Side-Story (Karma is a Bitch) Der Pinguin und das Phantom der Oper von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 2 Zweifel (Killer) -------------------------- Ich rief ihn nicht an.   Kid beanspruchte meine gesamten Nerven, weswegen ich Abends immer kaputt im Bett landete und sofort eingepennt war.   Der Kappenträger war vergessen, weshalb ich auch nicht daran dachte, die Crew der Heart-Piraten über die Plüschmütze ihres Kapitäns zu informieren.   Ja, er war vergessen... Bis ich die drei zufällig auf einer Insel traf.   Seine kurze Kleidung war daran schuld, dass ich ihm meine volle Aufmerksamkeit schenkte, naja und das Eis in seiner Hand...   Diesmal hatte er keinen Kragen über seiner unteren Gesichtshälfte, hatte die Ärmel seines hellblauen Shirts nach Oben gekrämpelt und eine kurze, dunkle Hose an.   Er lehnte an der Wand, leckte an seinem Eis so verdammt erotisch, das mir unter der Maske einige Grade heißer wurde.   Der Bär redete auf mich ein, was mich aber ziemlich kalt lies.   Meine Augen waren auf die schattige Ecke der Häuserwand gerichtet. Auf ihn. Auf seine schmalen Beine und leicht mit Muskeln geschmückten Unterarme. Das Ende eines Tribal-Tattoos ragte jeweils aus seinen Ärmeln. Ich wusste gar nicht, dass der Kerl tattoowiert war. War es ein Ganzkörper Muster oder ging es nur über seine Arme? Wieso stellte ich mir eigentlich so blöde Fragen?   Mein Kopf blieb nicht lange bei diesen Themen. Nein. Er wurde förmlich weggefegt bei dem, auf was sich mein Blick fixierte und beschäftigte sich nur noch mit einer Sache... Wie konnte jemand so geschickt mit seiner Zunge Eistropfen von der Waffel lecken? Das gehörte verboten!   In dem Moment war ich wirklich froh eine Maske zu tragen. Es hätte wahrscheinlich bescheuert ausgesehen, wie ich den Kopf in Richtung des Bären hielt, versuchte so zu tun, als wenn ich ihm aufmerksam zuhörte, dabei aber die ganze Zeit zu dem Kappenträger glotzte und dabei ähnlich wie eine Tomate bei der Paarungszeit aussah.   Seine Mütze mit der Aufschrift verdeckte weiterhin seine Augen und er schaute auf den Boden vor sich.   "Hörst du mir überhaupt zu..?", fragte mich der immernoch labernde Bär, als ich für einige Sekunden komplett weggedriftete war.   "Äh...`tschuldige, was?"   Ich durfte mich nicht so ablenken lassen.   Kurz schüttelte ich meinen Kopf, richtete meine Augen wieder auf meinen eigentlichen Gesprächspartner.   Aus dem Augenwinkel konnte ich das leichte Lächeln sehen, welches sich auf den Lippen des Pinguins gebildet hatte.   Er hatte doch nicht etwa gemerkt, dass ich ihn begafft hatte oder?   Nein...das konnte gar nicht sein...   Aber bei ihm wusste man ja nie.   --   Die drei verabschiedeten sich bei mir. Ich stand noch einen Moment auf der Stelle, dachte über meine Besorgungen nach, die ich eigentlich tätigen wollte.   Sie mussten in die entgegen gesetzte Richtung gehen, an mir vorbei.   Als der Kappenträger meine Schulter streifte, flüsterte er mir ins Ohr.   "Ich warte.", waren seine bestimmenden Worte.   Ein kalter Schauer lief mir über meine Schultern, als sein Atemhauch über meinen Hals glitt.   Ich drehte mich nochmal um, schaute den Gehenden nach und rieb mir mit meiner Hand über meinen Nacken.   Sie waren schon wieder in einer Diskussion vertieft...       ---       Das darf doch echt nicht wahr sein!!!   Eine Woche. Sieben Tage. Acht Nächte.   Das wie vielte mal verdammt saß ich jetzt schon in dieser beschissenen Kammer und traute mich nicht, den beknackten Hörer zu greifen??   Das durfte doch echt nicht wahr sein!   Der berüchtigte `Massaker Soldat`, hatte Angst vor den scheiß Wahltasten einer scheiß Teleschnecke!!     Ich seufzte, raufte mir durch die Haare und knallte meine Maske in die Zimmerecke.   Fuck!   Warum war ich so eingeschüchtert? War es wegen seiner Lässigkeit? Lag es daran, dass er immer so selbstsicher rüber kam?   Ich stand kraftvoll von dem Stuhl auf, der rumpelnd auf den Boden fiel und zog meine Maske wieder auf.   Fluchend ging ich durch unsere Flure, hielt bei unserer Bar und ging auf die Regale mit den Schnapsflaschen zu.   Hatten wir hier nicht was Stärkeres?   Irgendwas, was die ganzen bescheuerten Gedanken einfach wegspühlt?   Ich seufzte wieder, richtete meinen Blick zu Boden, ging wieder den selben Weg zurück.   Langsam beugte ich mich zu dem Holzstuhl runter, stellte ihn wieder auf und lies mich auf ihn fallen. Ich werde wohl wieder die Nacht in der Lagerkammer verbringen...     ---     Wir hatten den Arzt endlich wieder gefunden.   Leider war er auch genauso schnell wieder weg und nahm Kid gleich mit.   Unsere Mannschaft war ziemlich down.   Ich hatte echt noch mehr Stress als sonst schon, mit meinem Kapitän war es schon anstrengend, aber ohne ihn war es noch viel Schlimmer.   Die Männer hatten Respekt vor mir, das wusste ich. Aber unter den Rängen wurde getuschelt, über mein seltsames Verhalten der letzten Wochen.   Ich war erschöpft. Von dem vielen Arbeiten, dem vielen Denken und musste zudem auch noch einen inneren Kampf ausfechten.   Ich hatte mich verändert. Es war nichts mehr von der kühlen und lockeren Art von mir vorhanden.   Was war nur passiert?   Ich hatte mich immer als einen der oberen Persönlichkeiten gezählt. Nicht in dem Sinne von Reichtümern, wie Gold und Silber, sondern im Punkto Intelligenz.   Ich war nicht eingebildet, aber stolz darauf.   Und dann traf ich jemanden, der mit meinem Verstand spielen konnte wie ein Marionettenspieler mit einer verdammten Puppe!   Das kratze an mir. Es lies mich zweifeln und machte mich unsicher.   Mit jedem weiteren Tag, an dem ich es nicht geschafft hatte, die Nummer in die Teleschnecke einzutippen, wurde mein Selbstwert weiter zerschreddert.   Und jetzt waren die Kapitäne auch noch weg und ich musste mich um Alles kümmern, meine Autorität beweisen und mit mir selbst fertig werden.   Es war doch echt zum Kotzen!   Das wars, es reicht!   Ich stürmte in die blöde Lagerkammer, die zu meinem Nachtlager geworden war, krallte mir den verschissenen Schirm und rannte auf unser Deck.   Ich klammerte das Teil fester in meiner Faust und warf es in hohem Bogen ins Meer.   Fick dich du blöder Besserwisser-Spacken!!!       ---       Die Tage vergingen.   Der Alkohol, den ich heimlich trank, hing mir auch zum Hals raus.   Ich hatte den scheiß Drang das Schiff umzulenken und diesen verkackten Schirm mit der verschissenen Nummer drauf wieder aus dem Wasser zu fischen. Obwohl ich wusste, dass er längst von den großen Wellen verschluckt wurde...     Es war Nacht, ich lag auf meiner provisorischen Matratze in dem kleinen Lagerraum, von dem ich wie besessen war.   Ich konnte ihn nicht mehr anrufen. Das wollte ich doch sowieso nicht.   Oder?   Warum wurmte es mich dann so?   Ich verstand meine eigenen Gedanken nicht mehr. Was war nur aus mir geworden?   Ich seufzte, lehnte mich an die Holzwand hinter mir, verschrenkte einen Arm hinter meinem Kopf und streckte meine Beine von mir.   Mein Blick war wieder zu meinem besten Freund, der mit Spinnenweben übersähten Decke über mir gerichtet, die Flasche mit dem harten Zeug setzte ich einige Male an und genoss das leichte Brennen in meinem Hals.   Irgendwann döste ich weg, die Flasche kullerte mir aus der Hand und blieb liegen, ihr Inhalt verteilte sich über dem Boden, was ich aber nicht mehr mitbekam.   Ich hatte einen seltsamen Traum.   Ich war in der arschkalten Antarktis und frohr mir den Arsch ab.   Als ich durch das Schneegebiet stampfte, während ich mir wärmend die Oberarme rieb, entdeckte ich auf einer der Eisschollen einen großen Pinguin.   Ich ignorierte das überheblich grinsende Vieh und ging weiter.   Der schneebedeckte Weg nahm kein Ende und das war nicht das einzige Übel.   Anstatt mich in Ruhe zu lassen, watschelte mir das blöde Ding hinterher.   Ich knurrte, versuchte das Vieh zu verscheuchen und latschte weiter.   Plötzlich stand ich vor einer Sackgasse, ein riesiger Schneeberg blockierte meinen Weg. Wo war der auf einmal hergekommen?   Ich drehte mich um und sah einzelne kleine Pinguine auf mich zu kommen.   Irgendwann war ich von einer Horde der blöden Vögel umringt, sie schauten mich wütend an und öffneten ihre Schnäbel um laut los zu quacken. "Bölle..Bölle...Bölle...Bölle..."   Komische Geräusche machten die Viecher.   Ich trat mir den Weg frei, kämpfte mich durch die Masse an Vögeln, bis sich mir ein bestimmter in den Weg stellte. Es war der große, der mir die ganze Zeit schon gefolgt war.   Ich packte ihn am Hals, funkelte das nervige Teil tötlich an.   Es ging mir auf den Sack.   Ich hasse Pinguine!   Und wie ich sie hasste...   Der große Pinguin öffnete seinen Schnabel und fiepste mir entgegen.   "Gatcha."   `Gatcha`? Was soll das denn für eine Sprache sein? Neue Sprache der Vögel oder wie..?   Ich verstärkte meinen Griff an seinem Hals und brüllte das dämliche Nervteil an.   "Sag`mal hackt`s bei dir du verficktes Stalker Federvieh??!"   Der Vogel schaute mich fragend an, legte seinen Kopf zur Seite. Machte ihm der Würgegriff gar nichts aus??   Es öffnete wieder seinen Schnabel, klang ruhig.   "Anders bekommt man dich ja nicht an die Schnecke. Ich wäre noch alt und grau geworden, hätte ich weiter auf einen Anruf von dir gewartet."   Das Vieh kicherte mir doch wirklich in die Fresse. Und es klang auch noch genauso wie der dämliche Kappenträger.   Ich meckerte dem Vogel wieder entgegen, machte meiner Wut Luft.   "Fick dich! Mir doch egal ob du wartest oder nicht!"   Es redete unbeeindruckt weiter.   "Egal. Wir haben euren Kapitän wieder aufgelesen."   Ich blinzelte zweimal.   Jetz wo ich so darüber nachdachte, war das wirklich die Stimme des Mützenkerls.   Der Pinguin in meinem Griff verschleierte, er nahm eine neues Bild an, die Gestalt von dem Mützenträger.   Ich lies schlagartig von ihm ab, wich einen Meter zurück.   `Klonk`   Ich schüttelte meinen Kopf.   Langsam nahm Alles Formen an, der Lagerraum, der Stuhl, der Beistelltisch und... der Hörer der auf den Boden geknallt war??   Fuck.   Ich hatte doch geträumt oder?   "Hallo? Kira, bist du noch dran?"   Ich schluckte, raufte mir einige Male durch meine lange Mähne, war wie versteinert.   Fuck.Fuck.Fuck.   Mein Kopf begann zu arbeiten.   Ich hatte im Halbschlaf den Hörer genommen..., puzzelten meine Gedanken das Geschehene zusammen.   Wie viel VERDAMMT NOCHMAL hatte ich gesoffen??!     Ich beugte mich runter, hob den Hörer wieder auf und atmete tief aus.   Begann dann zu sprechen.   "Bin noch da.", erklärte ich in dem ruhigsten Ton, den ich aufbringen konnte.   Ruhig bleiben. Ruhig bleiben.   "Gut. Wie gesagt wir haben die beiden auf einer Insel aufgelesen, ihnen geht es gut."   Mein Puls fuhr langsam wieder runter. Hatte ich das vielleicht wirklich nur geträumt? Ich hoffe es...redete es mir zumindest ein.   "Das ist gut.", erklärte ich ihm, fing meine Stimme wieder einigermaßen.   Angespannt war ich trotzdem noch ein wenig, wegen dem plötzlichen Wandel der Ereignisse, die ich noch gar nicht richtig wahr haben wollte.   "Ok. Das wollte ich dir nur...-"   "Warte!", rief ich ihm dazwischen.   Irgendetwas in mir wollte nicht, dass er schon wieder auflegte. Ich wollte mit ihm Sprechen. Wollte seine Stimme hören... Und irgendwie hatte ich ihn auch ein wenig vermisst...   "Leg` noch nicht auf...", nuschelte ich hinter meiner Maske. Mist, ich könnte wetten ich sah total dämlich aus mit den rot angelaufenen Backen.   Woher kam dieses plötzliche Verlangen? Oder war es die ganze Zeit schon da?   "...Ich... wollte eigentlich gar nicht auflegen..."   Shit. Fuck.. wie peinlich ist das denn?? Wo ist das Loch, in dem ich mich verkriechen kann..?   "Oh...", brachte ich sehr sinnreich hervor.   "Sag`mal was ist eigentlich mit dir los? Bist du noch am Schlafen oder so?"   "..Ja... bin gerade erst aufgewacht und... war `ne ziemlich harte Woche...", log ich teilweise. Im Grunde war es ja wahr. Ich hatte wirklich bis eben gepennt und hatte eine ziemlich harte Zeit mit der Mannschaft... Aber das, was mir gerade am meisten zu schaffen machte, war er. Er brachte mich komplett aus dem Konzept! Wegen ihm war ich doch erst so durcheinander!   Ablenken hieß jetzt die Devise.   "Woher hast du eigentlich die Nummer?", fragte ich ihn neugierig.   "Ich hab`mich kurz in unsere Leitung gehackt, deinen Anruf nachverfolgt... Am selben Abend noch. Dachte mir, ich könnte sie noch brauchen."   "Damals schon??", hakte ich ungläubig nach, "Warum hast DU mich dann nicht angerufen?"   "Wolltest du denn, dass ich dich anrufe?"   Gute Frage. Wollte ich das denn eigentlich?   "Ich... hätte nichts dagegen gehabt...", murmelte ich vor mich hin.   "Alles klar, merk`ich mir. Und jetzt mal ernsthaft: Wieso hast du mich nicht angerufen?"   Ich wusste es doch selbst nicht. Wie sollte ich ihm das dann erklären?   Ich atmete einmal tief aus. Ich brauchte mir keine Lügengeschichten auszudenken, er war schlau genug um sie zu durchschauen. Also blieb mir nichts weiter übrig, als ihm die Wahrheit zu sagen...   "Ich hatte einfach Schiss!... Ich weiß auch nicht warum..."   Es war mir verdammt unangenehm das zuzugeben. Er wird mich sicher...-   "Wovor?"   ...   Tja, wovor nur...   Vor ihm...? Nein.   Vielleicht davor, dass ich, wenn ich mit ihm spreche, wieder an meinem Verstand zu Zweifeln beginne?   Ich dachte nach, er ergriff wieder das Wort.   "Ist es gerade so schlimm mit mir zu sprechen? Du hast doch selbst gesagt, dass ich nicht auflegen soll."   Er hatte Recht.   Es tat gar nicht weh, wieso hatte ich mich nur so davor gefürchtet?   Das genaue Gegenteil war der Fall, es tat mir gerade echt gut.   "Ich bin echt ein Trottel...", lächelte ich seufzend in den Hörer.   "Irgendwie schon."   Danke, für die Bestätigung!   Und dein verdammtes Grinsen hab`ich verdammt deutlich gehört!   "Hast du denn Zeit zum Reden... Ich mein, hast du denn nichts zu tun?", fragte ich ihn in meinem normalen Ton.   "Ich hab`die Wahl zwischen Shachi der draußen auf dem Flur rumrennt oder einem Gespräch mit dir. Für was denkst du würde ich mich entscheiden?"   Ich lachte kurz auf. Die Antwort war offensichtlich.   "Sag`Mal wie hast du die kleine Nervensäge eigentlich kennen gelernt?"   Er meinte ich solle direkt sein. Also konnte ich ihn fragen. Penguin war ein sehr ehrlicher Mensch, was eine seiner positiven Eigenschaften war.   "Ist `ne längere Geschichte. Ich hoffe, du hast in nächster Zeit nicht vor zu Pennen...?"   Ich und schlafen? Jetzt??   Haha, klar. Als ob.   "Nope. Ich möchte sie hören, wenn du kein Problem damit hast."   "Wieso sollte ich? Das Buch meines Lebens ist doch sowieso schon geschrieben, wieso sollte ich einen Leser mehr verweigern?"   Ich mochte seine philosophischen Vergleiche.   Mit meinem Schweigen machte ich ihm deutlich, dass er weiter sprechen konnte.   "Shachi und ich stammen aus einer Söldnerfamilie, die ständig auf der Reise war. Wir kamen aus einem Kriegsgebiet, meine Verwandten waren bei dem Anschlag gestorben, Shachi hatte nur noch seine Mutter. Wir schlossen uns einigen Flüchtlingen an, ihre Anführer waren Söldner, weswegen irgendwann die ganze Gruppe entschied ein Söldnerlager zu gründen. Das war dann unsere neue Familie."   Ich lehnte mich zurück, hörte ihm gespannt zu und beobachtete nebenbei eine kleine Spinne an der Decken-Ecke, die gerade dabei war, ihr Netz zu spinnen.   "Nach zwei Jahren Wanderschaft, wurde Shachis Mutter krank. Die Gruppe mochte keine Leute, die nicht ihren Teil dazu beitragen konnten und verstieß die kranke Frau daraufhin. So viel zum Thema `Familie`. Natürlich stand es außer Frage, dass Shachi und ich mit ihr zurück blieben. Auch wenn ich ihn zu dem Zeitpunkt nur flüchtig kannte, wollte ich nicht bei diesen kaltherzigen Leuten bleiben."   Die Menschen waren schrecklich. Ein Mensch dachte nur an seinen eigenen Nutzen. Die Menschen sind Egoisten, scheinheilige Lügner und miese Bastarde.   Wie der Kappenträger das Alles so lässig und ruhig erzählen konnte, war mir ein Rätsel. Entweder er hatte seine Gefühle verdammt gut im Griff oder er hatte damit schon länger abgeschlossen. Ich selbst mied jedes Gespräch über meine Vergangenheit.   "Wir verschanzten uns in einer kleinen Hütte, kümmerten uns so gut es ging um die Frau. Das war der Zeitpunkt, an dem wir anfingen, uns medizinisches Wissen anzueignen. Leider war die Krankheit zu weit fortgeschritten und wir konnten ihr nicht mehr helfen..."   Er zögerte kurz. Sprach dann ruhig weiter.   "Seit dem hat der kleine orangehaarige Junge an mir gehangen wie eine Klette.", beendete er seine Erzählung.   Meine Frage war damit beantwortet.   Ich konnte wieder nur über seine Gelassenheit staunen.   Schlauer aus dem Kappenträger wurde ich damit auch nicht. Er hatte die Geschichte ohne die Emotionen seinerseits erzählt. Extra, wie ich wusste.   Er gab wohl nicht gern viel von sich Preis? Aber...irgendwie machte ihn das Geheimnisvolle gerade so reizvoll.   "Penguin, wieso wirkst du eigentlich immer so cool?", murmelte ich gedankenversunken in die Schnecke.   Zuerst geredet, dann gedacht, Shit.   Aber es war doch so. Er war immer lässig und strahlte eine Coolness aus, die mich wahnsinnig machte!   Mein Gesprächspartner lachte.   "Das täuscht. Alles Übung, glaub`mir."   Bei ihm klang das so einfach.   "..und nenn`mich doch Riku."   Riku? War das sein Name?   Damit hatte er mir noch eine meiner Fragen beantwortet.   Meine Anspannung war komplett verschwunden. Wir führten ein normales Gespräch, so wie letztes Mal.   "Ich hab` übrigens Letztens das `Phantom der Oper`gelesen.", erklärte ich ihm und lächelte unter meiner Maske.   "War klar. Und wie findest du die Geschichte?"   In der Geschichte ging es um einen entstellten Mann, der eine Maske trug, um seine Narben zu verdecken, der sich aber unsterblich verliebt hatte und deswegen seine Rivalen ermorderte. Er zwang seine Geliebte dazu, ihn zu lieben, hatte ihr sozusagen gar keine andere Wahl gelassen. Als sie sich dann wirklich in ihn verliebte und seine Maske abnahm um ihn zu küssen, lief sie schreiend weg und der Typ war an einem gebrochenen Herzen verreckt.   Eigentlich war es keine Story mit Happy-End, wenn man denn in der Rolle des Phantoms war.   Mich intressierte brennend, welchen Vergleich er zwischen mir und der Geschichte gemacht hatte.   Ich drehte den Spieß einfach um und stellte mich dumm.   "Naja... Ich hab`sie nicht so ganz verstanden. Kannst du sie mir nicht nochmal erklären..?"   Mein Gesprächspartner seufzte, klang aber keinesfalls genervt.   "Du versuchst es auch immer wieder oder?", kicherte er leise wissend.   Natürlich hatte er mir meine Lüge nicht abgekauft. Er tat aber trotzdem, worum ich ihn gebeten hatte und begann zu Sprechen.   "Das Phantom hatte mich irgedwie an dich erinnert, weil ich glaube, dass jeder der ein großes Herz besitzt, es verdient hat geliebt zu werden. Es ist doch egal, was ein Mensch unter seiner Maske verbirgt oder? Was zählt ist einzig und allein das Innere. Ich hab`das blöde Buch sowieso ins Meer geworfen als die Olle, die übrigens nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, einfach abgehauen ist. Der Kerl sollte froh sein, anstatt der Alten nach zu trauern."   Ich begann laut zu kichern.   Ich konnte nicht anders. Die Worte machten mich glücklich. Mir wurde unglaublich warm ums Herz.   Sein Kompliment hatte ich sehr wohl raus gehört.   Als ich nicht antwortete, hakte er nochmal nach.   "Stimmt doch, oder nicht?"   "Ja...*pff*... auf Jeden...*pfff*", konnte ich einfach nicht mehr ernst bleiben.   Wie er sich über die Protagonistin des Romans aufregte, war köstlich. Und wie mir die gesamte Last der letzten Wochen von der Seele wich... Das Gefühl war unheimlich befreiend. Ich war ein größerer Idiot, als ich dachte.   Ich hatte Angst vor ihm? War ich denn bescheuert?!   Er war viel menschlicher und herzlicher, als ich es mir je hätte denken können.   "Jetzt lach nicht! ...*pff*...man... deine...*pff*... blöde Lache.... ist echt ansteckend...", kicherte der Kappenträger am anderen Ende der Leitung.   Ich wischte mir eine Träne aus dem Auge, lächelte vor mich hin.   "Sorry. Es war nur so... unerwartet.", grinste ich unschuldig in den Hörer.   "Was war unerwartet?"   "Deine Erklärung. Zuerst dachte ich, du willst dir einen Scherz daraus machen."   Ich dachte wirklich er verarscht mich, als ich von dem entstellten Mann mit der Maske gelesen hatte. Ein wenig verletzt war ich auch, wenn ich ehrlich war.   Viele Leute hatten mir einen Spruch aufgedrückt, wegen meiner Kopfbedeckung. Dabei wusste niemand, was wirklich dahinter steckte... Niemand machte sich die Mühe, den Kerl hinter der blau-weißen Maske kennen zu lernen.   "Du dachtest ich würde mich über dich lustig machen?"   Ja. Genau das dachte ich.   Ich schwieg, wartete bis er weiter sprach.   "Ich achte auf den Charakter eines Menschen, nicht auf sein Aussehen."   Meine Lippen formten ein sanftes Lächeln, ich flüsterte in den Hörer.   "Und wie beurteilst du meinen Charakter?", fragte ich leise nach.   Die Barriere zwischen uns war gebrochen. Ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft, brauchte kein Blatt vor den Mund zu nehmen und konnte ehrlich zu ihm sein.   Gespannt wartete ich auf seine Antwort.   "Hmm...Hat Ähnlichkeit mit einem Eimer gesalzenen Popcorn."   Was?   Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen, öffnete meinen Mund.   "Hää..?", war das Sinnreichste was ich raus bekam.   "Und der Zucker ist natürlich ganz unten im Eimer vergraben."   Ich kam nicht mehr mit. Ich verstand nur Bahnhof.   Was wollte er denn jetzt mit dem Popcorn?   "Popcorn ess`ich am Liebsten.", erklärte er mir unschuldig.   In meinem Kopf arbeitete Alles, versuchte immernoch irgendwelche Informationen aus seinen Sätzen zu filtern.   Nachdenklich sprach ich aus, was mir durch den Kopf ging.   "Heißt das du magst mich?"   "..."   "Ich hab`von Süßigkeiten geredet."   Er hatte sich verraten. Das kurze Schweigen hatte ihn aus der Reserve gelockt.   Ich grinste wie bescheuert vor mich hin.   "Schon klar. Sag`mal wann können wir eigentlich unseren Kapitän abholen?"   "In ein paar Tagen denke ich. Genaueres kann ich dir erst sagen, wenn ich Law gefragt habe."   "Rufst du mich wieder an?", fragte ich freudig.   "Musst du noch fragen?"   Wir beide lachten.   "Mach`s gut Riku."   "Bis dann."   Als ich den Hörer zurück auf die Teleschnecke gepfeffert hatte, fuhr ich mir durch die Haare, mein Lächeln verschwand nicht aus meinem Gesicht.   Er mag mich.   Ich konnte seinen nächsten Anruf kaum erwarten.     ---     Einen Tag später rief er dann auch schon wieder an.   Nur dieses Mal war er nicht alleine.   "Hey, sorry das es Heute so laut ist.", entschuldigte er sich.   "Kein Problem. Was ist denn los bei euch?"   "Naja irgendwie ist hier das Chaos ausgebrochen, seid unsere Kapitäne eine Allianz gebildet haben."   "Eine Allianz?", fragte ich ungläubig nach.   "Ja. Gerade vor ungefähr einer Stunde."   Intressant, also hatte Kid den Chirurgen endlich von sich überzeugt?   Bevor ich antworten konnte, fiel mir jemand anderes ins Wort.   "Du Peng, sag`mal bist du schon wieder mit dem Maskenheini am Quatschen?"   "Shachi! Nimm dein verfluchtes Eis aus meiner Visage!"   Ich konnte mir ein schadenfrohes leises Kichern nicht verkneifen.   "Willst du mal an meinem Eis lecken, Peng?"   Es klang ja so falsch...   Ob der Trottel sich seiner zweideutigen Worte bewusst war? Nope, definitiv nicht.   Danach hörte man ein lautes `Flatsch`. Der Kappenträger hat der Nervensäge wohl die Süßspeise reingedrückt.   "*SCHNIEF*... das.... DAS SAG ICH ALLES BEPO!!!"   Schritte entfernten sich, eine Tür wurde zu geknallt.   Mein Gesprächspartner meldete sich wieder mit einem Seufzen.   "Idiot...", murmelte er in den Hörer.   Ich kicherte, ärgerte ihn.   "`Willst du mal an meinem Eis lecken? `", wiederholte ich die Aussage der Orange. Natürlich schossen mir gleich die Bilder von dem Eis essenden Pinguin durch den Kopf. Meine Gedanken spielten Mal wieder mit mir.   Ich hörte den aprupt gestoppten Atem des Mützenträgers.   "..Ich...also...", stotterte er.   Was?! Er `stotterte`?   Hatte ich gerade eine seiner Schwachstellen gefunden?   Das teste ich doch gleich mal. Ich schnurrte leise in den Hörer.   "Wussteste du, Riku...?", begann ich, konnte das laute Schlucken meines Gegenübers hören, "..dass deine Stimme unglaublich erotisch auf mich wirkt?"   Es war wahr. Die Szene mit dem Eis hatte meinen Verstand komplett weggefegt.   Ich war gerne pervers und schämte mich deswegen auch nicht.   Was war auch falsch daran? Waren doch meine Gedanken.   Und wenn meine Gedanken so einen Effekt auf den Kappenträger hatten, konnte ich das doch auch genauso gut ausnutzen.   Mein Gesprächspartner war sprachlos, ich konnte seine schnellen Atemzüge wahrnehmen. Das brachte mir ein Lächeln auf die Lippen.   Ich hatte ihn erfolgreich verunsichert, das puschte mein Ego.   Für einige Sekunden herrschte Ruhe, bis natürlich wieder jemand dazwischen funken musste.   "Pen-Pen, weißt du ob wir noch Pudding im..... Sag mal warum bist du denn so rot?"   Hahahaha. Das wars. Nein, das war zuviel. Ich prustete los wie eine klatschende Kung-Fu-Robbe.   `Klonk`   "Auaaaa... Wofür war die denn?"   "ICH BRAUCH` KEINEN VERDAMMTEN GRUND DU HOHLBIRNE!!!", schrie der sichtlich angepisste Mützenträger.   Ou ja ihm war das scheiße peinlich. Und ich erfreute mich daran, hätte zu gerne seine geröteten Wangen gesehen.   Man hörte die Orange wieder flennend flüchten.   Der Kappenträger meldete sich wieder und räusperte sich.   "Unser Kapitän hat entschieden, dass wir uns in drei Tagen auf `Golden-Sun-Island` treffen, schafft ihr das?"   Natürlich lenkte er ab. Sollte mich nicht stören. Drei Tage? Dann konnte ich ihn nach Herzenslaune aus der Reserve locken. Und wie ich das tun werde... Was für einen Spaß mir das machen wird....   Bei dem Gedanken daran hämmerte mein Herz wie wild gegen meine Brust.   "Drei Tage. Alles klar. Unser Date steht."   "Wa.... Date??"   "In drei Tagen in unserer Bar. Ich werde auf dich warten!", erklärte ich ihm freudig und grinste wie ein Honigbär der in einen Honigtopf gefallen war.   "..o..k..." Es war eher ein leises Murmeln. Für mich klang es wie ein kraftvoller Glockenschlag, der meinen ganzen Körper zum Kribbeln brachte.   "Drei Tage.", wiederholte ich vor mich hin, als wollte ich es mir nochmal ins Gedächtnis rufen.   "Drei Tage...", nuschelte der Kappenträger leise. Danach hatte er die Verbindung unterbrochen.     Meine Gesichtsmuskeln taten schon weh von dem vielen blöden Grinsen, aber ändern konnte und wollte ich es gar nicht.     Ob seine Wangen wohl gerade auch rötlich schimmerten?   Ob seine Augen wohl so glitzern wie die meinen?   Und ob seine Hand genauso vor Aufregung zittert?   Ich werde es schon bald in Erfahrung bringen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)