Unseen Souls von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 21: 21 -------------- Ich stolperte, strauchelte, bewegte mich taumelnd in diesen Massen, die nach unserem Leben trachteten. Nach meinem, nach Kandas und wie stürzte ich zurück zu ihm, um ihn zu verteidigen, wie warf ich mich in diese Massen und schreckte nicht vor Verletzungen zurück. Was waren sie schon im Vergleich zur Gefahr, die für Kanda bestand. Jeden Kratzer nahm ich auf mich, jede Schramme, jeden Schmerz und ganz gleich, wie sehr er in mir tobte, ganz gleich wie stark ich zur Seite geschmettert wurde, ich hatte wieder aufzustehen. Die Akuma rückten vor, rückten zur Seite und stets gab es den einen oder anderen, der meinen beiden Heiligtümern gefährlich nahe kam. Explosionen pflasterten meinen Weg, dröhnten in meinen Ohren, spien mir heiße, feurige Luft entgegen und wie schwer fiel mein Atem nach einer schier unendlich erscheinenden Dauer des Widerstandes. Ich war der einzige, der imstande war, etwas zu bewegen, während mich Kandas Schreie wuterfüllt eines unverzeihlichen Fehlers bezichtigten. Machte ich es denn falsch? Würde sich Kanda in einer solchen Lage dem Tod ergeben, um die Mission zufriedenstellend zu erfüllen? Und inmitten des Rauches und des Schmerzes stellte ich mir die Frage, ob er wohl auch so gehandelt hätte. Wäre ich dort aufgespießt, hätte er mir den Rücken gekehrt und seine Prioritäten gegen mich gesetzt? Eine Frage, auf die ich keine Antwort fand, über die ich auch nicht grübeln konnte, denn die Situation erforderte all meine Konzentration. Über mir, neben mir, unter mir. Der Feind schien überall und seine Masse nicht abzunehmen, so viele ich auch in Stücke riss. Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte das erschöpfte Zucken meiner Glieder, unterdrückte auch das Gefühl, dass mir Batteriesäure durch die Venen schoss und meine Lunge kurz davor war, zu zerbersten. Alles schmerzte und bebte, doch ich blieb auf den Beinen. Ich stieß mich ab, rollte mich zur Seite, griff an und schlug zurück. Es war ein Kampf ohne etwaige Gerechtigkeit, für welchen ich in jedem Moment verdammt wurde. Doch es fühlte sich nicht falsch an. Der Gedanke, ihn mir nicht nehmen zu lassen, hielt mich am Leben. Er würde nicht sterben, solange mein Körper noch dazu fähig war, sich zu bewegen. Nicht solange ich atmete. Nicht solange ich ihn liebte. Ein betäubender Schlag traf meinen Rücken, riss mich beinahe zu Boden. Ich rutschte durch all den Schutt, durch all die Asche und das Bild vibrierte vor meinen Augen, kurz bevor ich jenen Level 2 mit meinem Schwert aufspießte und zur Seite schleuderte. Und ich kämpfte weiter, verdunkelte den Himmel mit den schwarzen Rauchwolken brennender Akuma, ebnete meinen Weg mit ihren Einzelteilen. Eine Platzwunde an der Stirn erschwerte mir das Sehen. Mein Blick trübte sich, alles schien undeutlich und eilig begann ich zu rennen, mir die Augen zu wischen und um die alte, klare Sicht zu ringen. Ein Geräusch drang kaum in meine Wahrnehmung. Es glich einem Surren, dem ich keine Beachtung schenkte, doch mit einem Mal schien der Himmel über meinem Kopf zu explodieren. Zwei Level 3 riss es in Fetzen und ächzend blickte ich auf und sah qualmende Einzelteile noch immer über mir hängen. Regungslos? Festgezurrt? Ich öffnete den Mund, ein fahriger Atem drang über meine Lippen und strauchelnd fuhr ich herum. Ein weiterer. Wie nahe war er mir schon gewesen, wie plötzlich verzerrte er sich unter unsagbaren Schmerzen und wie grell war diese weitere Explosion. Ich riss die Hand vor die Augen, strauchelte zurück und wie undeutlich und verschwommen drang plötzlich diese Stimme zu mir. „Allen!“ Ich blickte auf, bewegte mich strauchelnd zur Seite und fassungslos erkannte ich ihn. Neben mir und auf einem Dach. „Marie!“ Meine Stimme gab kaum noch etwas her. Wie brüchig erhob sie sich, wie bebend und kurz darauf zerriss es weitere Akuma. Sie wurden zerschnitten, in die Luft gejagt und die nächste Bewegung, die ich hinter mir ausmachte, war die eines Finders, der zu mir eilte. Maries Begleiter. „Walker!“ Eilig bahnte er sich einen Weg durch die rauchenden, qualmenden Kadaver. „Sind Sie verletzt?“ Ächzend starrte ich ihn an. Alles geschah so schnell, dass ich es nicht erfasste und auch als Marie mich bald darauf erreichte, tat ich nichts anderes, als ihn anzustarren. Mein Körper schien wie betäubt. Nicht einmal Schmerz nahm ich wahr. Plötzlich war es still um mich herum und auch Maries Lippen bewegten sich lautlos. Meine Ohren dröhnten. Seine große Hand bettete sich auf meine Schulter und augenblicklich gab mein Körper unter diesem Druck nach und schwankte zur Seite. Vermutlich fragte er, ob ich verletzt war, vermutlich wollte er sich überzeugen, doch kurz darauf wandte er sich bereits ab, konzentriert lauschend und dem Pfad der Laute folgend. „Walker?“ Es war der Finder, der noch immer bei mir stand. Der Rauch schien zuzunehmen und mir in die Augen zu steigen. Es wurde finster um mich herum und stockend entspannte sich mein Gesicht. Es war getan. Ich konnte mich ausruhen. Meine Lider wurden schwer, so furchtbar schwer, dass sie sich meiner Kontrolle entzogen. Ausruhen. Nur ein wenig und gleichsam wurde es noch ruhiger um mich herum. Wie angenehm. Das Tosen des Kampfes erstarb. Alles erstarb und kaum spürte ich, wie meine Beine versagten und ich haltlos zu Boden ging. Ich ließ mich fallen, nun konnte ich es und nur ein leichtes Stechen zeugte davon, dass ich mit dem Kopf aufschlug, bevor mich auch das letzte Bewusstsein verließ. Alles wurde pechschwarz, schwer, warm und lautlos. Ich ruhte mich nur kurz aus. Wie schnell ich das Bewusstsein verlor. Als wäre es mir entflohen, sobald ich mich nicht mehr verbittert daran klammerte. Ein dumpfes Surren begleitete mich, während ich in einer tiefschwarzen dumpfen Hitze versank. Nur selten zuvor war ich der Wirklichkeit so fern gewesen. Ein schier unendliches Nichts verschluckte mich und doch hörte ich zu manchen Zeiten ein Rauschen, das ich für meinen Atem hielt. Ich schien aufzutauchen, ich kehrte zurück und irgendwann spürte ich Berührungen. Es waren Hände, die sich über meine Schultern tasteten und mit einem tiefen Atemzug kehrte ich vollends zurück. Meine Lider zuckten, wollten sich noch nicht heben, mir die Umwelt noch nicht offenbaren, doch ich hörte sie. Stimmen und das Knacken entfernter Flammen. Auch Schritte auf dem Boden, auf dem ich lag. Der Kies knirschte unter Sohlen, entferntes Gemurmel und unter einem trockenen Husten wurde ich wach, bewegte den Kopf und öffnete die Augen. Das Licht blendete mich. Jeder Einfluss schien zu viel, doch als ich blinzelte wurden die Konturen deutlicher. Das grelle Licht ermattete und benommen starrte ich in die Welt, die mich umgab. Ich lag dort, wo ich zusammengebrochen war. Das Gestein bohrte sich in meine Rippen, Dreck haftete auf meinem Gesicht und stockend wendete ich es zur anderen Seite. Eine Gestalt erhob sich neben mir, gekleidet in diesen beigen Mantel. Es war der Finder, der neben mir hockte und das Innocence in den Händen hielt. Ich blinzelte zu diesem Ding, zu diesem gottverdammten Ding. Sie hatten es geborgen. „Walker.“ Der Finder neigte sich über mich. „Was für ein Glück! Sie sind wieder bei Bewusstsein!“ Mein Körper fühlte sich nicht besser an, kaum stärker oder vom Schmerz befreit. Es konnten nur wenige Momente gewesen sein und vorsichtig begann ich mich zu bewegen. „Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich der Finder sofort, doch ich hob nur die Hand. Mir helfen? Er hatte ja keine Ahnung. Mein Bauch krampfte, selbst meine Arme hatten kaum genug Kraft inne und wie verbissen stemmte ich mich auf die Hände, um mich zumindest hinzusetzen. Auf die Beine wollte ich kommen, aufstehen. Es gab diesen Drang in mir, der diesen dreckigen Boden hasste. War ich wirklich so erschöpft? Gegen Ende des Kampfes hatte ich meinen Körper kaum noch gespürt. Alles schien sich abgeschaltet zu haben und auch jetzt tauchte ich nur langsam in die Realität ein und erinnerte mich an das, was geschah. Ächzend setzte ich mich und richtete mich auf, den aufgeregten, goldenen Golem nur beiläufig zur Seite drängend, als er mir zu nahe kam. Kanda. Mein Genick schmerzte, als ich um mich spähte. Nur wenige Flammen loderten noch um uns herum. Viele Überreste der Akuma waren bereits verloschen, doch sah ich durch eine der Rauchsäulen Bewegungen. Dort war er. Nur schwerfällig hielt er sich auf den Beinen, doch akzeptierte Maries Unterstützung. Der Stoff seiner Uniform war von Blut durchtränkt. Selbst auf dem Kies des Bodens hinterließ er Spuren. Aufmerksam hielt Marie seinen Arm und unter dem ersten tiefen Durchatmen seit langem versuchte ich mich daran, aufzustehen. Wieder stemmte ich mich empor, wieder verlangte ich meinen Armen alles ab und die beiden hatten mich beinahe erreicht, da richtete ich mich endlich schwankend auf. Das Knacken des Kieses näherte sich und benommen hob ich die Hand, um mir die Augen zu reiben. Ich stand, wenn auch unsicher und rang um Gleichgewicht, als Kanda die letzte Distanz zwischen uns überwand. Mit einem Schritt trat er an mich heran und ich sah nicht die Bewegung seiner Hand, sah nicht, wie sie sich aus dem blutigen Stoff löste, doch plötzlich erfasste ein Schlag mein Gesicht. Eine Faust riss meinen Kopf zur Seite, taumelnd folgte mein Körper und überwältigt von dieser Kraft ging ich abermals und haltlos zu Boden. „Du erbärmlicher Heuchler!“ Kandas Stimme bebte vor Wut und benommen begann ich mich zu regen. „Kanda“, wandte sich Marie leise an ihn, doch wurde unterbrochen. „Sieht so für dich das Befolgen von Befehlen aus?!“ Blind tastete ich nach meinen Lippen, spürte das Blut auf ihnen, spürte das Kitzeln auch auf meinem Kinn und wischte es matt hinfort. Ein solcher Zorn, eine solche Verachtung. Hatte ich sie verdient? „Was sollte das?!“ Noch nie offenbarte Kanda eine solche Wut und zugegeben, er erwischte mich eiskalt. Wie dumm. War ich davon ausgegangen, dass er nicht zu heißblütigem Zorn neigen konnte? Er beugte sich zu mir hinab, doch wurde von Marie zurückgezogen. „Was wäre passiert, wäre er nicht aufgetaucht?!“, verlangte er zu wissen, sich in Maries Griff windend. „Du konntest es nicht wissen! Das Innocence verlieren! Ist es das, was du wolltest?!“ Zitternd senkte ich die Hand zum Boden und richtete mich auf. Der kalte Schauer der Wut durchlief mich. Wofür hatte ich gekämpft? Für seine Unzufriedenheit? Verkrampft fand seine Hand zur Wunde zurück und klammerte sich in den Stoff der Uniform. „Und einem wie dir soll ich vertrauen?!“, stieß er aus. „Wo zur Hölle liegen deine Prioritäten?!“ „Sei still.“ Nur leise kam die Stimme über meine blutenden Lippen sowie sich meine Finger im Dreck des Bodens versenkten. Es waren Worte, die nicht zu ihm drangen, die bisher nur mir gehörten. Nach meinen Prioritäten fragte er? Was hätte ich noch tun sollen, um ihm zu zeigen, dass er diese Rolle einnahm? „Du hast die ganze Mission gefährdet!“ „Halt die Klappe!“ Ich fuhr in die Höhe, doch kam nicht auf die Beine, denn sie gehorchten mir nicht mehr. Aber ich schrie ihn an, mit all dem Schmerz, mit all dem Zorn und Unverständnis, die ich empfand. Sofort zuckte mir seine blutige Hand entgegen. Er wollte mich packen, doch wieder zog Marie ihn zurück. „Es ist dein Leben, das ich gerettet habe!“ Meine Stimme bebte und abermals versuchte er sich loszureißen. Abermals wurde er gehalten, doch es wäre mir gleich gewesen, hätte er sich auf mich gestürzt, denn seine Schläge könnten niemals so wehtun wie seine Worte. „Wie kann dir das so wenig wert sein?!“ „Ich habe es dir erklärt!“, zischte er. „Ich habe dir immer und immer wieder erklärt, was für Prioritäten gesetzt werden müssen!“ „Ich setze meine Prioritäten nach eigenem Ermessen!“ Keuchend sank ich in mich zusammen. „Ich habe es geschafft“, stieß ich aus. „Ich habe dich beschützt und ich habe das Innocence beschützt, also was macht dich wütend?! Dass du am Leben bist?! Es steht dir frei, dich nachträglich umzubringen! Ich halte dich nicht auf!“ „Du verdammter…“ Ein Ruck, ein Zerren und mit einem Mal war er frei. Maries Hände erreichten ihn nicht mehr, viel zu rasch tat er diesen Schritt, doch bei diesem blieb es. Das Bein konnte ihn nicht halten. Er sank hinab, brach zusammen und kurz darauf hockten wir dort. Zornig, keuchend und doch zu erschöpft, um uns zu erreichen. Kein weiteres Wort wollte über meine Lippen kommen, kaum ein Ausdruck mein Gesicht verändern. Schweigend standen Marie und der Finder neben uns. Es war ein Fiasko ohnegleichen. -tbc- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)