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Verborgen in Stille

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Hinter verschlossenen Türen

Jack rief Adam an und schnell fanden sie sich auf dem Parkplatz. Didi lief zu Jack und kläffte ihn aufgeregt an. Er beugte sich zu seinem Hund hinunter und streichelte den quirligen Vierbeiner. Mein Blick glitt zu Adam der mich fröhlich begrüßte. Erneut trug Adam diese roten, auffallenden Lederhandschuhe. Ob er den Fleck an meinem Auge bemerkte, wusste ich nicht. Er wirkte gelassen und fröhlich. Er redete kurz mit Jack auf Russisch. Sie beide sahen hinunter zu Didi, welcher nun meine Aufmerksamkeit verlangte.

Vermutlich sprachen sie darüber, wie sich der Welpe in der Stadt machte. Ich streichelte den Hund und spürte die Freude in mir, als ich den kleinen Welpen sah. Didi war schon ein toller Hund! Ich schmunzelte belustigt. Jack nahm Adam die Leine ab und drückte sie mir in die Hand. Er lächelte mich kurz, fast fürsorglich an. Doch so schnell, wie der Blick gekommen war, verschwand er wieder. „Wie lange bleibt Adam“ fragte ich Jack, als wir weitergingen. Der Regen hatte noch nicht wirklich nachgelassen, doch keinen der beiden Männer schien es zu stören.

„Nicht so lange, nur bis Donnerstag oder Freitag, dann muss er weiter“, meinte Jack und als ich nachfragte, wohin er dann gehe, schaute mich Jack verschwörerisch an. „Kann ich dir nicht sagen, Kleiner.“ War sein Kommentar. Ich verdrehte genervt die Augen. Immer diese ganzen Geheimnisse… und immer dieses beschissene ‚Kleiner‘. Wir setzten uns in ein Café und Adam versuchte mir zu erklären, weswegen das Russische essen nicht so gut schmeckte, wie das Amerikanische. Doch genau verstand ich ihn nicht. Doch seine lockere und freundliche Art half mir auf andere Gedanken zu kommen.

„Essen immer hässlich in Russland. Hier schön“, sagte er und deutete auf ein großes Stück Kuchen vor sich. Immer wieder konnte ich von meinem Platz aus sehen, wie Adam dem Hund heimlich Essen gab. Jack schien es wirklich nicht zu bemerken. Ich musste darüber leicht grinsen.

Später fuhren wir gemeinsam nach Hause. Ich saß hinten bei Didi und kuschelte mit dem Welpen. Die Beiden vorne schwiegen. Wie konnten sie nur so lange schweigen, dachte ich fast schon genervt. Als wir bei Jack waren und ausstiegen, sah ich gerade, wie meine Mutter aus ihrem Kleinwagen stieg. Sie sah mich fast schon erschrocken an, als ich bei Jack ausstieg. Ich versuchte ihr zuzulächeln, doch spürte ich, wie hölzern sich mein Gesicht anfühlte. Unsere Blicke trafen sich kurz, doch ohne ein Wort wandte sich meine Mutter ab und ging Richtung Haus.

„Ist Mütterchen?“, fragte Adam in gebrochenem Englisch. Ich nickte, worauf Adam meiner Mutter zuwinkte und „Hallo Mütterchen Jazz“ rief. Meine Mutter drehte sich um und schaute Adam etwas entsetzt an. Sie hob die Hand und winkte zögerlich zurück, eher sie den Kopf schüttelte und im Haus verschwand. Ich musste tatsächlich darüber lachen.

„Ich sollte mal rüber“, sagte ich zu Jack, der meiner Mutter stumm zugenickt hatte, doch seine Geste ignorierte sie. „Mach das“, meinte er zu mir. „Wenn was ist, weißt du Bescheid“, sagte Jack. Ich nickte leicht, während ich an den Schlüssel dachte und ich ging zu meiner Mutter hinüber. Sie sagte nichts als wir uns kurz in die Augen sahen. Schnell ging sie rein, sprach nicht wirklich mit mir und sah mich nicht an. Hilflos sah ich ihr nach, dass sie sich von mir entfernte, verstand ich nicht. Habe ich ihr doch nie etwas getan. Es war Vaters Regel die ich brach, nicht zu Jack zu gehen, nicht die meiner Mutter. Sie hatte ihn doch ein wenig kennen gelernt und festgestellt, dass er nicht schlimm war. Ihr schweigen war gerade schlimmer als die Wut meines Vaters. Verlassen stand ich in unserem Flur und hörte, wie Mutter die Taschen auspackte. Unschlüssig stand ich da, wartete, dass sie mit mir sprach, dass sie fragte wie die Schule war, wieso ich bei Jack war doch nichts dergleichen passierte. Sie meckerte nicht mal deswegen. Ich trat zu ihr in die Küche, doch erneut wandte sie ihren Blick schnell von mir ab, als sie mir kurz ins Gesicht sah. Was war hier los? War es wegen der kleinen unscheinbaren Verletzung die ich hatte?

Unsicher ging ich einige Schritte die Treppe hinauf. Ich ging langsam. Ich wollte, dass meine Mutter mich aufhielt und endlich das Schweigen brach. Doch nichts passierte. Als sie mich nicht aufhielt, ging ich schnell nach oben und verschloss meine Zimmertür. Wieso redete sie denn jetzt nicht mehr mit mir? Ich verstand es nicht. War sie sauer, weil ich bei Jack war? Sollte ich sie darauf ansprechen? Ich starrte meine Zimmertür an und wusste nicht, wie es weiter ging. Ich konnte das Verhalten meiner Mutter nicht entschlüsseln.

 

Die nächsten Tage gehörten zu den seltsamsten in meinem Leben. Sowohl Mutter und Vater gingen mir aus dem Weg. Mutter sprach beim Essen kaum noch mit mir und mit meinem Vater wollte ich nicht viel reden. Ich hatte das Gefühl, das zwischen uns etwas zerbrochen war. Immer wieder wurde er laut und schrie rum. Als schien er jetzt, wo er mich das erste Mal geschlagen hatte, eine Hürde überwunden zu haben, welche ihn vorher in Schach gehalten hatte. Das ein oder andere Glas war am Boden unserer Küche zu Bruch gegangen. Schuld waren immer ich oder Mutter. Also blieb ich häufig lange weg. War viel mit Eric auf dem Baseballplatz. Er wollte wissen was geschehen war, doch ich habe das Versprechen meiner Mutter nicht gebrochen. Ich wusste, dass Eric es nur gut meinte, doch konnte ich es ihm nicht sagen. Auch er bemerkte den blauen Fleck an meinem Auge. Ich war mir sicher, dass er sich denken konnte woher er kam. Zu meinem Erstaunen kam Eric erst am zweiten Tag auf mich zu, als er vorsichtig nachfragte: „ Hey Jazz. Woher kommt denn der Fleck wirklich?“ Ich seufzte schwer. Zu gerne hätte ich ihm erzählt was passiert war. Doch ich blieb bei meiner Version: „Ist nur ein Karateunfall.“ Ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. Doch Eric nickte und meinte, es sei schon okay und ich solle einfach kommen, wenn ich reden wolle. Auch mit Jenny telefonierte ich, doch immer noch war ich an das Versprechen meiner Mutter gebunden. Seit sie sich von mir entfernte, lastete das Geheimnis immer schwerer auf meinen Schultern. 

Jack wollte ich auch nicht stören, auch wenn es ihn sicher nicht gestört hätte. Doch da er die Woche über noch Besuch hatte, wollte ich nicht nerven. Auch wenn es mich wahnsinnig machte nicht zu wissen, was die Beiden den ganzen Tag lang machten! Häufig sah ich sie zusammen wegfahren und erst später am Abend kamen sie wieder. Gott! Ich war so eifersüchtig!

Da mir nichts anderes übrig blieb, stürzte ich mich in den Sport. Wenn ich viel trainierte und abends erschöpft war, schaffte ich es besser einzuschlafen.

Am Freitagabend hatten wir ein Baseballspiel gegen eine andere High School und nur mit Mühe und Not schafften wir es zu gewinnen. Weder meine Mutter noch mein Vater waren zu dem Spiel gekommen. Obwohl sie wussten, dass ein Talentscout  dem Spiel beiwohnte. Ich war erleichtert, dass wir im letzten Augenblick das Ruder drehen konnten. Eigentlich feierten wir nach einem solchen Sieg als Team. Doch dieses Mal war mir nicht nach feiern. Erics Eltern brachten mich nach Hause. Ich hatte ihnen gesagt, mir ginge es nicht gut. Es war nicht mal gelogen. Niemand war da, als ich das Haus betrat. Das Haus wirkte verlassen und kalt. Im Kühlschrank war Essen für mich, welches ich alleine am Kuchentisch aß, nach dem ich es aufgewärmt hatte.

Ich schaffte nicht mal die Hälfte von dem Essen und schmiss den Rest weg, mir wurde fast schon schlecht. Ich ging durch unser verlassenes Haus und fühlte mich tatsächlich unwohl. Ein stechender Schmerz zog von meiner Brust aus durch meinen Körper.

Ich blickte auf die Familienwand, die eine scheinbar heile und große Familie zeigte, doch war es eigentlich nur Schein und wenig Sein. Der Vater wurde zum Tyrannen, mein Bruder, der nicht mehr zur Familie gehörte, weil er Mist gebaut hatte und eine Mutter, die nicht da war, wenn man sie brauchte. Ob es ihr überhaupt bewusst war? Denkt sie vielleicht, dass ich erwachsen genug bin um alleine zu kämpfen? Bin ich vielleicht einfach nur schwach?

Zum Fernseher herüberschauend wusste ich nicht, ob er mich ablenken würde. Ich ließ die Schultern hängen. Auch stumpfsinniges Fernsehen könnte mich zurzeit nicht ablenken. Ich fragte mich, ob mein Bruder deswegen angefangen hatte Drogen zu nehmen. War Dad damals schon so? Hatte Jackson deswegen damit angefangen? Ich wollte meine Einsamkeit betäuben, wollte abgelenkt werden.

Jack kam mir in den Sinn. Und wenn Adam da war, dann war er eben da.

 

Und so ging ich einfach hinüber zu Jack und klopfte. Niemand öffnete. Zögerlich holte ich den Schlüssel hervor, den Jack mir am Anfang der Woche gegeben hatte. Sollte ich einfach rein? Ich blickte mich um zu der Garage und sah, dass sie verschlossen war. Vermutlich war er wirklich weg. Vielleicht brachte er seinen Freund ja auch weg.

Sollte ich einfach sein Haus betreten? Obwohl er es mir angeboten hatte, fand ich es komisch einfach so in ein fremdes Haus zu gehen. Ich schaute hinüber zu meinem Zuhause, welches sich derzeit einfach nur kalt und unliebevoll anfühlte. Nicht mehr wie mein Zuhause. So nahm ich einfach den Schlüssel und öffnete Jacks Tür. Es war dunkel und erneut kam kein Hund auf mich zu gerannt. Auch hier war dieses stechende Gefühl in meiner Brust.

Ich schaltete das Licht ein und hängte meine Jacke auf. Es war ein seltsames Gefühl sich in diesem Haus aufzuhalten, ohne dass Jack da war. Meine Augen glitten hinüber zu der Couch und ich sah, dass auf dieser Bettdecken und ein Kissen lagen. Erleichtert seufzte ich auf. Hatte ich doch Sorge gehabt, dass Jack womöglich etwas mit Adam hatte. Hatte er mir doch von einem Freund berichtet, mit dem er häufiger intim gewesen war. Ich ging hinüber zum Schlafzimmer. Jack hatte das Bett nicht gemacht. Etwas, was mich schmunzeln ließ. Die Sehnsucht nach ihm quälte mich fast schon. Doch war es die Sehnsucht nach diesem Mann oder vielleicht einfach die Sehnsucht nach Geborgenheit? Ich schüttelte den Kopf, das klang viel zu schwul für meinen Geschmack. Ich setzte mich kurz auf Jacks Bettseite und merkte, wie ich mich langsam in diesem Haus entspannte. Alles roch nach ihm, und nach den Zigarren, die er rauchte. Das alles hier war er. Ja, ich liebte diesen Mann, dachte ich und verließ langsam sein Schlafzimmer. Ich kam mir vor wie ein Stalker, als ich mich umschaute.

Genau in dem Moment, wo ich mich entschieden hatte zu gehen, fiel mein Blick auf die unscheinbare Holztür. Hinter dieser Tür war ich noch nie, doch war ich neugierig, was dahinter verborgen war. Ich sollte dort nicht hineinsehen, es war sicher privat…

Doch bevor ich über das für und wider zu lange nachdenken konnte, legte sich meine Hand auf die Türklinke und drückte sie hinunter. Lautlos ging die Tür auf und zögernd betrat ich das mir unbekannte Zimmer.

Es war unscheinbar. Ein Arbeitszimmer. Ein Schreibtisch stand dort mit einem Computer. Offene Regale waren an der Wand entlang aufgestellt. Kisten waren dort drinnen sowie Ordner. Papiere unterschiedlicher Größe lagen auf dem Schreibtisch verteilt. Ich durfte hier nicht sein, dies war mir sofort bewusst. Ich schaute auf den Schreibtisch, offene Akten lagen dort. Tabellen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Ich sah in die Regale. Ich erkannte die Holzschatulle mit den Orden, die für Jack nur Schrott waren. Ich sah die Kiste mit den Bildern, doch an diese wagte ich nicht ranzugehen. Dann schaute ich weiter und erspähte graue Akten in einem Regal. Jede einzelne beschriftet. Mir stockte der Atem als ich den Namen Coleman las. So hieß einer unserer Nachbarn. Als ich die Akte aufschlug, sah ich die Bilder, wie sie in Pässen zu sehen waren von dem älteren Ehepaar. Ein Zettel war darauf gepinnt auf dem „Irrelevant“ geschrieben war. Ich stutzte, blätterte etwas um. Da war ein Führungszeugnis von Mr. Coleman, darin waren keine Eintragungen, ein Lebenslauf fand sich auf der anderen Seite, sowie seinen Rentenbescheid. Ich klappte die Akte zu, war verwirrt und schüttelte den Kopf.

Ich mache mich schlau, in welche Nachbarschaft ich ziehe, diesen Satz hatte Jack einst Dad gesagt, als sie sich das erste Mal begegnet sind. Aber das konnte doch nicht sein… Ich hatte diesem Satz nicht solch eine Bedeutung zugeschrieben. Das war absolut paranoid und gestört.

Ich schlug die Akte zu und schaute auf den Namen einer weiteren Akte. Malone, Stone, Wayne, alles Namen aus unserer Nachbarschaft. Einige Akten waren äußerst dick. Ich öffnete die der Stones, eine sehr dicke Akte, und ein Postet war daran gepinnt auf dem „Relevant“ geschrieben war. Verwirrt sah ich den Zettel an. Die Stones waren immer sehr nett und freundlich. Hilfsbereite Menschen, die regelmäßig mit meiner Mutter in die Kirche gingen. Ich blätterte etwas durch und sah auf einem Kontoauszug einen hohen Schuldenbetrag. Ich überflog einen Bericht der Polizei und war erstaunt als ich las, dass er wegen Körperverletzung angezeigt worden war. Wieso hatte Dad uns das denn nie gesagt?

Ich klappte den Deckel der Akte zu, wollte ich doch eigentlich nicht in Sachen wühlen, die mich nichts angingen. Doch eigentlich waren es auch Sachen, die Jack nichts angingen! Wie war er nur an diese sensiblen Daten gekommen. Was war Jack für ein Soldat? Das hier erschien mir das Büro eines Agenten zu sein…

Ich sah mich um und entdeckte eine weitere dicke Akte. Ich nahm sie zur Hand und da stand mein Name. Hale. Sie war genauso dick, wie die der Stones. Mit zitternden Fingern öffnete ich sie und der gleich Postet mit dem Wort „Relevant“ war reingeklebt worden. Auch hier waren Bilder unserer Ausweise vorne. Ich blickte in mein Gesicht und war immer entsetzter. Jack schien alles zu wissen. Woher nur, dachte ich verwirrt. Ich fand mein letztes Zeugnis auf dem ein Postet klebte „der ist echt 17“, stand darauf. Eine Auflistung meiner Waffen, die ich besaß und wie viel Munition ich hatte war ebenfalls eingeheftet worden. Woher wusste er denn sogar die genaue Munitionsmenge? In der Mappe meiner Familie waren zwei Markierungen zu sehen, die einen eigenen Abschnitt markierten.

Jackson Hale und John Hale, standen dort. Mein Bruder und Vater hatten eigene Abschnitte. Ich schluckte schwer. Meine Finger glitten dahin. Mein Puls raste und ein Rauschen war in meinem Kopf zu hören. Was für Geheimnisse hatte mein Vater? Was verbarg er vor uns?

Ich blickte mich um, als ob mich jemand beobachten könnte. Fast schon hoffte ich, dass mich etwas abhalten würde dort hineinzusehen, doch nichts passierte. Ich öffnete vorsichtig die Akte und sah ein Bild meines Vaters. Ich fand auf der nächsten Seite eine Aufzählung seiner Waffen und der Munition.

Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.

Ob da drin stand, dass mein Vater zu Gewalt neigte? Ob Jack wusste, was bei uns vorging?

Vielleicht stand dort auch drin, was mein Vater damals mit Jackson gemacht hatte.

Aber das konnte er doch nun wirklich nicht wissen, oder?

Als ich erneut weiterblättern wollte, hörte ich ein Auto die Einfahrt hinauffahren. Jacks Auto!

Ich klappte die Mappe zusammen und legte sie wieder in das Regal. So schnell ich konnte verließ ich das Büro und schloss die Tür hinter mir. Ich sah hinaus aus dem Fenster und stellte fest, dass Jack bei dem schlechten Wetter seinen Wagen in die Garage setzte.

Ich sah mich um und ging zügig hinüber zu der Couch, nahm die Fernbedienung und schaltete das Gerät an. Die Schlafsachen von Adam schmiss ich einfach von der Couch. Nur wenige Augenblicke später hörte ich Jacks schwere Schritte, die sich auf die Haustür zu bewegten. Ich hoffte ich bekam keinen Ärger, doch eigentlich hatte er mir ja auch den Schlüssel anvertraut.

Ich drehte mich zu dem Mann um, als er durch die Tür kam und noch bevor er fragen konnte, rief ich ihm schon zu: „Hey Jack, ich bin es nur.“ Didi kam zu mir gelaufen und freute sich sichtlich, dass ich wieder da war. Er schaffte es endlich auf die Couch zu springen und versuchte mir durch das Gesicht zu lecken. Er war um einige Zentimeter gewachsen.

Jack kam zu mir, sein Haar war vom Regen nass und er blickte mich skeptisch an. Sein Blick glitt über mein Gesicht, als suche er nach neuen Verletzungen. Was war das nur für ein Mann, dachte ich mir als ich ihn stumm musterte.

„Wieso bist du hier“, fragte Jack mich und setzte sich zögerlich neben mich. Ich war verunsichert, denn eigentlich war nichts passiert bei mir Zuhause. Niemand war da, es war nur der übliche Wahnsinn, der langsam zur Normalität wurde. Ich dachte an meine Eltern, die mich beide behandelten wie Luft oder mich anschrien. Ich wusste nicht, was Jack alles wusste. Ich durfte doch auch nicht sprechen, aber ich wollte es so sehr… Die Empfindungen, welche ich vergessen konnte, als ich in Jacks Arbeitszimmer war, prasselten ungehindert auf mich ein. Die unterdrücken Gefühle schnürten mir die Kehle zu.

„Haben heute ein Baseballspiel gewonnen“, begann ich zu berichten. Eigentlich war ich immer stolz wenn wir gewannen, doch heute fühlte sich der Sieg nicht nach einem Sieg an. Auch Jack runzelte die Stirn, als habe er mit mehr Enthusiasmus bei solch einer Aussage gerechnet. „Das ist doch gut“, meinte er, doch ernst war sein Blick. Ich nickte wage. „Feiert man einen Sieg nicht“, fragte er nach einem kurzen Augenblick.

„Eigentlich… Mir war nicht nach Feiern und ja…“

„Weswegen bist du hier, Jasper“, fragte Jack mich direkt und sah mir forsch in die Augen. Ich schaffte es nicht diesem intensiven Blick standzuhalten. Diese Isolation Zuhause zerrte an meinen Nerven. Ich begann zu zittern und brüchig wurde die Mauer, die ich versucht habe aufzubauen. Verwundert betrachtete Jack meine Reaktion, schien er mit so etwas nicht gerechnet zu haben. Er legte seine Arme um meinen Körper und zog mich zu sich. Das erste Mal seit langem wurde ich umarmt. Er drückte mich schützend an sich und tatsächlich brach etwas aus mir heraus, als ich endlich wieder einen Halt spürte. Ich kam mir so schwach vor. Etwas, was ich gar nicht mochte, wollte ich doch nie schwach sein!

Leise schluchzte ich, konnte es nicht mehr unterdrücken. Wie sehr ich diesen Halt gerade brauchte, überwältigte mich selbst. Die Tränen liefen mir die Wage hinunter. Jack sagte nichts. Er tat das, was er immer machte, was er gut konnte, schweigen. Er drückte meinen bebenden Körper an sich und strich mir durch die braunen Haare.

Ich konnte nicht mehr sprechen. Zu sehr schnürten mir die Tränen die Kehle zu. Es dauerte einige Minuten bis ich mich beruhigt hatte und immer noch spürte ich ganz nah Jacks Körper an meinem. Mein Kopf ruhte an seiner Schulter und ich atmete seinen Duft ein, den ich so sehr liebte. Ich wischte mir fast schon verlegen durch mein nasses Gesicht. Es war mir peinlich. Jack hatte mich schwach erlebt, so schwach wie kaum ein Mensch je zuvor. Mir war es unangenehm und doch irgendwie auch nicht.

Ich spürte seine Hand die über meinen Rücken strich um mich zu beruhigen. Ich schloss noch ein letztes Mal die Augen bevor ich mich langsam von ihm löste und in sein Gesicht sah. Er runzelte leicht die Stirn und fragte mich nonverbal, was geschehen sei. Ich seufzte schwer und strich mir mit beiden Händen durch die Haare. Ich blickte hinab und sah, dass Didi vor mir saß. Ich lächelte als ich den Welpen sah, der ein wenig gewachsen war. Jack hatte einst gesagt, dass Tiere beruhigend auf Menschen wirken können und jetzt merkte ich, wie Recht er hatte. Ich hob den kleinen grauen Welpen auf meinen Schoß und streichelte ihn ruhig. Ich sah den kleinen Hund an, der es sich bequem auf mir machte und mit dem Schwanz wedelte, als ich leise zu sprechen begann: „Meine Mutter redet nicht mehr mit mir… Ich verstehe nicht warum. Das macht…es macht mich wahnsinnig!“ Jack nickte und ließ mich weiter sprechen. Ich zögerte doch, als ich seine große Hand auf meinem Schopf spürte, wie sie sanft durch meine Haare strich, löste sich meine Zunge wie von selbst. „Mein Vater ist gerade wirklich schlecht drauf… Er muss so viele Überstunden schieben und… ach ich weiß es gar nicht“, begann ich und es fühlte sich an wie Gift was aus meinem Körper floss, „er wird immer schlimmer. Er ist ständig geladen. Ständig… auf 180…“ Jacks Blick ließ nichts erkennen. Weder ob er bereits wusste was ich sage, noch konnte ich eine offensichtliche Wertung meiner Worte in seinem Gesicht ablesen.

„Ich weiß nicht, wie lange er es schon macht, aber… er schlägt sie“, brachte ich gemurmelt heraus. Ich war erleichtert. Endlich hatte ich es jemanden gesagt, doch schon im selben Augenblick erwachte in mir das schlechte Gewissen. Ein erneuter Blick hinein in Jacks Gesicht zeigte, dass er ernster schaute als noch vor einigen Augenblicken. Und ernst war seine Stimme, als er begann zu sprechen: „Nicht nur deine Mutter, wohl auch dich.“ Ich seufzte schwer und begann erneut zu zittern. Ich verriet meine Familie.

Doch schon augenblicklich begann ich meinen Vater fast schon zu verteidigen und wusste doch nicht warum: „Es war meine Schuld. Ich habe ihn provoziert. Er sollte nur aufhören meine Mutter zu schlagen… Sie ist so eine… liebevolle Person.“ Jack zog mich erneut eng zu sich. Gab mir einfach Halt.

„Wenn sie so lieb ist, wieso redet sie dann nicht mehr mit dir“, fragte er ruhig und erneut wertete er meine Aussagen nicht. Fast schon verzweifelt sah ich ihn an und zuckte unwissend mit den Schultern. „Ich weiß es nicht und es macht mich verrückt. Zuhause… Ich fühle mich so verdammt einsam“, sagte ich leise und ehrlich zu ihm. Ich wusste, dass er mich verstand. Jack weiß wie es ist sich einsam zu fühlen. Ich erkannte das Mitgefühl, welches er mir auch offen zeigte. Er lächelte mich fast schon traurig an. Er schien nichts sagen zu wollen, doch ich wollte auch keine Worte des Mitleides. Ich blickte Jack in sein zerfurchtes und vernarbtes Gesicht. Das er wieder da war, erfüllte mich mit einer Wärme. Ohne das ich darüber nachdachte, flogen die Worte aus meinem Mund: „Ich liebe dich, Jack.“

Für einen Moment herrschte absolute Stille zwischen uns. Jacks Auge weitete sich, als meine Worte zu ihm durchzusickern schienen. Er ließ mich los und starrte mich fast schon fassungslos an.

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Pitchermaus
2016-09-29T06:12:22+00:00 29.09.2016 08:12
Oh je, der arme Jasper. Der kommt aus dem Gefühlswirrwar ja gar nicht mehr heraus. Das ist aber auch viel mit dem er sich gerade herumschlägt. Seine Gefühlswelt hast du aber wirklich super beschrieben. Konnte mich richtig gut in ihn hineinversetzen und mitfühlen. Dass es für ihn nicht leicht ist, dass eine Mutter ihn ignoriert ist wohl verständlich. Und dass das dann zu einer merkwürdigen und vor allem unschönen Stimmung bei ihm zu Hause führt ist auch klar. Da der Vater die Schuld an dem Ganzen trägt, wird er auch eher nicht dafür sorgen, dass es wieder besser läuft. Und das Jazz Mutter nichts macht um ihren Sohn zu helfen... Ich kann mir denken, dass sie sich vielleicht schämt, sich von ihrem Mann schlagen zu lassen und dass ihr Sohn das auch noch mitbekommen hat. Und dass sie vielleicht auch einfach nicht weiß, was sie tun soll. Immerhin sollen Eltern ihre Kinder eigentlich beschützen und da hat sie, in meinen Augen, total versagt. Ihr Verhalten finde ich jedoch nicht richtig. Zum Glück hat Jazz in Eric einen guten Freund. Oft kann es ja schon ein wenig helfen, wenn man weiß, da ist jemand mit dem man sprechen könnte. Wobei ich es auch verständlich finde, dass Jazz nicht mit Eric spricht.
Adam mag ich immer mehr. Ich hoffe, er kommt bald wieder zurück. Nett, wie er Jaspers Mutter begrüßt hat. Da musste ich doch leicht schmunzeln.
Ja und dann ist da noch Jack. Da dachte ich die letzten Kapitel über endlich kommt da ein bisschen Klarheit rein und man erfährt etwas über ihn, aber jetzt.... Wieso spioniert er bitte seine Nachbarschaft aus??? Also dass Jazz da nicht einfach schreiend aus dem Haus gelaufen ist... Das wirft jetzt schon wieder viel mehr Fragen auf, als zuvor beantwortet wurden. Was macht Jack denn da? Also ich kann irgendwie verstehen, dass er als "ehemaliger" (wenn man das so sagen kann) Soldat sich darüber informiert, wo er hinzieht und was da für Menschen leben. Und es ist auch klar, dass er an ganz andere Informationen kommt als die normale Zivilbevölkerung, aber Vermerkte mit "Relevant" und "Unrelevant"??? Es wird immer spannender. Und ich immer planloser wo das hinführen soll.
Ja und dann so ein Ende und Cut. Also ehrlich. Da muss ich doch kurz meiner Empörung Luft machen. Ein überforderter Jazz mit Liebeserklärung und dann ein Jack der schweigt. Wobei ich finde, dass du Jacks Reaktion durchaus realistisch beschreibst. Gefühle schienen für ihn bisher ja nicht so einfach zu sein bzw. der Umgang mit diesen und ich könnte mir vorstellen, dass er vielleicht auch noch gar nicht genau weiß, was er für Jazz eigentlich wirklich empfindet, ob seine Gefühle über Mögen und Freundschaft hinausgehen. Auf der anderen Seite weißt ich gerade gar nicht mehr, was ich für ein Bild von Jack haben soll. Sein Unbehagen Jasper gegenüber könnte auch mit den Akten in seinem Arbeitszimmer zusammen hängen. Wobei ich nicht glauben kann, dass Jacks bisheriges Verhalten Jazz gegenüber nicht ehrlich war. Ahh, das ist alles so verwirrend. Aber ich mag Jack immer noch.
Bin jetzt auf jeden Fall gespannt wie es weiter geht. Noch mehr sogar als sonst. Und hoffe daher mal, dass auch recht bald ein neues Kapitel kommt. Kann mich nur noch einmal wiederholen: An so einer Stelle aufzuhören ;)
Von:  -Chiba-
2016-09-28T14:56:03+00:00 28.09.2016 16:56
Mich würde brennend interessieren, wieso Jack die ganzen Nachforschungen über die Nachbarn angestellt hat. Vielleicht hat er ja einen Auftrag...oder so *grübel*
Aber daüber kann ich wegen den letzten Sätzen nicht mehr nachdenken.
Daher kann ich nur eines sagen:
JACK...TU WAS!!!!!
Antwort von:  Strichi
28.09.2016 16:56
Jetzt schreibst du auch noch hier xDDDD
haha danke!!!! lol hihi
Antwort von:  -Chiba-
28.09.2016 16:58
Wenn es hilft, dass du schneller weiter schreibst, dann stalke ich dich per ENS, Mail und mit Kommentaren *lol*


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