Sklave der Wüste von mrs_ianto ================================================================================ Kapitel 76: Ein primitives Vehikel ---------------------------------- Hallo zusammen,   es geht weiter und ja, Seto wird sich wohl noch so manches mal wünschen, dass er auf ein Auto zurückgreifen könnte.   Ich habe mich sehr über eure Kommentare gefreut und wünsche euch jetzt viel Spass beim neuen Kapitel.     ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------       Ein primitives Vehikel   Entgeistert sieht Seto zu Shimon, als sie aus dem Haus treten und keine Kutsche auf sie wartet. »Moment! Du hast das beim Frühstück ernst gemeint, dass wir zu diesem … diesem … Postkutschenhof laufen werden?« Mit jedem Wort wird er lauter, sodass sich der alte Mann demonstrativ das Ohr reibt. »Ich bin nicht taub und ja, ich habe jedes Wort ernst gemeint, als ich euch die Botschaft von Arthur überbracht habe, weil ihr ja nicht mit uns unten im Esszimmer essen wolltet.« »Es war eisig kalt im Zimmer. Da hätte ich mir ja den Tod geholt, wenn ich zu euch runtergekommen wäre.« Grimmig sieht Seto zu Hopkins, der ein paar Schritte vor ihnen läuft und dabei eine Reisetasche trägt. »Und das soll Luxus sein! Warum nimmt er seine Sklaven nicht mit? Er hat ja genug und Pferde hat er auch! Warum nutzt er die nicht?« Tief seufzt Shimon auf. »Im Esszimmer war es herrlich warm und so kalt war es in den Schlafzimmern auch nicht. Die Angestellten haben die Kaminfeuer die ganze Nacht über nicht ausgehen lassen und das nur wegen uns.« Auf den Rest der Tirade seines Schützlings geht Shimon gar nicht erst ein. Er kennt ihn inzwischen lange genug, um genau zu wissen, dass es sowieso nichts bringen würde, ihm zu erklären, dass bei dem Wetter die Pferde nur mit speziellen Hufeisen auf die Strasse sollten und dass die Tiere von Hopkins diesen Beschlag eben nicht haben, da hier in Edo die Winter eigentlich nicht so hart sind. Abschätzig schnaubt Seto, während er fröstelnd den Umhang enger um sich schlingt. »Natürlich. Im Schlaf sollen wir erfrieren, um dann beim Frühstück wieder aufzutauen. Ausserdem ist es eine Zumutung, dass wir unser Gepäck selbst tragen müssen. Jetzt, da ihnen bekannt ist, wer ich bin, hätten sie vor mir auf dem Boden kriechen und mir jeden Wunsch von den Augen ablesen müssen!« Nun doch genervt, verdreht Shimon die Augen. »Sie haben sich genau richtig verhalten. Denkt dran, wir sind immer noch inkognito unterwegs. Also stellt euch nicht so an. Es ist noch niemand daran gestorben, eine Stunde lang zu einem sogenannten Postkutschenhof zu laufen. Ausserdem haben wir nicht so viel Gepäck dabei, dass wir es nicht selbst tragen könnten.« Wieder schnaubt Seto und stapft besonders heftig in einen kleinen Schneehaufen, der vor ihm auf dem Gehweg liegt und verzieht dann das Gesicht, als er spürt, wie eiskaltes Wasser in seinen Schuh läuft. »Wir hätten vorher wissen müssen, was hier für ein Klima herrscht«, murrt er vor sich hin. »Nicht mal Arthur hat es gewusst, dass es dieses Jahr so extrem ist. Denkt dran, das einfache Volk hat nicht die Möglichkeit einfach mal kurz irgendjemanden anzurufen und zu fragen, wie es wettertechnisch aussieht.« Ernst sieht Shimon seinen Schützling an und hebt die Hand, als dieser etwas erwidern möchte. »Ich weiss. Wie primitiv. Wie zurückgeblieben und so weiter. Nur bedenkt, dass ihr Herrscher dafür sorgt, dass sich das Volk auf diesem Niveau hält.« Wieder schnaubt Seto, sagt jetzt aber nichts mehr. Immer noch vor sich hin murrend, geht er neben seinem Mentor her. Noch immer ist er der Meinung, dass sie es übertreiben. Denn schliesslich ist es eindeutig, dass sich dieser Hopkins irrt. Schliesslich hatte er mit eigenen Augen das Flugzeugwrack gesehen und so einen Absturz kann niemand überleben. Das ist einfach unmöglich! Nur nebenbei bemerkt er, wie sich die Umgebung langsam verändert. Wohnhäuser weichen immer mehr Lagerhäusern und Stallungen. Sogar einige Hufschmiede sind in dieser Strasse zu finden und mehrere Wagner. Obwohl sich hier alles zu konzentrieren scheint, ist der Konkurrenzkampf nur gering. Auch jetzt ist überall das Hämmern und Schleifen aus den diversen Werkstätten zu hören, als sie an den Gebäuden vorbeigehen. Innerlich wird Arthur immer angespannter, je näher sie dem Postkutschenhof kommen. Er hat wenig Lust auf die Laune des Prinzen, die sich seit gestern nur noch mehr verschlechtert zu haben scheint. Das obwohl sie die Zimmer über Nacht weiter geheizt haben. Dazu noch die endlosen Diskussionen mit Maria und Rebecca, weil er sie hier in Edo zurücklässt. Schliesslich erreichen sie einen grossen, relativ neuen Stall, der Fahrten der Luxusklasse anbietet. »Yato?«, ruft Arthur in den Stall hinein, da er genau weiss, dass es der andere nicht ausstehen kann, wenn Fremde ungefragt seinen Stall betreten. Sofort kommt ein Mann in seinem Alter aus dem Stall und grinst breit. »Hopkins. Pünktlich wie die Handwerker. Wie nicht anders zu erwarten, wenn man es mit so einem angesehenen Herrn wie Ihnen zu tun hat.« »Nun tu nicht so, nur weil wir nicht allein sind«, grinst Arthur breit und schlägt dem Mann die Hand auf die Schulter. »Das sind meine Freunde aus der Fremde. Ich habe dir ja gesagt, dass wir möglichst schnell und so komfortabel wie möglich nach Domino müssen.« »Was kein Problem ist. Du weisst doch. Für meine Freunde und ihre Freunde, nur das Beste. Allerdings werden wir bei dem Wetter trotz Pferdewechsel mindestens vierundzwanzig Stunden unterwegs sein. Ich habe aber um dieser Jahreszeit zur Sicherheit auf halber Strecke immer Zimmer reserviert, um dort die Nacht zu verbringen, wenn es zu gefährlich werden sollte, nachts weiterzufahren«, erwidert Yato, während er die beiden Fremden mustert. »Die Pferde sind schon eingespannt, wir können also sofort los.« Leicht nickt Arthur und da wird auch schon eine edle Kutsche, gezogen von zwei kräftigen Pferden, um die Ecke gefahren. »Das ist meine neueste Errungenschaft. Eine der komfortabelsten Langstreckenkutschen, die ihr hier in Edo finden könnt. Ausgelegt auf vier Personen und so gross, dass man auch während der Fahrt bequem darin schlafen kann.« Beeindruckt mustert Arthur die Kutsche. »Du hast nicht zu viel versprochen, als wir uns gestern unterhalten haben.« Anders, als Arthur, ist Seto von der Kutsche überhaupt nicht beeindruckt. Im Gegenteil, als er hört, wie dieses Ding angepriesen wird und sieht, wie begeistert Hopkins ist, will er gar nicht erst wissen, wie die normalen Langstreckengefährte aussehen. Er ist so in seine Überlegungen vertieft, dass er gar nicht registriert, wie die wohl am Tag zuvor vereinbarte Bezahlung getätigt wird. Erst, als er Shimons Hand an seinem Arm spürt, blinzelt er und sieht zu ihm. »Wir können einsteigen und schaut nicht so schockiert. Es tut euch vielleicht mal ganz gut, zu sehen, was hier als Luxus angesehen wird.« Amüsiert sieht der Alte seinen Schützling an und bemerkt, wie der Muskel an dessen linken Auge zuckt. Da steht wohl einer ziemlich unter Spannung. Resolut und sämtliche Standesregeln missachtend, zieht er ihn zur Kutschentür und schiebt ihn mit einer Hand in dessen Kreuz schon beinahe die paar Stufen nach oben. Seto will keine Szene machen und so steigt er widerwillig ein. Als er sich auf die Sitzbank sinken lässt, muss er widerstrebend zugeben, dass die Polster doch sehr hochwertig und bequem sind. Natürlich lässt er sich davon nichts anmerken, das wäre ja noch schöner, wenn man ihm ansehen würde, dass hier in der Gosse doch nicht alles so schlecht ist. Doch als sein Blick zu Shimon wandert, der ihm gegenüber sitzt, wird ihm klar, dass der Alte genau weiss, woran er gerade gedacht hat. »Sag jetzt nichts«, zischt er ihm zu und blickt dann zu Hopkins, der sich gerade neben Shimon setzt. »Es ist alles geklärt. Wir werden sicher die Nacht in einem Gasthaus verbringen und nur bei Tageslicht fahren. Alles andere wäre bei den Witterungsbedingungen schlichtweg zu gefährlich.« Leicht runzelt Shimon die Stirn. »Ist es so schlimm?« Ernst nickt Arthur. »Ja, die Strassenverhältnisse sind wohl sehr schwierig und in der Nacht wird es immer noch eisig. Er wäre das Risiko eingegangen und die Nacht durchgefahren, aber in meinen Augen kommt es auf die paar Stunden auch nicht mehr an, wenn wir dafür sicher ankommen.« Tief atmet Shimon durch. »Ich würde zwar gern so schnell wie möglich ankommen, aber du hast sicher recht. Ihr kennt die Strassen, die ihr nutzt, besser als wir.« Gerade, als auch Seto etwas sagen will, geht ein Ruck durch die Kutsche. Ruckelnd setzt sie sich in Bewegung. Eine grosse Kurve fahrend, lenkt Yato die Pferde in Richtung Hauptstrasse und lässt die Tiere im Schritt durch die vom schmelzenden Schnee schlammigen Strassen laufen. Regelmässig knirscht es unter den kräftigen Hufen, wenn sie auf eine dünne Eisschicht treten und diese unter dem Gewicht nachgibt. Immer wieder müssen sie gestürzten Leuten oder umgekippten Kutschen ausweichen, weshalb Yato darauf verzichtet, die Pferde antraben zu lassen. So kommt es, dass sie beinahe eine Stunde brauchen, bis sie durch das Haupttor der Stadt fahren und sich die immer noch winterliche Landschaft vor ihnen ausbreitet. Mit einem tiefen Atemzug lehnt sich Arthur zurück. »Endlich. So ein Chaos habe ich selbst in Edo noch nie gesehen.« Erstaunt sieht Shimon ihn an. »Wie meinst du das? Ist das nicht normal?« Auf die Frage seines Freundes hin, schüttelt er den Kopf. »Nein. Das ist nicht normal. Es ist immer viel los, aber diese ganzen Unfälle sind nicht normal, was für die Aussergewöhnlichkeit dieses Winters spricht.« Humorlos lacht Seto auf. »Vielleicht wollen die Götter ja gar nicht, dass wir in dieses Kaff fahren und uns diesen Sklaven ansehen.« Mit einem spöttischen Blitzen in den Augen sieht er Hopkins an, der den Blick gelassen erwidert. »Mein Prinz, ich weiss, dass Ihr mir kein Wort glauben wollt. Dennoch seid Ihr jetzt hier, also scheint ein Teil von euch doch die Hoffnung zu hegen, dass ich die Wahrheit sage.« Fest sehen sich die beiden Männer in die Augen, bis sich Seto schnaubend abwendet und aus dem Fenster sieht. Innerlich grinst Arthur, als er die Reaktion des Jüngeren registriert. Lang lebe die jahrzehntelange Berufserfahrung. Über sich selbst fluchend, dass er den Blickkontakt zuerst unterbrochen hat, beobachtet Seto die an ihnen vorbeiziehende Landschaft. Die kahlen Bäume und brachen Felder erinnern ihn an die verwüsteten Landschaften, die er in den letzten Monaten zu oft hatte sehen müssen. Immer wieder sieht er auch Menschen auf den Feldern arbeiten. »Was machen die da?« Sich vorbeugend sieht Arthur aus dem Fenster und kann gerade noch sehen, was Seto meint. »Sie kontrollieren den Boden und legen nach Möglichkeit sogar schon die ersten Ackerfurchen.« »So früh im Jahr?«, fragt Seto erstaunt nach. »Natürlich. Es gibt sogar Pflanzen, die schon im Herbst ausgesät werden müssen und die Bauern kontrollieren jetzt auch, wie viel Schaden auf den entsprechenden Feldern von den Wildtieren angerichtet worden ist.« »Das ist wirklich interessant. Wer hätte das gedacht, dass die Arbeit auf den Feldern so früh losgeht.« Mischt sich nun auch Shimon ein, der nun auch aus dem Fenster sieht. »Es kann sogar noch deutlich früher losgehen, wenn das Wetter dementsprechend ist«, erwidert Arthur geduldig. Dabei ist er erstaunt, dass auch sein alter Freund so wenig über Landwirtschaft weiss. »Bei uns richtet sich alles nach der Nilflut. Da vorher viel zu machen, das bringt nichts, da erst nach den Überschwemmungen die Felder bestellt werden können.« Shimon sieht Hopkins mit einem wissenden Grinsen an. »So unterschiedlich sind unsere Landwirtschaften.«   Abschätzig schnaubt Seto. »Faule Säcke sind sie. Hängen die meisten Zeit nur rum, während andere Leute arbeiten.« Wieder sieht er aus dem Fenster. »Was haben sie nachher denn auch zu tun? Ausser zu warten, dass ihre Pflanzen wachsen. Da ist unser System mit der Arbeit auf den Baustellen, wenn sie auf die Flut warten wenigstens eine für das Land sinnvolle Sache.« »Wenn Ihr meint«, erwiderte Arthur gedehnt und lehnte sich wieder entspannt zurück. »Wie auch immer. Wir werden noch ein paar Stunden unterwegs sein. Nur mit Pausen, um die Pferde zu tauschen, für ein paar Minuten die Beine zu strecken und etwas herumzugehen.« Als Seto das hört, sieht er mit einem entrüsteten Blick zu Shimon. »Mit einem Auto hätten wir die Strecke in 2 Stunden zurücklegen können und das ...«, in dem Moment werden sie durchgeschüttelt, da sie ein grosses Schlagloch erwischen. »… deutlich komfortabler und wärmer als in diesem Vehikel.« Für einen Moment schliesst Arthur die Augen und schickt ein Stossgebet, mit der Bitte um viel Geduld gen Himmel.   Stunden später, die Sonne geht schon unter, hält Yato die Kutsche vor dem Gasthof Resutoranuto an und springt vom Kutschbock. In den letzten beiden Stunden war es verdächtig still in der Kutsche geworden, sodass er sich schon ein wenig Sorgen macht. Er will gerade zu der Tür gehen, als der Stallbursche, dessen Namen er sich einfach nicht merken kann auf ihn zu kommt. »Guten Abend. Ich habe eine Dauerreservierung auf Yatos Kutschenreisen. Sobald meine Gäste ausgestiegen sind, brauchen die Pferde ihre Box und eine anständige Versorgung.« Ernst sieht er den Stallburschen an, der sofort nickt und dann einem Sklaven Befehle zuruft, dass dieser die beiden Boxen ganz rechts aussen vorbereiten soll und das vorgestern. In der Zwischenzeit ist Yato zur Kutschentür getreten und klopft an, bevor er diese öffnet. Nun weiss er auch, warum es so ruhig gewesen ist. Der junge Mann schläft tief und fest. Dabei ist er in mindestens drei Decken eingewickelt. »Meine Herren, wir sind bei unserem Nachtquartier angekommen. Ich gehe schon mal rein und lasse die Zimmer vorbereiten.« Mit einem müden Lächeln nickt Arthur. »Danke, Yato. Wir kommen gleich nach, sobald wir ihn geweckt haben.« Kurz neigt der Kutscher den Kopf, ehe er sich umwendet und zur Tür des Gasthofes geht. Tief seufzt Shimon auf und sieht zu Seto, der es sich unter den Decken richtig gemütlich gemacht hat und schon vor Stunden durch das beruhigende Schaukeln der Kutsche eingeschlafen ist. »Ich wecke ihn.« Einem Opferlamm gleich, greift er nach der obersten Decke und zieht sie weg, was seinen Schützling leise murren lässt. Doch er wacht nicht auf. »Wäre auch zu einfach gewesen«, murmelt er vor sich hin und zieht nun die zweite Decke weg. Als auch das nichts hilft, holt er tief Luft. »Mein Prinz, aufwachen«, sagt er streng in seiner Muttersprache und da öffnet Seto langsam die Augen. Verschlafen sieht er seinen Mentor an. »Du weisst genau, dass du mich nicht zu wecken hast, alter Mann!«, grollt er mit drohend blitzenden Augen. »Ich weiss, aber sicher wollt ihr lieber in einem Bett weiterschlafen. Oder etwa nicht?« Die Augenbraue hochziehend, erwidert Shimon den Blick und deutet zur offen stehenden Kutschentür, wo Hopkins schon mit dem Gepäck auf sie wartet. »Kommt ihr? Die Stallburschen wollen die Pferde versorgen.« »Ihr seid alle lebensmüde oder todesmutig«, grollt Seto. Schält sich aber aus der letzten Decke und greift nach seiner Tasche, ehe er aussteigt. Sofort zieht er zischend den Kopf ein, als ihn ein eisig kalter Windstoss trifft. »Nun mach schon, alter Mann. Ich will hier nicht erfrieren«, ruft er gereizt, als der Alte auch schon neben ihn tritt. »Ich bin nicht taub und jetzt ab ins Haus.« Mit weit ausgreifenden Schritten, die sein Alter und die Stunden in der Kutsche Lügen strafen, eilt Shimon zur Tür und öffnet diese. »Nun kommt schon.« Auffordernd sieht er die beiden an, bis sie zu ihm aufschliessen. Als sie den Empfangsbereich betreten, schlägt ihnen eine angenehme Wärme entgegen. An dem Empfangstresen steht schon wartend Yato neben dem Besitzer des Gasthofes. «Da seid ihr ja. Herr Kagayama und ich haben gerade über die Kosten für die Übernachtungen in seinen beiden besten Zimmern verhandelt. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt zweihundert Silbermünzen. Dafür bekommt ihr die wärmsten und luxuriösesten Zimmer des gesamten Hauses. Sie verfügen sogar über ein eigenes Badezimmer mit Duschen und Toiletten.« Stolz, dass er diese Hochstufung erreicht hat, sieht er seine Fahrgäste an. »Das hört sich perfekt an«, erwidert Hopkins erleichtert. Er will gar nicht wissen, wie Seto reagiert hätte, wenn sie Zimmer mit einem Gemeinschaftsbad auf dem Flur bekommen hätten. Mit von der langen Reise steifen Gelenken tritt er vor und legt die zuvor genannten zweihundert Münzen auf den Tresen. »Können wir dann auch das Abendessen auf unsere Zimmer geliefert bekommen?« Fragend sieht er Kagayama an der schon beinahe entrüstet wirkt, als er nickt. »Natürlich. Das ist schliesslich im Preis inbegriffen.« »Gut und wo sind die Zimmer?« Will Arthur nun müde wissen. Sofort wird ihm mit der rechten Hand der Weg den Flur hinunter gewiesen. »Gleich hier den Flur runter. Die Zimmer befinden sich auf der rechten Seite und verfügen über je einen eigenen Kamin. Ich habe meine Sklaven schon angewiesen, dort die Feuer zu entfachen, damit sich die Räume aufwärmen, bis ihr sie bezieht. Ein leichtes Abendessen sollte auch schon bereitstehen.« »Vielen Dank.« Leicht verneigt sich Hopkins vor Kagayama und nimmt die Schlüssel entgegen. Mit diesen geht er zurück zu Shimon und Seto. »Folgt mir bitte«, fordert er sie mit ruhiger Stimme auf. Gemeinsam gehen sie den Flur entlang zu den Zimmern mit den Nummern zehn und elf. Die selbst er noch nie von innen gesehen hat. Er weiss nur eins, dass sie durch ein gemeinsames Badezimmer miteinander verbunden sind. Nun doch gespannt, was ihn erwartet, steckt Arthur den Schlüssel ins Schloss von dem Zimmer mit der Nummer zehn und stösst die Tür auf. Trotz seiner Neugier überlässt er Shimon und Seto den Vortritt, ehe auch er das Zimmer betritt und sich umsieht. Beeindruckt betrachtet er die Wände, die von Motivstoffen bedeckt sind, um die Räume noch wärmer zu machen. Im Kamin, der sich gegenüber des grossen Bettes befindet, knistert ein Feuer fröhlich vor sich hin und verbreitet eine angenehme Wärme. Sogar ein Tisch für bis zu vier Personen hat in der einen Ecke einen Platz gefunden und dennoch wirkt der Raum nicht klein. Auf das Bad gespannt, öffnet er die Tür und bleibt mit offenem Mund stehen. Das Bad wird durch zwei Öllampen erhellt, die mit ihrem warmen Licht die Wandmalereien beleuchten, die eine Wasserlandschaft darstellen. Langsam geht er an der grossen Dusche vorbei, die locker Platz für zwei Personen bietet und öffnet die zweite Tür. Sie führt in das angrenzende Zimmer, das wie eine gespiegelte Version des anderen Schlafzimmers aussieht. Nur mit dem Unterschied, dass hier ein herrlich duftender Eintopf und frisch gebackenes Brot auf dem Tisch stehen. »Shimon? Mein Prinz? Das Abendessen ist hier drüben!«, ruft er ihnen kurzerhand durch die offenen Badezimmertüren zu und zuckt dann zusammen, als er den Prinzen lauthals schimpfen hört. »Na toll. Es ist ihm nicht gut genug«, murmelt er vor sich hin und geht zum Tisch, wo er sich gemütlich hinsetzt und abwartet. Kurz darauf kommt Shimon rein und setzt sich hin. »Er hat bemerkt, dass wir Drei uns die beiden Zimmer und das Bad teilen. Bis zu dem Moment war es in seinen Augen in Ordnung.« Seufzend fährt er sich mit der Hand durch die schon lange ergrauten Haare. In seinen alten Augen ist die Anstrengung der letzten Tage deutlich abzulesen. »Er kommt halt aus einer vollkommen anderen Welt. Da ist es verständlich, dass er mit den Bedingungen hier seine Probleme hat.« Aufmunternd legt Arthur seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Ich denke, am besten teilen wir uns das Zimmer hier auf dieser Seite. Dann kannst du dich nachher gleich hinlegen.« Leicht nickt Shimon und sieht zu dem riesigen Bett das mit cremefarbenen Laken bedeckt ist. »Wenn es dich nicht stört, mit mir altem Mann das Bett zu teilen, nehme ich das Angebot gern an.«   Kurz darauf kommt Seto rein und setzt sich mit grimmiger Miene zu ihnen. »Das ist eine Zumutung. Ein Bad für zwei Zimmer und dann sind sie noch so winzig!« Als er den Eintopf und das Brot sieht, verzieht er angewidert das Gesicht. »Wir sollen doch nicht allen Ernstes dieses Hundefutter essen?« Tief atmet Arthur ein, ehe er den Prinzen ernst ansieht. »Dies sind besten Räume im ganzen Gasthof. Normalerweise nehme ich mir eins der Einzelzimmer in den oberen Stockwerken, die sich pro Flur eine Dusche teilen. Das Essen hier, ist vorzüglich. Denkt dran, was wir für eine Jahreszeit haben. Das ist ein saisonales Gericht, aber ich kann auch gern in die Küche gehen und fragen, ob noch etwas von dem Haferbrei übrig ist, den die Sklaven jeden Tag essen müssen.« Fest erwidert er den Blick aus diesen eisblauen Augen. Unwillkürlich fragt er sich dabei, wie es sein kann, dass zwei so unterschiedliche Menschen wie Yami und der Prinz aus der gleichen Familie stammen können. Empört steht Seto wieder auf und wendet sich auf dem Absatz um. »Ich bin in meinem Zimmer. Mir ist der Appetit vergangen. Gute Nacht!« Hoch erhobenen Hauptes rauscht er zur Tür hinaus, die lautstark ins Schloss fällt. Gleich darauf hören sie das gleiche Knallen, nur etwas gedämpfter, noch einmal. »Selbst schuld, wenn er mit knurrendem Magen ins Bett will.« Hopkins zuckt gelassen mit den Schultern und nimmt sich nun eine Portion von dem Eintopf. Wie er es gerne macht, nimmt er noch ein Stück Brot und tunkt es in den gefüllten Teller. Als sich dann eine Geschmacksexplosion in seinem Mund ausbreitet, schliesst er geniessend die Augen. »Einfach köstlich. Er weiss gar nicht, was ihm entgeht.« Leise lacht Shimon auf, der inzwischen auch von dem Eintopf probiert hat. »Es ist wirklich köstlich. Aber weisst du, Seto würde das nie zugeben. Eher beisst er sich die Zunge ab, als dass er so ein einfaches Gericht als gut bezeichnet.« »Warum überrascht mich das nicht? Ich meine, er hat seit wir Alexandria verlassen haben, kein gutes Wort über irgendwas verloren, was er gesehen hat. Warum ist er überhaupt mit uns mitgekommen, wenn er doch jeden einzelnen Tag ausserhalb des Palastes hasst?« Nachdenklich sieht Arthur aus dem Fenster, das ihnen einen guten Blick auf die vom Schnee bedeckten Koppeln ermöglicht. Shimon folgt dem Blick und kann sich ein kaum merkliches Schmunzeln nicht verkneifen, als er ein paar Pferde durch den Schnee toben sieht. »Er ist kein schlechter Mensch. Aber er ist durch eine harte Schule gegangen und auch wenn ich mich bemüht habe, so konnte ich ihm doch nicht die Familie ersetzen, die er gebraucht hätte.« Er hebt die Hand, um seinen Freund darum zu bitten, zu schweigen. »Die Prinzen und Prinzessinnen haben kaum Kontakt zu ihren Eltern. Seto musste sogar Termine vereinbaren, um seinen Vater wenigstens einmal im Monat mal zu Gesicht zu bekommen. Er wurde von Lehrern und Hohepriestern grossgezogen und unterrichtet. Ich war für ihn verantwortlich und dennoch konnte ich nicht so viel Zeit mit ihm verbringen, wie es das Kindermädchen Amara Amina bei dem Kronprinzen konnte.« Arthur hat seinem alten Freund zugehört und atmete nun tief durch. »Er hat doch einen jüngeren Bruder, wenn ich mich nicht täusche. Oder etwa nicht?« Ernst nickt Shimon. »Ja, sein Bruder heisst Mokuba. Aber er hat ihn so gut wie nie gesehen, als sie noch Kinder waren und auch in den letzten Jahren, hat ihr Vater es verhindert, dass sie viel Zeit miteinander verbringen. Er ist der Meinung, dass nur die Pflicht zählt und emotionale Bindungen seinen Ältesten nur behindern und davon abhalten, eines Tages in seine Fusstapfen zu treten. Sie leben nicht einmal im selben Gebäude und du kannst dir ja vorstellen, wie weitläufig die Anlagen der pharaonischen Palastanlagen sind.« Geschockt sitzt Arthur da und kann es irgendwie nicht glauben, was er da gerade gehört hat. »Aber, das ist doch unmenschlich. Geschwister brauchen einander. Sie sollen gemeinsam aufwachsen und spielen. Zusammen die Welt entdecken …« Er verstummt, als wieder eine Hand gehoben wird. »Du verstehst nicht. Die Kinder der pharaonischen Familie spielen nicht. Sie haben keine Freizeit, die sie frei gestalten können. Jeder Tag ist durchgeplant. Von morgens bis abends. Teilweise sogar bis in die Nacht hinein. Du weisst gar nicht, wie gut es eure Kinder trotz teilweiser Armut und Hunger haben. Sie können noch Kinder sein. Seto musste, kaum dass er selbstständig sitzen konnte, wie ein Erwachsener funktionieren.«   Ernst nickt Arthur und blickt dann auf seinen Teller. »Ich verstehe. Aber es ist doch erwiesen, dass Kinder eine … ach vergiss es einfach. Sie werden schon wissen, was sie tun und was sie ihren Kindern zumuten können.« Ohne noch einmal hochzusehen, greift er nach einem weiteren Stück Brot und beginnt wieder zu essen.   Im anderen Zimmer liegt Seto auf dem Bett und starrt an die Decke. Er fragt sich, wie es seinem Bruder wohl geht und ob … entschieden zwingt er sich dazu, nicht weiter in diese eine, gefährliche Richtung zu denken. Er kann es sich nicht leisten, jetzt schwach zu werden. Müde und hungrig zieht er die Decke bis über seine Schultern. Obwohl ihm der Magen knurrt, verbietet es ihm sein Stolz, zurück zu den beiden alten Männern zu gehen und sich zu ihnen zu setzen. Als er die Tür hört, die sich leise öffnet, verbietet er es sich konsequent, sich umzudrehen und nachzusehen, welcher der beiden Männer es wagt, ungefragt sein Zimmer zu betreten. Leise knarren die Dielen unter den flauschigen Teppichen, die den Boden bedecken und so die Kälte des Bodens zumindest etwas abschwächen. Angespannt hört er zu, wie die Person zum Tisch geht und etwas darauf abstellt, ehe das Knarren verrät, dass sich die Person wieder entfernt und dann hört er die Tür ins Schloss fallen. Er will schon die Augen schliessen, als ein köstlicher Duft seine Nase erreicht. Schnuppernd setzt er sich auf und sieht zum Tisch, wo ein mit Eintopf gefüllter Teller steht und auch zwei Stücke Brot liegen da. Unschlüssig ballt er die Hände zu Fäusten, nur um dann kurzerhand aufzustehen. Trotz des Teppichs fühlt sich der Boden unter seinen nackten Füssen kühl an. Unwillkürlich rollt er die Zehen ein, bevor er sich in Bewegung setzt und mit weit ausgreifenden Schritten zum Tisch geht. Erstaunt stellt er fest, dass hier das Zimmer irgendwie wärmer zu sein scheint, als er sich auf den Stuhl sinken lässt, der dem Kamin am nächsten steht. Dieses Zeug, das sich da auf dem Teller befindet, sieht ja wirklich nicht gerade einladend aus, aber dennoch duftet es irgendwie köstlich. Kurzerhand greift er nach dem Löffel, zögert dann aber. Doch da knurrt wieder lautstark sein Magen, weshalb er sich überwindet und etwas von dem Zeug probiert. Zu seiner Überraschung ist es gar nicht mal so schlecht. Im Gegenteil. Es ist köstlich und in seinem Mund scheinen die verschiedenen Aromen geradezu zu explodieren. Kurz blickt er versichernd zu den beiden Türen. Sie sind geschlossen. Auf gar keinen Fall will er, dass sein alter Mentor sieht, wie er sich auf dieses einfache Mahl stürzt. Denn nichts anderes macht er jetzt. Seit dem Frühstück in Edo hat er nichts mehr gegessen und so schiebt er sich einen gefüllten Löffel nach dem anderen in den Mund. Er geht sogar so weit, dass er mit dem Brot den Teller sauber auswischt. Satt lehnt er sich auf seinem Stuhl zurück reibt sich den Bauch. Nun hat er aber Durst und so greift er nach der bereitstehenden Karaffe und füllt ein Glas mit Wasser. Nach dem abgestandenen Wasser auf dem Schiff, schmeckt dieses Wasser herrlich frisch und rinnt wohltuend seine trockene Kehle hinunter. Sich endlich wieder richtig satt fühlend geht er ins Bad und schält sich aus den ungewohnten Mengen an Kleidung, die er sorgfältig zusammenlegt und auf den Hocker neben der Dusche legt. Eine Weile lang testet er aus, wie er diese primitive Dusche zu bedienen hat. Schliesslich hat er es geschafft, die richtige Temperatur zu finden. Kaum steht er unter dem herrlich heissen Wasserstrahl, schliesst er die Augen. Leise seufzend geniesst er das über seinen Körper fliessende Wasser und lässt die Hände mit sanftem Druck über seinen Oberkörper gleiten. In seinem Kopf entstehen Bilder einer jungen Frau mit so unglaublich blauen Augen und weissblonden Haaren … Die Augen aufreissend nimmt er schlagartig die Hände von seinem Körper. Keuchend steht er da und starrt an die Wand. »Das darf nicht sein. Das ist nicht richtig!« Immer wieder wiederholt die beiden Sätze, bis sich sein glühender Körper wieder etwas beruhigt hat. Erst jetzt stellt er das Wasser ab und steigt aus der Dusche. Nur um gleich darauf zu fluchen, da er nun pitschnass nach den Frotteetüchern suchen muss. Endlich hat er sie gefunden. Mit ruckartigen Bewegungen trocknet er sich grob ab, ehe er wieder in seine Kleider schlüpft und sich vor das Waschbecken stellt und sich aufmerksam im Spiegel mustert. »Nein, alles normal.« Stellt er nach einem Moment fest und wendet sich von seinem Spiegelbild ab.   Zurück in seinem Zimmer kriecht er unter die Decke und schliesst die Augen. Wieder taucht dieser lebensfrohe Blondschopf mit den unglaublichen blauen Tiefen vor ihm auf. Aber diesmal wehrt er sich nicht mehr dagegen. Er hat einfach nicht die Kraft dazu und so schläft er mit einem unbemerkten Lächeln auf den Lippen ein.   Im Zimmer nebenan haben es sich Shimon und Arthur im Bett gemütlich gemacht. »Glaubst du wirklich, dass er die Portion, die du ihm gebracht hast, gegessen hat?« Zweifelnd sieht Hopkins seinen alten Freund an, der breit grinsend nickt. »Ich glaube es nicht nur, ich weiss es. Ich kenne ihn inzwischen seit achtundzwanzig Jahren und glaube mir, so stolz und stur er auch ist, wenn er sich unbeobachtet fühlt, gibt er auch schon mal nach. Wir werden morgen einen leeren Teller in seinem Zimmer vorfinden. Schliesslich musste er sich nicht zu uns an den Tisch setzen und mit uns gemeinsam essen.« Verwirrt runzelt Arthur die Stirn. »Ich verstehe nicht.« Leise lacht Shimon auf. »Das musst du auch nicht. Wie gesagt, ich kenne ihn schon lange und kann ihn darum doch auch ein wenig einschätzen.« Herzhaft gähnt er hinter vorgehaltener Hand. »Und ich bin nicht mehr der Jüngste. Gute Nacht, mein Freund.« Seine Decke höher ziehend, dreht sich Shimon um. »Gute Nacht«, erwidert Arthur und ist kurz darauf auch schon beinahe eingeschlafen, als ein lautes Schnarchen ihn hochfahren lässt. Entgeistert sieht er zu seinem Bettnachbarn, bevor er sich mit einem bemitleidenswerten Stöhnen wieder in die Kissen fallen lässt.     ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------   Arthur kann einem ja schon leid tun, dass er die Nacht offensichtlich neben einem Bäume fällenden Shimon verbringen muss. Tja, das hätte er sich wohl vorher überlegen müssen.   Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.   LG mrs_ianto Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)