Coming Home von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Krankenhauszimmer versprühten nie sonderlich viel Charme, dachte Kakashi, während er sich in dem kleinen, tristen Raum umsah. Aber die Zimmer in der fünften Etage schienen ihm noch eine Spur schlimmer zu sein. Keine Dekorationen, kein Möbelstück zu viel, denn man wollte den Patienten hier schließlich keine Möglichkeit geben, sich an irgendetwas verletzen zu können. Er hätte Tsunade nicht nachgeben dürfen. Dies war kein Ort für Yamato. Bitterlich bereute Kakashi seine Zustimmung zu Tsunades Vorschlag, als er aus dem vergitterten Fenster schaute. Es war schon dunkel, die Besuchszeit lange vorüber, doch für ihn wurde immer eine Ausnahme gemacht. „Du musst nicht hergekommen, wenn du nicht willst. Ich weiß, wie trostlos es hier ist.“ „Ich bin deinetwegen hier, nicht wegen des Ambiente.“ Kakashi lächelte ein schwaches (aber das beste, zu dem er sich aufraffen konnte) Lächeln in Yamatos Richtung. Der Jüngere war ruhiger geworden, seit er vor einigen Wochen hierher gebracht worden war. Er war weniger panisch, weniger angsterfüllt, aber viel, viel zu ruhig, wie Kakashi fand. Yamato sagte kaum etwas und zeigte sich meistens erschreckend apathisch. Nach wie vor war er ein Musterbeispiel an Höflichkeit, jedoch war ansonsten nicht viel von ihm übrig geblieben. Kakashi vermisste ihn schrecklich. Außer ihm kamen auch Sakura und Sai regelmäßig vorbei, aber auch sie erreichten bei ihm nicht viel. Naruto wollten sie (trotz dessen anfänglichen Protests) aus dem offensichtlichen Grund erst noch fern halten. Irgendwann hatte Yamato aufgehört, nach ihm zu fragen, so wie er sowieso aufgehört hatte, an irgendetwas wirkliches Interesse zu zeigen. Immer, wenn Kakashi zu ihm kam, fragte er lediglich, wie es dem Anderen ginge und ob im Dorf alles in Ordnung wäre, und Kakashi erzählte ihm vorsichtig gefilterte Begebenheiten. Mit Tsunades Zustimmung hatte er einen Testlauf gemacht, erzählt, wie es Gai ging. Es war schon zu viel gewesen. Manchmal fühlte Kakashi, wie er in Yamatos Nähe einen Druck in der Brust verspürte. Er wollte ihm sagen, was tatsächlich passiert war, wer tatsächlich diesen Krieg angezettelt hatte und vor allem weswegen. Aber genau wie damals schon schien es besser zu sein, so wenig wie möglich zu sagen. Je mehr Tage, Wochen ins Land zogen, desto mehr fühlte Kakashi sich an ein anderes Damals erinnert. Wenn er daran dachte, wurde ihm schlecht. Sein Witz über das Ambiente hatte bei Yamato nicht mehr als ein flüchtiges (viel zu flüchtiges) Lächeln, das gerade mal so als solches erkennbar gewesen war, ausgelöst. Hilflos versuchte Kakashi, die angespannte Stimmung zu lockern. „Ich bin kein Experte für Inneneinrichtung, aber selbst im Dunkeln würde ich das besser hinbekommen, meinst du nicht auch?“ Er erhielt die gleiche halbherzige Reaktion wie vorhin als Antwort. Alle Konversationsversuche verloren sich zu schnell im Sand.   „Ich habe den Hunden heute ein neues Jutsu beigebracht. Ganz alleine!“ „Das ist schön.“ „Willst du es sehen?“ „Nicht jetzt, Kakashi. Nicht jetzt.“   Kakashi schüttele ungesehen seinen Kopf, um die Erinnerung loszuwerden. „Hast du heute mal nach draußen gesehen? Es hat schon wieder mächtig geschneit.“ Natürlich war es nicht besonders kreativ über das Wetter zu reden, aber er klammerte sich hier an jeden Strohhalm. „Nein. Habe ich nicht gesehen.“   „Kommst du mit nach draußen? Du warst schon so lange nicht mehr draußen.“ „Nein, Kakashi. Ich möchte nicht rausgehen.“   „Eigentlich ...“, begann Yamato, „ich möchte gerne schlafen. Kannst du die Schwester fragen, ob sie mir das Schlafmittel bringt?“ „Natürlich.“   „Ich bin müde, Kakashi. Entsetzlich müde.“   Kakashi schaffte es gerade noch, der Schwester Bescheid zu sagen, die Station zu verlassen und die Treppe hinunter zu rennen, um in die Besuchertoilette zu stürmen, sich die Maske hinunter zu reißen und das Bisschen, was er über den Tag gegessen hatte, hinaus zu würgen. Erschöpft rutschte er auf dem Boden zurück und lehnte sich gegen die Wand. Um diese späte Stunde musste er sich keine Sorgen machen, dass jemand ihn gesehen haben könnte. Außer natürlich die Frau, die er nun aus dem Augenwinkel betrachtete und die ein paar Tücher nassmachte und ihm brachte. „Was war das denn?“, fragte Tsunade argwöhnisch, als sie sich neben ihn setzte. „Bist du krank?“ Sie legte eine Hand auf seine Wange und Stirn. „Scheint kein Fieber zu sein.“ Sein verdecktes Auge musternd, führte sie ihre provisorische Untersuchung fort. „Stimmt mit dem neuen Auge etwas nicht?“ „Das ist in Ordnung“, erklärte er knapp. „Nur gewöhnungsbedürftig.“ „Hast du es denn auch schon mal benutzt? Du solltest es nicht verdecken, das ist nicht gut. Ich denke nicht, dass Naruto dir noch eins machen kann.“ Die Hokage zog das Stirnband von seinem Auge hoch. Das Auge blinzelte ein paar Mal unwillkürlich. „Tsunade, warum geht es ihm noch nicht besser?“, fragte Kakashi nach einer kurzen Phase des Schweigens. Ein Seufzer verließ ihre Lippen. „Manchmal dauert es eben etwas, eine traumatische Erfahrung zu verarbeiten. Und manchmal kann dies ewig dauern.“ Ihr gefiel der traurige Ausdruck nicht, den Kakashis Gesicht angenommen hatte. Ohne das Stück Stoff in seinem Gesicht sah er viel verletzlicher aus. „Du musst ihm helfen. Bitte.“ Sie schüttelte sachte den Kopf. „Es gibt Verletzungen, bei denen medizinisches Ninjutsu nicht weiterhilft.“ „Ich will nicht, dass es so endet.“ Irritiert sah Tsunade ihn an. „Er wird nicht daran sterben.“ „Es wird genau so enden. Und ich kann wieder überhaupt nichts dagegen tun.“ Endlich verstand die Hokage, was der Jüngere meinte. Sie konnte es kaum fassen. „Nein, das wird es nicht. Das ist nicht das gleiche, hörst du, Kakashi? Es ist nicht das gleiche wie bei deinem Vater.“ „Es kommt mir aber haargenau so vor.“ Seine Stimme war brüchiger geworden, offensichtlich kämpfte er bei jedem Wort mit der Erinnerung an den Niedergang seines Vaters. Es verunsicherte Tsunade. Sie wusste, wie viel unsagbares Leid der Mann, der hier, mitten in der Nacht, verzweifelnd neben ihr auf dem Boden einer öffentlichen Toilette hockte, schon hatte durchmachen müssen. Und wie wenig sie getan hatte, um ihm zu helfen. Nein, sie war nicht besonders gut in solchen Situationen, noch nie gewesen. Dabei bedeutete er ihr so viel mehr, als sie ihm je gesagt oder gezeigt hatte. „Hör zu“, sagte sie ihm, gleichzeitig tröstend und bestimmt, „das wird nicht passieren. Was auch immer nötig sein wird, ich, wir werden Yamato nicht aufgeben, in Ordnung?“ In einer etwas unbeholfen wirkenden Geste legte sie einen Arm um Kakashi, so wie sie es schon vor Jahren (Jahrzehnten!) hätte getan haben sollen. „Du musst das nicht alleine durchstehen.“ Nicht wieder, ergänzte sie in Gedanken. Für eine unbestimmte Zeit saßen sie schweigend auf dem Boden, ehe Kakashi sich aus der Umarmung löste. „Danke“, sagte er mit ausweichendem Blick und sich zeitgleich die Maske wieder hochziehend. Tsunade ahnte, dass es ihn in seinem Stolz kränkte, von ihr in dieser verletzlichen Verfassung gesehen worden zu sein. „Muss ich mir Sorgen um dich machen?“ Kakashi schüttelte den Kopf, während er sich vom Boden erhob. „Ich mache keine Dummheiten. Keine Sorge. Jemand muss ja schließlich noch auf Naruto aufpassen.“ Dies beruhigte die Hokage nur bedingt, allerdings konnte sie sich darauf verlassen, dass Kakashi pflichtbewusst war. „Weißt du, Naruto ist noch etwas zu jung, um meine Nachfolge anzutreten.“ Sie stand nun auch wieder und sah ihrem Gegenüber in die ungewohnt gleichartigen Augen. „Und es wurde ja schon einmal ein Nachfolger für mich bestimmt.“ Kakashi hielt die Luft an. „Diese Wahl hat auch meine Zustimmung“, fuhr sie fort. „Das ist nicht dein Ernst.“ „Bitte denk darüber nach. Es gibt niemanden, der besser geeignet ist. Ich glaube, es würde dir gut tun.“ Während er innerlich das letzte Gespräch durchging, das er mit Obito geführt hatte, konnte er ihr nicht mehr geben als das Versprechen, darüber nachzudenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)