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Verborgen in Stille

von

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Mein Fels in der Brandung

Danke für die ganzen Kommentare haben. Die haben mich dann doch mehr motiviert wie ich dachte^^

Deswegen kommt tatsächlich heute schon das nächste Kapitel!

Ich wünsch Euch einen schönen 2. Advent!

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Menschen sprachen mit mir. Ich hörte öfter, dass Menschen, die ich nicht kannte sagten, dass alles gut werden würde, dass ich mir keine Sorgen mehr machen brauchte und dass mein Bruder mich nicht allein ließ. Aber wieso mein Bruder? Und wenn, welcher? Alles seltsam...

Immer, wenn ich das Gefühl hatte wach zu sein und den Stimmen versuchte zu lauschen, verstand ich sie doch nicht wirklich. Doch jedes Mal, wenn mein Bruder da war, merkte ich, wie ich ruhiger wurde. Ich spürte, dass er mir gut tat! Und so war ich einfach nur dankbar, dass er kam! So komisch es mir vorkam. Ich verstand ihn manchmal doch oft war es einfach auch nur ein tiefes Rauschen. Es täte ihm so unendlich leid. Wie sehr er meine Stimme vermisste. Komisch, dass er sowas sagte, doch es freute mich auch. Es beruhigte mich wie er mit mir sprach, auch wenn ich es oft nicht verstand. Die Zeit floss an mir vorbei.

Wenn ich ehrlich war, spielten Raum und Zeit gerade auch keine Rolle mehr für mich. Komisches Gefühl in einer sonst so schnellen Welt. Doch ich merkte, dass mich irgendwas am schlafen hielt und dafür sorgte, dass ich nicht wach wurde.

Ich spürte einfach nichts mehr, wusste nicht wo ich war. Schmerz, Hunger, Durst alles war wie weg. Gerade einfach nicht existent. Doch leider war ich nicht immer ´wach` und die Träume, die mich ab und zu einholten, verfolgten mich. Ihnen konnte ich nicht immer entkommen. Ich rannte und wusste nicht, wovon ich davon lief. Mein Herz begann zu rasen und immer, wenn mich das Dunkel hinter mir einholte, drang ein schrilles, kaum zu ertragendes Geräusch in mein Bewusstsein. Ein seltsames Piepen und immer wenn, es zu laut wurde merkte ich, dass Menschen kamen. Spürte ab und zu ihre Hände auf meinem Körper. Die Angst, die in mir aufkam konnte ich nicht unterdrücken, denn ich wusste ich konnte mich nicht wehren! Doch nie blieben sie wirklich lange, worüber ich froh war. Wenn sie weg waren, fühlte sich mein Kopf benebelt an und der Schatten, der mich verfolgte war wieder weit weg, doch nicht verschwunden.

Doch immer hatte ich das Gefühl, dass dieser Schatten, dieses Monster dort war und auf mich wartet. Es sagte immer nur ein Wort zu mir, Schwuchtel, mehr nicht. Egal was ich versuchte. Ich versuchte das Monster anzubrüllen, flehte, es solle mich nicht verfolgen, doch nur ab und zu ließ es mich in Ruhe.

Ich vermutete irgendwas machte dem, was mich verfolgte, Angst. Ich spürte manchmal, wie jemand sanft meine Hand streichelte, doch bewegen konnte ich sie nicht. Die Hände waren nicht sanft, sie waren rau, doch fand ich es angenehm, es kam mir vertraut vor. Immer, wenn ich diesen Griff spürte und der mich verfolgende Schatten sich zurückzog, ging es mir eigentlich gut! So hätte es eigentlich bleiben können. Oft verstand ich die Stimme nicht, die auf mich einredete, doch es beruhigte mich. Ich vermutete, dass es Jack war, doch war ich mir eigentlich nie wirklich sicher. Wenn ich es vermutete wandelten sich meine Träume und ich sah ihn. Selten sprach er in den Träumen zu mir. Wenn wünschte er sich, dass ich wach werde und wieder bei ihm bin. Ich wollte wieder bei ihm sein! Nicht nur von ihm träumen. Ich wolle ihn endlich wieder anfassen, seine Nähe genießen! Doch leider waren diese Momente viel zu selten und viel zu kurz.

Erneut wurde ich von dem Schatten verfolgt, hörte wie er mich beleidigte. Ich fing wieder an zu laufen, doch irgendwas wurde anders. Ich hörte, wie Menschen redeten doch konnte ich die Stimmen nicht zuordnen. Ich wünschte mir nur, dass die Wärme wieder kam und das Unheil, was im Dunkeln lauerte, weiter in Schach hielt.

Doch irgendwie wurde es klarer in meinem Kopf. Ich hörte es piepen und dumpf drangen langsam Stimmen in meinen Kopf und der Nebel schien sich zu lichten. Ich wusste nicht wo ich war. Was war passiert? Hörten nun die Träume auf? Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch noch nie waren meine Lider schwerer, als in diesem Moment. Ich gab es auf, vielleicht wollte ich auch gar nicht sehen wo ich war. Wieso piepte es denn ständig neben mir?!

Ich atmete schwer. So wie meine Augenlider, fühlten sich meine Glieder ebenso schwer an. Was war eigentlich passiert? Träumte ich wieder? Irgendwie schien ich langsam aber sicher wieder Herr meiner selbst zu werden. Ich nahm Bewegungen um mich herum wahr und hörte eine freundliche junge Stimme einer Frau sprechen. Doch hatte ich das Gefühl, dass die Stimmen sich anhörten wie durch eine geschlossene Tür gesprochen. Sie hörten sich dumpf und verzerrt an: „Sie sind ja schon wieder da… Das freut mich, dass der junge Mann wenigstens von Ihnen Besuch bekommt.“

Ich hörte ein tiefes und rauchiges Stöhnen und eben jene Stimme fragte: „Hat meine Mutter ihn immer noch nicht besucht?“ Ich musste einfach träumen… Oder war einer meiner Brüder hier? Das ergab doch aber noch weniger Sinn. Ich verstand nichts mehr, war ich immer noch nicht wirklich wach? Ich spürte eine Hand auf meinem Kopf und jemand strich mir sanft über die Stirn.

„Nein“, hörte ich die Stimme der fremden Frau, „sie ruft jeden Tag an, aber kommt einfach nicht ins Krankenhaus.“ Ah… ich war also im Krankenhaus… und während ich realisierte wo ich war, kamen die Erinnerungen wie auf einen Schlag wieder. Vater hatte mich verprügelt… mich verfolgt! Wie das Monster in meinen Träumen! War er hier? War ich hier sicher?! Ich konnte mich nicht wehren. Gerade war ich hilflos! Verdammter Mist! Langsam kam die Panik wieder, das Piepsen wurde lauter und schneller. Erneut spürte ich eine Hand, die mich sanft streichelte. „Shhh…“, murmelte die Stimme leise. Ich konnte mich nicht entsinnen, dass einer meiner Brüder eine so tiefe Stimmte hatte.

„Wie lange dauert es denn, bis er wach wird“, fragte er und ich hörte, wie ein Stuhl zurecht gerückt wurde. Da war sie wieder, eine Hand auf meiner Stirn. Wie gut es sich anfühlte! Doch immer noch klangen die Stimmen wie aus einem schlecht eingestelltem Radio. Mal lauter, mal leiser. Was die fremde Frau sagte verstand ich zu Beginn gar nicht. „…selber wach werden. Die Medikamente wurden jetzt langsam abgesetzt… wieder bei vollem Bewusstsein ist, weiß keiner. Aber reden Sie ruhig mit ihm. Keiner weiß, was die Menschen alles mitbekommen…“ Ich hörte, wie die Stimme sich entfernte und Stille blieb, als sie verschwunden war.

Mein Puls beruhigte sich und ich spürte die Hand, welche mich lieb streichelte. Ich hörte ihn schwer seufzten. Ich erkannte den Geruch, welcher langsam in meine Nase stieg, es konnte nicht mein Bruder sein. Bei meinem Bruder machte mein Herz vor Freude keinen Sprung! Es war Jack, da war ich mir sicher. Mein Jack! Oh, wie sehr wollte ich ihn sehen! Doch es war kein schöner Gedanke, dass er neben meinem Krankenbett saß und Angst um mein Wohlbefinden hatte. Es rührte mich nicht, es machte mich betroffen, traurig. Ich wollte ihm zeigen, dass ich wach war, doch meine Hände waren schwer wie Blei.

Sanft, doch gleichzeitig bestimmt, griff Jack nach meiner Hand. Sie fühlte sich kalt in seiner warmen Hand an. Ich spürte, wie seine Finger zwischen meine glitten. „Es tut mir so leid, Jasper“, hörte ich ihn murmeln und verzweifelt klang seine Stimme, „es tut mir so leid….Ich war nicht da. Ich hatte noch nie so Angst, Jasper. … Ich will, dass du wieder gesund wirst…Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, ich wiederhole mich doch nur…“ Ich hörte, wie seine Stimme brach. Ich wollte nicht, dass er weinte, dass er verzweifelt war. Mit aller Kraft, die ich körperlich als auch mental aufbringen konnte, schaffte ich es, leicht meine Hand zu bewegen. Leicht drückten meine Finger gegen seine Hand. Ich wollte einfach, dass er wusste, dass ich wach war. Ihn hörte und wusste, dass er da war.

Ich hörte Jacks Atem stocken und spürte, wie er versteinerte. Fahrig klang er, als er sprach: „Bist du wach?!“ Wieder kostete es all meine Kräfte und ich schaffte es meinen Kopf zu etwas wie einem Nicken zu bewegen. Ich brauchte nicht die Augen zu öffnen um zu wissen, dass ein Strahlen über Jacks Gesicht geschlichen war.

Wie lang war ich denn weg gewesen? Das ganze Nachdenken machte meinen Geist wacher und nachdem ich mich das erste mal bewegt hatte, kam die Energie ein wenig zurück. Ich öffnete leicht die Augen und das Licht blendete mich. Farben verschwanden in dem grellen Schein der Lampen. Gleich begannen sie zu tränen und ich blinzelte einige Male gegen das Licht. Viel zu hell! Ich spürte, wie Jacks Finger mir die Tränen aus den Augenwinkeln strichen und ich sah sein besorgtes Gesicht. Immer mehr Formen und Farben waren zu erkennen, bis ich sein Gesicht wirklich erkannte.

Müde und erschöpft wirkte er. Zudem sah er aus, als habe er sich seit längerem nicht mehr rasiert.

Sein Bart sah ungepflegter und struppiger aus als sonst. Dunkle Schatten waren unter seinen Augen zu sehen und es schien, als habe er neue Sorgenfalte hinzubekommen. Nie wirkte Jack älter, als in diesem Moment.

Ich versuchte zu sprechen, doch drangen aus meinem Mund nur unverständliche Laute heraus. Ich konnte nicht sprechen! Besorgt blickte ich ihn an und das Piepen neben mir wurde lauter. „Shhh… Das ist normal, dass einem die Stimme weg bleibt… das kommt alles wieder, Jasper…. Du hast mir ganz schön Angst gemacht… “ Entschuldigend blickte ich ihn an, doch schloss ich wieder die Augen. Obwohl ich gerade erst aufgewacht war, war ich doch wieder so müde.

Stumm betrachtete mich Jack und ich spürte, wie ich mich langsam beruhigte. Er war da! Er war sicher immer da gewesen. Ich wollte es ihm sagen, doch immer noch versagte meine Stimme. Um seinen Hals trug er einen Mundschutz, vermutlich hatte er ihn runtergezogen. Sanft streichelte Jack meine Wange, fuhr die Linie meiner Wangenknochen nach und streichelte mir sanft über die Lippen. Ich genoss jede seiner sanften Berührungen. Jede einzelne war eine wahre Wohltat. Stumm sahen wir einander in die Augen. Ich hatte den Eindruck, dass Jack einfach nur froh war mich wach zu sehen. Details warum ich hier war, kamen noch nicht genau wieder. Spielten gerade auch keine Rolle. Ich wollte gerade auch nicht zu sehr darüber nachdenken.

Ich schaffte es auch kaum noch die Augen aufzuhalten, tatsächlich musste ich sogar gähnen. „Schlaf ruhig, Jazz“, hörte ich Jack leise sagen und erneut spürte ich seine Hand, welche mir sanft durch die Haare streichelte, „Ich sag der Krankenschwester, dass du wach warst… Ich liebe dich.“ Ich schaffte es nicht zu nicken, denn der Schlaf streckte wieder seine Fühler unbarmherzig nach mir aus und ohne es zu wollen zog er mich wieder in die Dunkelheit hinein und ich konnte mich nicht dagegen wehren. So sehr ich es wollte. Doch schaffte ich es noch, meinen Kopf genießerisch in seine Hand zu legen. Was tat es gut zu wissen, wer genau gerade bei mir war.

Am liebsten wäre es mir, wenn er gar nicht gehen würde. Doch auch das Denken strengte mich an und als ich wieder schlief war der Schatten, der mich verfolgte, wieder weg und schien mich gerade nicht wieder jagen zu wollen.
 

Als ich das nächste Mal erwachte, herrschte um mich herum eine unheimliche Stille. Nur das nervige Piepen von irgendwelchen Geräten, die ich nicht kannte, störte die Ruhe. Der Stuhl neben dem Bett war verwaist. Und während ich in die Dunkelheit starrte, übermannte mich die Angst. Sie kroch durch jede Faser meines Körpers. Ich konnte es einfach nicht verhindern, dass sie da war.

Die Angst verfolgt zu werden, gehetzt zu werden, war gerade so allgegenwärtig und wurde durch das lauter werdende Piepen nur verstärkt. Immer noch wusste ich einfach nicht, wo mein Vater war! Das Wort Schwuchtel schlich sich in meine Erinnerung. Tränen stiegen mir in die Augen und ich versuchte sie zurückzuhalten. Ich hörte Schritte, die sich mir näherten und die Angst schnürte mir die Kehle zu und meine Atmung wurde schneller.

Ein Vorhang wurde beiseite geschoben und eine mir gänzlich unbekannte Frau mittleren Alters schaute mich fast schon warmherzig Lächelnd an. „Oh, Mr. Hale“, meinte sie und lächelte mich fröhlich an, „es ist ja so schön, sie mal wach zu sehen! Ich bin Schwester Nicole. Ich hab schon öfter mit ihnen gesprochen, aber ich glaube, dass wissen Sie gar nicht mehr.“ Ich konnte nicht anders und starrte sie mit großen Augen an und endlich ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Ich merkte, dass mein Geist wacher war, als noch heute Mittag. Kurz ließ ich meinen Blick wieder schweifen. Ich war in einem Krankenhaus, genau. Ich lag auf einem Bett und Vorhänge grenzten meinen Bereich ab. Meine Schulter und mein Arm schienen verbunden und mit Mühe hob ich meine Hand und versuchte vorsichtig mein Gesicht zu betasten. Meine Nase schmerzte, als ich sie berührte, doch kein Verband schien darauf zu sein. Während ich mich bewegte, spürte ich einen weiteren Verband um meinem Oberkörper. Fragend blickte ich die Krankenpflegerin an und ohne das ich viel mehr sprechen musste, erklärte sie: „Sie haben einige Knochenbrüche und noch andere Verletzungen… Sie sind schon ein paar Tage da, aber jetzt, wo sie wach sind, werde ich Dr. Stone Bescheid geben. Ich kann den Doktor doch kurz holen, oder brauchen sie mich gerade?“ Ich schüttelte leicht den Kopf, was eine große Anstrengung für mich war. Die Schwester lächelte mir noch kurz aufmunternd zu und dann verschwand sie und ließ mich verwirrt blinzelnd zurück. Während ich wartete, kam die Angst wieder. Diese Stille und nur das Piepen der Geräte ließ mich verrückt werden.

Ich schaute auf meinen Körper. Mein rechter Arm war in einem dicken Gipsverband verschwunden. Ich erinnerte mich an den stechenden Schmerz in meiner Seite und vorsichtig tastete ich zu meinen Rippen. Auch hier schien ein dicker Verband um meinen Körper gewickelt zu sein.

Von meinem Arm aus ging ein Schlauch zu einem Tropf, an dem eine Plastikflasche befestigt schien. Ich hörte Schritte, welche sich näherten und die Krankenschwester kam in Begleitung einer jüngeren Ärztin wieder.

„Ah, der junge Mann ist wach, wie schön. Ich bin Dr. Tessa Stone, Mr. Hale“, stellte sich die junge blonde Ärztin vor. Sie hatte lange blonde Haare, welche im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Sie schien äußerst blass zu sein, doch da es dunkel war, fiel es nicht wirklich auf. Sie trug einen rosafarbenen Arztkittel und ein Stethoskop lag um ihren Hals. Ich nickte und war verwirrt. War ich denn wirklich so schwer verletzt gewesen? Ich blinzelte und merkte wieder, wie ich müde wurde. Konnte man das denn nicht endlich mal abstellen?

„Sie haben eine Fraktur der Rippen, sowie der Schulter erlitten“, fing Dr. Stone an mit freundlicher und sanfter Stimme zu erklären und ich konnte nur leicht nicken. Sie betrachtete kurz meine Augen und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe hinein. „Wir mussten ihre Schulter operativ behandeln. Des Weiteren wurden ihnen mit einem stumpfen Gegenstand auf den Rücken geschlagen, sodass die Haut an diesen Stellen aufgeplatzt war. Hinzu kommen noch mehrere Hämatome. Verstehen Sie mich?“ Ohne Hast blickte sie mir ins Gesicht. Freundlich klang ihre Stimme und tatsächlich beruhigte sie mich langsam. Doch nur langsam schienen ihre Worte zu mir vorzudringen. Und so nickte ich erst nachdem Dr. Stone immer fragender zu mir sah.

„Wie lange bin ich schon hier“, fragte ich und merkte, wie verzerrt meine Stimme klang.

„Seit fünf Tagen“, informierte mich Dr. Stone und klang professionell. Sie sah auf ein Klemmbrett, welches an meinem Bett hing. Natürlich, für diese Menschen war es Alltag, doch für mich war es das nicht. Ich lag hier seit fast einer Woche?! Ich hatte fünf Tage einfach nichts gemacht außer hier zu liegen? Sie merkte, dass ich es nicht verstand und ich war dankbar, dass sich Dr. Stone sich die Zeit nahm, es mir zu erklären: „Nach der Operation haben wir Sie in ein künstliches Koma legen lassen. Ihr Körper stand so sehr unter Schock, dass wir diesen Schritt sinnvoller fanden. Wissen Sie, die körpereigenen Rettungssysteme werden in solchen Situationen meistens völlig überfordert. Dadurch kann ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten. Verstehen Sie mich? Als sie hier eingeliefert wurden, hatten sie neben den aufgezählten Verletzungen noch eine schwere Gehirnerschütterung von einem Sturz, sehe ich gerade. Eine so schwere Gehirnerschütterung kann lebensgefährlich werden. Aufgrund der Anzahl der unterschiedlichen Verletzungen haben wir sie in das künstliche Koma versetzt. Damit ihr Körper zu Ruhe kommt.“ Unsicher nickte ich. Hatte ich es verstanden? Sicher nicht alles, aber sie wollten mir helfen. Mir nicht wehtun! Wieder schaffte ich es erst nach einigen Augenblicken zu nicken.

Ich nickte und zitterte. Diese fremde, mir unbekannte Umgebung machte mir Angst. Ich beobachtete die Ärztin, welche sich gerade mehr mit den Papieren beschäftigte, als mit mir. Ich dachte über ihre Worte nach und nach einem Moment, in dem ich über meine Frage nachdenken musste, fragte ich: „Bleiben Narben?“

Sie sah zu mir hinauf und blickte mir mitfühlend in die Augen. Sie nickte leicht und erklärte mit etwas einfühlender Stimme: „Ja, vermutlich die aufgeplatzten Stellen am Rücken und kleine Narben an der Schulter. Ich denke aber, dass dies das kleinste Übel ist. Wichtiger ist, dass du wieder gesund wirst, Junge.“ Meine Augen waren geweitet und denken konnte ich nicht. Ich würde Narben davon tragen?

Nicht, dass mich Narben störten, sah ich sie bei Jack doch nicht mehr, doch würden diese Narben mich immer daran erinnern was geschehen war. Daran, wie meine Familie zerbrach. Daran, wie sehr ich auf einmal gehasst wurde. Wie alles in Trümmern vor mir lag. Ich würde dadurch immer an diesen einen Tag denken müssen…

Ich wollte das nicht, wollte nicht mein Leben lang gezeichnet sein. Ich blinzelte meine Tränen weg und sah Dr. Stone an, die gerade noch mal nach dem Tropf gesehen hatte. „Sie sollten schlafen, Mr. Hale. Sich erholen. Sie machen gute Fortschritte.“ Sie lächelte mich noch kurz aufmunternd an und verschwand von meinem Bett. Die Krankenschwester, deren Namen ich vergessen hatte, blieb noch kurz bei mir stehen und fragte freundlich, ob ich noch etwas brauche. Ich schüttelte leicht den Kopf, doch nach einem kurzem Moment fragte ich mit immer noch kratziger Stimme: „Wer hat mich alles besucht?“

Betroffen war ihr Blick und ich hatte das Gefühl, dass kurz ein wütender Ausdruck in ihren Augen aufschimmerte, doch so schnell dieser gekommen war, verschwand er wieder. „Dein Bruder war jeden Tag hier. Jack soweit ich weiß… Der mit der Augenklappe und ein Onkel von dir war heute Abend da.“ Verwirrt sah ich sie an. Bruder und Onkel?!

Doch ich ließ es besser einfach so stehen und fragte: „Und meine Mum? War sie hier?“ Ich sah, wie die Schwester schwer ausatmete und nur kurz den Kopf schüttelte. „Sie ruft jeden Abend an und erkundigt sich nach deinem Wohl… Sie hat wohl gerade….eigene Probleme. Wohl irgendwas mit einer neuen Wohnung. Aber da fällt mir noch ein, dass ihre Schwester noch da war.“ Sie betonte es so, dass ich nicht lange darüber nachdenken musste um zu wissen, dass sie darüber wütend war, dass meine Mutter sich nicht hat Blicken lassen.

Doch ich spürte keine Wut. Trauer erfasste mich. Hatte ich nun auch meine Mum verloren? Nun war es eh raus, dass ich schwul bin. Kam sie damit auch nicht zurecht? Oder hat sie nun alle Geheimnisse erfahren? Stand ich nun ganz ohne Eltern da? Ich nickte leicht und versuchte mich etwas entspannter hinzulegen. Doch es gelang mir nicht. Die Krankenpflegerin verschwand und wollte mich anscheinend schlafen lassen, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass ich hier zum Schlafen kommen würde.

Während ich an die andere Seite des Zimmers blickte, war die Einsamkeit spürbar, greifbar, drückte auf meine Lunge und raubte mir die Luft zum Atmen. Tatsächlich hätte ich gesagt, mein Herz würde zerquetscht werden. Stumm flossen die Tränen in das Kissen. Ich wünschte jemand würde kommen, doch dieser Wunsch war unrealistisch. Es war mitten in der Nacht.

Doch ich bemerkte etwas, was mich unter den Tränen doch noch leicht lächeln ließ. Auf dem Nachttisch standen einige Karten, ein paar Blumen und tatsächlich sogar eine Schachtel Pralinen. Ich wusste nicht, von wem das alles war, doch es zeigte mir, dass es Menschen da draußen gab, denen ich nicht egal war. Die vermutlich wollten, dass ich wieder gesund wurde. Aufgewühlt waren meine Gedanken und wenn ich die Augen schloss, stand ich wieder in meinem Zimmer und sah meinen Vater. Wie sollte ich so in den Schlaf finden?

Doch die Sorge nicht einschlafen zu können, war vollkommen unbegründet gewesen. Denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war es draußen hell und die Sonne schien durch die Fenster. Ich erkannte, dass noch mehr Menschen hier waren. Ein Mann gegenüber war an noch mehr Kabeln angeschlossen worden als ich.

Schrecklich sah er aus, nicht hässlich, sondern sein Aussehen machte mir Sorge. Schläuche, die überall waren, das nervige Piepen der Geräte und seine blasse Hautfarbe sahen besorgniserregend aus. Ich sah weg und sah auf meinen eigenen Monitor. Gleichmäßig schien mein Herz zu schlagen und ich beobachtete stumm die Geräte. Hunger oder Durst hatte ich keinen. Viel mehr Pfleger und Pflegerinnen waren hier, als ich es sonst von anderen Krankenhäusern gewohnt war. Aber ich hatte es auch noch nie hier hin geschafft. Ich brauchte nicht fragen, ich wusste, dass ich auf der Intensiv lag.

Ich hatte kein Zeitgefühl mehr, doch irgendwann erschien ein Arzt, welcher sich als Dr. Davis vorstellte. Die blonde Ärztin aus der Nacht hatte wohl keine Schicht mehr.

Dr. Davis war schwarz, hatte kurze krause Haare und ein breites freundliches Lächeln auf den Lippen. Auch er freute sich, dass ich wieder wach war und meinte: „Sie scheinen echt wieder gesund werden zu wollen! So wie sich ihre Werte verbessert haben! Morgen können Sie sicher schon die Intensiv verlassen. Wäre doch super, oder junger Mann?“

Ich versuchte zu lächeln, doch es gelang mir nicht wirklich, doch ich nickte. Im Stillen wünschte ich mir heute schon hier wegzukommen, denn diese Geräusche… Ich hatte das Gefühl, dass sie mich noch lange verfolgen würden.

„Mr. Hale, ich habe die Aufforderung bekommen, dass ich die Polizei informieren soll. Die möchte Sie befragen“, meinte Dr. Davis und sah aus, als ob es ihm nicht passte. Ich bekam Angst, Polizei? Kollegen meines Vaters? Die Gräte schlugen aus und ich sah, wie die Linien meines Herzens meine innere Unruhe verrieten. Besorgte betrachtete mich Dr. Davis und fragte: „Was passt Ihnen daran nicht?“ Ich atmete durch und setzte nach kurzem Zögern zum Sprechen an: „Ich… ich weiß nicht, ob ich mit ihnen sprechen möchte.“

Ein sanfter Ausdruck erschien auf Mr. Davis Gesicht und er meinte: „Das müssen Sie wohl leider. Denn wir glauben nicht, dass das, was ihre Mutter angegeben hat, der Wahrheit entspricht…“ Verwirrt sah ich ihn an und war dankbar, dass er ohne meine Aufforderung sich erklärte, war sprechen doch irgendwie anstrengend. „Ihre Mutter gab an, dass sie sich geprügelt haben und nach Hause gekommen seien, wo sie sich mit ihrem Vater gestritten haben. In diesem Streit seien sie dann die Treppe runtergefallen….“ Ich blinzelte und konnte es nicht begreifen.

Meine Mutter verteidigte meinen Vater… Obwohl ich hier war… und so, wie es den Anschein hatte, um mein Leben gekämpft hatte. Ich konnte es nicht glauben, wollte es nicht glauben und so fragte ich leise: „Kann ich…. Ich weiß nicht, sie anrufen?“ Dr. Davis atmete schwer aus und ich sah, wie er mit sich rang. Doch dann nickte er leicht. „In Ordnung, aber sollten sie sich zu sehr aufregen, legen sie auf“, meinte er und wies einen Pfleger an ein Telefon für mich zu besorgen.

Nie war ein Telefonhörer schwerer gewesen und ich wählte die Nummer von Zuhause. Schnell nahm wer ab und erleichtert seufzte ich, dass es meine Mutter war. Wäre mein Vater an das Telefon gegangen, hätte ich sicher einfach nur schnell aufgelegt.

Immer noch war meine Stimme erschöpft, als ich sagte: „Tag Mum…“ Ich hörte, wie meine Mutter scharf die Luft einzog. „Jazzy“, meinte sie hastig und schien unsicher, was sie sagen sollte, „wie geht es dir, mein Schatz.“ Ginge es mir besser, hätte ich vermutlich hämisch gelacht. Klar...Schatz…

Doch egal was ich für Medikamente erhalten hatte, sie hatten eine echt tolle beruhigende Wirkung auf mich! „Wieso hast du gelogen….“; fragte ich dennoch und blickte starr an die Decke, „wieso hast du der Polizei nicht die Wahrheit gesagt….“ Wieso musste ich das machen? Wieso sollte ich bei einem Verhör alles wieder durchleben! „Schatz, dass…. Das tut mir leid. Das war nur der Schreck und alles! Ich stelle das klar…. Dein Vater ist ein richtiges Monster. Du kannst dich auf mich verlassen“, meinte sie und ich hörte sie schon wieder weinen. Konnte sie das auf Knopfdruck? Mein Bruder Jason meinte mal, dass Frauen sowas können… Doch tatsächlich war mir auch das gerade vollkommen egal.

„Wenn du meinst“, kommentierte ich leise und seufzte, doch meine Mutter redete schnell weiter, ehe ich noch was erwidern konnte. „Nicht nur, dass er das alles mit dir gemacht hat… Dann hat der doch tatsächlich noch ne andere Frau… und noch ein Kind! Das ist alles gerade so verdammt schrecklich…“ Was alles noch schrecklich war, ignorierte ich. Ich ließ das Telefon langsam von meinem Ohr gleiten und starrte an die Decke. Egal, was nach dem Krankenhaus sein wird, ich entschied mich nie wieder bei meiner Mutter zu wohnen! Nie wieder!

Ich nahm das Telefon wieder ans Ohr und unterbrach meine Mutter: „Mum, da kommen Ärzte. Ich leg mal auf. Kannst ja kommen…“ ich hörte, dass sie sich noch verabschiedete, doch realisierte ich es nicht mehr wirklich, sondern drückte schnell auf den Hörer. Ich bemerkte, dass einige Krankenschwestern mich beobachtetet hatten und bei einem Blick auf das EKG verstand ich warum. So ruhig wie ich dachte, war ich nicht. Mein Herz verriet die innere Zerrissenheit. Stumm reichte ich einer Krankenschwester das Telefon und wünschte mir einfach nur, dass Jack schnell kommen würde. Jack war einfach eine durchgehende Stütze für mich. Ein wahrer Fels in der Brandung.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Sei512
2016-12-04T13:07:54+00:00 04.12.2016 14:07
Oh mein Gott, bald ist Schluss :( wirst du die Geschichte weiterführen ?

Du hast das Kapitel toll geschrieben genauso wie das vorletzte auch wenn ich fast an einem Herzinfarkt gestorben bin. Das sein "Vater" ihn so behandelt ist das aller letzte aber wenigstens ist jetzt alles raus und die Mutter weiß auch Bescheid. Und trotzdem stellt sie sich nicht aufs Jazz Seite -.- tolle Familie.
Gott sei dank hat er Jack und es ist so Zucker das er sich solche Vorwürfe macht.
Ich freue mich aufs nächste Kapitel und hoffe das Jack , Jazz wieder zum Lachen bringt.
Von:  Pitchermaus
2016-12-04T13:01:06+00:00 04.12.2016 14:01
Ich bin sprachlos. Was soll man aber auch zu dem Verhalten der Mutter groß sagen. Jazz tut mir so leid. Dass er nicht mehr bei seiner Mutter bleiben möchte kann ich gut verstehen. Bei der muss irgendwas ganz falsch gelaufen sein. Ihr Sohn wird von ihrem Mann verprügelt, sie weiß mitlerweile, dass sie von ihm betrogen wurde und dennoch nimmt sie ihn in Schutz. Und ihre Aussage will sie erst revidieren, als ihr Sohn, der im Krankenhaus liegt, sie auf ihre Lüge anspricht. Für das Verhalten gibt es echt keine Entschuldigung. Ihre Aussage hätte sie schon viel eher berichteigen müssen. Nicht mal ins Krankenhaus hat sie es geschafft. Als Mutter hätte sie eigentlich gar nicht von Jazz Bett wegzubewegen sein sollen, egal was für Probleme sie sonst noch so hat. Und dann erst ihre Reaktion am Telefon.... Armer Jazz, so eine schwache und anscheinend auch egoistische Mutter zu habe, das hat er nicht verdient. Kann man nur hoffen, dass er sich davon nicht unterkriegen lässt und seinen Weg findet. Und natürlich, dass ihm das Jugenamt hilft und nicht über seinen Kopf hinweg entscheidet, weil sie meinen, dass es für ihn so besser ist. Aber Jack ist echt super! So wie er reagiert hat, merkt man wie viel ihm Jazz bedeutet. Das ist für Jasper jetzt aber auch sehr wichtig, wenigstens einen Menschen bei sich zu haben, der ihm helfen kann und das auch will. Die Lüge, Jack sei Jazz Bruder (und vor allem, wie schnell sie ihm eingefallen ist, muss ja unmittelbar nach Jazz Einlieferung ins Krankenhaus gewesen sein) führe ihr darauf hin zurück, dass er an Extremsituationen und schnelle Entscheidungen gewöhnt ist. Aber wer ist der Onkel? Das scheint sich ja auch Jazz zu fragen. Ich hoffe mal, dass das niemand ist, der den Beiden noch mehr Probleme macht, als sie ohne hin so haben.
Und um noch mal zum Anfang des Kapitels zu kommen: Jazz Gedanken, als er im Koma war hast du wirklich gut beschrieben. Es wird ja angenommen, dass Menschen im Koma durchaus Dinge aus ihrer direkten Umgebung mitbekommen. Auch toll, wie du auf Jazz Ängste eingegangen bist. Damit wird er sich sicherlich noch eine ganze Weile auseinandersetzten müssen. Das stelle ich mir nicht leicht vor. Zu mal er sich wahrscheinlich nicht einfach nur mit dem, was bei ihm zu Hause passiert ist und was sein Vater mit ihm gemacht hat, auseinandersetzen werden muss, sondern wahrscheinlich auch noch damit in der Schule konfrontiert wird. Da ist ja offen, was genau seine Mitschüler mitbekommen haben (ich geh davon aus, dass es die Runde gemacht hat, dass bei ihm was zu Hause passiert ist, auch wenn wahrscheinlich viele Gerüchte dabei sein werden). Ob sie auch wissen, oder gehört haben, dass er schwul ist und wie sie darauf reagieren. Im allgemeinen ist es sicher nicht schön, wenn alle wissen, dass bei einem zu Hause alles schief läuft und man von seinen Eltern verprügelt wurde oder (in Jazz Fall) auch noch Krankenhausreif geschalgen wurde. Aber zum Glück hat er Jack an seiner Seite. Ich gehe mal davon aus, dass dieser ihm helfen wird. Vor allem, was die seelische Unterstützung angeht. Sicher wird die Beiden der Vorfall auch noch weiter zusammenschweißen. Was ich mich allerdings bei der Ausführung der Ärztin zu Jazz Zustand noch gefragt habe, wie sieht es denn mit seiner sportlichen Betätigung aus? Seine Schulter musste operiert werden. Je nach dem, welche es war und was für Folgen damit verbunden sind, war es das mitseiner Profikarriere. Wobei ich da Jack auch recht gebe: Wahrscheinlich wäre das für Jazz nichts, wenn er nicht offen zu seiner Sexualität stehen könnte. Naja, bin gespannt wie es nun weitergeht und freue mich schon auf das nächste Kapitel und hoffe dort ein paar Auskünfte zu bekommen, von wem Jack verfolgt wurde? Wer der Onkel ist, der Jazz im Krankenhaus besucht hat? Und natürlich was mit Jazz jetzt weiter passieren wird.
Wünsche dir einen schönen Advent.
Von:  bella230109
2016-12-04T12:34:10+00:00 04.12.2016 13:34
Bei aller liebe aber so ne mam braucht keiner die nicht für ihr Kind da ist gerade in so einer Situation ihr Sohn Werke beinahe drauf gegangen und sie lugt noch dreist die Polizei an um ihren man zu schützen versteht einer die Menschen aber er hat ja wenigsten Menschen die ihm lieben Freunde Schwester und Jack dem man denn er liebt und der jeden Tag da war wenn das nicht liebe ist


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