich wieder auf, wollte ich doch nicht zu ihm aufblicken. „Nur Weicheier schlagen andere, die Schwächer sind“, meinte ich und wollte erneut vor meine Mutter treten. Sie schien sich nicht zu trauen irgendwas zu sagen. „Pf“, machte mein Vater abfällig, „pass auf, wie du mit mir redest!“ Er kam einen Schritt auf mich zu und reflexartig wollte ich zurückgehen, doch besann ich mich. Ich blieb, wo ich war! Ich sah ihm direkt ins Gesicht. Ich wusste es war dumm was ich tat, doch wollte ich auf keinen Fall, dass er seine Wut an ihr ausließ. Sie war zu schwach und gerade war ich ihr Beschützer.

Und so sprach ich: „Ich rede so mit dir, wie du es verdient hast.“ Ich wusste, dass der Schlag kam. Auch, dass ich nicht schnell genug sein würde auszuweichen. Kräftig schlug Vater nach mir und mein Kopf flog zur Seite. Meine Wange brannte vor Schmerzen. Die Tränen, die in meinen Augen brannten, hielt ich zurück. Er sollte mich nicht schwach sehen. Wütend schubste ich ihn von mir weg, doch erneut hob er seine Hand und langte aus. Wieder auf dieselbe Stelle. Ich hörte meine Mutter flehen, er solle aufhören, doch er ignorierte sie. Er schubste mich feste gegen die Brust und benommen von den Schlägen fiel ich auf die Couch.

Vater beugte sich über mich. Legte seine Hände neben die Lehne, verhinderten so jede Flucht. „Du redest nie wieder in diesem Ton mit mir, haben wir uns verstanden? Hab ich dir nicht auch gesagt, dass du nicht zu diesem Irren gehen sollst!“ Ich schluckte und mein Körper bebte, während ich zu ihm aufblickte. Ich spürte keine Liebe in diesem Moment zu ihm. Ich hatte nur noch Angst. Ich nickte leicht und sah ihn weiterhin mit geweiteten Augen an. „Hab ich dir das nicht gesagt!“ Er brüllte mich an und am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten.

Mein Körper erbebte, zitterte. Ich zog den Kopf fast schon erschrocken ein, aus Angst gleich kommt erneut ein Schlag. Er griff in meine Haare und zog schmerzvoll mein Gesicht zu ihm. „Wenn du meinst, dich hier einzumischen, dann werde ich dafür sorgen, dass du es hier nicht mehr so leicht und angenehm hast! Hast du mich verstanden“, fragte er mich eiskalt und Spucke traf mein Gesicht. Während er mich böse anfunkelte, stieß er sich vom Sofa ab und verließ das Wohnzimmer. In der Tür wandte er sich noch einmal um und sah uns an. „Aufräumen“, raunte er und zog sich die Schuhe an. Wenig Augenblicke später hatte er das Haus verlassen. Ich blickte zu meiner Mutter und sah, wie ihr die Tränen die Wange hinunter liefen. Ich starrte auf den Tisch und sah ihn doch nicht. Ich war gefangen in einer anderen Dimension, sah und spürte nichts mehr. Ihr lautes Schluchzten brachte mich in die Realität zurück.

Schnell stand ich auf , setzte mich neben sie und legte die Arme um sie. Auch ich zitterte, ebenso wie meine Mutter, doch weinte ich nicht. Nicht, wenn sie gerade so schwach war. Ich spürte das schmerzvolle Pochen in meiner Wange, die Kopfschmerzen und versuchte sie zu ignorieren. Ich konnte nicht sprechen. Meine Kehle war zugeschnürt. Ich wog sie leicht hin und her. Ich verstand nicht genau, was gerade passiert war, versuchte es in die richtige Reihenfolge zu bekommen. Erst nach einigen Augenblicken beruhigte sie sich und löste die Arme, welche sie hilfesuchend um mich geklammert hatte. Ich konnte ihr nicht ins Gesicht sehen. Nachdem sie sich beruhigt hatte, stand ich langsam auf. Ich sammelte die heruntergefallene Tasse auf, sowie die anderen Scherben von der Vase. Mutter rührte sich nicht. Also ging ich in die Küche und holte Handtücher und für sie etwas, um die Wange zu kühlen.

Ich reichte es ihr wortlos und ohne mich anzuschauen nahm sie es entgegen. Bedächtig drückte sie es sich gegen die Wange. Währenddessen wischte ich den Dreck vom Boden auf. Zerstörte die Beweise, die zeigten, was hier geschehen war. Nur die Beweise auf unseren Körper ließen sich nicht einfach wegwischen. Nach dem ich gesaugt und den Staubsauger wieder weggestellt hatte, stand ich unschlüssig an der Tür. Immer noch saß meine Mutter wie versteinert auf der Couch und mied meinen Blick. Sie wirkte fast wie ein kleines Kind. Hilflosigkeit übermannte mich. Ich wusste nicht, wie ich mit ihr umgehen sollte. Sollte ich etwas sagen? War schweigen besser? Wenn ich was sagte, was sollte ich sagen? Ich schluckte schwer und sah auf meine Füße.

„Ich geh rauf, okay“, sagte ich nach einem Moment leise, doch von meiner Mutter kam noch immer nichts. Zitternd ging ich die Treppe hinauf in mein Zimmer, schloss eilig die Tür hinter mir. Schloss die Welt unten aus. Ich lehnte mich an sie und rutschte runter, während mir endlich die Tränen über die Wange liefen.

Fast wünschte ich mir, meine Mutter oder irgendwer würde kommen und mich in den Arm nehmen. Ich war nicht erwachsen! Ich war erst siebzehn! Doch niemand kam. Ich zog meine Beine an und lehnte meinen Kopf auf die Knie und die Tränen fielen auf den Boden meines Zimmers. Ich habe mich nie im Leben einsam gefühlt, doch nun schnürte mir Einsamkeit die Kehle zu. Das Versprechen, niemanden etwas zu sagen, lastete in diesem Moment so schwer auf mir, dass ich wünschte, ich könnte es einfach brechen. Doch ich konnte es nicht. Ich sehnte mich nach jemanden, der einfach gerade für mich da war. Ich dachte an Jack, doch ich wusste, dass, wenn ich jetzt hinüberging, ich das Versprechen meiner Mutter gegenüber nicht würde halten können. Ich dachte an Jenny, doch sie war zu weit weg und ich sollte ihr nichts sagen. Wieso hat Mutter mir das angetan? War ihr das überhaupt bewusst, wie sehr mich das Versprechen knebelte? Auch Eric konnte ich nichts sagen, er könnte nichts machen und die Sorge, die ich dann ständig in seinen Augen sehen würde, würde ich nicht aushalten. Also musste ich allein kämpfen. Ich wischte mir über das Gesicht, verbot mir weiter zu weinen wie ein schwaches Kind. Männer sollen doch nicht weinen! Doch immer noch saß ich vor meiner Tür auf den Boden und schaffte es nicht aufzustehen.

Ein verregneter Tag

Als ich am nächsten Morgen in den Spiegel schaute, sah ich einen kleinen kaum auffälligen Fleck an der rechten Seite meines Auges. Vorsichtig strich ich da rüber und zuckte leicht zusammen. Es schmerzte ziemlich. Frustriert stöhnte ich auf. Hoffentlich würde es niemand merken….

Wenn doch, werde ich einfach sagen, dass ich beim Karatetraining was abbekommen hatte. Die Ausrede würde keine Fragen aufwerfen. Ich dachte an Jack. Er würde mir das nicht abkaufen. Zu aufmerksam war dieser Mann. Außerdem wusste er, dass ich nicht bei dem Training war.

Vermutlich würde ich ihn heute sowieso nicht sehen. Vater war gestern nicht mehr nach Hause gekommen. Wo er die Nacht über war, war mir ziemlich egal. Wenn es nach mir ginge, brauchte er auch gar nicht mehr wiederkommen. Schwer seufzte ich auf und machte mich für die Schule fertig. Ich betrachtete mich noch mal im Spiegel, der im Flur stand, eher ich mich auf den Weg machte. Es regnete und ich zog die Jacke enger um meinen Körper. Ich achtete nicht auf den Weg, nicht auf den Regen der meine Haare benetzte noch auf die Anderen als ich in die Schule ging. Mechanisch grüßte ich den ein oder anderen, wenn er mich grüßte und setzte mich in die Klasse.

Ich blickte hinaus auf den Hof. Die Regentropfen zeichneten ein wirres Muster auf die Scheibe und ich verfolgte sie in Gedanken. Das wirre Muster nahm kein Ende und fast schon erschrocken fuhr ich zusammen, als man mich berührte. Ich drehte mich mit geweiteten Augen um und sah in Erics Gesicht. Wie ich, sah auch er mich erschrocken an und fragte: „Jazz, alles klar? Du wirkst ja wie in einer anderen Welt? Schlecht geschlafen?“ Ich blinzelte einige Male, versuchte das komische Gefühl in mir abzuschütteln und setzte mein bekanntes Grinsen auf. „Alles klar, einfach nur wirklich sau schlecht geschlafen“, begann ich, es war nicht mal gelogen.

„Ich hab dich gestern nicht erreicht, wirklich alles gut“, fragte Eric mich stirnrunzelnd. Ja, gestern hatte mein Handy mehrmals geklingelt, doch ich habe nicht abgenommen. Eigentlich bin ich gestern nur noch zum Essen und für das Badezimmer herausgekommen.

Ich fühlte mich nicht wohl, nickte aber dennoch und meinte: „Alles gut. Sonntag war nur scheiße… irgendwie.“ Eric betrachtete mich eingehend und fragte: „Okay, weswegen denn? Ist es wegen…na ja... du weißt schon?“ Er blinzelte kurz Richtung Tobey und ich verdrehte genervt die Augen.

„Ich hab nichts mit dem Typen“, zischte ich ihm böse zu. Eric hob beschwichtigend die Hände und lächelte entschuldigend. „Ja, ist gut. Wie geht es denn deinem Soldaten“, fragte er mich und grinste leicht.

Unsere Englischlehrerin, Mrs. Williams, war noch nicht da und der Rest der Klasse war am quatschen und am rumalbern. Colin und der Rest meines Teams hatten sich zusammengesetzt und schienen über irgendetwas zu lachen. Somit waren Eric und ich ungestört. Leise flüsternd berichtete ich von unserem Wochenende, erzählte die schönen Momente, versuchte an diesen festzuhalten. Er konnte mir kaum glauben, dass ich wirklich Jet fliegen war. Also zeigte ich ihm die Bilder, die Jack von mir vor der Maschine gemacht hatte. Neidisch betrachtete er die Bilder und sah das Selfie von mir und Jack länger an. „Cool, cool, dafür würde ich auch mal schwul sein. Weißt du wie teuer sowas ist?“ Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Ich zuckte mit den Schultern und wollte gerade anfangen zu berichten, dass Jack wohl noch etwas bei einem alten Kameraden gut hatte. Als Eric mehr erfahren wollte, kam jedoch Colin zu uns und grinste mich verschmitzt an.

„Hey, Williams ist krank. Also gibt es ne Freistunde. Geil oder“, fragte er und setzte sich unaufgefordert zu uns. Ich nickte ihn leicht an und grinste falsch, doch keinem schien es aufzufallen. Die anderen meiner Mannschaft schlossen sich unserem Trüppchen an und so konnten Eric und ich nicht ungestört sprechen.

Dabei sehnte ich mich so, das Schweigen zu brechen und doch wieder nicht. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Das dumpfe Pochen an meinem Auge erinnerte mich immer wieder an das, was geschehen war und doch nicht hätte passieren dürfen.

„Jasper“, meinte Zack zum Ende der Freistunde, „was ist das da an deinem Auge?“ Ich blickte verlegen zu unserem Pitcher und alle Blicke wanderten zu meinem Gesicht. So wie meine Mutter, legte ich meine Hand auf den leichten, aber schmerzvollen Punkt und winkte grinsend ab. „Ach“, meinte ich, „hatte Karatetraining und der Trainer hat mich blöde getroffen. Tut ziemlich weh.“ Eric blickte mich mit seinen geweiteten Augen an und ich sah meinem besten Freund an, dass er mir keinen Glauben schenkte.

Natürlich, wenn ich gestern für ihn nicht erreichbar war. Doch darauf ansprechen tat er mich nicht. Er würde mich nicht bloß stellen. Etwas, wofür ich sehr dankbar war. Unsere Blicke trafen sich und ich schämte mich, dass er sich denken konnte, was geschehen war.

Die Anderen schienen sich mit meiner Erklärung zufrieden zu geben und ich klinkte mich schnell in ein Gespräch ein, welches sich um diesen dämlichen Ball drehte, der irgendwann stattfinden sollte.

Aufgrund des schlechten Wetters musste ich das Training ausfallen lassen und eigentlich war ich heute nicht sonderlich traurig darum. Schnell packte ich nach dem Schulschluss meine Tasche, denn ich wollte nicht, dass Eric mich aufhielt. Als ich jedoch zu ihm blickte, sah ich, dass Zoey bei Eric stand und ihm etwas ins Ohr flüsterte und ihn ablenkte.

So schaffte ich es tatsächlich dem Gespräch zu entkommen und ging schnell die Straßen entlang nach Hause.

In der Einfahrt sah ich das Auto meines Vaters. Mutters Wagen war weg, vermutlich war sie wieder in der Kirche. Frustriert blieb ich stehen. Sah zu dem Haus meiner Familie und ein fester Knoten bildete sich in meiner Brust. Schmerzvoll, unangenehm. Ich wollte nicht nach Hause. Ich wollte nicht mit ihm alleine sein. Hatte ich Angst? Vielleicht ein wenig, wenn ich ehrlich war.

So sah ich zu Jacks Haus. Ohne lange hin und her zu überlegen ging ich da hin und klopfte an. Das Vater nicht wollte, dass ich zu ihm ging, war mir egal. Es dauerte nicht lange und die Tür wurde geöffnet. Jack stand vor mir mit einer Zigarre im Mund.

Er studierte kurz verwirrt mein Gesicht und sein Auge schien sich auf die Verletzung zu fokussieren. Er sah es natürlich sofort. Als hätte er einen Veilchen Detektor. Schnell, ohne etwas zu sagen, trat er beiseite und gewährte mir Einlass, fragte nicht nach.

Er wusste es, hatte es gesehen. Ich wusste es. Ob er auch weiß, dass es von Vater war? Natürlich, so wie Dad gestern zu Mum und mir hinüber geblickt hatte. Ich darf nicht sprechen, du hast es versprochen! Wie würde das denn aussehen? Wie würdest du dann deine Familie hinstellen? Wie die letzten Asozialen. Das geht nicht. Ich ging in das Haus. Dieses Mal kam kein Didi auf mich zugelaufen um mich zu begrüßen. Ich schaute mich um und konnte den Hund nirgends entdecken.

„Wo ist Didi“, fragte ich ihn, schaute über meine Schulter hinweg Jack an. Er kam langsam auf mich zu, vorsichtig, taxierend. „Ist mit Ozelot draußen, der will den Kleinen an Menschenmassen gewöhnen. Was ist mir dir“, fragte er mich mit neutraler Stimme. Wieder mal war keine Regung von Gefühlen in ihr zu erkennen. Er fragte fast so, als würde ihn die Antwort gar nicht interessieren. Es verunsicherte mich, zögerlich nickte ich ihm zu und ließ mich auf seiner Couch nieder. Ich raufte mir die Haare. Ich bemerkte, wie Jack zum Fenster ging und hinüber sah zu unserem Haus. Fast schon prüfend, sein Blick glitt danach langsam zu mir. Ich wüsste zu gerne, was er grade gedacht hat. Ob er wirklich wusste, dass ich hier bin, weil nur mein Vater grade zu Hause war? Fast schon vorsichtig kam er auf mich zu und ich spürte seine kräftige Hand auf meiner Schulter. Erneut zuckte ich zusammen, als man mich anfasste. Wappnete mich für die Inquisition, die folgen würde. „Lass uns in die Stadt“, meinte Jack plötzlich und ließ langsam die Hände sinken.

Verwirrt sah ich über die Schulter zu ihm. Meine Augen weiteten sich. Seine Mimik hatte sich nicht verändert, immer noch ohne Regung von Gefühlen. Einzig in seinem Auge war eine Veränderung zu sehen. Fast schon schimmerten sie mich fürsorglich an. Mein Gesicht entspannte sich und dankbar war mein Blick, mit dem ich ihn ansah.

Ich wusste, dass er es wusste, doch er sprach es nicht an. Ich erhob mich langsam und er ging zu den Schlüsseln seines Autos. Ohne darauf zu achten ob Vater uns sah oder nicht, stieg ich in Jacks Geländewagen. Ich fragte nicht wohin wir fuhren. Ich blickte auf die regennasse Fahrbahn. Mein Kopf lehnte an der Scheibe, während ich auf die vorbeiziehenden Gebäude blickte.

Wir schwiegen. Etwas, was Jack ziemlich gut konnte und ich langsam auch. Nicht mal das Radio wurde angeschaltet. Ich achtete nicht auf die Schilder, darauf, wo wir hinfuhren. Es war mir schlichtweg egal. Einmal kurz strich ich mir über die schmerzende Stelle, doch schnell ließ ich meinen Arm sinken. Jack entging keine meiner Reaktionen, dass wusste ich. Mir war klar, dass er mich ablenken wollte, so dass ich nicht weiter an etwas Schlimmes denken musste. Dankbar war ich dafür. In meiner Brust erwachte ein anderes Gefühl, neben der Dankbarkeit war das Gefühl der Zuneigung für diesen Mann stärker denn je. Ich schaute Jack an und musste unweigerlich leicht lächeln, als ich ihn sah.

Erst als noch einige Minuten verstrichen waren und ich wieder auf die nasse Straße sah, fragte ich leise: „Wohin fahren wir?“

„Zu Ikea“, war seine schlichte Erklärung wieder ohne seine Gefühle zu offenbaren.

Verwirrt sah ich ihn an und fragte: „Ist das jetzt dein Lieblingsladen?“

„Nein, der ist schrecklich, aber ich hatte was bestellt. Das muss ich abholen. Und die Fleischbällchen sind klasse da.“

Ich dachte nach und nach einigen Minuten fing ich mit monotoner Stimme an zu erzählen, dass meine Mutter den Laden toll fand und dass sie Jenny damit angesteckt hatte. Ich plapperte einfach weiter, berichtete von Jenny, wie sehr ich sie mochte. Auch wie traurig ich eigentlich war, dass sie nicht mehr bei uns wohnte. Erzählte Geschichten aus meiner Kindheit. Glückliche Erlebnisse mit meinen vielen Geschwistern. Jack schwieg, nickte und hörte mir zu. Ab und zu sah er zu mir herüber. Ich wollte einfach nicht mehr an gestern denken und flüchtete mich in schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit. Ich dachte an meine Großmutter und liebevoll erzählte ich von ihr, dass sie ein sehr lustiger Mensch sei. Welcher viel und gerne lacht und tatsächlich versucht auf dem neusten Stand zu bleiben. Verwirrt sah Jack mich an und fragte nach einem Moment tatsächlich: „Also warte, deine Oma lebt noch? Deine Eltern sind doch älter!“ Ich nickte und grinste leicht. „Ja, sie lebt noch. Ist auch noch ganz fit. Sie braucht nur einen Stock… Meine Oma würdest du mögen“, meinte ich und tatsächlich schaffte ich es sogar, leicht zu grinsen als ich an sie dachte.

„Wieso… was ist sie denn für ein Mensch“, fragte Jack mich ruhig, wohl froh, dass ich aus meinem Schneckenhaus gekrochen kam. „Eigentlich offen, fröhlich und… na ja, für ihre Zeit war sie sehr… sie ließ sich nie die Butter vom Brot nehmen. Einmal hat meinem Großvater die Suppe nicht geschmeckt und er hat sie aus dem Fenster gekippt. Oma hat dann den Teller und das Besteck wortlos hinterher geschmissen. Als er dann fragte, weswegen sie das gemacht habe, meinte sie wohl, sie dachte, er wolle draußen essen.“ Jack schmunzelte belustigt und nickte über meine Geschichte.

Tatsächlich führen wir nach einigen Minuten auf den Parkplatz des Möbelhauses. „Müssen wir um an die Information zu kommen durch den ganzen Laden laufen“, fragte ich ihn und zog skeptisch die Augenbrauen hoch.

Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht“, meinte er und zog einen Zettel aus der Tasche.

„Was hast du denn bestellt? Noch eine Kommode?“ Ich ging ihm einfach nach und sah mich um. „Einen Badezimmerschrank“, meinte er und runzelte die Stirn. „Hab irgendwie mehr, als ich dachte“, erklärte er mir und ging einfach in den Laden hinein. Ich folgte ihm schweigend und ließ meinen Blick über die Möbel schweifen. Viele sahen wirklich hässlich aus, fand ich. Und tatsächlich überall standen Kerzen herum.

Jack erfuhr, dass er das Schränkchen unten abholen konnte, so dass wir uns entspannt etwas zu Essen holen konnten. Wir saßen einander gegenüber und schwiegen. Ich stocherte in meinem Essen herum, nahm ein zwei Bissen. Schmecken tat ich nicht besonders viel. Wieder fingen meine Gedanken an zu kreisen. Die Ablenkung hatte leider nicht so lange funktioniert wie ich dachte.

„Schmeckt es nicht“, fragte Jack nach einem Augenblick. Meine Augen wanderten zu ihm. Er zog die Augenbrauen hoch und betrachtete mich eingehend. Ich sah hinunter auf seinen Teller, welcher bereits leer war und betrachtete meine vollen. „Doch“, meinte ich schnell, „hab nur nicht so viel Hunger.“

Jack betrachtete mich stirnrunzelnd und fragte nach einem Moment der Stille: „Wieso holst du dir dann so viel.“

Verteidigend meinte ich: „Die haben mir so viel darauf gepackt… Wie bei dir.“ Er nickte nachdenklich und ich spürte, wie sein Blick erneut zu meinem Auge wanderte. „Na gut“, kommentierte er und trank sein Wasser leer.

„Tut mir leid“, begann ich nach einiger Zeit, in der ich gegessen hatte, „ich bin etwas schlecht drauf.“

„Hab ich gar nicht gemerkt“, erwiderte Jack ziemlich trocken. Sarkasmus sprach der Kerl genauso gut wie Russisch. Schwer seufzend ließ ich das Besteck sinken. „Tut mir leid“, meinte ich leise und schob den halb vollen Teller von mir weg. Jack betrachtete mich, nahm seine Gabel zur Hand und aß meine Reste. „Brauchst dich nicht zu entschuldigen. Passiert jedem einmal.“ Ich nickte schwer und schaute ihm beim Essen zu. Er sah mich nicht an, schaute auf den Teller.

Ich runzelte die Stirn und nach einem Augenblick sagte ich: „Ist gerade einfach alles irgendwie… beschissen.“ Sein Auge wanderten vom Teller hinauf zu mir. Jack fixierte mich eingehend. Er schien wegen irgendetwas mit sich zu ringen. Mit was verstand ich nicht. Er griff in seine Hosentasche und zog seinen Schlüsselbund hervor. Mehrere unterschiedliche Schlüssel hingen daran. Er entfernte einen von den Ringen und schob ihn mir herüber.

Ich nahm ihn entgegen und betrachtete den Schlüssel verwirrt. „Wenn was ist und ich nicht da bin, dann kannst du rüber kommen“, meinte er und aß den letzten Rest meines Essens auf. Erstaunt weiteten sich meine Augen und ich betrachtete den unscheinbaren silbrig schimmernden Schlüssel in meiner Hand. Dankbar schloss sich meine Hand. Ich schloss kurz meine Augen und nickte leicht.

Ich war fast gerührt davon.

„Was dagegen, wenn wir Adam und den Hund abholen“, fragte Jack mich nach einigen Augenblicken, in denen er mich wieder beobachtet hatte. Ich schüttelte leicht den Kopf als wir aufstanden. Ich dachte an die letzten Tage. Ich wollte unbedingt über etwas sprechen, was kein Bisschen mit meiner Familie zu tun hatte. Ich wollte, dass mein Verstand sich auf andere Dinge fokussierte. Ich durchstöberte meine Gedanken und landete bei White Shark. Daran, was da passiert ist und worüber die Beiden gesprochen hatte. Nach einigen Momente fragte ich: „Dein Codename war Snake, oder?“ Jack nickte leicht und sein Blick durchbohrte mich nahezu. „Wie kommt es, dass du den bekommen hast“, fragte ich, als wir die Rolltreppe hinabfuhren. „Später“, meinte Jack, während er andere Kunden des Ladens beäugte, die in unserer Nähe standen. Sie schienen jedoch von mir und Jack wenig Notiz zu nehmen. Wir holten das Schränkchen ab und luden es in den Kofferraum.

Wenig später waren wir wieder auf der regennassen Fahrbahn. Ich blickte auffordernd zu ihm. Jack verstand und verdrehte fast schon genervt sein Auge, als habe er gehofft, ich hätte es vergessen. „Man verdient sich Decknamen“, meinte Jack nach einem Moment und schaute auf die Straße. „Oder man bekommt sie einfach.“

Ich nickte verstehend und war neugierig. Ich wollte mehr erfahren und er sah mir die nonverbale Frage an, als er kurz hinüber sah. „Ich habe ihn bekommen. Von meiner Mentorin, während eines Einsatzes. Sie meinte er passe…“

„Also…weiß nicht, bist du gut im Schleichen und schlägst aus dem Hinterhalt zu, oder wie?“ Er runzelte nachdenklich die Stirn und schien abzuwägen. „Hm“, grummelte er vor sich hin. „Ein wenig… Aber das ist nicht der Grund….Die Einheit von meiner Mentorin hieß Kobra. Die Operation, auf die ich geschickt wurde, hatte den Decknamen Snake Eater. Deswegen bekam ich damals den Codenamen.“ Ein Schmunzeln glitt über sein Gesicht und er fügte leicht grinsend hinzu: „Ja, die Army ist da sehr kreativ. Dann gab es noch tatsächlich Informanten, die hießen Adam und Eva.“

„Ist Adam der Adam“, fragte ich und dachte an den blonden Russen der gerade bei Jack wohnte.

„Er kann nichts für seinen Namen, das waren Codenamen…In den seltensten Fällen hat es was gemeinsam.“ Wieder wich er aus. Hatte weder ja noch nein gesagt. Ich runzelte die Stirn und sagte: „Adam kommt mir überhaupt nicht gefährlich vor.“ Jack schaute überrascht zu mir und ein amüsierter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Wieso“, fragte er.

„Weiß nicht, er wirkt so nett, freundlich und zurückhaltend… Irgendwie…weiß auch nicht… dir sieht man an, dass man sich mit dir nicht anlegen sollte…“

Das Grinsen auf Jacks Gesicht wurde breiter und amüsiert sprach er: „Sind das dann nicht die Gefährlichsten? Diejenigen, denen man es nicht ansieht?“ Ich stockte und dachte verwirrt nach. Nichts wirkte bedrohlich an Adam, außer den offensichtlichen Revolvern. Stirnrunzelnd sah ich auf die Straße und nickte leicht. Leise murmelnd mutmaßte ich: „Also ist er schon ziemlich gefährlich, oder wie?“ Wieder wich Jack aus und erklärte: „Er kann ziemlich gut schießen…ja…“

Ich schaute fragend zu Jack: „Kannst du auch noch gut schießen?“ Mein Blick glitt zu der Augenklappe. Ich wusste gar nicht, wie lange er sie schon trug. Ich hatte ihn nie danach gefragt. „Hm… Es geht. Ich werde immer sicherer. Was aber überhaupt nicht mehr gut geht, ist rückwärts einparken“, meinte er und blickte zu mir. Ich musste tatsächlich leicht schmunzeln, hätte ich ihm so eine simple Sache doch ganz einfach zugetraut.

„Wie lange ist es eigentlich her“, ich deutete mit meiner Hand kurz auf die Augenklappe. Jack blickte kurz zu mir rüber und antwortete schnell: „Ungefähr 4 Monate.“ Kürzer wie ich vermutet hatte. Erneut blickte ich ihm ins Gesicht und nickte leicht. Erneut war ich beeindruckt, so tapfer wie er damit umging könnte man meinen, dass es bereits Jahre zurücklag.

„Du sagtest deine Mentorin hat dir den Namen Snake gegeben… Kommt sie dich dann bald mal besuchen?“

Jack schüttelte kurz den Kopf. Nach einem kurzen Moment der Stille meinte er: „Ich besuche sie, so oft ich kann.“

Erneut überkam mich die Eifersucht. Er besuchte diese Frau. Wieder jemanden, der ihn so viel länger kannte wie ich. Und wieder stellte ich fest, dass es mir nicht passte! Ich schluckte die Gefühle herunter und fragte: „Ist sie dann nicht sauer, wenn du aus der Army aussteigst?“ Jack schien fast schon melancholisch kurz zu lächeln, fast nicht wahrnehmbar und es verschwand schnell. Dann grinste er mich kurz an und erneut konnte ich feststellen, dass es eine Maske war. Immer besser konnte ich hinter seine Masken schauen.

„Sie würde sicher sehr sauer werden, wenn sie es erfahren würde. Aber eigentlich hat sie mir beigebracht das zu tun, was ich für richtig halte.“, meinte er und konzentrierte sich wieder auf das fahren. Würde, hatte er gesagt… Wenn Jack doch so bekannt war und alle vor ihm Respekt hatten, wieso wusste sie es dann noch nicht. Stirnrunzelnd starrte ich hinaus auf die nasse Bahn und es klickte. Sie war tot… Aber wie konnte er sie dann besuchen. Das ging doch nicht, oder? Zögerlich begann ich zu fragen: „Wo wohnt sie denn…das du sie so regelmäßig besuchst?“

Wieder antwortete Jack ziemlich schnell. „In Arlington.“ Meine Augen weiteten sich, doch Jack merkte es nicht. Arlington, der große Soldatenfriedhof. Reih um Reih standen dort weiße Grabsteine und erstreckten sich bis zum Horizont. Ein Arial, was man sich von der Größe her kaum vorstellen konnte. War das die Frau, die er geliebt hatte? Vermutlich…Sollte es bedeuten, dass er regelmäßig von Texas nach Virginia reiste, um sie am Grab zu besuchen? So konnte er doch niemals los lassen. Unschlüssig betrachtete ich Jack.

„Wieso bist du nach Texas gezogen, wenn du so oft dahin reist“, fragte ich und die Überraschung schwang in meiner Stimmte mit.

„Ich hab es dort nicht mehr ausgehalten“, waren seine Worte und erneut stellte ich fest, dass ich wieder in ein Fettnäpfchen getreten war. Er hatte es nicht mehr da ausgehalten, diese Aussage sagte, wenn man genau hinhörte, so viel mehr über diesen Mann und seine verletzten Gefühle aus, als man im ersten Moment meinte. Alles hinter sich zu lassen, Freunde, Bekannte die bekannten sozialen Infrastrukturen um irgendwo anders neu anzufangen zeigte, wie verzweifelt Jack war. Es klang schon fast wie eine Flucht. Dennoch schaffte er es wohl nicht ganz, wie ich fast schon bitter dachte. Er konnte körperlich fliehen, egal wohin. Jetzt hatte es ihn nach Texas verschlagen, wer weiß wohin es ihn noch treiben würde. Jedoch schien es, dass er in seinem Kopf nicht entkommen könnte. Seine Gedanken schienen ihn festzuhalten, fast schon zu fesseln. Wenn er wieder leben wollte musste er diese Fesseln abschütteln. Ich fragte mich, wie sehr er diese Frau geliebt hat und was mit ihr passiert war.

Ob sie während eines Einsatzes gestorben ist?

Wenn sie doch seine Mentorin gewesen ist, musste sie dann nicht auch deutlich älter sein als er?

Jacks Hand lag auf dem Steuerknauf des Wagens. Zögerlich streckte ich meine Hand nach seiner aus und drückte sie kurz. Jacks Blick wanderte augenblicklich zu mir und sanft lächelte ich ihn an. „Ich hoffe hier hältst du es länger aus. Ich habe dich nämlich gerne hier“, meinte ich mit sanfter Stimme. Blau traf auf braun als sich unsere Blicke trafen, und Jacks Gesicht entspannte sich, bevor er wieder auf die Straße sah. Ich spürte, wie er meine Hand drückte, aber schnell wieder los ließ.

„Ich mag dich auch, Kleiner“, sagte Jack und sah mir nicht in die Augen, sondern fixierte die Straße. Wir fuhren hinein in die Innenstadt und Jack suchte sich einen Parkplatz.

Hinter verschlossenen Türen

Jack rief Adam an und schnell fanden sie sich auf dem Parkplatz. Didi lief zu Jack und kläffte ihn aufgeregt an. Er beugte sich zu seinem Hund hinunter und streichelte den quirligen Vierbeiner. Mein Blick glitt zu Adam der mich fröhlich begrüßte. Erneut trug Adam diese roten, auffallenden Lederhandschuhe. Ob er den Fleck an meinem Auge bemerkte, wusste ich nicht. Er wirkte gelassen und fröhlich. Er redete kurz mit Jack auf Russisch. Sie beide sahen hinunter zu Didi, welcher nun meine Aufmerksamkeit verlangte.

Vermutlich sprachen sie darüber, wie sich der Welpe in der Stadt machte. Ich streichelte den Hund und spürte die Freude in mir, als ich den kleinen Welpen sah. Didi war schon ein toller Hund! Ich schmunzelte belustigt. Jack nahm Adam die Leine ab und drückte sie mir in die Hand. Er lächelte mich kurz, fast fürsorglich an. Doch so schnell, wie der Blick gekommen war, verschwand er wieder. „Wie lange bleibt Adam“ fragte ich Jack, als wir weitergingen. Der Regen hatte noch nicht wirklich nachgelassen, doch keinen der beiden Männer schien es zu stören.

„Nicht so lange, nur bis Donnerstag oder Freitag, dann muss er weiter“, meinte Jack und als ich nachfragte, wohin er dann gehe, schaute mich Jack verschwörerisch an. „Kann ich dir nicht sagen, Kleiner.“ War sein Kommentar. Ich verdrehte genervt die Augen. Immer diese ganzen Geheimnisse… und immer dieses beschissene ‚Kleiner‘. Wir setzten uns in ein Café und Adam versuchte mir zu erklären, weswegen das Russische essen nicht so gut schmeckte, wie das Amerikanische. Doch genau verstand ich ihn nicht. Doch seine lockere und freundliche Art half mir auf andere Gedanken zu kommen.

„Essen immer hässlich in Russland. Hier schön“, sagte er und deutete auf ein großes Stück Kuchen vor sich. Immer wieder konnte ich von meinem Platz aus sehen, wie Adam dem Hund heimlich Essen gab. Jack schien es wirklich nicht zu bemerken. Ich musste darüber leicht grinsen.

Später fuhren wir gemeinsam nach Hause. Ich saß hinten bei Didi und kuschelte mit dem Welpen. Die Beiden vorne schwiegen. Wie konnten sie nur so lange schweigen, dachte ich fast schon genervt. Als wir bei Jack waren und ausstiegen, sah ich gerade, wie meine Mutter aus ihrem Kleinwagen stieg. Sie sah mich fast schon erschrocken an, als ich bei Jack ausstieg. Ich versuchte ihr zuzulächeln, doch spürte ich, wie hölzern sich mein Gesicht anfühlte. Unsere Blicke trafen sich kurz, doch ohne ein Wort wandte sich meine Mutter ab und ging Richtung Haus.

„Ist Mütterchen?“, fragte Adam in gebrochenem Englisch. Ich nickte, worauf Adam meiner Mutter zuwinkte und „Hallo Mütterchen Jazz“ rief. Meine Mutter drehte sich um und schaute Adam etwas entsetzt an. Sie hob die Hand und winkte zögerlich zurück, eher sie den Kopf schüttelte und im Haus verschwand. Ich musste tatsächlich darüber lachen.

„Ich sollte mal rüber“, sagte ich zu Jack, der meiner Mutter stumm zugenickt hatte, doch seine Geste ignorierte sie. „Mach das“, meinte er zu mir. „Wenn was ist, weißt du Bescheid“, sagte Jack. Ich nickte leicht, während ich an den Schlüssel dachte und ich ging zu meiner Mutter hinüber. Sie sagte nichts als wir uns kurz in die Augen sahen. Schnell ging sie rein, sprach nicht wirklich mit mir und sah mich nicht an. Hilflos sah ich ihr nach, dass sie sich von mir entfernte, verstand ich nicht. Habe ich ihr doch nie etwas getan. Es war Vaters Regel die ich brach, nicht zu Jack zu gehen, nicht die meiner Mutter. Sie hatte ihn doch ein wenig kennen gelernt und festgestellt, dass er nicht schlimm war. Ihr schweigen war gerade schlimmer als die Wut meines Vaters. Verlassen stand ich in unserem Flur und hörte, wie Mutter die Taschen auspackte. Unschlüssig stand ich da, wartete, dass sie mit mir sprach, dass sie fragte wie die Schule war, wieso ich bei Jack war doch nichts dergleichen passierte. Sie meckerte nicht mal deswegen. Ich trat zu ihr in die Küche, doch erneut wandte sie ihren Blick schnell von mir ab, als sie mir kurz ins Gesicht sah. Was war hier los? War es wegen der kleinen unscheinbaren Verletzung die ich hatte?

Unsicher ging ich einige Schritte die Treppe hinauf. Ich ging langsam. Ich wollte, dass meine Mutter mich aufhielt und endlich das Schweigen brach. Doch nichts passierte. Als sie mich nicht aufhielt, ging ich schnell nach oben und verschloss meine Zimmertür. Wieso redete sie denn jetzt nicht mehr mit mir? Ich verstand es nicht. War sie sauer, weil ich bei Jack war? Sollte ich sie darauf ansprechen? Ich starrte meine Zimmertür an und wusste nicht, wie es weiter ging. Ich konnte das Verhalten meiner Mutter nicht entschlüsseln.

 

Die nächsten Tage gehörten zu den seltsamsten in meinem Leben. Sowohl Mutter und Vater gingen mir aus dem Weg. Mutter sprach beim Essen kaum noch mit mir und mit meinem Vater wollte ich nicht viel reden. Ich hatte das Gefühl, das zwischen uns etwas zerbrochen war. Immer wieder wurde er laut und schrie rum. Als schien er jetzt, wo er mich das erste Mal geschlagen hatte, eine Hürde überwunden zu haben, welche ihn vorher in Schach gehalten hatte. Das ein oder andere Glas war am Boden unserer Küche zu Bruch gegangen. Schuld waren immer ich oder Mutter. Also blieb ich häufig lange weg. War viel mit Eric auf dem Baseballplatz. Er wollte wissen was geschehen war, doch ich habe das Versprechen meiner Mutter nicht gebrochen. Ich wusste, dass Eric es nur gut meinte, doch konnte ich es ihm nicht sagen. Auch er bemerkte den blauen Fleck an meinem Auge. Ich war mir sicher, dass er sich denken konnte woher er kam. Zu meinem Erstaunen kam Eric erst am zweiten Tag auf mich zu, als er vorsichtig nachfragte: „ Hey Jazz. Woher kommt denn der Fleck wirklich?“ Ich seufzte schwer. Zu gerne hätte ich ihm erzählt was passiert war. Doch ich blieb bei meiner Version: „Ist nur ein Karateunfall.“ Ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. Doch Eric nickte und meinte, es sei schon okay und ich solle einfach kommen, wenn ich reden wolle. Auch mit Jenny telefonierte ich, doch immer noch war ich an das Versprechen meiner Mutter gebunden. Seit sie sich von mir entfernte, lastete das Geheimnis immer schwerer auf meinen Schultern. 

Jack wollte ich auch nicht stören, auch wenn es ihn sicher nicht gestört hätte. Doch da er die Woche über noch Besuch hatte, wollte ich nicht nerven. Auch wenn es mich wahnsinnig machte nicht zu wissen, was die Beiden den ganzen Tag lang machten! Häufig sah ich sie zusammen wegfahren und erst später am Abend kamen sie wieder. Gott! Ich war so eifersüchtig!

Da mir nichts anderes übrig blieb, stürzte ich mich in den Sport. Wenn ich viel trainierte und abends erschöpft war, schaffte ich es besser einzuschlafen.

Am Freitagabend hatten wir ein Baseballspiel gegen eine andere High School und nur mit Mühe und Not schafften wir es zu gewinnen. Weder meine Mutter noch mein Vater waren zu dem Spiel gekommen. Obwohl sie wussten, dass ein Talentscout  dem Spiel beiwohnte. Ich war erleichtert, dass wir im letzten Augenblick das Ruder drehen konnten. Eigentlich feierten wir nach einem solchen Sieg als Team. Doch dieses Mal war mir nicht nach feiern. Erics Eltern brachten mich nach Hause. Ich hatte ihnen gesagt, mir ginge es nicht gut. Es war nicht mal gelogen. Niemand war da, als ich das Haus betrat. Das Haus wirkte verlassen und kalt. Im Kühlschrank war Essen für mich, welches ich alleine am Kuchentisch aß, nach dem ich es aufgewärmt hatte.

Ich schaffte nicht mal die Hälfte von dem Essen und schmiss den Rest weg, mir wurde fast schon schlecht. Ich ging durch unser verlassenes Haus und fühlte mich tatsächlich unwohl. Ein stechender Schmerz zog von meiner Brust aus durch meinen Körper.

Ich blickte auf die Familienwand, die eine scheinbar heile und große Familie zeigte, doch war es eigentlich nur Schein und wenig Sein. Der Vater wurde zum Tyrannen, mein Bruder, der nicht mehr zur Familie gehörte, weil er Mist gebaut hatte und eine Mutter, die nicht da war, wenn man sie brauchte. Ob es ihr überhaupt bewusst war? Denkt sie vielleicht, dass ich erwachsen genug bin um alleine zu kämpfen? Bin ich vielleicht einfach nur schwach?

Zum Fernseher herüberschauend wusste ich nicht, ob er mich ablenken würde. Ich ließ die Schultern hängen. Auch stumpfsinniges Fernsehen könnte mich zurzeit nicht ablenken. Ich fragte mich, ob mein Bruder deswegen angefangen hatte Drogen zu nehmen. War Dad damals schon so? Hatte Jackson deswegen damit angefangen? Ich wollte meine Einsamkeit betäuben, wollte abgelenkt werden.

Jack kam mir in den Sinn. Und wenn Adam da war, dann war er eben da.

 

Und so ging ich einfach hinüber zu Jack und klopfte. Niemand öffnete. Zögerlich holte ich den Schlüssel hervor, den Jack mir am Anfang der Woche gegeben hatte. Sollte ich einfach rein? Ich blickte mich um zu der Garage und sah, dass sie verschlossen war. Vermutlich war er wirklich weg. Vielleicht brachte er seinen Freund ja auch weg.

Sollte ich einfach sein Haus betreten? Obwohl er es mir angeboten hatte, fand ich es komisch einfach so in ein fremdes Haus zu gehen. Ich schaute hinüber zu meinem Zuhause, welches sich derzeit einfach nur kalt und unliebevoll anfühlte. Nicht mehr wie mein Zuhause. So nahm ich einfach den Schlüssel und öffnete Jacks Tür. Es war dunkel und erneut kam kein Hund auf mich zu gerannt. Auch hier war dieses stechende Gefühl in meiner Brust.

Ich schaltete das Licht ein und hängte meine Jacke auf. Es war ein seltsames Gefühl sich in diesem Haus aufzuhalten, ohne dass Jack da war. Meine Augen glitten hinüber zu der Couch und ich sah, dass auf dieser Bettdecken und ein Kissen lagen. Erleichtert seufzte ich auf. Hatte ich doch Sorge gehabt, dass Jack womöglich etwas mit Adam hatte. Hatte er mir doch von einem Freund berichtet, mit dem er häufiger intim gewesen war. Ich ging hinüber zum Schlafzimmer. Jack hatte das Bett nicht gemacht. Etwas, was mich schmunzeln ließ. Die Sehnsucht nach ihm quälte mich fast schon. Doch war es die Sehnsucht nach diesem Mann oder vielleicht einfach die Sehnsucht nach Geborgenheit? Ich schüttelte den Kopf, das klang viel zu schwul für meinen Geschmack. Ich setzte mich kurz auf Jacks Bettseite und merkte, wie ich mich langsam in diesem Haus entspannte. Alles roch nach ihm, und nach den Zigarren, die er rauchte. Das alles hier war er. Ja, ich liebte diesen Mann, dachte ich und verließ langsam sein Schlafzimmer. Ich kam mir vor wie ein Stalker, als ich mich umschaute.

Genau in dem Moment, wo ich mich entschieden hatte zu gehen, fiel mein Blick auf die unscheinbare Holztür. Hinter dieser Tür war ich noch nie, doch war ich neugierig, was dahinter verborgen war. Ich sollte dort nicht hineinsehen, es war sicher privat…

Doch bevor ich über das für und wider zu lange nachdenken konnte, legte sich meine Hand auf die Türklinke und drückte sie hinunter. Lautlos ging die Tür auf und zögernd betrat ich das mir unbekannte Zimmer.

Es war unscheinbar. Ein Arbeitszimmer. Ein Schreibtisch stand dort mit einem Computer. Offene Regale waren an der Wand entlang aufgestellt. Kisten waren dort drinnen sowie Ordner. Papiere unterschiedlicher Größe lagen auf dem Schreibtisch verteilt. Ich durfte hier nicht sein, dies war mir sofort bewusst. Ich schaute auf den Schreibtisch, offene Akten lagen dort. Tabellen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Ich sah in die Regale. Ich erkannte die Holzschatulle mit den Orden, die für Jack nur Schrott waren. Ich sah die Kiste mit den Bildern, doch an diese wagte ich nicht ranzugehen. Dann schaute ich weiter und erspähte graue Akten in einem Regal. Jede einzelne beschriftet. Mir stockte der Atem als ich den Namen Coleman las. So hieß einer unserer Nachbarn. Als ich die Akte aufschlug, sah ich die Bilder, wie sie in Pässen zu sehen waren von dem älteren Ehepaar. Ein Zettel war darauf gepinnt auf dem „Irrelevant“ geschrieben war. Ich stutzte, blätterte etwas um. Da war ein Führungszeugnis von Mr. Coleman, darin waren keine Eintragungen, ein Lebenslauf fand sich auf der anderen Seite, sowie seinen Rentenbescheid. Ich klappte die Akte zu, war verwirrt und schüttelte den Kopf.

Ich mache mich schlau, in welche Nachbarschaft ich ziehe, diesen Satz hatte Jack einst Dad gesagt, als sie sich das erste Mal begegnet sind. Aber das konnte doch nicht sein… Ich hatte diesem Satz nicht solch eine Bedeutung zugeschrieben. Das war absolut paranoid und gestört.

Ich schlug die Akte zu und schaute auf den Namen einer weiteren Akte. Malone, Stone, Wayne, alles Namen aus unserer Nachbarschaft. Einige Akten waren äußerst dick. Ich öffnete die der Stones, eine sehr dicke Akte, und ein Postet war daran gepinnt auf dem „Relevant“ geschrieben war. Verwirrt sah ich den Zettel an. Die Stones waren immer sehr nett und freundlich. Hilfsbereite Menschen, die regelmäßig mit meiner Mutter in die Kirche gingen. Ich blätterte etwas durch und sah auf einem Kontoauszug einen hohen Schuldenbetrag. Ich überflog einen Bericht der Polizei und war erstaunt als ich las, dass er wegen Körperverletzung angezeigt worden war. Wieso hatte Dad uns das denn nie gesagt?

Ich klappte den Deckel der Akte zu, wollte ich doch eigentlich nicht in Sachen wühlen, die mich nichts angingen. Doch eigentlich waren es auch Sachen, die Jack nichts angingen! Wie war er nur an diese sensiblen Daten gekommen. Was war Jack für ein Soldat? Das hier erschien mir das Büro eines Agenten zu sein…

Ich sah mich um und entdeckte eine weitere dicke Akte. Ich nahm sie zur Hand und da stand mein Name. Hale. Sie war genauso dick, wie die der Stones. Mit zitternden Fingern öffnete ich sie und der gleich Postet mit dem Wort „Relevant“ war reingeklebt worden. Auch hier waren Bilder unserer Ausweise vorne. Ich blickte in mein Gesicht und war immer entsetzter. Jack schien alles zu wissen. Woher nur, dachte ich verwirrt. Ich fand mein letztes Zeugnis auf dem ein Postet klebte „der ist echt 17“, stand darauf. Eine Auflistung meiner Waffen, die ich besaß und wie viel Munition ich hatte war ebenfalls eingeheftet worden. Woher wusste er denn sogar die genaue Munitionsmenge? In der Mappe meiner Familie waren zwei Markierungen zu sehen, die einen eigenen Abschnitt markierten.

Jackson Hale und John Hale, standen dort. Mein Bruder und Vater hatten eigene Abschnitte. Ich schluckte schwer. Meine Finger glitten dahin. Mein Puls raste und ein Rauschen war in meinem Kopf zu hören. Was für Geheimnisse hatte mein Vater? Was verbarg er vor uns?

Ich blickte mich um, als ob mich jemand beobachten könnte. Fast schon hoffte ich, dass mich etwas abhalten würde dort hineinzusehen, doch nichts passierte. Ich öffnete vorsichtig die Akte und sah ein Bild meines Vaters. Ich fand auf der nächsten Seite eine Aufzählung seiner Waffen und der Munition.

Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.

Ob da drin stand, dass mein Vater zu Gewalt neigte? Ob Jack wusste, was bei uns vorging?

Vielleicht stand dort auch drin, was mein Vater damals mit Jackson gemacht hatte.

Aber das konnte er doch nun wirklich nicht wissen, oder?

Als ich erneut weiterblättern wollte, hörte ich ein Auto die Einfahrt hinauffahren. Jacks Auto!

Ich klappte die Mappe zusammen und legte sie wieder in das Regal. So schnell ich konnte verließ ich das Büro und schloss die Tür hinter mir. Ich sah hinaus aus dem Fenster und stellte fest, dass Jack bei dem schlechten Wetter seinen Wagen in die Garage setzte.

Ich sah mich um und ging zügig hinüber zu der Couch, nahm die Fernbedienung und schaltete das Gerät an. Die Schlafsachen von Adam schmiss ich einfach von der Couch. Nur wenige Augenblicke später hörte ich Jacks schwere Schritte, die sich auf die Haustür zu bewegten. Ich hoffte ich bekam keinen Ärger, doch eigentlich hatte er mir ja auch den Schlüssel anvertraut.

Ich drehte mich zu dem Mann um, als er durch die Tür kam und noch bevor er fragen konnte, rief ich ihm schon zu: „Hey Jack, ich bin es nur.“ Didi kam zu mir gelaufen und freute sich sichtlich, dass ich wieder da war. Er schaffte es endlich auf die Couch zu springen und versuchte mir durch das Gesicht zu lecken. Er war um einige Zentimeter gewachsen.

Jack kam zu mir, sein Haar war vom Regen nass und er blickte mich skeptisch an. Sein Blick glitt über mein Gesicht, als suche er nach neuen Verletzungen. Was war das nur für ein Mann, dachte ich mir als ich ihn stumm musterte.

„Wieso bist du hier“, fragte Jack mich und setzte sich zögerlich neben mich. Ich war verunsichert, denn eigentlich war nichts passiert bei mir Zuhause. Niemand war da, es war nur der übliche Wahnsinn, der langsam zur Normalität wurde. Ich dachte an meine Eltern, die mich beide behandelten wie Luft oder mich anschrien. Ich wusste nicht, was Jack alles wusste. Ich durfte doch auch nicht sprechen, aber ich wollte es so sehr… Die Empfindungen, welche ich vergessen konnte, als ich in Jacks Arbeitszimmer war, prasselten ungehindert auf mich ein. Die unterdrücken Gefühle schnürten mir die Kehle zu.

„Haben heute ein Baseballspiel gewonnen“, begann ich zu berichten. Eigentlich war ich immer stolz wenn wir gewannen, doch heute fühlte sich der Sieg nicht nach einem Sieg an. Auch Jack runzelte die Stirn, als habe er mit mehr Enthusiasmus bei solch einer Aussage gerechnet. „Das ist doch gut“, meinte er, doch ernst war sein Blick. Ich nickte wage. „Feiert man einen Sieg nicht“, fragte er nach einem kurzen Augenblick.

„Eigentlich… Mir war nicht nach Feiern und ja…“

„Weswegen bist du hier, Jasper“, fragte Jack mich direkt und sah mir forsch in die Augen. Ich schaffte es nicht diesem intensiven Blick standzuhalten. Diese Isolation Zuhause zerrte an meinen Nerven. Ich begann zu zittern und brüchig wurde die Mauer, die ich versucht habe aufzubauen. Verwundert betrachtete Jack meine Reaktion, schien er mit so etwas nicht gerechnet zu haben. Er legte seine Arme um meinen Körper und zog mich zu sich. Das erste Mal seit langem wurde ich umarmt. Er drückte mich schützend an sich und tatsächlich brach etwas aus mir heraus, als ich endlich wieder einen Halt spürte. Ich kam mir so schwach vor. Etwas, was ich gar nicht mochte, wollte ich doch nie schwach sein!

Leise schluchzte ich, konnte es nicht mehr unterdrücken. Wie sehr ich diesen Halt gerade brauchte, überwältigte mich selbst. Die Tränen liefen mir die Wage hinunter. Jack sagte nichts. Er tat das, was er immer machte, was er gut konnte, schweigen. Er drückte meinen bebenden Körper an sich und strich mir durch die braunen Haare.

Ich konnte nicht mehr sprechen. Zu sehr schnürten mir die Tränen die Kehle zu. Es dauerte einige Minuten bis ich mich beruhigt hatte und immer noch spürte ich ganz nah Jacks Körper an meinem. Mein Kopf ruhte an seiner Schulter und ich atmete seinen Duft ein, den ich so sehr liebte. Ich wischte mir fast schon verlegen durch mein nasses Gesicht. Es war mir peinlich. Jack hatte mich schwach erlebt, so schwach wie kaum ein Mensch je zuvor. Mir war es unangenehm und doch irgendwie auch nicht.

Ich spürte seine Hand die über meinen Rücken strich um mich zu beruhigen. Ich schloss noch ein letztes Mal die Augen bevor ich mich langsam von ihm löste und in sein Gesicht sah. Er runzelte leicht die Stirn und fragte mich nonverbal, was geschehen sei. Ich seufzte schwer und strich mir mit beiden Händen durch die Haare. Ich blickte hinab und sah, dass Didi vor mir saß. Ich lächelte als ich den Welpen sah, der ein wenig gewachsen war. Jack hatte einst gesagt, dass Tiere beruhigend auf Menschen wirken können und jetzt merkte ich, wie Recht er hatte. Ich hob den kleinen grauen Welpen auf meinen Schoß und streichelte ihn ruhig. Ich sah den kleinen Hund an, der es sich bequem auf mir machte und mit dem Schwanz wedelte, als ich leise zu sprechen begann: „Meine Mutter redet nicht mehr mit mir… Ich verstehe nicht warum. Das macht…es macht mich wahnsinnig!“ Jack nickte und ließ mich weiter sprechen. Ich zögerte doch, als ich seine große Hand auf meinem Schopf spürte, wie sie sanft durch meine Haare strich, löste sich meine Zunge wie von selbst. „Mein Vater ist gerade wirklich schlecht drauf… Er muss so viele Überstunden schieben und… ach ich weiß es gar nicht“, begann ich und es fühlte sich an wie Gift was aus meinem Körper floss, „er wird immer schlimmer. Er ist ständig geladen. Ständig… auf 180…“ Jacks Blick ließ nichts erkennen. Weder ob er bereits wusste was ich sage, noch konnte ich eine offensichtliche Wertung meiner Worte in seinem Gesicht ablesen.

„Ich weiß nicht, wie lange er es schon macht, aber… er schlägt sie“, brachte ich gemurmelt heraus. Ich war erleichtert. Endlich hatte ich es jemanden gesagt, doch schon im selben Augenblick erwachte in mir das schlechte Gewissen. Ein erneuter Blick hinein in Jacks Gesicht zeigte, dass er ernster schaute als noch vor einigen Augenblicken. Und ernst war seine Stimme, als er begann zu sprechen: „Nicht nur deine Mutter, wohl auch dich.“ Ich seufzte schwer und begann erneut zu zittern. Ich verriet meine Familie.

Doch schon augenblicklich begann ich meinen Vater fast schon zu verteidigen und wusste doch nicht warum: „Es war meine Schuld. Ich habe ihn provoziert. Er sollte nur aufhören meine Mutter zu schlagen… Sie ist so eine… liebevolle Person.“ Jack zog mich erneut eng zu sich. Gab mir einfach Halt.

„Wenn sie so lieb ist, wieso redet sie dann nicht mehr mit dir“, fragte er ruhig und erneut wertete er meine Aussagen nicht. Fast schon verzweifelt sah ich ihn an und zuckte unwissend mit den Schultern. „Ich weiß es nicht und es macht mich verrückt. Zuhause… Ich fühle mich so verdammt einsam“, sagte ich leise und ehrlich zu ihm. Ich wusste, dass er mich verstand. Jack weiß wie es ist sich einsam zu fühlen. Ich erkannte das Mitgefühl, welches er mir auch offen zeigte. Er lächelte mich fast schon traurig an. Er schien nichts sagen zu wollen, doch ich wollte auch keine Worte des Mitleides. Ich blickte Jack in sein zerfurchtes und vernarbtes Gesicht. Das er wieder da war, erfüllte mich mit einer Wärme. Ohne das ich darüber nachdachte, flogen die Worte aus meinem Mund: „Ich liebe dich, Jack.“

Für einen Moment herrschte absolute Stille zwischen uns. Jacks Auge weitete sich, als meine Worte zu ihm durchzusickern schienen. Er ließ mich los und starrte mich fast schon fassungslos an.

 

 

 

Ein paar Antworten

Ich schaute Jack in die Augen. Immer noch schwieg er, sah fast schon erschrocken aus. Doch erstaunlicher Weise beunruhigte es mich nicht. Ich hatte mit dieser oder einer ähnlichen Reaktion gerechnet, wenn ich es ihm irgendwann gesagt hätte. Jack und Gefühle waren schwer zueinander zu bringen. Dieser Moment war plötzlich gekommen, auch für mich vollkommen überraschend. Ich hatte gesprochen ohne wirklich über meine Worte nachgedacht zu haben. Es platzte einfach aus mir heraus. Jedoch schämte ich mich nicht.

Jack war seit Wochen für mich da, hat mich unterstützt, hat mit mir wundervolle Dinge gemacht und schlimme Zeiten durchgestanden. Gemeinsam. Er veränderte mich, positiv und auch ich hatte das Gefühl, ihn zu verändern. Ich konnte ihm ohne rot zu werden meine Gefühle anvertrauen. Sanft legte ich meine Hände auf seine Wangen und streichelte vorsichtig darüber. Es schien, als löste sich Jack aus seiner Starre und blickte mich fast schon panisch an. Keine seiner Masken legte sich auf sein Gesicht, oder er schaffte es nicht.

„Ich“, begann er fast schon fahrig zu sprechen. „Ich bin kein Beziehungsmensch…“

Ich hatte geahnt, dass er so etwas sagen würde und leise erwiderte ich: „Woher willst du das wissen? Du hattest doch noch nie eine…“ Ich war wirklich überrascht, dass mich seine Reaktion kein Stück verunsicherte. Und wieder stellte ich fest, dass es Jack schwer fiel, offen über Gefühle zu sprechen. Vielleicht hatte er es auch einfach nie gelernt. Vielleicht hatte man sie ihm auch einfach ab trainiert, doch das wusste ich nicht.

Er schien mit sich zu ringen. Wieder etwas, was er mir nicht sagen wollte? Doch dann hatte man das Gefühl, es platze aus ihm hinaus, als er sagte: „Alle Menschen, die ich je geliebt habe, wurden getötet. Das…“ Doch er beendete den Satz nicht. Ich konnte mir denken, was er sagen wollte. Ich nahm seine Hand und meinte liebevoll zu ihm: „Jack…ich werde schon nicht sterben, wieso sollte ich? Ich weiß auch, dass du mich magst. Schließlich bin ich auch nicht blind.“ Fast schon verzweifelt wirkte der Blick, den Jack mir entgegen warf. Er schien weiter nach Ausreden zu suchen. Doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen, als ich sah, wie sich seine Lippen teilten. „Jack. Du brauchst darauf gar nichts zu sagen… Wirklich nicht…das ändert nichts an meinen Gefühlen. Trotzdem solltest du wissen, dass ich nicht wirklich aufgebe. Aufgeben liegt mir nicht. Besonders nicht, wenn ich etwas will.“ Bitter lachte Jack auf und der Ausdruck in seinen Augen wandelte sich. Einerseits schien er berührt von dem, was ich sagte, andererseits aber wollte er sich darauf scheinbar nicht einlassen.

„Ach Kleiner“, begann er und in seiner Stimme war eine Mischung von Sanftheit und Verzweiflung zu erkennen, „das klingt ja fast schon zu heroisch.“ Ich grinste ihn leicht an und seufzte schwer, während ich mit den Schultern zuckte. „Kann sein“, entgegnete ich leise und musste über mich selbst den Kopf schütteln.

„Trotzdem werde ich es nicht tun, also aufgeben. Du bist wirklich ein toller Mensch…“ Doch Jack schüttelte nur knapp den Kopf und nuschelte leise: „So toll bin ich nicht.“ Verwirrt sah ich ihn an und fragte: „Wieso glaubst du das?“

„Weil du nicht alle Seiten von mir kennengelernt hast“, antwortete Jack ruhig, aber er klang auch äußerst bedacht, als er dies sagte. Ich war mir aber sicher, dass er es sehr ehrlich meinte, als er mir diesen Satz sagte. Jedoch ließ ich mich von meinem Kurs nicht abbringen, denn dafür war er mir zu wichtig geworden.

Mit fester Stimme begann ich zu sprechen: „Das macht mir keine Angst.“ Ich ahnte, was Jack sagen wollte, als er den Mund öffnete und schnell unterbrach ich ihn: „Ich weiß, dass du sagen wirst, dass ich das alles nicht wissen kann, aber doch, das kann ich, Jack. Wenn du mir deine Ansichten erklärst, kann ich sie verstehen oder Verständnis dafür entwickeln. Weißt du… du machst dich wirklich schlechter als du bist, Jack.“

Ich schwieg, sagte nichts und auch er schwieg wieder mal. Es schien immer noch, als suche er einen Ausweg. „Jack“, meinte ich ruhig zu ihm, „wirklich, du musst darauf nichts sagen…nur, weil ich sage, dass ich dich liebe.“

Er nickte und tatsächlich senkte sich sein Blick kurz gen Boden eher er leise, fast reumütig nuschelte:

„Es tut mir leid, Jasper…“ Er wirkte als schäme er sich selbst für das, was er gerade sagte. Ich nickte leicht und seufzte schwer. „Ich werde schon nicht davon umkommen“, meinte ich und lächelte ihn freundlich an. Ich meinte es auch so. Jack hatte Angst. Angst vor einer Beziehung und Gefühlen, die zu tief gingen. Wenn ich mit ihm zusammen sein will, muss ich ihm diese Angst nehmen. Doch ich war mir unschlüssig, ob es nur die Angst war, die ihn aufhielt. Es schien noch mehr zu sein, weswegen er schlecht zu seinen Gefühlen stehen konnte, was genau blieb mir verborgen. Ich musste mich in Geduld üben. Ich würde es nicht schaffen, wenn ich ihn anging oder dazu überrede, mit mir in einer Beziehung zu sein. Mein Blick glitt über sein Gesicht, welches mich musterte.

Ich konnte mir vorstellen, dass er Sorge hatte. Vielleicht auch Angst, mich zu sehr gekränkt zu haben. Vielleicht sorgte er sich, mich als Freund zu verlieren. Natürlich hätte ich es schöner gefunden, Jack hätte mich in seine kräftigen Arme geschlossen und mich geküsst, nachdem er mir seine Liebe gestanden hatte. Doch es wäre zu untypisch für ihn gewesen. Das wäre nicht Jack. Zudem war es sicher kein passender Moment gewesen ihm meine Gefühle anzuvertrauen, nachdem ich so einen Gefühlsausbruch vor ihm hatte.

Wie groß die Angst vor Verlust bei ihm war, konnte ich nur erahnen. Ich lächelte ihn lieb an und umarmte ihn kurz. Er drückte mich an sich, löste sich jedoch schnell wieder von mir. Immer noch schien er überfordert zu sein mit der Situation, denn sein Blick huschte nervös wirkend durch den Raum. Ich musste das Thema wechseln. Meine Gedanken kreisten und mein Blick huschte durch den Raum und blieb an dem Zimmer hängen, was ich eigentlich nicht hätte betreten dürfen.

„Jack“, begann ich zögernd, „würdest du mir… endlich mal ein paar Fragen beantworten? Ich habe so viele Fragen an dich…“ Ein abschätzender Ausdruck erschien auf Jacks Gesicht. „Vielleicht“, meinte er. Er setzte sich auf, seine Haltung änderte sich schlagartig. Wachsam und mit voller Aufmerksamkeit blickte er mich an. Musterte mich eingehender als zuvor. Als hätte es das Gespräch vorher nie gegeben und wir wären mitten in einem Verhör. Doch ich ließ mich nicht beirren. Ich dachte darüber nach, welche Frage ich zuerst stellen sollte und vor allem, wie ich sie stellte. Ich wollte mich nicht wieder so verraten, wie damals mit meinem Alter. Außerdem wusste ich, dass ich diesen Raum nicht hätte betreten dürfen. Jack hatte es nie ausgesprochen, aber das brauchte er auch nicht.

„Was… Also was bist du für ein Soldat“, fragte ich und versuchte das Gespräch offen zu halten. Ich wollte nicht, dass er wusste, dass ich in seinem Arbeitszimmer war. Ich hatte Angst, dass er mir den Schlüssel gleich wieder abnehmen würde, denn das wollte ich nicht. Jack runzelte die Stirn und schien nachzudenken. Ich fragte mich, wie ehrlich diese überlegten Antworten von ihm eigentlich waren. „Ein normaler Soldat“, begann er ruhig zu sagen, doch ich schüttelte energisch den Kopf. Das war eine Lüge!

„Weißt du, auch ohne besonderes militärisches Wissen weiß ich, dass du kein normaler Soldat bist. Wieso hat man dir beigebracht Lügen zu erkennen“, fragte ich weiter, immer noch besonnen und vorsichtig.

Jack grummelte und verschränkte die Arme vor der massiven Brust. „Damit ich weiß, wann mich mein Feind anlügt“, erklärte er ohne seine Gefühle zu offenbaren.

„Bist du ein Navy Seal“, fragte ich direkt heraus. Jack schnaubte und meinte fast schon patzig. „Ich gehörte doch nicht zur Navy. Trag ich einen Taucheranzug?“

„Aber was bist du dann“, fragte ich ohne mich von seiner Art beeindrucken zu lassen und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust.

Er grummelte wieder vor sich hin. Er seufzte kaum hörbar auf und schien endlich aufzugeben. Seine Arme lösten sich, als er endlich ehrlich antwortete: „Ich war in einer Spezialeinheit…“ Ich nickte verstehend und starrte weiterhin gebannt in sein Gesicht. „Ist die irgendwie geheim“, fragte ich und blickte ihn fragend an.

Er schwieg, blickte mir feste in die Augen und als ich schon nicht mehr mit einer Antwort rechnete, meinte er besonnen: „Ja, ein wenig…“

„Bist du ein Geheimagent“, fragte ich direkt und sah ihm in das blaue Auge. Dass würde die ganzen Akten mit den Informationen erklären, die ihn nichts angingen.

Jack grinste kurz und fragte mich: „Sehe ich etwa aus wie einer? Sehe ich aus, wie James Bond?“

Ich schmunzelte und ebenso wie er mir damals auf meine frage, ob ich schwul aussehe, mit einer Gegenfrage antwortete, stellte ich ihm dieselbe: „Sieht man es denn allen an?“ Jack erkannte seine eigenen Worte wieder und schaute mich fast schon böse an, was mich tatsächlich schmunzeln ließ. Ja Jack, dachte ich, du hast mich schon ein wenig verändert. „Vermutlich nicht allen“, wiederholte er meine Worte. Er atmete schwer durch. Sein Auge verengte sich, als er mich betrachtete, doch dann wich der feindselige Ausdruck. Es schien, als amüsierte er sich auf einmal über diese Situation und als wir einander ins Gesicht sahen merkte ich, wie sich seine Schultern entspannten. Wieso er mir so sehr vertraute, konnte ich nur mutmaßen. Vielleicht weil er sich nach jemanden sehnte, dem er vertrauen konnte?

„Sagen wir so, ich bin… man kann sagen, dass ich eine Mischung aus einem Soldaten und einem Agenten bin“, meinte er nach einem kurzen Moment, „ich mache die Scheiße, die keiner machen will. Black Op’s. Meistens Einsätze, die Friedensverhandlungen, Gesetze oder Menschenrechte verletzen. Und das meistens alleine.“

„Wie kann man die denn alleine machen“, fragte ich entsetzt und meine Augen weiteten sich erschrocken. „Ein Mann ist unauffälliger.“, meinte Jack ruhig, „ich bin für sowas ausgebildet worden.“ Sprachlos betrachtete ich Jack und nickte leicht. „Aber trotzdem ist es gefährlich“, ehrfurchtsvoll betrachtete ich Jack. Das er mutig ist, war mir bewusst. Aber das er so etwas machte, hätte ich nie gedacht. Jack nickte nur stumm und schien nichts weiter darauf sagen zu wollen. Vermutlich war das für ihn so normal, wie für andere ein Bürojob.

Ich nickte leicht nachdenklich. Mit der Antwort gab ich mich zufrieden, denn es waren noch so viele andere Fragen, die es zu klären gab. „Warum sind die ganzen Medaillen eigentlich nur Schrott für dich…?“ Jack schien erleichtert und doch wieder gequält. Vermutlich froh, dass eine Thema los zu sein, doch schien ihm das neue auch nicht zu behagen.

Er seufzte erneut schwer auf, doch wirkte er dieses Mal weit weniger verschlossen. Sein theatralisches Gestöhne beeindruckte mich nicht und erneut reichte ein Blick von mir aus, um seine Zunge zu lösen. „Medaillen wirken schön, allerdings machen sie das Geschehene nicht schöner. Sie holen die Toten nicht zurück, sie heilen keine Wunden und sie nehmen dir nicht die Erinnerung. Andere können vielleicht stolz darauf sein, aber für mich ist es einfach Schrott, der hübsch aussieht. Der Preis für die Medaillen war sehr hoch.“ Ich schwieg, war ich doch immer hellauf begeistert von all seinen Orden. Symbolisierten sie doch seine Tapferkeit. Doch wenn ich jetzt über seine Worte nachdachte, hatte er Recht.

Dieses Mal blickte ich kurz nachdenklich auf den Boden. Jack betrachtete mich und nach einem kurzen Moment der Stille vernahm ich seine tiefe Stimme: „Jasper, Krieg ist nichts ehrenvolles. Ich weiß, dass man euch in der Schule was anderes vermittelt. Ich habe genauso gedacht.“ Ich nickte verstehend, doch dann erinnerte ich mich an seine Pläne als Söldner zu arbeiten. Seine Aussagen und seine Pläne standen im Gegensatz zueinander. Diese Ambivalenz verwirrte mich. Ich runzelte die Stirn und meinte: „Ich verstehe deine Aussagen zu den Medaillen, Jack. Wirklich! Aber weißt du, was ich nicht verstehe? Wieso du dann noch als Söldner arbeiten willst… Steht sich doch irgendwie alles gegenüber, deine Pläne und deine Ansichten oder?“

Verwirrt über meine Aussage, dachte Jack wohl einen Moment über meine Worte nach. „Vielleicht ein wenig“, meinte er, während er wohl noch nachdachte. Doch als er weiter sprach klang er sicher in dem, was er sagte: „Ich werde dennoch weitermachen. Ich kann nichts anderes als Krieg, aber ich will selber entscheiden wofür ich kämpfe. Ich lasse mich nicht mehr benutzen.“ Fragend blickte ich ihn an und bat ihn dies zu erklären.

Er seufzte schwer bevor er ansetzte: „Jasper, Krieg ist ein Geschäft. Manche Kriege werden nur geführt, damit die Wirtschaft etwas zu tun hat. Es geht nur noch selten um Ehre oder darum, jemanden zu verteidigen. Es geht um Geld, Ländereien, Rohstoffe und dem anderen zu zeigen, wie toll die eigene Nation ist.“

Fast schon verständnislos blickte ich ihn an. Ich wollte es ihm nicht glauben, was er gerade sagte. Krieg als wirkliches Geschäft? Doch erneut fragte ich mich, wieso sollte er mich anlügen? Ich schluckte schwer, konnte ich mir diese Absurdität kaum vorstellen. Viele meiner Ansichten hatten sich bereits geändert, seit ich ihn kannte und immer wieder kam etwas Neues hinzu.

Fast schon stotterte ich, als ich begann zu sprechen: „Das kann doch gar nicht sein… ich meine… diese ganzen Terrorschläge…“ Jack seufzte schwer. Es schien, als wolle er mir wieder nicht seine Meinung aufdrängen. „Jazz…“, begann er vorsichtig zu sprechen: „glaub nicht alles, was du in den Nachrichten hörst. Nicht alles ist wahr und vieles wirst du nie hören.“ Damit ließ er das Thema fallen und meinte: „Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es sei denn, du willst der Army beitreten. Willst du doch nicht, oder?“ Er blickte mich forschend an und sein Blick glitt über meinen Körper.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein“, begann ich langsam, „aber in meiner Klasse sind einige, die die Idee verfolgen. Ich führe nicht gerne stumpfsinnig Befehle aus.“ Jack nickte grimmig, sagte jedoch nichts zu meiner Aussage.

Erneut legte sich das Schweigen über uns. Jeder ging seinen Gedanken nach. Ich blickte zu Jack und bat ihn vorsichtig: „Würdest du mir… verraten was es mit den weißen Blumen auf sich hat?“ Als sich unsere Blicke trafen sah ich einen verletzten Ausdruck in Jacks Auge aufblitzen. Er seufzte schwer und strich sich die dunklen Haare nach hinten. Auf den Boden starrend erklärte er kurz angebunden: „Sie erinnern mich an eine Person, die mir viel bedeutet hat.“

Ich schluckte, denn ich wusste, dass mit dieser Person seine Mentorin gemeint war. Die Frau, die er geliebt hatte. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft. Er erwiderte den Händedruck, sah mich jedoch nicht an. Ich lehnte mich an ihn und ließ meinen Kopf auf seiner Schulter ab. „Waren es…ihre Lieblingsblumen, von der Frau die du geliebt hast“, fragte ich vorsichtig. Ich spürte wie Jack sich versteifte. Kurz erzitterte sein Körper, doch so schnell wie es gekommen war, verschwand die Regung seines Körpers wieder.

„Nicht wirklich“, meinte er leise, fast waren seine genuschelten Worte nicht zu verstehen. Fragend sah ich ihn an, unsicher, ob zu vieles Nachfragen ihn nicht verletzte. Jack schaute mir ins Gesicht und begann leise auf meine nicht gestellte Frage zu antworten: „Sie starb in einem Feld von diesen Blumen. Eigentlich ist es Unkraut.“ Ich schluckte schwer, Mitleid durchflutete mich. Wieder einmal wünschte ich, ihm seine Schmerzen nehmen zu können. Doch ich konnte es nicht.

„Jack“, sagte ich und meine Stimme klang kraftvoll, als sich sein Blick hob und wir einander ansahen sprach ich weiter: „Ich weiß, du willst kein Mitleid, das will ich auch nicht. Aber weißt du… man muss nicht jede Schlacht alleine führen… Ich möchte dir helfen, nicht weil du mir Leid tust, sondern, weil ich dich liebe und dich unterstützten will. Weil du mir ein guter Freund bist, ob du mich nun lieben kannst oder nicht. Du solltest nicht alles mit dir selbst ausmachen.“ Bekräftigte ich ihn noch einmal. Ich nahm ihn nicht in den Arm ich blickte ihm standhaft in das Auge, welches mich musterte.

Ein friedliches, liebevolles Lächeln erschien auf seinem strengen Mund. „Das musst du auch nicht, Kleiner“, hauchte er mir fast schon zu und ich verstand ihn. Er ließ mich an seiner Seite stehen, vielleicht nicht immer. Bei einigen Themen würde ich ihm auch nicht helfen können, aber es war sicher gut zu wissen, dass jemand da war.

Er hatte Recht, ich könnte ihn sicher immer um Hilfe bitten und wenn ich das von ihm erwartete, dann sollte ich mit gutem Beispiel vorangehen. Ich dachte an die letzten Tage, an denen ich mich so einsam gefühlt hatte und leise begann ich: „Ich verstehe nicht, wieso Mum nicht mehr mit mir redet…Das ergibt keinen Sinn.“ Jack runzelte die Stirn. „Kann es sein, dass sie weiß, dass du schwul bist“, fragte Jack mich direkt. Er wirkte erleichtert, dass wir über meine Probleme sprachen und nicht mehr über die seinen. Ich schüttelte den Kopf. Nachdenklich, aber ich war mir sicher, dass sie das nicht wissen konnte. „Nein… Sie wurde komisch, nachdem ich sie versucht habe vor Dad zu beschützten. Seitdem redet sie nicht mehr wirklich mit mir.“

Jack strich sich über seinen dichten Bart und mutmaßte: „Vielleicht will sie dich schützen, indem sie dich von sich fernhält. Wenn du sauer auf sie bist, kriegst du vielleicht nicht mit, was alles passiert…“

Ich schüttelte verärgert den Kopf während ich sagte: „Das ist doch dämlich!“ Jack nickte zustimmend, erklärte jedoch mit bedächtig klingender Stimme. „Du darfst aber nicht vergessen, dass deine Mutter sich in einer Ausnahmesituation befindet. Da denken Menschen nicht mehr rational.“ Ich seufzte schwer, versuchte es zu verstehen, zu akzeptieren. Ich grinste leicht, als ich Jack fragte: „Hast du auch noch Psychologie studiert...so nebenbei?“ Ein amüsierter Ausdruck erschien auf Jacks Gesicht und abwägend antwortete er: „Na ja… sagen wir mal es gehörte zur Ausbildung. Es war wichtig zu wissen wie man jemanden…zermürbt. Da kriegt man einen kleinen Einblick. Aber ich bin kein Psychologe.“ Ich lachte und meinte: „Kann ich mir auch nicht vorstellen…“

Jack lachte tatsächlich und fragte spöttisch klingend: „Willst du mir etwa sagen, mein Gesicht könnte Menschen hemmen?“

„Sowas könnten böse Zungen behaupten“, sagte ich frech klingend zu ihm und zwinkerte ihn lieb an.

Wir schwiegen Beide kurz und leise fragte ich ihn: „Jack… Würdest du mir... also nein warte. Du hast doch schon so viel scheiße erlebt… Wieso vertraust du mir so sehr nach so kurzer Zeit…“

„Hm…“, begann Jack, „Ich fand dich sympathisch. Du bist nicht beim Militär, warum solltest du mich verarschen? Vielleicht vertrau ich Menschen auch einfach zu schnell.“

Ich schaute ihm trocken ins Gesicht als ich antwortete: „Du glaubst, du vertraust Menschen schnell? Aja…“ Jack erwiderte meinen Gesichtsausdruck und sagte: „Menschen, dir mir sympathisch sind.“ Er grinste leicht und ich schüttelte über diese Aussage nur den Kopf, fand ich sie doch so untypisch. Ich lächelte leicht und sah ihm ins Gesicht. Mein Blick blieb an der Augenklappe hängen und stirnrunzelnd stellte ich fest, dass ich noch nie gefragte hatte, wieso das geschehen war. „Darf ich dir noch eine letzte Frage für heute stellen“, fragte ich vorsichtig. Doch Jack nickte, schien entspannter mit der Inquisition umzugehen, als noch vor einigen Minuten. „Wie hast du das Auge verloren“, fragte ich vorsichtig klingend. „Hm…“, kam es lang gezogen von Jack und er schwieg. Ich wollte nicht, dass er schweigt! Auch wollte ich nicht wieder so eine bedrückende Stimmung haben. Frech klingend erinnerte ich ihn an seinen letzten Satz, dass er Menschen, die er sympathisch findet, schneller sein Vertrauen schenke. Jack lachte tatsächlich auf und schüttelte belustigt den Kopf darüber, eher er meinte: „Ach… im Grunde war es ein Unfall… Ich wurde gefangen genommen und man hat mich ein wenig gefoltert.“ Ein wenig, schoss es mir erschrocken durch den Kopf. Erschrocken weiteten sich meine Augen. Er versuchte mit seinen Worten ganz eindeutig die Situation herunter zu spielen. Als ob man jemanden „ein wenig“ foltert. Der Typ hat nur noch ein Auge! Ein wenig. Meine Gedanken waren äußerst sarkastisch „Und na ja… Ozelot, also Adam war da. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass er auf meiner Seite war. Ich dachte er gehört zum Feind. Jedenfalls gab es Diskussionen was jetzt mit mir passieren sollte, Adam fuchtelte mit seinen Pistolen herum und versuchte unauffällig mein Leben zu retten. Ich habe ihm den Revolver aus der Hand getreten und dann ist es halt passiert. Also eigentlich war ich selbst dran schuld. Wäre ich einfach ruhig stehen geblieben, hätte ich nur eine Narbe im Gesicht.“ Er lachte und ich blickte ihn fast schon verschreckt an. Er machte sich ehrlich darüber lustig. Er war weder sauer auf Adam noch auf die Situation! Das ihm das Auge fehlte belastete ihn tatsächlich kein Stück!

„Wieso schockiert dich das nicht? Das ist doch…“, schockiert starrte ich ihn an, war fassungslos. „Wie kannst du Adam dann noch deinen Freund nennen“, fragte ich ihn. Jack zuckte mit den Schultern und erklärte: „Er hat es nicht extra gemacht…“, sagte er gelassen was mich wahrlich schockierte. Ob ich nach so etwas diesen Menschen noch als Freund bezeichnen könnte, wusste ich nicht. Wenn ich ehrlich war, könnte ich es mir auch nicht vorstellen…

„Aber wie hast du das überlebt, wenn er auf dich geschossen hat?“, fragte ich ihn entsetzt. Jack antwortete sofort darauf: „Er stand seitlich von mir. Die Kugel hat mein Auge eigentlich nur gestreift und wurde dann vom Knochen abgelenkt.“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf den äußeren Rand der Augenklappe und erklärte weiter: „Da ist auch noch eine Narbe neben dem Auge. Um ein Haar wäre ich tot gewesen.“

„Wieso stört es dich gar nicht, dass du dein Auge verloren hast“, fragte ich ihn. Ich wollte ihn verstehen. Es war mir äußerst wichtig! „Ich habe dir doch schon mal gesagt, dass ich damals alles für die Army ertragen hätte.“, antwortete Jack und ich war mir nicht sicher, ob er diese Antwort wirklich ehrlich meinte.

„Was ist passiert, warum du es jetzt nicht mehr tust?“

„Weil ich von diesen Leuten, denen ich mein Leben gegeben hätte, verarscht und für dumm verkauft wurde.“

Ich blickte ihn fragend an, unsicher, ob ich noch etwas sagen sollte oder nicht. „Wieso verraten? Was wollten sie denn von dir“, sprudelte es aus mir heraus, eher ich zu lange über das für und wider nachdachte.

Jacks Mine versteifte sich er blickte mich an und bat tatsächlich: „Können wir das wann anders mal besprechen…“ Und ich nickte. Jetzt war der Punkt, wo es für Jack genug war. Dies hatte ich zu akzeptieren.

Ein wiederkehrender Alltag

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Vaters Geheimnis

Es hatte nichts gebracht mit Jack zu sprechen. Ich hatte die restliche Woche versucht ihn zu überreden mich mitzunehmen. Er würde morgen ohne mich fliegen. Ich war genervt. Genervt von allem. Wieder war ein Versuch mit meiner Mutter zu sprechen gescheitert und mein Vater hatte mich heute auch noch wegen einer Nichtigkeit angeschrien, bevor er zur Arbeit gefahren war. Man bekam das Gefühl, dass es von Mal zu Mal schlimmer wurde mit ihm. Wohl fühlte ich mich Zuhause kaum noch. Ich wollte einfach nicht, dass Jack geht. Fast hätte ich behauptet, dass ich ohne ihn das Szenario hier nicht aushalten würde. Auch seine Geheimnisse nervten mich! Zurzeit wurde es immer schlimmer. Häufig schloss er sich in sein Arbeitszimmer ein. Außerdem wurde er regelmäßiger angerufen. Aus den Gesprächsfetzen die ich mit bekam erschloss sich mir, dass er mit einem Miller sprach. Vermutlich war es auch ein Codename. Ich vermutete, dass es mit den Plänen zusammenhing, welche Jack hatte, bezüglich seiner Vorstellung eine Söldnereinheit auf die Beine zu stellen. Doch jedes Mal schwieg er eisern. Auch, wie er das ganze finanzieren wollte gab er nicht Preis. Ich konnte mir vorstellen, dass Söldner nicht gerade billig sind. Und Waffen und Equipment noch viel weniger.

So kam es, dass ich an dem Tag, an welchem Jack aufbrechen wollte, von der Schule Heim kam und schon schlechte Laune hatte. Mein Biologielehrer hatte mich genervt und auch Tobey versuchte immer wieder mit mir zu sprechen, ob wohl ich es nicht wollte. Ich fand meine Mutter im Wohnzimmer vor, während sie gerade vor dem Fernseher bügelte. Unsicher sah ich sie an und erkannte, dass sie wieder eine gerötete Wange hatte. Meine schlechte Laune sank langsam und zögernd ging ich auf sie zu, doch als ich sie berührte, wandte sie sich ab von mir. Sah mich nicht an und sprach auch nicht mit mir. Ich zitterte und die Wut kehrte wieder zurück. Ich konnte doch nichts für das, was Dad tat! Ich war doch auf ihrer Seite! Sie schützte mich mit diesem Verhalten doch nicht, sie tat mir einzig weh! Langsam ließ ich die Hand von ihrer Schulter gleiten und streichelte ihr vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Schulter. „Ich habe dich lieb, Mum“, murmelte ich leise, fast verzweifelt.

Immer, wenn wir alleine waren und ich nicht bei Jack war, merkte ich wie sehr mir meine Mutter fehlte. Ihr Humor, ihre sanfte Art, auch ihre übertriebene Besorgnis fehlten mir. Sie blickte kurz über die Schulter und sah mir in die Augen. Sie nickte leicht und lächelte, doch erreichte es ihre Augen nicht. Sie wandte ihr Gesicht wieder ab und ich ließ meine Schultern hängen.

Die angestaute Wut begann langsam aber sicher in mir zu sieden. Verärgert schnaufte ich auf. Das konnte doch nicht so weitergehen! Wütend fuhr ich mir durch die Haare und sah sie an, während ich sie anfauchte: „Du weiß schon, dass das so auch nichts bringt oder?“ Sie zuckte zusammen, als ob ich sie geschlagen hätte. Sie wandte sich nicht um, sagte nichts mehr und die Wut staute sich immer weiter in mir auf. Ich wollte sie nicht anschreien, dass tat Vater schon zu oft.

Wortlos nahm ich meinen Rucksack mit den Schulsachen und verließ das Haus, doch bevor ich das Haus verließ hörte ich wie meine Mutter sagte: „Jasper ich weiß, dass du zu unserem Nachbarn gehst. Und du weißt, dass dein Vater das nicht möchte.“ Ich ging zurück und blieb in der Tür von unserem Wohnzimmer stehen und blickte sie ohne eine Regung meines Gesichtes an. „Das ist meine Sache, Mum“, dass sie wusste wo ich hin ging überraschte mich nicht, aber stören tat es mich auch nicht. Unschlüssig sah sie mich an, wusste wohl nicht, was sie darauf sagen sollte. Ich ging einfach, ließ sie stehen. Ich wollte ihr verletztes Gesicht nicht sehen, die rote Wange, ihren ängstlichen Gesichtsausdruck, mit dem sie mich strafte. Also ging ich zu Jack und immer noch siedete die angestaut Aggressivität in mir, während ich auf ihn wartete. An Schulaufgaben verschwendete ich gar keinen Gedanken. Ich stromerte durch das Haus wie ein Raubtier in seinem Käfig, eher ich mich genervt in seinen roten Sessel fallen ließ.

Als Jack mit Didi rein kam, blickte ich ihn fast schon bösartig an. Didi, der mir jetzt knapp über die Knie reichte, sprang an mir herauf. Doch auch der Hund konnte meine Laune nicht bessern. Fragend sah Jack mich an. Ich blickte ihn fast schon zornig an. Wollte ich doch nicht, dass auch er so viel vor mir geheim hielt. Ich wollte, dass er mich mitnahm zu diesem komischen Treffen in Arlington! Meine ganze Wut richtete sich gegen ihn! Denn Jack war nicht so schwach wie meine Mutter! Er konnte sich wehren. Hier konnte ich die Wut rauslassen. „Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst“, fuhr ich ihn an.

Jack nickte und blickte mich mit seinem neutralen Ausdruck an. Etwas, was mich gerade wahnsinnig aggressiv machte. „Ich vertraue dir auch“, war Jacks Reaktion, die mich genervt aufseufzten ließ. Die Wut, die ich heute schon fast den ganzen Tag in mir spürte, hatte nun ihren Siedepunkt erreicht und begann endgültig zu kochen. Ich stand genervt von seinem Sessel auf und sah ihn böse an. „Wenn du mir doch so sehr vertraust, wieso kann ich nicht einfach mit“, fragte ich direkt und stand ihm gegenüber. Es war der Punkt erreicht, wo ich meine Wut heraus lassen musste!

„Weil es eben Angelegenheiten sind, die dich nichts angehen. Außerdem musst du zur Schule.“

Ich hasste seine vernünftigen Argumente gerade. Natürlich gab es sicher 1000 Gründe warum ich ihn nicht begleiten sollte. Vielleicht waren die Menschen, mit denen er sich traf gefährlich. Vielleicht darf Jack ja auch keine Freunde haben. Und ja, ich musste auch in die verdammte Schule! Es könnte so viel sein, doch ich wollte mich gerade streiten. Ich hatte keine Lust mehr gerade vernünftig zu sein und so brach es aus mir raus: „Die mich nichts angehen?! Dich geht auch so verdammt viel nicht an und trotzdem weißt du alles! Alles was hier in der verdammten Nachbarschaft vor sich geht!“ Ich brüllte ihn an und wusste, es war unfair von mir. Jacks Blick glitt in Richtung seines Arbeitszimmers und langsam verschränkte er die Arme vor der Brust. Er war nicht dumm. Er wusste, dass ich irgendwann in seinem Arbeitszimmer geschnüffelt hatte. Also wieso noch länger so tun, als wüsste ich nichts?

„Ja, ich war da drinnen. Schon länger her…“

Jack musterte mich. Er zog die Augenbrauen wütend zusammen, doch als er einmal durchatmete legte sich dieser Gesichtsausdruck wieder. Ruhig, fast bedächtig fragte er mich: „Jazz, was ist los. Was macht dich so wütend?“ Wieder dieser ruhige bedächtige Ton! Ich wollte nicht vernünftig reden. Ich wollte endlich mal laut sein, meine Wut heraus lassen!

„Ich habe einfach keinen Bock mehr immer zu hören, geht mich nichts an!“

Wieder blickte Jack mich emotionslos, neutral an und sagte: „Aber so ist es eben manchmal im Leben.“ Ich wollte, dass er darauf einging! Wollte, dass er laut wurde, doch er wurde es nicht! Vor Wut begann ich zu zittern. Wieso konnte dieser verdammte Kerl mir nicht einmal einen Grund zum Streiten liefern? Jack schien meine körperlichen Reaktionen genauestens zu registrieren und runzelte die Stirn. Er schien sich zu fragen, was geschehen war. Seine Stirn runzelte sich und als er den Mund aufmachte um zu fragen, unterbrach ich ihn.

„Ach, lass mich einfach“, zischte ich ihm wütend zu und ging an ihm vorbei hinaus aus dem Haus.

Ich wusste, dass Jack mich nicht aufhalten würde und er tat es nicht. Ich stand wütend vor der Tür und schaute mich um. Ich wollte einfach endlich mal vergessen! Schnell ging ich zu unserer Garage und holte mein Fahrrad heraus. Das letzte Mal als ich gefahren bin, war ich mit Jenny unterwegs gewesen. Vielleicht konnte ich so meine Wut heraus lassen! Hart trat ich in die Pedale und das Rad brachte die ersehnte Distanz.

Ich achtete kaum auf meine Umwelt. Ich fuhr quer durch die Stadt, bis ans andere Ende in einen Park. Ich war ziemlich außer Atem und Schweiß war auf meine Stirn getreten. Ich war sehr unfair zu Jack gewesen, dass wusste ich. Trotzdem wollte ich endlich, dass er mir vertraute, in allem! Bedächtiger fuhr ich durch den Park, wollte ich doch keine Passanten umfahren. In Gedanken versunken war ich, als ich auf einmal meinen Vater erkannte. Er trug keine Uniform, er war ganz normal gekleidet. Verwundert darüber hielt ich an. Er ist doch gerade arbeiten, dachte ich verwirrt. Unschlüssig war ich, ob ich zu ihm fahren sollte oder nicht. Gerade als ich mich dazu entschieden hatte, dass ich ihn fragen wollte weswegen er nicht bei der Arbeit sei, sah ich eine Frau in seine Richtung gehen. Sie war recht hübsch, schien dunkelblonde oder hellbraune Haare zu haben. Sie war recht kurvig und hatte eine etwas breitere Hüfte. Vor sich her schob sie einen Kinderwagen, in dem ein kleines Kind zu schlafen schien. Zielstrebig ging sie auf meinen Vater zu und drückte ihre Lippen auf seine. Vertraut begrüßten sie einander und auch Vater strich ihr kurz über den Rücken.

Perplex starrte ich ihn an. Schluckte und versuchte das Geschehen zu begreifen. Langsam aber sicher viel der Groschen. Vater arbeitete nicht mehr, er machte keine Überstunden… er hatte eine Andere! Eine andere Familie! War er deswegen so launisch? Langsam glitt mein Blick zu dem Kind in dem Wagen. Es hatte dunkelbraunes Haar, einen runden Kopf, trug eine Mütze und hatte eine braune Latzhose an. Ich erkannte mich in dem Jungen wieder. Hätte man ein Bild von mir in dem Alter neben ihn gehalten, hätten wir gleich ausgesehen. Mein Vater lebte ein Doppelleben und das seit, so wie es aussah, mehreren Jahren! Ich merkte, wie meine heile Welt immer mehr zerbrach und in Scherben vor mir lag. Bis jetzt kannte ich solche Situationen einzig aus dem Fernseher. Aus schlechten Programmen zur Unterhaltung von bildungsfernen Schichten, doch das hier war real für mich! Es war mein Leben, was gerade so verändert wurde. Welches mir immer mehr entglitt!

Wütend trat ich in die Pedale und fuhr zu meinem Vater und der komischen Frau. Wie konnte er das meiner Mutter und unserer Familie antun? Egal wie nett die andere Frau vielleicht auch war, sie war scheiße! Sie würde nie auch nur irgendeine Chance von mir bekommen! Fast schon mit quietschenden Reifen hielt ich vor ihm an und blickte ihn hasserfüllt an. Überrascht schauten seine braunen Augen in die meinen, welche sich jedoch augenblicklich verengten. Noch bevor ich etwas sagen konnte hatte er mich am Arm gepackt und vom Rad gezerrt. Schmerzvoll knallte das Fahrrad gegen meinen Oberschenkel.

Er drehte mir mit dem Polizeigriff den Arm auf den Rücken und drückte meinen Oberkörper gen Erde. „Hör mir mal gut zu Bursche“, knurrte er mich böse an, während ich versuchte mich ihm zu entwinden, „wenn du jetzt auf die Idee kommst mich zu erpressen, bist du an der falschen Adresse! Du hältst den Mund, oder ich verspreche dir, du wirst mich kennen lernen… Solltest du auf die Idee kommen deiner Mutter irgendwas davon zu sagen verspreche ich dir, schmeiße ich euch aus dem Haus. Dann kannst du unter einer Brücke pennen!“ Ich verzog schmerzvoll das Gesicht, keuchte auf und kniff die Augen zusammen.

Die Zähne aufeinander pressend brachte ich keuchend hervor: „Wie willst du uns aus dem Haus schmeißen…!“

Vater stieß mich von sich und ich taumelte und viel zu Boden. Gerade noch schaffte ich es meinen Sturz abzufangen, doch schlugen meine Knie schmerzvoll auf den Rasen auf. Ich blickte zu ihm hinauf und starrte ihn an. Er stand über mir und blickte kalt zu mir herunter, wieder einmal wirkte er nicht mehr wie mein Vater. „Jasper, das Haus läuft auf meinen Namen. Urkunde und der Kredit… Trenne ich mich von ihr, seid ihr beide obdachlos.“ Ich starrte ihn fassungslos an. Das konnte nicht sein Ernst sein. Ich sah zu der Frau, die mich musterte, als wäre ich ein Monster. Doch das Monster stand über mir! Schnell nahm sie ihren Sohn, meinen Bruder und ging etwas weg von uns. Es schien, als habe ihn die Situation geweckt. Die braunen Augen des kleinen Jungen musterten mich neugierig. Ich fragte mich weswegen diese Frau das mitmachte? Das war doch alles bescheuert?! Wer ließ sich denn so lange auf einen Mann ein, der verheiratet war?

Ich sah hinauf in Vaters Gesicht und spuckte ihm fast schon entgegen: „Ich hasse dich! Wie kannst du uns das nur antun?“ Seine Augen strahlten eine Kälte aus, die mich erschaudern ließ. Ich sah, wie er seine Hand zu einer Faust ballte und zu spät hob ich die Arme. Er schlug mir kräftig in den Magen. Fast hätte ich mich übergeben müssen, der Schmerz breitete sich wellenartig in meinem Körper aus. Tränen sammelten sich vor Schmerz in meinen Augen und ich stöhnte qualvoll auf. „Pass auf, was du sagst. Vergiss nicht mit wem du dich anlegst“, knurrte er mich böse an. Ich versuchte mich vom Boden aufzustemmen, doch er schubste mich erneut um. Wieso waren hier gerade keine Passanten, die uns sahen? Immer noch zu ihm aufblickend meinte er: „Ich meine es ernst. Du hältst den Mund oder du landest mit deiner Mutter auf der Straße!“ Erneut blickte ich ihn wütend an, doch noch bevor ich etwas sagen konnte traf mich seine flache Hand im Gesicht und mein Kopf flog zur Seite. „Ich denke, Bursche, wir haben uns verstanden! Oder?!“ Wir sahen einander an und mein Körper fing an zu zittern, als ich ihn betrachtete. Erneut hob er die Hand und fragte, ob ich ihn verstanden habe und aus Angst vor noch mehr Schlägen nickte ich. „Ich warne nur einmal Jasper“, meinte er zornig.

Weswegen tat er so etwas? Liebte er mich etwa nicht mehr? War ich jetzt schon nicht mehr sein Sohn? Wer wusste wohl alles schon davon? Jenny sicher nicht…Er drehte sich um und ging zu der anderen Frau. Zu seiner zweiten Familie. Ich stemmte mich auf und ging zu meinem Fahrrad. Wütend war ich nicht mehr. Verzweiflung und Ohnmacht übermannten mich. Mein Körper schmerzte, doch noch mehr schmerzte ein innerer Teil meiner selbst und diesen Schmerz in Worte zu packen, war kaum möglich.

Ich blickte ihnen nach und als ich sah, wie er den Arm auf den Rücken der fremden Frau legte, hätte ich mich übergeben können. Meine Gefühle konnte ich nicht beschreiben. Wut, Hass, Verzweiflung vermischten sich gerade und erneut fühlte ich mich machtlos! Ich fühlte mich verraten von ihm und zugleich war da diese Wut auf diesen Menschen, auf die ganze Welt! Wütend auf meinen Vater, der mich zwang das Geheimnis zu bewahren, der mich schlug. Der drohte uns aus dem Haus zu schmeißen. Wütend auf diese verdammte Frau, die für mich der Grund für all den Scheiß war. Wütend auf den kleinen Jungen, dass er überhaupt auf der Welt war. Ich war wütend auf meine Mutter, die gerade nicht an mich dachte, obwohl ich sie doch eigentlich brauchte! Und ich war wütend auf Jack! Er wusste es! Garantiert! Er kannte Vaters Geheimnis und hatte es mir nie gesagt. Ich hätte alles darauf gewettet, dass genau das in dieser Akte stand. Trotz allem was zwischen uns war, hatte er mir das verschwiegen. Ich fuhr mit dem Rad durch die Stadt und immer noch bebte mein Körper. Fast hätte ich einen Unfall gebaut, als ich unachtsam auf die Straße für. Doch selbst das Auto, welches nur knapp vor mir bremste, ließ mich nicht auf andere Gedanken kommen.

Ich ließ das Fahrrad neben Jacks Tür liegen und hämmerte kräftig gegen die Tür, dass ich einen Schlüssel hatte, hatte ich völlig vergessen. Als sie geöffnet wurde, schrie ich ihn an und schubste ihn so kräftig ich konnte nach hinten: „Du hast es gewusst! Du Arschloch hast es die ganze Zeit gewusst und hast die Fresse nicht aufgemacht!“ Verwirrt taumelte Jack in sein Haus. Ich war in Rage, schaffte es nicht mehr rational zu denken und schlug tatsächlich gegen seine Brust, kräftig! Entrüstet betrachtete mich Jack. Ließ es zu, dass ich ihn schlug. Mit Wut verzerrtem Gesicht blickte ich ihn an.

„Warum hast du das gemacht?! Wieso“, schrie ich ihm entgegen. Doch verständnislos war sein Blick. „Was ist passiert Jasper“, forderte er mich energisch auf und ließ sich von mir weiter in sein Haus drängen. Didi aufgeregtes kläffen ignorierte ich. Ich musste mich erst mal beruhigen. Wütend stapfte ich durch das Haus, vorbei an Didi, vorbei an Jack. Wie ein Tiger im Käfig lief ich in dem Haus herum. Ich spürte Jacks wachsamen Blick auf meinem Rücken. Doch immer noch stand er dort, wo ich ihn hatte stehen lassen.

Ich atmete durch, versuche mich zu beruhigen, doch dann fiel mein Blick auf die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Aufgebracht stapfte ich darauf zu und öffnete die Tür. Verwirrt blickte Jack mir nach und folgte mir in den anderen Raum. Er fragte nicht, was ich hier machte, noch was ich suchte. Er beobachtete mich und schien wenig überrascht, als ich ihm die dicke Akte mit meinem Namen vor die Füße warf. Natürlich war er nicht überrascht, hatte ich ihm doch bereits gesagt, dass ich hier drinnen war. Ich sah, wie sich sein Kiefer anspannte und er blickte von der Akte langsam zu mir auf.

Immer noch starrte ich ihn wütend an und fragte erneut zornig klingend: „Und? Weiß du immer noch nicht, weswegen ich so sauer bin? Warum hast du mir nichts gesagt…“ Langsam hob Jack die Akte auf und legte sie auf den Tisch. Er schwieg einen Moment und schien sich eine Antwort zu überlegen. Das machte er immer wenn er versuchte sich heraus zu reden. „Was genau hast du denn herausgefunden“, fragte er, lehnte sich gegen den Tisch und blickte mich an, während er die kräftigen Arme vor der Brust verschränkte. Fragend hoben sich seine Brauen als er mich betrachtete.

Ich zitterte vor Wut als ich sah, dass er es nicht mal abstritt, dass er mehr wusste wie ich! Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und zornig fragte ich: „Wie heißt er? Wie heißt mein Bruder…?“ Ich konnte es nicht glauben. Immer noch nicht. Er hatte uns ganz einfach ersetzt, wie es mir vorkam! Jack runzelte die Stirn, schien nachzudenken. Sein Blick glitt über mein wütendes Gesicht als er antwortete: „Irgendwas mit J. Ich glaube Jeremy.“

Jeremy… meine Lippen zitterten kurz und leise murmelte ich: „So sollte ich eigentlich heißen… Mutter wollte es nicht…“ Jack nickte leicht und meinte trocken: „Hätte auch nicht gepasst.“ Ich hätte darüber lachen können, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. „Wieso hast du mir nichts gesagt, Jack“, fragte ich noch mal und meine Stimmte, hatte sich beruhigt, klang eher brüchig. Ich ließ mich auf seinen Stuhl nieder und ließ schwer seufzend meinen Kopf auf die Hände fallen. Ich hatte das Gefühl langsam aber sicher zu ertrinken.

Ich hörte Jack ebenfalls schwer seufzten, als er zu mir trat. „Es ist nicht meine Angelegenheit Familien zu zerstören“, sagte er bedächtig, doch ehrlich waren seine Worte. Verzweifelt nickte ich, doch musste ich einfach weiter fragen: „Aber warum nicht dann, als wir uns immer besser verstanden haben?“ Jack betrachtete mein Gesicht eingehend. Ein leichter, fast schon entschuldigender Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Eben weil wir uns so gut verstehen. Ich will nicht die Schuld daran haben, dass deine Familie auseinander bricht. Noch will ich die Schuld tragen, dass du und deine Eltern euch nicht mehr versteht. Jazz, ich bin nicht Teil eures Lebens. Ich bin nur ein stiller Beobachter von außen. Ich behalte mir diese Information nur zur ‚Selbstverteidigung‘, sollte wer auf die Idee kommen, mich zu bedrohen.“ Ich nickte leicht, verstand es, doch fiel es mir so schwer es zu akzeptieren. Meine Hand legte sich auf die schmerzvolle Stelle auf meinen Magen. Meine Knie schmerzten und meine Wange brannte! Ich kauerte mich etwas auf den Stuhl zusammen und konnte nicht verhindern, dass Tränen meine Wange benetzten.

Ich bemerkte, wie Jack ansetzte auf mich zuzugehen. Auch, dass seine Arme gezuckt hatten, doch er blieb da wo er war. Rührte sich nicht. Er war zu unsicher ob ich seine Nähe gerade wollte, dass wusste ich. Ich blickte zu ihm auf und streckte ihm meine Hand entgegen. So sauer ich auch auf ihn war, war er mir doch auch eine Stützte, welche ich nicht missen wollte. Jack betrachtete meine Hand und kam mit großen Schritten auf mich zu. Wortlos drückte er mich und wuschelte mir durch die Haare. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust und er strich mir sanft, fast liebevoll durch die Haare. „Ich wollte nicht derjenige sein, der dir weh tut“, vernahm ich Jacks leise, rauchige Stimme über mir. Ich nickte und dennoch flossen einige Tränen.

„Hat mein Vater noch mehr Geheimnisse, von denen ich nichts weiß“, fragte ich mit kratziger Stimme. Jack seufzte schwer, ließ mich langsam los und betrachtete mein Gesicht. Er rang mit sich, doch als sich unsere Blicke trafen fing er an zu sprechen: „Ja, hat er.“ Er nuschelte wieder vor sich hin, doch man verstand ihn noch: „Er hat einige Disziplinarverfahren gehabt. Meistens wegen Beleidigung oder unangemessenem Verhalten im Dienst. Und einmal hat er auf einen flüchtenden Schwarzen geschossen, der unbewaffnet war… Er wird von den meisten seiner Kollegen nicht gerne gesehen, darum ist er meistens alleine unterwegs. Aber du weiß am besten wie sich dein Vater so verhält.“ Ich starrte ihn mit großen Augen an. Konnte nicht wirklich glauben, was ich da hörte. Ich traute meinem Vater in diesem Moment einfach alles zu.

Mein Vater war für mich immer eine Person, zu der man aufblicken konnte, bis vor einigen Wochen. Doch nun verstand ich ihn immer weniger. Ich wollte nicht mehr nachdenken. Ich wollte vergessen, meine Welt hinter mich lassen. Ich wollte nur noch in seine Welt abtauchen, in Jacks Welt, um meine zu vergessen. Fast schon Hilfe suchend blickte ich ihn an und bettelte: „Bitte Jack, nimm mich mit nach Arlington! Ich will einfach mal vergessen… Ich halte es wirklich Zuhause nicht mehr aus!“ Mir war es egal, dass ich die Schule schwänzte, auch, dass ich das Baseballtraining verpassen würde. Ich dachte nur daran, dass ich es nicht schaffen werde Zuhause weiterhin normal zu leben. Ich konnte nicht so tun als wüsste ich nicht, wo Vater seine Überstunden verbrachte. Ich wollte seine wütenden oder vielleicht auch hasserfüllten Blicke nicht auf mir spüren, ebenso wenig die ängstlichen von meiner Mutter, die sich von mir abwandten.

Ich würde wahnsinnig werden. Jacks Auge flackerte zu seinem Schreibtisch, auf denen wohl einige wichtige Dokumente lagen, zu der Akte meiner Familie und blieb an meinen Augen hängen. Wie viel er in meinem Gesicht erkennen konnte, wusste ich nicht, doch kannte ich seine Empathie. Schwer seufzend nickte er schließlich. Ich wusste, ich hatte gewonnen. Doch wieder fühlte sich der Sieg nicht nach einem Sieg an.

„Dann muss du mir aber eins versprechen Jazz“, mahnte er mich ernst, „Wenn wir mit anderen unterwegs sind, nennst du mich Snake… Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass Anonymität meine Lebensversicherung ist.“ Ich nickte und blickte in sein ernst schauendes Gesicht. Diese Voraussetzung für mein Mitkommen, war absolut.

„Okay“, hauchte ich fast schon monoton.

„Alles, was du hören wirst ist und bleibt geheim! Solltest du darüber ein Wort verlieren, wird ein Erschießungskommando, dass netteste sein, was man mir entgegen schicken würde.“
 

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Hier müsste ich mich eigentlich mal wieder bei meiner Beta-Leserin -Chiba- bedanken^^ Wirklich vielen lieben Dank für die Zeit die du dir nimmst.

Sowie bei Pitchermaus über deren Komentaren ich mich immer wieder nur freuen kann :D

Der Flug nach Arlington

Gemeinsam saßen wir nach unserem Streit in der Küche und tatsächlich trank ich das erste Mal einen Kaffee. Bitter schmeckte er und ich verzog die Lippen, als ich an ihm nippte. Jack reichte mir Zucker und Milch. Ich schüttete mir viel davon in die Tasse, bis ich das Gefühl hatte, dass er nicht mehr wirklich bitter zu schmecken schien. Jack sagte nichts dazu, einzig sein Auge kniff er etwas zusammen als er mich beobachtete. Ich rührte in der braunen Flüssigkeit herum und nach einem Moment der Stille fragte ich ihn leise: „Weswegen die ganzen Nachforschungen? Hast du hier…ich weiß auch nicht...einen Einsatz oder so?“

Jack betrachtete mich nachdenklich und erklärte nach einem kurzen Moment: „Nein, habe ich nicht. Ich will wissen wer in meiner Nachbarschaft wohnt. Was hier alles vor sich geht. Nenn es paranoid aber, dass muss ich ein wenig sein. Es gibt viele, die mich umbringen wollen.“

„Aber wieso steht dann in meiner Familie Relevant reingeschrieben“, fragte ich ihn leise und trank einen Schluck der Flüssigkeit.

„Deine Familie hat Geheimnisse und ist oder war in zwielichtige Angelegenheiten verwickelt. Sowas interessiert mich“, grummelte er leise während er mir in die Augen sah. Ich nickte leicht, wenn er wirklich so aufpassen musste verstand ich die Nachforschungen sogar.

„Meinst du mit Zwielichtig, dass mein Bruder Drogen genommen hat“, fragte ich nach einem kurzen Moment der Stille. Jack blickte ernst in mein Gesicht und nickte leicht und unschlüssig. Erklärend begann er zu sprechen: „Nicht nur deswegen. Jeder kann mal abrutschen, mich interessierte eher, was dein Vater dann gemacht hat.“

„Ihn zum ausgiften auf eine Farm geschickt“, meinte ich leise und als ich Jacks ernstes Gesicht sah rutschte mir erneut mein Herz in die Hose. Ein bitteres Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und er blickte in die Tasse vor ihm. „Was ist wirklich passiert“, forderte ich ihn nach einem kurzen Augenblick auf. Schwer seufzend richtete sich Jacks Blick wieder auf mich. Als ich erneut nachfragte fing er an zu berichten: „Diese komische Ausgiftungsscheiße war eigentlich nur zum Malochen. Die mussten hart arbeiten. So sollten sie nicht an die ganzen Drogen denken. War eher ein Arbeitslager und dein Vater wusste das. Dein Bruder hat ihm sogar geschrieben, dass er sich gebessert hatte, doch dein Vater will wohl nichts mit einem Junkie zu schaffen haben…“ Ich schluckte, dass mein Vater so abgebrüht war verblüffte mich. Wir schienen wohl wirklich nur wichtig oder seiner Aufmerksamkeit wert zu sein, wenn wir funktionierten. Ich nickte leicht und dachte daran, dass ich Vater nie so eingeschätzt hatte. Sein Ruf in der Nachbarschaft war eigentlich tadellos. Doch war es nur eine einzige schöne Fassade. Ich spürte Jacks Hand auf meiner Hand und schaute verblüfft zu ihr hinunter. Ich lächelte ihn leicht an und erwiderte stumm den Händedruck.
 

Den restlichen Tag verbrachten wir mit Vorbereitungen für die Reise nach Arlington. Jack lief immer wieder zwischen seinem Arbeitszimmer und der Wohnstube hin und her. Er schien einige Berichte zu studieren und legte sie auf dem Küchentisch ab. Ich saß auf der Couch und hing meinen Gedanken nach, dachte an Jackson und Dad. Als Jack erneut an mir vorbei ging fragte ich nuschelnd: „Bist du sauer auf mich, weil ich in deinem Arbeitszimmer war?“ Jack sah zu mir und sein unergründlicher Blick hielt mich gefangen. Es schien, als atmete er durch und schwieg. Sagte nichts. Ein schlechtes Gewissen erfüllte mich, doch ändern konnte ich das Geschehene nicht mehr. Wir sahen einander ins Gesicht und ich seufzte ergeben und senkte den Blick.

Jack ging in die Küche und schien nach etwas zu Essen zu suchen. Erneut seufzte ich und auf einmal hielt mir Jack eine Krankmeldung unter die Nase. „Ist das noch dein Hausarzt“, fragte er ruhig und ich nickte, als ich den Namen las. Ich wollte gar nicht wissen woher er dies wieder wusste. Ich traute mich auch nicht nachzufragen.

Als er mir Essen anbot lehnte ich ab. Immer noch schmerzte mein Magen von dem Schlag, den ich von meinem Vater hatte. Ich hielt mir die Stelle und Jack runzelte die Stirn. Erneut verschwand Jack in der Küche und nach einem Augenblick kam er mit einem Kühl Akku zurück, welchen er gerade in ein Trockentuch wickelte. Kommentarlos reichte er es mir und ich drückte es gegen meinen Bauch. Er setzte sich zu mir und meinte ernst: „Schlag zurück, Jazz. Du kannst das!“ Ich nickte, doch war die Hemmschwelle meinen eigenen Vater zu schlagen ziemlich hoch. Doch ich wusste auch, dass Jack Recht hatte. Ehrlich sagte ich leise zu ihm: „Ich trau mich irgendwie nicht…“ Resignierend seufzte Jack auf, schien für einen kurzen Augenblick nach den richtigen Worten zu suchen. Ich bin nicht sicher, ob er seiner Meinung nach die richtigen Worte fand, denn sie waren wenig tröstend: „Dann wird er nie lernen aufzuhören Jasper. Das wird nicht mehr besser, sowas nimmt zu, es wird mehr werden, wenn du nicht lernst dich zu wehren.“ Unschlüssig blickten meine braunen Augen in sein Gesicht. Ob er Recht hatte oder nicht wusste ich nicht. Doch gerade traute ich meinem Vater alles zu, sogar einen Mord.

Ehrlich waren meine Worte als ich zu ihm sagte: „Ich werde es versuchen, aber versprechen kann ich es nicht.“ Er nickte mich ernst an und blickte mir fest in die Augen. Ich war mir sicher, dass Jack mir sofort beistehen würde, wenn ich wirklich Hilfe brauchen würde.

Ich wusste nicht, wie Jack es geschafft hatte, doch er hatte die Krankmeldung gefälscht und sie in den Briefkasten der Schule geworfen. Er sagte mir nur er wolle mit dem Hund raus gehen, als er verschwand. Erst als er wieder kam verriet er mir wo er wirklich war. Ich ging nicht mit. Ich starrte in dieser Zeit auf den Fernseher ohne diesen wirklich zu sehen. Ich dachte darüber nach, was Jack gesagt hatte. Würde Dad wirklich schlimmer werden? Würde er sich immer weniger unter Kontrolle haben? Diese Gedanken nagten an mir.

Ich blieb den ganzen Tag bei Jack im Haus. Hier fühlte ich mich sicher, obwohl nur wenige Meter zwischen meiner Zuflucht und meinem Elternhaus lagen.

Als es dunkel wurde und die Lichter nicht mehr brannten, war ich nach Hause gegangen und hatte Kleidung für eine Woche gepackt. Mutter hatte mich nicht mal angerufen, weil ich den ganzen Tag verschwunden war. Doch als die zwiespältigen Gefühle in meiner Brust die Oberhand gewannen, versuchte ich mich auf das Kommende zu konzentrieren und zu vergessen. Was Jack wohl in Arlington alles machen wollte? Ich hielt an Spekulationen fest um mich abzulenken. Leise betrat ich mein Zuhause. Es war bereits kurz nach elf.

Meine Mutter war am Schlafen und mein Vater war sicher bei seiner anderen Frau. Meine Mutter ging mit Sicherheit davon aus, dass er arbeiten sei. Erneut betrachtete ich die Familienwand und mir wurde schlecht. Wir waren seit Jahren keine glückliche Familie mehr und dies hatte weder was mit Mutter, Jackson oder mir zu tun. Ich war so dumm. Es hätte mir viel früher auffallen können, doch ich verschloss meine Augen davor. Ich blickte mich in meinem Zimmer um, während ich meine Sachen packte. Am liebsten wäre ich einfach zu Jack gezogen…

Selbst in meinem eigenen Zimmer fing ich an mich unbehaglich zu fühlen. Ich packte einen großen Rucksack und stopfte einige Sachen rein. Jack wollte zügig aufbrechen. Was brauchte man, wenn man abhaut? T-Shirts, Pullover, einige Hosen, fast hätte ich Unterwäsche vergessen. Mein Ladekabel für mein Handy packte ich als letztes ein. Ich ging hinunter und blickte noch einige Augenblicke hinauf. Das schlechte Gewissen was an mir nagte, weil ich ging ohne meiner Mutter die Wahrheit zu sagen, versuchte ich zu verdrängen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte das schlechte Gewissen abzuschütteln.

Ich trat hinaus in die Dunkelheit der Nacht und schloss die Tür hinter mir. Ich seufzte schwer und als ich zu der Haustür blickte sah ich Jack aus der Tür treten. Wie ich trug er einen Rucksack auf den Rücken, nur war seiner kleiner und schien weniger voll zu sein. Sein Oberkörper steckte in einer schwarzen Lederjacke, welche er nur bis zur Mitte seiner Burst geschlossen hatte. Oben aus dem Reißverschluss schaute Didi zu mir und hechelte aufgeregt vor sich hin. Ich grinste, als ich die Beiden so sah und Jack blickte mich erwartungsvoll an. Ich überwand die letzten Meter und ging zu ihm.

Wortlos gingen wir zu seiner Garage, doch anstatt sich in seinen Wagen zu setzten schob er das Motorrad heraus.

Ich betrachtete die schwere schwarze Maschine, die im Licht der Straßenlaterne glänzte. Er setzte sich auf das Motorrad und schien sich zu vergewissern, dass der Hund sicher in der Jacke streckte. Ich schwang mich hinter ihn und hielt mich an ihm und seinem Rucksack fest.

„Ähm… Keine Sicherheitskleidung“, fragte ich unschlüssig. Doch Jack gab schon Gas. „Nein, hab keine“, meinte er gelassen.

Wir fuhren entspannt durch die Gegend. Jack raste nicht, natürlich nicht, hatte er doch den kleinen Welpen bei sich. Ich hielt mich schweigend an ihm fest. Vor wenigen Stunden hätte ich es noch genossen Motorrad zu fahren. Doch gerade versucht ich einfach an nichts mehr zu denken. Auch dass ich keinen Helm trug ignorierte ich. Doch wenn wir das nächste Mal in der Stadt waren würde ich ihn schon „überreden“ Sicherheitskleidung zu kaufen. Mit jeder Meile, die wir hinter uns ließen, ließ ich alles andere hinter mir. Meine Probleme, meine Sorgen und meine Ängste. Ich freute mich auf das Kommende und war gespannt, was mich erwarten würde.

„Willst du jetzt etwa so bis nach Arlington fahren? Dann sind wir mehr als eine Woche unterwegs“, rief ich nach einer Weile und meine Hände begannen taub zu werden durch die Kälte des Fahrtwindes. Ich sah, wie Jack den Kopf schüttelte und musste mich anstrengen um ihn zu verstehen. „Nur Flughafen“, hörte ich heraus. Ich hatte gar kein Flugticket stellte ich fest, ob mir Jack wohl eins besorgt hatte? Doch wir fuhren nicht hinein in die nächste Stadt. Wir fuhren hinaus und nach einigen Momenten verstand ich wohin wir fuhren. Wir waren auf dem Weg zum Militärstützpunkt, wir würden mit keinem großen Linienflugzeug fliegen. An der Schranke zeigte Jack erneut die, wie ich sie nannte, Kreditkarte vor und fuhr einfach weiter ohne viel mit dem Wachmann zu sprechen. Erneut fragte man mich nicht nach einem Ausweis.

Wir fuhren auf das Gelände und ich konnte in der Ferne eine große Maschine ausmachen, welche gerade wohl mit schwerem Gerät beladen wurde. Ich konnte viele Kisten erkennen, die fast doppelt so hoch waren wie die Menschen, die sie in das bauchige Flugzeug verfrachteten.

Ich stieg von dem schwarzen Motorrad ab, nachdem Jack den Motor abgestellt hatte und Jack trat neben mich. Auch er sah zu dem Flugzeug und er erklärte: „Wir können mit der Maschine mit fliegen. Denk daran, ich bin Snake. Wenn andere Fragen stellen antworte nicht zu viel.“ Ich nickte und fühlte mich langsam wie in einem Agentenfilm.

„Was steht auf dieser Karte“, fragte ich neugierig und mein Blick haftete an der Stelle, wo er sie weggesteckt hatte. Jack blickte mich verwirrt an und runzelte die Stirn. „Das ist mein Dienstausweis“, meinte er nur. „Darf ich ihn sehen“, fragte ich und hoffte, dass darauf Sachen standen, die ich noch nicht von ihm wusste. Ernst blickte er mich kurz an, ehe er kurz in die Tasche griff und ihn mir reichte. Ein Passbild von Jack war zu sehen, bei dem er noch beide Augen hatte. Da stand sein Name. John, ach ja, dachte ich, Jack war ja der Name, den er lieber mochte. John Saladin. „Ernsthaft? Dein Nachname ist Saladin? Klingt wie ein Terrorist“, meinte ich grinsend und betrachtete weiter den Ausweis in meiner Hand. Daneben standen ein paar Zahlen und Buchstaben, die ich nicht zuordnen konnte. Vielleicht war es die Einheit, in der er war.

„Das klingt nicht nach einem Terrorist“, meinte Jack und verzog das Gesicht. Ich grinste ihn an und meinte frech: „Doch, irgendwie schon! Passt irgendwie auch nicht zusammen. Kommen deine Eltern nicht aus Amerika?“ Jack grinste leicht ehe er meinte: „Ich glaube nicht. Ist wahrscheinlich auch nicht mein richtiger Nachname.“ Auch ich grinste leicht und schaute erneut auf den Ausweis. „Aber irgendwie ist das mit der Anonymität auch eine Farce wenn man bedenkt, dass dein Name auf deinem Dienstausweis steht.“ Jack blickte zu mir und runzelte die Stirn. „Na ja…. Irgendwie schon. Aber man muss auch beim Militär wissen wen man vor sich hat. Und mich nennen fast alle bei meinem Codenamen“ Jack blickte wieder nach vorne und ging auf das Flugzeug zu, welches immer noch beladen wurde.

Ich ging Jack hinterher und wieder salutierten einige vor uns. Jack beachtete es kaum und ging zügig in Richtung des Flugzeuges weiter. Immer noch trug er den Hund, der aus seiner Jacke schaute.

Doch anscheinend wollte Didi nicht mehr. Er begann zu jaulen und ich sah, wie seine kleinen Pfötchen zu strampeln begannen. Genervt seufzte Jack und öffnete die Jacke. Didi sprang fast schon runter und hätte Jack ihn nicht aufgefangen, wäre er sicher schmerzvoll auf dem Boden aufgeschlagen. Er kramte in seinem Rucksack und holte eine Leine heraus, die er an dem Halsband des Welpen befestigte. Genervt setzte Jack den Welpen ab, doch ich wusste, dass ihm das Tierchen viel zu wichtig war, um wirklich sauer zu sein.

Ich folgte Jack und sah, dass heute viel mehr Soldaten anwesend waren. Viele wuselten herum und luden die Sachen ein. Einige schienen sich zu unterhalten, doch waren ihre Gesichter zu ernst, als dass ich vermutete, dass sie über Privates sprachen.

Ich blickte zu Jack und fragte: „Wenn du doch unehrenhaft aus der Armee entlassen werden sollst, wieso nehmen sie dich dann mit?“

Jack blickte zu mir und erklärte leise: „Die Medal of Honor hat auch seine Vorteile… Und diese Entlassung ist totaler Schwachsinn.“ Verstehend nickte ich und fragte: „Wieso… sollst du eigentlich unehrenhaft entlassen werden?“ Jacks Blick wandte von meinem Gesicht zu dem Flugzeug, auf welches wir zusteuerten. „Ich habe in den letzten Wochen Befehlsverweigerung begangen. Ich hätte den Dienst eigentlich wieder antreten sollen. Aber eigentlich drohen die nur, die wollen eh, dass ich bleibe.“ Ich sah ihn mit großen Augen an und nickte leicht. Er wäre jetzt, nachdem er erst vor vier Monaten sein Auge verloren hatte, wieder auf Einsätze geschickt worden? Jack sah meinen skeptischen Blick. Als er wohl merkte, wie mein Blick zu seiner Augenklappe flackerte, verstand er. Erklärend sagte er: „Wenn du niemanden hast, weswegen dann lange zu Hause sein? Mich haben sie damals im Krankenhaus nur besucht um zu fragen, wann ich wieder gesund bin…“ Verbittert klang seine Stimme und leise fragte ich: „Haben dich denn nicht mal deine Freunde besucht? Was war mit Adam?“

„Bei der Geschichte mit dem Auge, war ich mitten auf einer Mission und ich wusste noch nicht, dass Adam mein Kontaktmann war. Und bei dem Heli Crash kannte ich ihn noch nicht…“ Eigentlich wollte ich weitersprechen, doch wir kamen am Flugzeug an und gleich darauf kam ein mir bekannter Soldat zu uns geschritten.

White Shark grüßte uns freundlich, aber auch er wirkte weit weniger gelöst wie beim letzten Mal, als wir uns begegnet waren: „Hi Snake, ihr könnt beide gleich rein“, meinte er und fuhr fort, „die Spinnen doch, wollten gleich doppelt so viele M1 haben. Als ob ich mir die Teile aus den Rippen schneiden kann!“ Ich verstand nicht was M1 waren, doch nachfragen hätte nur unnötige Fragen aufgeworfen. Also versuchte ich wie Jack neutral auszusehen. „Wohin sollen die weitergeschickt werden“, fragte Jack und blickte zu den riesigen hölzernen Kisten und betrachtete diese stirnrunzelnd.

„Keine Ahnung… Irak, Syrien? Wer weiß das schon. Vielleicht auch Kuwait. Ich kriege erst Info’s wenn ich schon in der Luft bin. Top Secret.“, meinte White Shark und kratze sich am Kopf, „soll ich euch zu den anderen bringen? Es werden noch andere Soldaten nach Arlington geschickt.“ Jack nickte und wir folgten dem Soldaten hinein in das bauchige Flugzeug. Wir wurden zu anderen Soldaten geführt. Alle starrten sie Jack an. Doch keiner ängstlich, alle mit großer Ehrfurcht.

Auf Jacks Gesicht ließ sich nichts ablesen. Seine Mimik schien verschwunden. Der strenge Mund war eine Linie und kein Lächeln oder Grinsen war zu erkennen. Sein Auge war wachsam als er sich streng umblickte. Einzig Didi, welcher schwanzwedelnd neben ihn stand, entschärfte den Anblick des Mannes. Wir setzten uns auf unbequeme Sitze, welche längs an der Seite des Flugzeuges aufgebaut waren. Wir setzten uns nebeneinander. Anders wie in Passagiermaschinen, saßen uns die anderen Soldaten gegenüber. Es gab keine Fenster. Keiner der Soldaten schien was zu sagen, sie alle schielten ab und zu in Jacks Richtung, doch niemand machte den Mund auf.

Didi schnüffelte an meiner Hose und lieb streichelte ich den Vierbeiner hinter den Ohren. Ich griff nach dem Tier und nahm ihn lieb auf meinen Schoß. Während ich ihn streichelte, leckte er fröhlich an meiner Hand. „Wie lange fliegen wir eigentlich“, fragte ich Jack in die Stille hinein. Er wandte sich zu mir und sah auf eine Armbanduhr, die er wohl heute umgelegt hatte. „Ungefähr drei Stunden.“

Ich nickte und betrachtete den Welpen. „Was ist, wenn der mal muss“, fragte ich skeptisch. Jacks Auge weitete sich. „Oh…. Ich muss noch mal mit dem Hund raus“, meinte er schnell und nahm mir den Hund aus der Hand. Mit langen kräftigen Schritten verließ er das Flugzeug und ließ mich alleine mit den Anderen zurück.

Es wurde geschwiegen, doch ich merkte, wie sie mich beobachteten. Ich holte mein Handy aus der Tasche nur um zu tun, als ob ich was machte und stellte fest, dass es bereits ein Uhr war. Der Soldat neben mich räusperte sich und ich sah hinauf in die hellbraunen Augen des Fremden. „Ja“, fragte ich und runzelte die Stirn. Er hatte ein schmales Kinn doch eine recht breite Stirn und vorsichtig fragte er: „Bist du wirklich ein Rekrut von Snake?“ Unsicher nickte ich und dachte das Gespräch wäre beendet, doch der Fremde lächelte mich offen und fröhlich an und meinte: „Cool! Ich hätte richtig Angst vor dem… Der soll echt eine harte Nuss sein, stimmt das?“

Ich blinzelte einige Male und sah ihn unschlüssig an. Nicht wissend, was ich sagen sollte. Ich nickte leicht und hob die Mundwinkel. „Warst du nicht aufgeregt, als du ihm das erste Mal begegnet bist“, fragte er mich immer noch sehr fröhlich und offen sagend. Erneut war ich unsicher, was ich sagen sollte. „Ähm…Nein eigentlich nicht… Er ist schließlich auch nur ein Mensch.“ Der Fremde nickte nachdenklich und kratze sich verlegen am Kopf. „Ja, dass stimmt ja schon“, meinte er nach einem Moment und redete einfach weiter, „trotzdem muss es doch aufregend sein mit so einer Legende zusammen zu arbeiten.“

„Legende? J- Snake?“ Ich musste mich ermahnen. Beinahe hätte ich Jack gesagt. Das durfte auf keinen Fall passieren!

„Ja! Also ich finde man kann jemanden als Legende bezeichnen, der den dritten Weltkrieg verhindert hat!“

Meine Gesichtszüge entglitten mir. Perplex starrte ich ihn an. Er hatte den dritten was verhindert? Weltkrieg? Nein! Das war… nein! Das war zu abgedreht um wirklich wahr zu sein. Doch das Gesicht des Mannes neben mir sprach Bände. Es erklärte die Haltung, die alle anderen hier vor Jack zeigten. Doch wie sollte sowas möglich sein? Die Kubakrise lag lange zurück! Und danach war doch alles friedlich. Ich wollte gerade noch etwas sagen als ich sah, wie Jack wiederkam. Ich konnte nicht anders und starrte ihn genauso an wie alle anderen hier. Dies war der Grund, weswegen er die Medaille bekommen hatte!

Verwirrt betrachtete er mein Gesicht. „Alles klar“, meinte er ruhig und setze mir Didi wieder auf den Schoß. „Alles gut“, nuschelte ich und streichelte den Welpen.

„Weswegen schaust du dann so bescheuert“, fragte Jack mich skeptisch, während er sich neben mich setzte.

„Alles gut. Ich schau nicht bescheuert!“

Ich wollte nicht, dass er wusste, dass jemand geredet hatte. Doch der Soldat neben mir quasselte einfach drauf los: „Weiß dein eigener Schüler nicht was du für Amerika getan hast?“ Jacks Auge fixierten den Fremden und böse sah er ihn an. Wieso konnte der Typ nicht seine Klappe halten? Unter Jacks eisigem Blick schrumpfte der Soldat in sich zusammen und sah schnell hinunter auf den Boden. Vermutlich dachte er, dass Jack zu bescheiden sei dies zuzugeben, sollte die Aussage des Soldaten wirklich der Wahrheit entsprechen. Jacks Auge wanderte zu mir und beäugte mich missmutig, eher er meinte: „Die übertreiben. Glaub nur die Hälfte von dem was die sagen.“

Meine Gedanken überschlugen sich und ich fixierte ihn mit großen Augen. Ohne darüber nachzudenken fragte ich: „Hast du wirklich den dritten Weltkrieg verhindert?“ Ich wollte es wissen, wollte wissen was er dazu sagte. Wie er darauf reagierte. Doch Jacks Mine blieb unergründlich. Er schwieg, doch erneut hörte ich die Stimme des fremden Soldaten. Ich dachte Jack hätte ihn eingeschüchtert, doch da schien ich mich geirrt zu haben.

„Doch hast du, Snake! Und du hast die Verräterin ausgeschaltet, “plapperte er weiter und ich sah, wie sich Jacks Kiefer anspannten.

Das Flugzeug setzte sich derweilen in Bewegung. Es war komisch nichts zu sehen, normalerweise durfte ich immer am Fenster Platz nehmen. Doch meine Aufmerksamkeit galt nicht dem startenden Flugzeug, sondern dem Soldaten und Jack.

Jacks Worte und Auge waren kalt wie Eis. Schneidend war seine Stimme als er sprach: „Wenn du meinst.“ Seine Worte klangen wie hervorgepresst. Als ob es ihn anstrengte sie noch einigermaßen freundlich hervor zu bringen. Erneut ratterten meine Gedanken. Eine Verräterin? Ausgeschaltet? Konnte das die Frau sein, die er geliebt hatte? War sie ein Spion in Amerika gewesen? War dies einer der Gründe, weswegen Jack so verbittert war? Er hatte sie schließlich geliebt. Wenn sie sich als Feind herausstellte, wäre es durchaus ein Grund so verbittert zu werden. Und hatte er sie ausgeschaltet? Oder wurde sie während der Mission ausgeschaltet? Vielleicht hatte er sogar versucht sie zu retten. Möglicherweise hat er sie auch gehen lassen und war deshalb der Meinung er habe die Medaille nicht verdient. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Versionen fielen mir dazu ein. Wir starteten und ich wurde das Gefühl nicht los, dass so viel mehr hinter dieser Geschichte steckte, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.

Der restliche Flug verlief schweigend. Jack schwieg eisern, sprach weder mit mir noch mit einem der anderen Soldaten. Ich spielte immer wieder an meinem Handy um etwas gegen die Langeweile zu tun. Die übrigen Männer unterhielten sich untereinander. Es wurde viel über Waffen geredet. Und die meisten beschwerten sich über einen Kommandanten. Jack steckte sich während des Fluges eine Zigarre an. An der großen Einstiegsluke hing, gut sichtbar ein „Rauchen verboten“ Schild. Jack interessierte dieses Verbot scheinbar nicht im geringsten.

Mich wunderte es nach dem Start dieser Reise nicht mal, dass keiner der anderen Soldaten ihn darauf ansprach. Ich fühlte mich unwohl und betrachtete den Welpen auf meinem Schoß, welcher eingeschlafen war. Ich war selbst so müde wie der kleine Hund auf meinen Beinen. Immer wieder vielen mir die Augen zu und mein Körper sackte nach vorne. Doch um richtig einzuschlafen war es in dieser Maschine zu kalt. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich Jack verärgert hatte. Ich mochte es nicht, wenn er mich so eisern anschwieg.

Plötzlich spürte ich Jacks kräftige Hand an meinem Ärmel der Jacke. Er hatte mir seine Lederjacke umgelegt. Wurde dem Typen etwa auch nie kalt? Ich sah zu ihm rauf und sah, dass er mich kurz freundlicher musterte und der kalte Ausdruck für wenige Augenblicke verschwand. War er vielleicht einfach nur sauer auf den Soldaten? Erleichterung durchflutete mich, hatte ich doch Angst, dass er auch auf mich sauer war. Erst wegen dem Arbeitszimmer und nun wegen dem anderen Soldaten. Erstaunlich, wie gut er differenzieren konnte. Ich würde dies nicht so hinbekommen wie er. Doch ich musste es hören und so flüsterte ich fragend: „Bist du sauer auf mich…?“ Jacks Kopf wandte sich zu mir und ich spürte, wie er schwer seufzte und leicht den Kopf schüttelte. Doch sagen tat er nichts. Ich hatte das Gefühl er war nicht ganz bei mir. Jack schien während des ganzen Fluges in düsteren Gedanken festzuhängen.

Ich wusste nicht wie spät es war. Ich vermutete, dass es weit nach drei Uhr morgens war. In einer Ecke des Flugzeuges leuchtete schon seit Stunden eine rote Lampe. Das Licht machte mich langsam wahnsinnig. Ein unangenehmer dunkler Farbton. In diesem roten Licht wirkten die Gesichter der Soldaten noch strenger. Jacks eh schon angespanntes Gesicht wirkte durch die Farbe, den Rauch seiner mittlerweile zweiten Zigarre, und die Augenklappe, fast schon dämonisch. Ein Anblick, der einem Angst machen konnte, wenn man ihn nicht kannte. Mein Kopf ruhte auf der unbequemen Nackenlehne. Ich versuchte eine bequemere Position auf dem schmalen Sitz zu finden. Ein paar der Männer schliefen auf ihren Sitzen und langsam dämmerte auch ich hinein in einen leichten unruhigen Schlaf. Ich zog Jacks Jacke enger um meinen Körper und seufzte leise auf.

Der Friedhof

Nach viel zu wenig Schlaf wurde ich von einer Hand geweckt, die mich leicht an der Schulter schüttelte. Das Flugzeug schien sich zum Landen bereit zu machen. Ich streckte mich und sah neidisch auf den schlafenden Hund, welcher eingerollt auf meinen Beinen lag. Ich seufzte schwer und blickte müde in Jacks immer noch versteinertes Gesicht, geschlafen hatte er sicher nicht. Immer noch lag seine Jacke um meinen Schultern während ich blinzelnd zu ihm blickte. Doch sah er immer noch frischer aus wie ich, vermutlich. Das Flugzeug setzte auf den Boden auf während ich mich leicht streckte. Selbst die einfachsten Ferienflieger hatten bequemere Sitze als diese. Keiner der anderen Soldaten sah uns an. Vermutlich hatte Jacks Laune sie eingeschüchtert, denn ein kurzer Blick von ihm genügte und schnell war ihr Blick wieder gen Boden gerichtet.

Nachdem der Flieger gelandet war wurde eilig die Tür geöffnet. Die Sonne schien gerade aufgegangen zu sein. Didi gähnte in meinen Armen und schnupperte aufgeregt in der Luft. Ich ließ den Hund ab und nahm die Leine in die Hand. Jack ging an den anderen vorbei. Nach einem kurzen Gespräch mit White Shark verließen Jack und ich das Militärgelände. Vor der Eingangstür winkte Jack tatsächlich ein Taxi zu sich. „Wohin geht es jetzt“, fragte ich. Irgendwie hatte ich mit spannenderem gerechnet, jetzt wo wir in Arlington waren.

„Erstmal in ein Hotel und dann muss ich meinen Kontaktmann benachrichtigen“, erklärte er ruhig und sprach nach einem Moment weiter, „nicht so spannend wie man sich das alles vorstellt, oder?“ Ich grinste ihn leicht an und nickte, zuckte jedoch mit den Schultern. „Das ist es sicher häufiger“, sprach ich nach einem Moment. Jack nickte nur während wir in das Taxi stiegen. „Was haben die eigentlich geliefert. Also was sind diese M1“, fragte ich.

„Panzer“, meinte Jack ruhig, „Sie tanken hier jetzt voll und dann geht es weiter, nachdem sie noch einige Soldaten hier aufgelesen haben.“ Ich nickte leicht und stieg in das haltende Taxi. Ich seufzte schwer, meine Knochen fühlten sich an wie Blei. Die lange Nacht und die nur zwei Stunden unruhigen Schlafes zollten ihren Tribut. „Müssen wir gleich weiter? Oder haben wir etwas Zeit zum schlafen“, fragte ich müde und rieb mir über die Augen.

„Wir schlafen erst einmal. Vor heute Abend wird niemand kommen“, meinte Jack ruhig und ich sah, wie seine Schultern heruntersackten. Und auch er schloss kurz die Augen, während er sich zurück lehnte. Auch an ihm, war diese anstrengende Nacht wohl nicht spurlos vorbeigegangen. Als ich ihn so erschöpft sah entschied ich mich noch nicht zu fragen, was es mit der Geschichte auf sich hatte, welche die Soldaten mir erzählt haben.

Wir hielten an einem Hotel in der Innenstadt an. Es war nichts besonderes und auch die Zimmer waren einfach gehalten, doch genau schaute ich mich nicht wirklich um. Ein Doppelbett mit weißen Laken, ein kleiner Schreibtisch und ein Sessel standen herum. An der Wand gegenüber des Bettes war ein Fernseher angebracht worden und durch eine kleine Tür betrat man ein kaum geräumiges Badezimmer. Doch genau achtete ich kaum noch darauf, in Gedanken war ich längst tief und fest am schlafen. Nachdem ich müde aus dem Badezimmer geschlichen kam, ließ ich mich einzig mit Boxershorts in das Laken fallen. Ich spürte, wie Jack ins Bett kam und seinen Arm um mich legte. Seine warme Brust an meinem Rücken spürend schlief ich gleich tief und fest ein, dass Didi zu uns hinauf ins Bett gesprungen kam bemerkte ich nicht.

Raue Hände strichen über meinen Bauch und meine Brust. Immer wieder zog mich der Schlaf wieder in seine Fänge, doch ein leichtes Schütteln an meiner Schulter verhinderte dies. Ich streckte mich und drückte meinen Kopf in das Kissen. Jacks raue Hände strichen durch meinen braunen Schopf und ich hörte seine nuschelnde tiefe Stimme: „Steh endlich auf, oder der Hund fällt dich gleich an…“ Ich stöhnte leise auf und öffnete verschlafen meine Augen. Ich blickte müde in sein Gesicht. Immer noch war ich ziemlich müde, hatte ich doch erneut das Gefühl zu wenige Stunden geschlafen zu haben. Ich sah Jack über mir und lächelte leicht. Sein wenig sanfter Versuch mich liebevoll zu wecken amüsierte mich. Ich musste leicht schmunzeln und streckte meine Glieder. „Bin ja schon wach“, murmelte ich und versuchte die letzten Reste des Schlafes abzuschütteln. „Müssen wir etwa schon los“, fragte ich und legte meine Arme auf Jacks kräftigen Rücken.

Als ich anfing ihn zu kraulen schloss er kurz genießerisch sein Auge, so als schien er sich diesen kleinen Moment der Ruhe zu gönnen. „Nein. Hab meinem Kontaktmann geschrieben. Er wird morgen erst hier eintreffen. Das bedeutet, heute habe ich nichts zu tun.“

Ich freute mich zu hören, dass wir tatsächlich einen kompletten Tag für uns alleine hatten. Ein Strahlen schlich sich auf meine Züge und ich blickte ihn fröhlich an. Alle Müdigkeit war aus meinen Gliedern gewichen. „Cool! Was machen wir heute“, fragte ich ihn begeistert. Verwunderung war in Jacks Gesicht zu sehen, doch noch bevor er fragen konnte sprach ich: „Zeig mir die Stadt, die kennst du doch.“ Ein leichtes Lächeln hatte sich auf seine Züge geschlichen und freundlich klangen seine Worte, als er sprach: „Na gut Kleiner, dann zieh dich mal an.“

Er setzte sich auf und ich stellte fest, dass er schon angezogen war. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er aufgestanden war. Ich setzte mich auf und stand auf, als ich Jacks kräftige Hand auf meinem Bauch spürte. Ich sah hinunter und bemerkte, dass ich einen großen blauen Fleck dort hatte, wo seine Hand lag. Zögernd, fast vorsichtig strich er darüber. Ich sah, wie sich Falten auf seiner Stirn bildeten als er nachdenklich darüber strich. „Der schlägt ziemlich feste zu“, stellte er einsilbig fest. Es war keine Frage, nur eine reine Feststellung, dennoch nickte ich zögernd. „Du kannst Karate, wieso lässt du dir das gefallen? Schlag zurück, wie ich es dir gesagt habe…“, sagte Jack und blickte mir direkt ins Gesicht.

Ich rang mit mir, konnte es kaum erklären, doch nach wenigen Augenblicken sprudelten die Worte aus mir heraus: „Ich weiß es nicht. Ich…wenn es passiert fühle ich mich so gelähmt. Mein Körper hört nicht mehr auf mich…“

„Schockstarre“, nuschelte Jack nachdenklich, „du musst ihn kräftig zurückschlagen. Und dann fragen ob er das toll findet. Wenn er nichts darauf sagt, schlag wieder. Irgendwann lernt er es schon.“ Schwer seufzte ich als ich Jack betrachtete. „Gewalt ist doch keine Lösung… Hat man mir jedenfalls beigebracht…“ Jack schnaubte leicht eher er erwiderte: „Aber er regelt es doch auch mit Gewalt! Er scheint nur so was zu verstehen. Antworte in der Sprache, die er versteht.“ Unsicher nickte ich leicht. Ich konnte mir trotzdem nicht vorstellen einfach so meinen Vater zu schlagen.

Während ich mich in meine Kleidung schälte fragte ich ihn beiläufig: „Hast du kaum geschlafen?“ Jetzt wollte ich mal ablenken, wollte ich doch gerne diesen freien Tag weit ab von unserem Alltag genießen.

„Doch, bin nur vor einer dreiviertel Stunde aufgestanden. Didi musste raus“, meinte er und sah mir dabei zu, wie ich mich anzog. Er schien die Ablenkung zuzulassen. „Ich hab dir übrigens was zu Essen besorgt“, sagte Jack und deutete auf den kleinen Schreibtisch, auf welchem einige Tüten lagen. Einige lagen schon zusammengeknüllt herum. Auch zwei Becher standen dort. Ich brauchte nicht erst zu fragen ob es Kaffee war. Ich wusste es war Kakao. Ich nahm mir eines der Brötchen und begann zu essen während ich fragte: „Was können wir uns denn anschauen.“ Unschlüssig zuckte Jack mit den Schultern. „Das Pentagon steht hier und na ja, der Friedhof… Washington ist nicht weit weg von hier. Da ist mehr zu sehen.“ Ich nickte leicht, ehe ich antwortete: „Lass uns erstmal hier bleiben. Vielleicht dann auch ins Pentagon und eine Führung machen…“ Jack verzog das Gesicht ehe er fragte: „Wirklich? Eine komische Tourieführung? Die sind langweilig. Die Leute da dürfen eh nichts sagen, was interessant ist.“

Ich blickte ihn unschlüssig an und zuckte mit den Schultern. „Wir können ja auch einfach so durch die Stadt“, meinte ich, nachdem ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. Jack nickte unschlüssig und nach einigen Augenblicken verließen wir das Hotelzimmer. Mein Handy ließ ich bewusst dort liegen, hatte ich doch keine Lust auf meine Mutter oder meinen Vater. Als ich mich im Aufzug an die Wand lehnte kreisten meine Gedanken erneut um meine Familie. Sollte ich es Jenny sagen? War das überhaupt richtig? Was war in diesem Moment eigentlich richtig und was falsch? Wer bestimmte so etwas?

War es richtig meiner Mutter zu sagen, was mein Vater ihr...uns antat? Konnte Dad uns wirklich einfach aus dem Haus schmeißen? Ja, dass konnte er. Amerika war nicht so sozial. Viele Familien waren vor einigen Jahren in die Obdachlosigkeit gerutscht, auch mit Kindern. So etwas interessierte die wenigsten. Wir sind eben kein Sozialstaat. Doch war es meiner Mutter so unfair gegenüber, dass der Gedanke mir weh tat. Doch da war auch die Wut auf sie. Sie, die mich von sich weg stieß, wo ich sie doch so sehr brauchte. Ich verstand meine Gefühle nicht mehr. Ich schüttelte leicht den Kopf und stellte fest, dass Jack mich beobachtet hatte.

„Woran denkst du“, fragte er und auch er lehnte sich an die Wand des Aufzuges. Ich atmete schwer durch und wählte meine Worte mit Bedacht: „Ich, weiß einfach nicht… was derzeit richtig ist. Es meiner Mutter zu sagen oder nicht.“

Jack betrachtete mich eingehend und meinte: „Das musst du leider für dich entscheiden. Die Entscheidung kann dir keiner abnehmen. Ich nehme an du wirst selbst wissen was fair ist und was nicht.“ Ich nickte leicht und starrte auf meine Füße. Ja, was richtig war wusste ich, doch ich hatte Sorge was dann geschehen würde.

Schweigend traten wir aus dem Hotel und standen in der frühen, etwas kühlen Mittagssonne. Didi lief fröhlich neben Jack her. Ich blickte mich um und stellte fest, dass wir nicht weit weg waren vom Pentagon. Ein Schild, welches in Richtung Friedhof zeigte, ließ erkennen, dass man diesen zu Fuß erreichen konnte. Zögernd flackerten meine Augen zu Jack. Der Friedhof mit seinen Dimensionen lockte viele Touristen an, auch mich. Das Grab des unbekannten Soldaten und auch die ewige Fackel auf Kennedys Grab würde ich schon gerne sehen. Auch das Amphitheater im griechischen Stiel hatte mit Sicherheit etwas! Doch war dort auch das Grab von der Frau, die Jack einst geliebt hatte. Einfach zu fragen ob wir da drauf gehen sollten fand ich taktlos.

Doch auch Jacks Blick war in Richtung Friedhof geflackert und ein nachdenklicher melancholischer Ausdruck war in seinem Gesicht zu lesen. Leise traute ich mich zu fragen: „Willst du hin? Also zum Friedhof?“ Stirnrunzelnd sah Jack mir in meine braunen Augen und zögernd stellte er eine Gegenfrage: „Und was willst du dann machen?“

Ich steckte die Hände in die Hosentasche und ging langsam in die Richtung, in welcher das Schild deutete, eher ich beschloss zu antworten: „Kennedys Grab kann man sich doch da anschauen und das Grab des unbekannten Soldaten…“ Schweigend folgte mir Jack, schien nachdenklich in sich gekehrt. Doch ich war mir sicher, dass er sehr gerne an diesen Ort gehen würde. Ich fragte mich, wann er das letzte Mal hier war. Ich hatte das Gefühl mit jedem Schritt, den wir in die Richtung taten, war es nun Jack, der stiller und in sich gekehrter wurde. Als schien er sich auch von mir zu distanzieren.

Schweigend betraten wir den Friedhof und auf saftigem Grün stand eine weiß lackierte Tafel. Sie hieß uns willkommen und bat mit Demut und Ehrfurcht diesen Grund zu betreten. Auch erinnerte sie, dass dies ein heiliger Boden sei. Vereinzelte Bäume standen auf der Wiese und dahinter waren Reih um Reih weiße Marmorne Grabsteine zu erkennen. Mein Auge erfasste kein Ende. Alle waren sie gleich groß und in perfekter Symmetrie angebracht. Der Rasen war perfekt gepflegt und als wir über die Wege gingen ließ ich meinen Blick schweifen. An einigen Grabsteinen waren Erinnerungsstücke ihrer Liebsten hinterlassen worden. An einem lag ein kleiner Teddy, an dem anderen war eine kleine amerikanische Flagge in den Boden gesteckt worden. Beklommen sah ich die Grabsteine an. Jeder Stein ein Mensch, hinter jedem Stein eine eigene persönliche Geschichte. Auf diesem Friedhof ruhten nur Streitkräfte Amerikas. Mit wenigen Ausnahmen konnten ihre Frauen oder Kinder hier begraben werden. Fast alle Personen die hier liegen sind gefallen, doch wofür? Ich sah andere Menschen über den Friedhof gehen. Einige sahen kein bisschen betroffen aus. Vermutlich wäre ich auch so unbedacht über diesen Friedhof gelaufen, hätte ich Jack nicht kennen lernen dürfen.

An einer Kreuzung blieb Jack stehen und sah mich an. Seine Gesichtszüge waren versteinert, doch in seinem Auge konnte man seine Trauer ablesen. Sie war fast spürbar. Zögernd fragte ich leise: „Muss ich weiter gerade aus?“ Jack nickte stumm. Ob ihm was die Kehle zuschnürte oder nicht, wusste ich nicht. Er spannte seine breiten Schultern, als schien er sich zu wappnen. Ich ging einige Schritte und verstand, dass ich ihn ab hier alleine lassen sollte. Er wandte sich ab und ging, mit Didi an seiner Seite, einen anderen Weg, sagte nichts weiter zu mir. Er ging weiter hinein in den Friedhof, hinter einer Stelle, wo Bäume mir die Sicht nahmen.

Zögernd war ich einige Schritte in die Richtung gegangen, in welche ich eigentlich gehen sollte. Doch schmerzlich sah ich dem Mann nach, den ich liebte. Ich wusste es war taktlos und nicht richtig, dennoch wollte ich wissen, wie sehr Jack mich vielleicht brauchte. Wie sehr er hier litt. Also folgte ich ihm langsam und zögernd. Wissend, dass es unethisch war. Und schon nach einigen Metern sah ich ihn. Er stand vor einem großen weißen marmornen Grabstein und blickt starr hinab, wie versteinert. Langsam hob er die Hand und salutierte, blickte starr auf den Grabstein und rührte sich einige Sekunden nicht mehr. Zögernd löste er sich, ließ die Arme und Schulter sinken. Nach wenigen Sekunden hob er langsam die Hand und strich sanft, fast liebevoll Blätter von dem Stein. Vor dem Grabstein waren die Blumen gepflanzt worden, welche auch bei Jack im Garten wuchsen. Ich beobachtete, wie er sich vor das Grab hockte. Seine Lippen bewegten sich, doch der Wind trug die Worte nicht zu mir und wenn ich ehrlich war bin ich froh darüber gewesen. Betroffen sah ich dem Schauspiel zu, welches sich mir bot und dann sah ich etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.

Jacks Hand glitt zu seinem Auge und es sah aus, als ob er sich Tränen wegwischte, welche drohten ihm über die Wange zu laufen. Wenn ich schon dachte ich hätte Zuhause einst einen gebrochenen Mann gesehen, war das nichts im Vergleich zu jetzt. Es schien, als schaffe er es kaum noch sich auf den Beinen zu halten. Seine Arme zitterten. Ich sah, wie sich seine Schultern zwei drei Mal hoben. Verloren sah er aus. Er verlor sich in der Trauer und ich wünschte, ich hätte zu ihm gehen können. Doch das wäre nicht gut. In diesem Fall könnte ich sogar verstehen, wenn er lange sauer auf mich sein würde. Ich sah erneut wie er sich durch die Augen wischte und wieder schien er leise etwas zu sagen. Didi wedelte nicht mehr mit seinem Schwänzchen. Er schien Jacks Laune zu bemerken und sein Köpfchen drückte sich an sein Bein. Ich sah, wie Jacks Blick zu seinem treuen Gefährten wanderte und er den kleinen Welpen etwas an sich drückte, als wäre dieser seine einzige Stütze in diesem Moment.

Ich wandte mich ab. Dieser Moment gehörte Jack, so traurig er auch war. Ich hatte damit nichts zu tun. Ich musste akzeptieren, dass ich kein Teil dieses Lebens von ihm war, kein Teil seiner Vergangenheit. Doch ich wollte endlich wissen, was damals passiert ist und ich würde ihn noch fragen, während wir hier waren! Ich ging schnell in die Richtung, in welche ich eigentlich hätte gehen sollen und als ich oben bei Kennedys Grab stand und die ewige Fackel betrachtete, spürte ich nichts. Die anderen Menschen um mich herum nahm ich nicht wahr.

Meine Gedanken kreisten einzig um das, was ich gesehen hatte. Ich durfte mir nichts anmerken lassen! Ich wollte ihn auch nicht darauf ansprechen. Aber ich wollte ihm zeigen, dass ich ihm helfen könnte, dass ich für ihn da sein kann. Dass sein Leben weiter geht und es schön sein kann. Wenn vielleicht auch nicht als sein Geliebter, dann aber als ein Freund an seiner Seite. Ich hörte schwerere Schritte auf mich zukommen und drehte mich um.

Jack kam auf mich zu und ich erkannte, dass sein Auge noch leicht gerötet war. Er trat neben mich und sah stumm auf die Fackel. Selbst Didi schien stumm, als sei er wie sein Herrchen tief von Trauer erfüllt. Ich zögerte, atmete schwer durch und vorsichtig griff ich nach seiner Hand. Das noch andere Menschen hier waren und uns so sehen konnte, hemmte mich ein wenig, doch ich wollte Jack spüren. Ich wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine ist, auch wenn dies bedeutet, dass andere sahen, dass ich schwul bin! Ich drückte seine kräftige Hand und merkte, dass sie eiskalt war.

Jacks Blick fiel auf unsere Hände und dann in mein Gesicht. Ich zog ihn etwas zu mir und lehnte mich an ihn. Mein Blick huschte zu den Menschen um uns herum. Einige sahen uns verwirrt an und einige Frauen lächelten tatsächlich entzückt und wieder andere schenkten uns gar keine Beachtung. Ich atmete schwer durch, war dieser Schritt für mich ein ziemlich großer, doch tat ich ihn gerne für ihn.

Ich legte einen Arm um Jacks Rücken und drückte ihn etwas zu mir. Fragend blickte er mich an und leise meinte ich: „Du siehst irgendwie aus, als ob du das gerade brauchst…“ Der versteinerte Ausdruck in Jacks Auge löste sich und ein sanfter Schimmer erschien, fast schon dankbar. Er erwiderte den Händedruck und Hand in Hand gingen wir weiter über den Friedhof. Fast schon zog ich ihn liebevoll hinter mir her. Ich wollte weg von diesem Ort, der für Jack nur Trauer widerspiegelte. Ich löste meine Hände nicht von ihm, hielt sie weiterhin fest und langsam spürte ich, wie die Wärme wieder zurückkehrte. Ich wollte weit weg von hier. Wir verließen den Friedhof und ich bemerkte, dass Jack mich die ganze Zeit beobachtet hatte. Sein Blick hatte sich verändert, doch da ich mehr nach vorne sah, als zu ihm, konnte ich ihn nicht deuten.

Ohne uns abzusprechen machten wir uns auf den Weg zu unserem Hotel. Lust auf das Pentagon hatte ich nicht mehr. Ich wollte nicht mehr durch die Stadt gehen. Ebenso wenig wie Jack. Ich wollte alleine sein, alleine mit ihm. Immer noch schweigend gingen wir in unser Zimmer. Didi sprang auf einen kleinen Sessel in der Ecke und kratze sich an seinem Ohr. Erneut begegneten sich unsere Blicke und endlich ließ ich seine Hand los. Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. Liebevoll war meine Stimme, als ich ihm sagte: „Weißt du Jack, ich… ich bin zwar kein Teil deiner Vergangenheit und weiß sicher nicht viel davon, aber trotzdem… das klingt so schwul“, nuschelte ich leise, „… ich will einfach, dass du weißt, dass ich gerne ein Teil deiner Zukunft sein möchte… Ich liebe dich und will für dich so gerne da sein. Egal ob als Freund, oder als dein Freund… Die Zukunft muss nicht so düster sein, wie deine Vergangenheit.“

Jack blickte mich überrascht an, sein Auge weitete sich. Einige Male setzte er an etwas zu sagen, doch kein Wort verließ seine Lippen. Sein Auge fixierte mich, wanderte dann durch das Zimmer. Ich sah, wie er schluckte. Er schloss kurz, fast gequält wirkend, sein Auge und setzte sich auf das Bett und strich sich durch die dunklen Haare. Ich beobachtete ihn bei seinem inneren Kampf und als sein Blick den meinen suchte, sah ich einen fast schon verzweifelten Ausdruck. Er packte ruckartig meine Hand und zog mich zu sich auf das Bett und drückte mich eng an sich, so dass ich kurz nach Luft rang. „Jazz, ach…Ich liebe dich… Aber ich…ich bin sicher nicht gut in Beziehungen… Weißt du ich…ich liebe sie immer noch und hab ein schlechtes Gewissen…“, waren seine leise genuschelten Worte, während er sich fast schon an mich klammerte, als schien er gerade an mir Halt zu suchen.

Ich drückte ihn an mich, nicht sicher, wie sehr ich mich freuen sollte oder nicht. Zu hören, dass er noch jemand anderes liebt schmerzte, obwohl ich wusste, dass sie tot war. Doch dass er mich tatsächlich liebte und nicht nur einen Freund in mir sah, erfüllte mich gleichermaßen mit Glücksgefühlen.

Während ich mich so an ihn drückte spürte ich, wie schwach er gerade war. Ich löste mich von ihm und nahm sein Gesicht in meine Hände, während ich mit fester Stimme sprach: „Jack, ich liebe dich! Ich möchte dir helfen zu vergessen… Ich… lass es uns versuchen und ich verspreche dir, wir schaffen das irgendwie und du wirst glücklich! Vielleicht war deine Vergangenheit einfach scheiße, aber die Zukunft kann doch besser werden.“

„Ich bin verschroben. Hab so viele Geheimnisse und werde dir nie alles sagen können“, meinte er leise und sah mir ins Gesicht. Er klang so, als wollte er sich absichtlich schlecht machen, doch es war mir gerade alles egal. Ich zuckte mit den Schultern. In diesem Moment war es mir egal, ob er Geheimnisse haben würde oder nicht. An die Zukunft verschwendete ich keinen Gedanken in diesem Moment, es zählte das hier und jetzt. „Dann hast du halt viele… Jack, du hast es nie versucht. Ich hatte auch keine wirkliche Beziehung… Lass es uns doch einfach versuchen… du hast doch nichts zu verlieren.“ Ich sagte es so schnell, dass ich nicht weiter darüber nachdachte was ich sagte.

„Ich kann dich verlieren“, sagte Jack leise aber ernst, „es gibt einige Leute, die mich nicht mögen. Ich will nicht wieder jemanden verlieren… Ich will das nicht noch mal durchmachen… Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“

„Willst du denn nicht mit mir zusammen sein“, fragte ich leise und sah ihn enttäuscht an. Jack zuckte mit den Schultern und schüttelte gleich verneinend den Kopf.

„Ich weiß es nicht, eigentlich ja und… ich weiß einfach nicht was ich will… Ich merke, dass du mir gut tust.“

„Wenn du sowas doch meinst, wieso hältst du daran dann nicht fest, Jack?“

Ich merkte, wie er mit sich rang und als er sprach waren seine Worte leise, doch verstand ich jedes Wort: „Ich habe ein schlechtes Gewissen… das ich glücklich bin und… Sie nicht da ist.“ Bekümmert blickte ich ihn an und drückte sanft seine Hand. Leise fragte ich ihn: „Hätte sie nicht gewollt, dass du wieder glücklich wirst?“ Ich merkte, dass er meinem Blick auswich. Er zuckte mit den Schultern und antwortete ausweichend: „Vermutlich hätte sie das…“ Als ich sah, wie er um Worte rang, beugte ich mich zu ihm und drückte meine Lippen auf die Seinen. Drückte mich eng an ihn. Ich wollte ihn spüren und nicht mehr reden! Er erwiderte den Kuss und seine Hände krallten sich in meinen Schopf. Mit meinem Gewicht drückte ich ihn auf das Bett. Jacks Hände schoben mich auf sich und er drückte mich an sich. Ich wusste, dass er nicht gut im Sprechen war, also erlöste ich ihn. Ich löste mich von seinen Lippen, biss noch einmal kurz hinein und betrachtete den Mann, den ich liebte unter mir. „Willst du wirklich, dass ich so etwas irgendwann mit jemand anderem mache“, fragte ich direkt und drückte mich eng an ihn.

Es schien, als dachte er einen Moment darüber nach und ich erkannte einen leichten feindseligen Ausdruck in seinem Auge. „Nein“, meinte er leise und drückte mich besitzergreifend an sich. „Dann ist die Sache klar, wir sind zusammen“, stellte ich leicht grinsend fest und ergeben nickte Jack und zog mich wieder zu sich hinunter. Unsere Lippen trafen erneut aufeinander und mein Herz raste, als ich ihn seinen Geruch einatmete und ihn schmeckte. Zärtlich biss ich auf seine Lippe und blickte ihn entzückt an. „Ich möchte, dass du glücklich bist“, sagte ich und bevor er irgendwas sagen konnte drückte ich meine Lippen auf die Seinen.

Für mich fühlte es sich richtig an und ich hoffte, dass es das für ihn irgendwann auch so sein wird.

Susanne

Bei diesem Kapitel muss ich mich wirklich sehr bei meinem Liebsten bedanken, der mich motiviert hat und vorallem unterstützt! DankeSpardi! Ohne deine Hilfe wäre das Kapitel sicher nicht so gut und schnell fertig geworden.
 

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Wir schafften es nicht mehr die Finger voneinander zu lassen. Immer wieder stachelten wir uns gegenseitig an erneut übereinander herzufallen. Die Leidenschaft, die uns gefangen hielt, ließ uns nicht aus ihren Fängen. Schweiß bedeckte unser beider Körper und ich blickte erschöpft zu ihm hinauf und auch Jack schien ausgelaugt zu sein. Schwer atmend drehte ich mich auf die Seite und Jack kuschelte sich an meinen Rücken.

Mein Rücken brannte leicht und auch Jack hatte einige Kratzspuren auf seinem Rücken und seinem Hintern. „Jack… müssen wir heute noch irgendwann los“, fragte ich erschöpft und lehnte mich entspannt an ihn und hoffte, er sagte nein. Immer wieder strich mir Jack durch die Haare und nach einem Moment antwortete er: „Nein… erst morgen früh.“

Ich nickte leicht und war erleichtert und seufzte zufrieden auf. Wir schwiegen und als ich etwas sagen wollte hörte ich mein Handy summen. Ich seufzte genervt und war unschlüssig, ob ich hinauf sehen sollte oder nicht. Vorwürfe brauchte ich an diesem Tag nicht! Dafür war ich zu glücklich mit Jack! Ich entschied mich dennoch dafür und sah die Nummer meiner Schwester. Ich zögerte und betrachtete den Namen auf dem Display. Wollte ich jetzt wirklich mit ihr sprechen? Würde es Jack vielleicht sogar stören? Ich spürte seinen Kopf auf meiner Schulter und stellte fest, dass er auf den Namen geschaut hatte. Vermutlich hätte er mir das Handy abgenommen, wäre es mein Vater gewesen. „Willst du nicht ran gehen“, fragte Jack ruhig und streichelte mir über die Schulter. Unschlüssig blickte ich über meine Schultern und sah kurz in sein Gesicht. Er gab mir den ersehnten Halt und ich schaffte es das Gespräch anzunehmen.

„Wo bist du“, hörte ich die besorgte Stimme meiner Schwester aus dem Telefon, noch bevor ich sie begrüßen konnte. Ich schloss kurz die Augen, genoss es ihre Stimme zu hören und sammelte mich eher ich ihr antwortete. „Ich bin einfach mal weg. Zuhause ist es echt… Ich brauch einfach mal Abstand, Jenny. Ist doch nicht so tragisch“, meinte ich leise und schluckte. Ich konnte mir denken, dass meine Mutter vermutlich panisch bei meiner Schwester angerufen hatte. Wie besorgt sie vermutlich war, wusste ich nicht. Tatsächlich wäre Jenny auch die Person gewesen, die ich vermutlich aufgesucht hätte, wäre Jack nicht an meiner Seite.

„Was ist passiert Jazzy“, Besorgnis war in Jennys Stimme deutlich zu hören. Ich seufzte schwer, wollte ich doch immer noch nicht meine Familie verraten. Ich wollte gerade nicht an meine Probleme denken. Ich wusste, sie würden mich früh genug wieder einholen… „Kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nicht…“, meinte ich nach einem kurzen Moment und seufzte schwer. Wie sollte ich dieses Gespräch beginnen?

„Jasper, du kannst mit mir reden, dafür bin ich doch da“, vernahm ich ihr sanfte wohltuende Stimme in meinem Ohr. Gequält schloss ich die Augen. Wollte nicht, dass ihre sanfte Stimme meine Zunge löste. Ich wollte nicht, dass meine Probleme mich einholten. Vor allem jetzt noch nicht. Schwer durchatmend sagte ich zu ihr: „Ich komm dich bald besuchen und dann reden wir. Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut…“

Doch Jenny ließ nicht locker. Verstehen konnte ich sie diesbezüglich, würde ich mir in ihrer Situation auch Sorgen machen und alles wissen wollen. „Aber Jasper, wo bist du und mit wem. Jetzt verschweig mir das doch nicht alles, bitte“, meinte sie weiter, leichte Panik war in ihrer Stimme zu hören.

„Wie gesagt, mir geht es gut…ich bin auch nicht alleine“, begann ich zögernd. Unsicher, ob ich es jemanden erzählen durfte, mit wem ich weg bin. Ich spürte Jacks Kopf immer noch auf meiner Schulter und wusste, dass er jedes Wort von ihr verstand. „Bist du mit dem komischen Nachbarn etwa weg? Mum sagte der sei auch verschwunden und du wärst häufiger bei ihm“, forschte sie weiter nach und mein Schweigen, was darauf folgte, war eine Zustimmung.

„Lass mich mit ihm sprechen“, forderte Jenny energisch auf und noch bevor ich protestieren konnte nahm Jack mir mein Handy aus der Hand. Er drehte sich auf den Rücken und raunte ein tiefes: „Ja“, in den Hörer. Ich vernahm Jennys leise Stimme: „Wo seid ihr und was wollt ihr da.“

Jacks Auge taxierte mich und ernst klingend grummelte er in das Handy: „Wenn er es nicht sagen will, werde ich es auch nicht tun. Ihm geht es gut.“

Ich wusste, dass Jenny sich damit nicht zufriedengeben würde und so war es auch. „Das ist ja toll, dass ihr alle meint es geht ihm gut! Ich kenne dich aber nicht und meine, nein, unsere Mutter macht sich Sorgen!“

Jacks Blick war ungerührt und tonlos sagte er: „Ach, macht sie sich das? Aha…“ Es klang so, als ob er ihr nicht glauben würde.

Anscheinend verwirrte Jenny die Aussage, denn stumm blieb es am anderen Ende der Leitung. Es schien, als müsse sie sich beruhigen und nach einem Augenblick hörte ich sie wieder sprechen...leiser. Ihre Worte waren zu leise, als das ich sie verstehen konnte.

Dieses Mal war es an Jack einen Augenblick zu schweigen, bevor er anfing zu sprechen: „Wenn er es dir nicht sagt, werde ich es dir auch nicht sagen, dass ist nicht meine Angelegenheit.“

Nach einem Moment sprach sie weiter. Erneut verstand ich nicht genau was sie sagte. Doch Jack blickte zu mir und unschlüssig starrte ich in sein ernstes Gesicht. Es schien, als ringe er mit sich und nach einem Moment sagte er: „Wir kommen in drei Tagen vorbei. Dann siehst du, dass es ihm gut geht…“ Verblüfft von dieser Aussage starrte ich ihn regelrecht an. Er würde mich zu meiner Schwester bringen und mich dabei sogar begleiten? Meinte er das wirklich ernst? Ich hatte ihm gesagt, wie wichtig sie mir war, dies war kein Geheimnis für ihn. Ich hörte Jenny leise meinen Namen sagen und Jack reichte mir das Handy wieder.

„Ja“, raunte ich hinein und Jenny seufzte schwer. „Pass auf dich auf Jazzy, ja? Wenn der dir was tut weißt du, wie du schlagen musst und dann mach das auch! Er sagte er bringt dich in drei Tagen zu mir… Ich hoffe er hält sich daran… Wenn was ist geh zur Polizei!“ Jenny war besorgt und es tat mir leid, ihr die Sorge nicht nehmen zu können, doch wollte ich das nicht über Telefon mit ihr besprechen und auch nicht jetzt. Kurz schloss ich meine Augen und sagte: „Okay Jenny, wir sehen uns.“ Ich legte schnell auf wollte nicht noch mehr Besorgnis hören. Mir ging es schließlich gut!

Ich wollte, dass heute ein toller Tag ist! Ich wollte mich freuen, dass Jack an meiner Seite war, mich liebte und dazu stehen konnte! Wir sahen einander an und Jack zog mich in seine Arme. Drückte mich an seine kräftige Brust, was mich entspannen ließ. „Deine Schwester sorgt sich ziemlich um dich“, meinte er und seine Stimme hatte einen fast schon sanften Ton. Ich nickte, lehnte mich an ihn und seufzte zufrieden auf. „Ja… Sie ist immerhin meine Schwester. Wir stehen uns eigentlich schon nah, auch wenn sie leider nicht mehr bei uns wohnt“, meinte ich leise und drückte meine Lippen auf seine bärtige Wange.

„So etwas ist gut“, raunte Jack, drückte mich in die Kissen und stahl sich in mein Sichtfeld. „Hast du wirklich gar keine Familie“, fragte ich, ohne lange darüber nachzudenken was ich sagte. Jack schüttelte den Kopf und blickte mich kurz an, bevor er langsam anfing mit zögerlicher Stimme zu erklären: „Ich habe sie nie kennengelernt. Ich weiß nicht mal ob John mein eigentlicher Name ist… Vermutlich waren sie Soldaten und deswegen bin ich in das Militärwaisenhaus gekommen.“

„Belastet es dich gar nicht“, wollte ich leise von Jack wissen. Nachdenklich sah er hinunter in mein Gesicht und strich mir durch die Haare. Ehrlich klangen seine Worte, als er meinte: „Früher Mal. Heute nicht mehr. Das ändert nichts mehr. Was soll ich für Menschen empfinden, denen ich scheinbar so egal war?“ Ich nickte leicht und war überrascht von seiner Antwort. Ohne wirklich darüber nachzudenken stahl sich das Wort, Wut, aus meinen Mund und unschlüssig blickte Jack mich an. Er schwieg und ich dachte über seine Worte nach. Ich glaubte ihm seine Worte, doch war es für mich schwer vorzustellen ohne Familie aufzuwachsen. „Du hast echt nie etwas über deine Eltern herausgefunden“, fragte ich und auch meine Hände strichen durch seinen braunen Schopf. Er schüttelte nur den Kopf.

„Ist aber nicht mehr wichtig“, meinte Jack und klang ein wenig ernst, „jetzt brauche ich auch keine Eltern mehr.“ Unschlüssig, was ich von dieser Aussage halten sollte, nickte ich leicht und drückte ihn zu mir. „Ich könnte mir nie vorstellen, wie es sein soll ohne Familie aufzuwachsen“, murmelte ich nachdenklich und zog ihn neben mich ins Bett. Jack ließ es geschehen und verknotete sein Bein mit dem meinigen. Seine Finger strichen über meinen Rücken und über mein Gesäß, als er langsam zu erklären begann: „Eine Familie muss nicht immer im Blut verbunden sein. Meine Freunde und Kameraden bei der Army waren meine Familie. Sie waren…mir sehr wichtig.“ Ich wusste nicht, ob ich ihn verstand oder nicht, aber ich glaubte es. War Eric für mich doch auch fast wie ein Bruder und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, stand er mir in vielen auch näher wie meine ältesten Brüder. Sachte nickte ich Jack zu und kuschelte mich an ihn.

„Ich denke, wenn ich Jenny sehe, sollte ich ihr sagen, dass ich schwul bin“, meinte ich und ich spürte wie Jack den Druck um meinen Körper verstärkte, als wollte er mir Halt geben. „Was denkst du, wie sie es auffassen wird“, meinte er ruhig und besonnen. Ich dachte über meine Antwort nach, bevor ich langsam anfing zu antworten: „Eigentlich denke ich, wird sie jetzt sicher nicht so schlimm reagieren. Ich denke verwundert… Aber sicher nicht angewidert. Ich habe mich nur beim letzten Mal nicht getraut es ihr zu sagen. Dafür… dafür war ich damals noch nicht bereit.“

„Das ist ja auch deine Entscheidung“, meinte Jack und seufzte als ich ihn leicht kraulte. Wieder war diese Stille angenehm und beide schienen wir zufrieden.

Doch so angenehm dieser Moment auch war und so glücklich ich mich fühlte, drangen seine Worte wieder in mein Gedächtnis. Ein schlechtes Gewissen gegenüber jemanden der Tod war, war seltsam und ich versuchte es zu verstehen, doch gelang es mir nicht. Vielleicht lag das auch daran, dass ich erst siebzehn war. Vielleicht fehlte mir dafür tatsächlich die Lebenserfahrung. Ich dachte an heute Nachtmittag, wie Jack weinend vor dem Grab der mir fremden Frau gehockt hatte. Wo seine Trauer so greifbar war. Ich wollte ihm eine Stützte sein, doch die Sorge, dass ich es nicht schaffen würde, wuchs auf einmal in mir. Ich verfluchte mich für diese Sorge, doch schaffte ich es nicht sie zu verhindern.

Ich streichelte seine Brust, strich die einzelnen Narben leicht mit den Fingerspitzen nach. „Jack, würdest du mir von der Frau erzählen, die dir so viel bedeutet hat“, bat ich ihn vorsichtig, lehnte mich auf den Ellbogen und blickte tief hinein in sein markantes Gesicht. Er wich meinen Blick schnell aus und wollte schon die Hand von mir nehmen, doch ich hielt sie auf. Er sollte sich nicht verkriechen oder zurückziehen. „Jack“, hauchte ich sanft und blickte ihn freundlich, liebevoll in die Augen. Gequält sah er mich an und leise fragte er: „Muss das heute sein?“ Ich überlegte, ja wir waren gerade zusammen gekommen, doch stand diese Geschichte einfach so offen im Raum und nicht nur diese. Auch, was ich während des Fluges hierher gesagt bekam, hatte ich nicht vergessen. Doch ich war mir sicher, dass diese Geschichten ineinander übergingen.

„Ja Jack“, meinte ich leise zu seiner gestellten Frage, „es muss heute sein… Erzähl mir von ihr.“ Ich betrachtete seine Regung im Gesicht und es sah aus, als ob er gerade jemand gänzlich anderen in mir sah. Vermutlich sie. Als ich ihn erneut auffordern wollte zusprechen begann er mit leiser aber äußert sanft klingender Stimme zu sprechen: „Sie war wundervoll. Ich war zehn als ich zu ihr kam und sie begann mich nach und nach auszubilden. Sie war alles für mich. Wir waren nicht einfach Lehrer und Schüler. Wir lebten jeden Tag zusammen. Sie kannte mich wie kein anderer Mensch zuvor. Sie war immer sehr streng gewesen, aber darin auch noch liebevoll“ Ich runzelte die Stirn und fragte leise: „Wie hieß sie eigentlich?“ Jack blickte zu mir und antwortete leise: „Susanne, aber so habe ich sie eigentlich nie wirklich genannt… Sie war mein Boss und das war auch ihr Codename. Alle haben sie so genannt. Sie war eben der Boss.“

„Wieso warst du so jung“, fragte ich leise, „Und wieso hat man dich ausgewählt?“

Schwer seufzend dachte Jack wohl über seine Antwort nach und erklärte murmelnd: „Vermutlich, weil sie mein Potenzial gesehen hatte. Ich war … immer etwas besser als andere in meinem Alter und hatte dazu als Kind eine gewisse Aggressivität. Ich wusste nicht wohin mit ihr. Sie schien von Anfang an zu wissen was ich fühlte. Eigentlich hat sie mir beigebracht, mit mir selber zurecht zu kommen.“ Er machte eine kurze Pause während er sprach und schien über seine Worte nachzudenken. „Ich habe nie mit einem Menschen mehr Zeit gemeinsam verbracht als mit ihr. Sie lehrte mich alles, alles was ich kann und was ich weiß. Nicht nur kämpfen, auch Philosophie und Ethik. Sie war eine Person, zu der ich immer aufgesehen habe.“

„Und dann habt ihr euch ineinander verliebt“, fragte ich vorsichtig und fragte mich gleichzeitig wie alt sie wohl gewesen war. „Es war keine normale Liebe… Es war etwas… anderes. Wenn ein Mensch, alles für dich ist, geht es tiefer.“ Es schmerzte diese Worte zu hören und ich wusste nicht, ob ich sie wirklich verstand, doch ich wollte mehr wissen, also nickte ich. „Es muss schrecklich gewesen sein, als du herausgefunden hast, dass sie eine Spionin war, oder“, fragte ich leise und äußerst bedacht. Doch Jacks schnaufen verwirrte mich und grimmig wurde sein Gesicht.

„Sie war keine Spionin… Sie war immer auf der Seite der Vereinigten Staaten“, meinte er leise, aber verbittert klang seine Stimme. Ich runzelte die Stirn und fragte einfach weiter, wollte endlich, dass dieses große Geheimnis nicht mehr zwischen uns stand. Doch ich brauchte ihn nicht auffordern weiter zu sprechen.

„…. Während eines Einsatzes wurden einige Langstreckenraketen mit Nuklearsprengkopf gestohlen und ein Irrer hat sie auf eine Fabrik abgefeuert, mitten in Russland. Kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn das an die Öffentlichkeit gelangt wäre?“ Perplex starrte ich ihn an und blinzelte einige Male verwirrt. „Davon hat man gar nichts gehört… von einer Atombombe“, murmelte ich, denn so etwas wäre durch die Medien gegangen!

Jack nickte und grinste freudlos. „Ich hab dir schon einmal gesagt, dass nur das wenigste in den Medien wirklich berichtet wird… Doch eigentlich begann alles ganz anders… Wir sollten einen Raketenwissenschaftler aus russischer Gefangenschaft befreien, der spezielle Waffe entwickelte. Ich sollte ihn raus holen und Boss wollte sich einschleusen und ihr Vertrauen gewinnen, um noch mehr Informationen zu bekommen. Außerdem ging es um einen Haufen Geld, dass die Amerikaner für sich haben wollten. Man sagte mir nicht, dass es ein Plan war und als Boss und ich uns gegenüberstanden, dachte ich, sie hätte uns verraten. Um das Vertrauen des russischen Kommandanten zu gewinnen hatte sie die Raketen bei sich… Doch dass er eine zündete und auf seine eigenen Landsleute feuerte, änderte einfach alles... Nun brauchte die Regierung einen Schuldigen. Die Wahl des Schuldigen fiel natürlich auf den amerikanischen Verräter. Das Verhältnis war wegen der Kuba Krise sowieso immer noch sehr unterkühlt. Boss ließ sich darauf ein um einen Krieg zu verhindern. Sie gab sich als Spion aus und lief offensichtlich über. In Russland war sie ein Monster, dass hunderte Unschuldige getötet hat und in Amerika war sie eine Verräterin…“ Ich lauschte Jacks Erzählung und konnte kaum glauben, dass sie real waren. Denn es klang wie aus einem Actionfilm. „Und du wusstest es die ganze Zeit nicht“, fragte ich leise, wagte kaum noch zu atmen. Verbittert schüttelte Jack den Kopf. „Keiner sagte mir etwas davon. Mein Auftrag lautete, den Wissenschaftler zu befreien und seine gebauten Konstruktionen zu zerstören…“

„Hast du das alles alleine geschafft“, fragte ich ehrfürchtig, klang es doch viel zu viel für eine Person. „Ich hatte Hilfe, zwei Kontaktleute. Adam und Eva, sie halfen mir auch wenn ich es bei Adam erst ganz zum Ende hin wusste… Ohne ihre Hilfe wäre ich nicht mehr am Leben.“

Ich schwieg und lauschte gebannt der Geschichte. Erst nach einigen Augenblicken fragte ich vorsichtig: „Und dann? Was ist dann geschehen?“

Jack schwieg und vorsichtig strich ich mit meiner Hand seine Seite entlang. Er zuckte und blickte mich emotionslos an. Als versuche er diese Gefühle von sich abzuspalten, doch es gelang ihm nicht. „Als die Raketen einschlugen, wurde die Mission unterbrochen und ich wurde abgeholt. Nachdem alle davon sprachen, dass Boss Schuld daran sei, wurde die Mission umgekrempelt. Ich hatte drei Tage Pause, dann wurde ich wieder im feindlichen Gebiet abgesetzt… Ohne Ausrüstung…“ Als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte erklärte er: „Wenn ich irgendwelche Ausrüstung verloren hätte, die auf Amerika zurückzuverfolgen sind, hätte die Regierung das nicht erklären können. Deswegen musste ich mir alles vor Ort besorgen.“ So wie er sprach klang es, als sei er in den nächsten Laden gegangen und habe sich dort für die Mission eingedeckt.

„Nach und nach hab ich mich dann durchgekämpft…bis zu diesem verrückten russischen Kommandanten, der mich leider geschnappt hat, als ich den Wissenschaftler raus bringen wollte. Er hat seinen Fluchtversuch nicht überlebt. Ich hab in der darauf folgenden Folter mein Auge verloren.“ Beendete er seine Erzählung. Sein Blick war an die Wand gerichtet, doch sah er durch sie hindurch. Als sei er wieder dort. Dort im Feindesland, dort wo er das Schlimmste in seinem Leben wohl erlebt hat. „ Eva hat mir geholfen zu fliehen. Zurück nach Hause konnte ich aber nicht, solange die Mission nicht abgeschlossen war. Mit Evas Hilfe ging ich wieder zurück...Ich bin mir nicht sicher, wie oft Boss mir geholfen hat. Als ich das zweite Mal in der Anlage war, war dort nur der Kommandant in einer Art Panzer. Wir hatten Glück. Das Ding war nie ganz fertig geworden und so hat er sich in dem Ding versehentlich selber gegrillt. Es gab einen Kurzschluss durch Überhitzung“. Jack fiel es scheinbar immer schwerer weiter zu sprechen je näher seine Geschichte zum Ende rückte.

Er sammelte sich einen Moment, bevor er weiter sprach.

„ …Wir hätten nach Hause gehen können. Doch ich musste mich um den vermeintlichen Verräter kümmern. Ich wusste genau, dass sie die USA nie verraten würde. Als ich sie fand wartete sie auf einer weißen Blumenwiese auf mich. Das Feld war fast kreisrund und passte überhaupt nicht zum Rest der Landschaft dort. Ich war nicht da, um zu Kämpfen. Ich wollte sie Überreden mit mir zu kommen. Die Regierung hatte den Plan beschlossen, also konnten diese Schlipsträger auch alles wieder richtig stellen. Aber sie wollte nicht. Sie sagte mir, dass sie einsehen musste, dass man selbst der Regierung nicht trauen kann. Die Freunde von heute können deine Feinde von morgen sein, hatte sie gesagt. Wir sind Soldaten und müssen uns den Gegebenheiten anpassen. Sie sagte mir, sie habe mich nicht großgezogen und zu dem Mann gemacht, der ich heute bin, damit wir jetzt gegeneinander kämpfen.“

Jack machte wieder eine Pause um sich zu sammeln. Während er all dies erzählte, sah er mich nicht an. Er war an diesem Ort, von dem er erzählte. Durchlebte jede Sekunde erneut. Erst nach einem Moment sprach er leise weiter: „ Alles hat sie für ihr Land gegeben. Und genau diese Leute ließen sie nun fallen, weil sie von ihrer Lüge nicht zurück treten wollten. Als sie mir von ihrem persönlich Leid erzählte, habe ich sie das erste Mal in meinem Leben weinen sehen. Was genau sie zum Weinen brachte, möchte ich nicht erzählen…“ Weiterhin lauschte ich seine Worte, so still, als habe selbst die Welt aufgehört sich zu drehen. Dass er mir nicht sagen wollte, was sie ihm sagte beeindruckte mich, wie viel Treue er ihr auch jetzt noch zollte.

Mit schwacher Stimme fing er erneut an zu berichten: „Dann bedankte sie sich. Sie bedankte sich dafür, dass ich zugehört hatte. Ich glaube, sie wollte etwas anderes sagen… Jedes einzelne ihrer Worte hat sich in meine Erinnerungen eingebrannt“. Was er mir als nächstes sagte, mussten ihre Worte sein. Ich bemerkte, dass Jack leicht anfing zu zittern als er weiter sprach. Sein ganzer Körper war angespannt: „Ich habe dich großgezogen, Ich habe dich geliebt, gab dir Waffen und Wissen. Es gibt nichts mehr, was ich dir noch geben könnte... Du bist ein wundervoller Mann, Jack… Sie hat gesagt sie habe noch nie jemanden mit so klaren Augen gesehen.“ Mit diesen Worten konnte Jack seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Erschüttert sah ich den Tränen nach, welche seine Wange benetzen. Ich wusste nicht, ob ich ihn anfassen durfte, sollte. Also ließ ich es bleiben.

Ich traute mich kaum zu fragen was dann passierte, doch Jack sprach ohne mein Nachfragen weiter.

„Sie griff mich an und wir…wir haben gekämpft. Ich weiß nicht mehr was passiert ist. Das nächste, was ich wieder weiß ist, dass sie am Boden lag und ich kniete neben ihr… ich habe sie erschossen. Ich habe die Frau umgebracht, die mir so viel bedeutet hat. Die mein Leben war. Sie sagte mir, sie wolle das ich es tue und nicht irgendjemand anderes. Ihre Hand lag die ganze Zeit auf meinem Knie.

Sie hat mir in die Augen gesehen, bis zum letzten Moment…“ Seine Stimme wurde brüchig und seine Atmung unruhig. Ich versuchte ihn zu beruhigen doch er wurde immer fahriger. Eine Panikattacke vielleicht? Schweiß trat auf seine Stirn und ich vermutete, dass dieser Eiskalt war. Ich nahm seine Hände, mit denen er sich immer wieder nervös durch die Haare fuhr. Das Zittern wurde stärker und so drückte ich ihn feste an mich, so fest, wie ich konnte. „Atme Jack…Atme ruhig… Ich bin da…du bist nicht allein“, sagte ich immer wieder und drückte seinen Kopf an meine Schulter. Ich spürte die Tränen, die mein T-Shirt benetzten und streichelte ihn einfach weiter, bis das Zittern nachließ. Wieviel Zeit verstrichen war, wusste ich nicht.

Ich blickte Jack traurig an, sah in seinem Gesicht die Trauer, die Wut und Verzweiflung. Ich strich ihm durch die Haare und als ich seine Wange streichelte suchte sein Auge das meinige. Wir blickten uns lange an, was er in meinen Augen genau sah, blieb sein Geheimnis. Ich dachte an seine Geschichte, die so traurig und unvorstellbar schien. Surreal hätte ich sie bezeichnet, würde dieser starke Krieger nicht gerade so nach Fassung ringen. Ich vermutete, dass er nie jemanden so sehr in sein Inneres hat schauen lassen, wie mich gerade. Eigentlich hätte ich stolz darauf sein sollen, doch das war ich nicht. Ich wollte ihn nicht weinen sehen, nicht weil er Schwäche zeigte oder es nicht zu ihm passte, sondern weil ich ihn liebte. Jemanden leiden zu sehen, der einem so viel bedeutet, schmerzte. Und auch, wenn es nur ein kleiner Teil dessen war, was Jack an Leid und Schmerz fühlte, glaubte ich zu verstehen.

Vorsichtig begann ich zu sprechen, was ich dachte und was mir in dem Moment selbst irgendwie Angst machte: „Irgendwie werde ich die Frau nie ersetzten können, oder?“ Traurig blickte Jack mich an, doch seine Worte, die mit einer fast nicht gekannten Sanftheit gesprochen wurden, verblüfften mich: „Jasper, das will ich gar nicht. Du und sie ihr seid nicht zu vergleichen. Ja, ich habe sie geliebt. Aber liebe ist nicht immer gleich. Du bist das Beste, was mir in der letzten Zeit passiert ist. Du hilfst mir, mehr als du ahnst. Ich versuche alles zu planen um für jede Eventualität gerüstet zu sein, doch dich habe ich nicht kommen sehen. Seit ich dich kenne, ist es nicht mehr so….“ Er beendete den Satz nicht. Ich vermutete, dass ihm diese emotionalen Worte schon überraschten. Ich konnte mir vorstellen, dass er nie jemanden solche Worte je mitgeteilt hatte.

Es war mir egal, mit welchem Wort er den Satz beenden wollte, einsam, traurig, düster, es konnte alles sein und alles wäre mir recht gewesen.

Ich drückte ihn liebevoll an mich. Ich war mir sicher, dass ich es schaffte es zu akzeptieren, dass er noch jemanden so sehr geliebt hatte, dass er an der Erinnerung festhielt. Wenn Susanne, oder Boss, diesen Menschen zu dem gemacht hat, was er heute ist, konnte ich ihr nur danken. Es war sein gutes Recht und seine Vergangenheit, seine Erinnerungen.

Jack liebte mich, ließ sich bei mir fallen. Teilte mir sogar seine Gefühle mit. Er traute sich vor mir zu weinen. Diese Tatsachen erfüllte mich mit Stolz und leise sagte ich: „Jack, es tut mir wirklich so sehr leid, dass du das tun musstest. So sehr, dass… kannst du dir nicht vorstellen. Ich hoffe wirklich, dass ich dir ein wenig helfen kann… na ja mit diesen Erinnerungen zu leben…“ Ein warmer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht und seine Hand strich über meine Wange, während er mich schweigend betrachtete. Er sagte nichts zu meiner Aussage und ich hätte mir gewünscht, seine Gedanken lesen zu können.

Spionagespiele

Ich löste den Blick, den Jack mit zuwarf und schaute durch das Fenster. Ohne, dass wir es wirklich mitbekommen hatten, war die Sonne untergegangen. Ich wusste nichts zu sagen, fühlte mich sogar ein wenig unsicher, hatte ich doch noch nie so eine Situation durchlebt. Ich streichelte Jacks Wange und spürte, wie er den Kopf reinlegte und diese sanfte Berührung genoss. Sein Auge war rot durch die Tränen und nie sah er erschöpfter aus, als in diesem Moment.

Zögerlich begann ich zu sprechen und meinte: „Vielleicht sollten wir…schlafen? Die letzte Nacht war ja ziemlich anstrengend… meinst du nicht? Du siehst auch sehr erschöpft aus.“ Langsam nickte Jack, grummelte etwas und schwang seine langen Beine aus dem Bett. Ich folge mit den Augen jeder seiner Bewegungen. Nackt ging er ins Badezimmer und nur wenige Momente später hörte ich den Wasserhahn laufen. Vermutlich wusch er sich sein Gesicht. Langsam setzte ich mich auf und strich mir durch die braunen Haare. Wie konnte man jetzt seine Laune steigern? Ging das überhaupt? Nein, schoss es mir durch den Kopf, sowas geht leider nicht immer. Und so schwiegen wir den restlichen Abend. Der Fernseher lief noch kurz, eher wir beschlossen, dass wir schlafen sollten. Während ich auf den Fernseher blickte verstand ich immer mehr, weswegen Jack die Medal of Honor ablehnte. Er hatte einst gesagt, er habe sie bekommen, weil man ihn verarscht hatte. Und wie ich es auch drehte und wendete musste ich ihm Recht geben. Die Regierung hatte die wichtigste Person in seinem Leben einfach zum Abschuss freigegeben und man hatte beschlossen, dass er es tun sollte. Wie es ihm dabei ging war irrelevant. Somit verstand ich immer mehr, weswegen Jack nicht wieder für Amerika kämpfen wollte. Weswegen es ihm sogar gleich war unehrenhaft aus der Army entlassen zu werden. Wenig später schalteten wir den Fernseher aus und versuchten zu schlafen.

Schnell fand ich in den Schlaf, war ich doch erschöpft von der Reise und dem Sex. Doch Bewegungen neben mir ließen mich langsam aus dem Schlaf zurückkehren. Ich schaltete das Nachtlicht neben dem Bett ein und blinzelte kurz, als ich in das Licht sah. Wie lange ich schon geschlafen hatte wusste ich nicht. Zögerlich stützte ich mich auf den Ellenbogen, blinzelte einige Male und betrachtete den unruhigen Körper neben mir. Immer wieder zuckte sein Körper zusammen, Jacks Kopf rollte von der einen, zur anderen Seite. Und sein Auge schien unruhig hin und her zurollen. Ein leises gequältes Stöhnen drang aus seinem Mund und seine Stirn war schweißnass. Ein Alptraum vermutlich.

Vorsichtig strich ich ihm Strähnen aus der Stirn. Als meine Finger ihn sanft berührten schoss er in die Höhe, als habe ich ihn geschlagen. Schwer atmend blickte er sich erschrocken um, als schien er jemanden zu suchen. Ich konnte mir denken wovon er geträumt hatte und auch, wen sein Auge gerade im Raum suchte, als er sich im Raum umblickte. Stoßweise ging seine Atmung, angespannt waren seine Schultern und erst, als sein Auge mich fand, ließ er langsam die Schultern sinken und seine Atmung beruhigte sich. Leise stöhnte er gequält auf, als sich Jack wieder ins Bett fallen ließ.

„Alptraum“, fragte ich leise in die aufkommende Stille hinein und zögerlich nickte Jack. Er strich sich mit beiden Händen durch die dunklen Haare und starrte an die Decke des Zimmers hinauf. Immer wieder erzitterte sein Körper und ich wagte nicht zu fragen, wovon genau Jack geträumt hatte.

Er lag neben mir im Bett und immer wieder merkte ich, wie sein Körper erbebte. Ich wollte ihm helfen und so drehte ich ihn langsam zur Seite. Zögerlich ließ Jack dies geschehen. Ich legte mich hinter diesen gerade so zerbrechlichen Körper. Meine Arme um ihn schlingend, zog ich ihn zu mir heran. Drückte seinen kräftigen Rücken an meine Brust. Ich wollte ihm zeigen, dass ich bei ihm war. Das ich ihm Halt geben konnte. „So häufig hast du keine Alpträume, oder“, fragte ich leise, fast flüsternd in sein Ohr und strich ihm durch die dunklen Haare. Ich spürte, wie er versuchte sich klein zu machen, in meinen Armen und leise, fast nicht verständlich nuschelte er: „Nicht, wenn du da bist…“

Zögerlich legte sich meine Stirn in Falten und während ich über seinen Arm streichelte, fragte ich: „Also hast du öfter Alpträume, außer ich schlafe bei dir?“ Zögerlich nickte Jack, doch wollte sich keine Freude in mir ausbreiten, als ich seine Worte vernahm.

„Dann sollte ich so oft es geht bei dir schlafen“, hauchte ich leise in sein Ohr und knabberte liebevoll an seinen Hals. Ich sah, wie Jack sein Auge schloss und beinahe entspannt den Kopf nach hinten fallen ließ. „Das brauchst du nicht, Kleiner… Du hast doch noch dein eigenes Leben.“, meinte er leise und ich spürte, wie er es genoss gerade in meinen Armen zu liegen. Vielleicht genoss er es auch, dass er gerade nicht stark sein musste, doch das wusste ich nicht genau. Und taktlos wäre es gewesen ihn danach zu fragen.

„Aber du gehörst dazu. Zu meinem Leben. Nicht erst seit heute…“, erwiderte ich freundlich und streichelte seine kräftige Brust und seinen Bauch. Jack grummelte etwas, was ich nicht verstand. Ich streichelte kurz durch seine Haare und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Vorsichtig fragte ich ihn leise: „Wie ist es, dass kleine Löffelchen zu sein?“ Als meine Hand wieder seine Brust streichelte spürte ich seine kräftigen rauen Finger meinen Arm entlang gehen. Ich merkte, wie ihm die Luft aus der Lunge entwich und er leise antwortete: „Gerade ganz gut, aber sonst…bin ich lieber das Große.“

Ich lachte leise, als ich seine Worte vernahm und drückte ihn lieb an mich. „Glaubst du, du kannst so schlafen, Jack“, fragte ich und küsste kurz seine bärtige Wange. Ich spürte, wie er mit den Schultern zuckte. „Dann bleibe ich einfach mit dir wach“, meinte ich sanft und tatsächlich schwang ein kleiner Hauch Fröhlichkeit in meiner Stimme mit.

Jacks Kopf drehte sich zu mir und skeptisch war sein Ausdruck, als er meinte, dass dies albern sei. Doch für mich war es das nicht. Also grinste ich ihn frech an und drückte ihn einfach stumm an mich. Während ich ihn sanft streichelte fragte ich mich, wie nah Susanne und er sich tatsächlich gekommen waren, doch fragte ich nicht danach.

Also flüsterte ich leise zu ihm: „Wenn ich Zuhause bin, bekomme ich sicher richtig Ärger…“ Zustimmend grummelte Jack und als er mich fragte, ob ich meine Eltern verstehen könne, bejahte ich. Das Mum vermutlich panisch meine Schwester angerufen hatte, ließ nichts Gutes erhoffen. Doch fragte ich mich langsam, ob sich meine Mutter meinetwegen sorgte, oder ob sie Sorge hatte, dass ich jemand anderen unser Familiengeheimnis anvertrauen könnte.

Wir schwiegen und die Zeit verstrich immer mehr und ich schaffte es kaum noch meine Augen offen zu halten. Als Jack dann noch begann, meine Arme zu streicheln, döste ich langsam immer tiefer ein, bis der Schlaf mich mit ihm zog.
 

Wie lange wir geschlafen hatten, wusste ich nicht, doch als Didi aufgeregt zu uns sprang und zwischen uns beiden hin und her sprang, seufzte ich genervt auf. Vermutlich musste der Hund dringend raus oder ihm war einfach nur langweilig. Aufgeregt hüpfte er zwischen uns hin und her und schien von jedem von uns Aufmerksamkeit haben zu wollen. Jack stöhnte tief und schlaftrunken auf und blickte mit müdem Auge zu dem Hund. Er sprang zwischen uns hindurch und sein Schwänzchen wedelte aufgeregt und traf mich im Gesicht. „Oh Didi“, meinte ich grinsend und rollte den Hund auf den Rücken, wobei dieser gleich anfing an meiner Hand herum zu kauen. Jack begann leise zu lachen, als er seinen Hund beobachtete und als auch er fing an den Hund zu ärgern, fing sein Auge an zu leuchten. Welche Wirkung Tiere auf Menschen haben können, verblüffte mich immer wieder. Hatte ich doch gestern noch Sorge verspürt, wie der nächste Tag verlaufen würde.

Doch der kleine graue Welpe blickte uns aus seinem Auge treu und fast schon fröhlich an. Aufgeregt wedelte sein Schwanz. Als Jack seine Hand erneut nach ihm ausstreckte, kaute Didi fröhlich darauf herum. Ich betrachtete die Beiden. Dieses eingespielte Team und ohne lange darüber nachzudenken griff ich nach meinem Handy und schoss Fotos von den Beiden. Erst nach einigen Momenten merkte es Jack und tatsächlich grinste er kurz in die Kamera. Dass er sich einst beschwerte, dass ich Fotos machte, lag für mich schon Jahre zurück.

„Vielleicht sollten wir gleich mal rausgehen“, meinte Jack und tatsächlich klang seine Stimme fröhlich. Als habe es gestern Nacht nicht gegeben. Er schwang seine Beine über die Bettkante und kläffend folgte ihm sein Hund. Ich grinste Jack an und nickte gut gelaunt. Wenn Didi unsere Zweisamkeit störte, war mir das nur recht. Und wenn er es so leicht schaffte, dass Jack ohne trübe Gedanken aufstand, liebte ich den Hund noch sehr viel mehr, als ich es ohnehin schon tat. Ich hörte, wie Jack sich anzog und grinste leicht als ich zu ihm sah und rote Kratzspuren auf seinen Rücken bemerkte.

Auch ich zog mich an und verschwand ins Badezimmer. Als ich nach einigen Augenblicken hinauskam, sah ich, wie Jack am Telefonieren war und nur wenige Momente später, nachdem ich das Zimmer betreten hatte, wieder auflegte. Anscheinend ohne sich zu verabschieden. „Ich hab´ Glück, wenn wir gleich rausgehen, kann ich meinen Kontaktmann treffen. Er konnte gestern noch hier eintreffen“, meinte er gut gelaunt und griff nach Didi, der immer noch fröhlich zu sein schien. Ich war verblüfft wie gut Jack die letzte Nacht weggesteckt hatte. Vermutlich verdrängte er die Gefühle, doch wie gesund oder ungesund sowas war, wusste ich nicht. Doch gerade, wollte ich ihn nicht wieder daran erinnern, noch darauf ansprechen. Dafür würde die Zeit kommen, dessen war ich mir sicher. Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich war hellwach, dass die Nacht nur kurz war interessierte mich nicht. Ich grinste Jack an und nickte leicht, hoffte ich doch nun, dass es „richtig“ losgehen würde. Auch das keine schlechten Gefühle unsere Zeit trübten. Ich zog ihn kurz zu mir und drückte meine Lippen feste auf die Seinen. „Ich lieb dich, Alter“, meinte ich frech grinsend zu ihm. Als ich mich abwandte spürte ich, wie seine kräftige Hand mein Gesäß berührte und fast schon schmerzhaft hinein kniff. „Und ich deinen Hintern, Kleiner“, meinte er keck und ich konnte nicht anders als zufrieden zu grinsen. Ich war froh, dass die Stimmung nicht mehr angespannt war und die Euphorie, die mich erfüllte, schwang in meinem frechen Kommentar mit, als ich meinte: „Ich würde den auch lieben!“

Als ich Jack kurz grinsen sah, war mir dieser vielleicht auch arrogant klingende Kommentar nur recht gewesen. Und als wir den Aufzug betraten spürte ich Jack an meinen Rücken. Seine Hand streichelte mein Gesäß und lüstern klang seine Stimme als er sagte: „Zu schade, dass du deinen Hintern nie haben wirst…“

Ich drehte mich um und stand nah bei ihm, sollte er meinen mich verbal ausgeknockt zu haben, hatte er sich getäuscht. „Ja, schade eigentlich. Deiner ist aber eine annehmbare Alternative, mit der es sich Leben lässt.“ Ich hörte Jack lachen und sah, wie er den Kopf schüttelte und sich an die Wand des Fahrstuhles lehnte. „So wie du klingst ist das keine Alternative“, so trocken seine Worte auch gesprochen waren, kannte ich ihn schon zu gut. Er war gerade in sehr guter Stimmung und so plapperte ich einfach weiter: „Wir wissen ja beide nicht, wie ich klingen würde, wenn der Hintern nicht nur eine Alternative wäre.“ Ich zwinkerte ihm frech zu. Kopfschüttelnd und tatsächlich grinsend schien Jack aufzugeben. Amüsiert betrachtete er mich und als wir unten im Erdgeschoss ankamen sagte er mit emotionsloser Stimme: „Du gehörst wirklich über´s Knie gelegt.“

Ich drehte mich ein letztes Mal zu ihm um und grinste breiter als zuvor, als ich sagte: „Dich hält keiner auf…“ Was Jack danach grummelte verstand ich nicht, doch hatte ich keine Lust viel nachzufragen. Also ging ich zügig durch den Eingangsbereich des Hotels hinaus in die warmen Sonnenstrahlen des Tages.

Während ich mich auf der Straße umsah fragte ich, ob wir noch vorher etwas Essen sollten. Zustimmend nickte Jack und wir gingen zum nächsten Diner.

Während des Essens war Jack vertieft in sein Handy und da ich wusste, dass er mit seinem Kontaktmann beschäftigt war, nahm ich es ihm nicht übel. So schrieb ich auch einige Nachrichten. Eigentlich nur mit Eric. Wundersamer Weise schrieb er direkt zurück. Er wollte wissen, ob ich wirklich krank sei und bevor ich mich entschloss zu antworteten, fragte ich Jack: „Kann ich Eric schreiben, dass ich mit dir unterwegs bin…“ Jack blickte von seinem Mobilfunkgerät auf und sah mich an. „Hm… Eigentlich nicht… Was willst du ihm denn erklären“, fragte er stirnrunzelnd und schien gerade wieder das Essen zu bemerken, welches vor ihm stand. Denn zügig nahm er mehrere Bissen zu sich.

Unschlüssig blickte ich von der Nachricht hinauf in Jacks Gesicht und meinte leise: „Vielleicht einfach die Wahrheit… Also nicht deine… Also was du hier machst. Sondern, was Zuhause abgeht…“ Schwer durchatmend meinte Jack: „Na gut. Aber wenn er fragt, weißt du nicht, was ich tue.“ Zustimmend nickte ich Jack zu und tippte meine Antwort in mein Handy.

Ich schrieb ihm, dass es derzeit Zuhause viele Probleme gebe und ich Abstand brauchte. Auch versprach ich ihm alles zu erzählen, wenn ich wieder da bin.

Schnell bekam ich eine Antwort von Eric, welche mich tatsächlich freute, obwohl er nur schrieb, dass alles klar geht und er sich freut, wenn ich endlich mit ihm sprechen würde. Eric als Freund zu haben war eine Wohltat für mich und schnell antwortete ich: „Es geht mir jedenfalls gut. Bin mit Jack unterwegs. Also meinem Nachbarn. Ach ja… ich bin kein Single mehr.“ Ich grinste breit und freute mich es ihm sagen zu können. Schließlich war ich stolz darauf, dass ich Jack meinen Freund nennen durfte. Das er mir sein Vertrauen schenkte. Vielleicht war das albern und vielleicht auch kindisch aber es war mir gleich. Und wie ich so gebannt und vielleicht auch dämlich grinsend auf Erics Antwort wartete meinte Jack: „So wie du gerade grinst, sieht es irgendwie bescheuert aus.“

Ich zuckte mit den Schultern als ich zu ihm aufblickte und grinste noch ein wenig breiter. Da er nicht nachfragte, was mich zum Grinsen brachte, musste ich es ihm ja auch nicht sagen. Als ich las, dass Eric sich sehr für mich freute, wünschte ich mir, dass ich eigentlich mit ihm reden könnte. Doch nun standen andere Angelegenheiten an. Wichtigere.

Als wir das Diner verließen schien Jack äußerst wachsam zu sein. Seine Körperhaltung ließ jedoch nicht darauf schließen. Entspannt schien er, mit mir und Didi durch die Stadt zu laufen, doch sein Auge flog wachsam durch die Menge. Auch ich betrachtete die Menschen. Einige Menschen waren auffälliger andere eher unscheinbar. Ich betrachtete einen Mann im Anzug, der geschäftig auf uns zulief und war fast schon enttäuscht, als er kommentarlos an uns vorbeiging.

Ich versuchte wenn Jack anhielt zu erspähen, welche Menschen wohl als Kontaktmann oder vielleicht auch Frau in Frage kamen. Jack hatte sein Handy herausgenommen und schien nach Nachrichten zu suchen. Wir gingen durch den Stadtpark, nachdem wir am Pentagon vorbeigelaufen waren. In der Ferne konnte man schon das Washington Monument ausmachen. Nur ein Fluss trennte die beiden Städte. Ich betrachtete das Pentagon und fragte Jack: „Warst du schon mal da drinnen?“ Er nickte und blickte ebenfalls das große weiße Gebäude an. „Aber auch nicht überall“, erklärte er bedächtig und zog an der Leine des Welpen. Als wir erneut durch den Stadtpark liefen, wurde es bereits Mittag. Es war ein warmer Sommertag und viele schienen ihre Mittagspause nach draußen verlegt zu haben. Als Didi anhielt, um an einem Busch zu schnüffeln, ließ ich meinen Blick erneut kreisen. Immer noch hielt Jack das Handy in den Händen, als eine leise kaum wahrnehmbare Stimme neben uns meinte: „Die Menschen an der Börse haben auch keine Ahnung mehr von ihrem Job.“ Ich blickte mich zu der Stimme um und sah einen Mann in Anzughose und hellblauem Hemd auf einer Bank sitzen, das Sakko neben sich liegend las er eine Zeitschrift. Wohl ein Wirtschaftsmagazin. Schwarze kurze Haare, von grau durchzogen, eine dicke Hornbrille auf der Nase und ziemlich blass aussehend blickte er vertieft in seine Zeitschrift.

Schnell wandte ich den Blick von ihm ab, wollte ich jetzt in dieser spannenden Situation keine unnötigen Gespräche anfangen, nur weil ein Typ vermutlich gerade Gesprächsbedarf hatte. Auch Jacks Auge fokussierten kurz den Fremden bevor er seinen Blick wieder abwandte. Dennoch überraschte es mich, als Jack dem Typen dennoch eine Antwort würdigte: „Frauen im Supermarkt können ihren Job häufig auch nicht.“ Verwirrt blickte ich zu Jack. Was war das denn für ein sinnfreier Kommentar? Der Fremde blickte überrascht von seiner Zeitschrift auf. Er schien verwundert, dass ihm wer zugehört hatte und nachdenklich nickte er Jack zu, betrachtete sein Gesicht, seine Narben sowie die schwarze lederne Augenklappe.

„Vielleicht hast du recht“, meinte er langsam, bedächtig legte er die Zeitung neben sich. Während er sich das Sakko anzog schaute ich mich erneut um, doch immer noch gingen Passanten an uns vorbei. Ich beobachtete eine Frau, die zielstrebig auf uns zuzulaufen schien, doch schon im nächsten Moment abbog. Jack trat neben mich und wir gingen weiter. Erst nach einigen Augenblicken merkte ich, dass er die Zeitschrift des Mannes in den Händen hielt.

„Was ist das denn“, fragte ich und deutete auf die Zeitung. Jack blickte mich spöttisch an und meinte: „Du wärst echt ein scheiß Spion…“

„Warum“, fragte ich verwirrt und sah in sein Gesicht. Ein amüsierter Ausdruck erschien und er hielt mir die Zeitschrift vor die Nase. „Kontaktmänner geben sich nur mit Passwörtern oder Sätzen zu erkennen. Sowas wie „Die Menschen an der Börse haben keine Ahnung mehr von ihrem Job“. Das war das Passwort. Hast du sowas wie James Bond erwartet?“ Verwirrt sah ich zu Jack und starrte ihn an. Dieser komische Kauz war der Kontaktmann gewesen? Der aussah wie Anfang fünfzig? „Wusstest du, dass er das sagen würde“, fragte ich überrascht und Jack nickte leicht. „Woher soll ich das den wissen, dass ich auf so etwas achten muss“, warf ich frustriert ein. Gelassen ging Jack weiter und sprach leise zu mir: „Du hast nicht nachgefragt, dass gehört zum Job immer so viel es geht herauszufinden bevor was passiert. Zudem hättest du auch darauf kommen können ohne den Satz zu kennen. Das Bild auf der Zeitung und der Titel passen nicht zusammen. Außerdem ist das Datum falsch.“ Er reichte mir die Zeitschrift und ich sah ein Bild aus dem Vietnamkrieg. Ein nacktes schreiendes Kind, welches von einer Napalmbombe betroffen wurde. Dieses Bild aufgenommen während des Vietnamkrieges kannte so gut wieder jeder. Der Titel zu diesem Bild lautete: „Die Kindersterblichkeit in den USA nahm in den letzten Jahren zu.“ Auf das Datum blickend stellte ich fest, dass es ein Datum zeigte, welches fünf Jahre in der Zukunft lag.

Frustriert blickte ich hinauf auf die Zeitschrift in meiner Hand und reichte sie kommentarlos an Jack weiter. „Mach dir nichts draus, Kleiner“, meinte Jack freundlich klingend, „das geht jedem so. Meinen ersten Kontaktmann habe ich auch nicht erkannt… Man, gab das Ärger!“ Er lachte und kratzte sich am Kopf, während er wohl darüber nachdachte, was damals geschehen war.

„Weil du das Passwort nicht wusstest“, fragte ich und grinste ihn tatsächlich leicht an. Amüsiert schüttelte Jack den Kopf und erklärte: „Das wusste ich, aber ich habe mit einem KontaktMANN gerechnet. Die Frau hab ich links liegen gelassen.“ Ich lachte leise, war es doch irgendwie schön zu hören, dass ihm nicht alles vom Anfang an in die Wiege gelegt worden war. Ich strich mir durch die Haare und betrachtete die Zeitschrift, als ich fragte: „Steht da jetzt alles drinnen was du brauchst?“ Zögernd betrachtete Jack die Zeitschrift und nickte wage.

„Es ist wie ein Puzzle“, erklärte er mir ruhig, „du versucht das wichtigste herauszufiltern und es richtig zusammen zu setzten.“ Verstehend nickte ich und gähnte. Nun, wo die Aufregung verflogen war, kam die Müdigkeit mit einem Schlag zurück. Zwei Nächte kurzen und unruhigen Schlaf konnte ich nicht einfach so wegstecken. Ich gähnte leicht und fragte Jack: „Können wir morgen endlich mal richtig ausschlafen?“ Jack der zu mir geblickt hatte nickt leicht und gemeinsam gingen wir in Richtung Hotel, vermutlich wollte er keine Zeit verschwenden. Denn ohne noch irgendwo anzuhalten gingen wir zurück.

Als wir an der Rezeption standen um nach unseren Schlüsseln zu fragen bemerkte ich, wie eine junge Frau von Didi zu mir blickte. Ihre langen blonden Haare gingen ihr bis zur Mitte ihres Rückens. Sie hatte ein hübsches Äußeres und lächelte mich leicht an. Sie fing an, an ihren Haaren zu spielen und drehte mir leicht den Rücken zu. Ich sah hinab zu Didi, welcher brav neben mir saß und eigentlich nichts machte. Erneut blickte sie zu mir und unsere Blicke trafen sich. Sie lächelte erneut leicht und eine leichte Röte schoss ihr in die Wange, als ich kurz zurücklächelte. Was hatte sie denn, fragte ich mich verwirrt und kraulte kurz den Welpen hinterm Ohr.

Jack trat neben mich, stupste mich an und nickte zum Fahrstuhl. Verwirrt sah ich zu ihm und sagte: „Ich glaub die junge Frau dahinten flirtet mit mir.“ Jack wandte sich um, just in dem Moment wo die blonde junge Frau erneut zu uns blickte. Ihre Augen weiteten sich kurz, als fühle sie sich ertappt und eine Freundin anstupsend fing sie aufgeregt an zu flüstern. Was war daran denn jetzt so schlimm, fragte ich mich verwirrt und stellte fest, dass ich die meisten Frauen wohl nie verstand. Jacks Auge wanderte einmal an ihr hinab und hinauf. Anerkennend nickte er und grinste mich leicht an, eher er meinte: „Die sieht heiß aus. Zwar etwas kleine Brüste, aber dafür ein hübsches Gesicht.“ Schockiert blickte ich ihn an, als er erneut die Frau musterte, doch dann fiel es mir ein...er war nicht schwul… Irgendwie vergaß man es schnell fand ich, obwohl ich erst gestern gehört hatte, wie tief seine Gefühle für Susanne waren.

„Hör auf die so anzustarren“, meinte ich grimmig und drückte genervt auf den Knopf des Fahrstuhles. Jack betrachtete die Frauen noch einen kurzen Moment und grinste dann kopfschüttelnd. „Die starren doch auch. Die sind beide heiß… Auch wenn die eine braune Haare hat…wenigstens eine große Oberweite, da muss man abwiegen, was einem lieber ist…“, meinte er leise und betrachtete die Frauen gierig, fast wie ein Stück Fleisch. Ich schlug ihm feste gegen die Brust. „Du bist mit mir zusammen, seit nicht mal einem Tag. Jetzt hör auf irgendwelchen Weibern nachzuschauen, verdammt“, raunte ich ihm fast schon böse zu. Zu mir blickend grinste Jack und raunte: „Ja ja… ich weiß. Aber schauen darf ich doch. Kannst dir ja auch andere Männer anschauen.“

Böse funkelte ich ihn an und ging in den Fahrstuhl. Die Frauen, die uns nachsahen, ignorierte ich. „Ja, vielleicht sollte ich das mal machen… Mal schauen, wie toll du das fändest!“ Jack zuckte mit den Schultern und als die Tür sich schloss, zog er mich leicht zu sich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auch so eifersüchtig werden kann“, raunte er mir ins Ohr und biss fest hinein. Ich entspannte mich in seinen Armen und lehnte mich an seine breite Brust. Viel zu schnell hörte ich das Pling des Aufzuges und die Tür öffnete sich. Erneut nahm ich seine Hand und stellte fest, dass die Scheu dies zu tun, von mal zu mal immer weniger wurde.

Als wir unser Zimmer betraten stellte ich fest, dass die Putzfrau bereits das Bett gemacht und herumliegende Utensilien weggeräumt hatte. Als sich Jack auf den Sessel setzte und begann die Zeitschrift zu studieren, war ich unschlüssig. Fernsehen würde ihn sicher nur ablenken. Also entschloss ich mich, mit meinem Handy zu spielen. Immer wieder notierte er sich etwas heraus und neugierig schaute ich ihm zu. Auf einmal wandte sich Jack zu mir um und fragte mich: „Willst du schauen, ob du was rausfinden kannst?“ Überrascht weiteten sich meine Augen, hätte ich nicht erwartet, dass er mir sowas zutrauen würde. Doch ich wollte ihm zeigen, dass ich mehr konnte, als er glaubte! Ja ich hatte den Kontaktmann übersehen, aber vielleicht konnte ich was rausfinden, was er noch nicht wusste. Also nahm ich ihm die Zeitschrift ab und fing aufgeregt an zu blättern.

Es las sich wie eine gewöhnliche Zeitschrift. Abgesehen davon, dass manche Artikel nicht viel Sinn ergaben. Jack hatte sich entschieden zu Duschen und ich kuschelte mich auf das Bett und streichelte den Hund neben mir. Ich betrachtete das Bild einer leicht bekleideten Frau und meine Gedanken schweiften ab. Fand ich denn wirklich gar nichts an ihr attraktiv, fragte ich mich in Gedanken und seufzte leicht. Die Frau war hübsch anzuschauen, doch fesselte nichts meinen Blick so sehr, dass ich mich kaum hätte davon lösen können.

Frustriert blickte ich auf den Untertitel und sah verwirrt auf den Schriftzug. „Das Model Rave Viper hatte bis zum jetzigen Zeitpunkt kaum Erfahrungen…“

Rave Viper… das war doch kein Modelname. Ich merkte, wie sich meine Sinne schärften und ich setzte mich auf. Ich überflog den Text neben dem Model und meine Augen weiteten sich. Eine Adresse einer Modelagentur? Gehörte sowas denn in einen Artikel? Ohne wirklich Werbung dafür zu machen? War das vielleicht ein versteckter Hinweis? Ich hörte, wie die Dusche abgestellt wurde und wenige Augenblicke später trat Jack aus dem Badezimmer heraus. „Jack“, meinte ich aufgeregt zu ihm, „ich glaube, ich hab einen Hinweis! Hier schau mal. Das Bild, da steht der Name drunter Rave Viper, das ist kein Modelname. Auch steht in dem Artikel daneben die Adresse einer Modelagentur…“ Ich reichte ihm gespannt die Zeitung und Jack setzte sich langsam auf das Bett. Auch er las den Artikel, doch aufmerksamer wie ich. Dann sah er zu mir und lächelte mich leicht an und nickte anerkennend. „Gut gemacht“, waren seine stolz klingenden Worte und er nickte immer noch leicht. Er schien ziemlich zufrieden und ich hätte stolzer nicht sein können.

Der Schein trügt

Aufgeregt saß ich auf dem Bett und stöberte gebannt durch die Zeitschrift. Dass ich Jack so stolz gemacht hatte, freute mich und ich hoffte noch weitere Informationen herausfiltern zu können. Doch hatte ich wenig Erfolg.

Ich blickte von der Zeitschrift hinauf zu Jack und fragte vorsichtig: „Bist du wirklich kein Geheimagent? Das was wir hier machen erinnert mehr daran, als an irgendwas anderes…“ Belustigt über meine Frage sah Jack zu mir und schien amüsiert den Kopf zu schütteln. „Klar, Kleiner… Denkst du wirklich ich nehme dich auf eine Black Op mit? Am besten noch in den mittleren Osten…“, meinte er grinsend und ich zuckte unwissend mit den Schultern. Mit der Zeitschrift winkend fragte ich: „Ist das hier nicht sowas wie eine verdeckte Mission?“ Die Lippen schürzend sah Jack von der Zeitschrift zu mir und schien lange nach einer passenden Antwort zu überlegen. Dies bedeutete zumeist, dass nicht alles von dem, was er sagte der Wahrheit entsprach. „Sagen wir so… Es ist nicht zwangsläufig so geheim… Es sollten nur nicht die falschen Leute davon hören.“ Unwissend nickte ich, verstand ich doch nicht genau was er meinte. „Sag mal… Was genau meinst du eigentlich immer damit…“ Jack seufzte schwer als er meine Frage hörte und setzte sich wachsam schauend zu mir.

„Ich habe dir schon einmal erklärt, dass es nicht wirklich legal ist, eine Söldnergruppe aufzubauen. Ich will nie wieder für die Fehler anderer büßen! Wenn ich mich dazu entscheide irgendwo was zu tun und es stellt sich als falsch raus, sollen es meine Fehler gewesen sein.“ Bitter klangen seine Worte, doch verstand ich sie immer besser und so nickte ich leicht. Ich strich mir durch die dunklen Haare und bat ihn vorsichtig: „Würdest du mir jetzt mehr von deinen Plänen erzählen… Ich meine, hey, wem kannst du vertrauen, wenn nicht mir?“ Ich grinste ihn spitzbübisch an, wich seinem intensiven durchdringenden Blick nicht aus.

„Da gibt es schon einige“, entgegnete Jack grinsend, doch schien mein Blick seine Zunge wenigstens ein wenig zu lösen: „Ich versuche gerade Leute anzuwerben. Dieser Rave Viper zum Beispiel, den will ich haben.“ Verstehend nickte ich, kannte ich sowas ähnliches doch auch vom Sport, das einige Vereine sich die Besten versuchten heraus zu picken. „Was kannst du denn bieten“, fragte ich zögernd.

Jacks Blick wanderte zu mir, als schien er kurz mit sich zu ringen, doch dann erklärte er: „Ich hatte dir erzählt, dass es bei meinem letzten Einsatz auch um einen Haufen Kohle ging… Nun, sagen wir so… Die USA hat das Geld nie erhalten und Russland auch nicht… Außerdem gibt es nach dem letzten Einsatz viele, die in mir so eine Art Held sehen. Das kann ich für mich nutzen“ Augenaufreißend starrte ich Jack geschockt an und konnte die Frage nicht zurückhalten: „Wie viel?“ Doch Jack schüttelte den Kopf. „Nicht so wichtig“, winkte er ab und auch, als ich noch einmal nachfragte weigerte er sich mir zu antworten.

Nur schwer konnte ich es akzeptieren und meinte stattdessen: „Also bietest du denen Geld… Und was noch?“

„Wissen“, war sein schlichter Kommentar und ich verstand zunächst nicht was er meinte und als Jack meinen fragenden Gesichtsausdruck sah, ergänzte er: „Wissen über die Einsätze. Worum dieser handelt… Nenn es Akteneinsicht. Demzufolge können sie entscheiden, ob sie kämpfen wollen oder nicht. Ich will, einfach gesagt, ein neues Konzept in der Army.“ Verstehend nickte ich und nachdem, was mir Jack anvertraut hatte, schien dieses Angebot wirklich nicht schlecht zu sein. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, wie er das umsetzen wollte. „Dann bin ich ja auf morgen mal gespannt“, meinte ich nach einem Moment der Stille. Ernst nickte Jack, stand auf und schien wieder mit seinem Handy beschäftigt zu sein. Ich widmete mich wieder der Zeitschrift.

Bei einem Text war ich sicher, dass er noch Informationen enthielt. Er handelte um einen Bericht über deutsche Sturmgewehre, welche nicht richtig funktionierten. Doch als ich Jack fragte, was es denn zu bedeuten hatte, dass die deutsche Armee Gewehre hat, mit denen man nicht gut schießen kann, schmunzelte er amüsiert und erklärte: „Weil die zu doof waren, sich gute zu holen. Das ist wahr! Die haben echt für so einen Schrott einen Haufen Kohle hingelegt… Aber ist ja nicht meine Sache.“ Verwirrt blinzelte ich und schaute erneut zu dem Text und fragte fast schon enttäuscht: „Also ist das kein Hinweis für irgendwas?“

Breit grinsend schüttelte Jack den Kopf und verneinte. Frustriert legte ich die Zeitschrift beiseite und blickte ihn an. „Das waren zwar Informationen, für mich aber nur zur Belustigung… nichts Wichtiges, Kleiner. Sowas ist halt nur wirklich amüsant… Irgendwann kommt das in Deutschland auch raus und dann meckern die ganzen Schlipsträger wieder.“ Ich nickte und grinste leicht, als ich Jack lauschte. Es war lustig zu hören, wie er einige Gegebenheiten sah und benannte, war er doch sonst so zurückhaltend was seine eigene Meinung anbelangte.

Ich streckte mich und ließ mich auf das Bett fallen, während ich meinte: „Du magst Menschen die was zu sagen haben auch nicht, oder?“ Grinsend betrachtete mich Jack und setzte sich zu mir und meinte: „Nein, eigentlich nicht… Nimm das Beispiel… Ich hab keine Ahnung was da bei den Deutschen passiert ist, aber irgendwann wird ein Soldat gemerkt haben, dass dieses Gewehr nicht richtig schießt… und trotzdem haben sie wohl noch mehr gekauft… Weil die Schlipsträger einfach nicht zu Fehlern stehen können.“ Zustimmend nickte ich und berichtete Jack von meinem Biologielehrer, welchen ich nicht wirklich mochte. Wir redeten über viele Themen und irgendwann landeten wir bei dem kommenden Schülerball. Das ich genervt von dem Thema war und das viele meiner Schulkollegen kaum noch über andere Themen sprachen. „…Dabei könnte man über so viel mehr reden. Zum Beispiel Baseball! Nur noch drei Spiele! Und sogar Talentsucher! Du musst unbedingt beim nächsten Spiel dabei sein, dann lernst du auch mal Eric kennen“, plapperte ich munter weiter. Leicht nickend sah Jack mich an und meinte: „Na gut! Können wir mal machen. Der ist auch siebzehn, oder“, fragte er mich und lehnte sich entspannt mit Didi auf dem Schoß zurück.

Ich nickte und holte mein Handy aus der Tasche. Ich suchte ein Bild heraus und zeigte es Jack. „Der sieht wenigstens so aus, als wäre er siebzehn“, grinste Jack, während er sprach und betrachtete das Bild von Eric genauer.

„Süß“, kommentierte er und reichte mir mein Handy wieder. „So süß ist der auch nicht“, erwiderte ich schmunzelnd und betrachtete das Bild, welches Eric beim Baseball zeigte. Ja, ich fand, dass mein bester Freund nicht schlecht aussah, doch irgendwie… war er mir vielleicht tatsächlich etwas zu jung. Vielleicht stand ich mehr auch erwachsene Männer. Doch genauer dachte ich über dieses Thema nicht nach, denn ich hatte schließlich Jack.
 

Am Abend überredete mich Jack mit ihm joggen zu gehen und während wir liefen und Didi neben uns her rannte, blickte ich leicht grinsend auf den Hintern des Mannes vor mir. Doch lange konnte ich mich nicht konzentrieren, denn die Anstrengung zerrte an meiner Kondition. Schwer atmend versuchte ich das Tempo, welches Jack vorgab, mitzuhalten. Als er einige Meter vor mir war, versuchte ich nach ihm zu rufen, was kläglich klang: „Bitte halt an… Ich brauch ne Pause.“ Ich drückte meine Hände in die Seite und versuchte das unangenehme Stechen weg zu atmen. Warum nur musste er so viel sportlicher sein wie ich? Auch Jack blieb stehen und drehte sich zu mir um. Er betrachtete mein rotes Gesicht und schmunzelte belustigt. „Wenn du jammern kannst, bist du nicht fertig“, kommentierte er und deutete an, dass ich ihm folgen sollte. Sprachlos starrte ich ihn an, als er einfach weiter lief!

Fast schon entrüstet lief ich ihm nach und meckerte noch einige Sekunden, bis mir die Luft ausging. Wieso machte er denn nun so einen Scheiß? Ich war nicht sein Rekrut, also musste er sowas nicht abziehen! Wütend blickte ich auf seinen Rücken und während meine Lunge brannte vielen mir immer mehr Sachen ein, welche ich ihm an den Kopf werfen wollte! Anscheinend kannte Jack nur wenig erbarmen, denn nur einmal ließ er mich eine Pause machen und als wir vor dem Hotel standen konnte ich nicht mehr sprechen. Mein Gesicht war sicherlich rot und mein Pony klebte an meiner Stirn. Amüsiert betrachtete mich Jack und meinte trocken: „Jetzt brauchst du eine Pause…“ Er klopfte mir kräftig auf die Schulter und meinte noch, dass ich gut durchgehalten habe. Dieses Kompliment konnte mich nur bedingt erfreuen, schmerzte meine Lunge bei jedem Atemzug. Am liebsten hätte ich ihm etwas dämliches an den Kopf geworfen, doch ich wollte nur noch duschen und schlafen! Woher nahm dieser Mann nur seine ganze Energie?

Und tatsächlich war ich nach dem Duschen gleich ins Bett gegangen und konnte endlich schlafen. Mein Handy hatte ich ausgestellt und am nächsten Morgen stellte ich fest, dass ich verpasste Anrufe von meiner Mutter sowie meinen Vater hatte. Ich wollte nicht zurückrufen und so packte ich das Handy wieder in meine Hosentasche. Wann Jack ins Bett gegangen und wann er aufgestanden war, konnte ich tatsächlich nicht sagen, so sehr brauchte mein Körper die Erholung.

Er schien in Gedanken zu sein und als er nachdenklich aus dem Fenster sah, fragte ich vorsichtig zu ihm: „Was ist los?“ Er wandte sich zu mir und betrachtete mich nachdenklich. Nach einigen Momenten der Stille zwischen uns antwortete er: „Ich bin am überlegen, ob es sinnvoll ist dich wirklich mitzunehmen. Je mehr dich sehen, desto gefährlicher…“Ernst waren seine Worte und vermutlich auch wahr, doch wollte ich es nicht einsehen!

Die Arme vor der Brust verschränkend entgegnete ich: „Ich werde hier nicht einfach warten. Vergiss es!“ Unsere Blicke begegneten sich und er sah mich emotionslos an, ich wusste, dass er sehr stur sein konnte. „Wenn ich dir sage, dass du hier bleiben sollst, wirst du das machen.“

Frech flackerten meine Augen zu seinem, als ich ihn angrinste und leicht belustigt zu ihm sagte: „Das war nie eine Bedingung von dir um hier mitzugehen. Ich sollte niemandem deinen Namen verraten und auch so mit niemanden darüber sprechen. Also!“

Die Züge um Jacks Mund verhärteten sich und das Auge zusammen kneifend blickte er mich kurz böse an. Doch als er seinen Blick abwandte wusste ich, dass ich gewonnen hatte. Wenn er deswegen fünf Minuten sauer war, war es mir egal. Ich hatte nie etwas gefährliches in seiner Gegenwart mitbekommen, also verspürte ich auch keine Angst! Schweigend machten wir uns fertig und ich leinte Didi an.

Erneut kehrten wir in das Diner ein, in welches wir Tags zuvor gegessen hatten. Nur wenige Menschen aßen, war doch ein gewöhnlicher Wochentag und die meisten waren arbeiten. Zögernd fragte ich nach einem Moment: „Glaubst du, du schaffst es ihn davon zu überzeugen, dich zu unterstützten?“ Jack nahm noch einen großen Bissen seines Rühreis, ehe er mir begann zu antworten: „Keine Ahnung, wenn nicht, muss ich mir was überlegen… Er ist gut in dem was er tut.“ Wage nickte ich und fragte: „Was kann er denn eigentlich gut?“ Sich umschauend beugte sich Jack zu mir, bevor er antwortete: „Er ist Spion und auch Sanitäter, so jemanden kann man immer gebrauchen.“ Ich nickte und dachte an Adam und fragte ihn nach einem Moment in dem jeder sein Frühstück gegessen hatte: „Ist Adam auch auf deiner Seite… Also will der bei dieser Söldnergeschichte mitmachen?“

Jack biss von seinem Brötchen ab und nickte nur und spülte das Essen mit Kaffee herunter.

„Was machen wir sonst noch“, fragte ich und dachte daran, dass wir ja schon in zwei Tagen bei Jenny sein wollten. „Der andere kommt leider nicht, der will sich nicht mit mir treffen und wir treffen einen anderen Freund…“ Ich nickte und blickte zu den Pfannkuchen runter, die auf meinem Teller lagen und fragte: „Ist das dieser Miller, mit dem du ab und zu telefonierst?“ Bestätigend nickte Jack, sprach jedoch nicht weiter. Erst nach einem Moment meinte er, dass die Musik, welche hier gespielt wurde schrecklich sei. Ich wusste er lenkte ab, doch verstand ich, dass er nicht alles in einem öffentlichen Diner besprechen wollte.

Nachdem wir fertig waren und Jack bezahlt hatte machten wir uns auf den Weg zu der genannten Adresse. Unser Weg führte uns hinaus aus der Stadt hinein in ein Neubaugebiet, welches gerade entstand.

„Weißt du wie der aussieht“, fragte ich und schaute mich nach anderen Menschen um, waren doch einige Handwerker unterwegs. „hab ihn einmal kurz gesehen “, meinte er ernst und blickte sich aufmerksam um. Wir gingen hinein in ein Gebäude und vernahmen mehrere Stimmen, doch klangen diese nicht nach Handwerkern. Ich wurde still und beobachtete was Jack tat.

Stirnrunzelnd blickte er in die Richtung und ging auf die Stimmen zu, vorsichtig und bedacht waren seine Schritte. Als wir tiefer in das unfertiges Haus gingen sahen wir mehrere Jugendliche. Jungen und Mädchen in meinem Alter, die lachten und sich gegenseitig, wie es aussah, mit kleinen Steinchen bewarfen. Als sie uns sahen bauten sie sich auf und standen nebeneinander. Einige schienen tatsächlich mit ihren Fäusten zu spielen, doch als Jack näher trat weiteten sich die Augen der Jugendlichen.

„Seit ihr irgendwelche Streetworker“, fragte einer und blickte fast schon zornig in unsere Gesichter.

Er sah aus wie man Punk. Ein bunt gefärbter Irokesen Haarschnitt, eine zerschlissene Lederjacke und dazu eine enge Hose mit Schottenkaro. Jack schnaubte und blickte sie emotionslos an, als er mit tödlicher Stimme fragte: „Sehe ich etwa aus wie ein Sozi?“ Die Jugendlichen musterten Jack und einige zuckten unschlüssig mit ihren Schultern, wirkten verunsichert, fast hätte ich gesagt eingeschüchtert. „Ist hier noch jemand“, fragte Jack die Bande und blickte jedem kurz intensiv in die Augen. Unschlüssig nickten einige und deuteten nach hinten. „Da ist ein Penner…“, sagte ein junges Mädchen mit etwas quietschender Stimme mit ebenso bunten Haaren wie der junge Mann und eben solchen Klamotten. Jack nickte ihnen ernst zu und ging kommentarlos an ihnen vorbei, in die Richtung, in welche sie gedeutet hatten.

Schnell packten die Jugendlichen die Sachen zusammen. Einige murmelten etwas und einer der Jugendlichen meinte: „Lass abhauen, die killen den sicher!“ Ich sah ihnen einen kurzen Augenblick nach, als ich mich an Jacks Fersen heftete. Wir gingen weiter hinein in das halb fertige Haus und nach einem kurzen Moment sah ich am Ende einer Wand eine Person zusammengekauert sitzen.

Er sah aus wie ein Obdachloser. Viele seiner Habseligkeiten lagen neben ihm. Er saß auf einer Decke. Ungewaschen sah er aus, als wir näher kamen. Ein dichter Bart wuchs ihm am Kinn und zerzaustes, ungewaschenes dunkles Haar hing ihm ins Gesicht. Seine Kleidung war zerschlissen und löchrig, oder an einigen Stellen grob zusammengeflickt. Er wirkte angetrunken als wir uns ihm näherten und einige Flaschen lagen neben ihm.

Angewidert verzog ich die Lippen, um so jemanden machte ich für gewöhnlich einen großen Bogen. Auch war ich mir ziemlich sicher, dass wir tatsächlich einem Obdachlosen gegenüberstanden und keinem Agenten oder gar einem Sanitäter. Doch weiterhin ging Jack zielsicher auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Zu ihm hinab blickend meinte er trocken: „So beschissen hab ich dich auch noch nie gesehen, Rave…“

Mit glasigen Augen blickte er zu uns auf und versuchte sich aufzusetzen. Vermutlich war es der richtige, sonst hätte Jack ihn nicht angesprochen, aber ganz eindeutig war er abgerutscht…

Mitleid durchflutete mich, sowas hätte vielleicht auch Jack passieren können. Doch nachdem sich der Mann aufgerichtet hatte und sich durchs Gesicht strich, wurde sein Blick klare und auch seine Haltung änderte sich. Er stand ohne zu wackeln auf, keine Spur mehr vom Alkohol war zu erkennen außer dem Geruch. Auch sein Blick wirkte wachsam und klar.

„Beschissen ist kein Ausdruck Snake“, raunte er frustriert und verdrehte die Augen, „soll einen beschissenen Drogenbaron entlarven und versuch nun an Informationen zu kommen…der treibt sich hier wohl ständig rum.“

Auch Jack verzog das Gesicht und meinte: „Und dann fängst du ganz unten an?“ Rave zuckte mit den Schultern und erklärte hastig: „Sollte eigentlich schnell gehen, wollte die Kontaktmänner ausfindig machen, aber die halten sich bedeckt. Der weiß, dass jemand gefragt hat… Deswegen soll ich das etwas länger spielen, bis man mir vertraut. Ich sag ja, einfach beschissen…“

Jack blickte sich um und nickte leicht nachdenklich, doch dann haftete sein Blick auf Rave und ernst sahen sich die beiden Männer an. „Was willst du, Snake. Weswegen suchst du mich“, fragte er ernst und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war einer der wenigen Menschen, die nicht mit Ehrfurcht oder gar Hochachtung zu ihm blickten. Professionell war sein Blick mit dem er Jack betrachtete und auch wenn sein Äußeres gerade dagegen sprach wirkte er so selbstbewusst, dass es kaum noch auffiel, dass er aussah wie ein Obdachloser.

„Dir ein Angebot machen“, meinte Jack und auch seine Stimme klang professionell, neutral. Interessiert sah Rave zu Jack und er nickte als Zeichen, dass er bereit war sich das Angebot anzuhören. „Arbeite für mich“, meinte Jack mit tödlich ernster und ruhiger Stimme.

Interessiert betrachtete Rave Jack und ging etwas herum und sein Blick wanderte von Jack zu mir. Er musterte mich und ich versuchte mein Gesicht neutral und emotionslos aussehen zu lassen wie Jack. „Ist das dein neuer Rekrut? Jazz oder so“, fragte er und überrascht weiteten sich meine Augen. Er grinste mich leicht an und nickte. „Nichts bleibt geheim. Augen und Ohren muss man immer offen haben, merk dir das Junge… Aber ich mag Jazz ja nicht gerne… steh mehr auf Soul und so.“

„Lass ihn hören, was er will“, raunte Jack noch bevor ich den Mund öffnen könnte. Ich verstand schnell, er hielt Jazz für einen Codenamen und Jack wollte nicht, dass ich ihm meinen richtigen nannte. Vermutlich war dies besser so. Also grinste ich kurz und schwieg. Ließ die Beiden unter sich sprechen. Ich konnte eh nicht viel dazu beitragen. Jack erklärte ihm sein Vorhaben und übergab ihm einen kleinen USB-Stick. Er meinte darauf seien noch weitere Einzelheiten.

Raves Augen flackerten zu Jack und er nickte. „Was bietest du“, wollte er wissen und kühl und abgeklärt war seine Stimme.

„Du bestimmst selber über dein Leben. Wir kämpfen für uns, nicht für eine Regierung. Einsicht und Informationen zu den Einsätzen und Geld“, meinte Jack und eisig wirkte seine Stimme als er sprach, doch war es wohl nur ein professioneller Ton.

Gedankenverloren betrachtete Rave Jack und Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Nachdenklich blickte er zu Jack und fragte: „Du steigst echt bei der Army aus? Kein Gerücht?“ Jack nickte und keine Emotion war auf seinem Gesicht abzulesen. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass du überhaupt zurückkommst, nachdem das mit Boss war“, raunte Rave nachdenklich und betrachtete Jacks Gesicht. Dieser ließ sich nichts anmerken. Sein Auge fixierte Rave, verfolgte jede seiner Bewegungen. Ein fast schon bösartiges Grinsen schlich sich auf Jacks Gesicht, welches ich noch nie gesehen hatte.

„Also machst du mit? Oder willst du weiterhin als Penner für die arbeiten, oder nicht lieber selbst bestimmen“, fragte er und blickte zu den Habseligkeiten auf dem Boden.

Nachdenklich betrachtete Rave die Sachen, die am Boden verstreut lagen und schien abzuwägen. Doch dann nickte er leicht. „Ich denke, über dieses Angebot kann man nachdenken“, meinte er und blickte Jack ins Gesicht. Zufrieden sah dieser aus und nickte. „Gut, ich hätte sogar was, was dich interessieren könnte“, meinte Jack und schien ziemlich gut gelaunt, dass alles reibungslos über die Bühne gegangen war. Er überreichte Rave einen kleinen silbernen USB-Stick, welcher dieser in eine seiner Taschen gleiten ließ.

„Ich schau es mir an und werde mich dann melden. Und ich will 30% mehr als ich jetzt bekomme“, raunte Rave und ließ sich an der Wand wieder hinab gleiten zu seinen Sachen. Jack lachte kalt und grinste ihn bösartig an, bevor er erwiderte: „Darüber reden wir, wenn du wirklich zu mir kommst.“ Auch Rave grinste diabolisch, doch dann wandelte sich sein Blick und er sah erneut aus wie ein Betrunkener. Wir nickten ihm kurz zu und verließen das Gebäude. Von der Jugendbande war weit und breit nichts zu sehen.

„Was hättest du gemacht, wenn er abgelehnt hätte“, fragte ich nachdem wir einige Meter zwischen uns und dem Gebäude gebracht hatten.

Zu mir blickend begann Jack nach einem Augenblick zu erklären, dass er ihn davon überzeugt hätte, bei ihm anzufangen. Stirnrunzelnd fragte ich: „Was meinst du denn mit überzeugt?“ Ein diabolisches Grinsen schlich sich auf seine Züge, ehe er begann zu erklären: „Ich kenne genug Leute. Ich hätte ihm vielleicht irgendwas untergejubelt, so dass er gebeten worden wäre zu gehen… Dann hätte er für mich arbeiten müssen…“

Schockiert blickte ich ihn an. „Das hättest du nicht getan“, rief ich fast schon entsetzt. Doch als ich in Jacks Gesicht blickte, wurde mir bewusst, dass ich vielleicht doch nicht alle Seiten dieses Mannes kannte als ich annahm.

Doch dann grinste ich leicht und nahm einfach seine Hand. So schwer es mir ab und zu noch fiel öffentlich zu meiner Homosexualität zu stehen, fand ich es zum jetzigen Zeitpunkt einfach nur toll. Hier weit weg von Zuhause wo mich keiner kannte, war es so viel einfacher. Ich zog ihn liebevoll zu mir und grinste leicht. „Was du wohl getan hättest um mich von dir zu überzeugen“, raunte ich lüstern zu ihm. Auch Jack grinste und zog mich besitzergreifend zu sich und schwieg als Antwort. Ich liebte diese Art und während wir kurz so nebeneinander hergingen sagte Jack: „Es ist schön, sich nicht immer so zurückzuhalten, oder?“

Unwissend, was er meinte, sah ich fragen zu ihm und er erklärte: „Sich so zu benehmen wie man es möchte und keine Angst zu haben, was andere denken. Sich nicht verstecken zu müssen.“ Ich verstand ihn und ja, hier einfach offen durch die Stadt zu gehen als Paar war schon schön! Wie befreiend es wirklich war, verstand ich erst in diesen Moment, als Jack mich darauf aufmerksam machte. Bestätigend nickte ich und sagte zustimmend: „Ja, da hast du irgendwie recht.“ Während wir wieder in die Innenstadt liefen fragte ich mich selbst, ob ich ewig ein Geheimnis daraus machen wollte. Und langsam aber sicher wusste ich, dass ich das mein ganzes Leben lang nicht konnte und es auch nicht wollte. Für die Jahre an der High School, war es vermutlich der beste Weg, aber wenn diese Zeit vorüber gegangen ist, würde ich meine Sexualität nicht mehr verstecken wollen.

Mein erster Rausch

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Rache ist süß

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Heimwärts

Huhu, wow ich hab frei, dass merke ich! So schnell wird das nächste wohl nicht kommen, trotzdem viel Spaß damit^^

und danke für die Kommentare und Favos!

Außerdem hab ich Didi vergessen im letzten Kapitel!!! Oh man...-.- dafür dieses mal nicht :D

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Wir lagen immer noch nebeneinander und ich spürte Jack an meinem Rücken. Zufrieden seufzte ich und als ich etwas sagen wollte, sprang Didi zu uns ins Bett. „Oh, hallo Kleiner“, meinte ich fröhlich und streichelte den Welpen, welcher über meine verschwitzten Arme leckte.

„Weswegen haben wir den nicht mit zu Miller genommen“, fragte ich Jack leise. Er streichelte mir durch die Haare und betrachtete mich und den Welpen. Ruhig meinte er: „Ich weiß nicht, ob Miller Hunde so gerne hat. Deswegen hab ich ihn lieber da gelassen. Außerdem hat der wie du heute Morgen so niedlich geschlafen.“ Ich spürte, wie sich Jack streckte und zum Nachttisch griff. Er entsperrte sein Handy und präsentierte mir ein Bild von Didi und mir. Er lag neben mir eingerollt auf dem Kissen. Unsere Gesichter einander zugewandt.

Ich schmunzelte, als ich das Bild betrachtete und meinte freundlich klingend: „Das ist ziemlich niedlich. Hast du noch mehr Fotos von mir?“ Ich merkte, wie Jack zögerte, doch dann wischte er mit seinem Finger über das Handy. Auf dem nächsten Bild zeigte es mich in der Bar, gestern, wie ich gerade in die andere Richtung blickte. Wenn ich mich richtig erinnerte und den Winkel bedachte, blickte ich wohl den Tänzer an. Er wischte weiter und ein weiteres Bild von mir, morgens beim Schlafen, tauchte auf.

Ich lag in Jacks Armen, denn ich erkannte, dass sein Arm unter meinem Kopf ruhte. Ich fand es niedlich, dass er mich dabei fotografierte. Als Viola dies einmal tat, war ich sauer auf sie gewesen. Komischerweise bei Jack nicht. Erneut wischte er weiter und ich sah einige Bilder von Didi. Es schien, als suche er ein bestimmtes. Ich erkannte beim Durchsuchen, dass er noch mehr Bilder heimlich aufgenommen hatte. „Du hast nicht ein Bild auf dem ich wach bin, oder in die Kamera schaue“, meinte ich grinsend und blickte zu ihm nach hinten.

„Ich mag diese gestellten Bilder nicht“, meinte Jack und schien nachdenklich. „Ich mag es lieber, wenn es authentisch wirkt…“ Er zeigte mir ein Bild und ich verstand, was er meinte. Ich hatte schon viele gut aussehende Bilder von mir gesehen, doch ein Bild zeigte mich neben dem Jet. Ich strahlte vor Freude und blickte begeistert auf den Jet. Sorgenfrei wirkte ich und meine Augen strahlten. Ich glaubte selten sah ich auf einem Foto gelassener aus. Ich schmunzelte freundlich, als ich das Bild sah.

„Schönes Bild“, meine ich zu ihm und grinste leicht, „du bist nur irgendwie auf keinem drauf…“ Grummelnd nickte Jack und drückte mich an sich. Leise murmelte er: „Du siehst auch besser aus als ich. Außerdem hast du doch diese komischen Selfies gemacht…“ Ich nickte und fragte ihn, während ich über seinen Arm streichelte: „Willst du die eventuell haben?“

Fast schon zärtlich strich Jack über meinen Bauch und zustimmend grummelt er vor sich hin: „Ja, warum nicht…“

Ich schmuste weiter den Welpen und zufrieden seufzte ich und entspannte mich in seinen Armen. „Ich glaube, dass mich dein Freund nicht so gut leiden kann“, meinte ich, während ich Didi am Bauch kraulte, als dieser sich zufrieden auf den Rücken geworfen hatte. Jack sagte nichts dazu, vermutlich war ihm Schweigen gerade einfach lieber. Stumm beobachtete mich Jack einige Augenblicke, spürte ich doch seinen Blick auf mir. Ich streichelte weiter den Hund, lehnte mich an ihn und ließ entspannt die Schultern hängen. Angenehm war die Stille zwischen uns und auf einmal raunte er mir leise ins Ohr: „Ich liebe dich, Jazz.“ Ich grinste zufrieden ich drückte meine Lippen auf seine Wange.

Der restliche Tag verging ohne größere Zwischenfälle. Noch einmal versuchte ich Jack darauf anzusprechen was Miller gesagt hatte. Doch erneut schwieg er darüber. Eisern wie eh und je. Er hatte nicht gelogen, als er mir einst sagte, dass er viele Geheimnisse haben würde und mir vermutlich nie immer alles sagen kann.

Ich hoffte, wenn ich ehrlich war, dass sich dies eines Tages ändern würde. Zeitig gingen wir an diesem Abend zu Bett ohne noch einmal übereinander herzufallen. Jenny hatte mir noch geschrieben, dass sie morgen den ganzen Tag zuhause sei. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, war ich ziemlich froh meine Schwester wieder zusehen. Doch auf der anderen Seite war ich auch ein wenig traurig, denn die Zeit mit Jack alleine, ohne Verpflichtungen ging nun dem Ende entgegen.
 

Nachdem wir am nächsten Tag aus dem Hotel ausgecheckt hatten, fragte ich Jack vorsichtig: „Willst du bevor wir fahren noch einmal zum Friedhof?“ Ich wollte nicht, dass er einfach mit mir verschwand ohne noch einmal die Möglichkeit bekommen zu haben Susanne zu besuchen.

Unschlüssig und mit versteinerter Miene sah Jack zu mir und nuschelte: „Ich war schon da. Ich komme bestimmt noch mal hier her und sie läuft nicht weg.“ Ich sah den melancholischen Ausdruck in seinem Gesicht. Ich griff nach seiner Hand, drückte sie leicht und meinte: „Wenn du magst, kannst du da trotzdem noch mal hin. Wer weiß wann du wieder hier bist und…. Ich könnte dich, wenn du magst begleiten.“

Freundlich blickte Jack mich an. Er hob die Hand und wuschelte mir durch die Haare, während er meinte: „Das weiß ich zu schätzen Kleiner. Aber das ist…. Nein ich habe sie schon besucht.“ Ich nickte leicht und bohrte nicht weiter nach.

Wir fuhren wenig später zum Flughafen und tatsächlich bestiegen wir dieses Mal einen normalen Flieger der größten amerikanischen Fluggesellschaft. Immer noch ging mir Miller und seine Art durch den Kopf, doch wollte ich nicht wieder nachfragen. Ich war mir unschlüssig ob ich ihn mochte oder nicht. Nach einer längeren Diskussion schaffte es Jack schließlich Didi mit auf den Flug zu bekommen.

Wir redeten nicht viel, ich blickte auf mein Handy und sah erneut, dass ich mehrere verpasste Anrufe hatte. Ich löschte sie alle, wollte damit nichts zu tun haben. Wollte noch so lange wie möglich, die Konfrontation mit meinen Eltern vor mir herschieben. Einzig Jenny schrieb ich eine Nachricht, dass wir gleich losfliegen. So wie es ihr Wunsch war.

Ereignislos war der Flug. Jack ließ mich am Fenster platz nehmen und ich starrte gedankenverloren hinaus. Die vielen Blicke, die Jack auf sich zog, ignorierten wir. Ich war mir nicht einmal sicher, ob Jack sie wirklich registrierte. Nun, da wir Arlington verließen, wurden meine Probleme immer greifbarer und kamen mit jeder Minute näher und eigentlich wollte ich nicht, dass sie mich einholten. Doch ich wusste auch, dass weglaufen nicht immer ging.

Mit ein wenig Verspätung landeten wir in Houston. Während des Fluges war ich immer wieder durchgegangen, was ich Jenny erzählen sollte. Die Wahrheit kam für mich derzeit nicht in Frage. Ich wollte nicht, dass man anfing mich zu drängen meiner Mutter die Wahrheit zu sagen. Mir vorhielt, wie egoistisch ich war. Ebenso wollte ich nicht, dass Jenny sich auch noch einmischte. Ich kannte sie zu gut und wusste, dass sie dieses Geheimnis nicht für sich behalten konnte. Vielleicht ist es auch erwachsener das Schweigen zu brechen, doch ich wollte das nicht. Also entschloss ich mich dazu, ihr endlich anzuvertrauen, dass ich schwul bin.

Nach der Landung mussten wir noch warten bis wir endlich den Hund wieder bei uns hatten. Didi freute sich lautstark uns wieder zu sehen und sprang jeden von uns beiden an. Vermutlich war es dem kleinen Vierbeiner unangenehm so lange von uns getrennt zu sein. Jeder von uns wurde angesprungen und die Hände abgeleckt. Er jaulte leise und schien wirklich überglücklich bei uns zu sein. Kurz Zeit darauf verließen wir den Flughafen und Jack rief ein Taxi. Viel sprachen wir nicht miteinander, jeder schien seinen eigenen Gedanken zu folgen. Ich teilte dem Taxifahrer die Adresse meiner Schwester mit und wieder legte sich das Schweigen über uns. Langsam wurde ich wirklich immer besser im Schweigen, doch störte es mich nicht. Jack und ich konnten gut mal den Mund halten, ohne das einer vom Anderen dachte, er sei sauer. Ich betrachtete die Umgebung, die Häuser und die Menschen, an denen wir vorbeifuhren. Ich erkannte das Haus, in dem meine Schwester eine Wohnung hatte und irgendwie freute ich mich auch, als wir davor hielten.

Ich klingelte und schnell hörte ich das Summen, so dass wir die Tür öffnen konnten. Mit zügigen Schritten ging ich voran und hörte Jack mit Didi hinter mir laufen. Jenny wohnte in der dritten Etage eines Mehrfamilienhauses und ich hörte sie uns schon entgegenkommen. Als ich die letzte Treppe betrat sah ich sie um die Ecke gehen und konnte nicht anders, als zu strahlen als ich sie sah.

Sie sah anders aus, als ich sie in Erinnerung hatte, ihre langen braun Haare, welche ihr eigentlich bis zur Mitte des Rückens gingen, waren kürzer. Die Spitzen streiften gerade mal ihre Schulter, doch ansonsten hatte sie sich kein bisschen verändert. Die blauen Augen sahen mich besorgt aber glücklich an, als sie auf mich zukam. Sie trug eine schlichte dunkle Jeans und ein weißes T-Shirt mit einer Druckerei eines Friedenszeichens. Noch bevor ich irgendwas sagen konnte drückte sie sich fest an mich und das schlechte Gewissen in mir wuchs, als ich merkte, wie viel Sorge ich den Anderen bereitet hatte.

„Verdammt Jasper! Wieso machst du so eine Scheiße?!“ Auch ich drückte sie an mich, roch ihren vertrauten Geruch und erst nach einem kurzen Moment ließen wir einander los. „Lass uns drinnen quatschen“, meinte ich und nickte zu ihrer offenen Wohnungstür.

Sie nickte und ihr Blick streifte Jack, welcher langsam hinter mir her gegangen war. Vermutlich damit wir uns begrüßen konnten, hatte er getrödelt. Ernst sahen sie einander an und ich sah, wie Jenny die Lippen schürzte, als sie ihn sondierte. Sie schien wenig erfreut zu sein, als sie Jack ins Gesicht sah. „Jenny, kann ich dir das drinnen erklären, am besten mit Jack“, meinte ich eilig und drängte sie ein wenig die Treppe hinauf. Sie ließ es zu, ohne etwas zu Jack zu sagen. Erst nachdem wir die Tür ihrer Wohnung geschlossen hatten, sagte sie wütend an uns gewandt: „Was habt ihr euch dabei eigentlich gedacht? Einfach zu verschwinden, Mum macht sich totale Sorgen! Und wieso überhaupt! Ich will wissen was los ist klar! Und du“, fuhr sie uns mit energischer und wütender Stimme an. Doch dann wandte sie sich an Jack, immer noch sauer sagte sie: „Bist du nicht erwachsen? Sollte dir nicht klar sein, dass wir uns Sorgen machen? War dir das so verdammt egal? Solltest nicht wenigstens du so viel Verstand besitzen? Warum hast du einfach meinen kleinen Bruder mitgenommen?!“ Energisch verschränkte sie die Arme vor der Brust. Schwer Atmete sie und zornfunkelnd betrachtete sie uns beide. Jacks eiserner unergründlicher Ausdruck ließ sie nicht unsicher werden.

„Also! Redet endlich“, forderte sie uns erneut auf. Jack sagte immer noch nichts, ließ sich keine Gefühlsregung anmerken. Bevor ich antwortete, zog ich mir langsam meine Jacke aus und ließ meinen Rucksack auf den Boden gleiten. „Gab ein wenig Stress Zuhause“, meinte ich nach einem kurzen Moment. Jennys besorgter Blick galt mir und als sie zu Jack schaute, fragte sie ihn: „Was ist Zuhause los?“ Ich vermutete, dass sie schon bei ihrem letzten Familienbesuch bemerkt hat, dass etwas anders war. Was sie vermutete, hatte sie mir damals jedoch nicht offenbart. Sie kannte mich zu gut und wusste ich würde, wenn nötig, schweigen. Jacks Blick wanderte zwischen Jenny und mir hin und her. Nach einem kurzen Moment antwortete er in seiner kühlen neutralen Art: „Das muss dir dein Bruder sagen. Ich misch mich da nicht ein.“ Einige Male blinzelte Jenny entrüstet, bevor ihr strenger, aber doch gleich so führsorglicher Blick zu mir huschte.

„Rede endlich Jasper“, forderte sie mich energisch auf und unschlüssig, was ich sagen sollte, versuchte ich Zeit zu gewinnen. „Ich geh erstmal auf die Toilette. Auf die im Flugzeug kannst du ja nicht gehen…“ Ich drängte mich an ihr vorbei und verschwand hinter der Tür. Ich war häufig genug hier gewesen um mich in ihrer Wohnung nicht zu verlaufen.

Während ich mir die Hände wusch, betrachtete ich mich im Spiegel. Ich wollte ihr nicht sagen, was Dad trieb, die Sorge, dass er uns wirklich aus dem Haus schmiss, machte mir Angst. Ich wollte auch nicht umziehen, denn dann wohnte Jack nicht mehr neben mir. Doch was tat ich mit diesem egoistischen Denken meiner Mutter? Doch auch die Wut auf meine Mutter war groß. Wieso mussten Gefühle so kompliziert sein? Wieso konnte es nicht einfach eine Anleitung geben, was man in solchen Situation zu tun hatte? Vermutlich war es auch einfacher einen richtigen Weg zu finden, wenn man nicht betroffen war. Etwas aus einer Distanz heraus zu sehen war leichter, als Teil dessen zu sein.

Ich strich mir über den immer dichter werdenden Flaum, der an meiner Wange wuchs und stellte fest, dass die Haare immer kratziger wurden. Ich freute mich darüber, doch hielt die Freude nur einen Moment an. Ich musste Jenny irgendwas sagen, das war mir klar. Ohne eine Erklärung würde sie sich einfach nicht zufrieden geben. Als ich das Badezimmer wieder verließ stellte ich fest, dass Jenny und Jack den Flur verlassen hatten und ich konnte Jenny in ihrem Wohnzimmer hören. Ich folgte den Geräuschen und sah Jack auf der Couch sitzen, mit Didi auf dem Schoß. Immer noch bedachte sie Jack mit einem wütenden und leicht zornigen Blick. Mit verschränkten Armen schien sie auf mich zu warten.

Ich ließ meinen Blick schweifen. Wohnlich war das Wohnzimmer eingerichtet. Ein dunklerer Holzfußboden war verlegt worden. Helle Möbel standen in dem Raum. Das Herzstück bildete jedoch die große einladende Couch, auf welcher viele Kissen in blau und grau Tönen lagen. An den Wänden hingen viele Bilder, einige von Freunden, ein paar von unserer Familie, andere einfach nur aus dekorativen Gründen. Vor dem Fenster hingen durchschimmernde blaue Vorhänge. Die Wohnung war liebevoll aufeinander abgestimmt worden.

Ein kleiner Essbereich war noch im Wohnzimmer, doch noch während ich mich umblickte, riss mich Jennys Stimme in die Gegenwart. „Jasper, jetzt fang nicht wieder an auszuweichen. Was ist passiert. Du verschwindest doch nicht einfach so, dass ist doch nicht deine Art“, meinte Jenny energisch und folgte mir mit ihren Augen während ich mich neben Jack und Didi setzte.

„Ich brauchte einfach mal Abstand“, begann ich leise und strich mir durch die braunen Haare. Ich wich ihrem Blick aus, fühlte mich unsicher. Doch noch bevor sie weiter fragen konnte, meinte ich: „Ich brauchte den Abstand um über einige Dinge klar zu werden...“, ich stockte und musste mich überwinden weiter zu sprechen, „Mir…ist klar geworden… Ich bin schwul, Jenny.“

Auf diese Aussage folgte schweigen. Ich wusste, dass meine Schwester sehr offen war, doch wusste ich auch, dass wir die gleiche Erziehung genossen hatten. Was davon wirklich hängen geblieben war, konnte ich nicht sagen. Zudem behaupteten doch eh fast alle Menschen, dass sie nichts dagegen haben würden, bis sie selbst damit konfrontiert wurden. Ich spürte Jacks Hand auf meinem unteren Rücken und fühlte mich gleich gestärkt, war ich doch nicht alleine. Auch Jack beobachtete Jenny eingehend und schien jede ihrer Mimiken wahrzunehmen. Vermutlich hoffte er für mich, dass Jenny positiv reagieren würde.

„Jetzt wirklich“, fragte sie überrascht und blickte zwischen Jack und mir hin und her. Ich nickte und dann hörte ich sie entzückt sagen: „Oh! Das ist ja süß! Mein kleiner Bruder ist schwul… Oh nein, ist das putzig.“ Verwirrt blickte ich hinauf in ihr Gesicht und runzelte die Stirn. „Süß“, fragte ich und ich sah, wie sie grinste. Ich bin in Gedanken so viele Szenarien durchgegangen, wie sie reagieren würde. Geschockt und ungläubig, einfach akzeptieren und nicht weiter darüber sprechen. Doch das spielte sich nie in meinen Gedanken ab. „Ja, süß. Wenn du dann einen kleinen schwulen Freund hast, kann ich mit dem…“, doch dann schwieg sie und ihr Blick wanderte von mit zu Jack.

„Wieso bist du dir sicher, dass du schwul bist, Jazzy? Also ich meine, bist du dir wirklich sicher?“ Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihr und sah ihren skeptischen verwirrten Blick zwischen Jack und mir hin und herwandern. Ihre blauen Augen blickten direkt in die Meinen, eine Woge der Zuneigung breitete sich in mir aus, als wir einander ansahen. Ich nickte, während ich sie leise bat: „Sag es einfach nur nichts Dad, der flippt sonst aus.“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Natürlich sage ich ihm das nicht! Ich bin nicht dumm“, meinte sie hastig und erneut huschte ihr Blick zwischen Jack und mir hin und her „Und ähm… seit ihr zusammen schwul, oder wie?“ Sie sah entsetzt zwischen uns beiden hin und her. Auf diese Frage herrschte Stille. Wie dämlich, war die Frage denn?

„Was“, fragte ich sichtlich verwirrt, „Willst du jetzt wissen, ob wir zusammen sind?“ Zögerlich nickte Jenny und schien gespannt auf unsere Antwort. Ich blicke zu Jacks Gesicht und auch er sah mich an. Ich wusste, dass er nun mir den Schritt ließ es zu sagen und sollte ich es verneinen, würde er mit Sicherheit auch nicht sauer sein. Ich nahm seine Hand und drückte sie sanft und ich spürte, wie er den Druck erwiderte. Er war bei mir und es rührte mich, das zu wissen. Dann sah ich hinein in die blauen Augen meiner Schwester und nickte zustimmend. „Ja, wir sind zusammen. Ich liebe ihn“, meinte ich und konnte nicht anders als glücklich zu lächeln, fast sogar zu strahlen. Ich war stolz, dass dieser Mann mein Freund war! Das ich ihn meinen Freund nennen durfte.

Jenny schwieg kurz, blickte von dem einem zum Anderen. Was sie genau dachte, war ihr Geheimnis. Ob sie fand, dass Jack zu alt für mich sei? Zu gruselig? Auch wusste ich nicht, was meine Eltern ihr gesagt hatte. „Wie alt bist du denn“, fragte Jenny verwirrt und blickte Jack fast schon entsetzt an.

„Ich bin 24“, raunte Jack und ich sah Jenny überrascht die Augen aufreißen. Sie murmelte leise, dass er älter aussehe, was Jack nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nahm. Ich war mir nicht sicher, ob sie noch mehr Fragen wollte, vermutlich nur, wenn wir alleine waren.

Sie seufzte und fragte: „Mag einer von euch Shoppen?“ Beide schüttelten wir gleichzeitig den Kopf. Frustriert blickte sie mich an, fast schon böse, während sie sagte: „Was bringt mir ein schwuler Bruder, wenn der nicht süß ist und sein Freund erst recht nicht? Hättest du dir nicht einen von den niedlichen raus suchen können? Die gerne Schoppen und Prosecco trinken? Einen, den man mit auf einen Mädelsabend nehmen kann?“

Jack und ich blickten uns beide verständnislos ins Gesicht und grinsend erklärte ich meiner Schwester: „Weil ich einen richtigen Kerl will. Nicht sowas… na ja… schwuchteliges?“ Jenny ließ spielerisch frustriert die Schultern hängen, doch dann grinste sie: „Egal! Mein kleiner Bruder ist schwul und das finde ich total niedlich! Ach, du bist schon süß!“ Was war daran süß, dass ich schwul bin? Verständnislos blickte ich zu Jack, doch auch er zuckte unschlüssig mit den Schultern.

„Was ist daran süß“, fragte ich verwirrt, doch Jenny meinte, dass ich das nicht verstehen würde. Da es mich so sehr auch nicht interessierte, ließ ich das Thema fallen.

„Wieso wart ihr denn jetzt weg? Oder nur, um Zeit für euch zwei zu haben, oder wie“, fragte Jenny und blickte erneut zwischen uns hin und her.

„Ich musste beruflich weg und Jasper wollte Abstand. Da habe ich ihn mitgenommen“, erklärte Jack ruhig, ohne zu zögern. Ich wusste, dass er die anderen Probleme Zuhause nicht anschneiden würde. Wofür ich ihm einfach nur dankbar war. Zögerlich nickend blickte Jenny ihn weiterhin an. Wo wir gewesen seien, wollte sie von uns wissen und unsicher blickte ich zu Jack. Wusste ich doch nicht, wie viel ich ihr erzählen konnte, beziehungsweise durfte. Auch Jack blickte mich mit einem unergründlichen Blick an, ehe sein Auge zu Jenny schoss. „Wir waren in Arlington“, erklärte er kurz angebunden.

„Was hast du da beruflich gemacht?“

Ich sah, wie Jack kurz die Stirn runzelte, doch dann recht schnell antwortete: „Ich musste noch was regeln mit Kameraden, da es Jazz so schlecht ging, hab ich ihn angeboten mit mir zu kommen.“ Bestätigend nickte ich, stimmte ihm einfach zu.

„Ich hoffe, dass war nichts illegales, was ihr gemacht habt“, sagte Jenny mit ernstem Unterton.

„Als ob ich ihn bei sowas mitnehme“, meinte Jack so gelassen, dass mir erst gar nicht auffiel, dass er es gar nicht abgestritten hatte. Er hatte nicht einfach „nein“ gesagt. War das wirklich illegal, was wir da gemacht haben? Mein Kopf drehte sich kurz zu ihm, doch konnte ich ihn hier und vor allem jetzt, nicht fragen.

Als sich erneut Schweigen ausbreitete, fragte Jenny auf einmal: „Wer liegt bei euch eigentlich oben?“

„Was“, fragte ich sie entsetzt, „wieso fragst du mich bitte sowas?“ Jenny blickte von mir zu Jack und wieder zurück bevor sie meinte: „Ich weiß nicht… Jack sieht nicht so aus, als ob der sich na ja…flachlegen lassen würde, aber ich kenne deine große Klappe.“ Ich blinzelte einige Male.

Verwirrt und überrascht war mein Blick, doch als ich antworten wollte spürte ich Jacks Hand, die kräftig, aber nicht schmerzvoll, meinen Oberschenkel drückte. „Wenn wir dir darauf antworten“, raunte Jack und neutral und gelassen klang seine Stimme, doch sein Blick war ernst: „Möchte ich Details von dir haben. Jasper sagte mal, dass du einen Freund hast. Reitest du den gerne, oder lässt du dich von ihm hart nehmen?“

Schockiert blickte ich zu Jack und beschwerte mich: „Sowas möchte ich von meiner Schwester gar nicht wissen?!“ Doch ungerührt war Jacks Blick, als er zu mir glitt. „Sie will es doch auch wissen. Ich finde, wenn wir antworten, soll sie auch sagen, wie sie es gerne hat. Das ist dann doch nur fair…“ Dann klickte es, statt meiner Schwester zu sagen, wie taktlos die Frage ist, sollte sie selbst darauf kommen. Wieder mal drängte Jack jemanden nicht seine Meinung auf, sondern ließ die Menschen selbst ihr Urteil fällen. Ich sah, wie Jenny ebenfalls verstand und entschuldigend sagte sie: „Das war irgendwie eine dumme Frage, sorry.“ Jack nickte leicht, lehnte sich auf dem Sofa zurück und streichelte den kleinen Welpen. Ein Schweigen folgte, in welchem wir alle kurz den jeweils anderen anschauten.

„Wie lange seid ihr schon zusammen“, wollte Jenny neugierig wissen.

„Nicht so lange, erst ein paar Tage“, erklärte ich gut gelaunt.

„Also noch ganz frisch verliebt, wie schön“, meinte sie fröhlich und lächelte uns etwas unsicher an. Sie freute sich für mich, doch schien ihr Jack nicht ganz geheuer zu sein. Ich spürte, wie ich wieder mal zufriedener wurde, denn auch wenn Jack ihr unheimlich war, redete sie es mir nicht schlecht. „Danke“, sagte ich ehrlich und liebevoll blickte ich meiner Schwester in die Augen.

Wieso hatte ich ihr das nicht schon alles bei unserem letzten Zusammentreffen berichtet? Doch eigentlich war es egal, sie wusste es jetzt und es fühlte sich richtig an! Vergessen war für heute meine Sorge wegen meiner Eltern, hier gerade bei Jenny fühlte ich mich einfach wohl. Fast so wohl wie bei Jack Zuhause.

„Kann Jack hier schlafen“, fragte ich sie hoffnungsvoll und Jenny nickte und blickte kurz zu dem Welpen. Ich wusste, dass Jenny mit Hunden nicht sehr viel anfangen konnte, generell mit Haustieren. „Ich geh mit dem raus“, sagte Jack schnell und fügte murmelnd hinzu, „der ist stubenrein.“ Ergeben nickte Jenny und lächelte Jack tatsächlich freundlich an, als schien sie ihn nun in einem anderen Licht zu sehen. Sie kannte mich und wusste, dass ich keine Idioten anschleppen würde. Sowas hab ich nicht mal als Kind gemacht, wenn ich andere fremde Kinder kennen gelernt hatte. „Okay, dann werde ich mich mal an dein Aussehen gewöhnen… Meine Mum sagte, du seist Soldat. Stimmt das“, fragte sie leichthin und schüttete sich Wasser ein. Jack nickte wage und sprach: „Bin derzeit freigestellt.“ Jennys Blick verweilte auf der Augenklappe und ich wusste, dass sie nicht weiter nachfragen würde. Wir redeten über Arlington, was wir gesehen hatten und ich berichtete ihr, dass ich mir Sorgen gemacht habe, was passiert wenn unsere Eltern mitbekommen hätten, das ich schwul war.

Sie verstand und machte mir keine Vorwürfe, nur dass ich ohne irgendein Wort gegangen war, nahm sie mir ein wenig übel. „Mum war so aufgelöst“, rügte sie mich streng und ich nickte entschuldigend. Ich wusste sie hatte Recht, doch ändern konnte ich es nun eh nicht mehr.

Später am Abend stand ich gemeinsam mit meiner Schwester in der Küche. Jack war mit Didi draußen. Während wir das Gemüse schnitten fragte Jenny mich liebevoll: „Bist du glücklich, Jasper… Ich meine dein Freund scheint schon ziemlich speziell zu sein.“ Ich nickte und konnte nicht anders als sie anzustrahlen. „Ja, ich bin sau glücklich mit ihm. Er ist auch nicht immer schlecht gelaunt Jenny. Jack verbirgt viel in seiner stillen Art. Auch seinen Humor. Wenn du ihn kennenlernst, wirst du es merken.“

„Okay“, sagte Jenny freundlich lächelnd, „ich versuch ihn richtig kennen zu lernen.“ Sie drückte sich kurz seitlich an mich und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. „Dennoch ist es süß, dass mein kleiner Bruder schwul ist.“

„Daran ist gar nichts süß“, meinte ich augenverdrehend und blickte ihr in das weiche und liebevolle Gesicht. „Doch Jazzy, ist es. Du hattest sicher große Sorge, dass jemanden zu sagen, oder“, fragte sie mich vorsichtig und ich nickte leicht. „Ich weiß, du bist offen und so… Trotzdem haben wir die gleiche Erziehung abbekommen, Jenny…“, erklärte ich vorsichtig, denn eigentlich wollte ich unser Gespräch nicht erneut auf unsere Eltern lenken. „Ich weiß schon Jazz… Weiß es sonst noch wer“, fragte sie vorsichtig. Ich nickte und blickte sie glücklich an, als ich antwortete: „Eric weiß es… Irgendwie haben die sich aber noch nie getroffen, dass möchte ich bald nachholen!“

„Na ja, so lange seit ihr ja auch noch nicht zusammen“, meinte sie grinsend. Ich konnte nicht anders als sie pervers anzugrinsen und keck meinte ich: „Wir sind nur noch nicht lange zusammen…“ Jenny blickte mich entsetzt an und schlug mir gegen die Schulter. „Du Schwein“, rief sie lachend und ich stimmte mit ein.

Doch schnell wurde ihr Blick sanft und vorsichtig fragte sie: „War es so, wie du es wolltest? Er hat dich nicht gedrängt, oder?“ Ich dachte an unser erstes Mal und langsam schüttelte ich den Kopf, bevor ich leise antwortete: „Das war viel zu spontan für mich… Ich fand es klasse. Jack ist einfach klasse, Jenny. Gebe ihm einfach eine Chance…“Grinsend aber kopfschüttelnd schnitt ich weiter mein Gemüse. „Süß, dich so verliebt zu sehen. In Ordnung Jazz, ich gebe ihm eine Chance“, kommentierte sie liebevoll und schnitt mehrere kleine Tomaten in zwei. „Was machen wir eigentlich mit dem ganzen Kaninchenfutter“, fragte ich neben bei und nahm einen Kopfsalat zur Hand. Jenny, welche gerade unterschiedliche Öle und Gewürze in einer Tasse mischte, meinte freundlich: „Ich mach für uns heute einen Salat. Ich weiß, dass du viel Junkfood frisst und dein Jack sieht auch nicht so aus, als ob er gerne und reichhaltig kocht.“ Ich starrte entsetzt auf die Schüssel. Nur Salat? Für den Rest des Abend? War das Jennys Ernst?

Die Ruhe vor dem Sturm

Die Idee Jennys einen Salat als Abendessen zu zaubern, konnte ich ihr nicht austreiben. Trotz meines Protestes ließ sie sich nicht umstimmen. Zufrieden stellte Jenny die Schüssel mit dem bunten Salat auf den Tisch, als Jack mit Didi an der Tür klingelte. Während Jenny die beiden hineinließ stellte ich die Gläser auf den Tisch. Verzweifelt suchte ich im Kühlschrank nach Cola, Limonade oder ähnlichem. Ich suchte, doch nichts dergleichen fand ich. Wieso musste Jenny sich der gesunden Küche verschrieben haben, dachte ich genervt und nahm Wasser aus dem Kühlschrank. Das eine ohne und das andere mit Kohlensäure, juhu…

Ich hörte, wie Jack die Wohnung betrat und Jenny begrüßte. Wir hatten ihm gesagt, dass wir Essen machen wollten, während er mit dem Welpen draußen war. So kam es, dass er fragte: „Was gibt es denn zu essen?“

Mit den Wasserflaschen im Arm kam ich zum Küchentisch, während Jenny fröhlich erklärte: „Wir haben Salat gemacht.“ Sie deutete fröhlich und gut gelaunt auf die bunte Schüssel, während Jack sich gerade an den Tisch setzte. Stirnrunzelnd betrachtete er die Schüssel und sein Blick suchte den Meinen. Als ob ich was dazu konnte, dass Jenny sich der ausgewogenen, gesunden Ernährung verschrieben hatte. Oder sich dazu entschlossen hatte Ernährungsberaterin zu werden! Jack wusste, dass Salat nun auch nicht meine Leibspeise war. Ich zuckte mit den Schultern und unschlüssig fragte er: „Und was gibt es dazu? Salat ist doch nur ne Beilage“ Jenny rümpfte die Nase und setzte sich ebenfalls zu uns an den Tisch, an welchen ich mich wenige Augenblicke zuvor gesetzt hatte.

„Salat macht satt, aber ich dachte wer will kann sich da noch Tunfisch drüber tun“, sagte sie und deutete auf eine einzelne Dose, welche verlassen neben dem Salat stand. Jack´s und mein Blick hingen an der Dose und trocken meinte Jack: „Ein Döschen Tunfisch? Nur für einen von uns, oder“

„Die Dose ist für alle“, raunte Jenny erbost und funkelte Jack an.

„Da hatte ich ja bei meinem Überlebenstraining mehr zu essen. Im Ernst… Ich esse allein schon mehr als eine Dose. Wir sind Männer. Wir brauchen Fleisch“, meinte er und ich erkannte seine sarkastische Ader und hoffte, Jenny würde sie verstehen. Sie wollte ihm doch eine Chance geben.

„Ich dachte beim Überlebenstraining isst man Insekten und so einen Kram“, meinte ich grinsend, tat mir von Jennys Salat auf den Teller und wünschte, er würde sich in eine Pizza verwandeln. Jack nickte und schaute auf meinen Teller. „Ja, war also mehr Fleisch dran als hier“, scherzte er mit seinem trockenen Humor und ich musste unweigerlich grinsen. Wieder zischte Jenny sauer auf und meinte: „Davon wird man satt und das ist reichhaltig! Da ist ja nicht nur Gemüse drinnen, auch Käse und da kommt doch Dressing drüber!“

Ich grinste Jenny an und erklärte schnell: „Jenny, Jack verarscht dich nur… Er ärgert dich… das ist eben seine Art von Humor.“ Ich grinste sie freundlich an und sah, wie sie durchatmete, bevor sie zu Jack blickte. „Ja“, erklärte Jack immer noch ruhig und verzog keine Miene, „nur die Sache mit dem Tunfisch war wirklich ernst gemeint. Besorgt euch eine eigene Dose.“ Ich lachte auf und beobachtete, wie Jack sich tatsächlich die gesamte Dose des Tunfisches auf den Teller schaufelte. Man könnte meinen, dass es mehr Tunfisch als Salat war.

Nachdem Jenny einige Augenblicke verwirrt auf Jacks Teller gestarrt hatte, stand sie kommentarlos auf und holte eine zweite Dose aus dem Schrank. Wir aßen und immer noch grinste ich leicht über Jacks trockene Sprüche.

Während Jack im Salat stocherte blickte, er wieder zu meiner Schwester. Ihre Blicke begegneten sich und fast schon zickig fragte sie: „Was ist, willst du dich weiter beschweren?“ Jack blickte zu seinem Salat und schüttelte leicht den Kopf. Er schien bester Laune zu sein, denn sonst würde er nur schweigend am Tisch sitzen. Kurz grinste er, bevor er mit seiner trockenen Art fragte: „Kochst du immer so?“ Jenny nickte leicht und erstaunt war ich, als Jack weitersprach: „Hast du schon mal so für deinen Freund gekocht?“ Als Jenny erneut nickte zog Jack die Augenbrauen hinauf und ich konnte nicht anders als breit zu grinsen, was liebte ich genau diese Art an ihm.

„Wenn der jetzt immer noch da ist, ist es wirklich Liebe.“ Ich lachte und als ich Jennys entrüsteten Gesichtsausdruck sah, lachte ich noch mehr.

So frech und offen kannte ich Jack eigentlich nur bei mir. Auch er schien sich hier wohl zu fühlen, denn sonst würde er nicht so sein, wie er gerade war. „Er mag mein Essen“, verteidigte sich Jenny und schürzte die Lippen, doch auch sie grinste kurz. Als sich Jennys und mein Blick trafen, konnte ich nicht anders als über die Situation zu lachen. Auch wenn Jenny sich eingestehen musste, dass sie mit dem Salat danebengegriffen hatte wusste ich, dass sie nichts anderes auftischen würde. Dafür war sie zu stur! Auch Jack stimmte tatsächlich kurz in mein Lachen ein. Mit einer aufgespießten Tomate deutete Jack auf meine Schwester und fragte sie mit seiner trockenen neutralen Art, in welcher er so viel versteckte: „Ja, aber wird der auch satt? Ist das so ein Strich in der Landschaft?“ Doch dieses Mal war ich es, der für meine Schwester sprach. Erinnerte ich mich doch an den Mann mit den dunkelblonden Haaren, den ich auf Jennys Laptop gesehen hatte: „Nein, ist er nicht. Er ist Soldat, so wie du.“ Jack nickte mir zu und schaufelte den Salat in sich hinein.

„Ja, Jazz hat recht“, meinte Jenny und auch sie aß, wenn auch eleganter wie Jack: „Er ist Sniper bei der Army.“ Jack nickte und fragte gleich: „Wie heißt der, vielleicht kenn ich den ja.“

„Clay Kenton“, antwortete Jenny und ich konnte sehen, wie sich ihre Lippen zu einem liebevollen Lächeln verzogen.

„Sagt mir nichts“, raunte Jack und aß den letzten Rest seines Salates auf. „Man kann ja nicht alle kennen“, meinte Jenny und ich sah, wie sie Jack freundlich anlächelte. Irgendwie freute es mich zu sehen, dass die Beiden miteinander auskamen und dass Jenny Jacks trockene Art nicht persönlich nahm. Jack nickte zustimmend, schwieg jedoch. Vermutlich wollte er das Thema Army schlichtweg vermeiden wenn wir hier waren.

Nach dem Essen erinnerte mich Jenny daran, dass ich unsere Mutter anrufen sollte und es nicht länger vor mir herschieben kann. Schwer seufzend nahm ich das Telefon zur Hand und wählte langsam ihre Nummer. Jenny hatte sich währenddessen in die Küche verzogen und auch Jack war verschwunden, vermutlich ins Badezimmer. Ich hatte immer noch keine Lust mit meinen Eltern zu sprechen. Es dauert nicht lange, bis meine Mutter abnahm und ich hörte ihre besorgte Stimme: „Jenny? Hast du was von Jasper gehört?“ Es war wie ein Stich mitten ins Herz, als ich die so besorgt klingende Stimme meiner Mum hörte und das schlechte Gewissen war wie ein kräftiger Schlag in den Magen wieder da. Fast wäre mir schlecht geworden. Erinnerungen prasselten auf mich ein, wie ich meiner Mutter helfen wollte und sie sich von mir abwandte. Ich musste mich sammeln, ehe ich tatsächlich sprechen konnte. „Mum“, begann ich zögerlich zu murmeln, „ich bin es, Jasper.“ Ich hörte wie sie erschrocken keuchte und leise schluchzte. „Mir geht es gut… Übermorgen bin ich wieder Zuhause. Dann kannst du…so viel meckern wie du willst.“

Wieder schwieg meine Mutter, doch nachdem sie sich wieder gesammelt hatte, fragte sie leise: „Warum bist du einfach gegangen Jazzy?“ Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? Wollte ich ihr so wehtun? Machte man sowas überhaupt über Telefon? Was würde mich dann Zuhause erwarten? Ich atmete schwer durch und entschied mich ausweichend zu antworten: „Ist einfach alles gerade schwierig Mum, dass weißt du. Und da brauchte ich einfach mal den Abstand…“ Meine Mutter seufzte schwer und ich hörte ein rascheln am Telefon, vermutlich weinte sie, wieder mal… Wie so häufig in den letzten Monaten.

„Bist du in Ordnung Schatz“, fragte sie leise und fürsorglich. „Ja“, hauchte ich zurück, „Wein bitte nicht Mum, es wird wieder gut. Ich komm wieder nach Hause. Keine Sorge“ Ich hasste es wenn sie weinte! Wieder war dort dieses unangenehme Gefühl der Machtlosigkeit und dazu dieses Schuldgefühl, war ich doch Schuld an ihren Tränen!

„Ich hatte so Angst“, keuchte sie leise und erneut versuchte ich sie zu trösten, zu beruhigen. Jack, der hinter mich getreten war, bemerkte ich nicht. Ich redete sanft und aufbauend auf sie ein. Das alles gut werden würde und das ich für sie da bin. Ich versprach ihr sie nicht wieder allein zu lassen und erst, nachdem sie aufgehört hatte zu weinen, legte ich auf. Wie viel Zeit vergangen war wusste ich nicht. Beklommen starrte ich das Telefon an, unsicher, ob ich ihr zu sehr wehgetan hatte. Ich verlor mich fast in meinen düsteren Gedanken.

Erst Jacks fast schon genervtes Schnauben brachte mich zurück in die Realität. Ich sah, wie er mich fast schon verärgert anblickte. Stirnrunzelnd betrachtete ich ihn und fragte: „Was hast du?“ Er schüttelte den Kopf und wollte gehen. Nach seinen Arm greifend hielt ich ihn auf. Ich schaute mich um und sah, dass Jenny immer noch in der Küche beschäftigt war und die Spülmaschine einräumte. Nebenbei schien sie immer wieder mit ihrem Handy beschäftigt zu sein und so wie sie lächelte, konnte ich mir denken, dass sie mit ihrem Freund schrieb. „Was hast du“, fragte ich leiser, doch mit mehr Nachdruck in meiner Stimme.

Ich sah, wie Jack mit sich rang, doch noch bevor er was sagten konnte, meinte ich: „Ich hab sie doch nur getröstet. Sie hatte Angst um mich…“

Jack blickte mich neutral an, wollte wieder eine seiner Masken aufsetzten, doch ich durchschaute ihn. Ich hatte das Gefühl, dass ich bald alle seine Masken kannte und sie alle durchschaute. „Sag mir doch einfach was du meinst“, fuhr ich ihn genervt an, „meinst du ich soll sie nicht trösten, oder was?“

„Nein“, war Jacks fast schon grantig klingende Antwort. Ich starrte ihn perplex an und blinzelte einige Male verwirrt, ehe ich nach dem 'wieso' fragte.

„Ich bin mal duschen“, rief uns Jenny zu und ich fuhr fast erschrocken zusammen. Ich blickte ihr nach und merkte, dass Jack erneut von mir getreten war. Ich ging ihm nach und forderte ihn energisch auf: „Jetzt sag schon, was habe ich deiner Meinung nach falsch gemacht?“ Jack setzte sich auf Jennys Couch. Sein eisig blaues Auge traf auf mein Braunes und während wir uns so anstarrten, fing Jack an sich zu erklären: „Du bist ihr Kind. Sollte sie dich nicht ausfragen, warum du einfach abhaust? Sollte sie dich nicht trösten und versuchen zu erfahren, was dich belastet? Eine Mutter sollte sich nicht von ihrem eigenen Kind trösten lassen. Sich auch nicht hinter dir verstecken. Sie weiß, was sie bei dir sagen muss, damit du alles machst. Wie sie vor dir reagieren muss. Sie ist nicht so schwach wie du glaubst. Sie sieht sich einfach gerne in der Rolle des Opfers. Und zum Opfer macht sie sich einfach selbst!“

Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Wie redete er über meine Mutter?! Sich selbst zum Opfer machen, sowas hatte ich noch nie gehört! Doch so entrüstet ich auch war, dachte ich doch genau über Jacks Worte nach. So hatte ich das noch nie betrachtete und langsam ließ ich mich neben ihm auf der Couch nieder. Ich starrte auf den Teppich zu unseren Füßen und sah ihn doch nicht. Doch ich schüttelte zögerlich den Kopf und meinte verteidigend: „Sie ist nicht so stark wie ich…“ Doch Jack ließ diese Worte nicht zu, sondern konterte gleich: „Sie ist stärker als du glaubst! Und sollte eine Mutter nicht alles tun, um ihr Kind zu schützen? Wieso ist sie nicht gleich mit dir weggegangen, als dein Vater dich geschlagen hat? Wieso rennst du von Zuhause weg, weil du es nicht mehr erträgst und dann tröstest du sie? Solltest du nicht in solchen Momenten das wichtigste in ihrem Leben sein?“

„Ich bin kein kleines Kind mehr“, verteidigte ich sie weiterhin und lauter wurde meine Stimme. So sauer ich auch auf sie war, so war sie doch meine Mutter. Ich war selbstbewusst, kräftig natürlich konnte ich mich wehren. Doch der kleine gemeine ehrliche Teil in meinem Inneren stellte mir die Frage, weswegen ich mich dann nicht gegen Dad verteidigen konnte… Unbeeindruckt blickte Jack mich an und erwiderte: „Aber immer noch ihr Kind, egal wie alt. Jasper, lass dich nicht von deiner Mutter um den Finger wickeln! Sag ihr, dass du sie brauchst!“

„Sie ist doch eigentlich für mich da“, meinte ich und wusste schon, als ich sie verteidigte, dass ich nicht Recht hatte. Unsere Blicke begegneten sich und als Jack sprach, klang seine Stimme versöhnlicher als vorher: „Du glaubst dir ja nicht mal selbst, Jazz. Das sehe ich dir an.“

Wir sahen einander stumm an. Ich erkannte, dass er Recht hatte, doch wollte ich es mir nicht eingestehen. Auch wenn ich sauer auf meine Mutter war, so war sie doch meine Mum. Aber eigentlich hätte ich sie in den letzten Monaten mehr gebraucht als je zuvor und sie war nicht an meiner Seite gewesen. Doch ich wollte Jack einfach nicht Recht geben! Der Gedanke, dass meine Mutter mich bewusst oder unbewusst manipulierte, konnte ich mir nicht eingestehen! Schließlich hatte sie ja gefragt, wie es mir ginge…

„Ich habe nicht viel Ahnung von Familie“, meinte Jack ruhig und ich spürte, wie er einen Arm um mich legte und mich zu sich zog, „doch so sollte es nicht sein.“ Ich nickte leicht und lehnte mich an ihn. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie, hatte ich doch das Gefühl etwas in mir zerbrach. Ich hatte schon öfter gemerkt, dass die Wahrheit schmerzte, doch war ich Jack für diese Ehrlichkeit sehr dankbar. Ich drückte meinen Kopf an seine Schulter. Ich konnte es nicht aussprechen, doch der kleine ehrliche Teil in meinem Kopf stimmte Jack in allem zu. Wieder mal hasste ich diesen Teil meines Inneren, doch ich konnte es einfach nicht gänzlich leugnen, dass meine Mutter öfter für mich da sein sollte als sie es tatsächlich tat.
 

Schweigend saßen wir nebeneinander und ich genoss die Stille um uns nicht, denn sie sorgte dafür, dass ich zu viel nachdachte. Jack streichelte meine Schulter und wir hingen beide unseren Gedanken nach, doch wollte ich das nicht! Ich hörte im Badezimmer das Wasser in der Dusche, spürte die Wärme, welche von Jack ausging und lehnte mich an ihn. Ich lauschte seinem kräftigen, ruhigen Herzschlag und leise flüsterte ich: „Du scheinst dich hier ziemlich wohl zu fühlen… Du magst Jenny, habe ich recht?“ Ich wollte nicht an Mum denken und so wollte ich das Gespräch weglenken von ihr und den Problemen Zuhause. Wieder war vergessen und ablenken ein Ventil, doch wie lange konnte es das noch sein?

Ich spürte, wie Jack kurz nickte und zu seiner nonverbalen Geste hinzufügte: „Ja, sie ist ehrlich besorgt um dich und scheint nicht wie deine Eltern zu sein. Außerdem fühlst du dich hier auch wohl.“ Ich nickte leicht und kuschelte mich an ihn, ließ die Schultern hängen. Genoss es zu sehr, mich einfach nicht zurückhalten zu müssen und auch Jack legte zufrieden seine Arme um mich.

Ich fing an, an seinem Hals zu knabbern. Ich wusste, wie sehr er diese Stelle mochte, wie verrückt es ihn machen konnte und mich lenkte es auch ab!

Sein Griff um meinen Körper verstärkte sich und ich spürte, wie Jack sich entspannte. Also machte ich einfach weiter, knabberte an seinem Hals und klaute mir einfach frech einen Kuss von ihm. Erst das Geräusch einer Kamera holte uns beide in die Gegenwart zurück. Wir drehten den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch stammte und ich sah Jenny mit ihrem Handy in der Hand. Sie strahlte uns freundlich an und meinte: „Sieht irgendwie total süß aus. So frisch verliebt“ Ich konnte nicht anders und grinste fast schon dümmlich zurück.

Sie setzte sich ans andere Ende der Couch und fragte uns: „Sollen wir einen Film schauen? Brokeback Mountain vielleicht?“ Genervt verdrehte ich die Augen. War ja klar, dass so etwas von ihr kommen musste. „Kenn ich nicht“, meinte Jack und blickte zu Jenny, während er mir weiterhin über den Rücken streichelte. „Das wird euch gefallen“, meinte sie fröhlich grinsend. „Da geht es um zwei schwule Cowboys“, erklärte ich Jack und setzte mich ein wenig auf, ohne jedoch zu weit von ihm wegzurutschen.

„Aha“, meinte Jack gedehnt, „okay…. Fliegt da was in die Luft oder wird da jemand erschossen? Sieht man, wie die es machen? Irgendwas Interessantes?“ Jenny schüttelte leicht den Kopf und Jack und ich meinten beide gleichzeitig: „Der Film klingt langweilig!“

Genervt seufzte Jenny und beschwerte sich meckernd: „Kann nicht wenigstens einer von euch ein wenig süß sein?“ Ich grinste als ich sah, wie meine Schwester genervt war und es doch nicht ernst meinte. Ich grinste und erklärte: „Sorry Jenny, aber ich steh auf Kerle, nicht auf Jungs oder na ja… diese kleinen komischen Klischeeschwulen.“

„Ja ja“, meinte sie und grinste mich an, „aber die Klischeeschwulen sind süß. “ Ich zuckte mit den Schultern und dachte darüber nach. Doch gerade schaffte ich es nicht mir eine andere Beziehung als die mit Jack vorzustellen.

„Außerdem“, hörte ich erneut Jennys Stimme: „ ist Brokeback Mountain gar nicht so klischeehaft. Die beiden haben für ihre Umwelt ein Scheinleben mit Familie. Und ab und zu treffen sie sich auf diesem Berg und lassen ihren Gefühlen freien Lauf.“ Sie sah Jack an, als sie den Film erklärte. Dieser zuckte jedoch nur gleichgültig mit den Schultern. Ihm schien die kurze Zusammenfassung schon zu langweilig zu sein.

Genervt legte Jenny einen Actionfilm rein, während sie etwas von „Typisch Mann“ murmelte und nahm tatsächlich Didi auf den Schoß, als er bei ihr betteln kam. Jack legte sich auf die Couch und zog mich zwischen seine Beine. Er streichelte meinen Bauch und auch ich blickte zum Fernseher. Nachdem Jenny noch ein zwei Bilder von uns Beiden gemacht hatte, konzentrierte sie sich auch auf den Film. Jedes Mal, wenn Jenny ein Bild machte, drückte Jack bewusst oder unbewusst sein Gesicht in meine Halskuhle, was mich zum Grinsen brachte und dafür sorgte, dass Jacks Gesicht nicht zu erkennen war. Ich war mir sicher, dass er es extra machte…

Der Film war wie jeder andere Actionfilm. Ohne Sinn und Verstand, fing der Held an Leute zu erschießen, die seine Freundin bedrohten. Ich merkte, dass es Jack zu langweilig wurde, denn seine Hand wanderte unter mein T-Shirt und begann über meinen Bauch zu streicheln. Ich genoss es und entspannte mich, doch als er auf einmal anfing zu kratzen, zuckte ich zusammen und sah zu ihm nach oben.

Unschuldig wirkte sein Blick, als sein Auge meine Beiden traf, doch das leichte grinsen auf seinen schmalen Lippen verriet ihn. Wortlos nahm ich seine Hand und zog sie unter meinen Shirt weg, sowas konnte er doch nicht machen, wenn ich bei meiner Schwester auf der Couch sitze?!

Als ich die Hand wieder los ließ wanderte sie, wie automatisch, wieder unter mein T-Shirt und kratzte weiter, bevor sie mich sanft streichelte. Ich zog scharf die Luft ein und wollte erneut die Hand unter meinem Oberteil wegziehen. Doch gegen Jacks Kraft hatte ich nicht viel auszusetzen. Er drückte mich näher zu sich und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr, was mich erschaudern ließ. „Vergiss es“, raunte er leise und biss in mein Ohrläppchen. Eiskalte Schauer jagten mir den Rücken herunter. Wieder kratze er mich und erneut versuchte ich keinen Laut von mir zu geben.

„Was treibt ihr da“, hörte ich Jenny entsetzt sagen.

„Kuscheln“, nuschelte Jack und blickte zu ihr herüber, als hätte er nur diese unschuldigen Gedanken im Kopf gehabt. Stirnrunzelnd betrachtete Jenny uns beide, ehe sie wieder zum Fernseher blickte. Erleichtert atmete ich leise aus und spürte erneut Jacks Hand unter meinem Oberteil. Wieder kratze er und drückte mich nah an sich ran.

Wieder wollte ich seine Hand wegdrücken, doch er ließ es nicht zu. Ergeben seufzte ich und genoss die Berührungen des Mannes, den ich liebte.

„Jasper“, meinte Jenny plötzlich, drehte sich zu uns um und augenblicklich hörte Jack auf seine Hände zu bewegen, „ Wie hat Mum eigentlich darauf reagiert, als ihr miteinander gesprochen habt“, fragte sie und drehte sich etwas zu uns. Ich blinzelte einige Male und musst erst meine Gedanken sortieren, ehe ich begann darüber zu sprechen. „Sie war ziemlich aufgelöst und na ja… Ich wette ich bekomme Ärger, wenn ich wieder Zuhause bin…“ Ich dachte an Dad und spürte plötzlich Angst in mir. Übermorgen würde ich ihn wieder sehen! Es waren nicht mal mehr 48 Stunden.

Ich seufzte schwer und meinte: „Wir wollten übermorgen wohl wieder nach Hause.“ Jenny schürzte die Lippen und erwiderte: „Meinst du wirklich erst dann? Jazzy, ich habe dich wirklich gerne hier, aber du solltest besser morgen wieder nach Hause! Du hast doch mitbekommen wie es Mum geht. Lass sie sich nicht noch länger Sorgen machen, okay“, meinte Jenny und blickte mich tatsächlich streng an.

Unschlüssig nickte ich, wollte ich doch gerne hier bleiben. Doch ich wusste auch, dass Jenny Recht hatte.

„Würde das klappen“, wollte ich von Jack wissen. „Klar, ich muss nur anrufen, dann bereiten sie alles vor“, meinte er emotionslos ohne eine Regung im Gesicht erkennen zu lassen. Ich wusste, dass es ihm nicht passte, wegen meiner Mutter hier früher aufzubrechen. Mir war bewusst, dass er sie nicht mochte, dass brauchte ich nicht erst fragen.

Ich blickte zu Jack und grinste leicht als wir uns ansahen. Er seufzte leicht und schien sich lieber mit meinem Körper zu beschäftigen. Was ich eigentlich nur zu gerne zuließ.

Was als nettes Streicheln begann, konnte bei Jack natürlich nicht lange so unschuldig bleiben.

Immer weiter arbeiteten sich seine Hände tiefer und je tiefer sie wanderten, desto größer wurden meine Augen. Doch immer wieder zog ich seine Hand unter mein Oberteil, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, es ging nur noch darum zu gewinnen und nicht mich anzumachen.

Ich genoss diesen Abend. Gemeinsam mit den Menschen, die ich liebte, wusste ich doch, dass es eine letzte Ruhe vor dem Sturm war…
 

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Hallo,
 

Ich hab nun irgendwie eine "Bitte" an Euch. Ich bin an einem Punkt wo ich aus der Geschichte zwei Teile machen könnte.

Ich bin mir da selbst ein wenig uneins, denn bei manchen Geschichten mag ich es wenn der Autor einen zweiten Teil schreibt bei anderen eher weniger. Deswegen würde ich das Euch gerne entscheiden lassen wollen.
 

Ihr könnt mir diebezüglich auch gerne ne Nachricht schreiben wenn Ihr mögt :D wenn nicht ist es aber auch voll okay
 

Liebe Grüße^^

Vor der Haustür

Hi, danke danke für die Kommentare! Hat mir jedenfalls weitergeholfen!!

Ich hoffe euch gefällt es ;)

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Später am Abend lagen wir auf der ausgezogenen Couch im Wohnzimmer. Ich spürte Jack an meinen Rücken und merkte, dass er noch wach war, denn sein Atem war nicht tief und gleichmäßig. Ob er über irgendwas nachdachte? Ob er sauer war, dass wir jetzt schon zurück mussten? Ich streckte leicht meine Glieder und fast schon automatisch begann er mich sanft zu streicheln, als denke er, ich würde unruhig schlafen. Niedlich, schoss es mir durch den Kopf. „Kannst du nicht schlafen“, fragte ich leise.

Ich spürte, wie er den Druck um meinen Körper intensivierte und hörte ihn grummeln: „Nee. Ich hab Hunger.“ Ach, daran dachte er!

„Fällst du deswegen nicht über mich her, weil du keine Energie mehr hast“, fragte ich frech und drehte den Kopf zu ihm um. Im silbrigen Schein des Mondes wirkten seine Züge grotesk und auch ein wenig schaurig, doch ich kannte ihn zu gut und liebte dieses Gesicht zu sehr, als das ich irgendetwas an ihm abstoßend finden würde. Ich sah, wie er im Schein des Mondes zu grinsen begann. „Ich hab mehr Energie als du vielleicht glaubst!“

Ich drehte mich in seinen Armen um und blickte ihn frech an. „Wenn du meinst… Ich habe aber auch Hunger. Vielleicht sollten wir uns eine Pizza bestellen“, fragte ich skeptisch und zustimmend nickte Jack, er schien fast schon dankbar über diesen Vorschlag. „Ich war auch schon am überlegen, wo man hier richtiges Essen herbekommt! Von diesem Kaninchenfutter wird ja keiner satt… Wieso macht deine Schwester sowas?“

Während wir leise aufstanden und uns anzogen erklärte ich flüsternd: „Sie war früher mal dick und als Andere sie so geärgert haben… na ja hat sie sich halt geschworen abzunehmen… Und Dad hat sein Übriges dazu beigetragen.“ Finster blickte Jack mich an und fragte: „Oh, bitte sag nicht, dass er sie auch damit aufgezogen hat…“ Und als ich nickte schnaufte Jack verärgert und ich konnte ihm nur zustimmen. „Ich hab immer gesagt“, meinte ich leise, „dass Jenny sich wohl fühlen muss…“ Jack grinste mich an und meinte: „Aber selbst stehst du auch eher auf sportliche Menschen.“

Ich musterte ihn. Ja, ich stand auf sportliche, trainierte Männer! Als jeder nach seinem Handy griff meinte ich: „Ich hab ja bekommen, was ich wollte.“ Nüchtern betrachtete mich Jack und schlug mir feste gegen die Schulter.

Nachdem wir eine Nummer rausgesucht hatten, schlichen Jack und ich leise hinaus. Ich klaute mir noch Jennys Haustürschlüssel, welcher in einer Schüssel neben der Tür lag. Wir setzten uns vor die Haustür und warteten auf den Pizzaservice. Es war eine sternenklare Nacht und der Halbmond ließ alles in seinem Licht glänzen. Ich sah zu Jack und stellte fest, dass auch er in den Himmel sah und wohl die Sterne betrachtete. Er hatte eine Zigarre im Mund. Jenny verbot das Rauchen in ihrer Wohnung. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie sanft.

Sein Kopf drehte sich zu mir und er blicke mich offen und freundlich an und ich schaute zurück. Selten hatten wir wirklich Romantik zwischen uns, wir waren tatsächlich eher körperlich, was ich auf keinen Fall missen wollte. Doch umso mehr fand ich, dass man diese Momente dann wirklich genießen sollte. „Irgendwie waren die Tage toll mit dir“, meinte ich freundlich und offenherzig. Zustimmend grummelte Jack, doch schwieg er darauf. Er würde nie ein Mann vieler Worte werden, doch es störte mich nicht.

Ich war froh, dass Jack hier war und während wir schweigend auf die Pizza warteten, dachte darüber nach, was mich Zuhause erwarten würde. Leise seufzte ich und begann in die Stille hineinzusprechen: „Wenn ich wieder Zuhause bin, hab ich sicher richtig Stress mit Mum und Dad. Vielleicht kann ich dann erstmal nicht zu dir kommen…“

Jack nickte und langsam wanderte sein Auge in meine Richtung. Er zog noch ein zwei Male an der Zigarre, ehe begann zu sprechen: „Wer weiß wie es wirklich wird… Wenn was ist komm einfach, okay? Außerdem wolltest du auch noch CQC ausprobieren. Das hab ich nicht vergessen.“ Ich nickte leicht und fragte mich, ob wir tatsächlich je dazu kommen würden gemeinsam zu trainieren. Lust hätte ich darauf schon. Wie solche Nahkampfübungen wohl ablaufen würden?

„Ich muss auch an mein Baseballtraining denken… Willst du… wirklich zu einem Spiel kommen? In den letzten Spielen war immer ein Talentscout da. Ich hoffe ja so sehr, dass es klappt!“ Jack musterte mich stumm und blickte mich mit unergründlichem Blicken an. Was ihm durch den Kopf ging verriet er mir nicht, auch nicht, nachdem ich nachgefragt hatte.

Doch er versprach mir beim nächsten Spiel dabei zu sein und das freute mich! „Ich frag mich, wie du Eric finden wirst“, meinte ich fröhlich und sah wieder hinauf in den dunklen Himmel. Jack zuckte mit den Schultern und folgte meinem Blick. Schweigend hielt er mir die Zigarre hin und tatsächlich nahm ich sie ihm ab und zog an ihr. Anders wie beim ersten Mal schaffte ich es nicht zu husten und ein kratziger Geschmack breitete sich in meinem Mund aus, welcher langsam süßlicher wurde. Nach wenigen Augenblicken des Schweigens hörten wir das Röhren eines sich nähernden Motors. Augenblicke später sahen wir einen jungen Mann auf einem Mofa auf das Haus zufahren. Ich erkannte das Logo des Pizzadienstes und stand langsam auf und reichte Jack seine Zigarre. Wir bezahlten die Pizza und setzten uns mit dem Karton auf unserem Schoß wieder auf die Treppe. Wir sahen vorbeifahrenden Autos zu und den wenigen Passanten, die noch unterwegs waren. Ich wollte nicht reden und so genoss ich das Schweigen, welches zwischen uns herrschte. Als Jacks Stimme die Stille durchbrach, war ich ziemlich überrascht. „Hast du große Sorge, wieder nach Hause zu kommen.“ Er blickte mich nicht direkt an, doch ich wusste, dass er versuchte jede meiner Reaktion zu beobachten. Während ich über meine Antwort nachdachte, fielen meine Schultern nach unten und mit einem Schlag war alles wieder da. Der Grund, warum ich einfach gegangen war. Die andere Frau, mein kleiner Bruder. Die Wut meines Vaters auf mich, die eigentlich, jetzt mit Abstand betrachtet, vollkommen unbegründet war. Das er sauer auf mich war, war total surreal, denn er hatte diesen ganzen Mist erst begonnen! Dennoch wusste ich, dass sie da war und nun hatte ich ihm Futter gegeben diese Wut an mir auszuleben. Zögerlich, aber ehrlich nickte ich und blickte Jack ins Gesicht. Verstehend nickte er und seufzte leise.

„Lass dich nicht klein machen. Dreh den Spieß um, wenn er dir scheiße kommt.“ Unschlüssig nickte ich. Ich wusste, was Jack meint, doch es war schwierig sich nicht einschüchtern zu lassen. Ich spürte Jacks Hand auf meiner Schulter und als er sprach war seine Stimme ernster als ich sie vermutet hatte. Es schien, als habe er schon lange nach einem Moment gesucht dieses Gespräch mit mir zu führen. „Wirklich Jasper. Dreh den Spieß um und droh ihm, oder du sagst es deiner Mutter. Dann kann dein Alter mal schauen, wie toll sie das findet.“ Ich nickte unschlüssig und Jack erkannte meine Unsicherheit. Genervt schien er zu seufzten, doch als er sprach klang seine Stimme neutral, fast schon sachlich: „Ich werde jedenfalls nicht weiter zuschauen. Wenn du noch einen blauen Fleck wegen deinem Alten hast, dann werde ich mal mit ihm sprechen. Oder du lernst die Schockstarre abzuschalten und verpasst diesem Idioten selbst eine!“ Ich konnte nicht anders als leicht zu grinsen, als ich seine Worte hörte. „Ich verspreche dir, ich werde versuchen mich zu wehren. Und sollte ich Hilfe brauchen, werde ich… werde ich dich schon bitten. Wirklich!“

Ernst schaute Jack mir in die Augen, sah nicht weg und unterbrach den Augenkontakt auch nicht. Wieder einmal war es erstaunlich, wie lange dieser Mann Augenkontakt halten konnte. Ob man das während der Ausbildung lernte? Ich sah nicht weg und langsam nickte er. Als ich ihn fragte, woran er gedacht hatte, schwieg er. Ich vermutete, dass er meinen Worten nur wenig Glauben schenkte. Doch ich wollte es ihm beweisen. Ich wollte nicht mehr schwach sein bei meinem Vater! Ich war kein schwacher Mann! Das war ich nie und das wollte ich ihm zeigen.

„Ich meine es ernst, Jack. Ich will mir nicht mehr alles von ihm gefallen lassen“, sagte ich energisch und blickte starr in sein Gesicht.

„Trotzdem musst du nicht alleine kämpfen“, meinte er und zog mich zu sich, während ich das letzte Stück meiner Pizza aß. Ich nickte ihm zu und war zufrieden, dass er mir bei stand und mich dennoch irgendwie alleine kämpfen ließ. Es war mir wichtig, denn ich wollte mich nicht hinter ihm verstecken! Ich war schließlich kein schwacher Junge. Natürlich konnte ich nicht mit Jack mithalten, aber er war sein Leben lang dazu trainiert worden und ich nicht. Es war mir einfach wichtig, dass er mich nicht schwach sah. Ich wollte, dass er mich ebenbürtig sah, so albern es vielleicht auch klang. Neben ihm wirkte ich sowieso schon schwächer und als sei ich „der Kleine“. So wollte ich nicht immer gesehen werden und in die Rolle wollte ich mich auch nicht drängen lassen. Nur weil er älter und reifer war. Ich hielt ihm mein letztes Stück Pizza hin und Jack aß mir aus der Hand. Wir grinsten einander kurz an und ich war froh, dass das ernste Gespräch wohl nun vorbei war.

Nachdem wir beide fertig waren meinte Jack, dass wir wieder ins Bett sollten und langsam erhoben wir uns von der Treppe. Wir gingen hinauf in Jennys Wohnung und vorsichtig schloss ich ihre Tür auf. Leise, um sie nicht zu wecken, schlichen wir ins Wohnzimmer zurück und ich fand Didi eingerollt auf der Couch liegen. Ich verdrehte genervt die Augen und seufzte schwer. Jack und ich sahen beide gleichzeitig zu dem kleinen Hund und als sich unsere Blicke trafen, sah ich ihn streng an. Ergeben, aber Augen verdrehend nahm Jack den kleinen Welpen auf den Arm und setzte das Tier auf dem Boden ab. Ich grinste ihn kurz dankend an und legte mich ins Bett. Das leise jammern Didis ignorierte ich. Jack legte sich zu mir und bot mir stumm seinen Arm an. Ich lag in Jacks Armen und wünschte eigentlich, dass die Zeit stehen blieb, doch das tat sie nicht. Während ich mich an ihn kuschelte, fragte ich leise: „Findest du das eigentlich albern, dass ich so gerne bei dir liege…?“

Während Jack mir leicht über den Arm streichelte fragte er mich, wie ich darauf kommen würde und leise antwortete ich: „Ach… Ich weiß nicht… Ich habe manchmal Sorge…. Na ja, ich weiß nicht, dass du mich einfach schwach siehst… und unmännlich…“

„Warum“, fragte Jack und klang ziemlich amüsiert, „weil du lieber das kleine Löffelchen bist?“ Unsicher zuckte ich mit den Schultern und grinste leicht verlegen. „Nein Jasper. Ich sehe dich nicht als schwach oder gar unmännlich an. Ich bin viel älter als du… du wirkst nur jünger, weil du es auch einfach bist.“ Ich nickte dankbar, dass er das sagte und versuchte trotzdem zu erklären, weswegen ich so dachte. „Ich meine, dass ich so gerne kuschele ist ja schon…. Ich weiß auch nicht, ein wenig schwul…“

Jacks Erwiderung war zwar richtig, dennoch verdrehte ich die Augen, als ich seine Worte vernahm: „Du bist schwul.“ Missmutig sah ich ihn an und erkannte sein trockenes Grinsen. „Ich weiß“, sagte ich und grinste ebenfalls. Jack drückte mich an sich und nuschelte leise: „Du wirkst nicht tuntig oder sonst was, Jazz… Dann wirke ich auch so….“ Er streichelte mir weiterhin sanft über den Bauch und ich genoss es, dass er es so sah, dass er mir diese alberne Sorge einfach nahm, statt sich darüber lustig zu machen. Entspannt schlief ich ein und merkte nicht, wie Jack Didi wieder ins Bett ließ.
 

Am nächsten Morgen wurde ich früh von Didi geweckt, der fröhlich zwischen Jack und mir hin und her lief. Ich stöhnte genervt auf und raunte leise: „Bor Didi…Muss das sein?“ Ich spürte seine feuchte Zunge auf meiner Wange und roch den Atem des Welpen. Ich stöhnte genervt und zog die Decke über meinen Kopf. „Oh Mann, wieso muss der das machen“, grummelte ich genervt und seufzte schwer.

„Weil der eben auch nicht bis in die Puppen schläft“, hörte ich Jacks amüsierte Stimme über mir. Er zog die Decke weg von meinem Kopf und ich sah das fröhliche gut gelaunte Funkeln in seinem Auge. Es amüsierte ihn, wenn er mich weckte und ich ihn verschlafen und böse anfunkelte. Ergeben seufzte ich und setzte mich langsam auf. Sollte ich mich doch daran gewöhnt haben, nicht allzu lange zu schlafen.

Jenny schien noch nicht aufgestanden zu sein und bei einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es erst halb acht war! Wieso tat mir Jack sowas an? Waren wir doch erst spät ins Bett gegangen. Ich seufzte schwer und rieb mir durch die Augen. Ich zog mir die letzten sauberen Klamotten an und tapste in Jennys Küche. Langsam aber sicher brauchte ich wirklich frische Kleidung, stellte ich fest. Ich streckte meine Glieder und sah, wie Jack sich eine Hose überzog. „Muss der Hund wieder raus“, fragte ich überrascht und betrachtete Jack eingehend, wie er sich schnell und fast schon übermotiviert anzog. Er schüttelte den Kopf und meinte: „So kann ich aber richtiges Frühstück holen… Nachher gibt es hier nur gesundes Körnerfutter oder so… Oder nur ne Grapefruit. Hast du schon mal eine gegessen? Ekelhaft bitter.“ Ich grinste breit bei Jacks Erklärung und schüttelte amüsiert den Kopf. „Bring was leckeres mit“, meinte ich zu ihm und winkte ihm fröhlich tu, als er mit Didi die Wohnung verließ.

Kurz nachdem die Tür ins Schloss gefallen fahr, kam Jenny verschlafen aus ihrem Schlafzimmer. „Wieso bist du denn schon wach“, begrüßte sie mich gähnend und streckte sich. Sie trug nichts weiter als eine Boxershorts und ein Top und strich sich verschlafen durch die Haare. „Jack ist irgendwie ein ziemlicher Frühaufsteher und, na ja…“, ich ließ den Satz unbeendet, denn man gewöhnte sich tatsächlich daran.

„Wie schrecklich“, kommentierte sie und schien Kaffee vorzubereiten. „Wo ist Jack denn“, fragte Jenny und blickte vom ausgezogenen Sofa zu mir. „Ach, Jack holt Frühstück und ist mit Didi draußen. Ein kleines Dankeschön, dass er hier schlafen durfte“, log ich sie freundlich an. Ich sah, wie Jenny schnaufte und trocken meinte: „Der holt nur Frühstück, weil er meint mein Essen schmeckt nicht. Oder macht ihn nicht satt, oder ist zu gesund.“ Ich konnte nicht anders und grinste Jenny breit an und schüttelte den Kopf.

„Vielleicht ein wenig von allem“, meinte ich leise lachend und wich ihrem spielerischen Schlag aus. Wir deckten den Tisch und während Jenny das Radio einschaltete, klingelte es an der Tür und ich öffnete sie. Immer noch trug sie nur ihre knappen Klamotten und ich sah, wie Jack sie eingehend musterte, als sie vor ihm in das Wohnzimmer kam.

Tatsächlich hatte Jack Brötchen, fettige Croissants, Schinken und Kakao mitgebracht, worüber Jenny nicht wirklich erfreut aussah, sich aber dennoch bedankte. Ich trank den Kakao, jedoch schüttete ich mir auch eine Tasse Kaffee ein, was Jenny ziemlich verwunderte. Wieder verdünnte ich ihm mit viel Milch, doch hatte ich das Gefühl, dass Kaffee von mal zu mal besser schmeckte.

„Soll ich euch zum Flughafen bringen“, fragte Jenny freundlich während sie ihren Kaffee trank und blickte jedem von uns ins Gesicht. „Wir fliegen nicht mit dem Flugzeug“, kommentierte Jack und verschlang gierig sein Brötchen. Verwirrt über Jacks Aussage fragte Jenny: „Und wie wollt ihr dann nach Hause? Ihr seid ja ohne Auto hier und Zug fahren ist umständlich.“

Unschlüssig blickte ich zu Jack, sollte oder durfte ich Jenny sagen, dass wir mit einem Helikopter nach Hause flogen? Ich wollte nicht, dass Jack Probleme wegen mir bekam, also biss ich in ein Croissant. „Ein Freund nimmt uns mit“, meinte Jack, was Jenny zögerlich nicken ließ. Es klang so unverdächtig, wie Jack es sagte, dass es gar nicht auffiel. Doch während ich darüber nachdachte, freute ich mich auf das Fliegen mit dem Helikopter und ich grinste leicht vor mich hin, während ich darüber nachdachte. „Kommst du uns eigentlich bald besuchen“, fragte ich Jenny und unschlüssig nickte sie. „Mum will unbedingt Clay kennen lernen“, sie verdrehte leicht die Augen und grinste mich an, während sie das sagte.

„Also kommt ihr bald zum Tee, cool, will den auch mal kennenlernen. Sah über Skype eigentlich recht nett aus“, grinste ich sie an.

„Vergiss es, du bist der kleine Bruder… Da muss ich deinen Typen abchecken, nicht umgekehrt“, meinte Jenny und grinste mich an. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen als sie das sagte, doch auch Jenny grinste und ich wusste, sie nahm sich selbst nicht ernst!

Nach dem gemeinsamen Frühstück packte ich meine restlichen Sachen zusammen. Jenny war in der Küche verschwunden und so fragte ich Jack leise: „Werden wir wirklich abgeholt?“ Leise erklärte er mir, dass wir mit einem Taxi zu einem kleinen Flughafen fahren werden und von dort mit einem Bekannten weiter reisen würden.

Während wir noch redeten kam Jenny zu uns und ich sah, wie sie an ihrem Oberteil nestelte. „Ich komm mit euch runter. Ich muss noch einkaufen“, sagte sie und begann sich das Oberteil langsam auszuziehen. Ich sah kurz zu Jack, welcher wie gebannt auf meine Schwester starrte. Böse sah ich ihn an, doch er bemerkte meinem Blick nicht. Ich räusperte mich überdeutlich und sagte zu meiner Schwester: „Das solltest du hier nicht machen!“

Sie grinste mich spitzbübisch an und sagte: „Ich bin deine Schwester, wir waren sogar schon zusammen baden!“ Und mit diesen Worten zog sie sich das Oberteil aus und stand nur noch in ihrem weißen BH vor uns.

„Aber Jack ist nicht dein Bruder“, meinte ich entsetzt und sah, wie Jack anfing zu grinsen während er auf ihre Brüste schaute! Schulterzuckend meinte Jenny: „Und? Ist doch egal, ihr seid beide schwul.“ Ich schüttelte den Kopf und schlug Jack feste gegen die Seite. „Nein, bin ich nicht“, nuschelte Jack und ein süffisantes Grinsen schlich sich auf seine Züge. Ich sah wie Jennys Kopf ratterte und als ich erklärend sagte, dass Jack auf Frauen und Männer steht, schrie sie kurz entsetzt auf und schlang ihre Arme um die Brust.

Ich konnte nicht anders und lachte, als ich das Schauspiel sah, während Jack trocken sagte: „Ich hab schon alles gesehen, jetzt brauchst du es auch nicht mehr verstecken.“

„Oh Gott! Jasper, dein Freund ist ein Arschloch“, schrie sie pikiert. Ich nickte zustimmend und meinte, dass ich das wüsste. Schnell verschwand Jenny im Schlafzimmer und bitter böse sah ich Jack an. Er zuckte ungerührt mit den Schultern und meinte trocken: „Als ob du nicht schauen würdest, wenn sich ein heißer Kerl ausziehen würde…“

Ich verdrehte grinsend die Augen und schüttelte den Kopf über diese Aussage. Wenig später verließen wir drei Jennys Wohnung.

Während ich mich von Jenny verabschiedete, drückte sie mich feste an sich. „Lass dich nicht ärgern Jazzy“, meinte sie lieb zu mir und auch ich drückte sie kurz aber feste an mich. Als sie Jack die Hand reichte, schien sie gewillt die Situation von gerade nicht ansprechen zu wollen. Leise hörte ich sie ernst sagen: „Pass ja auf ihn auf… Auch wegen unserem Vater, der würde das sicher nicht… gut finden.“ Ich sah, wie Jack ziemlich ernst nickte und ich hatte das Gefühl, als versprach er ihr gerade mich vor Dad zu beschützten.

Wir stiegen in ein Taxi und immer noch brach keiner das Schweigen. Jack nahm Didi auf den Schoß und streichelte den kleinen Welpen. Als wir auf einer breiten mehrspurigen Straße fuhren, meinte ich leise zu Jack: „Wenn ich ehrlich bin hoffe ich ja, dass Dad mich doch noch so sehr liebt, dass er es akzeptieren kann. Also das ich schwul bin.“ Unschlüssig war der Blick, mit dem Jack mich betrachtete und er seufzte schwer.

Schlussfolgernd meinte ich mit bitterer leiser Stimme: „Du gehst nicht davon aus, oder?“ Ich sah wie Jack mit sich rang. Wusste ich doch, dass er niemanden gerne seine Meinung aufredete. Traurig klang seine Stimme, als er sprach: „Ich glaube nicht, dass er sich ändert… Aber vielleicht… vertue ich mich auch und er liebt dich so sehr, dass er damit irgendwie leben kann. Ich kann ja auch mal falsch liegen.“ Ich wusste, dass Jack dies nicht glaubte. Sicher wollte er mich nur nicht verletzen. Der kleine ehrliche Teil in meinem Inneren stimmte ihm sogar zu! Wie ich diesen Teil hasste… Doch so sehr ich meinen Vater auch in den letzten Monaten verabscheut hatte, war er dennoch mein Vater. Das ließ sich nicht einfach abstellen.

Ein Teil von mir liebte ihn, ob ich es wollte oder nicht. Und dieser Teil hoffte noch, dass Vater mich nicht einfach aus seinem Leben verbannte, nur weil ich schwul bin. Doch diese Ambivalenz in meinem Inneren verstand ich selber nicht. Wie konnte ich ihn noch lieben, wenn ich wusste, was er meiner Mutter antat. Was er mir antat?! Wieso konnte ich ihn nicht einfach hassen? Ihn einfach nicht mehr als meinen Vater ansehen? Musste wirklich noch mehr passieren, bis ich ihn nicht mehr meinen Vater nennen konnte?
 

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soo..ich weiß, dass viele auf das Kapitel mit Jazz´s Vater gehofft haben.

Das wird das nächste versprochen! Ich wollte nur einen runden Abschluss mit Jenny haben. Ich hoffe ihr seit deswegen nicht all zu sehr enttäuscht.

Schönen Abend noch ;)

Die Rückkehr nach Hause

Ich schaute während der Fahrt aus dem Fenster und das Taxi fuhr zum Rande der Stadt. Die Häuser zogen an mir vorbei und ich versuchte an nichts zu denken. Wir konnten die Rush Hour umgehen. Gesprochen wurde wieder mal nicht viel. Gegen frühen Nachmittag erreichten wir einen kleinen privaten Flugplatz. Kleine vermutlich private Flugzeuge standen dort und in der Ferne konnte man schon einen Helikopter ausmachen. Es war kein Militärhubschrauber, wie man ihn aus Filmen kannte. Es war eine schwarze, etwas kleinere Maschine, deren Lack in der Sonne glänzte. Jack bezahlte den Taxifahrer und aufgeregt betrachtete ich den Hubschrauber. Mein Zuhause war beim Anblick des Heli vollkommen vergessen. Ich wollte immer irgendwann mal damit fliegen, aber dass ich es tatsächlich mal machen würde, hätte ich nie wirklich gedacht.

Allerdings hätte ich auch niemals gedacht, dass ich je Jet fliegen würde. So sehr ich mich auch auf das Helikopter fliegen freute, war auch ein wenig Wehmut in mir, denn es bedeutete das endgültige Ende unserer Reise. Nun ging es heimwärts. Eine Reise hinein in unseren Alltag. Ich würde wieder in die Schule gehen müssen, würde wieder am Nachmittag zum Baseballtraining gehen und Jack… Ja, Jack machte sein Ding weiter. So komisch dieser Job auch war …oder was auch immer er tat.

Eine recht große Frau kam auf uns zu. Sie trug ein enges schwarzes Oberteil, was ihre gut geformten Brüste zur Geltung brachte. Sie hatte kurze verstrubbelte blonde Haare und trug einen Helm unter dem Arm geklemmt. Sie schien etwas älter zu sein. Vermutlich Mitte bis Ende dreißig. „Hey Snake, schön dich wieder zu sehen“, meinte sie freundlich und reichte Jack eine zarte Hand mit lackierten Nägeln. „Hi, Rica“, nuschelte Jack mit seiner tiefen Stimme und drückte ihre Hand, „danke, dass du uns fliegst.“

Abwinkend meinte sie: „Ist kein Problem, ich muss dahinten auch was klären. White Shark will unbedingt, dass ich ihn beim nächsten Einsatz begleite.“ Ohne darauf etwas zu sagen grinste er nur und betrachtete die große Frau vor uns. Jack und ich waren beide nicht klein, doch tatsächlich war Rica nur wenige Zentimeter kleiner als wir. „Dein Rekrut“, fragte Rica und reichte auch mir die Hand. Als wir einander die Hände schüttelte stellte ich fest, dass sie einen ziemlich festen Händedruck hatte, welchen ich ihr gar nicht zugetraut hatte. Ihre Augen waren sturmgrau eine Farbe, wie ich sie selten gesehen habe. Ich nickte ihr zu und antwortete: „Ja, der bin ich. Ich bin Jazz.“ Sie nickte mir freundlich zu und sagte: „Alle bereit zum Abheben?“ Ich schaute begeistert auf den Helikopter und strahlte. Als ich doch Jacks eher missmutiges Gesicht erblickte, fragte ich verwirrt: „Was hast du?“ Er schüttelte den Kopf und winkte ab und ich merkte wie Rica noch einmal genau den Helikopter begutachtete. „Ich mag Helis nicht…“, raunte er und ich erinnerte mich an die erste Geschichte, die er mir vor Monaten anvertraut hatte. Ich dachte an die Jugendlichen und daran, dass Jack mit einem Heli abgestürzt war und nur knapp überlebte. Natürlich bestieg er Hubschrauber nicht mehr gerne.

„Ich geh noch mal eine Runde mit dem Hund“, meinte Jack und nahm Didi. Unschlüssig blickte ich ihm nach. So untypisch es auch war Jack so zu sehen, zeigte es doch wieder, dass er keine Maschine war.

Rica kam wieder und hatte zwei Kopfhörer in den Händen. Sie blickte sich um und fragte: „Nanu, wo ist denn Snake hin?“ Ich nickte in seine Richtung, während ich den Kopfhörer annahm, den sie mir reichte. „Fliegst du schon lange“, fragte ich Rica und sie nickte stolz. „Seit ich bei der Amry bin. Ich fliege dir alles. Hubschrauber, Jet, Linienflieger, Transportflieger. Nur ins All darf ich noch nicht fliegen! Das Fliegen ist das Beste, was man erfunden hat“, sagte sie begeistert und ihre Augen begannen zu leuchten.

Freundlich grinste ich sie an und nickte, während ich stolz berichtete: „Jet bin ich auch schon einmal geflogen. Das war total aufregend. Ich freue mich auch schon auf gleich.“ Rica grinste breit und freundlich sah sie aus. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass sie eine Spionin oder ähnliches war. Rica blickte zu Jack und sagte plötzlich mit ernster Stimme: „Weißt du, Jazz. Du wirkst sympathisch, also lass mich dir einen Rat geben. Pass auf, mit wem du dich einlässt. Wem du vertraust. Snake und die Menschen, mit denen er zu tun hat, sind nicht ohne. Die Freunde von heute können die Feinde von morgen sein.“ Ich erkannte den Satz! Hatte Jack ihn mir doch genauso gesagt, nur waren es nicht seine Worte, sondern Susannes, doch so sollte ich sie sicher nicht nennen.

„Ich kenne diese Worte“, meinte ich stirnrunzelnd und Rica grinste leicht. „Das waren Boss‘s Worte, Weisheiten, natürlich kennt Jack alle ihre Weisheiten und es ist nur richtig, dass er sie dir weiter sagt“, erklärte sie freundlich und nickte bestätigend.

„Kanntest du Boss“, fragte ich leise und sah kurz, ob Jack in Hörweite war, denn es war ihm sicher unangenehm über sie zu sprechen.

„Ja, ich hab sie häufiger zu Einsätzen gebracht und wieder abgeholt. Sie war ein großartiger Mensch. Ich weiß nicht, was damals passiert ist, aber ich glaube nicht das, was die Anderen meinen!“ Ich nickte leicht und Ricas freundliche und offene Art waren mir sympathisch. „Pass einfach auf dich auf. Im letzten Jahr ist einfach so viel Mist passiert…“, meinte sie nachdenklich.

Leise fragte ich sie: „Warst du auch bei dem Helikopterunfall, bei dem er so schwer verletzt wurde?“ Betroffen blickte sie mich an und schüttelte leicht den Kopf. „Nicht direkt…. Mein Mann kam dabei um…“ Mit großen Augen sah ich sie an und entschuldigte mich mehrere Male hintereinander. Ich hasste diese Fettnäpfchen!

Sie winkte ab und wich doch meinen Blick aus. „Woher solltest du das auch wissen“, meinte sie leise und schien kurz in Gedanken versunken zu sein, als Jack wieder kam.

„Wenn du magst können wir los, Rica“, meinte er und nahm ihr den zweiten Kopfhörer ab. Rica schien sich schnell gefasst zu haben und als sie hinter dem Steuerknüppel saß, leuchteten ihre Augen. „Will einer von euch vorne sitzen“, fragte sie und Jack schob mich schon zu ihr ohne etwas zu sagen. Ich freute mich, als der Boden unter uns kleiner wurde. Ich grinste und stellte fest, dass Helikopter fliegen weit aus angenehmer war als damals der Jet. Über die Kopfhörer konnten wir miteinander sprechen. Ich fragte viel nach und Rica erklärte mir alles, was ich wissen wollte. Ich fand es spannend zu wissen, wie der Heli funktionierte.

Während des Fluges drehte ich mich einmal zu Jack und sah ihn mit seinem Handy in der Hand. Er schien Nachrichten zu schreiben. Als er meinen Blick bemerkte und aufsah, grinste er kurz und raunte: „Bleib so.“ Er schien kurz etwas mit dem Handy zu öffnen und einen kurzen Moment später merkte ich, dass er ein Foto von mir gemacht hatte.

Ich grinste, schüttelte nur den Kopf und blickte wieder nach draußen. Nach knapp einer Stunde in der wir eigentlich nur Natur und wenig Straßen gesehen hatten, waren in der Ferne mehrere Gebäude zu erkennen. Je näher wie kamen, desto mehr erkannte man. Es war die Militärbasis auf welcher Jack und ich vor ca. fünf Tagen unsere Reise begonnen hatten. Rica sprach mit dem Tower, doch waren es nur Zahlen und kryptische Abkürzungen mit denen ich nicht viel anfangen konnte. Fast war ich ein wenig enttäuscht als wir aufsetzten und die Motoren abgestellt wurden.

Als Jack ausstieg konnte ich erkennen, dass er kurz durchatmete, ehe er Didi anleinte und auf dem Boden absetzte. Zu sehen, dass dieser Mann auch seine Schwächen hatte, ließ mich ebenfalls erleichtert sein. Bekam man doch häufiger das Gefühl, dass Jack fast wie eine Maschine sei. Ich trat neben ihn und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. Wir sahen einander kurz an und Jack grinste leicht, als er fragte: „Wie ist das?“

Ich sah zum Helikopter und stellte fest, dass Rica gerade eine Runde herum ging, vermutlich um zu überprüfen, ob irgendwas beschädigt wurde. „Das ist der Hammer und macht mir totalen Spaß“, antwortete ich und grinste. Jack schmunzelte.

Nachdem wir uns von Rica verabschiedet hatten, gingen wir zu seinem Motorrad. Es schien, als wollte er sich nicht aufhalten lassen. „Rica sagte mir gerade, dass sie ihren Mann verloren hat bei einem Unfall“, leise sprach ich und betroffen war meine Stimme. Ernst nickte Jack und murmelte: „Die Beiden waren ein top Team. Ein großer Verlust privat, als auch beruflich….“ Ich nickte und mir gingen ihre Worte durch den Kopf. Nachdenklich drehte sich Jack um und sah in ihre Richtung.

„Sie hatte mir auch einen Rat gegeben… Ich soll darauf achten, wer meine Freunde sind, denn die Freunde von heute können die Feinde von morgen sein, hat sie mir gesagt. Sie glaubt auch nicht, dass Boss oder Susanne Amerika verraten hat“, berichtete ich Jack leise und betrachtete sein Gesicht. Nachdenklich war es, doch nur wenig Melancholie spiegelte sich darin wieder. „Hm… Boss schien ihr also vertraut zu haben…“, sagte er leise, mehr zu sich als wirklich zu mir. Er holte sein Handy heraus und schien eine Nummer zu wählen. Doch noch bevor ich fragen konnte was er tat, redete er schon los.

„Kaz, ich bin´s. Hab gerade von Jazz erfahren, dass Rica zu Boss engeren Kontakt hatte, als ich dachte…“, raunte er leise hinein. Ich dachte an den großen blonden Mann mit der auffälligen Sonnenbrille.

„Wir könnten einen guten Piloten gebrauchen“, sagte Jack schnell und fügte hinzu, „kümmere dich darum, Miller.“ Wir sahen einander stumm an und Jack nickte, dass ich ihm folgen sollte.

Ohne noch etwas zu dem zu sagen, was er getan hatte, nahm er Didi auf den Arm und wolle ihn sich in die Jacke stecken, wie damals bei der Hinfahrt. Doch der Hund war über die Tage wohl gewachsen und schien darauf keine Lust zu haben. „Ach komm schon, stell dich nicht so an Didi“, murmelte Jack vor sich hin. „irgendwo musst du hin, ob es dir passt oder nicht.“ Jack nahm den Welpen und packte ihn kurzerhand in seinen Rucksack. Das Köpfchen schaute oben hinaus. Auch hier wollte der kleine Hund nicht bleiben und kaute an den Zugbändern des Rucksacks herum. Doch er kam einfach nicht heraus. „Lass uns endlich fahren“, meinte Jack und setzte sich auf sein Motorrad.

Kopfschüttelnd setzte ich mich hinter ihn und gemeinsam fuhren wir zurück in das alltägliche Leben.
 

Es war bereits dunkel, als wir am Abend in unserer Wohnsiedlung ankamen. Jack hob Didi aus dem Rucksack und schob das schwere schwarze Motorrad in seine Garage. Ich sah zu meinem Heim und sah den Wagen meines Vaters in der Einfahrt stehen. Der Kleinwagen meiner Mutter war weg. Sorge breitete sich in mir aus. Wieso war sie nicht da? Sie wusste doch, dass ich heute wieder kommen würde. Ich hatte mit ihr am Telefon darüber gesprochen!

Jack folgte meinem Blick und nickte kurz zu seinem Haus und gemeinsam betraten wir es. Es war kalt und sah eigentlich aus, wie wir es verlassen hatten. Doch Jack blieb stehen. Sondierte den Raum und ernst blickte er sich um. Ich wollte an ihm vorbei gehen, doch eine Hand hielt mich zurück.

„Etwas stimmt nicht“, sagte er ernst.

„Hast du die Fernbedienung auf dem Boden liegen lassen“, fragte er mich ruhig und hielt mich am Ärmel fest, als ich weiter in den Raum gehen wollte. Ich zuckte mit den Schultern und unschlüssig schaute ich ihn an.

Mit langen Schritten ging Jack zu seinem Arbeitszimmer. Aufmerksam blickte er sich um und als er an der Tür rüttelte, war diese verschlossen. Ein erleichtertes Seufzten entwich seinem Mund und er winkte mich zu sich. Ich folgte ihm und auch Didi lief hinter mir her.

„Meinst du, hier ist jemand eingebrochen“, fragte ich stirnrunzelnd.

„Ich weiß nicht“, begann Jack zögernd, „vielleicht bin ich auch einfach nur…“ Er beendete den Satz nicht, doch ich wusste, dass er eine leicht paranoide Art an sich hatte.

„Hast du hier irgendwo eine Kamera“, fragte ich und sah mich in jeder Ecke um. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er irgendetwas angebracht hatte. Doch erstaunlicherweise für mich schüttelte Jack den Kopf. „Nein…keine Kamera. Die kann man viel zu leicht hacken“, erklärte er mir.

„Vermutlich ist sie einfach nur so runtergefallen“, meinte ich schulterzuckend und Jack nickte leicht, schien jedoch nicht allzu froh zu sein. Er begutachtete die Tür zu seinem Arbeitszimmer genau und strich mit den Fingern über die Kannte neben der Klinke. „hier sind Kratzer...“, murmelte er vor sich hin. Jack suchte noch einmal das Wohnzimmer ab, doch scheinbar fand er nichts Verdächtiges mehr. Ich schulterte meinen Rucksack und atmete schwer durch, während ich sagte: „Ich denke, ich muss gleich los… also rüber…“ Während Jack seine Heizung anstellte blickte er nachdenklich aus dem Fenster.

Er schwieg und als er sich zu mir drehte, meinte er: „Ich komme mit… Keine Sorge, nur wenn dein Vater was macht, wird er mich bemerken…Versprochen.“ Zögerlich nickte ich und gemeinsam verließen wir das Haus.

Ich war dankbar, dass Jack mich nach Hause begleitete. Er stellte sich seitlich neben die Tür, war so nicht sofort zu sehen, wenn man die Tür öffnete. “Biete ihm die Stirn“, hörte ich Jack leise sagen: „Lass dich nicht einschüchtern. Ich bin bei dir.“ Ich klopfte an die Tür, trotz Schlüssel wollte ich nicht einfach so hinein gehen. Ich sah einen großen Schatten näher kommen und erkannte schon am Gang, dass es mein Vater war. Mein Puls beschleunigte sich, denn das letzte Mal, als Vater und ich aufeinander trafen, endete schmerzvoll für mich. Mit einem Ruck ging die Tür auf und die braunen Augen meines Vaters bohrten sich in die Meinen.

Ich sah, wie sein Blick zorniger wurde, seine Gesichtszüge verhärteten sich und seine Augen wurden zu kleinen Schlitzen. „Na sieh mal an, wer doch noch wieder kommt“, zischte er mir bedrohlich zu, „wo warst du, Bursche?“ Bedrohlich klang seine Stimme und vermutlich verhörte er so auch Kriminelle auf dem Revier.

Ich war fast schon gefangen in den Augen meines Vaters, doch wollte ich ihn nicht gewinnen lassen! Ich atmete durch, wollte nicht wieder in eine Starre verfallen. Auch das ich Jacks Schatten sah, gab mir Mut. „Das kann dir egal sein, wo ich war“, raunte ich zornig. Ich wusste, dass Dad diese Art von mir nicht passen würde und so war es auch. Wütend schnaubte er und baute sich gebieterisch vor mir auf. „Egal?! Soll ich dir mal zeigen, wie egal mir das ist…“, drohte er mir bösartig klingend. Er langte nach mir, doch noch bevor er mich zu packen bekam, hatte Jack seine Hand aufgehalten. Mit einer fließenden Handbewegung drehte er meinem Vater schmerzvoll das Handgelenk um.

Qualvoll keuchte er auf und versuchte sich aus dem Griff zu winden, ohne Erfolg. Er schaute erschrocken auf die Hand, die ihn aus dem Dunklen packte und erkannte Jack erst nach ein paar Sekunden in dem Dunklen. „Pack den Jungen nie wieder an!“, raunte Jack und wenn ich schon fand, dass mein Vater bedrohlich klang, war es nichts im Vergleich zu Jack. Tödlich ruhig, nicht laut und auch nicht ausfallend war seine Stimme. Sein Auge fixierte den Mann, der sich vor Schmerzen wandte, leicht in die Knie ging und kein Hauch Mitgefühl fand den Weg in Jacks Gesicht. „Lass mich bloß los“, versuchte mein Vater zu drohen. Das bösartige Grinsen hatte ich so noch nie gesehen, welches sich auf sein Gesicht schlich.

„Warum“, fragte er kalt und blickte ins Haus, „Ist deine Frau da“, fragte Jack eisig. Auch ich blickte in den Flur. Nur im Wohnzimmer schien Licht zu brennen. „Nein, ist sie nicht, du Arschloch! Jetzt lass mich..“- doch weiter kam er nicht.

Jack schubste ihn in den Flur und ich hörte ihn nur, „gut“, murmeln. Erschrocken starrte ich auf Jacks Rücken. Ich hörte meinen Vater schimpfen und meckern, doch Jack schien es nicht zu interessieren. „Jack“, mahnte ich ihn streng. Ich hatte Sorge, dass er übertreiben würde. Trotz allem was passiert war, war es immer noch mein Vater, den er ins Wohnzimmer schubste, vorbei an den Fotos, der Küche und während er ihn mit tödlichem Blick begutachtete.

Doch Jack schien mich vollkommen zu ignorieren. Er baute sich über meinem Vater auf und sagte mit kalter eisiger Stimme: „Wenn du den Jungen noch einmal anfasst, wenn er noch einmal blaue Flecken hat oder irgendwie verletzt ist, hast du ein Problem mit mir…“

Ich beobachtete, wie Vater sich das Handgelenk rieb und sich aufrichtete. Eine Mischung aus Wut und Erschrockenheit war in seinem Gesicht zu erkennen. Seine Augen wanderten zwischen uns hin und her. Doch sein Kampfgeist war noch lange nicht gebrochen! „Das ist mein Sohn und meine Familie“, spuckte er Jack grimmig entgegen, „das hat dich nicht zu interessieren!“ Ich sah Jacks Gesichtszüge, die versteinert und kalt waren. Ich hätte ihm in diesem Moment zugetraut, dass er meinen Vater bei einer falschen Antwort einfach umbringt.

„Mich interessiert deine Familie nicht. Jasper hat mir alles gesagt, John. Alles von deinen kleinen, schmutzigen Geheimnissen und im Gegensatz zu ihm habe ich kein Problem es deiner Frau zu sagen… Mir ist es scheißegal… Ich weiß nur nicht, ob es deiner Frau egal ist, dass du noch eine andere hast.“ Ich sah, wie Vaters Gesichtszüge entglitten. Sein Kopf schoss zu mir und hasserfüllt war der Blick, der einzig mir galt. „Du brauchst ihn gar nicht so böse anzuschauen, John“, raunte Jack tödlich ruhig, „ich warne dich nur einmal… Ich hab die Mittel und Wege dich einfach verschwinden zu lassen.“

Die Wut in Vater schien ihren Siedepunkt erreicht zu haben und er brüllte Jack an: „Du mischst dich nicht in mein Leben ein! Verstanden! Ich kann mit meiner Familie machen, was ich will! Du hast keine Ahnung mit wem du dich anlegst!“

Jacks kaltes Lachen jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Wer bist du schon, John Hale? Ein einfacher, alter Streifenpolizist, der sich hinter seiner Marke versteckt! Du hast in deinem beruflichen Leben nichts erreicht worauf du Stolz sein könntest. Aber ich drohe nicht aus Spaß und sage dir nur einmal: Du weißt nicht mit wem DU dich anlegst.“ Er ging einen Schritt auf meinen Vater zu um seine Worte wohl zu verdeutlichen.

Ich sah, wie mein Vater versuchte wutentbrannt auf Jack zuzugehen, die Fäuste erhoben zum Schlag. Er stand seitlich neben Jack, als er versuchte, ihn mit seiner Faust im Gesicht zutreffen. Blitzschnell drehte dieser den Oberkörper in die Richtung, aus welcher der Schlag erfolgte. Entgegen meiner Erwartung wich er nicht zurück, sondern schien sich eher auf meinen Vater zu zubewegen. Er schlug mit der linken Faust in die Armbeuge meines Vaters. Der Arm knickte weg und die Wucht des Schlages schien zu verpuffen. Das alles passierte innerhalb weniger Sekunden! Schon im nächsten Moment sah ich, wie er den Arm meines Vaters mit beiden Händen packte, eine Hand packte den Oberarm, die andere Hand drückte von hinten gegen seinen Ellbogen. Ruckartig drehte Jack seinen Oberkörper mit einem Ausfallschritt weg. Dabei hielt er den Arm meines Vaters weiterhin fest. Er zerrte ihn mit Schwung nach unten. Die Bewegung, die Jack machte, hatte so viel Wucht, dass mein Vater das Gleichgewicht verlor und nach kurzem Taumeln schmerzvoll auf dem Boden aufprallte. Die Zeit, den Sturz abzufangen, hatte er nicht.

Ich beobachtete, wie Vater versuchte sich von den Knien zu erheben, doch Jack stupste ihn mit einer kleinen Bewegung seines Fußes wieder runter und raunte grantig: „Du bleibst schön da unten!“ Laut meckernd hörte ich Vater die schlimmsten und provozierenden Beleidigungen brüllen, doch Jack schien nichts davon aus der Ruhe zu bringen.

„Du wirst den Jungen nicht bestrafen! Ihn weder züchtigen, noch anders deine Wut an ihm auslassen“, raunte Jack und fügte drohend hinzu: „Und glaub mir, ich werde es mitbekommen! Dasselbe gilt auch für deine Frau! Oder ich sorge dafür, dass dir dein Leben hier zur Hölle gemacht wird.“ Ich wusste nicht, wie ernst mein Vater diese Drohung nahm, doch ich wusste diese sehr ernst zu nehmen. Vielleicht hatte Jacks Kraft ausgereicht, um bei diesem Dickschädel Eindruck zu hinterlassen, doch sicher war ich mir da einfach nicht. Ich wusste, dass, sollte mein Vater weiterhin so mit uns umgehen, ich Jack nur noch schwer in Schach halten konnte.

Als sich unsere Blicke trafen wusste ich nicht, ob Vater sich je ändern würde. Ich konnte einfach nicht wissen, wozu er in der Lage war! Sein Blick jagte mir Angst ein und ich konnte es nicht verhindern! Es ärgerte mich, dass ich so auf meinen Vater reagierte! Doch ich blickte nicht weg, unterbrach den Augenkontakt zu ihm nicht, er durfte nicht gewinnen. Erst, nachdem Jack nichts mehr zu sagen hatte, ließ er meinen Vater vom Boden aufstehen, doch immer noch fixierte er ihn grimmig mit seinem eisig blauen Auge.

Das Abstellen eines Motors zog unsere Aufmerksamkeit zur Haustür, welche ich nicht geschlossen hatte. Ich sah meine Mutter langsam das Haus betreten. Sie sah eingeschüchtert zu Boden. Ich löste den Blick von meinem Vater und ging auf sie zu, während ich leise nach ihr rief. Sie blickte mich fast schon erschrocken an. Ihre Augen suchten das Wohnzimmer ab, blieben an meinem Vater und an Jack hängen. Es schien, als zögere sie einem Moment, doch vermutlich musste sie sich nur sammeln. Entschlossen ging Mutter auf mich zu und drückte mich an sich. Ich spürte, wie sie zitterte und drückte ihren schwachen Körper an mich. „Alles gut, Mum“, murmelte ich leise, „mir geht es gut… es ist nichts passiert.“

Sie löste sich von mir und ich sah erneut Tränen in ihren Augen. Ich war schuld daran, dass sie da waren und ich konnte nicht verhindern, dass ein schlechtes Gewissen von mir Besitz ergriff. „Das wirst du nie wieder machen! Ich hab mir Sorgen gemacht! Wieso bist du…bist du mit dem mitgegangen!“ Ängstlich war der Blick, mit dem meine Mutter Jack betrachtete. Ich wusste, dass Jack sie nicht mochte und sein unergründlicher Blick sagte mir vermutlich mehr, als allen anderen Menschen in diesem Raum etwas.

„Hat dein Vater schon mir dir gemeckert“, fragte Mum leise und blickte zu mir, als suche sie mehr in meinen Augen, als ich gerade erzählen konnte. Doch noch bevor ich etwas sagen konnte, ergriff Jack das Wort: „Ja, hat er. Und Jasper weiß auch, dass es nicht richtig war einfach so zu gehen.“ Mutters blaue Augen glitten von Jack zu meinem Vater. Ich merkte, wie sich Jack und er kurz anschauten und wieder war Jacks Blick tödlich. Mit einem grimmigen Nicken bestätigte er die gelogene Aussage von Jack, was mich überraschte! Doch als meine Mutter ihre Stimme erhob wusste ich, dass ich doch nicht gänzlich ohne Strafe davon kommen würde. „Gut, dein Vater hat dir also seine Meinung schon gesagt und ich hab dir auch noch was mitzuteilen. Ich weiß, dass wohl demnächst ein Schulball stattfindet, oder?“ Unschlüssig sah ich meine Mutter an und nickte leicht.

„Und weißt du, wer da nicht hingehen wird, Junge“, fragte sie weiter und sah mich streng an. Ich blinzelte einige Male, bis ich verstand! Jetzt nur nicht zu zufrieden aussehen, mahnte ich mich in Gedanken. Trotzdem senkte ich den Blick, da ein kurzes Grinsen auf meinem Mund schlich, doch ich musste den Schein wahren! „Mum… das kannst du nicht machen, da gehen doch alle hin…“, meinte ich und versuchte betroffen auszusehen.

Energisch schüttelte meine Mutter den Kopf: „Das hättest du dir vorher überlegen sollen! Du wirst nicht zu dem Fest gehen und damit ist die Sache beendet, junger Mann!“ Ich blinzelte und erneut sah ich zu Boden und ließ die Schultern hängen. „Na gut“, murmelte ich leise und versuchte traurig oder auch einfach nur enttäuscht zu klingen. Wütend schnaufte mein Vater und sah mich verachtend an. Ich wich seinem Blick aus, wollte einfach nicht von ihm so angesehen werden. Jack trat zu mir und legte mir seine Hand auf die Schulter. Er blickte mir kurz ins Gesicht, drehte sich zu meiner Mutter und sagte im kühlen ernsten Ton: „Es ist mir egal, dass du dich von deinem Mann schlagen lässt. Du solltest nur endlich anfangen, für deinen Sohn das Richtige zu tun!“ Entsetzt blickte ich Jack an! Was zum Teufel hatte er da gesagt?! Auch meiner Mutter entglitten die Gesichtszüge. Auch sie sah zu mir und schuldig war ihr Blick, doch Jack schüttelte den Kopf.

„Er hat es mir nicht gesagt! Es ist offensichtlich und du beschützt ihn nicht. Ich hab mich aber gerade nett mit deinem Mann darüber unterhalten, nicht wahr“, sagte er ruhig und blickte Vater streng und kalt an. Ich sah, wie er zwischen Jack und meiner Mutter hin und her sah. Er schien nachzudenken, was ihm lieber war und er nickte. Doch als er mich anblickte, meinte er hasserfüllt: „Verschwinde heute einfach. Ich kann dein Gesicht gerade nicht sehen, Jasper! Sonst vergesse ich mich noch…“

Ich schloss kurz die Augen und sah zu meiner Mutter, welche mich ebenfalls erschrocken ansah, als fragte sie sich, was in ihrer Abwesenheit vorgefallen sei. Leicht nickte sie, als wollte sie auch, dass ich das Haus verließ. Vermutlich, damit ich weg von Dad kam. Ich schlich schnell nach oben in mein Zimmer und griff nach frischer Kleidung und schnell kam ich hinunter und sah Jack im Flur stehen. Ich nahm meine Mutter in den Arm und leise sagte sie: „Wir reden morgen in Ruhe, ja? Wenn dein Vater arbeiten ist…“ Ich nickte ihr leicht zu und unsicher verließen wir gemeinsam das Haus meiner Familie. Ob ich froh war, dass ich bei Jack bleiben durfte, wusste ich nicht. Auch nicht, ob ich Jack so dankbar sein sollte, dass er mir geholfen hat. Hatte ich doch Angst, dass Mutter meinte, ich hätte die Familie nun verraten…

Mein sicherer Zufluchtsort

Ich folgte Jack in sein Haus und war froh wieder dort zu sein. Didi lag in seinem Körbchen und schlief eingerollt. Die Reise hatte den Welpen wohl ziemlich geschlaucht.

„Wieso hast du das gemacht“, fuhr ich Jack wütend an und meine Augen verengten sich zu Schlitzen, „dass stand dir nicht zu!“ Nüchtern betrachtete mich Jack und erklärte ohne wirkliche Emotionen in der Stimme: „Und? Du hättest wieder nichts getan. Ich hab dein Zögern gesehen, Jasper… Ich werde mir nicht weiter anschauen, wie dich jemand schlägt oder dich nicht schützt!“ Perplex sah ich ihn an und blinzelte mehrmals, schüttelte energisch den Kopf, ehe ich erwiderte: „Du hast mir nicht die Chance gegeben…“

„Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass du das nicht gemacht hättest…“, sagte Jack und als er mich taxierte musste ich heftig schlucken um nicht zu wütend auf Jack zu sein. Ich wollte keinen Streit mit ihm! Über die Situation nachdenkend seufzte ich schwer. Recht hatte er leider ein wenig. Ich hatte gezögert, doch nur kurz!

„Du hättest trotzdem nicht so mit meiner Mutter sprechen sollen“, sagte ich und merkte selbst, wie trotzig meine Stimme klang. Erbost schnaufte Jack und fast sah es aus, als hätte er sein Auge verdreht. „Hör endlich auf sie zu schützen. Das hat sie nicht verdient“, raunte Jack leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Verärgert kniff ich die Augen zusammen und sagte hastig: „Ist ja schön, wenn du meinst ich brauch mir keine Sorgen machen! Weißt du, du hast keine Mutter! Du hast keine Ahnung wie das ist!“ Jacks Mund wurde während meiner Worte zu einer Linie. Jegliche Gefühle wurden aus seinem Gesicht verbannt als er mich stumm betrachtete. Tat ich ihm damit etwa weh?

Unsicher blickte ich hinaus aus dem Fenster, hinüber zu meinen Eltern. Ich war unschlüssig und stirnrunzelnd betrachtete das Haus. Ich sah zu Jack und murmelte: „Ich mach mir einfach Sorgen…“ Der strenge Gefühlsausdruck wich und ein trauriger Ausdruck schimmerte kurz in seinem Gesicht auf. Ich sah, wie Jack mit sich rang. Was diesen plötzlichen inneren Konflikt auslöste, verstand ich nicht. Waren meine Worte zu hart gewesen? Es tat mir leid, was ich gesagt hatte, doch ich war zu stolz um mich zu entschuldigen.

Fragend sah ich ihn an und schwer seufzend verschwand er in seinem Arbeitszimmer. Ich folgte ihm nach einigen Augenblicken, unsicher, ob ich durfte oder nicht. Er saß am Computer und ich sah zu, wie er ein Programm öffnete. Was genau es für ein Programm war, wusste ich nicht. Er tippte ein paar Zahlen ein und ich erkannte meine Telefonnummer. Auf einmal drangen aus den Lautsprechern des Computers die Stimmen meiner Eltern!

„Weiß ich nicht“, hörte ich meine Mutter rufen. Verwirrt und fragend blickte ich Jack an und leise meinte er: „Spionageprogramm der CIA. Man kann das Haustelefon anzapfen…“ Ich nickte leicht, doch alle weiteren Fragen blieben mir im Hals stecken, als ich meinen Vater hörte. „Ist mir auch egal. Lass den scheiß Bengel machen, was er will! Ich habe keine Lust mehr auf den Scheiß, dass ist deine Schuld, dass der Junge so wurde!“

„Das ist nicht meine Schuld“, jammerte meine Mutter wehleidig, „ich kann nichts dafür, dass er gerade schwierig ist…“ War ich denn wirklich schwierig? Ich sah auf den Bildschirm, unsicher, ob ich das so genau wissen wollte.

Ich runzelte die Stirn und war überrascht. Ich hörte meine Mutter leise murmeln, doch verstand ich kein Wort, doch das wütende Schnauben meines Vaters und seine zischenden Worte waren klar und deutlich zu vernehmen: „Mir scheiß egal was der Typ weiß und was nicht. Wenn du nicht immer so viel Mist bauen würdest, weißt du selbst, dass ich das nicht tun würde! Geb mir nicht die Schuld an deiner Unzulänglichkeit!“ Wütend stieß ich die Luft aus, als ich Vaters Worte vernahm. Er konnte doch nicht meiner Mutter die Schuld dafür geben, dass er sie schlug! Und Mum konnte doch nicht mir die Schuld für irgendwas geben! Gut, ich war verschwunden, dass machte aus mir noch lange keinen „schwierigen“ Jugendlichen.

„Was ist… ich hab Angst vor dem Typen“, jammerte meine Mutter und es tat mir leid, dass sie Jack die Schuld für so vieles gab, doch wieso empfand ich gleichzeitig Wut und Mitleid? Sie hatte ihn nie kennengelernt! Doch vielleicht brauchte sie einfach einen Schuldigen…

„Der hat auch Dreck am Stecken… war bei dem drüben…. Wollte wissen, was der so vorhat, weil der Bursche ständig bei ihm ist! Der hat einen Raum, da kam man nicht rein! Vermutlich sind da Drogen oder Hehlerwaren drinnen“, sagte mein Vater wütend. Ich sah, wie Jack grimmig grinste und sich über sein bärtiges Kinn strich. Also hatte er doch Recht, als er meinte, jemand sei in seinem Haus gewesen!

„Warum sorgst du nicht dafür, dass Jasper nicht mehr zu dem geht“, rief meine Mutter aufgebracht, als versuchte sie damit die Probleme Zuhause zu umgehen. Sie steigerte sich in meine Fehler, statt die wirklichen Probleme anzugehen. Jack und ich schienen die Schuldigen in den Augen meiner Mutter zu sein. Ich konnte darüber nur die Augen verdrehen. „Tut mir leid“, murmelte ich entschuldigend zu Jack, doch er winkte ab, als interessierte es ihn nicht.

„Ist mir scheiß egal“, polterte mein Vater und ich blickte erschrocken auf den Lautsprecher, „ich verspreche dir Abigail, ich vergesse mich bald bei dem Jungen! Ihr habt Beide zu funktionieren, ist das klar?“ Meine Mutter schwieg und als mein Vater laut brüllte und fragte, ob sie ihn verstanden habe, wollte ich schon schnell das Zimmer verlassen, doch Jack hielt mich auf. Im Hintergrund hörte man das Schluchzen meiner Mutter.

„Lass sie sich nicht hinter dir verstecken… Außerdem kriegst du das nicht mit…“, raunte er wütend und sah mich eindringlich an. Ich schluckte schwer und nickte leicht. Ich zitterte und mein Körper schien sich für einen Augenblick meiner Kontrolle zu entziehen.

„Ich glaub nicht, dass da noch viel passiert. Er scheint sie wirklich nicht zu schlagen, gut! …ich schalte ab, okay“, raunte Jack und erst nachdem ich zustimmend genickt hatte, schloss er das Programm und Stille legte sich über den Raum. Ich seufzte schwer und ließ erschöpft die Schultern hängen. Ich lehnte mich an die Wand und strich mir durch die braunen Haare.

Leise, fast schon flüsternd meinte ich: „Es ist so schwer nicht einfach rüber zu gehen…“ Ernst nickte Jack und versöhnlich war seine Stimme, als er meinte: „Ich weiß. Es war sehr schwer nicht rüber zu gehen, als du nach der Schularbeit nach drüben gegangen bist... Und du deine Mutter verteidigt hast…“ Überrascht sah ich ihn an. Das er damals schon versucht hatte mich zu schützen, rührte mich und langsam verstand ich, weswegen er gerade geholfen hatte. Sicher war es nicht richtig, dass ich meine Mutter schützte, sollte sie es doch tun. Doch ich liebte sie und würde alles geben, damit man ihr nicht wieder weh tat und vermutlich ging es Jack so bei mir. Lieber hatte er die Kontrolle über die Situation und ich war sauer, als dass irgendwer mir wehtat.

Sei es mein Vater, physisch oder meine Mutter, die vermutlich ohne es zu wissen mir psychisch Steine in den Weg legte. All dies wurde mir bewusst, erklärte die seltsamen Handlungen Jacks von gerade. Ich ging auf ihn zu und drückte ihn einfach. Es brauchte keine Worte und als ich merkte, wie er mich an sich drückte, seufzte ich kurz auf. Ich brauchte mich nicht für meine Worte zu entschuldigen und als ich in sein eisig blaues Auge sah, lächelte ich ihn entschuldigend an.

Wortlos verwuschelte er mir die Haare und löste sich von mir.

„Das du echt gemerkt hast, dass jemand in deinem Haus war“, murmelte ich leise und erklärend meinte Jack: „Irgendwas ist immer anders…Sei es ein Geruch, der nicht bekannt ist, oder untypische Sachen… Aber mir war klar, dass es keiner meiner…. sagen wir ... Bekannten sein konnte. Die wären in diesen Raum gekommen.“ Ich betrachtete das Schloss des Arbeitszimmers und fragte: „Hast du ein Sicherheitsschloss eingebaut?“ Ernst nickte Jack und sah mir kurz in die Augen, bevor er wieder auf den Bildschirm sah. „Wieso hast du so etwas auf deinem Rechner“, fragte ich grinsend, stellte mich hinter Jack und strich durch seine dunklen Haare. Er lehnte entspannt seinen Kopf an mich und blickte hinauf in mein Gesicht.

„Hab nach der Ausbildung für einige Monate bei der CIA gearbeitet. War aber nicht meins. Nur rumsitzen und zuhören… es war langweilig… Ich wollte was erleben. Hab nicht mal die Probezeit überstanden“, antwortete er grinsend und leise lachend sah ich zu ihm hinab. Ich schüttelte den Kopf und wuschelte seine Haare durcheinander. „Hast du das häufiger gemacht… so meine Eltern ausspioniert…“, fragte ich und wusste doch schon die Antwort. Ehrlich nickte Jack, doch überraschte mich nur noch wenig an diesem Mann. Während ich nachdachte, ließ ich erschöpft die Schultern hängen und meinte leise: „Ich glaub ich geh duschen…ich muss mich irgendwie ablenken.“ Ich sah noch einmal hinüber zu meinem Elternhaus. Wenn ich zu lange darüber nachdachte was dort vor sich gehen könnte, würde ich nur herüberlaufen.
 

Ich stellte mich unter die Dusche und dachte eigentlich, dass Jack zu mir kommen würde, doch ich wurde enttäuscht.

Nur mit einer Boxershorts bekleidet ging ich in die Wohnstube, doch fand ich ihn nicht.

Ich sah aus dem Wohnzimmerfenster rüber zu unserem Haus. Dad’s Auto stand nicht mehr dort. Er musste gefahren sein. Wahrscheinlich zu seiner zweiten Tussi. Ich war wütend, dass er Mum jetzt einfach allein ließ um sich wahrscheinlich bei der anderen Frau auszukotzen. Doch im gleichen Moment war ich unglaublich erleichtert, dass er so wenigstens nicht die Möglichkeit hatte sie erneut zu schlagen. Es gab meiner Mutter Zeit sich selber zu beruhigen. Als ich mich wieder von dem Fenster weg drehte bemerkte ich, wie sich meine Muskeln deutlich entspannten. Ich musste mir nicht den restlichen Abend Sorgen machen. Immer noch war die Tür zu Jacks Arbeitszimmer offen. Ich ging hinein und sah Jack immer noch an seinem PC sitzen. Ich lehnte mich an die Tür und beobachtete ihn. Er schien sich E-Mails durchzulesen, scrollte bei einem Dokument herunter und nickte leicht in Gedanken versunken. Ich räusperte mich, um ihn nicht zu erschrecken und ohne sich umzudrehen sagte Jack: „Du kannst ruhig kommen.“ Ich schmunzelte, ging zu ihm und sah auf den Bildschirm. Doch ich erkannte nichts. Die Zeichen waren für mich wie Hieroglyphen und leise fragte ich: „Was ist das denn für eine Schrift?“

„Kyrillisch“, erklärte Jack kurz und sah sich Bilder von Ölplattformen an.

„Willst du ins Rohölgeschäft einsteigen, oder was“, fragte ich frech und sah die Bilder genauer an. Jack grinste kurz und meinte verschwörerisch: „Wer weiß…“ Doch weiter ging er nicht darauf ein, sondern schloss die Seite und drehte sich zu mir um. Er betrachtete meinen Körper. Er grinste und wirkte zufrieden. Ich lehnte mich an den Schreibtisch, ließ ihn gaffen und fragte: „War die Reise nun erfolgreich?“ Jack nickte und strich mit seiner Hand über meinen Bauch. Er sagte nichts, was so typisch für ihn war und was mich zum Schmunzeln brachte.

Hier in diesem Haus war Zuhause fast so weit weg, wie Arlington und als ich seinen Blick spürte, konnte ich nicht anders und grinste leicht.

Seine Hand wanderte weiter herunter und mit einem festen Griff hielt ich sie auf. Wollte ich abgelenkt werden? War ich noch sauer auf ihn? Nein, dachte ich mir, außerdem konnte der restliche Abend nur noch besser werden.

„Womit hast du das verdient“, meinte ich streng, jedoch sah ich ihn grinsend an. Jack zog die Augenbrauen hinauf und wieder erschien dieser interessierte Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht. Genau zuordnen konnte ich ihn nicht, doch die nächste Frage, die er mir stellte, sollte alles erklären: „Stehst du etwa darauf, herrisch zu sein?“ Ich dachte über seine Worte nach und erinnerte mich daran, wie Jack artig alles getan hatte, was ich von ihm wollte. Unbewusst leckte ich mir über die Lippen und nickte dann leicht. „Ich fand es schon geil“, meinte ich ausweichend und sah ihm in sein Auge. Er fixierte mich eingehend, was er aus meiner Reaktion schloss und eruierte, behielt er für sich.

„Stehst du darauf, bei sowas unten zu liegen“, fragte ich unverblümt und sondierte aufmerksam seine Regungen auf meine Frage. Er schien darüber nachzudenken und strich sich dabei über das Kinn. „Hmmm“, begann er langsam, „sowas hatte ich vorher selbst noch nicht und ich fand es schon interessant. Es ist für mich was Neues, jemandem so ausgeliefert zu sein. Für gewöhnlich behalte ich immer die Kontrolle über alles.“ Verstehend nickte ich und stellte fest: „wir haben noch nie wirklich darüber geredet was der Andere eigentlich mag, oder sich vorstellen könnte…“

Jack grinste süffisant und fragte gleich: „Was glaubst du denn, worauf du stehst?“ Ich hob eine Augenbraue an und erwiderte: „Nein, nicht immer ich. Du beginnst! Auf was stehst du?“ Leise lachte Jack und betrachtete mich und schien über seine Antwort nachzudenken. „Tatsächlich mag ich es einfach etwas härter. Auf den Knien ist geil. Egal in welcher Position ich da wäre. Das, was du gemacht hast, war auch interessant und ich steh total darauf kleine siebzehnjährige in Seitengassen zu ficken.“ Ich schnaufte verärgert und schlug ihm hart gegen die Schulter. „Wichser“, meinte ich bösartig und funkelte ihn zornig an. Jacks amüsiertes Kichern ließ mich noch etwas entrüsteter schauen.

Jack amüsierte sich noch einen Moment lang an meinem Gesicht, bevor er fragte, was ich mir den vorstellen könnte.

„Dir den Arsch zu versohlen“, raunte ich zickig und fügte dann aber hinzu, „Ich weiß nicht… das war schon geil so die Führung zu haben… Wir können ja mal Pornos schauen. Vielleicht finden wir ja was, was wir mal ausprobieren wollen.“ Jack musterte mich stumm. „Pornos schauen“, fragte er und als ich nickte, zuckte er mit den Schultern und öffnete einen Browser.

Ich holte mir einen Stuhl aus der Küche und setzte mich neben Jack und schnell fanden wir eine Seite. Wir klickten uns durch und sahen uns einige Sachen an, über welche wir beide nur grinsen und verständnislos den Kopf schütteln konnten. Ein alter Mann der mit einem jungen Mann zu Gange war, welcher aussah als sei er jünger wie ich. Ich verzog angewidert das Gesicht und klickte schnell weg. Ein weiteres zeigte zwei Männer, die sich gegenseitig mit Lebensmitteln befriedigten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sowas interessant sein sollte. Als ich zu Jack blickte stellte ich fest, dass dieser scheinbar mehr an meiner Reaktion interessiert war, als tatsächlich an den Pornos. Ich grinste nur kurz und sagte nichts dazu.

Der nächste Film, den wir uns anschauten, zeigte ein Pärchen, welches sich fesselte. Er band dem anderen Mann die Arme auf den Rücken und fixierte seine Beine in einer Spreizstange. Der untere war dem anderen vollkommen ausgeliefert. Ich leckte mir unbewusst über die Lippen und betrachtete die beiden Männer in ihrem Tun. Derjenige, der nicht gefesselt war, schlug den Anderen leicht, was ihm zum übertriebenen Stöhnen brachte.

Ich spürte, wie Jack näher zu mir rückte, spürte ich doch seinen Atem auf meiner Wange und lüstern raunte er mir fragend ins Ohr: „In welcher Position würdest du sein…“ Ein kalter Schauer jagte mir den Rücken hinunter und mein Puls beschleunigte sich. Ich blickte kurz vom Bildschirm zu seinem Gesicht. Er musterte mich leicht grinsend, doch war auch Neugierde in seinem Blick. Ich löste mich von Jacks eisig blauem Auge und sah wieder auf den Bildschirm.

„Nicht in der devoten“, murmelte ich und sah, wie der dominante Mann dem anderen eine Augenbinde aufsetzte und erneut leckte ich mir über die Lippen. Es war erregend anzuschauen und sich vorzustellen, dass alles mit Jack zu machen. Immer noch spürte ich seinen Atem an meinem Hals und ehrlich meinte ich: „Das finde ich interessant…“

Ich hörte Jack leise lachen und er meinte leise: „Ich weiß. Wenn du was magst leckst du dir immer über die Lippen…“ Ich drehte den Kopf zu ihm und noch bevor ich fragen konnte erklärte sich Jack leise und nuschelnd: „Ich beobachte dich, Jazz… Immer, wenn dir was gefällt, was erotisch ist, leckst du dir über die Lippen…“ Ich nickte leicht, konnte es nicht abstreiten, da ich es selbst nicht mal wirklich mitbekam. „Das Augenverbinden hat was…hast du das schon mal gemacht“, fragte ich Jack und sah, wie er den Kopf schüttelte.

„Sowas hatte ich auch noch nie… und du siehst dich in der führenden Rolle? Hm“, murmelte er und grinste leicht süffisant.

„So grinst du immer, wenn dir was gefällt“, meinte ich leise und sah, wie Jack mich kurz überrascht betrachtete. Ja, dachte ich, ich beobachte dich auch genau…

Wieder glitten meine Augen zu dem Bildschirm und ich betrachtete weiterhin das Tun der beiden Männer. Wenn ich ehrlich war fand ich die Vorstellung erregend, sowas mit Jack zu tun. Ihn wieder so willenlos unter mir zu haben… Und als ich sah, wie sich die beiden Männer küssten, stellte ich leise fest: „Wir haben uns glaube ich noch nie wirklich beim Sex geküsst, oder?“

Auch Jack schien kurz darüber nachzudenken und meinte leichthin: „Wir haben ja auch nie wirklich miteinander geschlafen. Wir haben ja wenn eher… nennen wir es … gefickt.“ Ich blinzelte einige Male und fragte ihn, was denn dabei der Unterschied sei.

„Ficken ist hart und leidenschaftlich“, erklärte Jack und strich mir durch den Nacken, was mir eine Gänsehaut bescherte, „mit einander schlafen ist liebevoller, sanfter, das machen nur Paare…“ Ich nickte leicht und konnte nicht anders und fragte: „Wieso haben wir dann noch nicht miteinander geschlafen?“ Jack schmunzelte amüsiert und grinste, als er sagte: „Weil wir es halt lieber so treiben. Ist doch alles gut… Willst du eigentlich weiter Pornos schauen? Nicht das du noch hart wirst…“ Ich winkte ab und lachte leise, als ich meinte: „Nicht von sowas. Wenn ich es nötig hab, kann ich ja zu dir.“ Ich grinste ihn frech an und sah, wie Jacks Gesichtszüge sich verhärteten. „Dafür hast du dir eigentlich eine Auszeit verdient“, raunte Jack grimmig, doch ich kannte ihn zu gut und wusste, dass er kein bisschen sauer war.

Ich lachte, stand auf und zerzauste Jacks Haare. Als ich grinsend aus dem Arbeitszimmer ging, meinte ich: „Das schaffst du eh nicht. Man sollte nur mit etwas drohen, was man wirklich einhalten kann. Los komm. Ich muss morgen in die Schule… leider.“

Ich legte mich in unser Bett und wartete auf Jack. Tatsächlich kam er wenige Augenblicke später zu mir und zog mich an seine Brust. Er schwieg und streichelte mir leicht über den Bauch. „Jack… sag mal… mit wem hattest du eigentlich den besten Sex“, fragte ich und hoffte er würde, mit dir, antworten. Doch er schwieg und mit jeder Sekunde wusste ich, dass der beste Sex in seinem Leben nicht der mit mir war. Ich drehte mich zu ihm um und forderte ihn auf: „Also nicht mit mir, erzähl!“ Als er sich davor zu drücken schien, forderte ich ihn noch einmal auf und fügte hinzu: „Wenn du mir sagst, was da passiert ist, kann ich es ja noch besser machen.“ Jack lachte leise und drückte mich an sich und tatsächlich löste sich seine Zunge: „Das war einfach die Situation… Wir haben zusammen gekämpft und sie hatte mich schon die ganze Zeit angemacht… Und nein, es war nicht Susanne.“ Ich sah, wie er kurz grinste. Ich lachte leise und raunte wollüstig: „Vielleicht sollte ich dafür sorgen, dass du den Sex vergisst…“

Leise lachte Jack, drückte mich an sich und fragte scherzhaft: „Und mit wem war dein bester Sex…“ Ich spürte sein Grinsen und als ich mich zu ihm drehte, sah ich es auf seinen Lippen. Da ich nur mit ihm wirklich Sex hatte, war die Frage überflüssig, doch ich wollte ihn einfach nicht gewinnen lassen. Also hob ich meine Hand und sagte: „Mit der hier. War immer unglaublich!“

Sprachlos sah Jack meine Hand an, blickte von ihr zu meinem Gesicht. Als er zu Lachen begann, konnte er sich kaum noch beruhigen für einen kurzen Moment. Selten hatte ich ihn so gelöst gesehen! Mit seiner kräftigen Hand wuschelte er durch meine Haare und drückte mich tatsächlich kurz an sich. „Du kleines Arschloch“, brachte Jack unter lachen hervor und ich grinste breit.

„Ist so“, machte ich den Scherz weiter und sah, dass Jack immer noch breit grinste. „Mit der linken oder mit der rechten“, fragte Jack gut gelaunt, nahm meine Hand und biss spielerisch in die Fingerkuppen. „Beide sind super. Kann ich nur empfehlen“, sagte ich frech und zwinkerte ihm zu. Immer noch grinsend zog er mich zu sich und drückte seine Lippen auf die Meinen.

„Ich liebe deine scheiß Art“, meinte er und biss mir feste ins Ohr, was mich erschaudern ließ. Ich drückte meine Lippen auf seine und begierig erwiderte er den Kuss. Ich biss ihm in die Lippen und Jack stöhnte leise auf. Doch er schob mich von sich weg und raunte: „Vergiss es… Nein… du hast es dir für heute versaut, Kleiner…“ Ich grinste frech und meinte: „Egal! Dann hab ich deinen Arsch eben wann anders…“ Ich hörte Jack leise lachen und als ich mich an seine Brust kuschelte, hörte ich ihn murmeln: „Immer das kleine Löffelchen sein, aber den Großen markieren…“

Ich zuckte mit den Schultern und murmelte etwas schläfrig: „Stört dich nicht… du liebst das…“ Und zustimmend hörte ich Jack grummeln. Ich grinste vor mich hin und sah hinauf zur dunklen Decke. Meine Gedanken kreisten. Wanderten von ihm zu meinen Eltern, zu Jenny, doch landeten sie eigentlich immer wieder bei Jack. Frisch verliebt zu sein war tatsächlich wie ein Rausch. Er war für mich der tollste Mann der Welt, doch ich wusste, dass Jack sich so nie sah. Ich konnte mir denken, dass er eigentlich nur schlechte Seiten an sich sah. Ich wusste, dass Jack noch nicht eingeschlafen war und so fragte ich leise: „Sag mal Jack, wie siehst du dich eigentlich selbst…?“

„Mit einer Augenklappe“, erwiderte Jack grummelnd. Ich drehte mich zu ihm und schüttelte den Kopf. „Nein, dass meinte ich nicht. Wie siehst du deinen Charakter“, erklärte ich ihm leicht genervt, wusste ich doch, dass er sich extra so dumm anstellte. Nachdenklich betrachtete mich Jack und erst nach einem kurzen Moment meinte er zögernd: „Weiß nicht… Schweigsam, ruhig…. Geheimnisvoll?“ Ich nickte leicht und fügte hinzu: „Du hast noch einiges vergessen… hilfsbereit…“ Doch Jack unterbrach mich gleich: „Nur bei Leuten, die ich mag!“

Ich konnte nicht anders und verdrehte genervt die Augen. „Okay“, begann ich genervt zu sagen, „für mich bist du hilfsbereit, freundlich, verschlossen… manchmal auch sanft…“ Ich sah, wie Jack grinste. Ich hatte den Eindruck, dass es ihm unangenehm war, solche Komplimente von mir zu hören. Vielleicht auch einfach allgemein Nettigkeiten. „Übertreib nicht, Kleiner“, raunte er leise und drückte mir kurz seine Lippen auf den Mund.

„Ich übertreib nicht, ich finde nämlich auch, dass du ein Arschloch bist.“ Ich hörte Jack leise lachen und ihn murmelnd sagen, dass ich dabei sicher Recht habe. Er streichelte mir sanft über die Wange und sah mir tief in die Augen. Fast hätte ich gesagt in meine Seele. Ich sah ihn, wie er war, auch die verletzliche Seite an ihm. Langsam hob ich die Hand und legte sie auf seine bärtige Wange und Jack schloss sein Auge. Ich ließ meine Fingerspitzen über seine Wange streicheln, als ich flüsternd sprach: „Du bist verletzlich und in einigen Dingen auch ziemlich schwach…“

Als ich den Satz ausgesprochen hatte, öffnete Jack sein Auge und das klare reine Blau, welches auf meine warmen Braunen traf, sah skeptisch aus. Doch ich erkannte, dass er eine Maske aus falschem Trotz aufsetzte. „Schwach hat mich nie jemand wirklich genannt“, murmelte er abstreitend, doch ich schüttete den Kopf und streichelte sanft über seinen Rücken.

„Jeder ist mal schwach, Jack… Ich werde schwach bei meiner Mutter… Jeder hat seine Schwäche“, hauchte ich leise und fügte hinzu: „Das ist doch voll okay, oder nicht?“ Es schien, als dachte Jack über meine Worte lange nach und leicht zögernd begann er zu nicken. Als sein Auge die Meinen fand, murmelte er leise: „Du bist auch ein kleines Arschloch…. Du bist frech und hast eine zu große Klappe für dein Alter…“ Ich lachte leise und erklärte mit sanfter Stimme: „Es geht noch viel schlimmer…“ Ich sah wie Jack leicht nickte.

„Was meinst du noch wie ich bin“, fragte ich ihn und stupste ihn leicht an der Schulter an. „Ehrlich und aufrichtig“, sagte Jack schnell und nun war es seine Hand, welche auf meiner Wange lag. Ich kicherte leise und zuckte mit den Schultern und während ich über uns nachdachte, fragte ich ihn leise: „Sag mal, Jack… Glaubst du, du wirst mir irgendwann mal alles erzählen können was du machst? Ich meine, ich kann ja irgendwie verstehen, dass du es jetzt nicht machst. Da ich erst siebzehn bin versteh ich sicher auch nicht alles, aber ja vielleicht wenn ich älter bin…“

Erstaunen blitzte in Jacks Auge auf und als er kurz von mir wegrückte und mich betrachtete, war sein Blick stolz, doch verstand ich nicht warum. Stirnrunzelnd sah ich zu ihm und fragte ihn so nonverbal was er hatte. „Du bist clever.“

Da er schwieg fragte ich nach dem warum und die Erklärung ließ mich schmunzeln. „Du weißt, wo du stehst. Nicht viele schaffen es, sich so ehrlich zu reflektieren….aber um deine Frage zu beantworten… Vielleicht irgendwann, wenn du älter bist, ja. Vielleicht kann ich dir dann alles erzählen.“ Stolz breitete sich in meiner Brust aus, als ich Jack diese Worte sagen hörte und zufrieden kuschelte ich mich wieder an seine Brust. Jack verstärkte den Druck um meinen Körper und ich hörte ihn leise raunen: „Lass uns schlafen… Ich hab den Wecker schon gestellt…“ Ich nickte leicht und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange bis wir eingeschlafen waren.

Jacks Worte hatten mich Zuhause vergessen lassen und so konnte ich erholsam und traumlos schlafen.
 

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Hi,
 

das nächste Kapitel werde ich vermutlich erst zum Ende nächster Woche fertig bekommen, da ich beruflich die Woche über mehr wie eingespannt bin

und das natürlich vorrang hat! Ich bitte dies vorab schon einmal zu entschuldigen. ^^"
 

Schöne Woche Euch.

"Kein" Outing

Am nächsten Morgen wachte ich genervt vom Wecker auf und als ich mich zu Jack drehte, sah ich Didi zwischen uns liegen. Wann der wieder ins Bett gekommen war konnte ich nicht sagen. Genervt seufzte ich als ich den Welpen sah. Jack musste es ihm dringend abtrainieren! So konnte das nicht weiter gehen. Der Hund wurde schließlich nicht kleiner! Als ich mich aufsetzte sah ich, dass Jack mich müde musterte. Auch ihn schien der Wecker geweckt zu haben. Ich seufzte schwer, denn ich wusste, dass ich heute Nacht alleine schlafen würde. Ich konnte mich nicht weiter bei Jack verkriechen. Das wollte ich auch gar nicht, auch wenn ich gerne hier war. Ich hoffte nur, dass Jack meinen Vater in Schach hielt mit seiner Drohung.

Ich streckte die Glieder und hörte sie knacken, während ich missmutig aufstand. Auch Jack erhob sich langsam. Leise meckernd meinte ich: „Du wolltest es dem Hund abtrainieren, dass er immer ankommt.“ Jack betrachtete Didi. Er streichelte den kleinen Welpen und meinte: „Der ist doch noch klein…“

„Und? Der wird immer größer. Sowas macht man nicht“, meckerte ich weiter, während ich mir Kleidung anzog. Ich sah, wie Jack genervt die Augen verdrehte und einfach den Hund weiter streichelte.

Während ich mich fertig machte, verschwand Jack langsam und gemächlich in der Küche. Ich putzte mir gerade die Zähne, als er fragte: „Kaffee oder Kakao?“ Ich dachte kurz nach und nach einem Moment meinte ich: „Mach mir einen Kaffee mit…“ Amüsiert betrachtete mich Jack und schmunzelte vor sich hin. Ich hörte ihn leise murmelnd sagen: „Da wird wohl einer immer mehr erwachsen…“ Als ich in seine kleine Küche trat stand dort eine dampfende Tasse der schwarzen Flüssigkeit. Daneben hatte er Milch und Zucker hingestellt. Ich schüttete so viel in die Tasse bis ich es mochte und trank zügig aus.

„Was machst du heute“, fragte ich Jack nebenbei und schaute in den Rucksack, ob ich an alles gedacht hatte. Auch er trank seinen Kaffee, schwarz wie immer, und meinte: „Ach, mal schauen. Ich muss noch einkaufen. Ich hab nicht mehr viel hier… Wann kommst du heute aus der Schule?“ Ich seufzte und meinte: „Nach dem Training. Wird wohl so halb fünf werden. Aber ich muss heute Zuhause essen und so… Ich kann mich ja nicht immer davor drücken, weißt du…“

Verstehend nickte Jack und nachdem er noch einen Schluck Kaffee getrunken hatte, meinte er: „Kannst ja trotzdem noch vorbeikommen, wenn es klappt.“ Ich nickte leicht, erwiderte jedoch noch, dass ich nicht glaubte, dass ich es heute schaffen würde ihn zu besuchen. Jack nickte leicht und harkte nicht weiter nach, wie ich es schon häufiger kannte. Nachdem ich schnell einen Toast gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg zur Schule. Tatsächlich drückte ich Jack sogar noch einen Kuss aus seine Lippen. „Ich hab keine Lust“, gestand ich ihm leise und Jack grinste verstehend, doch meinte er, es sei wichtig. Genervt verdrehte ich die Augen und machte mich auf den Weg. Ich lauschte der Musik, welche aus den Kopfhörern in meinen Kopf drang und versuchte mich innerlich auf die Schule einzustellen. Je näher ich der Schule kam, desto mehr hatte ich das Gefühl der Alltag gehe wieder los. Nun gab es keine komischen Agentenspiele mehr, dies alles war zwar nur wenige Tage her, fühlte sich doch nun mit jedem Schritt immer unwirklicher an.

Vor der Schule sah ich tatsächlich, dass Eric bereits auf mich wartete und ich spürte die Freude in mir wachsen. Zoey war nicht bei ihm, was meine Laune noch höher steigen ließ, konnte ich doch so ungestörter mit ihm sprechen. Er grinste mich leicht an und als wir einander begrüßten, fragte er gleich: „Wie war es?“ Frech grinsend meinte ich zu ihm: „Es war echt klasse… Eigentlich voll geil! Du solltest Jack echt bald kennen lernen!“ Zustimmend nickte Eric und sagte gut gelaunt: „Okay, würd mich freuen…. Aber jetzt mal zu ernsterem Jazz… Was ist passiert bei dir Zuhause? Wie haben deine Eltern darauf reagiert, dass du weg warst…?“

Ich hatte Eric versprochen es zu sagen, doch nun war es schwer dieses Versprechen wirklich zu halten. Und natürlich war er neugierig, wäre ich an seiner Stelle auch. Unsicher wippte ich von einem Fuß auf den nächsten und sah mich um. Viele gingen an uns vorbei und einige grüßten uns, waren wir doch zwei der beliebteren Schüler unserer Schule. „Lass uns etwas eher zum Training gehen. Alleine…“, meinte ich leise. Eric nickte leicht und fixierte mich mit seinen hellen Augen. Ich grinste ihn kurz an und hoffte ihm etwas Sorge nehmen zu können.

Um ihn abzulenken fragte ich: „Wie läuft es mit Zoey?“ Immer noch betrachtete mich Eric einen Moment unschlüssig, doch vermutlich war auch er überzeugt, dass es besser wäre alleine zu sprechen, also fing er an meine Frage zu beantworten. Ich hörte ihm zu, interessierte mich doch sein Leben. Doch waren seine Probleme, die er erzählte, einfach so anders als die von Jack und auch von mir. Während ich Eric lauschte fragte ich mich, welche Probleme eigentlich wichtiger seien… Gab es überhaupt ein Ranking? Ja, vermutlich war es nervig, dass Zoey Angst vor ihrem ersten Mal hatte und deswegen Eric nicht ran ließ, doch hatte ich mitbekommen, dass es einfach weit aus schlimmeres gab. Auch das Ally, Erics kleine Schwester, ihren Bruder nervte, konnte ich verstehen, doch ohne es böse zu meinen waren seine Probleme so… nichtig, einfach so alltäglich. Trotzdem war Eric mein bester Freund und als solcher wollte ich mich benehmen, also verschwieg ich ihm meine Gedanken, nickte und zeigte Verständnis.
 

Während des Unterrichtes drifteten meine Gedanken immer wieder ab. Einen spontanen Test in Mathe hätte ich mit Sicherheit verhauen! Die anderen fragten alle, ob ich wieder gesund sei, worauf ich zumeist mit: „Nein, seht ihr nicht, ich sterbe gerade“ antwortete. Ich saß mit Eric und einigen anderen aus dem Baseballteam zusammen. Ich ließ mir gerade von einem Kollegen erklären, wie eine Kurvendiskussion genau funktionierte, als zwei Cheerleaderinnen sich zu uns setzten. Colin pfiff und Rachel meinte kühl: „Ach komm, hör auf Colin! Als ob wir mit dir sprechen wollen.“ Colin lachte frech und zuckte mit den Schultern, während er die Beiden fragte, weswegen sie dann zu uns gekommen seien. Lucy, ein Mädchen mit langer blonder Mähne, rümpfte die Nase, was ein wenig eingebildet aussah, und meinte hochnäsig: „Sicher nicht um mit dir zu sprechen.“ Ich sah, wie Colin Lucy nachäffte, was die Anderen aus meinem Team zum Lachen brachte.

Als ich die Jungs aus dem Team ansah fragte ich mich, ob ich auch mal so gewesen war. Hatte Jack recht und ich wurde immer schneller erwachsener? Hab ich über sowas auch mal gelacht? Vermutlich, doch gerade kam mir dieses Verhalten einfach nur kindisch vor! Stirnrunzelnd wanderte mein Blick wieder zu den beiden Mädchen, welche sich stumm zu Colin gedreht hatten.

Rachel warf ihre ebenfalls blonden Haare in den Nacken und sah mit ihren großen Augen zu mir. „Jazz, wir haben gehört du hast noch niemanden für den Ball nächste Woche… Wir wollten dich fragen, ob du mit einer von uns beiden gehen möchtest.“ Ich blinzelte einige Male und sah die beiden jungen Frauen an. „Habt ihr keinen gefunden“, fragte ich verwirrt und konnte es mir gar nicht vorstellen, redete ich schließlich mit zwei sehr beliebten Cheerleaderinnen!

Lucy winkte ab und erklärte: „Ach, weißt du, für dich würden wir die Verabredungen sausen lassen…“ Sie zwinkerte mir leicht zu und spielte an ihren Haaren. Was war ich meiner Mum dankbar für ihre Strafe und so konnte ich ohne schlechtes Gewissen einfach ablehnen. Entsetzt sahen mich die beiden an und als sie nach dem, warum, fragten erklärte ich: „Hab Zuhause großen Mist gebaut und die Strafe meiner Mutter war, dass ich nicht auf den Ball darf…“ Entsetzen war in den Gesichtern der beiden abzulesen und fast hätte ich gelacht. „Ist das dein Ernst“, fragte Rachel verblüfft und Lucy meinte gleich, ich würde sie verarschen.

„Es ist mein Ernst. Ich darf nicht gehen. Sorry“, meinte ich ehrlich zu ihnen und nachdem ich erneut sagen musste, dass meine Mutter sich sicherlich nicht umstimmen ließe, gingen die beiden wieder zu den Anderen.

Colin blickte mich mit unergründlichen Augen an und fragte: „War das jetzt eine Ausrede, weil du die beiden nicht magst?“ Während er sprach drehte er seine Basecap nach hinten und lehnte sich auf dem Tisch zu mir herüber. Ich schüttelte den Kopf und erklärte: „Ich hab Scheiße gebaut und das ist wirklich die Strafe dafür…“

Zack beugte sich zu mir und fragte verschwörerisch klingend: „Kannst du uns dann wenigstens Alkohol besorgen… für die Bohle.“ Ich grinste ihn an und nickte leicht, was allen ein breites Grinsen auf die Lippen zauberte.

„Versuch deine Mutter vielleicht doch noch weich zu kriegen“, schlug mein Teamkollege vor, der mir gerade Mathe erklärt hatte. Ich zuckte unschlüssig mit den Schultern und meinte, ich könne es ja noch mal versuchen. Alle, außer Eric, redeten auf mich ein, dass ich auf jeden Fall dabei sein musste. Warum genau verstand ich nicht, doch freute ich mich zu sehr, dass meine Freunde meine Anwesenheit schätzten.
 

Während der Pause verschwanden Eric und ich ohne viel Aufsehen zu erregen aus dem Gebäude und gingen schon vorab zum Baseballplatz. „Traurig wegen dem Ball“, fragte Eric leise und ich schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich“, erwiderte ich leise und grinste kurz. Amüsiert betrachtete mich Eric und sagte: „Zoey ist da ganz heiß drauf… Mir wäre das ja auch nicht so wichtig.“ Verstehend nickte ich leicht und grinste, während ich mich fragte, was an so einem komischen Abend so toll sein sollte. Wir schwiegen als wir die Umkleide betraten, doch als ich die Tür hinter uns verschlossen hatte und alleine mit ihm war, sah Eric mich auffordernd an. Ich seufzte schwer und begann mich umzuziehen, während ich schweren Herzens begann mit der Wahrheit herauszurücken: „ Eric, es ist gerade…echt scheiße. Dad ist ziemlich….brutal drauf.“

Ich beendete den Satz und schwieg, wusste nicht genau, wie ich weitersprechen sollte. Eric betrachtete mein Gesicht und schien schwer zu seufzten. „Schlägt er dich“, fragte er vorsichtig und nach langsamen ringen nickte ich und schaffte es nicht in die klaren Augen meines besten Freundes zu sehen. Laut ausatmend betrachtete Eric mich an und schien wohl ein wenig überfordert. Seine Augen wanderten durch die Umkleide und blickten ab und zu in mein Gesicht.

„Weiß er es… also, dein Liebster“, wollte er leise von mir wissen und schnell nickte ich. Ich setzte mich auf die Bank und ließ mein Shirt durch die Hände gleiten. Ich sah auf den grauen kalten Fliesenboden der Umkleide und dachte nach. „Will dein Lover deinen Dad nicht zur Sau machen“, fragte Eric ruhig und setzte sich neben mich. Ich nickte leicht und als ich zu ihm sah schlich ein kleines Grinsen über mein Gesicht. „Hat er schon“, erklärte ich leise. Obwohl wir alleine waren erhob ich die Stimme nicht, während ich berichtete, was Jack alles Zuhause getan hatte und weswegen er so reagiert hatte. Ich glaubte nicht, dass Eric alles verstand, doch er versuchte es und das war das, was zählte. Unschlüssig knetete er seine Hände und meinte leise, aber ernst: „Trotzdem soll dein Alter sowas nicht machen, da kann ich den Typen schon verstehen! Ich glaub nur nicht, dass ich gegen deinen Dad ankommen würde…. Was macht denn deine Mum?“

Durchamtend sah ich ebenfalls hinunter zu meinen Händen. Es war das eine, mein Geheimnis zu offenbaren, etwas gänzlich anderes meine Mutter zu verraten. Ich konnte es nur Verrat nennen, denn genau das war es für mich. Schon, dass ich Jack davon berichtet hatte war mir schwer gefallen. Sollte ich es nun auch noch Eric verraten?

„…. Ich glaube, sie hat Angst vor meinem Vater… und will es nicht so wirklich sehen, aber ich weiß es nicht genau…“, meinte ich leise und fand, dass dies die diplomatischste Antwort war und stellte erneut fest, dass ich sie in Schutz nahm. „Oh man… Echt Jazz, ist doch alles scheiße!“ Zustimmend nickte ich und wusste nichts zu sagen. Nach einem Moment dachte ich an Jacks Worte und musste tatsächlich kurz grinsen. Erklärend sagte ich zu Eric: „Jack meinte, ich soll meinen Vater schlagen. Also richtig schlagen und ihn dann fragen, ob er das toll findet…“ Eric lachte und meinte zustimmend: „Das wäre jedenfalls eine Idee… Das müsste dein Alter doch verstehen!“ Ich grinste leicht und nickte, sagte Eric jedoch nicht, dass ich genau davor irgendwie Angst hatte. Wie würde er darauf wohl reagieren? Sicher nicht mit Beifall. Also nickte ich leicht und zog mein T-Shirt über. „Ich weiß, warum du nichts sagst, Jazz. Ich könnte auch nicht einfach auf meinen Vater einschlagen… Wobei meiner mich auch nicht schlägt“, murmelte Eric leise und schnürte sich die Turnschuhe zu.

„Wenn es zu schlimm wird, kannst du kommen, dass ist klar, ne… vielleicht solltest du dir Hilfe suchen… schon mal an das Jugendamt gedacht“, fragte er leise und unschlüssig schien er über seine Antwort zu sein. Ich nickte leicht und meinte: „Eigentlich nicht… Ich will nicht, dass er mich auf die Straße setzt und in ein Heim oder so eine komische Wohngruppe will ich erst recht nicht…“

„Zieh doch zu deinem Nachbarn“, meinte Eric unschlüssig und ja, dies wäre mir nur recht, wenn ich ehrlich zu mir war.

„Jack hilft mir schon wo er nur kann. Außerdem würde da meine Mutter nicht mitspielen. Ich muss mir da selbst noch Gedanken machen… komm, lass uns lieber etwas Spielen. Jack will übrigens zu unserem nächsten Spiel kommen“, sagte ich und verließ mit Eric die Umkleide. Überrascht sah er mich an und grinste erfreut. „Wie cool! Dann sehe ich den auch endlich mal“, meinte Eric schmunzelnd. „Ich wollte sowieso, dass ihr euch mal trefft“, sagte ich grinsend und gespielt geschmeichelte blickte Eric zu mir.

Er grinste frech und meinte: „Oh… Soll ich ihn dann unter die Lupe nehmen und schauen, ob er auch wirklich gut genug für dich ist?“

Lachend sagte ich: „Das hat Jenny schon gemacht.“ Lachend betraten wir das Feld und als ich mich umsah, freute ich mich, dass ich endlich wieder spielen konnte. Die Sonne schien, es hatte mehrere Tage nicht geregnet. Perfekte Bedingungen zu spielen. Während wir auf den Rest des Teams warteten, schien Eric über etwas nachzudenken. Als ich ihn leicht grinsend fragend ansah, meinte er: „Was würdest du davon halten, wenn wir mal mit deinem Jack Zelten gehen?“ Überrascht sah ich Eric an und dachte über seinen Vorschlag nach. Ich grinste leicht und je länger ich über diesen Vorschlag nachdachte, desto mehr gefiel er mir. Ich grinste breit und nickte, während ich antwortete: „Klar, ich frag ihn. Von mir aus gerne!... Ich weiß nur nicht, ob meine Mum das zulässt, nachdem ich abgehauen bin…Ich denke, dass wird nichts werden“ Dass von Eric der Vorschlag kam freute mich umso mehr, es zeigte mir, dass er wirklich hinter mir stand. Auch, dass ihn mein Leben interessierte, gehörte Jack doch irgendwie nun dazu. Wir redeten darüber wann und wo wir Zelten könnten. Sicher nicht in nächster Zeit, doch sollten sich die Wogen geglättet haben, wollte ich meine Mutter fragen.

Während der Rest der Mannschat auf uns zukam, erhielt ich eine Nachricht von meiner Mutter. Sie wollte mich tatsächlich nach der Schule abholen. Fast schon starrte ich mein Handy perplex an. Wieso tat sie den sowas? Sollte ich mich darüber freuen?

Doch viel Zeit darüber nachzudenken hatte ich nicht, denn als Captain des Baseballteams hatte ich gegenüber meinem Team eine gewisse Verantwortung, welche ich in der letzten Woche mehr wie schleifen gelassen hatte. Doch während wir trainierten, kam ich nach und nach immer schneller in meine Form zurück und meine Laune steigerte sich ziemlich! Ich versuchte den Rest so anzuspornen, dass wir das nächste Spiel gewinnen! Wollte ich mich doch nicht vor Jack blamieren!

Da es ein sonniger Tag war, kamen ab und zu andere Mitschüler vorbei und schienen uns zu beobachten. Meistens Mädchen, die vermutlich den ein oder Anderem im Team „Süß“ fanden.
 

So kam es, dass ich nach dem Baseballtraining auf meine Mutter wartete. Ich hatte nicht geduscht und wartete draußen auf sie. Vermutlich hatte sie Angst ich würde sonst einfach zu Jack verschwinden. Eine berechtigte Sorge. Also wartete ich auf ihren Wagen.

Während ich wartete, sah ich wie Tobey auf mich zugelaufen kam und ich verdrehte innerlich die Augen. Ich hatte keine Lust auf ihn! Irgendwie wollten heute alle was von mir! Ich war doch nur eine Woche lang „krank“ gewesen.

„Jazz“, hörte ich seine Stimme und als er vor mir stand grinste er mich breit an. „Gehst du wirklich nicht zum Schülerball oder willst du nur nicht mit einem Mädchen gehen“, fragte er mich breit grinsend und blickte mich erwartungsvoll an. Ich seufzte gequält auf und sah in sein fröhliches Gesicht.

„Ist doch egal warum, aber ich darf nicht. Meine Mum hat es mir verboten. Ich kann eh nicht tanzen“, meinte ich und klang extra unfreundlich. Es war unfair, doch ich hatte gerade keine Lust zu reden. Doch dies schien ihn nicht zu belasten, denn übermütig meinte er: „Du kannst ja auch mit mir gehen!“ Ich drehte mich genervt von ihm weg und sah, wie andere meiner Teamkollegen auf uns zugingen. Ihr Taschen geschultert und gut gelaunt. „Werde ich nicht. Ich darf gar nicht hin. Jetzt verschwinde“, zischte ich ihm böse zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Warum ging er nicht einfach?!

Doch statt zu gehen sah er mich weiterhin einfach nur an. Als Colin zu uns trat, sagte er mit gedehnter Stimme: „Man Jazz, musst du den immer anlocken? Versprühst du so einen Duft oder was?“ Von Tobey zu Colin blickend, ratterte es in meinem Kopf. Sollte ich dazwischen gehen oder nicht, wenn es weiterging?

„Lass gut sein, Colin“, meinte ich diplomatisch und legte meine Hand auf seine Schulter und wollte mit ihm und den Anderen in Richtung Bushaltestelle gehen. Doch auf einmal hörte ich Tobeys genervtes aufseufzten und böse funkelte er mich an. „Jetzt sollen sie es gut sein lassen, Jasper? Du hast doch nur Angst“, begann er mit fast schon quietschender Stimme und einige aus dem Team fingen an zu kichern, „sie sollen mich in Ruhe lassen. Ist ja sooo nett von dir, du toller Hecht! Das machst du trotzdem nur aus Angst, ich könnte jemanden dein kleines Geheimnis verraten! Du meinst doch immer, ihr alle aus eurem beschissenen Baseballteam seit sooo gute Freunde. Mal schauen, ob das stimmt!“ Mir wurde kalt und heiß zugleich und fast schon erschrocken blickte ich in sein wütendes Gesicht. Er sollte den Mund halten! Er sollte nicht weitersprechen! Doch leider kam ich nicht schnell genug an ihn heran. Ich war wie gelähmt. „Eurer toller Capitian ist schwul! Und ja, ich bin mir da sicher! Wir haben ja schließlich schon rumgemacht!“

Schweigen legte sich über uns und alle starrten mich und Tobey an. Rumgemacht?! Was laberte er für einen Scheiß, oder war das Wunschdenken? Ich konnte nicht anders, als ihn fassungslos anzustarren. Die Augen der Anderen hafteten an mir. Doch plötzlich hörte ich Erics Lachen hinter mir und als er neben mich trat, sah er Tobey bitter böse an und meinte: „Klar, als ob. Ja, ich hab auch schon mit ihm rumgemacht. Das haben wir alle. Vielleicht war das ein Tagtraum. So ne Behauptung solltest du schnell wieder zurücknehmen, sonst könnte es echt ungemütlich werden!“ Als ich mich gefangen hatte, wanderte mein Blick zu Eric, welcher Tobey immer noch böse anfunkelte.

„Steh endlich dazu, Jasper“, meinte Tobey direkt an mich gewandt und sah mir in die Augen. Was sollte ich jetzt machen? Ich versuchte meine Panik nicht nach außen sichtbar zu zeigen und dankbar war ich, dass Eric mir zur Seite stand. „Wozu soll ich bitte stehen. Das du komische Tagträume hast“, versuchte ich eisig zu sagen und zuckte mit den Schultern. Wieso tat er das? Abgesehen davon, dass es vollkommen unverschämt war, stand es ihm nicht zu! Es war meine Entscheidung wann ich mich vor anderen oute und nicht die Entscheidung von ihm, oder wen anders! Doch wütend war Tobeys Gesicht und ich wusste, ich hätte ihn vermutlich nicht die letzten Wochen so eisern ignorieren sollen. Denn scheinbar platze die angestaute Wut aus ihm heraus.

Colin trat neben mich und spuckte Tobey wütend entgegen: „Nimm das bloß zurück, Schwuchtel! Sonst kriegst du richtig Probleme mit uns, ist das klar? Sieht Jazz irgendwie schwuchtelig aus, so wie du?!“ Erschrocken blickte Tobey zu mir als Colin, welcher gut ein bis zwei Köpfe größer war als er, zu ihm kam. Doch obwohl ich ihn noch aufhalten wollte, reagierte mein Körper nicht auf mich. Er hatte übertrieben und wenn ich mich nun vor ihn stellen würde, würde ich mein Gesicht verlieren und das wollte ich nicht! Ich hatte genug andere Probleme, da brauchte ich nicht noch sowas!

Ich wollte nicht, dass sie Anderen es wussten. Ich war ohnehin schon Schulgespräch wegen diesem bekloppten Ball, da brauchte ich nicht auch noch solche Gerüchte aufkommen lassen. Doch Tobey war mutiger, als ich dachte, oder vielleicht auch dümmer, denn er ließ nicht locker: „Euer toller Captian ist schwul! Wir haben schließlich schon geknutscht!“ Wie viel er in das kleine Küsschen hineininterpretierte war schon erstaunlich, doch konnte ich dies hingegen nicht korrigieren. Was sollte ich auch sagen?! War nur ein kleiner Schmatzer?

„Klar, als ob. Selbst wenn Jazz schwul wäre, wärst du sicher nicht sein Typ“, meinte Eric eisern und nie war ich ihm dankbarer. Colin blickte fast schon angewidert zu Tobey und sah dann mich an.

„Jasper…wir sollen ihn ja eigentlich in Ruhe lassen, aber hey… Können wir ihm jetzt das Maul stopfen? Der nervt!“ Ich wusste, wenn ich nun ja sagen würde, würde ich Tobey den Anderen quasi vorwerfen. Doch wenn ich nun einen Rückzieher machen würde, würde es Fragen aufwerfen. Fragen die ich nicht beantworten konnte!

Es war ein innerer Kampf, welche moralische Instanz war größer? Der Selbstschutz, oder der Schutz eines Dritten? Ich schluckte schwer. Leicht war es nicht, diese Entscheidung zu treffen. Ich hatte das Gefühl ein Engel und ein Teufel säße auf meiner Schulter und beide flüsterten mir Sachen ins Ohr, welche beide richtig waren. Es war nicht richtig, Tobey war schwach und würde sich gegen keinen wehren können. Auf der anderen Seite, war er so sehr in meine Privatsphäre eingedrungen, dass mir eigentlich alles egal sein sollte. Wenn ich ihm half musste ich dazu stehen, ob ich wollte oder nicht. Als ich in die Gesichter der Anderen blickte erkannte ich, dass es hier anders war als in Arlington oder bei meiner Schwester. Hier würde keiner sagen, wie süß es sei, dass ich schwul war! Die meisten würden es nicht verstehen. Vielleicht, weil sie es abstoßend fanden, oder weil sie noch nicht reif genug waren.

Doch letztlich wollte ich einfach nicht mein Gesicht verlieren und so nickte ich. Mit fast schon freudigem Gesicht ging Colin auf Tobey zu, die Fäuste geballt. Zwei andere aus dem Team gingen mit und schnappten sich den quietschenden Jungen. Ich drehte mich etwas weg und hörte ihn schmerzvoll schreien. Ich hörte das dumpfe aufprallen der Fäuste. Gequält schrie Tobey auf und jammerte, sie sollen aufhören. Als ich meinen Blick zu ihnen wandte, sah ich, wie die zwei ihn festhielten und Colin auf ihn einschlug. Tobey blutete aus der Nase. Erschrocken riss ich die Augen auf, als ich ihn so sah. Ich war doch kein Unmensch! Ab und zu ein kleines Arschloch, doch nicht sowas! Nie hätte ich sowas von mir erwartet und war selbst erschrocken von mir. Als ich sah, wie Colin erneut zum Schlag ansetzt, rief ich laut und bestimmend: „Schluss jetzt! Es reicht. Ich denke er hat verstanden!“ Ich schaute in Tobeys verweintes und blutiges Gesicht und Mitleid überkam mich, als sich unsere Blicke begegneten.

Colin ließ die Faust sinken und grinste dreckig. „Vermutlich steht der doch darauf, so feste angepackt zu werden. Tun doch alle Schwuchteln“, meinte Colin dreckig lachend und am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen. Und mir selbst auch! „Rede keinen scheiß, Colin“, meinte ich finster und blickte Tobey an, „ihr solltet euch beeilen, der erste Bus ist schon weg. Ich warte auf meine Mum…“ Breit grinsend nickten die Anderen und alle gingen langsam zum Bus, nicht ohne Tobey noch Gemeinheiten an den Kopf zu werfen. Eric schwieg und blickte mich noch fragend an. Ich nickte ihm leicht zu und deutete ihm an, den Anderen zu folgen. Er hatte mir genug geholfen.

Als die Anderen weit genug weg waren, hockte ich mich vor Tobey und betroffen sah ich ihn an. Verzweifelt klang meine Stimme, als ich leise fragte: „Musste das sein, Tobey… Wieso hast du das gemacht?“ Mit verweinten Augen blickte er mich an und immer noch blutete er aus der Nase. Ich kramte in meiner Sporttasche nach meinem Handtuch und reichte es ihm schweigend.

Es schien, als wäre er unsicher, ob er das Handtuch annehmen sollte oder nicht. Letztlich nahm er es mir ab und drückte es gegen seine wohl scherzende Nase.

„Wieso stehst du nicht dazu“, murmelte er leise und strich sich durch die tränennassen Augen. Schwer seufzend entschied ich mich flüsternd und ehrlich zu antworten: „Weil ich noch nicht will, dass die Anderen wissen, dass ich schwul bin. Ich möchte entscheiden, wann ich es den Leuten sage Tobey… Ich bin… ehrlich beeindruckt wie offen du damit umgehst, aber ich kann das nicht.“ Es schien als beruhigten ihn meine Worte und auch, dass er sich ein wenig darüber freute, denn ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

„Meinst du das ernst…“, nuschelte er und drückte mein Handtuch an sein Gesicht, „dass du beeindruckt von mir bist…?“ Schwer seufzend setzte ich mich neben ihn auf dem Boden und betrachtete den schmalen Jungen. Ich nickte leicht und sagte ruhig: „Schon ein wenig, ja. Trotz all dieser Scheiße stehst du da einfach hinter, egal was die anderen sagen… Irgendwann werde ich das sicher auch so gut können, aber ich brauch dafür einfach mehr Zeit wie du, Tobey…“

Seine Augen blitzen kurz in meine Richtung und er nickte leicht und tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass er verstanden hatte, was ich ihm sagen wollte.

„Hast du einen Freund“, wollte Tobey nach einem Moment der Stille wissen und unschlüssig, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, blinzelte ich einige Male. Schwer ausatmend nickte ich leicht und sah, wie auch Tobey leicht nickte.

Leise nuschelnd meinte er: „Ich glaub du hast es nicht so ganz gemerkt, aber irgendwie steh ich auf dich...ein wenig.“ Ich schmunzelte leicht und schaffte es nicht den Sarkasmus aus meiner Stimme zu verbannen, als ich erwiderte: „Echt? Wäre mir nicht aufgefallen…“ Ich sah wie Tobey grinste und als ich noch was sagen wollte, hörte und sah ich das Auto meiner Mutter.

Von dem Auto zu Tobey blickend meinte ich: „Meine Mum ist da… ich muss eigentlich los… Sollen wir dich irgendwo vielleicht absetzten?“ Gemeinsam erhoben wir uns und unschlüssig wippte Tobey von einem Bein zum Anderen. „Wenn es deine Mum nicht stört…“, sagte er leise und gemeinsam gingen wir zu dem Auto meiner Mutter.

Entsetzt sah sie aus, als ich mit dem blutverschmierten Tobey zu ihr ging. Besorgt stieg sie aus und fragte gleich: „Was ist passiert?“ Schnell erklärte ich, dass ihm ein Baseball hart im Gesicht erwischt hatte. Tobey schwieg bei meiner Lüge und nickte sie nur ab. „Können wir ihn nach Hause fahren? So sollte er sich nicht in den Bus setzten…“ Zustimmend nickte meine Mutter und fragte Tobey gleich wo er den wohne.

Während Tobey meiner Mutter die Adresse mitteilte, beobachtete ich sie. Sie wirkte so normal, als sei nichts geschehen in den letzten Monaten. Doch ich wusste, dass es nur noch Schein war. Schweigend saß ich im Auto und ließ mir die Geschehnisse von eben noch einmal durch den Kopf gehen. Nie hätte ich sowas von mir erwartet! Das ich wirklich zuließ, wie jemand anderes in meinem Namen verletzt wurde! Ich wollte nicht so ein Arschloch sein! Nachdem wir Tobey nach Hause gefahren hatten, wollte ich am liebsten zu Jack um mit ihm darüber zu sprechen, doch noch während ich darüber nachdenken konnte, verbot mir meine Mutter es.

„Denk nicht mal daran zu diesem komischen Nachbarn zu gehen“, meinte sie und versuchte tadelnd zu klingen. Doch immer mehr ließ es mich kalt, was sie sagte. Ich zuckte mit den Schultern und blickte ihr fast schon trotzig in die Augen. Sie bemerkte meinen Blick und schien tatsächlich kurz verunsichert. Es machte mich fast schon sprachlos, dass sie einem fremden Jungen mehr Zuwendung zeigen konnte als mir! Langsam aber sicher verstand ich Jacks Haltung meiner Mutter gegenüber. Es sollte nicht heißen, dass ich sie nicht liebe, dennoch war ich enttäuscht von ihrem Verhalten. Auch meine Mutter schien stur zu bleiben, denn die Arme verschränkend sagte sie streng klingend: „Der tut dir nicht gut! Du wirst viel zu frech, junger Mann!“

Ich schnaubte und stieg die Treppe langsam hinauf und sagte: „Warum? Weil ich mal mache was ich will? Ist dir doch sonst auch egal.“

„Hör auf so frech zu reden, Jasper Hale“, meinte sie streng, doch tatsächlich beeindruckte es mich nicht. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und fragte sie: „Wieso hast du nicht gefragt, weswegen ich eigentlich gegangen bin? Interessiert es dich nicht?“

Schwer ausatmend sah mich Mutter an und meinte schnell: „Ich weiß, dass du derzeit mit deinem Vater Probleme hast. Die haben wir beide. Wir müssen nur das Beste machen… Dein Vater ist kein Monster und ich will nicht, dass du sowas in der Nachbarschaft erzählst!“ Perplex sah ich sie an. Ging es denn jetzt nicht schon wieder nur um sie? War sie wirklich so sauer, dass ich mich jemandem anvertraut hatte? Es schien fast so… „Warum ist er kein Monster“, fragte ich nüchtern und stellte just in dem Moment fest, dass Jack wieder mal mein Verhalten verändert hatte. Ich regte mich nicht so sehr auf, versuchte es tatsächlich nüchtern und distanziert zu betrachten.

Verwirrt durch meine Frage blickte Mutter mich einen Augenblick stumm an. Sie kannte solch ein Verhalten von mir nicht. Wir sahen einander stumm an und wütend verschränkte ich die Arme vor der Burst. „Dein Vater ist kein Monster! Hör auf, sowas herumzuerzählen, Jasper. Das hat mich enttäuscht“, sagte sie und versuchte stur zu schauen. Fassungslos sah ich sie an. Ich schüttelte abweisend den Kopf und ging weiter die Treppe hinauf, welche in der Stille laut quietschte. „Du gehst trotzdem nicht zu diesen Menschen. Ich soll dich schützen, hat er gemeint, dann fange ich jetzt damit an!“ Nüchtern betrachtete ich Mutter und schüttelte nur den Kopf. Solch ein Verhalten hätte ich ihr nicht zugetraut! Doch wollte ich nicht noch mehr Streit provozieren und so nickt ich wiederstrebend. Es schien keinen Sinn zu haben mit ihr zu sprechen.

Genervt schrieb ich Jack eine SMS, dass ich heute vermutlich nicht zu ihm kommen könnte. Schnell schrieb er einfach nur ein okay zurück…

Ich schmunzelte, als ich seine Nachricht sah, selbst per SMS war er kein Mensch der vielen Worte.

(Nicht) wie er....oder?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Schmerzhafte Erfahrungen

Es war ein wohltuender Schlaf, in den ich gefallen war. Als ich aufwachte, stellte ich fest, dass Didi dieses mal nicht zu uns hinaufgesprungen war. Jedoch war Jacks Bettseite verwaist, was mich vermuten ließ, dass er mit dem Hund bereits aufgestanden war. Ich drehte mich noch einige Male, bis ich mich dazu entschied aufzustehen. Schließlich musste ich in die Schule.

Ich ging an Jacks Kleiderschrank und stellte fest, dass er Recht hatte. Tatsächlich hatten viele meiner Klamotten stillschweigend den Weg in Jacks Haus gefunden. Eigentlich gehörte mir ein ganzes Fach! Ich schnappte mir ein frisches Oberteil, neue Unterwäsche und eine Jeans und zog mich schnell an.

Jack war in seiner kleinen Küche am werkeln. Kochen konnte Jack nicht wirklich, häufig machte er sich einfach nur eine Dose auf und wärmte das Essen auf, doch Kaffee machte er sich jeden Morgen. Immer noch müde und mit verschlafenen Augen betrat ich den kleinen Raum. Hier stand nie viel herum. Auf der Anrichte hatte die Kaffeemaschine neben einem Toaster Platz, vermutlich die zwei am meisten verwendeten Gegenstände in der Küche.

Jack reichte mir einen Kaffee, während er selbst einen Schluck trank. Wir saßen einander stumm gegenüber und ich lächelte leicht. Wieder hatte mir Jack Asyl gewährt. Sicher machte es ihm nichts aus, doch war ich dennoch dankbar. „Danke Jack“, meinte ich plötzlich in die Stille hinein. Fragend betrachtete mich Jack und schien wissen zu wollen, weswegen ich ihm dankte. Vermutlich war er ganz woanders mit den Gedanken. Ich schmunzelte in meine Tasse und ohne ihn anzusehen erklärte ich leise: „Na ja, danke eben… dass du gestern da warst. Mal wieder. Mir geholfen hast, mal wieder… Das wird irgendwie so ein Kreislauf…“ Amüsiert nickte Jack und trank kommentarlos seinen Kaffee. Ob er mir eigentlich in dem Maß so viel helfen wollte? Schließlich hatte er auch noch viel zu tun und ein eigenes Leben. Pläne, welche er verfolgte und an dessen Umsetzung ich ihn vielleicht störte. Vorsichtig bat ich ihn deswegen: „Wenn es zu viel wird Jack, also, wenn du meinst ich soll mir selbst helfen, dann sag das bitte.“

„Du bist für mich keine Belastung“, stellte Jack fest und sah mich fast schon entrüstet an. Unsicher blickte ich ihn an und meinte leise: „Ich hab aber manchmal das Gefühl, ich wäre es. Immer ist irgendwas und ständig musst du mir helfen. Ich will das so gerne einfach mal alleine hinbekommen.“ Jack seufzte schwer und schien kurz über eine passende Antwort nachzudenken. Umsichtig begann er leise zu sagen: „Nur, weil du Hilfe benötigst, bist du keine Last oder abhängig von mir. Ich habe auch öfter mal Hilfe in Anspruch genommen.“ Ich nickte leicht, doch erwiderte ich: „Ich will es trotzdem einfach mal alleine schaffen… Ich bin nicht… Ich will mir mal selbst helfen, wenn du verstehst, was ich meine.“

Jack nickte leicht und ich hoffte wirklich, dass er mich verstand! Vielleicht sollte ich wirklich mal darüber nachdenken, Hilfe von außen zu holen. Das Jugendamt anfragen… ging das nicht auch anonym? Doch dies war meine Entscheidung und etwas, was ich nicht mit Jack besprechen wollte. Ich wollte weg von diesem schwierigen Thema und so dachte ich an Eric und berichtete ihm von dessen Idee mit uns beiden Campen zu gehen. Ich wollte an schönes denken und dies war durchaus etwas, was schön werden konnte. Belustigt sah Jack mich an und meinte: „Wirklich Campen? Mit Schlafsack und Zelt?“

„Ja campen, also wenn du Bock hast. Aber irgendwie glaube ich auch, dass das nichts wird… Mutter wird es mir nicht erlauben und Dad brauche ich gar nicht erst zu fragen. Aber man kann es ja irgendwann im Jahr mal machen. Irgendwann muss ja nicht nie heißen“, meinte ich nüchtern betrachtet. Zustimmend nickte Jack und während ich mich fertig für die Schule machte, meinte ich unschlüssig: „Ich hoffe, dass Tobey heute da ist. Ich hab immer noch ein schlechtes Gewissen, weißt du?“

Jack nickte leicht und atmete schwer durch. „Hm… sag es ihm, wenn er da ist. Aber so wie du ihn beschreibst glaube ich nicht, dass er da ist...“ Ich schulterte gerade meinen Rucksack und blickte ihn unsicher an. „Meinst du“, fragte ich und verstellte die Riemen, sodass der Rucksack bequemer auf meiner Schulter saß. Jack zuckte mit den Schultern und grinste leicht, während er sagte: „Bin kein Hellseher, Kleiner.“ Ich lachte leise und schlug ihm gegen die Schulter.

Jack drückte mich kurz an sich und raunte: „Und lass dich auch nicht von den Anderen verunsichern. Du willst ja, nehme ich an, dass sie noch nicht wissen, dass du schwul bist.“ Ich nickte und ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Ich wollte unter keinen Umständen, dass ich Probleme in der Schule hatte. Vor allem nicht wegen Tobey…

Ich nickte leicht und öffnete die Tür. Didi kam sofort angelaufen, blieb in der Tür stehen und schien mich erwartungsvoll anzublicken. Er wedelte mit seinem Schwanz und schien vermutlich zu denken, dass ich mit ihm spazieren gehen würde. Ich lachte leise, streichelte den Hund und meinte zu Jack: „Ich glaube der will raus.“

Ich hörte das starten eines Motors und sah eine graue Limousine davon fahren. Die Scheiben waren getönt, sodass man den Fahrer nicht ausmachen konnte. Ich schenkte dem Fahrzeug nur wenig Beachtung, doch als ich zu Jack sah bemerkte ich, dass sich seine Gesichtszüge verhärteten. Erst als sich unsere Blicke trafen schien er mich entspannt zu mustern.

„Vielleicht will der auch nur bei dir sein. Bist schließlich sein zweites Herrchen“, sagte Jack schnell und grinste kurz, „aber ja, ich geh gleich mit ihm.“

„Alles okay? Wirst du wieder paranoid“, fragte ich ihn verwirrt und runzelte die Stirn. Jack lachte amüsierte und winkte ab, während er meinte: „Wann bin ich das nicht, Kleiner?“ Ich ging unsicher seine Veranda herunter. Was war das? Ich winkte Jack noch kurz, ehe ich mich auf den Weg zur Schule machte. Ich konnte noch erkennen, dass Jack Didi wirklich festhalten musste.

Also wollte der Hund wirklich mit mir gehen. Ich schmunzelte und schüttelte nur den Kopf darüber und das Auto verschwand so schnell aus meinen Gedanken, wie es vor der Tür davon gerauscht war.
 

Tobey war nicht da, ich vermutete, dass seine Eltern ihn heute krank gemeldet hatten. Jack hatte also Recht behalten. Als ich auf seinen leeren Stuhl sah überkam mich wieder das schlechte Gewissen. Doch ich wusste, dass ich nur mich selbst schützen wollte. Keiner aus meinem Team sagte etwas über den gestrigen Vorfall. Doch ich glaubte zu bemerken, wie einige mich scheel beäugten. Ob ich paranoid wurde? Ich wusste es nicht. Doch ich hatte das Gefühl, dass genauer darauf geachtet wurde mit wem ich sprach und wie ich die Leute ansah. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Als sei alles wie immer. Doch es war mir unangenehm und ein Gefühl gejagt zu werden machte sich in meinem Inneren breit. Ich wollte nicht, dass irgendwelche Gerüchte die Runde machten. Doch eigentlich hatte sich nicht viel verändert und da mich keiner fragte, sprach ich den gestrigen Vorfall einfach nicht an.

Einzig Eric fragte mich, während wir alleine waren, eindringlich ob ich wirklich nichts mit Tobey hatte. Ich schwor ihm, bei allem was mir heilig war, dass Tobey und ich nie etwas wie eine Beziehung hatten und es auch nie haben würden! Nachdem ich Eric wütend angefahren war, hatte ich auch endlich das Gefühl, dass er mir glaubte und auch er war zornig darüber, was Tobey getan hatte.

„Ich muss mich auch noch bei dir bedanken, Eric“, meinte ich freundlich und grinste ihn etwas schräg an. Er schlug mir auf die Schulter und meinte: „Ach, keine Ursache.“ Doch wusste ich, dass Eric vielleicht nicht nur mein bester Freund, sondern wirklich einer der wenigen Menschen war, von denen man behaupten konnte, dass sie Freunde fürs Leben waren.

Nachdem der Unterricht vorbei war, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Unschlüssig stand ich zwischen den beiden Häusern und wusste nicht, welches ich betreten sollte…

Doch ich wollte nicht immer Schutz bei Jack suchen und wieder fragte ich mich, ob es nicht besser sei das Jugendamt zu kontaktieren.

Mit einem mulmigen Gefühl betrat ich das Haus meiner Eltern. Niemand war da und so konnte ich ungezwungen durch das Haus gehen. Betrachtete erneut die ganzen Familienfotos und konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. Kein Essen war gemacht worden, doch es war mir egal. Ich schmiss eine Pizza in den Ofen und holte meinen Laptop nach unten.

Ich bemerkte, dass Jenny mir eine E-Mail geschrieben hatte. Sie freue sich, dass es mir gut ging und dass sie mich und Jack eigentlich bald gerne wieder sehen würde. Sie verwies auf den Anhang und ich sah, dass dort mehrere Dateien dran gehangen waren. Ich grinste, als ich den Anhang sah. Die Bilder von Jack und mir. Sie waren wirklich schön, auch wenn Jack sein Gesicht zumeist verborgen hatte. So wandte er es meistens ab oder drückte es in meine Halsbeuge, was mich dann lachen ließ. Ich leitete sie gleich weiter an Jack und dachte mir, dass er sich vermutlich auch über die Bilder freuen würde.

Zufrieden speicherte ich die Fotos ab und wartete darauf, dass meine Pizza fertig wurde.
 

In den nächsten Tagen war ich immer wieder gezwungen anderen Schulkollegen zu sagen, dass ich nicht zum Schülerball durfte und nach und nach schienen sich meine Mitschüler daran zu gewöhnen. Keiner meiner Teamkollegen sprach mich darauf an, ob Tobey Recht hatte oder nicht. Dass ich ihnen gesagt hatte, sie sollen ihn verprügeln, schien sie vermutlich wirklich davon überzeugt zu haben, dass Tobeys Worte nur reine Einbildung von ihm waren und langsam nahm das Gefühl von Blicken gejagt zu werden ab.

Als ich Tobey nach einer nervigen Stunde Kunst abpasste, meinte ich leise: „Tut mir echt leid was passiert ist, ja?“ Tobeys Augen weiteten sich und verblüfft sah er zu mir. Er nickte leicht und schien sich verlegen am Kopf zu kratzen. „Ich werde es keinem mehr sagen… das verspreche ich dir“, nuschelte er und tatsächlich lächelte er kurz, „danke Jazz…“ Ich nickte leicht und verschwand schnell. Tatsächlich wollte ich nicht zu lange mit ihm allein gesehen werden.

Doch Jack verhielt sich merkwürdig. Merkwürdiger als er es ohnehin schon tat. Häufig verhing er seine Fenster und wenn wir gemeinsam durch den Supermarkt gingen, schien er noch desinteressierter zu sein, als er es sonst war. Doch immer, wenn ich ihn darauf ansprach, war alles in Ordnung. Ich versuchte ihn zu beruhigen und scherzte herum, dass er wohl immer paranoider werden würde. Jack lachte, wenn ich dies sagte, doch sein Auge blickte weiterhin ernst durch die Gegend.

Ich hatte zudem versucht die Geschehnisse Zuhause nicht an mich herankommen zu lassen, was nur mäßig funktioniert hatte.

Meine Mutter schien ungewohnt vorsichtig mit mir zu sprechen, doch ich mied ihre Anwesenheit gerade. Sprach nur noch das Nötigste mir ihr. Auch Vater schien vorerst ruhig geworden zu sein. Sollte mich das beunruhigen? Ich wusste nicht wirklich etwas mit seiner Drohung mir gegenüber anzufangen.

Die bestellten Handwerker begannen ihre Arbeiten an der Treppe und Krach und Dreck zogen für diese Zeit in unser Haus ein. Wieder machte mein Vater viele seiner „Überstunden.“ Doch jedes Mal, wenn meine Mutter sagte, Dad habe „Überstunden“, wuchs das schlechte Gewissen immer weiter. Es schien regelrecht in mir zu wachsen! Wusste ich doch, dass er in diesen Momenten bei der anderen Frau war. Diese komische Frau, die ich immer verachten würde! Egal, wie nett sie vielleicht auch war. Also versuchte ich mich abzulenken. Trotzdem war das schlechte Gewissen wegen meiner Mutter da. Doch war da auch dieser egoistische Teil in meinem Inneren, welcher sogar fast gehässig war und es meiner Mutter für ihre Gemeinheiten auch gönnte. Doch jedes Mal, wenn ich diese Gedanken hatte, verfluchte ich mich selbst dafür!

Ich versuchte mich abzulenken und schaffte es durch Sport. Tatsächlich begann ich neben dem Baseball immer mehr und häufiger mit Didi und Jack zu joggen. Es machte mir Spaß, auch wenn ich mit Jack nicht mithalten konnte. Das Laufen klärte meine Gedanken und ich schlief besser, wenn ich am frühen Abend während des Laufens meine Gedanken kreisen lassen konnte.

Doch noch immer war Jack komisch und weigerte sich vehement regelmäßig die gleichen Strecken mit mir zu joggen. So kam es, dass ich mehr Parks und Straßen als je zuvor in der Stadt kennen lernte!

Der Schulball fand tatsächlich ohne mich statt, doch ich hielt das Versprechen Alkohol für die Bohle zu besorgen. An diesem Abend schlich ich mich mehr schlecht als recht hinüber zu Jack, denn das Wissen, dass meine Freunde Spaß hatte und ich alleine hier saß, ärgerte mich mehr als ich zunächst dachte. Vater war wieder auf Arbeit und ich vermutete, dass es dieses Mal sogar stimmte, doch konnte ich mir dabei nicht mehr sicher sein. Was meint Mutter tat wusste ich nicht, doch sie hielt mich auch nicht auf, als ich das Haus verließ. Mit dem Schlüssel betrat ich Jacks Haus und wurde gleich laut bellend begrüßt. Didi wurde immer größer und hörte immer mehr auf mich. Er war zwar immer noch ein Welpe, jedoch bei weitem nicht mehr der kleine tapsige Vierbeiner, der einst durch das Loch in meinen Garten geschlichen war. Ich streichelte den Hund, bevor ich mich nach Jack umsah. Jack scherzte immer wieder, ich sei sein zweites Herrchen.

Als Jack mich fragte, ob wir was vorhaben dachte ich kurz über meine Antwort nach, ehe ich sprach: „Ja, doch… Du wolltest mir mal diese komische Kampftechnik zeigen. CQC oder so…“ Das Grinsen, welches auf Jacks Lippen huschte, ignorierte ich. Mit einem okay fing Jack an, die wenigen Wohnzimmermöbel zur Seite zu schieben.

Nun, da wir Platz hatten, betrachtete mich Jack eingehend und meinte: „Ich warne dich, dass wird weh tun.“

„Klar, als ob…“

Ich ließ mich von seiner Warnung jedoch wenig beeindrucken, war ich doch überzeugt davon, dass er mir eh nicht wirklich wehtun wollte. Ich grinste ihn sogar noch leicht an. Wir standen einander gegenüber und Jack meinte gelassen: „ Okay Jazz. Greif an! Egal wie.“ Einen Moment zögerte ich. Ich dachte, ich sollte lernen mich zu verteidigen, nicht lernen, wie man wirklich zuschlägt.

Wollte ich ihn wirklich schlagen und eventuell verletzen? Doch als ich den kräftigen Mann vor mir kurz beobachtete, kam ich zu dem Entschluss, dass ich ihn wahrscheinlich eh nicht treffen würde. Vorher würde er meine Hand vermutlich einfach stoppen. Also machte ich einen Schritt vor und holte mit der Rechten zum Schlag aus. Ich zielte auf sein Gesicht. Jack bewegte sich jedoch keinen Millimeter, beobachtete mich einfach nur, das Auge auf meine Faust gerichtet. Meine Faust kam seinem Gesicht bedrohlich nahe und als sie nur noch wenige Zentimeter davon entfernt war, stoppte ich in der Bewegung. Fast hätte ich ihn wirklich geschlagen!

Jack seufzte theatralisch, schüttelte den Kopf und meinte: „ich wusste, dass du stoppst. Jazz, du musst mich schon treffen wollen. Also sollen wir aufhören Zeit zu verschwenden, kleiner?“ Er betonte das letzte Wort gehässiger und das Grinsen und der süffisante Gesichtsausdruck unterstrichen seine Provokation.

Fast schon beleidigt von dieser Provokation blickte ich ihn erbost, fast schon wütend an. Ich hätte ihm besser eine verpassen sollen! Doch seine Provokation half, denn nun war ich wirklich bereit ihn zu schlagen und so kam mein nächster Angriff mit deutlich mehr Überzeugung. Ich wollte seine Rippen treffen, doch Jack schlug mir von oben auf meinen Arm. Schmerzvoll traf er meine Armbeuge. Mein Schlag glitt an seinem Körper vorbei und ich stöhnte vor Schmerz auf. Jack drehte sich etwas zu meiner Seite und machte den Anschein, als wolle er sich hinter mich schleichen. Doch ich wusste noch von meinem Karatetraining, dass man seinem Gegner niemals den Rücken kehren sollte, also drehte ich mich mit. Ich wollte erneut ansetzen, wollte meine Fäuste heben und auf ihn zugehen, doch soweit kam ich nicht. Jack trat mir schmerzhaft in die Kniekehle und ich sackte stöhnend zusammen und landete schmerzvoll auf den Knien.

Mit einer geschmeidigen Bewegung war er hinter mir und fast noch im selben Moment spürte ich eine seiner großen Hände an meiner Schulter, die mich runter drückte und auf dem Boden hielt. Die andere Hand war blitzschnell an meinem Hals. „Hätte ich ein Messer, wärst du jetzt tot“, meinte Jack gelassen. Und hielt mich weiterhin unten. „Und das sogar lautlos“, fügte er noch hinzu. Mein Puls raste. Dies war alles blitzschnell gegangen, so schnell, wie ich es nur aus Filmen oder Computerspielen kannte. Ich blickte nach oben und sah in Jacks ungerührtes Gesicht. Wie vielen Menschen er wohl so schon das Leben genommen hatte? Waren sie auch nur erschrocken gewesen und konnten nicht mal mehr schreien ehe ihr Leben beendet war?

Doch daran wollte ich gar nicht denken! So was durfte ich mir einfach nicht vorstellen bei ihm!

„Okay, okay. Ich hab es kapiert. Du bist gut“, meckerte ich leise, nachdem Jack seine Hände von meiner Schulter und meinem Hals genommen hatte.

Ich wollte ihn fragen, ob er dies so öfter machte, doch wollte ich nicht einfach plump nachfragen. Während ich mir über die schmerzende Stelle an der Armbeuge strich, fragte ich deswegen: „Deine Spezialität… Lautlos so was zu machen?“ Wachsam wurde Jacks Blick, der mich taxierte und er meinte Kopf nickend: „Ja… Darin war ich immer gut.“ Ich nickte und betrachtete diesen Mann. Vermutlich war sein ganzer Körper eine Waffe. Doch jeder Mensch hatte eine Schwachstelle, man musste diese einfach nur finden.

Diesmal versuchte ich es hinterhältig. Noch während ich aufstand packte ich seinen Arm und drehte ihn um, auf den Rücken. Vater erklärte mir einst, dass das Handgelenk bei eigentlich jedem Menschen eine Schwachstelle darstellte! Jack musste der Bewegung folgen und so hatte ich die Chance ihn zu Boden zu werfen. Ich trat ihm ein Bein weg und tatsächlich stürzte er zu Boden. Triumphierend sah ich zu ihm hinunter und bereitete grade einen gemeinen Spruch vor, doch dies sollte ich büßen.

Das kleine Arschloch unter mir trat mir heftig zwischen die Beine! Dieser elende Mistkerl! Er nahm wirklich keine Rücksicht auf mich. Ich schrie kurz auf und ging ein Stückchen in die Knie und tatsächlich sammelten sich kurz Tränen in meinen Augenwinkeln. Jack packte mich am Kragen und warf mich neben sich auf den Boden. „Arschloch“, jaulte ich gequält auf und versuchte ihn zu schlagen. Wir lagen beide auf dem Boden und ich merkte, dass ich ihm vermutlich wieder unterlegen war! Er drehte seinen Körper und rollte sich auf mich, erdrückte mich fast mit seinem Gewicht! Ich bekam meine Faust frei und so setzte ich zum Schlag an. Das Pochen zwischen meinen Beinen ließ langsam nach. Jack ergriff meine Faust und lenkte den Schlag über seine Schulter, sodass er ins Leere ging. Er drückte meine Hände mit seinem Körpergewicht neben mein Gesicht runter und grinste mich tatsächlich an!

Gerade, als ich den Mund öffnete um was zu sagen, beugte er sich weiter hinunter und küsste mich! Einfach so! Dieser Kuss gehörte überhaupt nicht in die Situation und ich brauchte einige Momente, bis ich verstand, was er gerade tat. Ich erwiderte etwas zögerlich doch das ließ Jack kaum zu. Leidenschaftlich spielte seine Zunge mit meiner und ich spürte, wie es ihm immer mehr gefiel. Langsam löste sich der feste Griff um meinen Handgelenken und seine Hände waren an meiner Wage und hielten sie einfach umschlungen. Es dauerte lange bis Jack sich wieder von meinen Lippen lösen konnte. Ich schnappte kurz nach Luft: „Machst du das immer mit deinen Feinden“, fragte ich nach Atem ringend. Auch er grinste mich an und sagte nur: „ Vielleicht.“

Langsam erhob er sich und reichte mir zum Aufstehen die Hand. Ich zögerte kurz, ehe ich sie annahm. „Zwischen die Beine treten ist total asi“, meinte ich und funkelte ihn böse an. Jack grinste kurz und zuckte mit den Schultern. „Alles ist erlaubt… Ethik spielt beim Kampf auf Leben und Tod keine Rolle mehr.“

„Ja, toll“, raunte ich genervt und strich über die immer noch schmerzende Stelle, „das ist hier aber kein Kampf auf Leben und Tod.“ Ich sah, wie Jack immer noch etwas grinste und es machte mich wütend! Doch ich spürte ihn auch immer noch auf meinen Lippen. Ich wusste nicht, ob ich sauer sein sollte oder nicht. Ich ging wieder in meine Ausgangsposition und sah den Mann, den ich liebte, ins Gesicht. Es dauerte nicht lange, bis wir weiter trainierten. Jack hatte nicht untertrieben, als er meinte, es würde für mich schmerzhaft werden und ich merkte, dass er wirklich nur wenig Rücksicht auf mich nahm. Ich verdiente mir einige blaue Flecken, doch Jack traf ich kein einziges Mal. Erschöpft lag ich am Abend in seinem Bett. Er drückte mich etwas an sich und ich betrachtete einige blaue Flecke auf meinem Arm.

Während ich über einen drüber strich fragte ich ihn: „Wie sieht es aus, kommst du zu unserem Baseballspiel?“ Jack nickte und er raunte mir ein: „Ich hab doch schon öfter ja gesagt“, zu.

„Du versaust dir heute wirklich den Sex… erst der Tritt zwischen meine Beine und nun noch pampig werden…. Pass auf, nachher will ich dich nicht ficken.“ Ich hörte Jack leise lachen und mit einem tiefen Grollen meinte er: „Dann hole ich mir einfach was ich will…“

Lachend schüttelte ich den Kopf und blieb eisern. Dafür hatte er mich heute zu oft zu Boden befördert.
 

Als der Tag kam, an dem wir das Spiel hatten, war ich bester Laune. Ich freute mich, dass Jack kommen wollte. Es motivierte mich! Ich wollte ihm zeigen, wie gut ich war! Schließlich war Baseball mein Element, so wie bei Jack der Krieg oder besser gesagt, das Kämpfen. Ich fühlte mich wohl auf dem Baseballplatz und der Respekt meiner Teamkollegen war mir immer noch sicher!

Ich schaute in die Reihen des Publikums und sah ihn am Rand stehen. Er lehnte sich etwas über einen eisernen Zaun, der das Spielfeld von den Tribünen trennte. Neben ihm stand niemand wirklich, doch es schien, als belastete es ihn kaum. Ich sah, wie er eine Zigarre paffte und seinen Blick durch die Menschenmenge gleiten ließ. Doch ich hatte nur wenig Zeit mich auf Jack zu konzentrieren. Einer der Teamkollegen hatte gerade Streit mit Zack.

Zack hatte bei unseren letzten beiden Trainingseinheiten nicht wirklich gut gespielt, doch ich baute auf ihn! Er war eigentlich unser bester Pitcher. „Jetzt streng dich bloß an Zack, ich hab keinen Bock wegen dir zu verlieren“, hörte ich einen Teamkollegen meckern. Wütend ging ich auf die Beiden zu und zog sie auseinander. „Was ist euer Problem“, meinte ich streng und blickte zu beiden. So gerne ich mein Team auch hatte musste ich bei solchen Sachen raus hängen lassen, dass ich der Teamchef war!

„Wieso spielt Zack! Der hat die letzten Male so viele Bälle daneben geworfen…“, beschwerte sich der Junge und verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich bockig an. Meine Gesichtszüge verhärteten sich und mit Autorität in meiner Stimme sagte ich: „Weil ich finde, dass Zack unser bester Pitcher ist! Auch wenn er ein paar schlechte Trainingseinheiten hatte. Das hier ist ein Teamspiel! Ich hab keinen Bock, dass es wegen solcher Differenzen zu Unstimmigkeiten kommt. Ist das klar?!“ Ich sah, wie der Junge den Mund erneut öffnete um etwas zu sagen, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen: „Ich stehe hinter meiner Entscheidung. Sollte es nicht funktionieren, muss ich schauen was ich dann mache! Zack spielt, Ende der Diskussion. Herrgott noch mal! Benehmt euch nicht wie Idioten! Wir wollen als Team gewinnen, jeder konzentriert sich auf seine Stärken! Du kannst doch auch nicht werfen“ Aufgebracht sah ich die Beiden an. Streng blickte ich den Jungen an, welcher genervt die Augen verdrehte, dann jedoch nickte. Vermutlich hatte er Sorge ich würde ihn auf die Reservebank setzten. Schweigend ließ er uns stehen.

Ich sah zu Zack und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und meinte: „Du schaffst das, Zack. Echt, lass mich nach der Ansage nicht wie einen Idioten dastehen.“ Ich grinste kurz und auch Zack erwiderte das Grinsen, wenn auch nur kurz. Er schien ziemlich nervös zu sein.

Wir waren als erstes dran mit Schlagen und ich stellte mich hin, fixierte den gegnerischen Pitcher und konnte nicht anders, als leicht zu grinsen. Ich liebte Baseball einfach! Ich sah, wie er ausholte und zum Wurf ansetzt, doch er warf zu niedrig! Gut für uns! Doch hatte er noch zwei Versuche richtig zu treffen und der nächste Ball kam gut! Man hörte das Aufschlagen des Balles auf dem Holz und ich hastete los!

Ich wusste, ich hatte nicht so gut geschlagen, dass ich in einer Runde durch kam und stoppte bei der zweite Base. Ich atmete durch und legte die Hände auf die Oberschenkel. Ich sah, wie Eric sich bereit machte. Ich wusste ich konnte mich auf ihn verlassen und wir grinsten einander kurz an. Das Publikum blendete ich immer aus. Es war zwar nicht zu überhören, doch ich konzentrierte mich mehr auf das Spiel. Ich stand da, bereit zum Sprint und als ich den Aufschlag beim ersten Mal vernahm hechtete ich los. Einzig das Ziel, die Base, im Blick!

Wir spielten gut und ich war stolz, dass Jack solch eine Leistung von uns sah! Selbst Zack hatte sich unter Kontrolle! Nur zwei Mal vermasselte er einen Wurf und der Läufer konnte ungehindert zur ersten Base gehen. Doch wir holten Punkte! Viele Punkte. Eric und ich schafften sogar beide einen Homerun und wir wurden beide vom Team dafür begeistert gefeiert!

Das Spiel war zu Ende und ich gab dem Kapitän des anderen Teams die Hand, während ein Mann mittleren Alters zu mir trat. Er reichte mir die Hand und als ich sie schüttelte redete er gleich drauf los. „Hallo. Ich bin Mr. Pestello und komme von der George Mason University aus Virginia. Wir sind noch eine recht junge Universität, wissen Sie.“ Ich kannte die Universität! Sie war eine mit einem sehr guten College-Team! Ich lächelte charmant und hörte dem Mann zu, wie er mir anbot, sich nach dem nächsten Spiel mit mir zu unterhalten. Er würde in mir großes Potenzial sehen und das er sich vorstellen könnte mir ein Stipendium anzubieten. Wir redeten kurz darüber und als er sich verabschiedete, grinste ich Eric breit an! Mein Traum Baseballprofi zu werden wurde immer greifbarer!

Eric und ich gingen in die Umkleide, wo alle von mir wissen wollten ob ich dorthin gehen würde! Ich konnte es mir vorstellen! Wir waren alle bester Laune. Und nachdem wir mit dem Duschen fertig waren, verließen wir die Umkleide. Ich sah Jack sofort. Er saß mit Didi an der Leine auf einer Bank, den Kopf Richtung Umkleide gerichtete, als schien er auf mich zu warten. Er paffte erneut an einer Zigarre und blies den Rauch in die Luft.

Als er uns sah, stand Jack gemächlich auf und schien darauf zu warten, was ich nun vorhatte. Ich drehte mich zu meinen Freunden und Teamkameraden um und sagte: „Ich werde von einem Bekannten abgeholt.“ Sie alle starrten Jack an und Colin sagte vorsichtig: „Ein Bekannter? Wer ist das, Jazz…. Der sieht eher so aus, als ob du Probleme mit dem hast…“ Ich grinste breit und schüttelte den Kopf, während ich erklärte: „Nein… Das ist mein Nachbar, der ist voll okay, auch wenn der jetzt nicht so aussieht.“ Sie nickten leicht und einige nuschelten leise ein okay…

„Wie sieht es aus. Am Sonntag Party bei mir“, fragte Colin und fügte hinzu, „meine Eltern sind dann weg.“ Eric stimmte gleich zu und auch ich grinste leicht, als ich sagte: „Wenn ich darf sofort!“ Wir lachten und scherzten und langsam gingen Eric und ich zu Jack.

Jack schaute Eric entspannt an und freundlich reichten sie einander die Hände. „Freut mich“, sagte Eric lächelnd und Jack nickte. Ich hoffte wirklich, dass die Beiden sich verstanden!

Zerschlagene Hoffnung

Jack lud uns auf eine Pizza ein und während wir drei unsere Getränke hatten, betrachtete Jack stumm Eric und mich. Ich wusste, dass Jack nicht gut darin war Konversation zu führen. Vor allem nicht, wenn es sich dabei um einen „Zivilisten“ handelte. Doch Eric war zu neugierig und fragte Jack Löcher in den Bauch. „Wie war es beim Militär?“ „Wo warst du?“ „Wie hast du das Spiel gefunden?“ „Magst du überhaupt Baseball?“ Es schien fast, als wäre Jack erleichtert, dass Eric von sich aus das Gespräch führte. Er überließ uns beiden den Gesprächsverlauf. Höflich, aber auch ein wenig zurückhaltend antwortete Jack auf die gestellten Fragen.

Vermutlich wusste er auch gar nicht, was Jugendliche in unserem Alter alles bequatschten oder nicht. Doch so höflich Jack auch antwortete merkte ich, dass er sich zurückhielt, doch ich bemerkte es nur, weil ich Jack so gut kannte. Er beobachtete. Vermutlich versuchte er Eric zu analysieren, dass dieser dasselbe bei Jack versuchte, war nur zu offensichtlich.

Stolz berichtete ich davon, was der Herr von der Universität mir gesagt hatte. Jack sagte zwar, dass er sich freute, doch ich hatte den Eindruck, dass er es nicht ehrlich meinte. Doch er sagte nichts weiter dazu. Versuchte sich zu freuen und ich sprach ihn nicht darauf an. Wieso gönnte er mir denn diesen Erfolg nicht?

Eric betrachtete Jack stirnrunzelnd und meinte auf einmal: „Ich weiß, dass das Klischeedenken ist, aber bei dir hätte ich nieeee gedacht, dass du schwul bist, wenn ich dich auf der Straße getroffen hätte. Siehst kein Stückchen danach aus.“ Jack grinste leicht und erklärte: „Also, erstens sieht man es den meisten Menschen nicht an und zweitens bin ich auch nicht schwul, sondern bi. Ich finde Frauen auch attraktiv.“

Eric sah ihn verblüfft an und fragte: „Wie soll das denn richtig funktionieren. Ich meine… da sind doch viel zu viele Unterschiede.“ Amüsiert betrachtete Jack Eric und nickte leicht, was Eric verwundert die Augenbrauen hochziehen ließ.

„Das verstehe ich nicht… Ich meine Frauen sind sicher toll und haben Vorzüge… Ich meine die haben Brüste“, meinte Eric so ernst als redeten die Beiden gerade über Politik. Ich grinste leicht und schüttelte den Kopf, während ich den Beiden lauschte. Auch Jack bestätigte die Aussage und betrachtete die dunkelhaarige Kellnerin. Ich musste seinem Blick nicht folgen um zu wissen wo er hinstarrte. „Ja“, bestätigte er, „Frauen haben Brüste.“ Eifersucht flammte in mir auf und mit meinem Fuß tastete ich nach seinem Bein und trat schmerzvoll davor.

Das Gesicht leicht verziehend wandte Jack seinen Blick zu mir. Eisig sah ich ihn an und schürzte die Lippen. Eric schien in Gedanken versunken und fragte leise, vermutlich aus Sorge Andere lauschten unserem Gespräch: „Und was magst du lieber? Kerle, oder? Ich meine, bist ja mit Jazz zusammen.“ Jacks Auge flackerte zu mir und wieder zurück zu Eric. „Na ja, ich denke ich bin da ziemlich in der Mitte. Ich mag Beides gleichermaßen. Aber weißt du, Begehren hat ja nichts mit Liebe zu tun. Ich kann ja die ein oder andere Frau scharf finden, aber dennoch den Kleinen lieben.“

Belustigt sah Eric zu mir und stellte leise lachend fest: „Der nennt dich Kleiner? Hast du nie gesagt, Kleiner!“ Ich schlug ihm feste gegen die Schulter, funkelte ihn wütend an und sagte: „Jack weiß, dass ich das nicht so toll finde!“

Eric kicherte und wurde dann jedoch von Didi abgelenkt. Er streichelte den kleinen Hund und das Gespräch wandte sich dem kleinen Vierbeiner zu. Wir aßen unsere Pizza und hatten ziemlich viel Spaß zu dritt. Ich war froh, dass Jack und Eric sich verstanden. Nachdem alle aufgegessen hatten bezahlte Jack die Pizza. Artig und höflich bedankten wir uns bei Jack für die Einladung und Eric meinte gleich: „Beim nächsten Mal laden Jazz und ich dich ein!“ Jack grinste leicht und nickte nur, während er der Kellnerin das Geld gab.

Während der Autofahrt änderte sich Jacks Art. Eric spielte mit seinem Handy und bemerkte nicht, dass Jack immer wieder in den Rückspiegel schaute. Seine Augenbrauen verengten sich. Als ich ihn fragend ansah, schüttelte er nur den Kopf.

„Eric, musst du von hier aus noch weit laufen“, fragte Jack nebenbei und Eric blickte sich um.

„Nö“, meinte er gedehnt und schnallte sich schon automatisch ab, „lass mich ruhig hier raus.“ Jack ließ das Auto anhalten. Er reichte Eric noch seine Hand und nachdem Eric mit einem „Wir sehen uns dann Sonntag, Jazz“, das Auto verlassen hatte, fuhr Jack schnell los. Doch nicht zu schnell, als das Eric Verdacht schöpfen würde.

„Was ist los“, fragte ich gleich und war verwirrt.

„Ich hab das Gefühl, dass das Auto dahinten, uns verfolgt…“, meinte Jack und bog in eine falsche Straße ein. Stirnrunzelnd betrachtete ich die Autos hinter uns. „Du vertust dich. Das Auto biegt gerade in eine Hauseinfahrt ein. Und das Auto dahinter ist weiter geradeaus gefahren… Los komm, der Abend war so geil. Hab jetzt nicht wegen sowas Panik…“

Jack betrachtete mich stumm. Was er sich dachte, sprach er nicht aus. „Komm, ich will den Sieg ein wenig feiern Jack. Ich bin in Hochstimmung“, meinte ich lachend und betrachtete den angespannten Mann neben mir. Ich verstand einfach nicht, weswegen er sich immer so schnell sorgte. Es konnte ja nicht die ganze Welt hinter ihm her sein! Jack seufzte schwer und grinste mich dann kurz an. „Okay Kleiner. Ich setz dich Zuhause ab. Ich fahr noch eine Runde um den Block und dann kannst du ja rüberkommen.“ Ich nickte und grinste breit. Das Jack immer so paranoid war, aber es war einfach eine Macke von ihm mit der ich leben musste.
 

Gut gelaunt ging ich nach Hause. Die Renovierung der Treppe war in den letzten Zügen und endlich in der nächsten Woche fertig! Überall lagen noch Holzlatten herum und das Geländer der Treppe war zum großen Teil schon erneuert worden. Tatsächlich war nun auf der Holztreppe Teppich verlegt worden, sodass die Gefahr auszurutschen nicht mehr bestand. Also war sie wirklich kindersicher. Ohne meine Schuhe auszuziehen ging ich die Treppe hinauf, hatte ich doch Sorge in Nägel oder ähnliches zu laufen. Es kam keiner um mich zu begrüßen, doch es hätte mich auch gewundert, wenn jemand gefragt hätte wie das Spiel gelaufen war, ob wir gewonnen hatten oder ob noch was anderes passiert war.

Also stieg ich langsam die Treppe empor und dachte daran, was Jack und ich noch vorhatten. Die Vorstellung zauberte ein leichtes Grinsen auf meine Lippen. Ich sah, dass die Tür meines Zimmers geöffnet war und als ich reinging war ich überrascht. Es war nicht meine Mutter, von der ich annahm sie wollte aufräumen. Es war mein Vater. Er saß an meinem Schreibtisch und als er sich zu mir umdrehte, hätte sein Blick nicht mörderischer sein können. Was schnüffelte er hier bitte herum? Verwirrt sah ich ihn an, ließ langsam die Tasche sinken und stellte sie neben meinem Bett ab. „Hi“, sagte ich fragend und runzelte die Stirn als ich ihn betrachtete.

Wieso war er an meinem PC!? Was suchte er hier? Gerade, als ich fragen wollte was er an meinem PC gesucht hatte, stand er auf und kam mit langen Schritten auf mich zu. Immer noch schwieg er und sagte nichts zu mir. Doch sein versteinertes Gesicht ließ nichts Gutes erahnen. Ich wollte die Hände heben um ihn wegzustoßen, doch blitzschnell hatte sich seine Hand um meinen Oberarm gelegt. Was zum Teufel war hier los?!

Ich stöhnte schmerzvoll auf und keuchte, versuchte dagegen anzukommen, doch er hatte mehr Kraft als ich! Mit einer schnellen Bewegung hatte er mir meinen Arm auf den Rücken gedreht und schmerzvoll verdrehte er mein Handgelenk. „Was soll der Scheiß“, rief ich aufgebracht und schaffte es nicht mich aus dem Polizeigriff zu wehren!

„Was der Scheiß soll? Das fragst du noch… da du doch meinst mich in der Hand zu haben. Und du dir auch noch Unterstützung geholt hast dachte ich mir, ich schau mal was du so treibst…Ob ich was gegen dich finde. Um mir dein Scheiß arrogantes Grinsen nicht mehr anzutun! Und dann hab ich mir deinen Internetverlauf genauer angesehen…und noch etwas mehr“, knurrte er mir kalt und leise ins Ohr, „da war wohl einer zu dumm den Laptop mit einem Passwort zu versehen…“ Eisige Schauer liefen mir den Rücken hinunter und ein Kloß bildete sich in meiner Magengegend. Nie war irgendwer von meiner Familie an meinem PC gewesen, natürlich sicherte ich ihn nicht! Ich konnte erahnen, was Dad gefunden hatte.

Doch jeglicher Versuch mich aus seinem Griff zu befreien schien fehl zuschlagen. Mein Puls raste, ich bekam Angst und ich hatte das Gefühl, dass sein Griff immer fester wurde. Ich wollte nur noch weg! Ich versuchte nach seinem Bein zu treten und der Druck auf meinem Handgelenk wurde so schmerzhaft, dass ich es sein ließ!

Er zerrte mich zu meinem Schreibtisch und ich sah die offenen Bilder. Bilder, die mich mit Jack zeigten. Die, die Jenny in ihrer Wohnung geschossen hatte. Sie hatte sie mir vor wenigen Tagen per Mail zukommen lassen. Ich lag zwischen seinen Beinen grinste in die Kamera und Jack hatte sein Gesicht in meiner Halsbeuge verborgen. Ich lachte ausgelassen und grinste verliebt zu ihm. Eigentlich ein schönes Bild…eigentlich.

Die Angst schnürte mir die Kehle zu und ich brachte keinen Ton heraus.

„Willst du mir das erklären“, raunte Dad mir gefährlich leise zu und ich konnte ein leises ängstliches Aufstöhnen nicht unterdrücken. Ich wusste nichts zu sagen und schüttelte langsam den Kopf. Fieberhaft suchte mein Verstand nach einem Ausweg. Fotomontage war das erste, was mir einfiel, bis hin zu: Jack hat mich gezwungen. Doch nichts passte zu dem Bild auf dem Bildschirm. Ich versuchte immer noch meinen Arm zu befreien, doch es gelang mir nicht! Eisern hielt er mich fest und ich spürte den Atem meines Vaters im Nacken. So wie er roch, hatte er vermutlich sogar Alkohol getrunken. Ich hatte Angst und im meinem Kopf rauschte es. Meine Atmung beschleunigte sich und der Griff meines Vaters wurde immer schmerzvoller. Wollte er mir jetzt etwa was brechen?! Ich hörte meinen Pulsschlag in meinem Ohr, der zu einem einzigen Rauschen wurde.

„Dad“, jammerte ich leise und kniff die Augen zusammen. Alle meine Hoffnungen die ich hatte verabschiedeten sich. Die Hoffnung, dass er es akzeptieren konnte, die Hoffnung, dass er mich weiterhin lieben würde. Alle diese Hoffnungen wurden mit seinem schmerzvollen Griff zerquetscht.

„Ich… ich wusste nicht, wie ich das sagen sollte. Ich…“, jammerte ich leise und hoffte, er würde sich noch beruhigen… Doch er tat es nicht.

Er brüllte fast, als er sagte: „Nenn mich nie wieder Dad. Als ob sowas wie du mein Sohn ist! Du bist das Widerlichste, was ich je in meinem Haus hatte! Selbst dein Junkie-Bruder hatte mehr Anstand! Der war wenigstens noch ein Mann!“ Er schubste mich weg und ich stolperte und schlug mit den Knien schmerzvoll auf den Boden auf. Erschrocken drehte ich den Kopf zu ihm und sagte verängstigt: „Dad… Bitte. Es ist doch nichts Schlimmes daran… Das ist doch meine Sache…“ Verächtlich schnaufte er und sah mich an, als habe ich etwas Widerliches getan! Etwas Verbotenes. Erbarmungslos war seine Stimme, als er meinte: „Meinst du das? Du bist Ekelhaft! Nachher ziehst du dir noch Frauenkleidchen an und schminkst dich! Deine Sache… pah! Wie stehen wir denn jetzt da? Als ob wir dich zum Mädchen gemacht haben, du Schwuchtel!“

Ich musste hier raus, war mein einzig klarer Gedanke! Schnell versuchte ich wieder auf die Beine zu kommen, doch schon im nächsten Augenblick spürte ich einem stechenden Schmerz auf meiner Wange. Ich schmeckte Blut in meinem Mund und spuckte es aus.

Panisch sah ich hinauf zu meinem Vater, welcher mit erhobener Faust über mir thronte. Unsere Augen begegneten sich und ich hatte das Gefühl, als schaute mich der Teufel persönlich an. Als er erneut zum Schlag ausholen wollte, trat ich nach seinen Beinen. Wenn ich mich nicht wehre, war ich verloren! Nur hier raus, dachte ich immer und immer wieder. Ich trat erneut, wie Jack es mir gezeigt hatte. Versuchte nicht in eine Schockstarre zu verfallen. Ich trat auf sein Schienbein ein und mein Vater sackte schmerzvoll aufschreiend zu Boden.

Panisch versuchte ich von ihm wegzukriechen und aufzustehen so schnell ich eben konnte. Ich spürte, wie das Blut von meinem Gesicht tropfte und mein T-Shirt benetzte. Doch Dad war genauso schnell. Er griff nach meinem Bein und die Schwerkraft gewann. Schmerzvoll kam ich auf dem Boden auf und drehte mich um und erneut schlug Vater auf mich ein. Ich hielt mir die Hände schützend vor das Gesicht, versuchte mich wegzudrehen. Die Rippen schmerzten und ein lautes Knacken, nachdem mein Vater meine Seite getroffen hatte, hätte mich fast zum Würgen gebracht. Doch ich spürte nur einen dumpfen Schmerz! Ich versuchte erneut durch Tritte Abstand von ihm zu bekommen.

„Hör auf“, brüllte ich panisch, doch ich sah das irre Glitzern in den Augen des Mannes, welcher mich eigentlich vor solch einem Unheil beschützen sollte. Der Wahnsinn schien von ihm Besitzt ergriffen zu haben!

„Ich hab keine Tunte als Sohn! Du bist eine elende Schwuchtel, mehr nicht! Du hast keine Ahnung wie sehr ich dich hasse, du Schwuchtel!“ Er knallte mir jede erdenkliche Beleidigung an den Kopf und erneut traf ein Schlag mein Gesicht! Ich spürte wie mir mein Blut aus der Nase spritze und benommen sah ich hinauf. Die Welt verschwamm vor meinen Augen, doch ich durfte nicht umkippen!

Als er erneut ausholte drehte ich mich weg, drehte den Oberkörper zur Seite und lenkte so die meiste Energie des Schlages an mir vorbei. Ich bekam seinen Arm zu packen und durch das Adrenalin berauscht schaffte ich es, seinen Arm zu mir zu ziehen und ihn zu beißen. Wie Jack zu mir sagte, geht es um Leben und Tod, war alles erlaubt!

Ich hörte ihn laut aufbrüllen und als er von mir weichen wollte ließ ich es zu! Ich sprang erneut auf die Beine und rannte hinaus in den Flur, wollte nur noch weg. „Jetzt kämpfst du schon wie eine beschissene Schwuchtel!“ Ich hatte nur noch die Flucht im Sinn, doch erneut packte mich mein Vater! Ich röchelte und merkte, dass ich nur noch schwer atmen konnte.

Als ich mich umwandte sah ich, dass er einen Holzstab in der Hand hatte, welcher vermutlich zu unserer neuen Treppe gehören sollte. Ich sah, wie er ausholte. Panisch sah ich die Holzstange und versuchte mich noch wegzudrehen. Nicht das Gesicht, dachte ich panisch. Sie traf mich mit voller Wucht auf meinen Rücken!

Ich merkte, wie die Haut aufplatze. Meine Knie sackten weg und ich spürte das Blut meinen Rücken entlanglaufen. Ich schrie panisch, schrie um Hilfe, nach meiner Mutter, nach Jack! Nach irgendwem!

Erneut traf mich ein Schlag. Ich versuchte mich so klein wie möglich zu machen, ihm weniger Angriffsfläche zu geben. Hörte ihn lachen und Sachen sagen wie, „da stehen doch alle Schwuchteln drauf“ und, „dass hast du dir verdient!“. Endlich hörte ich die panischen Schreie meiner Mutter. Rette mich, dachte ich panisch! Doch als sie sah, was mein Dad tat, erstarrte sie! Entsetzten war auf ihrem Gesicht zu sehen und erst als ich den nächsten Schlag auf meinem Rücken spürte, schien sie sich aus ihrer Starre lösen zu können. „John! Um Himmelswillen! Hör auf“, brüllte sie verzweifelt!

Mit letzter mir verbliebener Kraft versuchte ich erneut meinen Arm aus den Klammergriff meines Vaters zu befreien! Die Schreie meiner Mutter lenkten ihn ab und so schaffte ich es mich schnell aufzurichten. Ich spürte das Blut, welches an meinem Rücken hinunterlief. Erneut hörte ich meinen Vater schreien. Was genau verstand ich nicht, nur das Wort Schwuchtel! Dieses Wort brannte sich in meine Seele ein! Ich wusste nicht, was als nächstes passierte. Die Umrisse von allem verschwammen. Farben flossen ineinander und die Stimmen meiner Eltern klangen wie aus einem schlecht eingestelltem Radio. Ich spürte, wie ich den Halt verlor und die Treppe unaufhaltsam näher kam, fast hatte ich das Gefühl alles lief in Zeitlupe ab. Doch dem war nicht so. Just in diesem Moment ging mit einem Knall die Tür auf. Jemand schien fest dagegen getreten zu haben. Schmerzvoll krachte ich auf die Treppe und hörte es schmerzvoll in meiner Schulter knacken. Mein Kopf schlug auf den Boden auf und immer mehr verschwamm vor meinen Augen.

Nicht umkippen, dachte ich verzweifelt. Ich hörte eine mir vertraute tiefe, rauchige Stimme brüllen: „Was stehst du hier so doof rum! Ruf den Krankenwagen!“ Erneut hörte ich das Keuchen meines Vaters und versuchte verzweifelt aufzukommen, doch mir fehlte jegliche Kraft. Ich sah mich um, doch alle Bilder vor meinen Augen waren so verschwommen, dass ich kaum etwas erkennen konnte.

Warme Hände berührten mich und ich zucke panisch zusammen. Nicht noch mehr Schläge, war mein Gedanke. Ich erkannte die Stimme und das Gesicht, doch nur langsam drang es zu mir vor, dass Jack tatsächlich da war… waren wir wirklich so laut gewesen?

Ich spürte seine Hand an der schmerzvollen Stelle an meinem Kopf. Vorsichtig drehte er ihn zur Seite. Er erhob sich langsam und am liebsten hätte ich ihm gesagt er solle bei mir bleiben. „Lauf“, hörte ich seine tiefe eisige Stimme sagen, „lauf so weit weg du willst, ich kriege dich. Du kannst dich nirgendwo vor mir verstecken!“

Als ich die Stimme meines Vaters hörte, wurde ich panisch und mein Puls begann zu rasen. Immer wieder sagte ich mir, dass ich nicht sterben möchte! „Du hast meinen Sohn schwul gemacht! Das ist deine Schuld, du Arschloch!“

Ich röchelte, Blut lief von der Nase in meinem Mund. Ich spuckte es aus und anscheinend reichte es aus, um Jacks Aufmerksamkeit zu erhalten. Denn ich spürte, wie er sich zu mir kniete. „Alles wird gut…“, sagte er sanft zu mir, doch als ich erneut einen Schatten wahrnahm, hatte sich Jack wohl schnell aufgerichtet. Ich hörte meinem Vater schmerzvoll schreien, doch konnte ich nicht sehen, was Jack tat. Die Schreie wurden lauter. Es polterte und ich hörte etwas auf dem Boden zerschellen. Es wurde geschrien, doch ob Worte geschrien wurde verstand ich nicht mehr und nur am Rande nahm ich wahr, wie einer das Haus schnell verließ.

Danach wurde es deutlich stiller. Rationales Denken war nicht mehr möglich. Immer mehr Schmerzen breiteten sich in meinem Körper aus! Wenn Jack jetzt weg war… Panik hatte erneut von mir Besitzt ergriffen, was würde dann passieren?

Sterbe ich gerade, dachte ich und spürte, wie die Dunkelheit mich immer mehr in den Bann zog. Ich keuchte leise und qualvoll. Als mich eine Hand berührte, zuckte ich zusammen, hatte ich doch Angst noch mehr Schmerzen zu spüren. „Shhh…alles gut“, hörte ich die geliebte Stimme und ich schloss die Augen. „Nicht schlafen, Jasper“, tadelte die Stimme mich sanft. Streng wurde sie, als sie sich scheinbar an eine andere Person richtete: „Hast du den Krankenwagen gerufen?!.... Kannst du nicht mehr sprechen oder was?“

Mein Kopf rollte zur Seite und immer noch lief mein Blut aus der Nase und mein Shirt klebte an meinem Rücken. Ich hatte das Gefühl mein ganzer Körper bestand nur noch aus Schmerzen. Ich war mir mittlerweile nicht mehr ganz sicher, ob Jack wirklich neben mir stand oder nicht und so nuschelte ich leise seinen Namen. Wollte ich ihn doch so gerne bei mir haben.

„Ich bin da…ich bin da Jazz“, raunte er und ich spürte Hände, die mir sanft durch die Haare strichen, mir nicht wehtaten. Erneut schloss ich die Augen und die wohltuende Dunkelheit umgab mich. Die Hände, die mich rüttelten, störten mich und stöhnend versuchte ich die flimmernden Augen zu öffnen. „Bleib wach Jasper. Der Arzt kommt gleich… Du wirst doch wohl wach bleiben!“ Ich konnte nicht sprechen, sonst hätte ich gemeckert. Die Dunkelheit war so einladend. Sie nahm mir den Schmerz, die Erinnerung… Jetzt wo ich lag und das Adrenalin meinen Körper verließ spürte ich jeden Schlag, jeden gebrochenen Knochen, jede Stelle der aufgeplatzten Haut auf meinem Rücken. Ich wollte einfach keine Schmerzen mehr fühlen! Als ich erneut die Augen schloss hörte ich, wie man meinen Namen sagte, doch die Dunkelheit war so viel greifbarer!

Ich weiß nicht wie lange ich in dieser angenehmen Stille lag. Es fühlte sich nach einer Ewigkeit an, bis man mich wieder aufweckte.

Die aufkommende Hektik, die um mich herum einsetzte, war störend. Ich spürte, wie mehrere Menschen an meinem Körper arbeiten und stöhnte leise jammernd auf. Eine mir gänzlich unbekannte Stimme einer Frau sprach beruhigend auf mich ein. Was war hier los? Wo war die vertraute Stimme?

Ich spürte, wie mehrere Menschen mich hochhoben und leise schrie ich auf. Jammerte nach Jack, nach meiner Mutter. Ich spürte am Luftzug, dass ich nicht mehr im Hauswar. Ich bewegte mich. Müde und erschöpft öffnete ich die Augen und sah viele Menschen um mich herum. Warum ließen sie mich nicht einfach schlafen! Ob es Männer oder Frauen waren konnte ich nicht ausmachen. Ich hörte, wie sie darüber sprachen mir einen Tropf anzulegen um mir meine Schmerzen zu nehmen. Wieder war das einzige Wort, welches ich rausbrachte, Jack.

Ich hörte eine andere männliche Stimme: „Der wird sicher nachkommen, wenn wir dich ins Krankenhaus gebracht haben…Gleich spürst du nichts mehr….“ Ich nickte und wollte ihm einfach glauben, also schloss ich erneut die Augen. Dass der Transporter sich in Bewegung setzte, bekam ich nur am Rande mit, denn schneller als ich annahm ließen die Schmerzen nach und ich ließ die Dunkelheit zu. Ließ mich in sie fallen und genoss es, nichts mehr spüren zu müssen. Und anscheinend dürfte ich endlich die ersehnte Dunkelheit genießen….

Mein Fels in der Brandung

Danke für die ganzen Kommentare haben. Die haben mich dann doch mehr motiviert wie ich dachte^^

Deswegen kommt tatsächlich heute schon das nächste Kapitel!

Ich wünsch Euch einen schönen 2. Advent!

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Menschen sprachen mit mir. Ich hörte öfter, dass Menschen, die ich nicht kannte sagten, dass alles gut werden würde, dass ich mir keine Sorgen mehr machen brauchte und dass mein Bruder mich nicht allein ließ. Aber wieso mein Bruder? Und wenn, welcher? Alles seltsam...

Immer, wenn ich das Gefühl hatte wach zu sein und den Stimmen versuchte zu lauschen, verstand ich sie doch nicht wirklich. Doch jedes Mal, wenn mein Bruder da war, merkte ich, wie ich ruhiger wurde. Ich spürte, dass er mir gut tat! Und so war ich einfach nur dankbar, dass er kam! So komisch es mir vorkam. Ich verstand ihn manchmal doch oft war es einfach auch nur ein tiefes Rauschen. Es täte ihm so unendlich leid. Wie sehr er meine Stimme vermisste. Komisch, dass er sowas sagte, doch es freute mich auch. Es beruhigte mich wie er mit mir sprach, auch wenn ich es oft nicht verstand. Die Zeit floss an mir vorbei.

Wenn ich ehrlich war, spielten Raum und Zeit gerade auch keine Rolle mehr für mich. Komisches Gefühl in einer sonst so schnellen Welt. Doch ich merkte, dass mich irgendwas am schlafen hielt und dafür sorgte, dass ich nicht wach wurde.

Ich spürte einfach nichts mehr, wusste nicht wo ich war. Schmerz, Hunger, Durst alles war wie weg. Gerade einfach nicht existent. Doch leider war ich nicht immer ´wach` und die Träume, die mich ab und zu einholten, verfolgten mich. Ihnen konnte ich nicht immer entkommen. Ich rannte und wusste nicht, wovon ich davon lief. Mein Herz begann zu rasen und immer, wenn mich das Dunkel hinter mir einholte, drang ein schrilles, kaum zu ertragendes Geräusch in mein Bewusstsein. Ein seltsames Piepen und immer wenn, es zu laut wurde merkte ich, dass Menschen kamen. Spürte ab und zu ihre Hände auf meinem Körper. Die Angst, die in mir aufkam konnte ich nicht unterdrücken, denn ich wusste ich konnte mich nicht wehren! Doch nie blieben sie wirklich lange, worüber ich froh war. Wenn sie weg waren, fühlte sich mein Kopf benebelt an und der Schatten, der mich verfolgte war wieder weit weg, doch nicht verschwunden.

Doch immer hatte ich das Gefühl, dass dieser Schatten, dieses Monster dort war und auf mich wartet. Es sagte immer nur ein Wort zu mir, Schwuchtel, mehr nicht. Egal was ich versuchte. Ich versuchte das Monster anzubrüllen, flehte, es solle mich nicht verfolgen, doch nur ab und zu ließ es mich in Ruhe.

Ich vermutete irgendwas machte dem, was mich verfolgte, Angst. Ich spürte manchmal, wie jemand sanft meine Hand streichelte, doch bewegen konnte ich sie nicht. Die Hände waren nicht sanft, sie waren rau, doch fand ich es angenehm, es kam mir vertraut vor. Immer, wenn ich diesen Griff spürte und der mich verfolgende Schatten sich zurückzog, ging es mir eigentlich gut! So hätte es eigentlich bleiben können. Oft verstand ich die Stimme nicht, die auf mich einredete, doch es beruhigte mich. Ich vermutete, dass es Jack war, doch war ich mir eigentlich nie wirklich sicher. Wenn ich es vermutete wandelten sich meine Träume und ich sah ihn. Selten sprach er in den Träumen zu mir. Wenn wünschte er sich, dass ich wach werde und wieder bei ihm bin. Ich wollte wieder bei ihm sein! Nicht nur von ihm träumen. Ich wolle ihn endlich wieder anfassen, seine Nähe genießen! Doch leider waren diese Momente viel zu selten und viel zu kurz.

Erneut wurde ich von dem Schatten verfolgt, hörte wie er mich beleidigte. Ich fing wieder an zu laufen, doch irgendwas wurde anders. Ich hörte, wie Menschen redeten doch konnte ich die Stimmen nicht zuordnen. Ich wünschte mir nur, dass die Wärme wieder kam und das Unheil, was im Dunkeln lauerte, weiter in Schach hielt.

Doch irgendwie wurde es klarer in meinem Kopf. Ich hörte es piepen und dumpf drangen langsam Stimmen in meinen Kopf und der Nebel schien sich zu lichten. Ich wusste nicht wo ich war. Was war passiert? Hörten nun die Träume auf? Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch noch nie waren meine Lider schwerer, als in diesem Moment. Ich gab es auf, vielleicht wollte ich auch gar nicht sehen wo ich war. Wieso piepte es denn ständig neben mir?!

Ich atmete schwer. So wie meine Augenlider, fühlten sich meine Glieder ebenso schwer an. Was war eigentlich passiert? Träumte ich wieder? Irgendwie schien ich langsam aber sicher wieder Herr meiner selbst zu werden. Ich nahm Bewegungen um mich herum wahr und hörte eine freundliche junge Stimme einer Frau sprechen. Doch hatte ich das Gefühl, dass die Stimmen sich anhörten wie durch eine geschlossene Tür gesprochen. Sie hörten sich dumpf und verzerrt an: „Sie sind ja schon wieder da… Das freut mich, dass der junge Mann wenigstens von Ihnen Besuch bekommt.“

Ich hörte ein tiefes und rauchiges Stöhnen und eben jene Stimme fragte: „Hat meine Mutter ihn immer noch nicht besucht?“ Ich musste einfach träumen… Oder war einer meiner Brüder hier? Das ergab doch aber noch weniger Sinn. Ich verstand nichts mehr, war ich immer noch nicht wirklich wach? Ich spürte eine Hand auf meinem Kopf und jemand strich mir sanft über die Stirn.

„Nein“, hörte ich die Stimme der fremden Frau, „sie ruft jeden Tag an, aber kommt einfach nicht ins Krankenhaus.“ Ah… ich war also im Krankenhaus… und während ich realisierte wo ich war, kamen die Erinnerungen wie auf einen Schlag wieder. Vater hatte mich verprügelt… mich verfolgt! Wie das Monster in meinen Träumen! War er hier? War ich hier sicher?! Ich konnte mich nicht wehren. Gerade war ich hilflos! Verdammter Mist! Langsam kam die Panik wieder, das Piepsen wurde lauter und schneller. Erneut spürte ich eine Hand, die mich sanft streichelte. „Shhh…“, murmelte die Stimme leise. Ich konnte mich nicht entsinnen, dass einer meiner Brüder eine so tiefe Stimmte hatte.

„Wie lange dauert es denn, bis er wach wird“, fragte er und ich hörte, wie ein Stuhl zurecht gerückt wurde. Da war sie wieder, eine Hand auf meiner Stirn. Wie gut es sich anfühlte! Doch immer noch klangen die Stimmen wie aus einem schlecht eingestelltem Radio. Mal lauter, mal leiser. Was die fremde Frau sagte verstand ich zu Beginn gar nicht. „…selber wach werden. Die Medikamente wurden jetzt langsam abgesetzt… wieder bei vollem Bewusstsein ist, weiß keiner. Aber reden Sie ruhig mit ihm. Keiner weiß, was die Menschen alles mitbekommen…“ Ich hörte, wie die Stimme sich entfernte und Stille blieb, als sie verschwunden war.

Mein Puls beruhigte sich und ich spürte die Hand, welche mich lieb streichelte. Ich hörte ihn schwer seufzten. Ich erkannte den Geruch, welcher langsam in meine Nase stieg, es konnte nicht mein Bruder sein. Bei meinem Bruder machte mein Herz vor Freude keinen Sprung! Es war Jack, da war ich mir sicher. Mein Jack! Oh, wie sehr wollte ich ihn sehen! Doch es war kein schöner Gedanke, dass er neben meinem Krankenbett saß und Angst um mein Wohlbefinden hatte. Es rührte mich nicht, es machte mich betroffen, traurig. Ich wollte ihm zeigen, dass ich wach war, doch meine Hände waren schwer wie Blei.

Sanft, doch gleichzeitig bestimmt, griff Jack nach meiner Hand. Sie fühlte sich kalt in seiner warmen Hand an. Ich spürte, wie seine Finger zwischen meine glitten. „Es tut mir so leid, Jasper“, hörte ich ihn murmeln und verzweifelt klang seine Stimme, „es tut mir so leid….Ich war nicht da. Ich hatte noch nie so Angst, Jasper. … Ich will, dass du wieder gesund wirst…Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, ich wiederhole mich doch nur…“ Ich hörte, wie seine Stimme brach. Ich wollte nicht, dass er weinte, dass er verzweifelt war. Mit aller Kraft, die ich körperlich als auch mental aufbringen konnte, schaffte ich es, leicht meine Hand zu bewegen. Leicht drückten meine Finger gegen seine Hand. Ich wollte einfach, dass er wusste, dass ich wach war. Ihn hörte und wusste, dass er da war.

Ich hörte Jacks Atem stocken und spürte, wie er versteinerte. Fahrig klang er, als er sprach: „Bist du wach?!“ Wieder kostete es all meine Kräfte und ich schaffte es meinen Kopf zu etwas wie einem Nicken zu bewegen. Ich brauchte nicht die Augen zu öffnen um zu wissen, dass ein Strahlen über Jacks Gesicht geschlichen war.

Wie lang war ich denn weg gewesen? Das ganze Nachdenken machte meinen Geist wacher und nachdem ich mich das erste mal bewegt hatte, kam die Energie ein wenig zurück. Ich öffnete leicht die Augen und das Licht blendete mich. Farben verschwanden in dem grellen Schein der Lampen. Gleich begannen sie zu tränen und ich blinzelte einige Male gegen das Licht. Viel zu hell! Ich spürte, wie Jacks Finger mir die Tränen aus den Augenwinkeln strichen und ich sah sein besorgtes Gesicht. Immer mehr Formen und Farben waren zu erkennen, bis ich sein Gesicht wirklich erkannte.

Müde und erschöpft wirkte er. Zudem sah er aus, als habe er sich seit längerem nicht mehr rasiert.

Sein Bart sah ungepflegter und struppiger aus als sonst. Dunkle Schatten waren unter seinen Augen zu sehen und es schien, als habe er neue Sorgenfalte hinzubekommen. Nie wirkte Jack älter, als in diesem Moment.

Ich versuchte zu sprechen, doch drangen aus meinem Mund nur unverständliche Laute heraus. Ich konnte nicht sprechen! Besorgt blickte ich ihn an und das Piepen neben mir wurde lauter. „Shhh… Das ist normal, dass einem die Stimme weg bleibt… das kommt alles wieder, Jasper…. Du hast mir ganz schön Angst gemacht… “ Entschuldigend blickte ich ihn an, doch schloss ich wieder die Augen. Obwohl ich gerade erst aufgewacht war, war ich doch wieder so müde.

Stumm betrachtete mich Jack und ich spürte, wie ich mich langsam beruhigte. Er war da! Er war sicher immer da gewesen. Ich wollte es ihm sagen, doch immer noch versagte meine Stimme. Um seinen Hals trug er einen Mundschutz, vermutlich hatte er ihn runtergezogen. Sanft streichelte Jack meine Wange, fuhr die Linie meiner Wangenknochen nach und streichelte mir sanft über die Lippen. Ich genoss jede seiner sanften Berührungen. Jede einzelne war eine wahre Wohltat. Stumm sahen wir einander in die Augen. Ich hatte den Eindruck, dass Jack einfach nur froh war mich wach zu sehen. Details warum ich hier war, kamen noch nicht genau wieder. Spielten gerade auch keine Rolle. Ich wollte gerade auch nicht zu sehr darüber nachdenken.

Ich schaffte es auch kaum noch die Augen aufzuhalten, tatsächlich musste ich sogar gähnen. „Schlaf ruhig, Jazz“, hörte ich Jack leise sagen und erneut spürte ich seine Hand, welche mir sanft durch die Haare streichelte, „Ich sag der Krankenschwester, dass du wach warst… Ich liebe dich.“ Ich schaffte es nicht zu nicken, denn der Schlaf streckte wieder seine Fühler unbarmherzig nach mir aus und ohne es zu wollen zog er mich wieder in die Dunkelheit hinein und ich konnte mich nicht dagegen wehren. So sehr ich es wollte. Doch schaffte ich es noch, meinen Kopf genießerisch in seine Hand zu legen. Was tat es gut zu wissen, wer genau gerade bei mir war.

Am liebsten wäre es mir, wenn er gar nicht gehen würde. Doch auch das Denken strengte mich an und als ich wieder schlief war der Schatten, der mich verfolgte, wieder weg und schien mich gerade nicht wieder jagen zu wollen.
 

Als ich das nächste Mal erwachte, herrschte um mich herum eine unheimliche Stille. Nur das nervige Piepen von irgendwelchen Geräten, die ich nicht kannte, störte die Ruhe. Der Stuhl neben dem Bett war verwaist. Und während ich in die Dunkelheit starrte, übermannte mich die Angst. Sie kroch durch jede Faser meines Körpers. Ich konnte es einfach nicht verhindern, dass sie da war.

Die Angst verfolgt zu werden, gehetzt zu werden, war gerade so allgegenwärtig und wurde durch das lauter werdende Piepen nur verstärkt. Immer noch wusste ich einfach nicht, wo mein Vater war! Das Wort Schwuchtel schlich sich in meine Erinnerung. Tränen stiegen mir in die Augen und ich versuchte sie zurückzuhalten. Ich hörte Schritte, die sich mir näherten und die Angst schnürte mir die Kehle zu und meine Atmung wurde schneller.

Ein Vorhang wurde beiseite geschoben und eine mir gänzlich unbekannte Frau mittleren Alters schaute mich fast schon warmherzig Lächelnd an. „Oh, Mr. Hale“, meinte sie und lächelte mich fröhlich an, „es ist ja so schön, sie mal wach zu sehen! Ich bin Schwester Nicole. Ich hab schon öfter mit ihnen gesprochen, aber ich glaube, dass wissen Sie gar nicht mehr.“ Ich konnte nicht anders und starrte sie mit großen Augen an und endlich ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Ich merkte, dass mein Geist wacher war, als noch heute Mittag. Kurz ließ ich meinen Blick wieder schweifen. Ich war in einem Krankenhaus, genau. Ich lag auf einem Bett und Vorhänge grenzten meinen Bereich ab. Meine Schulter und mein Arm schienen verbunden und mit Mühe hob ich meine Hand und versuchte vorsichtig mein Gesicht zu betasten. Meine Nase schmerzte, als ich sie berührte, doch kein Verband schien darauf zu sein. Während ich mich bewegte, spürte ich einen weiteren Verband um meinem Oberkörper. Fragend blickte ich die Krankenpflegerin an und ohne das ich viel mehr sprechen musste, erklärte sie: „Sie haben einige Knochenbrüche und noch andere Verletzungen… Sie sind schon ein paar Tage da, aber jetzt, wo sie wach sind, werde ich Dr. Stone Bescheid geben. Ich kann den Doktor doch kurz holen, oder brauchen sie mich gerade?“ Ich schüttelte leicht den Kopf, was eine große Anstrengung für mich war. Die Schwester lächelte mir noch kurz aufmunternd zu und dann verschwand sie und ließ mich verwirrt blinzelnd zurück. Während ich wartete, kam die Angst wieder. Diese Stille und nur das Piepen der Geräte ließ mich verrückt werden.

Ich schaute auf meinen Körper. Mein rechter Arm war in einem dicken Gipsverband verschwunden. Ich erinnerte mich an den stechenden Schmerz in meiner Seite und vorsichtig tastete ich zu meinen Rippen. Auch hier schien ein dicker Verband um meinen Körper gewickelt zu sein.

Von meinem Arm aus ging ein Schlauch zu einem Tropf, an dem eine Plastikflasche befestigt schien. Ich hörte Schritte, welche sich näherten und die Krankenschwester kam in Begleitung einer jüngeren Ärztin wieder.

„Ah, der junge Mann ist wach, wie schön. Ich bin Dr. Tessa Stone, Mr. Hale“, stellte sich die junge blonde Ärztin vor. Sie hatte lange blonde Haare, welche im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Sie schien äußerst blass zu sein, doch da es dunkel war, fiel es nicht wirklich auf. Sie trug einen rosafarbenen Arztkittel und ein Stethoskop lag um ihren Hals. Ich nickte und war verwirrt. War ich denn wirklich so schwer verletzt gewesen? Ich blinzelte und merkte wieder, wie ich müde wurde. Konnte man das denn nicht endlich mal abstellen?

„Sie haben eine Fraktur der Rippen, sowie der Schulter erlitten“, fing Dr. Stone an mit freundlicher und sanfter Stimme zu erklären und ich konnte nur leicht nicken. Sie betrachtete kurz meine Augen und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe hinein. „Wir mussten ihre Schulter operativ behandeln. Des Weiteren wurden ihnen mit einem stumpfen Gegenstand auf den Rücken geschlagen, sodass die Haut an diesen Stellen aufgeplatzt war. Hinzu kommen noch mehrere Hämatome. Verstehen Sie mich?“ Ohne Hast blickte sie mir ins Gesicht. Freundlich klang ihre Stimme und tatsächlich beruhigte sie mich langsam. Doch nur langsam schienen ihre Worte zu mir vorzudringen. Und so nickte ich erst nachdem Dr. Stone immer fragender zu mir sah.

„Wie lange bin ich schon hier“, fragte ich und merkte, wie verzerrt meine Stimme klang.

„Seit fünf Tagen“, informierte mich Dr. Stone und klang professionell. Sie sah auf ein Klemmbrett, welches an meinem Bett hing. Natürlich, für diese Menschen war es Alltag, doch für mich war es das nicht. Ich lag hier seit fast einer Woche?! Ich hatte fünf Tage einfach nichts gemacht außer hier zu liegen? Sie merkte, dass ich es nicht verstand und ich war dankbar, dass sich Dr. Stone sich die Zeit nahm, es mir zu erklären: „Nach der Operation haben wir Sie in ein künstliches Koma legen lassen. Ihr Körper stand so sehr unter Schock, dass wir diesen Schritt sinnvoller fanden. Wissen Sie, die körpereigenen Rettungssysteme werden in solchen Situationen meistens völlig überfordert. Dadurch kann ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten. Verstehen Sie mich? Als sie hier eingeliefert wurden, hatten sie neben den aufgezählten Verletzungen noch eine schwere Gehirnerschütterung von einem Sturz, sehe ich gerade. Eine so schwere Gehirnerschütterung kann lebensgefährlich werden. Aufgrund der Anzahl der unterschiedlichen Verletzungen haben wir sie in das künstliche Koma versetzt. Damit ihr Körper zu Ruhe kommt.“ Unsicher nickte ich. Hatte ich es verstanden? Sicher nicht alles, aber sie wollten mir helfen. Mir nicht wehtun! Wieder schaffte ich es erst nach einigen Augenblicken zu nicken.

Ich nickte und zitterte. Diese fremde, mir unbekannte Umgebung machte mir Angst. Ich beobachtete die Ärztin, welche sich gerade mehr mit den Papieren beschäftigte, als mit mir. Ich dachte über ihre Worte nach und nach einem Moment, in dem ich über meine Frage nachdenken musste, fragte ich: „Bleiben Narben?“

Sie sah zu mir hinauf und blickte mir mitfühlend in die Augen. Sie nickte leicht und erklärte mit etwas einfühlender Stimme: „Ja, vermutlich die aufgeplatzten Stellen am Rücken und kleine Narben an der Schulter. Ich denke aber, dass dies das kleinste Übel ist. Wichtiger ist, dass du wieder gesund wirst, Junge.“ Meine Augen waren geweitet und denken konnte ich nicht. Ich würde Narben davon tragen?

Nicht, dass mich Narben störten, sah ich sie bei Jack doch nicht mehr, doch würden diese Narben mich immer daran erinnern was geschehen war. Daran, wie meine Familie zerbrach. Daran, wie sehr ich auf einmal gehasst wurde. Wie alles in Trümmern vor mir lag. Ich würde dadurch immer an diesen einen Tag denken müssen…

Ich wollte das nicht, wollte nicht mein Leben lang gezeichnet sein. Ich blinzelte meine Tränen weg und sah Dr. Stone an, die gerade noch mal nach dem Tropf gesehen hatte. „Sie sollten schlafen, Mr. Hale. Sich erholen. Sie machen gute Fortschritte.“ Sie lächelte mich noch kurz aufmunternd an und verschwand von meinem Bett. Die Krankenschwester, deren Namen ich vergessen hatte, blieb noch kurz bei mir stehen und fragte freundlich, ob ich noch etwas brauche. Ich schüttelte leicht den Kopf, doch nach einem kurzem Moment fragte ich mit immer noch kratziger Stimme: „Wer hat mich alles besucht?“

Betroffen war ihr Blick und ich hatte das Gefühl, dass kurz ein wütender Ausdruck in ihren Augen aufschimmerte, doch so schnell dieser gekommen war, verschwand er wieder. „Dein Bruder war jeden Tag hier. Jack soweit ich weiß… Der mit der Augenklappe und ein Onkel von dir war heute Abend da.“ Verwirrt sah ich sie an. Bruder und Onkel?!

Doch ich ließ es besser einfach so stehen und fragte: „Und meine Mum? War sie hier?“ Ich sah, wie die Schwester schwer ausatmete und nur kurz den Kopf schüttelte. „Sie ruft jeden Abend an und erkundigt sich nach deinem Wohl… Sie hat wohl gerade….eigene Probleme. Wohl irgendwas mit einer neuen Wohnung. Aber da fällt mir noch ein, dass ihre Schwester noch da war.“ Sie betonte es so, dass ich nicht lange darüber nachdenken musste um zu wissen, dass sie darüber wütend war, dass meine Mutter sich nicht hat Blicken lassen.

Doch ich spürte keine Wut. Trauer erfasste mich. Hatte ich nun auch meine Mum verloren? Nun war es eh raus, dass ich schwul bin. Kam sie damit auch nicht zurecht? Oder hat sie nun alle Geheimnisse erfahren? Stand ich nun ganz ohne Eltern da? Ich nickte leicht und versuchte mich etwas entspannter hinzulegen. Doch es gelang mir nicht. Die Krankenpflegerin verschwand und wollte mich anscheinend schlafen lassen, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass ich hier zum Schlafen kommen würde.

Während ich an die andere Seite des Zimmers blickte, war die Einsamkeit spürbar, greifbar, drückte auf meine Lunge und raubte mir die Luft zum Atmen. Tatsächlich hätte ich gesagt, mein Herz würde zerquetscht werden. Stumm flossen die Tränen in das Kissen. Ich wünschte jemand würde kommen, doch dieser Wunsch war unrealistisch. Es war mitten in der Nacht.

Doch ich bemerkte etwas, was mich unter den Tränen doch noch leicht lächeln ließ. Auf dem Nachttisch standen einige Karten, ein paar Blumen und tatsächlich sogar eine Schachtel Pralinen. Ich wusste nicht, von wem das alles war, doch es zeigte mir, dass es Menschen da draußen gab, denen ich nicht egal war. Die vermutlich wollten, dass ich wieder gesund wurde. Aufgewühlt waren meine Gedanken und wenn ich die Augen schloss, stand ich wieder in meinem Zimmer und sah meinen Vater. Wie sollte ich so in den Schlaf finden?

Doch die Sorge nicht einschlafen zu können, war vollkommen unbegründet gewesen. Denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war es draußen hell und die Sonne schien durch die Fenster. Ich erkannte, dass noch mehr Menschen hier waren. Ein Mann gegenüber war an noch mehr Kabeln angeschlossen worden als ich.

Schrecklich sah er aus, nicht hässlich, sondern sein Aussehen machte mir Sorge. Schläuche, die überall waren, das nervige Piepen der Geräte und seine blasse Hautfarbe sahen besorgniserregend aus. Ich sah weg und sah auf meinen eigenen Monitor. Gleichmäßig schien mein Herz zu schlagen und ich beobachtete stumm die Geräte. Hunger oder Durst hatte ich keinen. Viel mehr Pfleger und Pflegerinnen waren hier, als ich es sonst von anderen Krankenhäusern gewohnt war. Aber ich hatte es auch noch nie hier hin geschafft. Ich brauchte nicht fragen, ich wusste, dass ich auf der Intensiv lag.

Ich hatte kein Zeitgefühl mehr, doch irgendwann erschien ein Arzt, welcher sich als Dr. Davis vorstellte. Die blonde Ärztin aus der Nacht hatte wohl keine Schicht mehr.

Dr. Davis war schwarz, hatte kurze krause Haare und ein breites freundliches Lächeln auf den Lippen. Auch er freute sich, dass ich wieder wach war und meinte: „Sie scheinen echt wieder gesund werden zu wollen! So wie sich ihre Werte verbessert haben! Morgen können Sie sicher schon die Intensiv verlassen. Wäre doch super, oder junger Mann?“

Ich versuchte zu lächeln, doch es gelang mir nicht wirklich, doch ich nickte. Im Stillen wünschte ich mir heute schon hier wegzukommen, denn diese Geräusche… Ich hatte das Gefühl, dass sie mich noch lange verfolgen würden.

„Mr. Hale, ich habe die Aufforderung bekommen, dass ich die Polizei informieren soll. Die möchte Sie befragen“, meinte Dr. Davis und sah aus, als ob es ihm nicht passte. Ich bekam Angst, Polizei? Kollegen meines Vaters? Die Gräte schlugen aus und ich sah, wie die Linien meines Herzens meine innere Unruhe verrieten. Besorgte betrachtete mich Dr. Davis und fragte: „Was passt Ihnen daran nicht?“ Ich atmete durch und setzte nach kurzem Zögern zum Sprechen an: „Ich… ich weiß nicht, ob ich mit ihnen sprechen möchte.“

Ein sanfter Ausdruck erschien auf Mr. Davis Gesicht und er meinte: „Das müssen Sie wohl leider. Denn wir glauben nicht, dass das, was ihre Mutter angegeben hat, der Wahrheit entspricht…“ Verwirrt sah ich ihn an und war dankbar, dass er ohne meine Aufforderung sich erklärte, war sprechen doch irgendwie anstrengend. „Ihre Mutter gab an, dass sie sich geprügelt haben und nach Hause gekommen seien, wo sie sich mit ihrem Vater gestritten haben. In diesem Streit seien sie dann die Treppe runtergefallen….“ Ich blinzelte und konnte es nicht begreifen.

Meine Mutter verteidigte meinen Vater… Obwohl ich hier war… und so, wie es den Anschein hatte, um mein Leben gekämpft hatte. Ich konnte es nicht glauben, wollte es nicht glauben und so fragte ich leise: „Kann ich…. Ich weiß nicht, sie anrufen?“ Dr. Davis atmete schwer aus und ich sah, wie er mit sich rang. Doch dann nickte er leicht. „In Ordnung, aber sollten sie sich zu sehr aufregen, legen sie auf“, meinte er und wies einen Pfleger an ein Telefon für mich zu besorgen.

Nie war ein Telefonhörer schwerer gewesen und ich wählte die Nummer von Zuhause. Schnell nahm wer ab und erleichtert seufzte ich, dass es meine Mutter war. Wäre mein Vater an das Telefon gegangen, hätte ich sicher einfach nur schnell aufgelegt.

Immer noch war meine Stimme erschöpft, als ich sagte: „Tag Mum…“ Ich hörte, wie meine Mutter scharf die Luft einzog. „Jazzy“, meinte sie hastig und schien unsicher, was sie sagen sollte, „wie geht es dir, mein Schatz.“ Ginge es mir besser, hätte ich vermutlich hämisch gelacht. Klar...Schatz…

Doch egal was ich für Medikamente erhalten hatte, sie hatten eine echt tolle beruhigende Wirkung auf mich! „Wieso hast du gelogen….“; fragte ich dennoch und blickte starr an die Decke, „wieso hast du der Polizei nicht die Wahrheit gesagt….“ Wieso musste ich das machen? Wieso sollte ich bei einem Verhör alles wieder durchleben! „Schatz, dass…. Das tut mir leid. Das war nur der Schreck und alles! Ich stelle das klar…. Dein Vater ist ein richtiges Monster. Du kannst dich auf mich verlassen“, meinte sie und ich hörte sie schon wieder weinen. Konnte sie das auf Knopfdruck? Mein Bruder Jason meinte mal, dass Frauen sowas können… Doch tatsächlich war mir auch das gerade vollkommen egal.

„Wenn du meinst“, kommentierte ich leise und seufzte, doch meine Mutter redete schnell weiter, ehe ich noch was erwidern konnte. „Nicht nur, dass er das alles mit dir gemacht hat… Dann hat der doch tatsächlich noch ne andere Frau… und noch ein Kind! Das ist alles gerade so verdammt schrecklich…“ Was alles noch schrecklich war, ignorierte ich. Ich ließ das Telefon langsam von meinem Ohr gleiten und starrte an die Decke. Egal, was nach dem Krankenhaus sein wird, ich entschied mich nie wieder bei meiner Mutter zu wohnen! Nie wieder!

Ich nahm das Telefon wieder ans Ohr und unterbrach meine Mutter: „Mum, da kommen Ärzte. Ich leg mal auf. Kannst ja kommen…“ ich hörte, dass sie sich noch verabschiedete, doch realisierte ich es nicht mehr wirklich, sondern drückte schnell auf den Hörer. Ich bemerkte, dass einige Krankenschwestern mich beobachtetet hatten und bei einem Blick auf das EKG verstand ich warum. So ruhig wie ich dachte, war ich nicht. Mein Herz verriet die innere Zerrissenheit. Stumm reichte ich einer Krankenschwester das Telefon und wünschte mir einfach nur, dass Jack schnell kommen würde. Jack war einfach eine durchgehende Stütze für mich. Ein wahrer Fels in der Brandung.

Krankenbesuch mit Folgen

Die Zeit schien nicht umgehen zu wollen. Zwar herrschte viel Trubel um mich herum, doch viel bekam ich davon nicht mit. Die Menschen um mich herum wirkten, als seien sie viel schlimmer dran als ich. Nur eine weitere Frau schien, wie ich, bei wirklichem Bewusstsein zu sein.

Immer wieder döste ich ein und schreckte wieder auf. Ich betrachtete meinen Nachttisch und sah auf die Karten. Meine Arme waren fast zu schwach um nach ihnen zu greifen. Schon komisch, wenn ich daran dachte, wie einfach es doch immer war den Baseballschläger zu halten und nach dem Ball zu schlagen. Ich wollte keine der Schwestern oder Pflegern fragen, sie hatten wichtigeres zu tun. Außerdem war es vielleicht sehr persönlich, was in den Karten stand. Jedoch schwirrte mein Kopf zu sehr, als das ich glaubte, mich selbst auf das, was in den Karten stand, konzentrieren zu können. Erneut döste ich ein, doch dieses elende Piepen verfolgte mich wirklich bis in meine Träume! Ich schreckte auf, als eine Schwester zu mir kam. Mit müden Augen sah ich sie an. „Sie haben Besuch von ihrem Bruder. Wollen Sie ihn sehen.“, frage sie mich freundlich. Ich nickte leicht und versuchte mich aufzusetzen. Was mit der Schulter einfach nur schwierig war!

Ich seufzte erleichtert auf, als ich Jack sah. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen, jetzt wo ich nicht mehr alleine war. Ja, die Einsamkeit nagte unerbittlich an mir. Ich lächelte leicht und auch er sah zufrieden aus. Über seinen Mund trug er einen Mundschutz und ein durchsichtiger grüner Kittel bedeckte seine Kleidung. Vermutlich ebenfalls ein Schutz um zu verhindern, dass Keime mit hier rein genommen werden. Er zog gleich einen Stuhl an mein Bett heran und passte auf, keine Kabel, Schläuche oder ähnliches zu berühren. Als die Schwester verschwand, nahm er schnell den Mundschutz runter. Er schien sich rasiert zu haben, doch immer noch sah er ziemlich müde und gehetzt aus.

Stumm sahen wir uns in die Augen und erleichtert stieß er die Luft aus. Vermutlich sah ich viel kräftiger aus, als noch tags zuvor, jedenfalls fühlte ich mich so. Er griff nach meiner Hand und drückte sie sanft. „Du hast mich gerettet“, nuschelte ich leise und erwiderte den Händedruck. Nachdem langsam die Erinnerungen zurückgekehrt waren, wurde mir klar, was Jack getan hatte. Dass er ins Haus gestürmt war und Vater von schlimmeren abgehalten hatte. Doch verbittert blickte Jack mich an und ich wusste, er machte sich Vorwürfe. Ich kannte ihn zu gut. „Ich kam zu spät, dass tut mir leid“, raunte er mit seiner tiefen und rauchigen Stimme.

„Nein… kamst du nicht, Brüderchen“, versuchte ich die Stimmung zu verbessern. Ihn zu sehen war Balsam für mich. Er war wie ein Fels in der Brandung. Deswegen wollte ich einfach nicht, dass er schlecht von sich dachte! Ich hatte genug schlechte Stimmung hier, wenigstens für einige Augenblicke wollte ich mal wieder unbeschwert sein. Ich sah, wie Jacks Mundwinkel kurz zuckten. Erklärend meinte er: „Es dürfen nur Verwandte hier rein. Die können sich aber denken, dass ich nicht dein Bruder bin…“ Ich verstand und schmunzelte leicht. Dass er es tatsächlich schaffte in so einer Extremsituation nicht den Kopf zu verlieren, fand ich beeindruckend. „Wie knapp war es eigentlich“, fragte ich leise und betrachtete die Geräte neben meinem Bett.

„Es geht… war schnell klar, dass du vermutlich durchkommst. Trotzdem wollten die Ärzte dich hier hin packen. Bessere Kontrolle“, erklärte Jack ruhig und streichelte sanft meinen Arm. Ich nickte und sah seinen Fingern zu, wie sie über meinen Arm streichelten. Ein sanftes Lächeln legte sich auf mein Gesicht und ich seufzte zufrieden. Wir schwiegen kurz und zunächst wusste ich nicht, was ich sagen wollte. Ihm zu berichten, was meine Mutter getan hatte, schaffte ich gerade noch nicht. Doch mir schwirrten die Worte der Ärzte durch den Kopf. Die Narben, die bleiben…

„Auf meinem Rücken werden Narben bleiben“, nuschelte ich leise und sah hinauf in sein Gesicht. Jack nickte leicht und sah mich fragend an. „Ich will keine Narben haben…“, murmelte ich bedrückt und merkte, wie verzweifelt ich klang. Skeptisch blickte Jack mich an und deutete stumm auf seine Narbe an der Stirn. Ich schaute hoch zu der Narbe, welche ich schon gar nicht mehr registrierte, obwohl sie doch so auffällig war. Ich schüttelte leicht den Kopf und erklärte: „Nein…nicht, weil sie hässlich sind. Ich will nicht, dass sie mich daran erinnern. Ich will nicht mein Leben lang diesen Tag… auf meinem Körper tragen…“ Wie sich auf einmal alles änderte. Ich konnte nicht anders und die Tränen liefen kurz über meine Wangen. Wieso zum Teufel war ich so verdammt schwach und heulte ständig?! Ich war doch keine Schwuchtel!

Sanft streichelte Jack über meine Wange und strich dabei die Tränen weg. „Sehe die Narben nicht so, Jasper. Sie sind ein Zeichen eines Kampfes für deine Freiheit. Für deine Freiheit so zu leben, wie du es willst. Versuch sie mit Stolz zu tragen. Außerdem sieht man Narben auf dem Rücken nicht so oft.“ Skeptisch sah ich hinauf in Jacks Gesicht. Ich schaffte es einfach nicht meine Verletzungen so zu sehen. Nicht jetzt, wo es noch so frisch war.

„Ich hab… alles verloren. Meine Familie, mein Leben. Ich weiß nicht wie es weiter geht“, nuschelte ich leise und seufzte schwer, hasste ich doch eigentlich Selbstmitleid. Doch ich konnte es nicht verhindern!

Jack wusste, was ich meinte und ruhig redete er auf mich ein, während er sagte: „Wer weiß was du dadurch alles gewonnen hast und wie es weiter geht entscheiden nun eh erst einmal die Ärzte.“ Ich nickte frustriert, als ich seinen Worten lauschte.

„Okay, aber bis jetzt habe ich nichts gewonnen“, sagte ich leise und Jack verstand, dass egal was er gerade sagen würde, ich mich nicht würde umstimmen lassen. Die Wunden, seelisch sowie körperlich waren einfach noch zu frisch. Sie schmerzten noch zu sehr.

Es herrschte kurz Stille zwischen uns Beiden, bevor Jack zögerlich begann zu fragte: „Jasper sag…, kannst du dich noch an etwas erinnern? Als ich reinkam war alles schon vorbei.“ Ich dachte darüber nach und begann kurz darauf meine Erinnerungen zu schildern. Ich berichtete, wie ich nach Hause kam und Vater vor meinem Laptop vorfand. Dass die Bilder, die Jenny gemacht hatte, geöffnet waren und er meinen Internetverlauf durchforstet hatte. Wie erschrocken ich war ihn dort zu sehen und das er dann ausflippte. Ich erzählte ihm, dass mein Vater meinte, keine Schwuchtel zum Sohn haben zu wollen. Doch dann versagte meine Stimme.

Dieses eine Wort, was mich sogar bis in meine Alpträume verfolgte! Ich blickte starr auf die weiße Bettdecke. Ich schluckte und setzte erneut an, doch kein Laut wollte meine Lippen verlassen. Fast schon verzweifelt war mein Blick, als ich Jack ansah.

„Wirklich Jack! Ich habe mich gewehrt, wirklich… Ich bin keine Schwuchtel!“

Beschwichtigend hob Jack die Hand und strich kurz über meine Wange. „Das warst du auch nie, Jazz. Und ich weiß auch, dass du dich gewehrt hast. Keine Sorge Jasper, wenn du noch nicht darüber sprechen kannst, ist das nicht schlimm...“ Ich nickte leicht und blickte ihn entschuldigend an. „Ich fühl mich so elendig schwach. So…kaputt.“ Verständnisvoll betrachtete Jack mein Gesicht und schien leicht zu nicken, doch er schwieg, vermutlich auch, weil er keine Worte des Trostes hatte.

„Jazz… das ist doch normal. Angst zu haben. Auch Selbstzweifel und alles sind doch vollkommen okay. Glaubst du ich hatte das nicht, als ich im Krankenhaus war?“

Ich betrachtete Jack, zuckte unschlüssig und als ich mit den Schultern zucken wollte merkte ich einen kurzen stechenden Schmerz. Ich verzog kurz das Gesicht und sah auf den Verband. „Ich weiß nicht“, antwortete ich auf seine gestellte Frage, „Wie hast du dich denn gefühlt.“

„Total beschissen. Ich war wütend und…“, er blickte mir kurz in die Augen und seufzte schwer, als fiel es ihm nicht leicht darüber zu sprechen. Er ließ den Blick kurz schweifen, ehe er leiser begann weiterzusprechen, „ich war auch verzweifelt. Das zerrt an den Nerven.“

Verstehend nickte ich und unsicher fragte ich: „Wohin komme ich, wenn ich aus dem Krankenhaus komme? Ich will nicht mehr nach Hause.“

„Wir schauen mal… Ich überleg mir erst mal, was ich mit deinem Vater mache…“

„Tu ihm nichts“, sagte ich schnell und unüberlegt. Ich verstand nicht, wieso ich ihn schützen wollte, nachdem er mir so was angetan hatte. Auch Jack blickte mich skeptisch an und runzelte die Stirn. „Ich schau mal… ich hab schon mitbekommen, dass die Polizei ermittelt…Ich will genau wissen, was er getan hat… bevor ich mich endgültig entscheide.“

Ich nickte unsicher und ließ die Schultern hängen. Der Gedanke gegen meinem Vater auszusagen machte mir Angst, doch ich wusste auch, dass es der richtige Weg war. Was genau Jack mit seiner Aussage alles meinte, wollte ich gerade auch nicht so genau wissen. Unwissenheit schadet manchmal einfach nicht und vielleicht war es gerade in diesem Moment besser nicht zu wissen, was Jack schon getan hatte. Doch ich konnte und wollte das, was passiert war, nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, dass würde Jack auch niemals zulassen.

Wieder legte sich die Stille zwischen uns und unsicher sah ich mich um. Abermals kam die Müdigkeit, ihre Fühler unbarmherzig nach mir ausstreckend. Doch hier war kein Ort, an dem man sich wohlfühlen konnte. Mein Blick glitt zu den Karten und leise bat ich Jack: „Kannst du mir die vorlesen, vielleicht? Ich kann mich nicht genug konzentrieren.“ Ich wollte einfach noch nicht, dass er ging! Zu den Karten blickend runzelte Jack die Stirn und griff nach ihnen.

In jedem zweiten Satz entschuldigte Jenny sich, dass sie derzeit noch nicht frei bekommen würde, doch sobald ich wach wäre, sie sich ins Flugzeug setzten würde, damit sie so oft es geht bei mir sein konnte! Sonst käme sie einfach wieder am nächsten Wochenende. Auch schrieb sie, dass sie immer zu mir halten würde, egal was kommt! Ich lächelte leicht und schloss zufrieden die Augen. Was war ich froh Jenny zu haben. Auch meine Großmutter wollte mich besuchen. Auch sie sorgte sich und bat mich sie anzurufen, wenn ich wieder fit sei.

Ich lächelte leicht und Wärme breitete sich in mir aus. Eine weitere Karte war von meiner Klasse und enthielt gute Besserungswünsche und zudem stand dort, dass sie hoffte, dass ich bald wieder auf dem Baseballplatz stehe. Traurig blickte ich zu meiner Schulter und leise fragte ich Jack: „Weißt du eigentlich, ob ich wieder Spielen kann…“

Kurz schwieg Jack und als ich sah, wie Mitleid in seinem Auge aufschimmerte, bereitete ich mich auf das Schlimmste vor. „Weißt du, eine Schulter, die gebrochen ist und die operativ behandelt werden musste, braucht sehr sehr lange, bis sie wieder geheilt ist… Ich glaub ein Kamerad fiel fast zwei Jahre aus…Aber ich bin kein Arzt.“ Erschrocken sah ich ihn an und erneut sammelten sich kurz Tränen in meinen Augen. Ich wollte es nicht! Wollte es nicht wahr haben.

Es schien, als sei mein Traum wirklich ausgeträumt. Keiner würde zwei bis drei Jahre warten, bis ich wieder auf den Beinen war. Ich schluckte den Kloß runter und betrachtete Jack. Eingehend beobachtete er mich und ich seufzte, als ich antwortend sagte: „Mal schauen, was die Ärzte noch sagen und…na ja, wie es dann weiter geht.“ Mit seiner kräftigen Hand wuschelte mir Jack durch die Haare und da er wohl keine Worte des Trostes hatte, schwieg er. Ich war froh, dass er schwieg, denn wenn ich ehrlich war, hätten seine Worte mir die Trauer auch nicht nehmen können. Alles schien mir von meinem Vater genommen worden zu sein und nun auch noch Baseball.

„Hast du einen Onkel, der David heißt“, fragte Jack und ich schüttelte leicht den Kopf und bat Jack leise die Karte einfach vorzulesen. Vielleicht erschloss sich mir ja daraus, von wem die Karte tatsächlich war. „Hallo Jasper, schade, dass wir uns nun doch nicht treffen werden, denn eigentlich hatte ich gehofft den….“Jack schien fast entsetzt auf die Karte zu starren. Er las sie nicht weiter vor, schien wie versteinert. Als eine Krankenschwester an ihm vorbeiging, hielt er sie auf. „Wann kam diese Karte und wer hat sie abgegeben?“ Verwirrt sah die Krankenpflegerin zu Jack und zu der Karte und meinte, sie müsse mal nachfragen. Unsicher ging sie und Jack schaute ihr nach. „Alles okay“, wolle ich unsicher wissen, doch Jack schüttelte nur den Kopf und weigerte sich zu sprechen und sich zu erklären. Was war denn nun wieder? Bloß nicht noch mehr Unheil.

Nach einigen Augenblicken kam ein beleibter Mann auf uns zu. „Die Karte kam gestern Abend. Der Mann meinte, er sei der Onkel des Jungen. Er hat eine Karte und die Pralinenschachtel gebracht.“ Jack nickte und schien sich nichts anmerken zu lassen. Doch sein und meine Augen huschten zum Nachttisch, auf welchem tatsächlich eine Schachtel Pralinen stand.

„Wie sah der Mann denn aus“, fragte Jack beiläufig und meine freundlich klingend, „unser Onkel hatte mit unserem Vater Streit. Ich glaub Jazz hat ihn selbst nur zwei Mal gesehen.“ Der pummelige Mann schien kurz verwirrt, doch schnell begann er zu sprechen. Anscheinend war er ein Mann, welcher sich gerne sprechen hörte: „Ach, das Gesicht konnte ich mir gut merken! Er hatte auch einen britischen Akzent. Wissen sie, meine Frau kommt auch aus England, deswegen mag ich den so gerne. Außerdem hatte er so eine große auffällige Narbe über der linken Gesichtshälfte. Wir hatten ja auch schon mal darüber gesprochen, dass Sie beim Militär waren. Ihr Onkel meinte auch, dass er beim Militär war. Er sagte viele in ihrer Familie seien dort. Oder stimmt das etwa nicht?“

Doch mich interessierte weniger der Mann, als Jacks Reaktion. Nur an seinem Auge erahnte ich, dass sich große Sorge in ihm ausbreitete. Doch er nickte gelassen und lächelte freundlich. „Doch, ist alles gut. Das ist toll, wenn er sich Sorgen macht. Ist Jasper wenigstens nicht alleine…“ Eifrig nickte der Pfleger und meinte: „Ja… Nur schade, dass er da noch geschlafen hat. Er hatte dann nur die Sachen abgestellt und ist nach kurzer Zeit wieder gegangen…“

Jacks Hand legte sich auf meine nicht verbundene Schulter und drückte sie fest, als suche er gerade nach Halt. Ich verstand nicht, was hier los war. Als der Pfleger verschwand, starte Jack mich an und fast schon verzweifelt bedeckte er kurz sein Gesicht mit den Händen.

Plötzlich stand er auf und nahm die Schachtel und die Karte mit. „Ich muss jetzt los“, meinte er abrupt. „Jack“, meinte ich leise und hörte, wie ängstlich ich klang, „du kommst wieder, oder?“ Jacks Blick machte mir Angst, denn er war unergründlich, nicht einzuschätzen für mich. Er wirkte äußerst unruhig, etwas was ich von ihm nicht kannte.

Wir sahen uns an und fast verzweifelt war mein Blick. „Jack… bitte“, meinte ich leise und griff nach seiner Hand. Er ergriff sie, doch ließ er sie schnell wieder los. „Ich komme wieder, versprochen“, meinte er und nickte zu der Schachtel und der Karte. „Ich glaube, dass ich einen ganz großen Fehler begangen habe. Ich muss den ganz dringend ausbügeln. Ich weiß nicht, ob ich es morgen schaffe.“ Ich konnte nicht anders und ich starte ihn nur fassungslos an.

Jack beugte sich über mich und drückte fest seine Lippen auf die meinen. Verzweifelt wirkte der Kuss und ich hatte das Gefühl, dass langsam nichts mehr stimmte. Doch so schnell Jack auf einmal verschwand, konnte ich ihn nicht mehr aufhalten. Was war das?

Ich hoffe eigentlich, dass Jack heute noch mal vorbeischauen würde, doch dem war nicht so. Doch immer noch war ich recht müde und verschlief wieder viel von dem restlichen Tag. Doch das Verhalten und alles andere schwirrten durch meinen Kopf und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Auch der Schatten, der mich in meinen Träumen verfolgte hatte, schien wohl vorerst genug zu haben. Ich musste mich ablenken und so rief ich am Abend meine Oma an und hörte, wie erleichtert sie war. Ich konnte mich nur schlecht auf das Gespräch konzentrieren. Flogen meine Gedanken doch immer wieder zu Jack und seinem schnellen Aufbruch, den ich nicht verstand. Doch nahm meine Granny es mir nicht übel. Zu erleichtert war sie, dass ich wieder wach war. Meine Mutter hatte ihr nicht gesagt weswegen ich im Krankenhaus sei und als Granny fragte, berichtete ich ihr, dass ich es ihr sagte wenn wir uns sehen. Sie war eine liebevolle Person und akzeptierte es ohne großes Murren und bestand darauf, dass ich sie besuchen komme.

Auch erinnerte sie mich an etwas, was ich durch den ganzen Stress fast vergessen hätte. Das ich nächsten Monat tatsächlich schon 18 Jahre alt werde! Doch für so was hatte ich gerade keine Zeit zum Nachdenken. Ich verabschiedete mich, wollte wieder Ruhe. Zudem hatte es meine Großmutter verdient, dass ich mir Zeit für sie nahm.

Am nächsten Tag kam ich endlich runter von der Intensivstation, nachdem Dr. Davis ein letztes Mal meine Verletzungen untersucht hatte. Ich war erleichtert, dass dieses Piepen mich nicht weiter verfolge. Doch hatte ich immer noch Angst. Ich wollte einfach eine Erklärung von Jack. Ich hatte Zeit gehabt. Zeit zum Nachdenken. Ich vermutete, dass ich vielleicht in Gefahr war. Einer anderen Gefahr als die, die mein Vater für mich war. Dass ich nichts dagegen unternehmen konnte, machte mich verrückt.

Nach dem Frühstück kam eine Schwester und wechselte den Verband, beziehungsweise die Pflaster auf meinem Rücken. Es war eine einzige Qual. Es brannte und nur mit Hilfe eines zweiten Pflegers schaffte ich es aufrecht sitzen zu bleiben. Ich versuchte nicht zu schreien oder zu jammern, als sie die Wunden an meinem Rücken desinfizierten. Nur ein leises schmerzvolles Stöhnen entwich meinen Lippen. Ich wollte einfach nicht, dass irgendwer annahm, ich würde mich schwuchtelig Verhalten! Während mich der Pfleger noch stützte, fragte ich zittrig: „Wie viele Wunden sind es eigentlich…?“ Während noch eine Wunde desinfiziert wurde, antwortete die Schwester: „Vier Stück.“ Gott sei Dank waren es nicht mehr! Ich nickte leicht und sprach nicht weiter. Als wir endlich fertig waren und ich wieder in meinem Zimmer war merkte ich erst, wie sehr mein Körper zitterte.

Ich war noch alleine auf dem Zimmer, tatsächlich erschien meine Mutter am Nachmittag und hatte mir Kleidung gebracht. Doch viel Zeit hatte sie nicht und ich war nicht traurig darum. Ich fragte sie, was nun geplant sei und verzweifelt meinte sie: „Ich weiß es nicht, Jazzy. Ich hab mich von deinem Vater getrennt. Es war einfach zu viel… Das mit dir. Das mit der anderen Familie…“

„Mum… Was passiert nun mit mir“, fragte ich leise und versuchte meine Mutter von ihrem Selbstmitleid wegzukriegen. Ich brauchte gerade eine starke Person an meiner Seite. Nicht jemanden, der so war wie sie! „Ich hab mit Jenny gesprochen und auch das Jugendamt hat sich gemeldet. Jenny meinte, dass du nach der Reha bei ihr wohnen kannst… und da wir uns beide neu aufstellen müssen finde ich, dass das eine gute Idee ist…“

Ich sollte zu meiner Schwester, aber was war dann mit Jack?! Ich wollte aber lieber bei ihm wohnen! „Mum… hast du Jack gesehen“, fragte ich leise und meine Mutter schnaufte und schüttelte empört den Kopf. „Ja! Kannst du dir vorstellen, von früh bis spät sind fremde Menschen da…. Jasper weswegen hast du dich schwul machen lassen…ich meine, du hattest doch schon mal etwas mit einem Mädchen gehabt…Das ist doch nicht normal…“

Verzweifelt blickte ich meine Mutter an. „Das ist nicht dein ernst oder? Ich…komme gerade von der Intensiv…“ Entschuldigend blickte sie mich an und ich konnte nur den Kopf schütteln. Ich war wütend und funkelte sie zornig an und fast schon patzig meinte ich: „Willst du jetzt den Arzt fragen, ob es Mittel dagegen gibt?“ Erschrocken sah sie mich an. Doch wütend sah ich weg. Sie war meine Mutter, ja, dies ließ sich nicht abstreiten, doch ich hatte zu viel erlebt, vor dem meine Mutter mich nicht beschützt hatte. Die Wut auf sie konnte ich nicht mehr hinunter schlucken und das wollte ich auch nicht mehr!

„Hast du mein Handy eingepackt“, fragte ich genervt und war wahrlich erleichtert, als meine Mutter es mir reichte. Ich musste einfach Kontakt zu Jack aufbauen! Ohne Handy war das irgendwie gar nicht möglich… „Jasper… es tut mir leid. Was ich gesagt und getan habe“, murmelte meine Mutter. Als sie anfing zu heulen konnte ich nur genervt die Augen verdrehen. Irgendwer sollte es endlich ausstellen! „Ich hab es zur Kenntnis genommen, Mum. Es ist trotzdem nicht vergessen und noch lange nicht verziehen“, meinte ich ehrlich und erschreckend kühl zu ihr. Dass ihr daraufhin noch mehr Tränen die Wange hinunter liefen, interessierte mich nicht so sehr, wie ich dachte. Fast schon erschrocken von mir selbst, wie kalt es mich doch ließ.

„Ich versuch das wieder gut zu machen Jazzy, Schatz“, meinte sie leise und ich nickte nur. Sie hatte gelogen, mich verraten. Ich konnte ihre Aussage, die sie der Polizei gegeben hatte, einfach nicht anders deuten, war es doch genau das für mich. Verrat! Ich blickte sie aus unergründlichen Augen an und meinte: „Ich bin echt erschöpft Mum. Ich würde gerne schlafen. Außerdem hast du doch eh nicht viel Zeit.“ Einige Male blinzelte sie verwirrt und nickte mir leicht zu.

Ich ließ es zu, dass sie mich kurz drückte, doch ich sah ihr nicht mal nach, als sie die Tür hinter sich schloss. Ich entsperrte mein Handy und wählte gleich Jacks Nummer. Schon nach kurzer Zeit nahm er ab und ich war erleichtert, als ich seine Stimme hörte. „Hey Kleiner, alles klar?“

Genießerisch schloss ich kurz die Augen, als ich seine Stimme hörte. Doch schnell besann ich mich zu antworten: „Geht so, meine Mutter war gerade bei mir… Die war nur am Heulen und so… Jack kommst du heute, oder morgen vorbei…oder heute“, als er schwieg, flehte ich fast, „bitte Jack.“ Ich hörte, wie Jack am anderen Ende der Leistung schwer seufzte. „Klar, natürlich komme ich. Ich weiß nur leider nicht, ob ich es heute schaffe. Ein paar Leute sind da“, nuschelte Jack in den Hörer. Ich war unsicher und fragte: „Wer ist denn da? Irgendwer, den ich kenne?“

„Ja“, raunte er, „Ozelot und Miller sind hier. Muss noch was mit denen besprechen und das kann leider sehr lange dauern… Ich erklär es dir morgen. Es tut mir wirklich leid, dass ich heute nicht vorbeikommen kann.“ Ich nickte leicht, ehe ich merkte, dass er mein Nicken gar nicht sehen konnte und sagte schnell: „Okay. Der Arzt meinte auch, dass morgen die Polizei zur Befragung kommt… Ich hätte dich gerne dabei“, meinte ich leise und dieses Mal kam ohne ein Zögern sofort die Zustimmung.

„Meine Mum sagt, dass ich erst mal wohl zu Jenny ziehen soll“, meinte ich leise und sah an die Decke. Kurz herrschte Stille, doch dann meinte Jack ruhig und äußerst bedacht: „Die Idee ist doch nicht schlecht, Jasper… Du kannst da neu anfangen. Dich einfach neu aufstellen. Mit deiner Mutter würde es nicht mehr gehen, das Vertrauen ist einfach weg.“

Fast schon schockiert weiteten sich meine Augen. „Was ist mir dir!“

„Was soll denn mit mir sein“, meinte Jack ruhig und bedacht.

„Naja… ich will bei dir wohnen“, sagte ich ehrlich und doch noch während ich es sagte, merkte ich, dass wirklich etwas nicht stimmte. Was genau, konnte ich nicht sagen. Doch Jacks schweres seufzten am anderen Ende der Leitung ließ nichts Gutes erahnen.

„Jasper…. Wer würde das erlauben? … Lass uns darüber morgen lieber in Ruhe sprechen, wenn die Polizei weg ist, okay“, meinte er ruhig und diese Ruhe, die er ausstrahlte, fing an mir Angst zu machen!

„Vielleicht bin ich morgen nicht mehr alleine auf dem Zimmer…“, meinte ich fast schon patzig.

„Doch, wirst du“, raunte er nur kurz und meinte dann, „ich muss auflegen. Ich verspreche dir, dass wir morgen alles weitere besprechen… hey... ich liebe dich, dass weißt du….“

Eine bessere Zukunft

Ich schlief schlecht, denn immer wieder kamen schlechte Erinnerungen, die mich einholten und ich konnte sie nicht abschütteln. Ich hatte Angst vor dem Verhör und noch größere Angst, dass sich zwischen Jack und mir was verändert hatte. Etwas, auf das ich keinen Einfluss hatte und etwas was ich nicht wollte. Ich wünschte mir manchmal, dass ich die Zeit zurückdrehen konnte. Doch dies war natürlich unmöglich. Jack sagte nicht häufig, dass er mich liebte, doch wenn, dann klang es nie so. Fast wirkte es verzweifelt. Doch ich wollte mir nicht zu viele Gedanken machen! Vielleicht übertrieb ich auch einfach nur mal wieder. Doch ließen mich eben jene Gedanken nicht schlafen…

Zudem verfolgte mich der Schatten, welcher sich ab und zu in meinen Vater verwandelte. Immer noch ließ dieser mich, wenn ich schlief, nicht zur Ruhe kommen, so auch heute. Auch wenn das nervige Piepen der Geräte weg war, erdrückte mich, als ich wach war, die Stille. Fast schien es, als könnte man es mir gerade einfach nicht Recht machen. Als die Nachtschwester hineinkam und sah, dass ich noch wach war, bot sie mir eine Schlaftablette an. Ich wollte endlich schlafen, obwohl ich immer noch Angst davor hatte. Letzten Endes nahm ich sie an und fand endlich wieder etwas Schlaf. Im Krankenhaus ließ es sich nicht gut schlafen. In regelmäßigen Abständen wurde die Tür geöffnet. Die Schwestern mussten mehrmals pro Nacht nach den Patienten sehen. Wenn sie sich auf dem Flur in der Nähe meines Zimmers unterhielten, hörte man jedes Wort. Und wenn ein Patient in den Nebenräumen nach einer Krankenschwester klingelte, dann ertönte ein leises Klingel-Geräusch. Erholsam war bis jetzt keine der Nächte gewesen. Zwar fühlte ich mich kräftiger und stärker, doch sehnte ich mich nach Jack und meinem Bett. Vermisste den vertrauten Geruch, die Wärme und so vieles mehr. Vermisste es ihn an meinem Rücken zu spüren und auch Didi fehlte mir, schaffte es dieser kleine Hund doch immer mich aufzuheitern.

Die Schlaftablette wirkte jedoch so gut, dass ich erst nach Sonnenaufgang wirklich wieder wach wurde. Tatsächlich schien mein Körper den Schlaf dringen nötig zu haben, denn erneut fühlte ich mich stärker als am Tag zu vor. Doch langsam aber sicher wusste ich nicht mehr, wie ich mich hinlegen sollte, denn zu langes Liegen auf dem Rücken schmerzte, als auch liegen auf der Seite.

Als der Arzt zur Visite in mein Zimmer kam, war das Frühstück, eine ganze Scheibe trockenes Brot, bereits abgeräumt worden. Dieser Arzt war schon älter, vermutlich hatte er viel Berufserfahrung. Ich versuchte mir gar nicht erst die Namen zu merken. Es waren einfach zu viele in den letzten Tagen gewesen. Er untersuchte meine Verletzungen, fragte, wo es besonders weh tat. Tatsächlich waren die Schmerzen erträglich, außer das brennen auf dem Rücken. Er schaute nach den Pflastern und kam zu dem Entschluss, dass die Verbände auf meinem Rücken erneut gewechselt werden sollten. Die Entzündungsgefahr sei zu hoch. „Das tut mir leid, Junge“, sagte er mit ruhiger mitfühlender Stimme, „aber, dass ist nur zu Ihrem Wohl…“ Ich wusste, es war vermutlich richtig, doch war diese Prozedur einfach nur eine reine Folter! Jedoch zeigte er sich auch begeistert, dass ich so schnell Fortschritte machte und ich von Tag zu Tag fitter wirkte.

„Dann kann unser Sozialdienst ja schauen, dass Sie bald in die Reha kommen. Wenn Sie da auch so gute Fortschritte machen, wäre das grandios“, sagte er freundlich und schaute auf einen Zettel auf dem vermutliche irgendwelche weiteren Werte standen, die ich eh nicht verstanden hätte. Ich nickte leicht und betrachtete meine geschundene Schulter, die Worte Jacks kamen mir in den Sinn und traurig betrachtete ich meine Schulter. „Sagen Sie“, begann ich zögerlich, „ich hab wirklich gerne Baseball gespielt und sollte eventuell ein Stipendium bekommen… wird das wohl wieder…?“ Die Stirn runzelnd betrachtete der Arzt mein Gesicht.

Tatsächlich erschien ein entschuldigender Ausdruck und mir sank das Herz in die Hose. „Ich vermute, dass Sie die Schulter irgendwann wieder vernünftig benutzen können, sodass Sie im Alltag keine Probleme haben sollten. Jedoch befürchte ich, dass nach einem so komplizierten Bruch eine Sportkarriere nicht mehr möglich ist. Jedenfalls nicht, wenn Sie dabei die Schultern belasten müssen.“ Ich seufzte schwer und blickte auf die Bettdecke. Die Wahrheit konnte einfach scheiße sein. Trauer erfüllte mich und Enttäuschung durchflutete meinen Körper. Bitter nickte ich und strich mir mit der linken Hand durch die Haare. Ich wollte meinen Traum einfach noch nicht aufgeben.

„Sie sind noch jung Mr. Hale. Sie haben sicher viele andere Talente. Sie werden sicher was finden, da bin ich mir ziemlich sicher. Sie sollten sich nun eh auf anderes konzentrieren. Wieder gesund werden. Ach…die Schwestern teilten mir zudem mit, dass heute so um halb zwei noch ein Beamter der Polizei vorbeikommen wollte um Sie zu befragen. Wissen Sie das schon?“ Ich nickte leicht und sah in das Gesicht des Doktors. Ich merkte, wie sich meine Gesichtszüge versteinerten und ich fast gequält die Augen schloss. Der Arzt schien meine Bedenken zu bemerken und mitfühlend war sein Blick. Zeigten meine Verletzungen wirklich so sehr was passiert war? Oder war es eher mein Verhalten?

„Sollte das noch zu viel für Sie sein, würde ich Sie bitten, dass Gespräch umgehend abzubrechen.“ Ich nickte und als der Arzt mir noch mal eindringlich in die Augen sah, wandte er sich ab und ging zu seinem nächsten Patienten.

Ich hoffte Jack würde schnell kommen, schließlich hatte er es versprochen. Ich schrieb ihm und fragte, wann er vermutlich kommen würde. Auch informierte ich ihn darüber, dass die Polizisten gegen 13 Uhr 30 kommen würden. Tatsächlich antwortete er schnell darauf, dass er gegen 13 Uhr da sein würde, was mich erleichtert aufseufzten ließ. Wenigstens war ich dann nicht alleine, wenn die Polizei kam. Ich hoffte, dass nun alles wieder normal sei. Das, egal welches Problem gerade da war, er dieses gemeinsam mit Adam und Miller regeln könnte.

Während ich wartete, schrieb ich Eric, dass ich wieder wach sei. Tatsächlich hatte ich ihn bis jetzt vergessen. Er antwortete nicht sofort, natürlich! Es war vormittags und Eric in der High School. Als vermutlich kurz Pause war, schrieb er, dass er mich so schnell es geht besuchen möchte. Er fragte, was passiert sei. Ich antwortete ihm, dass ich mich freuen würde, wenn er kommt. Doch das Wissen, was genau geschehen war, behielt ich vorerst für mich. Es war kein Gespräch, welches man über Chatnachrichten führen sollte. Ich wollte es, wenn ich es ihm sagte, persönlich berichten. Ich konnte gar nicht abwarten, dass es endlich 13 Uhr wurde. Doch je länger man auf die Uhr starrte, desto langsamer schien die Zeit zu vergehen.

Als die Krankenschwestern mich mitnahmen, um mir meine Pflaster erneut zu wechseln, musste ich das erste Mal seit dem Vorfall auf eigenen Beinen stehen. Denn anders als auf der Intensiv, wurde der Verbandswechsel nicht im Zimmer durchgeführt. Ich war äußerst wackelig auf den Beinen und ein Pfleger stützte mich. Als ich sah, wie schmal meine Beine in der Zeit geworden waren, erschrak ich. Wie schnell Muskeln abbauen konnten!

Ich wusste was passieren würde, als sie die Pflaster lösten und dennoch war es kaum erträglich. Wieder erzitterte mein Körper und ich war froh, als ich wieder in meinem Zimmer war. Doch ein Gutes hatte es auch. Fast eine ganze Stunde war vergangen! Während ich über das anstehende Verhört nachdachte, hoffte ich, dass ich danach endlich wieder nach vorne sehen konnte. In eine Zukunft die bunt war und nicht schwarz.
 

Kurz nach dem Mittagessen betrat Jack das Krankenzimmer, auf dem ich immer noch alleine war. Ich vermutete, doch war ich mir nicht sicher, dass Jack seine Finger dabei mit im Spiel hatte. Doch er konnte auch nicht in allen Bereichen Einfluss haben! Das war nicht möglich, da war ich mir ziemlich sicher. Er lächelte, doch irgendwie war sein Lächeln anders, als ich es kannte. Distanzierter. Fast ein wenig aufgesetzt wie eine Maske, die er früher so häufig zeige. Er nahm neben dem Bett Platz und betrachtete mein Gesicht. Angespannt sah er aus. Als habe eine innere Unruhe Besitz von ihm ergriffen. Etwas, was mich beunruhigte. Schließlich war er es, welcher immer einen kühlen Kopf wahren konnte.

Er fragte mich, wie es mir geht und ich antwortete wahrheitsgemäß. Ich berichtete davon, dass die Verbandswechsel auf meinem Rücken eine reine Folter waren, dass sie schmerzten und ich hoffte, dass bald nicht mehr machen zu müssen. Er nickte ernst und schaute mich mit seinem eisblauen Auge mitfühlend an. „Jack… irgendwas ist anders… Bitte sag mir, was plötzlich los ist. Ich habe mir auch meine Gedanken gemacht… Bin ich…ich weiß auch nicht... in größerer Gefahr als ich glaube? Und weswegen sind Adam und dieser Miller bei dir?“

Jack seufzte schwer und lehnte sich in dem Stuhl zurück. „Alles Später Kleiner, nach dem Verhör okay“, meinte er wieder in einer zu beruhigenden Tonlage, welche mich nervös machte.

Doch viel Zeit zum Protestieren blieb mir nicht. Es klopfte an der Tür und zwei Männer betraten das Zimmer. Beide schienen in ihren Vierzigern zu sein. Einer war recht kräftig und hatte ein wettergegerbtes Gesicht, der andere war untersetzter, jedoch wirkte er ebenfalls sehr sportlich. „Jasper Hale“, fragte der Beamte mit dem wettergegerbten Gesicht mit ruhiger und entspannter Stimme.

Ich nickte und als sie sich als Polizeibeamte auswiesen, wappnete ich mich innerlich vor dem anstehenden Verhör. Er fragte, ob ich wüsste, dass sie kommen und ich nickte. Der kleinere der beiden Männer betrachtete skeptisch Jack und noch bevor irgendjemand was sagen konnte meinte ich: „Ich will, dass er dabei bleibt!“ Überrascht sahen sich die Beamten an und der wettergegerbte fragte: „In welcher Verbindung stehen sie zueinander?“ Ich blinzelte einige Male. Zu sagen, dass Jack mein Freund war, traute ich mich nicht mehr. Nicht vor Beamten und Kollegen meines Vaters. Jack erkannte meine aufkommende Angst und sagte schnell: „Ich bin ein guter Freund und Nachbar. Ich habe auch das ein oder andere mitbekommen und kann etwas zur Aufklärung hinzufügen.“ Überrascht sahen die Männer zu Jack und unschlüssig nickten sie, wohl immer noch skeptisch. Vermutlich lag es auch an seinem Aussehen. Die Augenklappe und die Narben, für mich schon fast unsichtbar, waren für Fremde einfach so prägnant, dass es wohl wieder mal abschreckend wirkte. „Was haben Sie denn mitbekommen Mr. …“, fragte der kleinere Mann, vermutlich kein allzu netter Zeitgenosse. Jack kramte in seiner Hose und holte eine zerfledderte lederne Geldbörse hervor und kramte nach seinem Ausweis. Der kleinere Polizist nahm den Ausweis entgegen und betrachtete ihn. Er schrieb sich wohl Name und Geburtsdatum ab und reichte ihn Jack wieder. Er nickte stumm seinem Kollegen zu, welcher seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete.

„Wir wollen gerne wissen, was genau vorgefallen ist. Die Angaben, die von deiner Mutter gemacht wurden, stimmen nicht mit dem überein, was wir am Tatort vorgefunden hatten“, meinte einer und lächelte mich tatsächlich freundlich an. Doch auch dieses nette Lächeln konnte mich nicht beruhigen. Es waren Kollegen meines Vaters! Sie kannten ihn vermutlich, jedoch wusste ich es nicht.

„Sie kennen meinen Vater“, fragte ich vorsichtig und der Polizist nickte leicht. Er sah meine Zweifel. Sicher waren sie ausgebildet worden im Deuten von Mimik und Gestik und so fügte er freundlich hinzu: „Vom Sehen. Allerdings hab ich im alltäglichen Geschäft nicht viel mit der Verkehrspolizei zu tun. Was du sagst, wird vertraulich behandelt. Aber bezüglich deines Vaters muss ich sowieso sagen, dass er seit mehreren Tagen nicht mehr zur Arbeit erschienen ist. Er ist auch nicht mehr erreichbar. Deswegen ist auch die erste Frage: Hast du vielleicht eine Vermutung wo er sein könnte.“ Geschockt sah ich die Polizisten an und fast schon automatisch wanderte mein Blick zu Jack. Doch unschuldig war sein Blick. Als ich ihn ansah zuckte er nur mit den Schultern. Fragend wandte er sich an die Polizisten: „Er hat nichts hinterlassen? Haben sie schon mal bei seiner Freundin gesucht. Mit der hat er ja noch ein Kind…“ Skeptisch betrachteten die Polizisten Jack und mich und schüttelten den Kopf. „Nein, auch da ist er nicht. Also habt ihr beide auch keine Ahnung, wo sich dein Vater aufhalten könnte“, fragten sie und ich schüttelte den Kopf.

Immer noch raste mein Puls und die Angst schnürte mir die Kehle fast zu. „Was ist bei dir Zuhause passiert“, fragte der größere der Beiden freundlicher und lächelte mich leicht an.

Ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Mit zittriger Stimme begann ich zu berichten. Doch den Grund, weswegen mein Vater die Beherrschung verloren hatte, versuchte ich wegzulassen. Ich erzählte, dass er auf meinem Rechner Sachen gefunden hatte, die ihn wütend gemacht haben. Wie er ausflippte. Die Bilder dessen was geschehen war, tauchten in meinem Kopf auf. Es lief wie ein schlechter Film vor meinem inneren Auge ab. Die Polizisten, welche sich auf Stühle neben dem Bett gesetzt hatten, schienen sich ab und zu etwas auf Blöcken zu notieren.

Einer hob die Hand und unterbrach mich. „Mr. Hale, Jasper, dass klingt wirklich schrecklich, aber wir brauchen auch den Grund dafür… So leid es mir tut, den musst du uns schon sagen. Anhand deiner Verletzungen und dem Muster wissen wir schon, wie die Tat an sich ablief“, meinte der breitere der Beiden und klang erstaunlich vorsichtig. Ich rang mit mir, etwas was ich sicher nicht gut verbergen konnte. Ich schluckte und seufzte leise, als ich leise murmelnd sagte: „Mein Vater kam nicht damit klar, dass ich schwul bin… Er hat es an diesem Abend herausgefunden…“ Tatsächlich schämte ich mich sogar dafür. Ich blickte auf den Boden, wollte den Männern nicht ins Gesicht sehen und hätte mich dafür selbst schlagen können.

Daran war nichts, aber auch gar nichts Schlimmes! Die Menschen, die es nicht verstehen konnten, machten daraus etwas Verbotenes. Überrascht sahen mich die Beiden an und Jack fügte grimmig hinzu: „Dazu kommt noch, dass John Hale seine Familie tyrannisiert. Seit ich nebenan wohne, ist es immer schlimmer geworden, hatte ich zumindest im Gefühl. Er schlägt seine Frau und seinen Sohn.“ Fragend sahen mich die Beamten an und schienen wissen zu wollen, ob ich Jacks Worte bestätigen konnte. Bitter nickte ich und nuschelte: „Jack hat Recht. Häufig schlägt er Mum und auch mich hat er des Öfteren geschlagen.“ Sie nickten beide und schrieben sich ihre Notizen auf, sollten die Polizisten etwas gegen Homosexuelle haben, verbargen sie es hervorragend.

Ich dachte nach, was ich von meinem Vater gehört hatte und was ich selbst alles erleben durfte. Ich sah den Polizisten an, welcher mir näher saß und erklärte leise: „Ich weiß, dass mein Vater rassistisch ist und auch Probleme deswegen auf der Arbeit hat.“

Wieder nickten sie nur, natürlich durften sie sich nicht in die Karten schauen lassen. Vermutlich eben so wenig wie Jack. Sie nickten und machten sich erneut Notizen und sahen sich kurz an. Vielleicht hatten sie auch erwartet, dass ich mich benehme wie mein Vater, doch sicher war ich mir nicht. Sie fragten, wie es sonst Zuhause gewesen sei und ehrlich antwortete ich. Das Vater cholerisch war, Mutter sich immer mehr zurückzog und wie die Gewalt immer mehr zunahm.

Grimmig sah der kleinere der Beiden mich an und erklärte sachlich: „Das haben wir regelmäßig. Häusliche Gewalt kommt in allen Gesellschaftsschichten vor. Meistens beginnt alles harmlos. Es ist eine reine Gewaltspirale, aus der man frühzeitig ausbrechen muss. Ich hoffe, dass deine Mutter es schafft nicht mehr zu ihm zurückzugehen.“ Ich nickte leicht und erneut flackerten meine Augen kurz zu Jack.

Die Polizisten folgten meinem Blick und während ich Jack anschaute, fing ich an zu sprechen: „Er hat mir geholfen. Mich… unterstützt und mir beigestanden. Ich wollte nicht, dass er irgendwem davon erzählt. Als Dad mich vor einer Woche angegangen ist, war es Jack, der mir das Leben rettete. Er kam rein und… na ja, was genau passiert ist weiß ich nicht mehr…“ Jack seufzte und setzte an meiner Erzählung an: „Ich hab gesehen, wie Jasper auf der Treppe lag und blutete. Ich hab John von seinem Sohn weggezerrt und ihn vor die Haustür befördert…“ Ich wusste, dass er einige Details ausließ, ob wegen mir oder der Polizei konnte ich nicht beurteilen. Skeptisch sahen sich die Polizisten kurz an und der größere der Beiden bat Jack am nächsten Tag auf das Präsidium zu kommen. Er stimmte gleich zu und nach einem kurzen Augenblick erhoben sich die beiden Männer.

„Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was sie ergänzen möchten, rufen Sie uns an“, sagte der Wettergegerbte mit tiefer Stimme und reichte mir eine einfach weiße Visitenkarte. Ich nickte, betrachtete die Karte und schaute nur kurz auf, als die Beiden das Zimmer verließen¬. Stille legte sich über den Raum und erschöpft betrachtete ich ein hässliches Bild mit einer Vase und vertrockneten Sonnenblumen.

„Ich dachte es wird schlimmer“, murmelte ich in die aufkommende Stille hinein. Jack nickte ernst und schien grüblerisch auf den Boden zu starren. Während wir so schwiegen, hörte ich Menschen an unserem Zimmer vorbei gehen. Meine Gedanken kreisten und nach einem kurzen Moment fragte ich: „Wo ist mein Vater?“ Jacks Blick flackerte zu mir. „Hast du doch gehört“, fing er an zu sprechen, „er scheint untergetaucht zu sein.“ Ich lachte bitter auf und meinte kopfschüttelnd: „Nein! Sag die Wahrheit.“

Missmutig sah Jack zu mir und fast schon unschuldig sagte er: „Ich fand es sinnvoll ihn nach der Aktion mal was von seiner eigenen „Medizin“ schlucken zu lassen.“ Verständnislos sah ich ihn an und fragte ernst, fast schon erschrocken klingend: „Was hast du getan?!“ Ernst und ohne Emotionen schaute Jack mich an. Kühl, abgebrüht klangen seine harschen Worte: „Ich habe ihm deutlich gemacht, dass er dich nie wieder so anfassen darf! Und ich denke, er hat es so langsam verstanden.“

Selten hatte ich Jack so eiskalt gesehen. Er hatte mir schon öfter gesagt, dass er Menschen gefoltert und sogar wohl schon ermordet hatte. Doch nie konnte ich mir das besser vorstellen, wie in diesem Moment. Seine Aussage konnte einfach alles bedeuten! So sehr ich meinen Vater auch hasste, war ein unverständlicher Teil in meinem Inneren der nicht wollte, dass ihm etwas zustieß! Besonders nicht wegen mir! Wir sahen einander an. Lange, schweigend.

„Ich will wissen, was du getan hast“, sagte ich leise murmelnd zu ihm. Jack ahnte vermutlich was in mir vorging. Schon seit wir uns kannten war ich für ihn wie ein offenes Buch. Er wusste praktisch immer was in mir vorging. Doch ich konnte gerade auch den Soldaten in Jack sehen. Derjenige, der darauf trainiert war in solchen Ausnahmesituationen Ruhe zu bewahren. Einen Mann, der vermutlich eine andere Einstellung zu der Frage des Rechts und Unrechtes hatte, ebenso zu der Bestrafung dessen was Unrecht war.

Als er antwortete, hatte seine Stimme nichts von ihrer Kälte verloren und ich wusste, dass ich grade mit dem Soldaten Jack zu tun hatte, nicht mit dem Mann, den ich liebte. „Ich habe ihn gewarnt. Dir nichts mehr anzutun. Ich warne nur einmal. Er hat es schon einmal nicht begriffen. Ich denke jetzt weiß er es!“ Ich schüttelte den Kopf und auch ich wurde etwas energischer, als ich ihn aufforderte: „Jetzt rede endlich! Und weich nicht ständig aus verdammt!“

Ich sah, wie Jack wegsah, kannte er mich einfach zu gut! „Es kann sein“, begann er nach kurzem Schweigen, „dass er ein Handgelenk gebrochen hat… Außerdem wollte Ozelot was ausprobieren…“ Verwirrt sah ich ihn an und fragte: „Wieso Ozelot?“ Unschuldig sah er mich an und unschuldig wirkten auch seine Worte, als er sagte: „Jeder hat seine Stärken… Die von Ozelot sind das schießen und das Verhören von Verdächtigen. Er bekommt alles raus was er möchte…“

Verwirrt sah ich ihn an und meinte: „Ein Verhörspezialist?“

Jack nickte und ließ nicht von seinen Emotionen nach außen. Er meinte: „Ich kann das auch ein wenig, aber ich fand jemand der noch mehr darauf geschult ist, sei besser für den Job.“ Ich erinnerte mich an den blonden fröhlichen jungen Mann, der sicher grade mal zwanzig war. Es klang nicht nach Verhör und dessen war ich mir sicher! Was wollte er denn auch herausfinden?! Wir redeten von Folter!

Ich erinnerte mich an Adams offenes und fröhliches Gesicht und konnte es mir nicht vorstellen!

Doch dann schlichen sich die Erinnerungen in mein Gedächtnis, als Jack damals lachte, als ich meinte, dass von Adam keine Gefahr auszugehen schien.

Ich merkte noch rechtzeitig, dass Jack schon wieder nicht auf meine Frage geantwortet hatte und so forderte ich ihn erneut auf mir zu sagen, was mit meinem Vater geschehen war. Fast schon genervt seufzte Jack und meinte mit gereizten Unterton: „Na gut. Er hat ein bisschen leiden müssen. Adam hat sich um ihn gekümmert… Ich will ihn leiden sehen. Jeden Tag, den du im Koma lagst, sollte für ihn ein Tag sein, den er nicht vergisst. Er prahlt immer, dass der die Methoden in Guantanamo so gut findet….“ Er beendete diesen Satz nicht und ließ mich meine eigenen Schlüsse ziehen: „Ich hab vielleicht auch deinen kleinen Bruder mal kurz besucht. Wollte schauen, ob er sich um den auch keine Sorgen macht.“

Fassungslos sah ich ihn an. „Du kannst das Kind mit sowas traumatisieren“, meinte ich aufgebracht. Jack zuckte mit den Schultern. „Ja und?“, kommentierte er gleichgültig und fügte, nach meinen entsetzten Gesichtsausdruck schnell hinzu, „denkst du wirklich ich hab einem Kind was angetan?“

Ich schüttelte den Kopf, denn tatsächlich konnte ich mir sowas nicht vorstellen! „Jazz… ich will, dass er eine gerechte Strafe erhält!“ Bitter nickte ich, denn eigentlich wollte ich das auch, nur eben ohne Folter! Guantanamo! Waterboarding, schoss mir als erstes durch den Kopf! Ich wollte das nicht! Fand es einfach nur unmenschlich.

„Ich verspreche dir, dass ich deinen Vater nicht umbringe“, meinte Jack ruhig. Ich glaubte ihm, doch war da auch Skepsis und so forderte ich ihn auf: „Und auch nicht irgendwer deiner Freunde, ja?“ Daraufhin schwieg Jack und ich wusste, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.

Ich sah, wie Jack leicht nickte, doch er sagte ernst: „Er kommt trotzdem nicht ungestraft davon… Dafür sorge ich!“

„Ich will auch, dass er bestraft wird, aber lass doch erstmal schauen, was die Gerichte noch machen… Hör auf damit, Jack! Ich glaube nicht, dass ich mit einem Mann zusammen sein kann, von dem ich weiß, dass er meinen eigenen Vater foltert!“

Ich sah, wie Jack mit sich rang. Hatten ihn diese harten Worte von mir getroffen? Als wir einander ins Gesicht sahen, nickte er: „Na gut… Aber sollte mir das Urteil nicht passen…“ Ich hob beschwichtigend die Hände und raunte: „Du hast ihn doch schon bestraft… Glaubst du das reicht nicht?“

„Wenn es nach mir geht, würde dieser Mensch nicht mehr aufstehen können. Ich verspreche dir, ich bringe ihn nicht um. Mehr verspreche ich nicht!“

Ich wollte nicht mit Jack streiten, vor allem nicht wegen meines Vaters. Denn eigentlich war es dieser Mensch nicht wert, dass ich deswegen solche Probleme mit Jack hatte, zumal noch anderes im Raum stand. Also nickte ich und irgendwie war ein Teil in meinem Inneren auch zufrieden, dass Dad eine Strafe erhalten hatte, die ihm zusetzte!

Wieder legte sich Schweigen auf das Gespräch, doch schnell durchbrach ich sie. „Was hat es mit diesem David auf sich“, fragte ich Jack direkt. Ich sah, wie er durchatmete. Sein gerade noch so distanzierter Blick wandelte sich. Fast schon traurig sah er mich an.

Er schaute kurz gen Boden und raufte sich mit beiden Händen durch die Haare. Als ich schon nicht mehr damit rechnete, dass er etwas sagte, begann er leise zu sprechen: „Ich hab Mist gebaut. Ich hätte mich nicht von dir überreden lassen sollen, dich mit nach Arlington zu nehmen. Die falschen Leute haben von dir gehört… Dieser David ist einer davon…“

Ich blinzelte verwirrt und fragte gleich: „Was heißt das?“

Jack blickte mich kurz an und erklärte: „Es bedeutet, dass du in Gefahr bist. Ich versuche gerade deinen Namen überall zu löschen. Der ist auf den falschen Listen aufgetaucht… Doch er war hier, Jazz. Er kennt deinen richtigen Namen! Ich wollte dich nie in eine solche Gefahr bringen…. Du hast keine Ahnung wie leid es mir tut!“ Ich schluckte und sah an die Decke. Als ich darüber nachdachte, wollte ich mehr erfahren und bat Jack mir zu erzählen, wer genau dieser Mensch sein soll. Ich sah, wie er kurz mit sich rang, doch vermutlich hatte ich einfach ein Recht darauf mehr zu erfahren!

„Er war mein Vorgesetzter und auch ein Freund, dachte ich. Er hat die Mission geleitet, in der ich Boss, Susanne, verloren habe“, er schwieg kurz. Wütend wurde sein Blick und ich hatte das Gefühl, dass kurz Hass in seinem Auge aufblitzte, etwas, was ich bis jetzt nur gesehen hatte, wenn er Dad ansah: „… Er wusste alles. Er wusste von Anfang an, dass nur einer von uns wieder kommen würde... Wir gingen nicht als Freunde auseinander.“ Er sah kurz zu mir herüber und schwieg. Ich glaubte ich verstand immer noch nicht, wieso dieser Typ jetzt so gefährlich war.

„Er meint ich würde ihm etwas schulden, dafür, dass ich ihn ein wenig beklaut habe. Ich soll wieder für ihn arbeiten. Er meinte ganz großkotzig er würde mich bitten, als Freund. Bevor er es mit guten Argumenten versuchen müsste.“ Er warf mir einen alles sagenden Blick zu. Er drohte ihm mit mir! Aber wie wollte Jack das wieder ausbügeln?

„Jack bitte! Ich will nicht auch noch dich verlieren. Ich weiß nicht, ob ich das alles so durchhalte“, meinte ich verzweifelt. Er konnte mich einfach nicht verlassen! Das durfte er nicht! Egal, wie edel seine Absichten vielleicht auch waren!

Traurig schaute Jack mich an, doch als er meinen fast schon flehenden Gesichtsausdruck sah, nickte er. Er griff nach meiner Hand und drückte kurz seine Lippen auf meine. „Es tut mir einfach leid, Jazz. Ich hätte viel vorsichtiger sein müssen! Ich versuch das so hinzubekommen und wenn es nicht anders geht, mach ich eben noch einen Einsatz für ihn…“ Doch was ist, wenn er es einmal schaffte Jack für sich arbeiten zu lassen, würde dieser David es dann nicht immer darüber versuchen?! Mir war klar, dass Jack dasselbe dachte. Doch ich wollte mir nicht vorstellen, dass ich wirklich in so großer Gefahr war!

Ich bat Jack bei mir zu bleiben. Ich sah, wie er mit sich rang und vermutlich nickte er schweren Herzens. Doch als Jack ging, hatte ich Angst. Ich wusste, dass meine Sicherheit ihm über alles ging! Ich hatte einfach Angst, dass Jack nicht wieder kommt um vielleicht so mein Leben zu retten. Ich hatte nicht das Gefühl sonderlich in Gefahr zu sein und dadurch verstand ich Jacks Panik einfach nicht. Ich wollte sie auch einfach nicht verstehen!

Doch Jack hielt sein Versprechen und ich war erleichtert. Weiterhin besuchte er mich. Meine Schwester kam auch am nächsten Tag und am übernächsten. Und am Tag darauf. Sie war danach ständig da und ich war froh nicht mehr alleine dort zu sein. Sogar meine Oma machte sich auf den Weg zu mir. Doch keiner meiner Brüder meldete sich. Weder John, Jason noch Jackson. Doch es war mir gleich. Wichtig war, dass Jack da war. Ich hoffte, dass nun endlich eine gute, nein, bessere Zukunft bevorstand.

Epilog

Ich machte gute Fortschritte und ich hatte das Gefühl, dass die Krankenpfleger und Ärzte immer begeisterter wurden. Schon bald wurde darüber gesprochen, dass ich schnell nach Hause durfte, denn die Frakturen konnte ich auch Zuhause auskurieren und die Wunden auf dem Rücken waren so weit geschlossen, dass ein wöchentlicher Wechsel bei einem Allgemeinmediziner ausreichen sollte. Ich hielt mich strickt an die Anweisung des Orthopäden, nichts zu heben, was schwerer als eine Kaffeetasse war und machte regelmäßig die Übungen, die er mir aufgetragen hatte, wollte ich doch so schnell wie möglich wieder fit werden!

Eric hatte mich in der Klinik besucht, eine willkommene Abwechslung. Fassungslos lauschte er meinem Bericht und konnte es kaum glauben. Ich wollte meine Mutter nicht sehen, doch tatsächlich kam sie nun alle zwei Tage, was mich wahnsinnig wütend machte! Ich wollte sie nicht sehen! Ich wollte keine, in meinen Ohren, falschen Worte hören! Sie berichtete mir, dass mein Vater wieder aufgetaucht sei. Tatsächlich wohl ziemlich verletzt, doch er schwieg und sagte niemanden was geschehen sei. Ich wollte es nicht hören und eines Tages raunte ich sie wütend an: „Mum, verschwinde! Ich will dich nicht sehen! Bitte, es ist einfach zu viel! Es ist einfach….nein geh!“ Entsetzt sah sie mich an und nachdem sie laut geweint hatte, verschwand sie endlich. Diesmal knickte ich nicht ein und tröstete sie nicht.

Und auch Jack kam jeden Tag und wenn er es nicht schaffte, dann telefonierten wir. Ich war so erleichtert, hatte ich doch Sorge, dass er meinte, seine Anwesenheit sei zu gefährlich… Doch was genau er sonst machte, oder Miller und Ozelot, verriet er mir nicht. Ich wusste nicht, was Jack noch alles machte. Er ließ sich nicht mehr in die Karten schauen, zudem wollte er mich unter keinen Umständen noch weiter in etwas hineinziehen. Auch, ob die Gefahr, in welcher ich angeblich stand gebannt war, verriet er nicht. „Ich kümmere mich darum“, sagte er immer und wechselte das Thema. Ich verstand ihn nicht. Ich fühlte mich nicht in Gefahr. Ich versuchte Jack zu verstehen, doch ich schaffte es einfach nicht!

Immer wieder fragte ich ihn weswegen ich nicht bei ihm wohnen könne. Doch er meinte darauf immer nur, dass es erstmal besser sei, wenn ich bei Jenny wohnen würde. Egal wie oft ich es versuchte, ich schaffte es nicht ihn umzustimmen. Es ärgerte mich. Wie soll ich vernünftig und rationale Entscheidungen treffen oder ihn einfach nur verstehen, wenn ich nicht alle Informationen erhalte?!

Es war mein Geburtstag, an dem ich das Krankenhaus verließ. Ich wollte ihn nicht feiern und war wirklich dankbar, dass Jenny sich daran hielt, auch Oma ließ es zu, auch wenn sie darüber sicher ziemlich traurig war. Jack war es, der mich abholte, dass hatte ich mir gewünscht. Ich lächelte breit als ich ihn sah, endlich hier raus und endlich wieder Zeit alleine! Mit schweren schwarzen, ledernen Schuhen, einer Hose mit Tarnmuster und mit einem schwarzen T-Shirt sah er so aus, wie an jenem Tag, an dem wir zum Jetfliegen aufgebrochen waren. Meine Augen begannen zu leuchten als ich ihn sah. Er ging auf mich zu und drückte seine Lippen auf die Meinen. Begierig erwiderte ich den Kuss und genoss seinen herben männlichen Geruch in meiner Nase, die rauen Lippen auf den Meinen!

Als wir einander ins Gesicht schauten bemerkte ich jedoch, dass hinter der Fassade etwas war, was ich wieder mal nicht deuten konnte. Wie so oft in der letzten Zeit. Doch so schnell wie es da war, war es verschwunden! „Alles Gute, Jazz“, raunte Jack und wuschelte mir durch die Haare und grinste mich kurz an.

„Sollen wir“, fragte er und nahm meinen Rucksack. Ich nickte leicht, tragen durfte ich nichts und gemeinsam verließen wir das Krankenhaus. Ich glaubte, dass ich nie erleichterter war ein Krankenhaus zu verlassen! Ich wollte nie wieder eins betreten!

„Danke, dass du mich abholst“, meinte ich freundlich und grinste leicht. Er nickte ernst und als wir zum Auto gingen, konnte ich Didi sehen, der seine nasse Nase an der Scheibe plattdrückte. Aufgeregt wedelte der Hund mit dem Schwanz. Mein leichtes Lächeln wandelte sich zu einem breiten Grinsen, als ich den Hund sah. „Er hat dich ziemlich vermisst“, grinste Jack kurz und für einen kurzen Moment schien alles wieder wie früher. Die Tür wurde geöffnete und der kleine Hund sprang bellend heraus. Er war gewachsen! Und wie! Als einen Welpen konnte man ihn nicht mehr sehen! Sein Kopf reichte bis zur Mitte meines Oberschenkels. Ich streichelte ihn und freudig leckte er mir über die Hand. Meine Augen begannen zu leuchten als ich das Tier sah!

Jetzt, wo ich ihn sah, merkte ich erst wie sehr ich ihn vermisst hatte. Ich drückte ihn an mich und strahlte förmlich! Ich hockte mich zu ihm hinunter und aufgeregt lecker er mir mit seiner langen Zunge durch mein Gesicht. Ich lachte erneut auf und wuschelt das graue Fell, während ich mich erhob. Als ich zu Jack sah, merkte ich, wie er sein Handy wegsteckte. Wieder war sein Blick seltsam, fast schon traurig….

Didi sprang alleine wieder auf den Rücksitz und ein letztes Mal streichelte ich das Tierchen, ehe ich mich neben Jack nach vorne setzte. Wir fuhren und schwiegen. Jeder hing seinen Gedanken nach und ich blickte auf den Highway. Nie hätte ich gedacht so meinen achtzehnten zu feiern. Vermutlich hätte ich alle meine Freunde eingeladen und einen richtig schönen Tag gehabt. Ich war Jack wirklich dankbar, dass er keine große Sache aus meinem Geburtstag machte. So seltsam es sicher für einige war, es war für mich heute kein Tag zum Feiern. Doch sicher ließ es Jenny sich nicht nehmen wenigstens etwas Kleines auf die Beine zu stellen.

Das Radio wurde nicht angeschaltet und erst nach einigen Meilen fragte ich in die Stille hinein: „Jack, ist alles gut?“ Ich sah, wie Jack das Lenkrad fester umklammerte und es schien als starrte er auf die Straße.

Er nickte, doch es wirkte nicht echt! „Hast du eigentlich meinen Namen von diesen komischen Listen hinunter bekommen“, fragte ich und runzelte die Stirn. Vermutlich hatte er immer noch ein schlechtes Gewissen, dass er mich in Gefahr gebracht hatte. So wenig ich mich in Gefahr fühlte. Ich hörte, wie Jack die Luft kurz ausstieß. „Ja…. Das habe ich hinbekommen. Mit Millers Hilfe“, nuschelte er leise. War es Reue in seiner Stimme? Ich wusste es nicht…

Ich nickte und versuchte fröhlicher zu sagen: „Das ist doch klasse, oder etwa nicht?“ Jack zuckte mit den Schultern und hüllte sich wieder in Schweigen.

Weiterhin wurde viel geschwiegen. Ich versuchte noch etwas Konversation zu führen, doch wirklich darauf einlassen konnte Jack sich nicht. „Ich hoffe Jenny feiert heute nicht.“, meinte ich, als wir nach Houston rein fuhren. Jack schüttelte den Kopf und meinte: „Sie scheinen sich alle daran zu halten…im Großen und Ganzen.“

„Das ist gut… mir ist nämlich echt nicht nach feiern… Zumal es einfach nichts zu feiern gibt“, nuschelte ich leise und betrachtete meinen verbundenen Arm. Das ich erstmal kein Baseball spielen konnte, hatte meine Laune zusätzlich verschlechtert. Ich vermisste es mich sportlich zu betätigen. Ich war immer ein sportlicher Mensch und hasste es nichts zu machen. Auch die unangenehmen Veränderungen meines Körpers waren viel zu schnell ersichtlich. Mein leichtes Sixpack, auf das ich so stolz war, war verschwunden. Ich war sehr schmal geworden. Muskeln aufbauen dauerte wesentlich länger, als sie zu verlieren! Was mich sehr ärgerte!

„Jazz…. Lass es auf dich zukommen… Es gibt sicher Kuchen für dich… vielleicht ist ja auch Eric da. Versuch wenigstens so zu tun…“ Ich nickte und konnte es mir sogar fast denken. Dass Jenny gar nichts machen würde, hätte mich ziemlich überrascht, doch eine wirkliche große Feier wäre gerade nichts für mich.

Wir hielten vor dem Haus und ich seufzte schwer. Mir vorzustellen, dass ich erstmal hier wohnte, dass konnte ich noch nicht. Wieder sah ich Jack an und fragte unsicher: „Kann ich wirklich nicht bei dir wohnen?“

„Ich weiß nicht… Zieh erstmal zu deiner Schwester, alles weitere sehen wir dann, okay“, murmelte Jack und sah ebenfalls zu dem Haus meiner Schwester.

Ich war enttäuscht von seiner Antwort. Ich wusste, er hatte vermutlich Angst wegen diesem komischen David! Diese Sorge musste ich ihm erstmal wieder austreiben! Auch wenn es länger dauern würde.

Wir gingen hinauf und tatsächlich waren Eric und Jenny da. Sie hatte nur einen kleinen Kuchen gebacken und schloss mich liebevoll in die Arme. Ich war froh sie zu sehen tatsächlich drückte auch Eric mich kurz. Etwas, was eigentlich ziemlich untypisch für uns Beiden war. Ich wollte nichts zum Geburtstag, vor Wochen hatte ich mir Baseballequipment gewünscht, doch nun wollte ich nichts mehr davon sehen. Als ich am Tisch saß sagte ich leise: „Ich sollte demnächst Oma besuchen, sonst wird sie sicher enttäuscht sein…“ Jenny nickte gleich und strich mir tatsächlich kurz durch die Haare, als sei ich erst acht?! Sie war seit dem Vorfall Zuhause sehr vorsichtig mit mir geworden. Ich fand es nervig, wollte aber gerade nicht mir ihr streiten, also ließ ich es einfach geschehen. Versuchte mit allen etwas zu sprechen, doch wie Jack war ich eher still, lauschte Eric, wie er von unserer Klasse erzählte. Was alles in den Wochen passiert war. Große Überraschungen waren für mich nicht dabei.

Doch trotzdem geschah etwas an meinem Geburtstag, was mir doch noch ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Mein Bruder Jackson meldete sich. Er rief bei Jenny an, die mir gleich den Telefonhörer weiterreichte. Er gratulierte mir und wir redeten kurz miteinander. Etwas, was ich seit fast zehn Jahren nicht mehr getan hatte. Er berichtete mir von seinem Leben auf der Ranch und ich berichtete von dem meinem. Ich wusste, dass Jenny ihm bereits gesagt hatte, was geschehen war und er entschuldigte sich, dass er sich nicht gemeldet hatte während ich noch im Krankenhaus weilte. Er wusste einfach nicht, was man sagen sollte, dass was Vater nun getan hatte, hätte ihn sprachlos gemacht. Er versicherte mir, dass es ihm egal sei, dass ich schwul bin und wir vielleicht ja einfach noch mal miteinander telefonieren sollten, wenn es mir besser ging. Ich hoffte, dass es keine leeren Worte waren, die wir uns sagten.

Auch meine Mutter meldete sich nicht, doch ich war ihr tatsächlich dankbar dafür. Ich hatte sie darum gebeten und tatsächlich hielt sie sich daran. Das Verhältnis hatte sich nicht wirklich verbessert, doch ich wollte es derzeit auch nicht. Sollte ich irgendwann so weit sein, würde ich den ersten Schritt machen. So wie es war, war es in Ordnung derzeit.

Abends lagen Jack und ich in meinem provisorischen Zimmer. Jenny hatte ihr kleines Arbeitszimmer in ein Gästezimmer umgestaltet. Doch außer einem großen Bett und einer kleinen Kommode passte nichts hier rein. Es war überhaupt nicht mein Stil, doch vorerst sollte es reichen. Ich spürte Jack an meinen Rücken. Er streichelte sanft meinen Bauch und schwieg. Tatsächlich war er schon den ganzen Tag sehr schweigsam. Ich lehnte mich an ihn und genoss seine Nähe.

Wie sehr ich es vermisst hatte! Ich drückte mich an ihn und die Dunkelheit der Nacht umgab uns. Spendete ihre Sicherheit und leise murmelte ich etwas in die Stille hinein, was mich seit längerem verfolgte: „Jack… ich schäme mich irgendwie Schwul zu sein…“ Er drückte mich an sich und ich spürte seine kratzige Wange an meiner, auf der sich nun ein immer kratzigerer Flaum bildete.

„Du weißt, dass es nicht schlimm ist. Komm schon Jazz… du hast doch gemerkt, wie gut es dir tat, als du endlich aus dir rausgekommen bist. Lass deinen Alten nicht gewinnen“, murmelte er und ich spürte seine Zähne an meinem Ohr, was mich erschaudern ließ. Ich wusste, er hatte Recht, doch gerade war es einfach schwer. Eigentlich hatte er mehr wie Recht! Ich wollte mich nicht mehr verstecken! Ich hatte Jenny, Eric und sogar meinen Bruder an meiner Seite und nicht zu vergessen natürlich Jack!

Wenn ich mich nicht bald selbst aus meinem Loch zog, würde ich es kaum noch schaffen. Ich konnte nicht verlangen, dass Andere meine Laune steigerten. Ich wollte nicht weiter nach hinten schauen! Es gab eine Zukunft und die sollte, nein, die musste ich endlich irgendwie in Angriff nehmen! Ich streichelte Jacks Arme und fing an zu sprechen: „Jetzt, wo ich nicht mehr Baseball spielen kann, sollte ich mir neue Ziele setzten…“

Ich spürte, wie Jack meinen Nacken kurz küsste und eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper. „Klingt gut, wie wäre es mit gesund werden für´s erste?“

Ich nickte leicht und schloss genießerisch meine Augen, während ich verliebt vor mich hin lächelte. „Ja… Und dann reisen wir… Zum Grand Canyon, nach L.A. und nach Hawaii zum Surfen“, nuschelte ich und versuchte mir das vorzustellen. Reisen mit Jack, neue Orte sehen und entdecken…

„Hawaii ist glaub ich nicht der Ort, wo man anfängt surfen zu lernen“, hörte ich Jack leise schmunzeln. Ja, da hatte er Recht… Da gab es sicher bessere Orte für. Ich nickte leicht zustimmend. „Irgendwie ja… dann eben woanders lernen und dann dahin…. Vielleicht ja auch mal in die Karibik und San Francisco zum Christopfer Street Day.“

Ich hörte Jack leise lachen, wieder drückte er seine rauen Lippen an meinem Hals. „Dann lässt du dich da von all den Schwulen angrabbeln…. Als ob ich das zulassen würde…“, murmelte er und strich mir durch die braunen Haare.

Ich wurde schläfrig und nickte leicht. „Klingt doch aber nach einem guten Plan, oder“, meinte ich leise und spürte, wie Jack nickte. „Ich liebe dich, Jasper“, murmelte er und verstärkte kurz den Druck um meinen Körper. Ich atmete seinen so vertrauten und geliebten herben Geruch ein. „Ich dich auch, Jack…“ Ich spürte, wie ich ins Reich der Träume hinüberglitt und spürte, dass es mir gut tat, dass Jack neben mir schlief. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Schaf endlich mal wieder wahrlich erholsam war.
 

Doch meine Träume wandelten sich plötzlich. Erneut trat der Schatten aus seinem Versteck. Er jagte mich wieder, beleidigte mich. Wieso traute er sich wieder hinaus? Ich fiel und als ich aufschreckte atmete ich hektisch. Ich musste mich orientieren. Jenny! Ich war bei Jenny und dieses Monster war nicht existent! Während mein Puls sich beruhigte merkte ich, dass niemand mehr hinter mir war. Verwirrt griff ich zu der leeren Stelle hinter mir! Verwirrt drehte ich mich um, doch wirklich niemand war da. Kein Jack und auch kein Didi, der zu uns gekommen war. Wirklich zerwühlt war die Seite nicht, hatte Jack überhaupt geschlafen?! Und wo zum Teufel war Didi? Ich schaltete das Licht ein und sah mich verwirrt um. Sein Rucksack war weg, oder stand der noch im Flur? Ich Strich mir mit der linken Hand durch das Gesicht. Auf der Kommode sah ich ein Päckchen stehen, welches vorher nicht dort stand. Verwirrt blinzelte ich und sah hinauf. Mein Name stand darauf in Jacks eher krakeliger Handschrift verfasst.

Ich bekam Angst und ging leise durch die Wohnung. Der Gedanke, dass er nicht da sein könnte versuchte ich zu verdrängen! Im Wohnzimmer schlief Eric, dort konnte er also nicht sein. Die Tür war zu, doch auch Jacks Schuhe und Didis Leine fehlten. Nein, dachte ich immer panischer werdend! Fahrig durchforstete ich die Garderobe. Fast schon erleichtert aufatmend fand ich seine Lederjacke, sie hing unter der von Eric. Doch vielleicht hatte er sie auch einfach nur vergessen…

Die Hoffnung, dass er mit dem Hund um den Block ging, war noch nicht erloschen. Ich nahm seine Jacke und ging zurück ins das Zimmer. Klammerte sie fast schon verzweifelt an mich! Wieder sah ich auch die verwaiste Bettseite. Da wo wir gerade noch so verliebt gekuschelt hatten. Zukunftspläne hatte ich noch geschmiedet… Ich kannte Jack zu gut und konnte mir gut vorstellen, dass er meinte mich zu sehr in Gefahr gebracht zu haben! Ich wollte es nicht wahr haben, er durfte nicht einfach weg sein! Ich begann zu zittern und konnte es nicht kontrollieren. Vielleicht war er nur mit dem Hund draußen… Versuchte ich mir einzureden. Vielleicht musste ich einfach nur auf ihn warten…

Mit weichen Beinen ging ich zu der Kommode und öffnete mit zittrigen Fingern das Päckchen. Ich sah einen zusammengefalteten Zettel. Hastig griff ich nach diesem und entfaltetet ihn nervös. Ich wollte immer noch nicht wahr haben, was immer realer zu werden schien…
 

Hey Jasper,
 

ich wünsche dir alles Gute zu deinem 18ten Geburtstag. Es tut mir leid, dass ich doch nicht da sein kann. Ich möchte, dass du verstehst weshalb ich nicht da bin. Ich habe einen dummen und großen Fehler begangen. Die Tatsache, dass mein alter Vorgesetzter dir eine Karte direkt an dein Krankenbett gestellt hat, macht mir wirklich Angst. Das ist definitiv zu nah. Dich auch noch zu verlieren würde ich nicht verkraften.

Ich hätte niemals sagen sollen, dass du mein Rekrut bist. Wieso ich so dumm war, weiß ich nicht.

Ich werde in den nächsten Monaten untertauchen müssen. Ich will dich aus der Schusslinie haben.

Ich bin nicht gut in sowas hier, Jazz. Ich bin nicht sicher, ob ich die richtigen Worte für sowas wähle. Du hast mir gesagt, dass die Narben, die bleiben werden, dich belasten und es tut mir leid, dass du sie so siehst. Ich wünsche dir, dass du sie irgendwann mit Stolz tragen kannst um jedem zu zeigen, dass du für die Freiheit, in der du nun leben wirst, gekämpft hast. Denn das hast du!

Ich muss mich auch bei dir entschuldigen, dass ich dein Leben in den letzten Monaten so auf den Kopf gestellt habe. (Hatte noch ziemlichen Streit mit deiner Mutter, die mir das noch mal deutlich machte)

Doch die Zeit mit dir war die schönste, unbeschwerte in meinem Leben.

Ich will dir nicht wehtun, doch du bist noch so jung und ich wünsche dir nur das Beste. Du wirst es vielleicht nicht verstehen, dass ich jetzt gehe, aber vielleicht irgendwann.

Mit mir kann man keine normale Beziehung haben, aber genau das hast du verdient. Eine normale Beziehung mit normalen Problemen.

Ich liebe dich. Wir werden uns wieder sehen, bis dahin musst du mir einfach versprechen, dass du Leben wirst. Such dir andere Kerle, erleb das, was normal ist. Such dir jemanden, der unvernünftiger ist als ich, jemand, mit dem du surfen lernen kannst und der mit dir unbeschwert in den Urlaub fährt.

Du brauchst jemanden an deiner Seite, der das Leben genauso genießen kann wie du auch.

Ich wollte nicht abhauen während du schläfst.

Aber anders hätte ich es sicher nicht geschafft zu gehen.

Ich hab dir was da gelassen, was dich vielleicht etwas an mich erinnert. Du warst immer so beeindruckt davon. Sieh es als Versprechen, dass ich wiederkomme.

Ich will dich noch wissen lassen, dass ich dich mit jeder Faser liebe und dass ich für dich da sein werde, falls du wirklich dringend Hilfe brauchst. Das verspreche ich dir.

Also, bis wir uns wieder sehen.
 

Dein Jack.
 

Fassungslos sah ich den Brief an. Warum? Wieso? Ich schaffte es nicht, die Tränen zurückzuhalten. Ich wollte es nicht wahr haben! Wieso tat er mir das an?! Er wusste doch, dass ich ihn gerade jetzt brauchte! Stumm sah ich auf den Brief, wollte dass ich aufwachte, dass es sich als schlechter Scherz rausstellte. Lieber sollte mich dieser Schatten verfolgen, als dass dies real war. Doch ich wusste, dass Jack nie solche Scherze machen würde! Die Wahrheit drang unbarmherzig in meinem Kopf und setzte sich dort fest. Ich musste mich zusammenreißen, denn ich hätte Schreien können. Ich wollte nicht den Kopf verlieren! Ich wischte mir mit der Hand durch das Gesicht und schaute erneut in das Päckchen.

Wollte mich ablenken von seinen Worten, jedes einzelne war wie ein Messerstich. Ich richtete meine Aufmerksamkeit endlich auf den Inhalt. Ich fand in Brotpapier eingewickelt die Medal of Honor. Das blaue seidene Band glänzte im Schein der Lampe und das Gold blitzte kurz auf. Er überließ sie mir. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich versuchte ihn runter zu schlucken. Ja, ich war immer begeistert von dieser eigentlich so ruhmreichen Medaille. Auch wenn sie für Jack nicht Ruhmreich war. Ich drückte das kalte Metall feste in meiner Hand. Klammerte mich an dieses und wusste doch, es bringt nichts. Es würde mir Jack nicht wiederbringen.

Der Tränenfluss, der erneut von mir besitz nahm, wollte nicht versiegen und fast hätte ich noch was übersehen. Fotos, zwei Fotos lagen am Boden des Päckchens. Sie zeigten mich mit Didi am Spielen, sowie das Foto, was mich mit Jack auf Jennys Couch zeigte. Das Foto, weswegen mein Leben sich so sehr verändert hatte.

Als ich die Fotos umdrehte sah ich, dass Jack auf ihnen weitere kleine Nachrichten hinterlassen hatte und unter Tränen schaffte ich es noch zu lächeln. Hinter dem Bild welches mich mit Didi zeigte stand: „Tatsächlich wollte ich dir Didi überlassen, doch ich schaffe es nicht mich von ihm zu trennen… Ich habe dieses Bild schon lange. Es ist eins meiner Lieblingsbilder von dir.“ Ich betrachtete das Bild, Didi war klein. Ziemlich klein, er musste es sicher vor geraumer Zeit geschossen haben, vielleicht kurz nachdem wir uns näher gekommen waren. Wie so oft auf seinen Bildern, blickte ich nicht in die Kamera. Doch meine Augen und die von Didi strahlten förmlich. Ich merkte erneut, wie sich langsam Tränen in meinen Augen sammelten. Als ich das nächste Foto umdrehte, welches wegen Dad eine so schlimme Bedeutung bekommen hatte, las ich: „Auch wenn dir dieses Bild Unglück brachte will ich, dass du irgendwann wieder so jemanden anschauen kannst. Ich liebe dich.“

Ich betrachtete das Bild. Ich hatte sie mir seit dem Zwischenfall mit meinem Vater nicht wieder angesehen. Ich schaute in mein eigenes Gesicht, glücklich, verliebt und mit mir selbst zufrieden. So wirkte ich. Auch Jack, welcher mich an sich drückte, sah entspannt und mit sich im Reinen aus, auch wenn sein Gesicht nicht zu sehen war. Es wirkte, als seien Jahre vergangen seit dieser Aufnahmen, doch natürlich war dem nicht so.

Ich schaffte es kaum das Bild zu betrachten. So glücklich wie wir da waren… Ich wollte einfach nicht, dass so zu Ende ging! Diese Trennung war für mich einfach unnötig! Wie oft hatte ich Jack gesagt, dass ich ihn brauchte…

Stumm liefen die Tränen über meine Wange und traurig blickte ich auf die Sachen. Drückte Jacke an meinen Körper, als könne sie mich zu ihm bringen…

Ich wollte ihn nicht einfach aufgeben! Doch Jack gab mir keine Möglichkeit um ihn zu kämpfen. Und ich hätte gekämpft! Ich hätte ihn nie einfach gehen lassen!

Meine Welt wandelte sich unaufhaltsam, ohne meinen Einfluss. Ich hatte Angst vor der Veränderung die unaufhaltsam näher kam und freute mich auch nicht. Ich wusste nicht, ob ich einfach enttäuscht, sauer oder wütend sein sollte. Ich wollte, dass der Tag jetzt war. Der Tag von dem er schrieb, dass wir uns wieder sehen! Ich saß auf dem Bett und sah hinaus aus dem Fenster, doch sah ich die Nacht nicht, denn erneut verschwamm die Welt vor meinen Augen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

So, hier endet es nun erstmal!

Wow ich hab es wirklich beendet. Ich hoffe Euch hat die Geschichte gefallen^^

und vielen lieben Dank an diejenigen die mich belgeitet und mich unterstützt haben!

Vielen lieben dank -Chiba- für die Zeit die du dir genommen hast und für die ein oder andere Hilfe!

So nun wünsch ich schöne Weihnachten!



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Kommentare zu dieser Fanfic (84)
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Von:  Adisa
2017-05-06T09:07:02+00:00 06.05.2017 11:07
Das Kapitel mit Jenny war super! Danke, dass du dir dafür Zeit gelassen hast.
Von:  Adisa
2017-05-04T13:04:08+00:00 04.05.2017 15:04
Hat er gerade tatsächlich gekotzt, als er mit dem Kopf nach unten flog? Wie geht das?
Von:  Adisa
2017-05-04T11:21:54+00:00 04.05.2017 13:21
Aww, das Gespräch war sooo süß. x3
Von:  Adisa
2017-05-04T06:48:34+00:00 04.05.2017 08:48
Ich mag es, dass Jazz sein eigenes Tempo beim Outen bestimmt. ^^
Von:  Adisa
2017-05-04T06:29:08+00:00 04.05.2017 08:29
Es war so schön, das Gespräch zu lesen und zu sehen, wie die beiden sich gut verstehen.
Von:  Pitchermaus
2016-12-29T13:33:28+00:00 29.12.2016 14:33
Wie jetzt... wo ist mein Happy End? So kann das doch nicht stehen bleiben...
Da hat das Kapitel so schön angefangen. Jack und Jazz wieder zusammen und dann so ein Ende. Aber es hat sich ja schon die letzten zwei Kapitel abgezeichnet. Jack ist wirklich ein Vernunftsmensch und sein Handeln spricht sehr dafür, wie wichtig ihm Jazz ist und wie tief seine Gefühle mittlerweile sind. Sonst wäre er nicht einfach nachts abgehauen. Für Jazz ist das nun sicher alles andere als leicht. Bei der Beschreibung, wie er den Brief gefunden und dann auch gelesen hat, sind bei mir auch die Tränen geflossen. An der Stelle hast du noch einmal sehr anschaulich Jazz Gefühlsleben beschrieben. Mit seinen Albträumen wird er sicher auch noch eine ganze Weile zu kämpfen haben und wieder selbstbewusst zu seiner Homosexualität zu stehen wird auch noch einiges an Zeit brauchen. Für ihn hoffe ich nur, dass er es hinbekommt. Einen Freund zu finden, wird er sicher nach einiger Zeit auch schaffen. Allerdings könnte ich mir gut vorstellen, dass die Erinnerungen an Jack jede von Jazz Beziehungen überschatten werden.
Jazz Verhalten seiner Mutter gegenüber ist verständlich. Da frag ich mich, ob das im Ansatz noch einmal etwas werden kann. Eine wirkliche Mutter-Kind-Beziehung wird es zwischen Jasper und seiner Mutter wohl kaum wieder geben. Allgemein wäre es nun interessant zu erfahren, wie es für Jazz weitergeht. Schulisch, beruflich und auch familiär.

Alles im allen muss ich sagen, hat mich deine Geschichte sehr gefesselt. Die Charaktere von Jazz und Jack hast du sehr schön herausgearbeitet und bist ihnen bis zum Schluss treu geblieben. Da hat man wirklich gemerkt, wie viel Mühe und auch Achtsamkeit du deiner Geschichte zukommen lassen hast. Gerade Jazz Entwicklung ist dir sehr gut und realistisch gelungen. Vom unbedarften Schuljungen, für den nur das nächste Spiel von wirklicher Bedeutung ist, hast du ihn zu einem jungen Mann heranreifen lassen, der in der Lage ist sich und sein Verhalten selbst zu reflektieren und der sich mit seinen Ängsten auch auseinanderzusetzen versucht. Und auch Jack hat sich vom verschlossenen Soldaten durch und durch, zu einem etwas offeneren Menschen gewandelt, der dank Jazz angefangen hat, seine Vergangenheit zu verarbeiten.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass es mit Jazz und Jack weitergehen wird. So gefällt mir das Ende nämlich überhaupt nicht. Dafür liebe ich zu sehr ein Happy End. Und gerade die beiden hätten auch eins verdient.
Ansonsten werde ich nun erst einmal mit schweren Herzen auf die Fortsetzung warten und hoffen, dass sie auch wirklich kommt.
Von:  Pitchermaus
2016-12-29T12:59:23+00:00 29.12.2016 13:59
Oh ha, das nenne ich mal ein informatives Kapitel. Kein Baseball mehr für Jazz. Die Nachricht muss wirklich har für ihn gewesen sein. Kann mir seine Verzweiflung darüber gut vorstellen und mitfühlen. Nicht nur, dass er seinen Traum vom Profi begraben muss, Spot allgemein wird für ihn wahrscheinlich erst einmal nicht möglich sein. Für jemanden wie Jazz, der gerne und viel Sport macht, sicherlich keine schönen Aussichten.
Dass Jazz Angst hat Jack zu verlieren kann ich mir vorstellen. Jack verhält sich ja auch nicht seinem sonstigen Verhaltensmuster entsprechend. Wobei sein Handeln bezüglich Jaspers Vater wieder ganz seiner Art entspricht. Es ist natürlich klar, dass Jazz mit Jacks Handeln nicht ganz einverstanden ist und ich kann seine Bedenken auch verstehen. Irgendwie geht Jack da doch etwas zu weit und man möchte meinen, dass es Jack besser wüsste als Selbstjustiz auszuüben. Auf der anderen Seite, ist das für mich irgendwie auch ein Beweis dafür, wie wichtig Jazz für Jack ist und wie viel dieser ihm bedeutet. Zu mal ich mir auch vorstellen kann, dass Jacks Reaktion und Handeln bezüglich Jaspers Vater, noch durch seinen ehemaligen Vorgesetzten angestachelt wurde. Wie sich da die Situation gewendet hat hört sich nicht nach einem guten Ende an. Und für Jazz ist das sicher auch nicht leicht, ebenso wenig wie für Jack. Bin mal gespannt, wie Jacks weiteres Vorgehen aussieht. Für Jazz hoffe ich, dass Jack eine andere Lösung finden wird, als sich von Jazz zu distanzieren.
Von:  Pitchermaus
2016-12-29T12:27:12+00:00 29.12.2016 13:27
Oh man, was ist denn das für ein Ende? Jazz hat gefühlt doch nur noch Jack und jetzt scheint sein letzter Halt auch noch zu schwinden. Das hört sich für Jazz nicht gut an. Wobei ich Jack auch verstehen kann und er die Situation wahrscheinlich sehr viel realistischer sieht als Jasper. Vor allem, da Jack auch etwas zu wissen scheint, was er Jazz vorenthält und was anscheinend etwas mit der Karte von dem ominösen Onkel zu tun hat. Da frage ich mich immer noch, wer das ist und ob er etwas mit dem unguten Gefühl zu tun hat, was Jack schon vor der Eskalation mit Jaspers Vater hatte.
Jaspers Mutter schießt mal wieder den Vogel ab. Die Frau ist wirklich schlimm. Dass Jazz nach der Attacke seines Vaters unsicher ist, was seine Sexualität angeht ist verständlich und normal. Auch, ist es irgendwie nachvollziehbar, dass er Schwäche (die in seiner jetzigen Situation vollkommen normal ist und nichts wofür er sich schämen sollte) und Schwul-sein miteinander verbindet. Da er das Gefühl hat, sich nicht gegen seinen Vater richtig zur Wehr gesetzt zu haben und dieser ihn mit der Begründung seiner sexuellen Orientierung zusammengeschlagen hat. Und seine Mutter schlägt direkt in die gleiche Kerbe. Sie sollte eigentlich ihren Sohn unterstützen und versuchen aufzubauen und halt zu geben. Selbst, wenn sie Homophob ist, sollte sie das zurückstellen. Immerhin hat sie ihren Sohn zuvor schon im Stich gelassen und es überhaupt erst zu der Situation kommen lassen. Von seiner Mutter wird Jazz aber wohl nicht wirklich etwas erwarten können. Zum Glück hat er noch seine Schwester und ich kann mir auch vorstellen, dass seine Großmutter ihm auch helfen wird. Ist das eigentlich die Großmutter väterlicher oder mütterlicher Seite? Ich hoffe für Jasper einfach, dass sie ihre Sinne besser beisammen hat, als seine Eltern. Seine Ängste und momentan eher schutzbedürftiges Verhalten sind auch jeden Fall nachvollziehbar und auch völlig normal für die Situation. Auch, dass es ihm immer noch schwer fällt wirklich gegen seinen Vater vorzugehen. Wobei es mir so vorkam, dass er sich seiner Mutter gegenüber schon wesentlich selbstsicherer und auch distanzierter verhält. Als sie ihn besucht hat, hatte ich auch irgendwie das Gefühl, dass Jazz seine Wut über die Situation ein wenig an ihr auslässt. Was aber auch verständlich ist.
Ich drücke ihm auf jeden Fall die Daumen, dass sich alles für ihn zum Guten wendet.
Von:  Saavik1701
2016-12-25T22:24:29+00:00 25.12.2016 23:24
Ich kann mich den anderen nur anschließen... ich hab geahnt, das es darauf hinausläuft, das Jack Jazz bei Jenny lässt und sich von ihm trennt muss, aber irgendwas in mir hat dennoch gehofft, das es nicht so weit kommt... nun sitz ich hier und heule.

Das Kapital ist toll und sehr emotional geschrieben, ich kann Jack zwar verstehen, fühle aber auch mit Jazz und wünsch mir ganz fest für ihn, das Jack nicht zu lange braucht, um zu ihm zurück zu kommen, denn das wird er, er hat es versprochen! *schnief*
Allerdings bezweifle ich ein wenig, das Jazz derweil eine andere Beziehung eingehen wird, wie Jack ihm nahelegt...

Ich freu mich schon auf die Fortsetzung!

Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Von:  honeyJ
2016-12-21T20:47:51+00:00 21.12.2016 21:47
Ich musste bei diesem Kapitel total heulen :( das Ende ist so traurig der arme Jazz aber Jack hatte seine Gründe er will den kleinen doch nur beschützen. Ich habe diese Geschichte so gerne gelesen und http mich so gefasst es ist alles so schön geschrieben das ist total schön es gibt wenige Autoren die Geschichten so schön schreiben wie du!!
Aber Jack ein schönes Geschenk hinterlassen und da liefen die Tränen noch mehr als vorher schon als ich den Brief gelesen habe. Und für Jazz ist es auch noch ein Verlust das er kein Sport im Moment machen kann und dann auch kein Baseball der arme kleine.
Ich wünsche dir auch ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ;)


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