Verborgen in Stille von Strichi ================================================================================ Kapitel 45: Krankenbesuch mit Folgen ------------------------------------ Die Zeit schien nicht umgehen zu wollen. Zwar herrschte viel Trubel um mich herum, doch viel bekam ich davon nicht mit. Die Menschen um mich herum wirkten, als seien sie viel schlimmer dran als ich. Nur eine weitere Frau schien, wie ich, bei wirklichem Bewusstsein zu sein. Immer wieder döste ich ein und schreckte wieder auf. Ich betrachtete meinen Nachttisch und sah auf die Karten. Meine Arme waren fast zu schwach um nach ihnen zu greifen. Schon komisch, wenn ich daran dachte, wie einfach es doch immer war den Baseballschläger zu halten und nach dem Ball zu schlagen. Ich wollte keine der Schwestern oder Pflegern fragen, sie hatten wichtigeres zu tun. Außerdem war es vielleicht sehr persönlich, was in den Karten stand. Jedoch schwirrte mein Kopf zu sehr, als das ich glaubte, mich selbst auf das, was in den Karten stand, konzentrieren zu können. Erneut döste ich ein, doch dieses elende Piepen verfolgte mich wirklich bis in meine Träume! Ich schreckte auf, als eine Schwester zu mir kam. Mit müden Augen sah ich sie an. „Sie haben Besuch von ihrem Bruder. Wollen Sie ihn sehen.“, frage sie mich freundlich. Ich nickte leicht und versuchte mich aufzusetzen. Was mit der Schulter einfach nur schwierig war! Ich seufzte erleichtert auf, als ich Jack sah. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen, jetzt wo ich nicht mehr alleine war. Ja, die Einsamkeit nagte unerbittlich an mir. Ich lächelte leicht und auch er sah zufrieden aus. Über seinen Mund trug er einen Mundschutz und ein durchsichtiger grüner Kittel bedeckte seine Kleidung. Vermutlich ebenfalls ein Schutz um zu verhindern, dass Keime mit hier rein genommen werden. Er zog gleich einen Stuhl an mein Bett heran und passte auf, keine Kabel, Schläuche oder ähnliches zu berühren. Als die Schwester verschwand, nahm er schnell den Mundschutz runter. Er schien sich rasiert zu haben, doch immer noch sah er ziemlich müde und gehetzt aus. Stumm sahen wir uns in die Augen und erleichtert stieß er die Luft aus. Vermutlich sah ich viel kräftiger aus, als noch tags zuvor, jedenfalls fühlte ich mich so. Er griff nach meiner Hand und drückte sie sanft. „Du hast mich gerettet“, nuschelte ich leise und erwiderte den Händedruck. Nachdem langsam die Erinnerungen zurückgekehrt waren, wurde mir klar, was Jack getan hatte. Dass er ins Haus gestürmt war und Vater von schlimmeren abgehalten hatte. Doch verbittert blickte Jack mich an und ich wusste, er machte sich Vorwürfe. Ich kannte ihn zu gut. „Ich kam zu spät, dass tut mir leid“, raunte er mit seiner tiefen und rauchigen Stimme. „Nein… kamst du nicht, Brüderchen“, versuchte ich die Stimmung zu verbessern. Ihn zu sehen war Balsam für mich. Er war wie ein Fels in der Brandung. Deswegen wollte ich einfach nicht, dass er schlecht von sich dachte! Ich hatte genug schlechte Stimmung hier, wenigstens für einige Augenblicke wollte ich mal wieder unbeschwert sein. Ich sah, wie Jacks Mundwinkel kurz zuckten. Erklärend meinte er: „Es dürfen nur Verwandte hier rein. Die können sich aber denken, dass ich nicht dein Bruder bin…“ Ich verstand und schmunzelte leicht. Dass er es tatsächlich schaffte in so einer Extremsituation nicht den Kopf zu verlieren, fand ich beeindruckend. „Wie knapp war es eigentlich“, fragte ich leise und betrachtete die Geräte neben meinem Bett. „Es geht… war schnell klar, dass du vermutlich durchkommst. Trotzdem wollten die Ärzte dich hier hin packen. Bessere Kontrolle“, erklärte Jack ruhig und streichelte sanft meinen Arm. Ich nickte und sah seinen Fingern zu, wie sie über meinen Arm streichelten. Ein sanftes Lächeln legte sich auf mein Gesicht und ich seufzte zufrieden. Wir schwiegen kurz und zunächst wusste ich nicht, was ich sagen wollte. Ihm zu berichten, was meine Mutter getan hatte, schaffte ich gerade noch nicht. Doch mir schwirrten die Worte der Ärzte durch den Kopf. Die Narben, die bleiben… „Auf meinem Rücken werden Narben bleiben“, nuschelte ich leise und sah hinauf in sein Gesicht. Jack nickte leicht und sah mich fragend an. „Ich will keine Narben haben…“, murmelte ich bedrückt und merkte, wie verzweifelt ich klang. Skeptisch blickte Jack mich an und deutete stumm auf seine Narbe an der Stirn. Ich schaute hoch zu der Narbe, welche ich schon gar nicht mehr registrierte, obwohl sie doch so auffällig war. Ich schüttelte leicht den Kopf und erklärte: „Nein…nicht, weil sie hässlich sind. Ich will nicht, dass sie mich daran erinnern. Ich will nicht mein Leben lang diesen Tag… auf meinem Körper tragen…“ Wie sich auf einmal alles änderte. Ich konnte nicht anders und die Tränen liefen kurz über meine Wangen. Wieso zum Teufel war ich so verdammt schwach und heulte ständig?! Ich war doch keine Schwuchtel! Sanft streichelte Jack über meine Wange und strich dabei die Tränen weg. „Sehe die Narben nicht so, Jasper. Sie sind ein Zeichen eines Kampfes für deine Freiheit. Für deine Freiheit so zu leben, wie du es willst. Versuch sie mit Stolz zu tragen. Außerdem sieht man Narben auf dem Rücken nicht so oft.“ Skeptisch sah ich hinauf in Jacks Gesicht. Ich schaffte es einfach nicht meine Verletzungen so zu sehen. Nicht jetzt, wo es noch so frisch war. „Ich hab… alles verloren. Meine Familie, mein Leben. Ich weiß nicht wie es weiter geht“, nuschelte ich leise und seufzte schwer, hasste ich doch eigentlich Selbstmitleid. Doch ich konnte es nicht verhindern! Jack wusste, was ich meinte und ruhig redete er auf mich ein, während er sagte: „Wer weiß was du dadurch alles gewonnen hast und wie es weiter geht entscheiden nun eh erst einmal die Ärzte.“ Ich nickte frustriert, als ich seinen Worten lauschte. „Okay, aber bis jetzt habe ich nichts gewonnen“, sagte ich leise und Jack verstand, dass egal was er gerade sagen würde, ich mich nicht würde umstimmen lassen. Die Wunden, seelisch sowie körperlich waren einfach noch zu frisch. Sie schmerzten noch zu sehr. Es herrschte kurz Stille zwischen uns Beiden, bevor Jack zögerlich begann zu fragte: „Jasper sag…, kannst du dich noch an etwas erinnern? Als ich reinkam war alles schon vorbei.“ Ich dachte darüber nach und begann kurz darauf meine Erinnerungen zu schildern. Ich berichtete, wie ich nach Hause kam und Vater vor meinem Laptop vorfand. Dass die Bilder, die Jenny gemacht hatte, geöffnet waren und er meinen Internetverlauf durchforstet hatte. Wie erschrocken ich war ihn dort zu sehen und das er dann ausflippte. Ich erzählte ihm, dass mein Vater meinte, keine Schwuchtel zum Sohn haben zu wollen. Doch dann versagte meine Stimme. Dieses eine Wort, was mich sogar bis in meine Alpträume verfolgte! Ich blickte starr auf die weiße Bettdecke. Ich schluckte und setzte erneut an, doch kein Laut wollte meine Lippen verlassen. Fast schon verzweifelt war mein Blick, als ich Jack ansah. „Wirklich Jack! Ich habe mich gewehrt, wirklich… Ich bin keine Schwuchtel!“ Beschwichtigend hob Jack die Hand und strich kurz über meine Wange. „Das warst du auch nie, Jazz. Und ich weiß auch, dass du dich gewehrt hast. Keine Sorge Jasper, wenn du noch nicht darüber sprechen kannst, ist das nicht schlimm...“ Ich nickte leicht und blickte ihn entschuldigend an. „Ich fühl mich so elendig schwach. So…kaputt.“ Verständnisvoll betrachtete Jack mein Gesicht und schien leicht zu nicken, doch er schwieg, vermutlich auch, weil er keine Worte des Trostes hatte. „Jazz… das ist doch normal. Angst zu haben. Auch Selbstzweifel und alles sind doch vollkommen okay. Glaubst du ich hatte das nicht, als ich im Krankenhaus war?“ Ich betrachtete Jack, zuckte unschlüssig und als ich mit den Schultern zucken wollte merkte ich einen kurzen stechenden Schmerz. Ich verzog kurz das Gesicht und sah auf den Verband. „Ich weiß nicht“, antwortete ich auf seine gestellte Frage, „Wie hast du dich denn gefühlt.“ „Total beschissen. Ich war wütend und…“, er blickte mir kurz in die Augen und seufzte schwer, als fiel es ihm nicht leicht darüber zu sprechen. Er ließ den Blick kurz schweifen, ehe er leiser begann weiterzusprechen, „ich war auch verzweifelt. Das zerrt an den Nerven.“ Verstehend nickte ich und unsicher fragte ich: „Wohin komme ich, wenn ich aus dem Krankenhaus komme? Ich will nicht mehr nach Hause.“ „Wir schauen mal… Ich überleg mir erst mal, was ich mit deinem Vater mache…“ „Tu ihm nichts“, sagte ich schnell und unüberlegt. Ich verstand nicht, wieso ich ihn schützen wollte, nachdem er mir so was angetan hatte. Auch Jack blickte mich skeptisch an und runzelte die Stirn. „Ich schau mal… ich hab schon mitbekommen, dass die Polizei ermittelt…Ich will genau wissen, was er getan hat… bevor ich mich endgültig entscheide.“ Ich nickte unsicher und ließ die Schultern hängen. Der Gedanke gegen meinem Vater auszusagen machte mir Angst, doch ich wusste auch, dass es der richtige Weg war. Was genau Jack mit seiner Aussage alles meinte, wollte ich gerade auch nicht so genau wissen. Unwissenheit schadet manchmal einfach nicht und vielleicht war es gerade in diesem Moment besser nicht zu wissen, was Jack schon getan hatte. Doch ich konnte und wollte das, was passiert war, nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, dass würde Jack auch niemals zulassen. Wieder legte sich die Stille zwischen uns und unsicher sah ich mich um. Abermals kam die Müdigkeit, ihre Fühler unbarmherzig nach mir ausstreckend. Doch hier war kein Ort, an dem man sich wohlfühlen konnte. Mein Blick glitt zu den Karten und leise bat ich Jack: „Kannst du mir die vorlesen, vielleicht? Ich kann mich nicht genug konzentrieren.“ Ich wollte einfach noch nicht, dass er ging! Zu den Karten blickend runzelte Jack die Stirn und griff nach ihnen. In jedem zweiten Satz entschuldigte Jenny sich, dass sie derzeit noch nicht frei bekommen würde, doch sobald ich wach wäre, sie sich ins Flugzeug setzten würde, damit sie so oft es geht bei mir sein konnte! Sonst käme sie einfach wieder am nächsten Wochenende. Auch schrieb sie, dass sie immer zu mir halten würde, egal was kommt! Ich lächelte leicht und schloss zufrieden die Augen. Was war ich froh Jenny zu haben. Auch meine Großmutter wollte mich besuchen. Auch sie sorgte sich und bat mich sie anzurufen, wenn ich wieder fit sei. Ich lächelte leicht und Wärme breitete sich in mir aus. Eine weitere Karte war von meiner Klasse und enthielt gute Besserungswünsche und zudem stand dort, dass sie hoffte, dass ich bald wieder auf dem Baseballplatz stehe. Traurig blickte ich zu meiner Schulter und leise fragte ich Jack: „Weißt du eigentlich, ob ich wieder Spielen kann…“ Kurz schwieg Jack und als ich sah, wie Mitleid in seinem Auge aufschimmerte, bereitete ich mich auf das Schlimmste vor. „Weißt du, eine Schulter, die gebrochen ist und die operativ behandelt werden musste, braucht sehr sehr lange, bis sie wieder geheilt ist… Ich glaub ein Kamerad fiel fast zwei Jahre aus…Aber ich bin kein Arzt.“ Erschrocken sah ich ihn an und erneut sammelten sich kurz Tränen in meinen Augen. Ich wollte es nicht! Wollte es nicht wahr haben. Es schien, als sei mein Traum wirklich ausgeträumt. Keiner würde zwei bis drei Jahre warten, bis ich wieder auf den Beinen war. Ich schluckte den Kloß runter und betrachtete Jack. Eingehend beobachtete er mich und ich seufzte, als ich antwortend sagte: „Mal schauen, was die Ärzte noch sagen und…na ja, wie es dann weiter geht.“ Mit seiner kräftigen Hand wuschelte mir Jack durch die Haare und da er wohl keine Worte des Trostes hatte, schwieg er. Ich war froh, dass er schwieg, denn wenn ich ehrlich war, hätten seine Worte mir die Trauer auch nicht nehmen können. Alles schien mir von meinem Vater genommen worden zu sein und nun auch noch Baseball. „Hast du einen Onkel, der David heißt“, fragte Jack und ich schüttelte leicht den Kopf und bat Jack leise die Karte einfach vorzulesen. Vielleicht erschloss sich mir ja daraus, von wem die Karte tatsächlich war. „Hallo Jasper, schade, dass wir uns nun doch nicht treffen werden, denn eigentlich hatte ich gehofft den….“Jack schien fast entsetzt auf die Karte zu starren. Er las sie nicht weiter vor, schien wie versteinert. Als eine Krankenschwester an ihm vorbeiging, hielt er sie auf. „Wann kam diese Karte und wer hat sie abgegeben?“ Verwirrt sah die Krankenpflegerin zu Jack und zu der Karte und meinte, sie müsse mal nachfragen. Unsicher ging sie und Jack schaute ihr nach. „Alles okay“, wolle ich unsicher wissen, doch Jack schüttelte nur den Kopf und weigerte sich zu sprechen und sich zu erklären. Was war denn nun wieder? Bloß nicht noch mehr Unheil. Nach einigen Augenblicken kam ein beleibter Mann auf uns zu. „Die Karte kam gestern Abend. Der Mann meinte, er sei der Onkel des Jungen. Er hat eine Karte und die Pralinenschachtel gebracht.“ Jack nickte und schien sich nichts anmerken zu lassen. Doch sein und meine Augen huschten zum Nachttisch, auf welchem tatsächlich eine Schachtel Pralinen stand. „Wie sah der Mann denn aus“, fragte Jack beiläufig und meine freundlich klingend, „unser Onkel hatte mit unserem Vater Streit. Ich glaub Jazz hat ihn selbst nur zwei Mal gesehen.“ Der pummelige Mann schien kurz verwirrt, doch schnell begann er zu sprechen. Anscheinend war er ein Mann, welcher sich gerne sprechen hörte: „Ach, das Gesicht konnte ich mir gut merken! Er hatte auch einen britischen Akzent. Wissen sie, meine Frau kommt auch aus England, deswegen mag ich den so gerne. Außerdem hatte er so eine große auffällige Narbe über der linken Gesichtshälfte. Wir hatten ja auch schon mal darüber gesprochen, dass Sie beim Militär waren. Ihr Onkel meinte auch, dass er beim Militär war. Er sagte viele in ihrer Familie seien dort. Oder stimmt das etwa nicht?“ Doch mich interessierte weniger der Mann, als Jacks Reaktion. Nur an seinem Auge erahnte ich, dass sich große Sorge in ihm ausbreitete. Doch er nickte gelassen und lächelte freundlich. „Doch, ist alles gut. Das ist toll, wenn er sich Sorgen macht. Ist Jasper wenigstens nicht alleine…“ Eifrig nickte der Pfleger und meinte: „Ja… Nur schade, dass er da noch geschlafen hat. Er hatte dann nur die Sachen abgestellt und ist nach kurzer Zeit wieder gegangen…“ Jacks Hand legte sich auf meine nicht verbundene Schulter und drückte sie fest, als suche er gerade nach Halt. Ich verstand nicht, was hier los war. Als der Pfleger verschwand, starte Jack mich an und fast schon verzweifelt bedeckte er kurz sein Gesicht mit den Händen. Plötzlich stand er auf und nahm die Schachtel und die Karte mit. „Ich muss jetzt los“, meinte er abrupt. „Jack“, meinte ich leise und hörte, wie ängstlich ich klang, „du kommst wieder, oder?“ Jacks Blick machte mir Angst, denn er war unergründlich, nicht einzuschätzen für mich. Er wirkte äußerst unruhig, etwas was ich von ihm nicht kannte. Wir sahen uns an und fast verzweifelt war mein Blick. „Jack… bitte“, meinte ich leise und griff nach seiner Hand. Er ergriff sie, doch ließ er sie schnell wieder los. „Ich komme wieder, versprochen“, meinte er und nickte zu der Schachtel und der Karte. „Ich glaube, dass ich einen ganz großen Fehler begangen habe. Ich muss den ganz dringend ausbügeln. Ich weiß nicht, ob ich es morgen schaffe.“ Ich konnte nicht anders und ich starte ihn nur fassungslos an. Jack beugte sich über mich und drückte fest seine Lippen auf die meinen. Verzweifelt wirkte der Kuss und ich hatte das Gefühl, dass langsam nichts mehr stimmte. Doch so schnell Jack auf einmal verschwand, konnte ich ihn nicht mehr aufhalten. Was war das? Ich hoffe eigentlich, dass Jack heute noch mal vorbeischauen würde, doch dem war nicht so. Doch immer noch war ich recht müde und verschlief wieder viel von dem restlichen Tag. Doch das Verhalten und alles andere schwirrten durch meinen Kopf und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Auch der Schatten, der mich in meinen Träumen verfolgte hatte, schien wohl vorerst genug zu haben. Ich musste mich ablenken und so rief ich am Abend meine Oma an und hörte, wie erleichtert sie war. Ich konnte mich nur schlecht auf das Gespräch konzentrieren. Flogen meine Gedanken doch immer wieder zu Jack und seinem schnellen Aufbruch, den ich nicht verstand. Doch nahm meine Granny es mir nicht übel. Zu erleichtert war sie, dass ich wieder wach war. Meine Mutter hatte ihr nicht gesagt weswegen ich im Krankenhaus sei und als Granny fragte, berichtete ich ihr, dass ich es ihr sagte wenn wir uns sehen. Sie war eine liebevolle Person und akzeptierte es ohne großes Murren und bestand darauf, dass ich sie besuchen komme. Auch erinnerte sie mich an etwas, was ich durch den ganzen Stress fast vergessen hätte. Das ich nächsten Monat tatsächlich schon 18 Jahre alt werde! Doch für so was hatte ich gerade keine Zeit zum Nachdenken. Ich verabschiedete mich, wollte wieder Ruhe. Zudem hatte es meine Großmutter verdient, dass ich mir Zeit für sie nahm. Am nächsten Tag kam ich endlich runter von der Intensivstation, nachdem Dr. Davis ein letztes Mal meine Verletzungen untersucht hatte. Ich war erleichtert, dass dieses Piepen mich nicht weiter verfolge. Doch hatte ich immer noch Angst. Ich wollte einfach eine Erklärung von Jack. Ich hatte Zeit gehabt. Zeit zum Nachdenken. Ich vermutete, dass ich vielleicht in Gefahr war. Einer anderen Gefahr als die, die mein Vater für mich war. Dass ich nichts dagegen unternehmen konnte, machte mich verrückt. Nach dem Frühstück kam eine Schwester und wechselte den Verband, beziehungsweise die Pflaster auf meinem Rücken. Es war eine einzige Qual. Es brannte und nur mit Hilfe eines zweiten Pflegers schaffte ich es aufrecht sitzen zu bleiben. Ich versuchte nicht zu schreien oder zu jammern, als sie die Wunden an meinem Rücken desinfizierten. Nur ein leises schmerzvolles Stöhnen entwich meinen Lippen. Ich wollte einfach nicht, dass irgendwer annahm, ich würde mich schwuchtelig Verhalten! Während mich der Pfleger noch stützte, fragte ich zittrig: „Wie viele Wunden sind es eigentlich…?“ Während noch eine Wunde desinfiziert wurde, antwortete die Schwester: „Vier Stück.“ Gott sei Dank waren es nicht mehr! Ich nickte leicht und sprach nicht weiter. Als wir endlich fertig waren und ich wieder in meinem Zimmer war merkte ich erst, wie sehr mein Körper zitterte. Ich war noch alleine auf dem Zimmer, tatsächlich erschien meine Mutter am Nachmittag und hatte mir Kleidung gebracht. Doch viel Zeit hatte sie nicht und ich war nicht traurig darum. Ich fragte sie, was nun geplant sei und verzweifelt meinte sie: „Ich weiß es nicht, Jazzy. Ich hab mich von deinem Vater getrennt. Es war einfach zu viel… Das mit dir. Das mit der anderen Familie…“ „Mum… Was passiert nun mit mir“, fragte ich leise und versuchte meine Mutter von ihrem Selbstmitleid wegzukriegen. Ich brauchte gerade eine starke Person an meiner Seite. Nicht jemanden, der so war wie sie! „Ich hab mit Jenny gesprochen und auch das Jugendamt hat sich gemeldet. Jenny meinte, dass du nach der Reha bei ihr wohnen kannst… und da wir uns beide neu aufstellen müssen finde ich, dass das eine gute Idee ist…“ Ich sollte zu meiner Schwester, aber was war dann mit Jack?! Ich wollte aber lieber bei ihm wohnen! „Mum… hast du Jack gesehen“, fragte ich leise und meine Mutter schnaufte und schüttelte empört den Kopf. „Ja! Kannst du dir vorstellen, von früh bis spät sind fremde Menschen da…. Jasper weswegen hast du dich schwul machen lassen…ich meine, du hattest doch schon mal etwas mit einem Mädchen gehabt…Das ist doch nicht normal…“ Verzweifelt blickte ich meine Mutter an. „Das ist nicht dein ernst oder? Ich…komme gerade von der Intensiv…“ Entschuldigend blickte sie mich an und ich konnte nur den Kopf schütteln. Ich war wütend und funkelte sie zornig an und fast schon patzig meinte ich: „Willst du jetzt den Arzt fragen, ob es Mittel dagegen gibt?“ Erschrocken sah sie mich an. Doch wütend sah ich weg. Sie war meine Mutter, ja, dies ließ sich nicht abstreiten, doch ich hatte zu viel erlebt, vor dem meine Mutter mich nicht beschützt hatte. Die Wut auf sie konnte ich nicht mehr hinunter schlucken und das wollte ich auch nicht mehr! „Hast du mein Handy eingepackt“, fragte ich genervt und war wahrlich erleichtert, als meine Mutter es mir reichte. Ich musste einfach Kontakt zu Jack aufbauen! Ohne Handy war das irgendwie gar nicht möglich… „Jasper… es tut mir leid. Was ich gesagt und getan habe“, murmelte meine Mutter. Als sie anfing zu heulen konnte ich nur genervt die Augen verdrehen. Irgendwer sollte es endlich ausstellen! „Ich hab es zur Kenntnis genommen, Mum. Es ist trotzdem nicht vergessen und noch lange nicht verziehen“, meinte ich ehrlich und erschreckend kühl zu ihr. Dass ihr daraufhin noch mehr Tränen die Wange hinunter liefen, interessierte mich nicht so sehr, wie ich dachte. Fast schon erschrocken von mir selbst, wie kalt es mich doch ließ. „Ich versuch das wieder gut zu machen Jazzy, Schatz“, meinte sie leise und ich nickte nur. Sie hatte gelogen, mich verraten. Ich konnte ihre Aussage, die sie der Polizei gegeben hatte, einfach nicht anders deuten, war es doch genau das für mich. Verrat! Ich blickte sie aus unergründlichen Augen an und meinte: „Ich bin echt erschöpft Mum. Ich würde gerne schlafen. Außerdem hast du doch eh nicht viel Zeit.“ Einige Male blinzelte sie verwirrt und nickte mir leicht zu. Ich ließ es zu, dass sie mich kurz drückte, doch ich sah ihr nicht mal nach, als sie die Tür hinter sich schloss. Ich entsperrte mein Handy und wählte gleich Jacks Nummer. Schon nach kurzer Zeit nahm er ab und ich war erleichtert, als ich seine Stimme hörte. „Hey Kleiner, alles klar?“ Genießerisch schloss ich kurz die Augen, als ich seine Stimme hörte. Doch schnell besann ich mich zu antworten: „Geht so, meine Mutter war gerade bei mir… Die war nur am Heulen und so… Jack kommst du heute, oder morgen vorbei…oder heute“, als er schwieg, flehte ich fast, „bitte Jack.“ Ich hörte, wie Jack am anderen Ende der Leistung schwer seufzte. „Klar, natürlich komme ich. Ich weiß nur leider nicht, ob ich es heute schaffe. Ein paar Leute sind da“, nuschelte Jack in den Hörer. Ich war unsicher und fragte: „Wer ist denn da? Irgendwer, den ich kenne?“ „Ja“, raunte er, „Ozelot und Miller sind hier. Muss noch was mit denen besprechen und das kann leider sehr lange dauern… Ich erklär es dir morgen. Es tut mir wirklich leid, dass ich heute nicht vorbeikommen kann.“ Ich nickte leicht, ehe ich merkte, dass er mein Nicken gar nicht sehen konnte und sagte schnell: „Okay. Der Arzt meinte auch, dass morgen die Polizei zur Befragung kommt… Ich hätte dich gerne dabei“, meinte ich leise und dieses Mal kam ohne ein Zögern sofort die Zustimmung. „Meine Mum sagt, dass ich erst mal wohl zu Jenny ziehen soll“, meinte ich leise und sah an die Decke. Kurz herrschte Stille, doch dann meinte Jack ruhig und äußerst bedacht: „Die Idee ist doch nicht schlecht, Jasper… Du kannst da neu anfangen. Dich einfach neu aufstellen. Mit deiner Mutter würde es nicht mehr gehen, das Vertrauen ist einfach weg.“ Fast schon schockiert weiteten sich meine Augen. „Was ist mir dir!“ „Was soll denn mit mir sein“, meinte Jack ruhig und bedacht. „Naja… ich will bei dir wohnen“, sagte ich ehrlich und doch noch während ich es sagte, merkte ich, dass wirklich etwas nicht stimmte. Was genau, konnte ich nicht sagen. Doch Jacks schweres seufzten am anderen Ende der Leitung ließ nichts Gutes erahnen. „Jasper…. Wer würde das erlauben? … Lass uns darüber morgen lieber in Ruhe sprechen, wenn die Polizei weg ist, okay“, meinte er ruhig und diese Ruhe, die er ausstrahlte, fing an mir Angst zu machen! „Vielleicht bin ich morgen nicht mehr alleine auf dem Zimmer…“, meinte ich fast schon patzig. „Doch, wirst du“, raunte er nur kurz und meinte dann, „ich muss auflegen. Ich verspreche dir, dass wir morgen alles weitere besprechen… hey... ich liebe dich, dass weißt du….“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)