This Great And Little Gift von Arianrhod- ([NaLu | Lucy vs. Jude]) ================================================================================ 3. Kapitel, in dem Lucys Leben endgültig auf den Kopf gestellt wird ------------------------------------------------------------------- Der kleine Ausflug hatte Lucy geholfen, sich auf andere Gedanken zu bringen. Außerdem hatte niemand etwas davon mitbekommen – zumindest niemand, der es an ihren Vater weitergegeben hatte. Sie hatte Spetto, ihr altes Kindermädchen, die jetzt als Haushälterin arbeitete, in Verdacht, zumindest etwas zu ahnen. Aber es kam kein Donnerwetter von Judes Seite, also dachte sie nicht weiter darüber nach. Dennoch hatte sie ihr zweites Problem nicht vergessen, das ihr Sorgen bereitete. Trotz aller Bemühungen war es ihr nicht gelungen, es in den Hintergrund zu schieben und so zu tun, als wäre es nicht da. Manche Probleme gingen einfach weg, wenn man sie lange genug ignorierte. Warum sich also den Kopf darüber zerbrechen? Andere Probleme allerdings … wurden schlimmer, je länger man sie ruhen ließ. Lucy betete, dass dies eines der ersten Sorte war. Aber die Woche, in der sie ihre Tage bekommen sollte, kam und ging ohne, dass etwas geschah. Sie hatte sich verrechnet, redete sie sich ein. Nächste Woche ist es soweit. Oder vielleicht hatte es auch einen anderen Grund, hin und wieder kam die Blutung irregulär, richtig? Vor allem bei Teenagern war das doch gar nicht so unüblich. Bei Lucy war das zwar höchstens Mal am Anfang vorgekommen und dementsprechend schon Jahre her, aber die Möglichkeit bestand doch immer. Sie … sie musste nur noch etwas warten… Sie sprach nicht mit Natsu darüber, auch nicht mit einem ihrer anderen Freunde, und schob ihre immer stärker werdende Unruhe auf den Hausarrest und die Tatsache, dass sie kaum aus ihren Zimmern kam. Der eine Tag, den sie am See verbracht hatte, hatte nicht viel geholfen. Er war nur eine kurze Erholungspause gewesen. Zum Glück hatte Jude ihr nicht den Reitunterricht verboten. Vielleicht lag es nur daran, dass ihre Trainerin angerufen und sich wegen des Turniers erkundigt hatte, an dem Lucy angemeldet war und das in ein paar Wochen stattfinden sollte. Damit hatte sie zumindest ein Ventil für all die überschüssige Energie. Dennoch war es für sie zu wenig Bewegung und frische Luft, wenn sie ansonsten den ganzen Tag im Klassenzimmer oder in ihrer Zimmerflucht der Heartphiliavilla eingepfercht war. Vor allem am Wochenende wurde sie unruhig und verbrachte viel Zeit im Wintergarten oder auf der Terrasse, kümmerte sich um ihre Pflanzen und malte. Darum war es kein Wunder, dass sie reizbarer war als sonst, auch wenn sie mit niemandem über ihre anderen Sorgen sprach. Gray und Erza neckten sie eh schon genug, dass sie und Natsu endlich den letzten Schritt gewagt hatten, auch wenn Gray eher ihren Freund aufzog und Erza jedes Mal selbst rot wurde, wenn sie die Sprache darauf lenkte. Allerdings ließ sie sich in wahrer Erza-Manier nicht davon stören. Außerdem war es eh falscher Alarm. Es konnte gar nichts anderes sein. Es durfte nicht anders sein. Lucy konnte sich jetzt nicht mit sowas befassen, sie musste an andere Dinge denken – die Schule, das Studium, das sie danach anfangen wollte, Natsu, ihr Vater… Warum also darüber sprechen und die Pferde scheu machen? Lucy schob den wiederkehrenden Gedanken beiseite und vergrub sich in ihre Schularbeiten. Sie fragte ein paar Lehrer nach Aufgaben für Extrapunkte, denn wenn sie schon den ganzen Tag über ihren Schulbüchern brütete, sollte es zumindest einen Nutzen haben. Außerdem kamen die Prüfungen näher und das nächste Jahr war ihr letztes. Es konnte nicht schaden, etwas mehr zu tun als üblich. Zusätzliche Schularbeiten waren allerdings trotzdem das Langweiligste und Blödeste, mit dem man sich einsame Nachmittage und Abende vertreiben konnte, auch wenn ihre Lehrer erfreut darauf reagierten. Jude lobte sie ebenfalls und schon allein dafür hatte es sich gelohnt, sich all diese Extraarbeit aufzuhalsen. Außerdem gab es ihr etwas zu tun. Es langweilte sie nun mal, auf Dauer fernzusehen oder sich auf ihrem Bett zusammenzurollen und zu lesen oder ihre Pflanzen zum hundertsten Mal darauf zu untersuchen, ob ihnen etwas fehlte. Was aber die Vor- und Nachteile der Globalisierung und deren Auswirkungen auf die fiorianische Politik nicht viel interessanter machte. Ein scharfes Klopfen an der Tür ließ sie aufschrecken. „Ja?“ Jude streckte den Kopf zur Tür herein. „Störe ich?“ Ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf seine Züge. „Oder bist du immer noch sauer auf mich?“ Lucy legte ihren Stift auf das Heft. „Nein.“ Sie warf einen kurzen Blick auf ihre bisherige Arbeit. „Ich komme eh nicht weiter im Moment. Was gibt’s?“ Judes Lächeln wurde breiter, so dass sie die Erleichterung deutlich sehen konnte, und er schob sich durch die Tür. „Heute Abend ist die Eröffnung einer Galerie, die ich unterstütze. Möchtest du mich begleiten?“ Verdutzt starrte sie ihn an, hatte sie das gerade richtig gehört? Er wollte sie mitnehmen? Hatte sie nicht Hausarrest? Oder… Sie musterte kurz sein Gesicht, genauer diesmal. Auf jemanden, der Jude nicht gut kannte, wirkte ihr Vater stets beherrscht und unnahbar, jemand der sich und seine Emotionen unter Kontrolle hatte. Aber Lucy konnte die kleinen Ausdrücke auf seinen Zügen sehen, die kleinen Ausrutscher, die sich in seine Mimik schlichen. Und er sah ehrlich so aus, als würde es ihm leidtun. Das war seine Art sich zu entschuldigen und zu sagen, dass die Strafe, die er verhängt hatte, ihm inzwischen auch zu schwer vorkam. Er würde sie niemals zurücknehmen, da er der Meinung war, dass es sich dabei um ein Zeichen von Schwäche handelte. Aber dass er jetzt so einknickte, war ein Eingeständnis dafür, dass er sich im Unrecht sah und seinen Fehler wiedergutmachen wollte, was bedeutete, dass er ihr in der nächsten Zeit mehr durchgehen lassen würde. Außerdem hatte sie von ihrer Mutter die Begeisterung für Kunst geerbt und auf solchen Veranstaltungen traf man jede Menge interessanter Leute. „Ja!“, rief sie darum aus, als sie aufsprang und ihrem Vater um den Hals fiel. „Natürlich!“ Sie küsste ihn auf die Wange und stürzte an ihm vorbei. „Wann gehen wir? Ich muss mir noch was zum Anziehen suchen!“ Jude schmunzelte. „Nachher um sechs. Sei gerichtet. Ich muss mich jetzt leider noch um ein paar geschäftliche Dinge kümmern, wir sehen uns also nachher.“ Damit verschwand er wieder und Lucy angelte sofort nach ihrem Telefon, um Natsu eine Nachricht zu schicken. OMG, ich gehe auf die Galerieeröffnung! Doch er schrieb ihr leider nicht sofort zurück, also verschwand sie in ihr Ankleidezimmer, damit sie nachher auch vorzeigbar war. Als sie ins Auto stieg, um es sich neben ihrem Vater auf den Sitzen bequem zu machen, trug sie ein nachtblaues Kleid mit schwingendem Rock und hatte sich das Haar zu einem seitlichen Chignon hochgebunden. Außerdem hatte sie die Kette abgelegt, die Natsu ihr geschenkt hatte und die wunderbar zu dem einfachen, aber eleganten Kleid passte. Kurz vor acht zog die Limousine vor die umgebaute Lagerhalle, in der die Galerie untergebracht war. Neugierig warf Lucy einen Blick auf das alte Gebäude, dessen Exterieur beinahe im Original belassen worden war. Auf diese Weise bekam es einen fabrikartigen Touch, nur noch verstärkt durch das große Schild mit den Blockbuchstaben, auf dem Ainsworth & Sons stand. Die langen Fenster, die hoch oben in den Wänden eingelassen worden waren, spiegelten das Sonnenlicht und die hohen Bäume, die die Straße säumten, warfen lange Schatten auf die Mauern. Die Lagerhalle hatte lange leer gestanden, während das Straßenbild um sie herum moderner und sauberer geworden war. Jetzt wurde die Galerie darin eröffnet, die Jude maßgeblich unterstützt hatte, nicht nur mit Geld. Natürlich konnte er der Veranstaltung nicht fern bleiben. Das große Schiebetor stand einladend offen und gab den Blick frei auf einen großen Vorraum, in dessen Mitte ein großer Drache aus Metallresten stand, der in verschiedenen Blautönen lackiert worden war. Lucy schmunzelte bei dem Anblick; sie musste Natsu unbedingt ein Bild davon schicken. Kunstgalerien waren zwar nicht so sein Ding, aber es würde ihn freuen, das Werk seines Vaters an so einem Ort zu sehen. Die Limousine kam sanft zum Stehen und kurz darauf wurde ihnen auch schon die Tür geöffnet. Jude stieg zuerst aus dem Auto und reichte ihr die Hand, um ihr beim Herausklettern zu helfen. Kühler Abendwind spielte mit ihren Haaren und sie fröstelte einen Moment. Abends war es noch kalt, obwohl die Tage so schön waren. „Lass uns reingehen.“ Jude nickte kurz dem Chauffeur zu, der bereits wieder ins Auto gestiegen war und damit auf einen Parkplatz fahren würde, bis sie heimkehren wollten. Lucy schaute sich neugierig um, ließ den Blick über ein paar Ausstellungsstücke gleiten, die im Vorraum zu sehen waren, und erkannte altbekannte Gesichter, die sie auf solchen Veranstaltungen immer wieder traf. Allerdings war niemand dabei, bei dem sie das Bedürfnis verspürte, mit ihm sprechen zu wollen. „Mr. Heartphilia!“ Die helle Stimme einer Frau riss ihre Aufmerksamkeit auf sich und kurz darauf entdeckte sie die Sprecherin auch schon, eine schlanke ältere Dame in einem eleganten Kostüm, die ihr grau durchschossenes Haar zu einem Knoten aufgesteckt hatte. Lucy erkannte sie vage als die Kuratorin, Mrs. Patterson, und erwiderte höflich die begeisterte Begrüßung. „Miss Heartphilia, wie schön, Sie auch endlich mal richtig zu treffen. Ich hoffe, die Ausstellung wird Ihnen gefallen. Wir haben keine Mühen gescheut, aber ohne Ihren Vater wäre das alles nicht möglich gewesen.“, beteuerte die Frau ihr. „Was ich bis jetzt gesehen habe, sieht toll aus.“, erklärte Lucy und blickte zu ihrem Vater hoch. „Ich schau mich mal ein wenig um, wenn das in Ordnung ist?“ „Geh nur.“, entließ Jude sie. „Ich weiß ein paar Stücke hier, die werden dir sicher gefallen.“ Sie verabschiedete sich mit einem Lächeln von den beiden, die sofort in ein geschäftliches Gespräch übergingen, und strebte auf das Gebäude zu. Ihre hochhackigen Schuhe waren unbequem, stellte sie nach ein paar Metern fest, das kam davon, wenn man sich sowas anzog, ohne sie vorher zuhause auszuprobieren. Aber da konnte sie jetzt nichts machen. Das unangenehme Gefühl verdrängend ging sie zuerst auf den Drachen zu, ein wahrhaftig großartiges Stück mit weit geöffnetem Maul und aufgerichteten Flügeln. Er war höher als sie selbst und die Schwingen waren über dem Raum ausgebreitet wie ein Baldachin. Ihre Unterseite war dunkelblau eingefärbt und mit kleinen, goldenen Punkten bemalt – wie ein Sternenhimmel. Das musste eines von Igneels besten Stücken sein, kein Wunder, dass sie ihn hier als Blickfang aufgestellt hatten. Lucy angelte ihr Handy aus der Clutch und machte ein paar Fotos, um zwei davon Natsu zu schicken – einmal der komplette Drache und einmal eine Nahaufnahme der Sternenflügel. Der reine Wahnsinn! ❤, schrieb sie dazu. Danach ging sie tiefer in die Galerie, die hell und äußerst geschmackvoll war. Bilder hingen an den strategisch aufgestellten Wänden, dazwischen waren weitere Figuren auf kleinen Podesten aufgebaut, doch keine so großartig oder aufregend wie der Drache. Oder vielleicht war Lucy auch nur etwas voreingenommen. Doch sie entdeckte tatsächlich ein paar Gemälde, die ihr außerordentlich gut gefielen, ganz wie ihr Vater versprochen hatte. Bei einem spielte sie sogar mit dem Gedanken, Jude dazu zu überreden, es zu kaufen. Es wäre eine schöne Ergänzung zu seiner bereits bestehenden Sammlung, wenn auch eine eher unbedeutende. Sie war gerade in die Betrachtung eines ziemlich kitschigen Bildes mit ein paar Pferden vertieft, dessen Komposition einiges zu wünschen übrig ließ, als sich jemand neben ihr räusperte. „Oh, Entschuldigung.“ Sie wich zur Seite, dass der Neuankömmling das Gemälde besser betrachten konnte; es gefiel ihr sowieso nicht. Doch als sie sich umdrehte, blickte sie in Makarovs freundliches Gesicht. Er war ein winziger Mann mit einem weißen Haarkranz um den ansonsten kahlen Schädel und einem ebenso weißen Schnauzer. Er trug einen einfachen, etwas altmodischen Anzug, der aber hervorragend zu ihm passte, und sein Lächeln war freundlich wie immer. Vermutlich war er eingeladen worden, weil er einige Jahre im Stadtrat gesessen hatte und in Magnolia eine beliebte und bekannte Persönlichkeit darstellte, auf dessen Wort noch immer viel gegeben wurde. Jude und er waren nie sehr gut miteinander ausgekommen, da sie einfach zu verschieden waren, doch sie behandelten sich stets mit gegenseitigem Respekt. Neben ihm stand eine junge Frau mit hüftlangem, weißem Haar, das ihr glatt über die schmalen Schultern fiel. Sie hatte große, braune Augen und aus dem Ausschnitt ihrer roten Bluse schauten die Ansätze einer Tätowierung. Außerdem hatte sie einen beachtlichen Babybauch. Durfte sie überhaupt noch arbeiten? „Guten Abend, Lucy.“, begrüßte Makarov sie und lächelte zu ihr hoch. „Ich war nicht sicher, ob ich dich heute hier treffen würde.“ Lucy zuckte mit den Schultern. „Mein Vater hatte ein Einsehen mit mir. Ich bin sehr froh drum. Hast du Igneels Drachen schon gesehen?“ Die Begeisterung darüber sprach aus ihrer Stimme. Am besten vergaß sie dieses andere Bild und bat Jude darum, dass sie eigenen Drachen in Auftrag geben durfte. Aber er würde das nie tun, das wusste sie. „Ist ja nicht zu übersehen.“, antwortete der alte Mann belustigt. „Er wird immer besser.“ Er wies mit einer kleinen Geste auf seine Begleiterin. „Das ist übrigens Haruka, einer der unermüdlichen Mitarbeiter, die das hier überhaupt möglich gemacht haben.“ Die junge Frau wurde rot und winkte ab. „S-so viel habe ich gar nicht getan und es hat mir viel Freude bereitet. Und sowieso wäre alles unmöglich ohne Ihren Vater, Miss Heartphilia. So ein großzügiger Mann!“ „Jaaaah…“, gestand Lucy. Haruka hatte nicht Unrecht – Jude hatte viele Fehler, aber geizig war er nie gewesen. Er mochte für unnötige Dinge kein Geld zum Fenster hinauswerfen, doch für Kunst und Förderung von Nachwuchstalenten in verschiedenen Bereichen hatte er immer Unterstützung übrig und jedes Jahr spendete er hunderttausende Jewel an mildtätige Zwecke. „Er hat das hier alles möglich gemacht, uns das Geld gegeben, die Kontakte besorgt und als wir Ärger mit dem Verkäufer der Lagerhalle bekamen, war es sein Eingreifen, dem wir es zu verdanken haben, dass es doch noch glatt lief.“, schwärmte Haruka und tätschelte unbewusst ihren Bauch. Lucy lächelte höflich und hielt eine spitze Bemerkung zurück. Es war wohl kaum angebracht, ihre eigene schmutzige Wäsche hierher auszuschütteln. Was zwischen Jude und ihr geschah, war letztendlich nur ihrer beider Sache. „Wie ist er auf euch aufmerksam geworden?“, erkundigte sie sich, um überhaupt etwas zu sagen. „Oder hat Mrs. Patterson ihn angesprochen?“ „Nein, sie wollte das allein wuchten. Zum Glück hat sie dann eingelenkt, sonst würden wir heute noch nicht hier stehen. Meine Mutter arbeitet für Ihren Vater und als die Sache mit dem Stipendium ins Laufen kam, kam irgendwie auch die Sprache auf die Galerie und er hat sich direkt bei Mrs. Patterson gemeldet.“ „Stipendium?“, wiederholte Lucy verwirrt. Sie kam sich ein wenig dumm vor – immerhin ging es hier um die Geschäfte ihres Vaters und sie hatte keine Ahnung, von was die Frau sprach. Vielleicht sollte sie doch mal zuhören, wenn Jude von seinem Arbeitstag erzählte, aber meistens war es ziemlich langweiliges Zeug. „Für meinen Bruder, damit er an die Uni in Crocus gehen kann.“, erklärte Haruka. „Ansonsten könnte er sich das nicht leisten.“ „Oh…“, antwortete Lucy und blickte sich unwillkürlich nach ihrem Vater um, den sie schließlich mit der Kuratorin und zwei weiteren Männern in einiger Entfernung entdeckte. Dann ließ sie den Blick über die ausgestellten Bilder schweifen. „Sie haben hier ein paar wirklich beeindruckende Stücke gefunden.“, lenkte sie die Sprache auf ein anderes Thema. „Ein paar der Bilder haben mir außerordentlich gefallen, ich überlege gerade, ob ich meinen Vater beschwatzen soll.“ „Mrs. Patterson wird Ihnen bestimmt einen guten Preis machen!“, versicherte Haruka, doch ehe sie mehr sagen konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit von einer älteren Dame in einem grauen Kostüm eingefordert, die neben einem wundervollen Stillleben stand und ihr energisch zuwinkte. Die junge Frau lächelte. „„Entschuldigt mich. Falls Sie eine Entscheidung treffen, können Sie sich gerne sofort an mich wenden.“ Lucy winkte ihr nach und sah zu, wie sie zu der Dame hinüberging. „Das Stipendium läuft übrigens über die Layla-Heartphilia-Stiftung.“, erklärte Makarov ihr plötzlich. „Was?!“, entfuhr es ihr heftiger als beabsichtigt und sie fühlte sich, als ob ihr jemand einen Schlag in den Magen versetzt hätte. Obwohl der Tod ihrer Mutter schon so lange zurücklag, nahm eine unerwartete Nennung von Layla ihr jedes Mal den Wind aus den Segeln. Der alte Mann tätschelte ihr leicht den Arm. „Du magst dich nicht daran erinnern, aber deine Mutter hat so etwas öfter gemacht – benachteiligten Leuten zu einem Studium verholfen und dafür gesorgt, dass sie es auch schaffen. In einem Interview darüber erklärte dein Vater, dass er diese Tradition mit der Stiftung fortsetzen möchte.“ „Oh…“ Erneut wanderte ihr Blick zu ihrem Vater herüber, der in ein ernstes Gespräch vertieft zu sein schien. Ein warmes Gefühl durchflutete sie. Manchmal war er gar nicht so übel. Auch wenn er Hausarrest gab, aber der würde vorbeigehen. Im Moment jedenfalls war sie mit sich und ihrem Vater im Reinen. ~~*~~❀~~*~~ Als die dritte Woche auf das Ende zuging und ihre Periode immer noch nicht einsetzte, konnte sie die Augen nicht mehr verschließen. Sie musste sicher gehen. Sie konnte nicht länger im Ungewissen bleiben. Trotzdem brauchte sie zwei weitere Tage, ehe sie sich selbst dazu überredet hatte, endlich etwas zu tun. Dann konnte es nicht schnell genug gehen. Also überredete sie ihren Chauffeur, einen freundlichen älteren Mann namens Glanville, sie erst einmal zur nächsten Drogerie zu fahren, anstatt direkt nach Hause, wie es ihm aufgetragen worden war. Jude würde es sicher nicht mitkriegen und sie bräuchte ein paar neue Blöcke, es würde ja nicht lange dauern… Glanville warf ihr einen leidenden Blick zu und ließ sich überreden, wie immer. Er ergatterte einen Parkplatz nicht weit von dem Geschäft entfernt und sie huschte hinüber, um sich an den automatischen Glastüren vorbei zu ducken. Sie eilte erst in die Schreibwarenabteilung, um sich die erwähnten Schreiblöcke zu besorgen und nahm bei dieser Gelegenheit noch ein paar der teuren Aquarellfarben mit, die es hier gab. Schließlich führten sie ihre Schritte in eine ganz andere Richtung, um das zu besorgen, wofür sie eigentlich hier war. Kurz darauf stand sie vor dem Regal, in dem sich Packungen um Packungen von Schwangerschaftstest aneinanderreihten. Sie hätte nie gedacht, dass es so viele verschiedene Arten davon gab! Und welchen zum Teufel sollte sie davon nehmen? Das machte ihr die Entscheidung nicht gerade einfacher, dabei sollte sie nicht zu viel Zeit mit Überlegen verbringen. Glanville wartete bereits auf sie und ein paar Schreibblöcke zu besorgen dauerte nun wirklich nicht so lange. Nervös blickte sie sich um und spähte über ein paar Regale zum Fenster hinüber. Von hier konnte sie gut die Limousine sehen, mit der sie hergekommen war. Der Chauffeur stand an die Tür gelehnt und blickte gerade jetzt auf seine Uhr. Vielleicht fragte er sich, wo sie wohl blieb? Sie wollte ja eigentlich nur kurz ein paar Schreibutensilien holen… Hastig wandte sie sich wieder ab und ging in die Hocke, nur zur Sicherheit, damit Glanville sie nicht sah. Das hier war eindeutig nicht die Schreibwarenabteilung. Zurück zum aktuellen Problem… Welcher von all diesen Schwangerschaftstests wäre wohl der beste? Eine ältere Dame lenkte sie ab und sie rutschte zur Seite, um sie zuzulassen. Aber die Frau nahm sich ihre Zeit und warf ihr dabei einen abschätzigen Blick zu. Lucy wurde knallrot, starrte aber wütend zurück. Was ging die alte Hexe an, was Lucy hier tat?! Die konnte doch gar nicht wissen, ob sie den Test für sich selber holte oder für ihre … ihre ältere (imaginäre) Schwester. Außerdem sah Lucy sehr erwachsen aus! Die konnte sich ihre urteilenden Blicke sonst wohin stecken! Ärgerlich griff sie einfach wahllos nach ein paar der Packungen und schaufelte sie in ihren Korb. Es konnte nicht schaden, den Test mehrmals zu machen, richtig? Vielleicht war einer davon … kaputt oder so. Bei so einer Sache konnte man nicht sicher genug gehen. Dann stand sie energisch wieder aufstand und stapfte zur Kasse hinüber. Sollte jemand fragen, würde sie einfach behaupten, ihre Schwester bräuchte die. Aber niemand fragte sie und die Kassiererin blickte sie kaum an, als sie die kleinen Boxen über den Scanner zog. Lucy zahlte hastig, stopfte noch hastiger ihre Einkäufe – allen voran die Schwangerschaftstests – in eine Tüte und raste beinahe aus dem Laden. Glanville wirkte erleichtert, als er sie kommen sah, vermutlich war er froh, endlich das machen zu können, was ihm sein Boss aufgetragen hatte. Lucy schnallte sich an und umklammerte dann so fest den Griff ihrer Tüte, als würde ihr Leben davon abhängen. Als würde sie von allein aufgehen und die Tests lustig tanzend herausspringen, wenn sie losließ. Der Gedanke war natürlich absurd, trotzdem brachte sie es nicht über sich, während der Fahrt den Griff zu lockern. Jude war nicht zuhause, als sie ankamen, was Glanville und sie gleichermaßen erleichterte. Sie verabschiedete sich von ihrem Chauffeur und eilte auf ihre Zimmer. Dort brachte sie die Tüte ins Schlafzimmer, wagte aber noch nicht, sie auszupacken. Gleich würde sicher ein Hausmädchen auftauchen und ihr das Essen bringen. Sie konnte es sich nicht erlauben, mit den Tests erwischt zu werden, also nahm sie die Farben und die Blöcke aus der Tüte und versteckte diese unter dem Bett. Solange niemand kam und putzte – geschah nur mittwochs und heute war Freitag – würden sie dort unentdeckt bleiben. Danach setzte sie sich an ihren Schreibtisch und begann mit dem Essay, das sie für die Geschichtslehrerin machen wollte. Sie unterbrach ihre Arbeit nur kurz, als das Hausmädchen mit dem Essen kam, und setzte sich danach wieder daran. Dann machte sie ihre Hausaufgaben und las zwei Kapitel in dem Buch weiter. Schließlich holte sie ihren Skizzenblock hervor und zeichnete ihr Mäppchen ab. Sie musste schon seit etwa zwei Stunden aufs Klo. Natürlich war ihr klar, dass sie die Sache vor sich herschob. Aber wenn sie es jetzt tat, gab es kein Zurück mehr. Was auch immer das Ergebnis des Tests war, es würde die Sache sehr real machen. Sie hatte … sie hatte einfach Angst. Was, wenn die Tests ihren Verdacht bestätigten? Wenn sie wirklich… Sie unterbrach den Gedanken hastig und ihr Blick irrte zu dem Bild ihrer Mutter hinüber, das auf der Kommode unweit von ihr stand, gemeinsam mit einigen anderen Fotos – ihr Vater, das Hochzeitsbild ihrer Eltern, Natsu, Natsu und sie, ihre Freunde und sie, Loke und sie als kleine Kinder, Erza mit Gray und Natsu im Schwitzkasten, ihre Mutter… Aber das Bild ihrer Mutter hatte immer den Ehrenplatz in der Mitte eingenommen, größer als die anderen und in einem schönen, antiken Rahmen. Darauf stand Layla in einem Rosengarten, umgeben von weißen und zartrosa Blüten, lachend und wunderschön. Es war nur wenige Monate vor ihrem Tod gemacht worden, damals, als sie noch nicht zu schwach war um zu gehen. Aber nachdem sie erfahren hatte, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Trotzdem hatte sie so ohne Sorgen lachen können, befreit und losgelöst, mit funkelnden Augen und ihre gesamte Haltung drückte Freude aus. Lucy vermisste sie so sehr, dass es noch immer weh tat, tief im Inneren, dass ihr die Tränen in die Augen schossen, dass es ihr die Luft nahm. Was würde Layla ihr jetzt raten? Würde sie noch leben, müsste Lucy das nicht heimlich tun und ganz sicher auch nicht allein, weil ihre Mutter sie immer unterstützt hatte, immer für sie da gewesen war. Sie hatte ihr alles anvertrauen können. Layla hätte auch Natsu geliebt, nicht so wie Jude. Oh, warum hatte es auch sie sein müssen, die starb? Geschockt riss Lucy sich selbst aus dem Gedankengang. Wie konnte sie nur… Wie konnte sie nur so etwas denken?! Jude war, so viele Probleme sie im Moment auch miteinander hatten, ihr Vater. Sie wollte nicht wirklich, dass er starb. Sie wollte nur ihre Mutter zurück! Lucy blinzelte mehrmals heftig, holte tief Luft und warf ihren Stift weg, um energisch aufzustehen. Es hatte keinen Sinn, die Sache noch weiter aufzuschieben. Sie schaute kurz auf den Flur, um zu sehen, ob sich ihr jemand näherte (auch wenn es unsinnig war – niemand würde je ohne zu Klopfen in ihre Zimmer kommen), holte ihr Tüte unter dem Bett hervor und verschwand im Bad. Sorgfältig reihte sie alle ihre Schwangerschaftstests auf der Ablage auf. Welchen sollte sie machen? Sie packte wahllos einen aus und las sich die Beilage durch, ehe sie mit den anderen ebenso verfuhr. Dann zuckte sie mit den Schultern und nahm alle mit zur Toilette hinüber. Wenn sie sie schon hatte, konnte sie sie auch benutzen. Sie musste sie nachher sowieso alle verschwinden lassen, ohne dass jemand etwas davon mitbekam. Und so würde sie wenigstens Gewissheit haben. Ein halbe Stunde später, nachdem sie sie alle genutzt hatte und nachdem sie sich erneut Mut zugesprochen hatte, stand sie wieder am Waschbecken, den Blick krampfhaft von den kleinen Anzeigetafeln abgewandt. Eigentlich wollte sie das gar nicht wissen. Eigentlich wollte sie sie einfach alle nehmen und wegschmeißen. Eigentlich wollte sie, dass alles so blieb, wie es war. Sie starrte auf ihr Spiegelbild und erkannte sich kaum wieder – weit aufgerissene Augen, die riesig in ihrem blassen Gesicht wirkten, ihr blondes Haar unordentlich und zerzaust, ein Fleck auf ihrem T-Shirt, wo kam der denn her…? Ein Geräusch entschlüpfte ihren Lippen, etwas zwischen hysterischem Lachen und ersticktem Schluchzen und aus den Augenwinkeln konnte sie die Tests sehen, die sie auf dem Waschbecken aufgereiht hatte. Es half alles nichts. Sie hielt den Atem an, als sich endlich den kleinen Plastikstäbchen zuwandte und eines davon mit zitternden Fingern hochhielt, und stieß ihn dann mit einem unterdrückten Schluchzen wieder aus. Dumpf starrte sie die beiden unschuldigen kleinen Striche an, die sich in dem Fenster zeigten. Positiv. Lucy schloss die Augen und holte tief Luft. Sie würde jetzt nicht emotional werden. Und vielleicht war der falsch! Sie hatte im Internet gelesen, dass das möglich war. Selten nur, aber immerhin manchmal! Noch war nicht alle Hoffnung verloren… Sie blickte auf die anderen Tests, die alle unschuldig ihre Ergebnisse anzeigten. Positiv. Positiv. Positiv. Positiv. Einer konnte falsch sein. Zwei vielleicht auch. Aber fünf?! Nein, das konnte sie nicht mehr ignorieren. Reglos starrte Lucy auf die Stäbchen mit ihren zwei unschuldigen Strichen hinunter. Jetzt musste sie der Wahrheit ins Gesicht sehen und sich eingestehen, dass ihre schlimmste Befürchtung eingetreten war. Sie war schwanger. Was nun? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)