This Great And Little Gift von Arianrhod- ([NaLu | Lucy vs. Jude]) ================================================================================ 2. Kapitel, in dem Lucy das erste Mal rebelliert ------------------------------------------------ Natsu nahm die Schreckensnachricht mit dem Hausarrest, die sie ihm am nächsten Tag in der Schule mitteilte, nicht sehr gut auf. Trotzdem rang sie ihm das Versprechen ab, sie während dieser Zeit nicht zu besuchen. Das hätte ihr gerade noch gefehlt, dass Jude ihren Freund in ihrem Zimmer erwischte! Vermutlich würde er sie dann auf der Stelle in dieses Mädcheninternat verfrachten. Statt sie direkt zu besuchen, schickte Natsu ihr ständig Nachrichten; selbst über den kleinsten Schwachsinn erstattete er ihr Bericht. Er sandte ihr sogar Fotos von den Motoren, an denen er gerade herumbastelte, was sie nun wirklich nicht interessierte und mit denen sie auch absolut nichts anfangen konnte. Trotzdem freute sie sich jedes Mal – es war seine Art, ihr zu zeigen, dass er an sie dachte. Hatte jemand da draußen einen niedlicheren Freund als sie? Natürlich war es auch manchmal sehr nervtötend, wenn sie in ihre Hausaufgaben oder auf ein Bild konzentriert war und ihr Smartphone pfiff plötzlich, weil sie nie vorher daran dachte, es auszuschalten. Doch es half ihr, sich von dem verräterischen Gedanken abzulenken, der immer wieder in ihr Hirn schlüpfte und sie darauf hinwies, dass nein, sie hatten natürlich kein Kondom benutzt. Ihre vom Alkohol vernebelten Gehirne hatten es offensichtlich nicht für wichtig genug befunden, den Spaß für sowas Irrelevantes wie Verhütung zu unterbrechen. Lucy nahm natürlich auch nicht die Pille, sie hatte ja noch nicht mal dran gedacht, mit Natsu zu schlafen. (Naja, dran gedacht vielleicht schon… Wer konnte es ihr verübeln?) Aber sie war noch nicht bereit dazu gewesen, das Thema überhaupt anzusprechen. An die Pille danach hatte sie bei dem Ärger über ihren Vater und den Hausarrest auch nicht gedacht. Aber es war eh nichts geschehen. Wie hoch war die Chance? Die Möglichkeit bestand ja nur an zwei, drei Tagen im Monat… Bald würde sie ihre Tage bekommen und das ganze würde sich als Fehlalarm herausstellen. Da musste sie nicht die Pferde scheu machen. Darum konzentrierte sie sich lieber auf die drängenderen Probleme und darauf, endlich eine permanente Lösung dafür zu finden, so utopisch das auch schien. Während der Zeit des Hausarrestes hatte sie sich darum vorgenommen, eine mustergültige Tochter zu sein. Vielleicht würde das ihren Vater gnädig genug stimmen, die Sache mit Natsu wieder fallen und sie einfach glücklich sein zu lassen. Sie hatte nicht vor, mit ihrem Freund Schluss zu machen, im Gegenteil, ihre gemeinsame Zeit fing, soweit es sie anging, erst an. So leicht würde sie diesen unbekümmerten, leichtfertigen, unbezwingbaren, unerschütterlichen Jungen mit dem strahlenden Lächeln und den pinken Haaren nicht mehr loslassen. Egal, was ihr Vater von ihr verlangte. Zum Glück war Jude selbst selten anwesend, da er gerade mit irgendeinem neuen Projekt zu tun hatte und sich darum ständig mit irgendwelchen Leuten traf. Zudem würde bald eine Galerie eröffnet werden, die er sponserte, was die wenige Zeit auffraß, die ihm daneben noch blieb. Selbst heute, an dem ersten Sonntag nach dem Krach, hatte er das Haus kurz nach dem gemeinsamen Frühstück verlassen, wobei er erwähnt hatte, dass er am Abend ein Essen mit der Kuratorin haben würde. Das ließ Lucy die Freiheit, ihre Tage allein zu überstehen und ihre negativen Gefühle gegenüber ihrem Vater wieder unter Kontrolle zu bringen. Langsam ebbte ihr Ärger über die unfaire Bestrafung und seine Abneigung gegenüber Natsu wieder ab, doch noch grollte sie ihm. Das mit dem Hausarrest traf sie im Moment besonders hart, vor allem an einem so schönen Tag wie heute. Draußen war der Himmel strahlend blau und die Sonne schien, als hätte sie vergessen, dass erst Mai war und noch kein Juli. Was könnte sie jetzt alles tun – ihre Freunde in der Stadt treffen, sich ihre Kamera greifen und ein paar Bilder knipsen, die sie später auf Leinwand übertragen würde, sich ihren Skizzenblock schnappen und im Park oder einem Café auf Motivsuche gehen, zum Stall rüberflitzen und einen langen Ausritt machen… All diese Möglichkeiten und sie saß hier in ihrem Zimmer und wartete darauf, dass ihr die Decke auf den Kopf fiel. Das Pfeifen ihres Handys riss sie aus den trüben Gedanken und sie fuhr zusammen, so dass sie einen dicken Strich über die Notizen zu ihrem Aufsatz machte. Für einen Moment überlegte sie, das Gerät einfach auszuschalten, ohne überhaupt auf den Absender zu sehen. Dann fiel ihr Blick auf den Bücherstapel, den sie sich für ihr Essay besorgt hatte, und auf das fast leere Blatt, über dem sie schon eine Weile brütete, ohne wirklich etwas zu schreiben. Sie hatte jetzt einfach keine Lust zu lernen, also schnappte sie sich das Handy und klickte die Nachricht an. Sie war von Natsu. wir gehen zum see, pack deine schwimmsachen. wir holen dich in fünfzehn minuten ab :D Wie immer ohne Groß- und Kleinschreibung, dafür aber mit altbekannter Unverschämtheit. Ein ungläubiges Lachen entfuhr ihr. Hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie Hausarrest hatte? Hatte er ihr nicht versprochen, sie während dieser Zeit in Ruhe zu lassen, zumindest, wenn sie Zuhause war? Und jetzt das! Nicht, dass sie nicht mitgehen wollte; das wäre die perfekte Art, diesen schönen, heißen Nachmittag zu verbringen. Aber sie musste nun mal hier in ihrem Zimmer versauern, während sie langsam verrückt wurde! Sie überlegte, was sie ihm zurückschreiben sollte, dass nicht zu garstig klang, als eine zweite Nachricht hereinkam, diesmal von Erza. Was dieser Idiot meint, ist, wenn du kannst, schleich dich raus, wir gehen schwimmen! Ansonsten sag Bescheid. ;) Wir finden schon was, womit wir dir den Nachmittag versüßen können! Lucy schnaubte und warf unwillkürlich einen schuldbewussten Blick über ihre Schulter, obwohl sie gar nichts getan hatte. Doch natürlich war außer ihr niemand in dem gemütlichen Raum mit den vielen Bücherregalen vor den Wänden, den sie als ihr Arbeitszimmer eingerichtet hatte. Sie schaute wieder auf den Screen zurück – die Aufforderung war verlockend. Endlich wieder hier rauskommen, ihre Freunde nach dieser langen Woche anderswo treffen als nur in der Schule, das erste Mal dieses Jahr schwimmen gehen und dann auch noch an einem ihrer Lieblingsorte. Am See hatten sie und Natsu sich das erste Mal geküsst, also war er natürlich etwas Besonderes für sie. Hier dagegen wurde sie langsam kirre, weil sie immer nur die gleichen Wände vor Augen hatte, und das nur wegen diesem bescheuerten, völlig unbegründeten Hausarrests, den ihr Vater ihr auferlegt hatte. Ihr Vater, der heute nicht da war, ebenso wenig wie der Großteil des Personals. Am Wochenende war stets nur ein Minimalaufgebot der Angestellten vor Ort. Ein leiser Gedanke zeigte auf, dass es ihr diese Tatsache leicht möglich machen sollte, unbemerkt an ihnen vorbeizuschlüpfen. Selbst den Wachen würde sie leicht ausweichen können, immerhin kannte sie sich hier aus. Mit wild pochendem Herzen kaute sie an ihrer Unterlippe. Sie hatte schon früher Hausarrest bekommen, aber noch nie so lang – und noch nie hatte sie daran gedacht, die ihr auferlegte Strafe einfach zu ignorieren. Meistens war sie ja auch berechtigt, sie war verständig genug, sich das jedes Mal einzugestehen. Ihr Vater war streng, kein Unmensch. Nur diesmal konnte sie ihm da einfach nicht zustimmen. Erneut blickte sie sich um, als ob Jude irgendwie ihre Gedanken lesen und plötzlich auftauchen konnte. Aber er würde auf keinen Fall vor dem Abend zurück sein, dieses Essen war ihm wichtig. Er würde es nicht einmal mitkriegen, wenn sie jetzt verschwand. Und sie hatte diese harte Strafe nicht verdient. Vielleicht eine kleine, weil sie Jude angelogen hatte. Aber vier Wochen? Ganz sicher nicht! Ich warte am üblichen Ort., schrieb sie Erza kühn zurück und sie fühlte sich wild und rebellisch, als sie nach kurzem Zögern auf den kleinen Papierflieger zum Senden drückte, auch wenn ihr Magen sich zu einem Knoten zusammenballte. Was, wenn Jude doch… Sie verdrängte diesen verräterischen Gedanken und sprang sie auf, um ein wenig kopflos durch ihre Zimmer zu rennen, während sie ihre Sachen zusammensuchte. Knapp eine halbe Stunde später stand sie am üblichen Ort, eine kleine Einbuchtung, in der man bequem anhalten konnte, direkt an der Straße, die hinter dem Heartphiliaanwesen vorbeiführte. Dort musste sie nicht lange warten, bis ihre Freunde schon in Erzas uraltem Auto vorfuhren, das nur noch lief, weil Natsu sich regelmäßig darum kümmerte. Sie hatte es allerdings mit ihrem ersten selbstverdienten Geld gekauft und war daher ungeheuer stolz darauf. Lucy lief ihnen winkend entgegen und Natsu, der hinten saß, öffnete ihr die Tür. Sie begrüßte ihn mit einem kurzen Kuss, den er begeistert erwiderte. Sie konnte sein breites Grinsen gegen ihre Lippen spüren und schenkte ihm ein verliebtes Lächeln, als sie sich wieder voneinander lösten, überwältigt von dem Glücksgefühl, das sie immer ergriff, wenn sie in seiner Nähe war. Erza, die hinter dem Lenkrad saß, warf ihr durch den Rückspiegel einen Blick zu. „Ich bin froh, dass du dich entschlossen hast, mit uns zu kommen!“, erklärte sie gewichtig, während sie das Auto startete. „Ich war mir nicht sicher, ob du den Mut aufbringst. Ich bin stolz auf dich!“ Sie war eine große, schlanke junge Frau, der man ansah, dass sie viel Sport trieb. Das lange, scharlachrote Haar hatte sie zu einem hohen Pferdeschwanz zurückgebunden und ihr Gesicht war schön und beinahe königlich zu nennen. Doch ihre braunen Augen funkelten schalkhaft und sie schenkte Lucy ein verwegenes Lächeln. Lucy ließ ihre Tasche in den Fußraum fallen und grinste verlegen. „Mir fällt zuhause die Decke auf den Kopf.“, gestand sie und schnallte sich an. „Ich weiß gar nicht, wie ich das die restlichen drei Wochen überstehen soll. Huh? Wollte Louise denn nicht mitkommen?“ Genanntes Mädchen, das in eine ihrer Parallelklassen ging, war Grays Freundin. Sie war hübsch und stets freundlich, aber Lucy fand sie trotzdem etwas langweilig und konnte nicht viel mit ihr anfangen. Doch der hochgewachsene, attraktive Junge auf dem Beifahrersitz verzog nur das Gesicht. „Ich habe sie nicht gefragt.“ Sein wildes, schwarzes Haar fiel ihm in die dunklen Augen, als er sich kurz zu ihr umdrehte. Er und Natsu waren sich im Körperbau nicht ungleich, durchtrainiert und muskulös, aber da hörten die Ähnlichkeiten auch schon auf. Zudem waren sie vom Charakter her völlig unterschiedlich – Natsu ungestüm, aufbrausend und oft genug ziemlich begriffsstutzig, Gray reserviert, kühl und ziemlich klug. Es war beinahe verwunderlich, dass die Beiden beste Freunde waren. Aber wie sagte man so schön? Gegensätze ziehen sich an. Tatsächlich waren sie seit dem Sandkasten befreundet, da ihre Väter sich ebenfalls schon ewig kannten. Da hatten sie sich fast zwangsweise zusammengerauft. Natsu schnaubte und Gray warf ihm einen bösen Blick zu. Doch der Pinkhaarige grinste nur und verdrehte die Augen in Lucys Richtung. „Bei denen kriselt es.“, erklärte er gedämpft, als ob Lucy das nicht selbst erkennen würde. Vermutlich war Gray bald wieder single. Sie beschloss, das Thema zu wechseln. Gray wirkte nicht glücklich mit der Richtung, die das Gespräch genommen hatte, und sie wollte diesen schönen Tag nicht durch einen Streit beschmutzen. „Denkt ihr, am See ist es voll?“ Erza zuckte mit den Schultern. „Vermutlich nicht – es ist zu früh im Jahr.“ Touristen waren dort sowieso nur selten anzutreffen, der See lag versteckt in einem weitläufigen Waldgebiet, das sich hinter Magnolia erstreckte, eine Art Geheimtipp selbst unter den Einheimischen. Dabei war er idyllisch, ein eigenes kleines Paradies, das nur über eine schmale Straße erreicht werden konnte. Nach einer Viertelstunde halsbrecherischer Fahrt bog Erza in einen Feldweg ein und kurz darauf parkte sie ihre Karre neben ein paar anderen Autos. Der unbefestigte, aber gut ausgetretene Pfad durch den Wald war nur kurz und bald erreichten sie den malerischen See, dessen Ufer teilweise mit hohem Schilf bewachsen war. Die glatte Wasseroberfläche glitzerte in der blendenden Sonne und es roch nach Wald und Sommer, obwohl erst Anfang Mai war. An dieser Seite des Sees war das sanft abfallende Ufer mit feinem Sand bedeckt und ging dann in eine Wiese über, die grün und saftig war und gesprenkelt mit Gänseblümchen und verblühtem Löwenzahn. In der Nähe befand sich ein Grillplatz, der von einer Gruppe Studenten bevölkert wurde, und etwas entfernt davon waren einfache Bänke und Tische aufgestellt. Lucy und ihre Freunde suchten sich einen Platz unter einer alten Kastanie, der etwas abseits von den anderen Anwesenden war, damit sie unter sich sein konnten. Lange suchen mussten sie nicht, denn wie Erza vorausgesehen hatte, waren nur vereinzelte Wagemutige wie sie hier und genossen die erste Sommersonne. „Ich geh erstmal ins Wasser!“, posaunte die Rothaarige, nachdem sie säuberlich ihr Handtuch ausgebereit und den Picknickkorb darauf abgestellt hatte. „Wer unerlaubt ans Essen geht, wird bestraft!“ Damit stand sie auch schon im Bikini da, als hätte ihre Kleidung sich einfach in die Badeklamotten verwandelt, und marschierte mit langen Schritten auf den See zu. „Was?“, rief Natsu aus und wirkte geschockt. „Aber ich habe jetzt Hunger!“ „Du hast immer Hunger.“ Gray grinste wenig mitleidig. „Jetzt musst du dich halt noch ein wenig gedulden.“ Auch er hatte seine Kleider schon abgelegt, wie schafften die das immer so schnell? Lucy nestelte noch immer an ihren Schnürsenkeln herum und Natsu hatte noch nicht mal angefangen. „Oder du riskierst ihren Zorn.“, fügte Gray noch hinzu, ehe er sich umdrehte, um Erza zu folgen, die bereits ins Wasser watete. Aber selbst Natsu musste dafür sehr verzweifelt sein, also ließ er nur enttäuscht die Schultern hängen und zog ein langes Gesicht. Niemand erregte gerne Erzas Zorn und es gab niemanden, der nicht sehr schnell lernte, warum man sich davor besser hütete. „Ich hab ein paar Kekse dabei.“, bot Lucy ihrem Freund an und kramte eine Blechdose aus ihrer Tasche, um sie ihm anzubieten. Sie hatte die Box vorhin aus der Küche gestohlen und mitgenommen; es würde schon niemandem auffallen. Sofort hellte sich sein Gesicht auf. „Du bist die Beste!“, erklärte er ihr freudestrahlend und griff zu, um sich gleich zwei davon in den Mund zu stopfen. Manchmal fragte sie sich, wo genau er seine Manieren verloren hatte. Dass sie ‚die Beste‘ war, hinderte ihn später allerdings nicht daran, sie mehrmals in das doch noch sehr kalte Wasser des Sees zu tunken, bis sie lachend und kreischend wieder an Land floh, nachdem sie genug geschwommen war. Zwei Stunden reichten völlig aus, entschied sie, und trotz des vielen Herumtobens und Schwimmens waren ihre Lippen blau und ihre Hände kribbelten fast schmerzhaft, als sie sie unter die Arme schob in dem vergeblichen Versuch, sie zu wärmen. Dabei hatte sie vorhin nicht einmal gemerkt, wie kalt das Wasser wirklich war, sowas erfasste man erst hinterher. Aber eigentlich war das auch kein Wunder, überlegte sie, so früh im Jahr. Vermutlich war noch Schmelzwasser aus den Bergen im See. Bibbernd setzte sie sich auf ihre mitgebrachte Decke und schlang ein Handtuch um sich, damit sie sich wieder wärmen konnte. Sie überlegte, ob sie ihren Bikini wechseln sollte, entschied sich aber dagegen – das Wasser mochte eiskalt sein, aber die Sonne war schon kräftig und würde sie schnell aufwärmen. Vielleicht würde sie sogar ein bisschen Farbe bekommen. Ihre drei Freunde waren nicht ganz so beeindruckt von der Kälte wie sie; Gray schien sie überhaupt nichts auszumachen. Noch tobten die drei im Wasser herum, wobei sich eine Art Schlacht entwickelt zu haben schien – Natsu und Gray gegen Erza und die Rothaarige gewann haushoch. Zumindest vermutete Lucy das, wenn sie nach der Anzahl ging, wie oft jemand unter Wasser getaucht wurde. Sie rubbelte sich kräftig ab und blickte sich eine Weile neugierig um, doch viel aufregendes zu sehen gab es nicht. Die Studenten waren inzwischen beim Grillen. Etwas entfernt hatten eine Gruppe weiterer junger Leute ein Volleyballnetz aufgebaut und spielte mit lautem Rufen und Brüllen. Eine junge Familie saß etwas abseits auf ihren Handtüchern und aß mitgebrachten Kuchen. Kurz spickte Lucy in Erzas Korb, um zu sehen, was diese alles eingepackt hatte, und das Wasser lief ihr allein bei dem Anblick im Munde zusammen. Makarov, Erzas Pflegevater, packte einfach die besten Picknickkörbe – dagegen konnte nicht mal der an der besten Kochschule des Landes ausgebildete Koch der Heartphilias anstinken. „Nicht naschen!“, ertönte die strenge Stimme der Rothaarigen plötzlich neben ihr. Lucy fuhr zusammen und blickte schuldbewusst nach oben. „Ich hab nur geschaut.“, verteidigte sie sich und hoffte, dass ihre Freundin davon überzeugt war. Ansonsten durfte sie sich auf mindestens ein weiteres Bad gefasst machen und darauf hatte sie keine Lust. Erza starrte sie für einen Moment mit gerunzelter Stirn an, dann entspannte sie sich. „Okay, dir kann ich das glauben.“ Sie warf einen Blick über die Schulter zu Natsu und Gray, die langsam an Land kamen, wobei sie versuchten, sich gegenseitig noch einmal ins Wasser zu stoßen. „Im Gegensatz zu diesen beiden Idioten.“ Erza schnappte sich ihr Handtuch, um sich abzutrocknen, und dann packten die beiden Mädchen gemeinsam den Picknickkorb aus – lauter Köstlichkeiten, die man mit den Fingern und direkt aus den Boxen essen konnte, in die sie gepackt waren. Lucy knurrte der Magen und der herrliche Duft stieg ihr verführerisch in die Nase. Das Essen brachte auch die beiden Jungs rasch zu ihnen und einen Moment später saßen sie in einvernehmlichem Schweigen auf ihren Decken und vertilgten das liebevoll eingepackte und zubereitete Essen. Makarov mochte einer der besten Anwälte der Stadt sein, aber hin und wieder dachte Lucy, dass er den Beruf verfehlt hatte. „Oh!“, erinnerte sich Natsu, nachdem Lucy vor dem Buffet bereits kapituliert hatte, und zog seine Tasche heran. Dabei ließ er das Sandwich, den er gerade verspeiste, einfach im Mund hängen. Lucy verbiss es sich, ihn darauf hinzuweisen – sie waren hier nicht in einer feinen Tischgesellschaft, sie saßen nicht einmal an einem Tisch, und sie wollte nicht die nörgelnde Freundin sein. Wenigstens nahm er das belegte Brot wieder in die Hand, ehe er weitersprach: „Mein Onkel hat mal wieder Süßigkeiten geschickt. Aus Pergrande diesmal – er ist da irgendwo in einem Kaff am Arsch der Welt.“ „Ist in Pergrande nicht gerade Bürgerkrieg?“, wollte Erza mit gerunzelter Stirn wissen, während sie ihr eigenes Sandwich sinken ließ. Natsu zuckte wenig besorgt mit den Schultern, während Gray erklärte: „Momentan herrscht Waffenstillstand, weswegen ausländische Helfer reindürfen.“ Weiter kam er nicht, denn Natsu zog nach langer Suche eine einfache Pappschachtel mit Pralinen aus seiner Tasche und riss sie auf. „Anscheinend eine Delikatesse dort.“, erklärte er grinsend und bot ihnen die Box mit den kleinen Schokoladen an. Erza schlug ihm auf den Hinterkopf. „Das sind Aktupralinen!“, zischte sie. „Das ist mehr als nur eine Delikatesse, du Kunstbanause!“ „Au! Du musst ja nicht immer gleich so hauen!“, beschwerte sich Natsu und rieb sich den Kopf. Doch sie kümmerte sich gar nicht mehr darum, sondern machte sich mit einem begeisterten Laut über die Süßigkeiten her. „Lass mich raten, da sind Erdbeeren drin?“, grinste Gray und nahm sich ebenfalls eine. Vermutlich konnten sie froh sein, dass Erza sie nicht alle für sich beanspruchte. Aber unfair war sie nie, darum war es eigentlich nicht so verwunderlich. Lucy angelte sich selbst eine Praline aus der Packung (eine oder zwei hatten noch Platz!) und schob sie sich in den Mund. Zwar waren sie für sie nichts so Besonderes wie für ihre Freunde, aber deswegen waren sie noch lange nicht schlecht. „Man.“, murrte Natsu und verzog übertrieben wehleidig das Gesicht. „Dass die immer so fest zuschlagen muss.“ „Soll ich es wieder heile küssen?“, wollte Lucy belustigt wissen. Sofort drehte er sich ihr zu. „Klar! Da.“ Er deutete auf die Stelle und zuvorkommend beugte sie sich vor und hauchte einen Kuss darauf. „Wenn ich’s mir recht überlege, hier tut auch was weh.“, bemerkte Natsu und deutete auf seine Stirn. Grinsend küsste sie ihn auch dorthin. „Noch etwas?“ Statt einer Antwort presste er ihr die Lippen auf den Mund und zog sie an sich. Lucy folgte ihm willig und rutschte auf seinen Schoss, um die Arme um seinen Nacken zu schlingen und den Kuss zu erwidern. Seit sie Sex gehabt hatten, schienen solche Zärtlichkeiten leichter zu kommen, selbstverständlicher, selbst in der Öffentlichkeit wie jetzt. Als wären auch die letzten Grenzen gefallen. Sie seufzte leise, glücklich und zufrieden, und presste sich enger an ihren Freund. „Nein, Gray, was soll das!“, hörte sie Erza am Rande schimpfen. „Ich will noch… Oh.“ Aber dann strich Natsus Zunge über ihre Lippen und schlüpfte dann durch den Spalt, den sie für ihn öffnete und sie fuhr mit den Händen in seine nassen Haare. Der Kuss wurde tiefer und inniger und die Welt um sie herum verschwand einfach. Das einzige, was jetzt noch zählte, war Natsu, seine Lippen auf ihren, seine Hände, die über ihren Rücken strichen, sein Herz, das ihm Gleichklang mit ihrem schlug. Sie wünschte wirklich, sie hätte keinen Hausarrest, sondern könnte die Nacht bei ihm verbringen. Ein andermal, tröstete sie sich beiläufig, sie hatten alle Zeit der Welt, ihre ganze Zukunft lag noch vor ihnen, nur für sie beide. Als sie sich endlich wieder voneinander lösten, atmeten sie schwer und Lucy brauchte einen Moment um sich daran zu erinnern, wo sie sich befanden. Sie spürte, wie sie errötete, als ihre Wangen heiß wurden, und rutschte dann von ihm herunter. Das war kein Kuss für die Öffentlichkeit gewesen, sondern einer, der nur zwei Menschen gehören sollte, nur ihnen beiden. Ein Kuss für das Schlafzimmer und die vertrauliche Zweisamkeit. Ein Kuss, der zu mehr führte. Aber das konnten sie hier sicher nicht machen. Natsu presste ihr noch einmal die Lippen auf die Schläfe und erklärte: „Mein Onkel hat noch was anderes mitgeschickt.“ Er musste eine Weile in seiner Tasche herumkramen und runzelte verwirrt die Stirn, wobei er etwas wie „ich hab es doch eingepackt“ murmelte. Es würde zu ihm passen, dass er ihr etwas zeigen wollte, und es dann vergaß. „Haha!“, rief er dann triumphierend aus und hielt eine flache, hölzerne Schachtel in die Höhe. Er drehte sich mit einem breiten Grinsen zu ihr um und streckte sie ihr entgegen. „Hier. Das ist für dich.“ „Ein Geschenk?“, wollte sie verwirrt wissen und runzelte die Stirn. „Aber warum?“ War etwas Besonderes passiert? Oder ein bestimmter Tag für sie beide? Aber eigentlich war es immer Natsu, der einen Jahrestag verpennte, nicht sie. „Warum nicht?“ Er zuckte unbekümmert mit den Schultern und drückte ihr die Box in die Hände. „Mein Onkel schickt uns lauter Kram, von wo auch immer er gerade ist, und das da können wir nicht gebrauchen. Pa meinte, ich soll es dir geben. Jetzt mach schon auf. Es gefällt dir bestimmt!“ Er grinste erwartungsvoll und sie beugte sich mit einem Lächeln über die kleine Kiste, um das einfache Schloss aufspringen zu lassen. Natsus Worte klangen zwar nachlässig und achtlos, als ob es ihn gar nicht interessierte, wohin dieses Geschenk ging oder ob es ihr gefiel. Als würde er es ihr nur geben, weil ihm nichts Besseres dafür einfiel. Aber sie kannte ihn zu gut, um zu wissen, dass dem nicht so war. In der kleinen Kiste lag eine dreireihige Kette aus bemalten Holzperlen in verschiedenen Blautönen, in die winzige Symbole eingeritzt waren. Ein silberner Anhänger in Form einer fein gearbeiteten Feder hing an der längsten Kettenreihe. „Oh. Die ist ja schön!“, rief sie aus und nahm sie aus der Kiste, um sie hochzuheben. Tatsächlich wusste sie, worum es sich dabei handelte. „Das ist eine traditionelle Kette von den Eghed. Das ist der Volksstamm, der ganz im Osten von Pergrande lebt.“ „Kann sein.“, antwortete Natsu, den die Herkunft nicht zu kümmern schien. „Gefällt sie dir?“ Das interessierte ihn viel mehr. „Ja, sehr.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf den Mundwinkel. „Danke.“ Er strahlte und Lucy packte die Kette vorsichtig wieder weg – sie wollte sie jetzt nicht tragen, was, wenn sie nass wurde? Beinahe wie auf Kommando kamen Erza und Gray zurück, beide wieder nass. „Wir sollten zurückgehen. Sonst können wir Lucy nicht mehr rechtzeitig abliefern.“, erklärte Erza und stemmte die Hände in die Hüften. Mit einem Blick auf die Uhr sprang Lucy auf. Ihre Freundin hatte Recht – ihr Vater hatte zwar gesagt, er würde erst spät nach Hause kommen, aber sie wollte lieber kein Risiko eingehen! „Nächstes Mal solltet ihr euch wirklich ein Zimmer nehmen.“, beschwerte Gray sich, als sie sich auf dem Weg zurück zum Auto machten. „Es waren Kinder anwesend!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)