My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 56 - Radio gaga (Ohne Adult) -------------------------------------- Und hier Kapitel Nummer zwei des heutigen Abends ^^ Ach ja! Bei Beauty vs. Beast geht es heute auch weiter ;-) Tschödelü Love bite 56 - Radio gaga (Ohne Adult) Ich werde schon früh wach. Warum, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall nicht durch das fürchterliche Klingeln von Meilos Wecker. Der ist nämlich ausgeschaltet, da Meilo erst heute Mittag weg muss. Ausschlafen ist angesagt. Gäbe es da nicht ein Problem: Durch das frühe zu Bett gehen gestern, ist mein Körper bereits putzmunter. Meilo pennt noch, stelle ich mit einem kurzen Blick fest. Er liegt auf einer Seite des Bettes, ich auf der anderen. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Wie ist es denn dazu gekommen? Ich will mich gerade wieder an Meilo heranrobben, da meldet sich jedoch leider die Natur. Einhalten, oder schnell ins Bad springen? Die Bad-Variante gewinnt. Es ist dringend! Leise schleiche ich aus dem Schlafzimmer ins Bad und erleichtere mich. Vor dem Waschbecken checke ich kurz mein Spiegelbild und erschrecke. Fuck, ist mein Auge blau! Sieht aus, wie ein modernes Kunstwerk! Ich stelle das Wasser ab und tupfe mit den noch feuchten Fingern über die Augenbraue. Die unschöne Verfärbung zieht sich bis hinunter zu meinem Augenlid. "Dieser miese Möchtegern-Popsänger!", knurre ich. "Mein armes Auge." Ich fürchte, das wird noch eine Weile lang so aussehen. Wenn ich Pech habe, bis nächstes Jahr. Die Salbe fällt mir ins Auge, die Meilo mir gestern drauf geschmiert hat. Ich bediene mich an ihr, reibe die Beule vorsichtig damit ein und hoffe, dass sie wenigstens ein bisschen hilft. Nochmal die Hände waschen, und dann nichts wie zurück ins warme Bett. Wieder im Schlafzimmer bleibe ich vor dem Bett stehen. Meilo schlummert immer noch tief und fest. Nur halb zugedeckt liegt er auf dem Bauch, die Arme angewinkelt unter dem Kissen und das Gesicht tief im Kissen verborgen. Erst überlege ich, ihn zu wecken, doch das bringe ich nicht übers Herz. Er muss total ausgepowert sein. Gönnen wir ihm seinen Schlaf. Doch was mache ich in der Zwischenzeit? An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Ich könnte Frühstück machen. Schon mal meine Sachen alle zusammensammeln. Mich mit einer Tasse dampfenden Kaffee vor die Glotze hauen. Alles nicht sehr verlockend. Der glänzende Flügel, der im anderen Ende des Zimmers steht, weckt meine Aufmerksamkeit. Ich habe ihn noch gar nicht richtig bewundert. Außerdem könnte ich eigentlich mal nachschauen, ob mein Geschenk auch dazu passt. Meine Beine haben sich schneller entschieden als mein Verstand. Als ich davor stehe, strecke ich die Hand aus und fahre mit der Handfläche behutsam über den glatten Lack. Ich bin nicht sonderlich musikalisch. Zwar kenne ich mich mit Noten aus, aber selbst zu musizieren liegt mir einfach nicht, obwohl ich es schon einige Male probiert habe. Dennoch reizt mich dieses Ungetüm. Wie viel Arbeit es sein muss, so etwas zu bauen. Wenn man es genauer bedenkt, grenzt das schon an ein Wunder. Ich kann nicht anders, und setze mich auf den kleinen Schemel, der vor dem Flügel steht. Die Tastatur ist abgedeckt. Ganz vorsichtig klappe ich den Deckel nach oben und fahre anschließend mit den Fingerkuppen über die vielen Tasten. Sofort sehe ich in meiner Fantasie Meilo hier sitzen. Sehe ihn spielen, ganz versunken in der Melodie. So, wie ich ihn schon oft mit seiner Gitarre dasitzen gesehen habe, wenn ich ihn in den unzähligen Hotels besucht habe. Zu gern würde ich ihn jetzt hieran sehen, und vor allem auch spielen hören. Es kribbelt in meinen Fingern und ich tippe ganz leicht auf eine der großen, weißen Tasten. Schnell ziehe ich meine Hand wieder weg, um nicht noch in Versuchung zu kommen, die Taste ganz durchzudrücken. Alles, was ich noch fehlerfrei spielen kann, ist nämlich alle meine Entchen, und das kann ich diesem wundervollen Flügel nicht antun. Hinterher ist er verstimmt von so viel unmusikalischer Kunst und Meilo wird sauer deswegen. Leise klappe ich den Deckel wieder zu und stehe auf. Meilo liegt immer noch in der selben Position da, wie zuvor. Mit einem Grinsen im Gesicht laufe ich rüber zu ihm, bleibe für einen Augenblick neben ihm stehen, schaue ihn nochmal amüsiert an und umrunde dann das Bett halb, um wieder hineinzusteigen. Nun kann ich endlich zu ihm rüber robben. Er gibt einen brummenden Laut von sich, als ich es versuche. Ich halte inne, weil ich ja nicht will, dass er aufwacht. Schlaf schön weiter, mein Schatz. So ist gut. Doch als ich einen weiteren Versuch starte, verändert Meilo die Position. Nun liegt er mit dem Rücken zu mir. Hmpf! Wie ungemütlich und überaus unpraktisch. Jetzt liege ich da, und starre Meilos Rücken an. Nicht die schlechteste Aussicht, aber es gibt definitiv auch bessere. Aus einer Laune heraus, verfolge ich einen Streifen des Musters auf Meilos Rücken. Alles kann ich nicht sehen, weil er genau auf der Seite liegt, auf der sich das Tattoo entlang windet, aber es reicht, um mir die Zeit zu vertreiben. Leider wird dieses muntere Labyrintspielchen nach wenigen Minuten auch ziemlich langweilig. Was nun? Ich lege mich auf den Rücken und starre gen Zimmerdecke. Laaangweilig. Ich schließe die Augen wieder und wende mich gedanklich meinem Programm zu. Wenn ich schon mal Zeit habe, kann ich sie auch gleich nutzen, oder? Es dauert nicht lange, da bin ich in Gedanken vollauf beschäftigt. Und dann, als ich mitten drin bin, kribbelt es mir abermals in den Fingern. Ich muss an meinen Laptop! Nur geht das leider nicht. Mein Laptop steht Zuhause, auf meinem Schreibtisch, was bedeutet, ich muss mir anders behelfen. Block und Stift müssen her! Und das schnell! Wie gut, dass ich wenigstens diese zwei Dinge immer dabei habe. Leise schlüpfe ich zum zweiten Mal heute aus dem Bett, schleiche rüber zu meiner Tasche und greife mir Block und Stift. Damit bewaffnet ziehe ich mich in den Wohnbereich zurück, schmeiße alles auf den Esstisch, laufe rüber zur Couch, wo ich mir die Wolldecke schnappe, mich darin einwickle, und mich, warm eingepackt, an den Tisch setze. Es kann los gehen! Ich bin voll im Arbeitsmodus, schreibe Codefolgen und Ideen auf, mache mir Notizen dazu und bin ganz in meiner kleinen, digitalen Welt. Und das ohne Computer. Ich bin so vertieft in meinem Tun, dass ich furchtbar zusammenschrecke, als etwas meine rechte Schulter berührt. "Scheiße!", japse ich und kann es zum Glück noch verhindern, dass ich mit dem Kugelschreiber eine lange Linie quer über das Blatt ziehe. "Meilo!" "Was tust du da?", fragt er mich verschlafen und kratzt sich die Schläfe. "Arbeiten. Wieso bist du schon wach?" "Schon? Es ist halb elf." "Du verarschst mich", blaffe ich ihn an, aber er schüttelt den Kopf. "Willst du auch Kaffee?" Meilo tapst barfuß rüber zur Küche. "Gerne." Ich lege den Stift beiseite und begutachte mein Geschriebenes. Da ist wirklich ganz schön was zusammengekommen. Kein Wunder, dass ich nicht bemerkt habe, wie spät es schon ist. Ich packe alles auf einen Stapel und lasse meinen Zettelkram, Zettelkram sein. Mich zieht es zu Meilo in die Küche. Dieser steht vor der Kaffeemaschine und gießt gerade Wasser in den Kaffeebehälter. Ich schmiege mich von hinten an ihn ran. Ganz behutsam, ich will ja nicht, dass er das Wasser verschüttet. "Guten Morgen erstmal", hauche ich ihm von hinten gegen das linke Ohr. "Gut geschlafen?" "Morgen", brummt er. "Wie ein Baby." "Das freut mich." Ich schließe die Augen und sauge Meilos Wärme und Nähe in mich ein. "Und du? Wieso bist du schon so früh wach gewesen?" "Woher willst du das wissen? Vielleicht bin ich ja erst kurz vor dir aufgestanden." "Als ich um kurz nach acht auf den Wecker geschaut habe, warst du nicht mehr im Bett", sagt Meilo. "Also? Schlechte Träume gehabt?" "Eigentlich nicht", antworte ich ihm. "Ich konnte bloß einfach nicht mehr schlafen." Meilo ist fertig damit, den Kaffee aufzusetzen, und dreht sich in meinen Armen zu mir herum. "Dann ist ja gut", lächelt er und berührt sanft mein lädiertes Auge. "Sieht schlimmer aus als gestern", stellt er, wie ich zuvor, fest. "Tut es noch sehr weh?" "Wenn ich ja sage, bekomme ich dann noch mehr von deiner fürsorglichen Pflege?" "Die bekommst du auch, wenn du nicht verletzt bist. Das weißt du doch", antwortet er mir mit rauer Stimme. "Gut zu wissen", grinse ich und strecke mich seinen süßen Lippen entgegen. Meilo erwidert den Kuss und seine Hände, die zuvor auf meinem Rücken gelegen haben, rutschen ein Stockwerk tiefer. Ihre Motivation ist klar. "Nic?" "Ja?" "Der Kaffee braucht noch, bis er durchgelaufen ist. Wollen wir in der Zwischenzeit ..." "Ja!", nicke ich eifrig, was meinen Verlobten zum Lachen bringt. Miteinander knutschend taumeln wir Richtung Schlafzimmer, biegen jedoch ins Badezimmer ein. Dort entledigen wir uns der wenigen Kleidung und stellen uns gleich darauf unter die Dusche. Mit einem schnellen Handgriff drehe ich die Brause an. Zuerst schrecken wir auf, da das Wasser noch kalt ist, doch es wird schnell wärmer, und wir können ungestört bei dem weiter machen, wo uns das kalte Wasser unterbrochen hat. *** "Was guckst du so argwöhnisch?" "Tue ich doch gar nicht", verteidige ich mich, kontrolliere allerdings im gleichen Atemzug mein Spiegelbild. Ich sehe tatsächlich argwöhnisch aus. "Du hast dich immer noch nicht daran gewöhnt, hm?" Ich schüttle den Kopf. "Wie könnte ich auch?" Mein Mann schminkt sich gerade die Lippen knallig pink! "Muss es ausgerechnet Pink sein?" "An meinen letzten Keith Kandyce Tagen möchte ich nochmal so richtig schön schwul rübergekommen", lacht er. "Ich dachte, Keith ist nicht schwul, sondern bi." "Doch. Jetzt ist er es schon. Und das Wunder hast du vollbracht." "Ha ha." Meilo legt lachend den Lippenstift weg. "Offiziell ist er es dennoch nicht." "Ist doch egal", murmelt Meilo, der seine Kosmetikartikel wieder einsortiert. Nächstes Jahr kommt der Kram sofort in die Restmülltonne! Oder ich frage Meilo, ob er das Zeug nicht Nicole schenken möchte. Mein armer Vater. Der würde durchdrehen. "Was interessiert uns Keith? Nicht mehr lange, und er ruht bis in alle Ewigkeit in den dunklen Untiefen der Popwelt." Er hat ja so recht! Meilos Spiegelbild strahlt mich an und ich strahle zurück. Glücklich lege ich meine Arme um seinen Nacken und küsse seine Schläfe. Die einzige Stelle an seinem Kopf, die nicht total vollgekleistert mit Make-Up ist. Trotzdem schmecke ich das ekelige Zeug. Ich höre, wie Meilo ein langes Seufzen von sich gibt. "Ich denke, es wird langsam Zeit, dass wir uns losmachen", verkündet er nicht mal mehr halb so glücklich wie noch vor wenigen Sekunden. "Ich bin fertig", sage ich und ziehe die Sonnenbrille auf. Zwar hat Meilo mir das Veilchen überschminkt, aber es schimmert trotzdem noch leicht durch. Meilo dreht sich vom Waschbecken weg und umarmt mich. "Schön, dass du nochmal mitgehst." "Natürlich gehe ich mit. Solange ich noch frei habe, bleibe ich an deiner Seite", antworte ich ihm. "Mir wäre es viel lieber, wenn du noch bis morgen bleiben könntest." "Das wäre es mir auch." Von der Zeit her würde es schon klappen, wenn ich erst morgen früh losfahren würde, doch man weiß nie, wie der Verkehr ist. Also tuckere ich lieber heute Abend schon los. Ich kann nicht wieder jemanden bitten, meine Schicht zu übernehmen. "Aber wir haben ja noch ein paar Stunden", versuche ich uns beide aufzumuntern, was jedoch nicht so wirklich klappen will. Meilo wird in einem Studio hocken und ich darf draußen warten. Gemeinsame Zeit sieht normalerweise anders aus. Ein kleiner vorsichtiger Kuss, und wir machen uns los. Unsere Laune sinkt spürbar, je tiefer der Aufzug fährt. Doch das ist noch gar nichts, denn ratet mal, wer unten auf uns wartet. Richtig. Gerd. "Gerd holt uns ab?", frage ich Meilo leise. "Davon wusste ich auch nichts", knurrt er und starrt Gerd böse an. Gerd ist inzwischen ausgestiegen, kräht uns einen guten Tag zu und hält Meilo die Beifahrertür auf. Aber was macht mein Schatz? Greift demonstrativ den Griff der hinteren Tür, lässt mich zuerst einsteigen und schwingt sich hinter mir her. Gerd glotzt wie ein untergegangenes U-Boot, lässt seine Kiefermuskeln spielen und wirft die Beifahrertür wieder zu, ehe er wieder um das Auto herum geht. "Hat er nicht bald mal begriffen, dass es sich mit Keith ausgesungen hat?", frage ich Meilo und bemühe mich noch nicht mal dabei leise zu sein. "Offensichtlich nicht. Aber er wird es schon noch kapieren." "Hoffentlich", seufze ich. Falls nämlich nicht, werde ich Meilos Manager bald erwürgen müssen. In der richtigen Position sitze ich schon mal. Kommentarlos fährt Gerd mit uns zum Studio. Heute muss Meilo zum Radio. Ein Live-Interview. Zuvor werden noch Fotos geschossen, die Fragen ein letztes Mal besprochen und was weiß ich noch alles. Zudem dürfen ausgewählte Anrufer ihm weitere Fragen stellen. "Eine langweilige Geschichte", meinte Meilo dazu. "Wenn du Zuhause bleiben willst, kann ich das verstehen." Entsetzt sagte ich ihm, dass ich ihn ganz bestimmt nicht allein lassen werde. Und die Entscheidung war gut gewesen, wie man an Gerds Fahrservice unschwer erkennen kann. Wäre ich nicht hier, wer weiß, was Meilo dann wieder für ein Gequatsche über sich ergehen lassen müsste. Die Fahrt dauert, da wir ständig vor roten Ampeln stehen bleiben müssen, aber wir kommen rechtzeitig an. Nicht, dass es mir wichtig wäre. Ich wollte es nur mal erwähnt haben. Vor dem Radiostudio herrscht eine Menge Trubel. Fans haben sich vor dem abgesperrten Bereich des Studios eingefunden. Sie schreien und versuchen an den Sicherheitsleuten vorbei zu kommen, als wir im Schritttempo vorbeifahren und das hohe Tor passieren. Die vom Radio wussten anscheinend, was hier los ist, wenn Keith Kandyce auftaucht. Da die Seitenfenster von außen getönt sind, können sie uns nur von der Frontscheibe aus sehen, aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl, all die Mädchen und Jungs zu beobachten. Man denkt, sie sehen einen ebenfalls, obwohl man ja weiß, dass sie das nicht können. Ich bin froh, als sich das Tor hinter uns schließt, und die Meute aussperrt. Oh Mann! Das ist echt nervenaufreibend. Wie hält Meilo das nur immer aus? Im Radiostudio selbst herrscht im Empfangsbereich eine angenehme Stille. Keine kreischenden und heulenden Fans, dafür eine junge Frau, die uns begrüßt und Meilos Hand schüttelt. Dabei strahlt sie wie ein zu lange gebackenes Honigkuchenpferd. Wir werden in einen angrenzenden Raum geführt, doch vor der Tür hält mich Gerd auf. "Tut mir leid. Ab hier dürfen Sie nicht weiter." Pure Schadenfreude zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Ich schaue rüber zu Meilo, was er nicht sehen kann, da ich immer noch die Brille aufhabe. Er blickt unglücklich drein, kann aber auch nichts machen. "Dann warte ich hier", antworte ich betont gleichgültig, auch wenn es in mir brodelt. "Tun Sie das." In meiner Faust kribbelt es. Wie gern ich Gerd meine Faust in seinem dämlichen Gesicht platzieren würde! Meilo und er verschwinden hinter der Tür. Seufzend setze ich mich auf einen der Stühle, die vorn im Empfangsbereich stehen. Was für eine Pleite! "Möchten Sie vielleicht einen Kaffee, solange sie warten?" Die Frau vom Empfang ist wieder zurück und lächelt mich freundlich an. "Das wäre lieb", sage ich zu ihr und nehme die Brille ab. Damit komme ich mir in ihrer Gegenwart doch zu dämlich vor. "Oh je. Eine Schlägerei gehabt?" Sie lächelt mich mitleidig an. Super! Das kann ich jetzt auch noch gebrauchen! Eine von Mitleid geplagte Empfangsdame. "Man sieht es noch?" "Make-Up kann nicht alles verdecken", lacht sie und zwinkert mir zu. "Anscheinend." "Dann hole ich Ihnen lieber mal einen starken Kaffee." "Klingt gut", erwidere ich und schaue ihr nach, wie sie mit ihren hohen Pumps davonstöckelt. Mit einem gequälten Seufzen lehne ich mich gegen die Stuhllehne und stoße mit dem Hinterkopf leicht gegen die Wand. Aua. Gerds überhebliches Grinsen geht mir nicht aus dem Kopf. Dieser Widerling! Er tut gerade so, als würde ihm Meilo gehören. Dabei gehört ihm bestenfalls Keith Kandyce, wenn überhaupt. Am liebsten würde ich jetzt da rein und ihm den Hals umdrehen. Ahhrg! Ich muss mich an irgendwas abreagieren, oder mich wenigstens ablenken. Aber mit was? "Hier, bitte sehr. Ein extra starker Kaffee." Die Empfangsdame ist zurück und hält mir eine dampfende Tasse entgegen. Ich nehme sie ihr ab. "Danke." Gierig trinke ich einen Schluck. Das beruhigt mich wieder ein kleines bisschen. Jedenfalls so lange, bis das Koffeein anfängt zu wirken. Bis dahin muss ich unbedingt wieder runtergefahren sein. "Warum so niedergeschlagen?", fragt mich die Empfangsdame plötzlich. "Liebeskummer?" Verdutzt schaue ich sie an. "Ganz schön neugierig für eine Empfangsdame", kontere ich. Auf dumme Sprüche habe ich jetzt wirklich keine Lust. "Hallo?", lacht sie auf. "Ich arbeite beim Radio. Da gehört Neugier zur Berufsbeschreibung." Auch wieder wahr. "Nun? Hatte ich recht? Ich liebe es, wenn ich recht habe." Die Frau schafft mich! Wir kennen uns keine zwei Minuten, und schon hat sie es fertig gebracht, mich zum Grinsen zu bringen. Keck sieht sie mich von oben herab an, eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit der Anderen hält sie ebenfalls eine Tasse, bloß aus ihrer baumelt ein kleiner Teebeutelzipfel. "Haben Sie nichts zu tun?" Ich nicke rüber zum Empfang. "Momentan nicht. Es sei denn, das Telefon klingelt, aber das tut es um diese Uhrzeit selten." "Ich kann ja mal anrufen." "Könnten Sie, aber ich geh sowieso nicht ran." Gelassen nippt sie an ihrem Tee. "Und das lässt ihr Boss Ihnen durchgehen?" "Klar. Schließlich schlafe ich mit ihm." Sie lächelt frech. Einfach hinreißend! "Verheiratet?", frage ich sie. "Wer? Er oder ich?" Sie fängt an zu lachen. Wohl hauptsächlich, weil ich sie mit offenen Mund anstarre. "Keine Sorge", kichert sie und hält mir ihren Ehering vor die Nase. "Wir sind beide glücklich verheiratet. Miteinander." "Ah so. Verstehe", grinse ich. "So? Sind Sie etwa auch gebunden?" "Vielleicht." "Hm", macht sie und leckt sich über die Lippen. "Ich sehe keinen Ring an Ihren Finger." "Vielleicht trage ich ihn nur nicht." "Könnte sein", nickt sie. "Das würde allerdings bedeuten, dass Sie ein Fremdgänger sind." "Das wollen Sie glauben zu wissen, bloß weil ich eventuell meinen Ehering nicht am Finger habe?" Frauen! "Nicht nur deswegen", schmunzelt sie leicht zynisch. "Am deutlichsten zeigt das mir Ihre Perücke." Mir klappt der Unterkiefer runter. "Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Perücke trage?" "Ich erkenne eine Perücke, wenn ich sie sehe", gillert sie und streckt mir ihre Hand hin. "Petra. Gelernte Hair-Stylistin." Ich ergreife ihre Hand, was mich nun jedoch in ein kleines Dilemma stürzt. Sage ich ihr meinen richtigen Namen? Verdient hätte sie es, bei so viel Dreistigkeit, aber ich kann meine Deckung nicht riskieren. "Logan", stelle ich mich ihr deshalb vor. "Zukünftiger Berater von Keith Kandyce." Sie mustert mich eingehend, während unsere Hände leicht auf und ab wippen. "Nun, Logan", sagt sie schließlich, wobei sie Logan ganz bewusst betont. Sieht so aus, als habe sie auch meinen Decknamen durchschaut. Gescheites Mädchen. "Freut mich, Sie kennen zu lernen." "Ebenfalls." "Und nun, wo wir uns so gut kennen." Sie beugt sich runter zu mir, schaut links und rechts, und fährt mit leiser Stimme fort: "Wer ist es?" "Wer ist was?" "Wem gehört Ihr Herz?" Ich schüttle lachend den Kopf. "Die Frage ist ernst gemeint." "Schön für Sie, aber ich bin nicht unglücklich verliebt." "Das habe ich auch nicht gesagt." "Doch, haben Sie. Vorhin, als sie mir den Kaffee gebracht haben." "Ich sage viel, wenn der Tag lang ist." "Hab ich gemerkt", brumme ich grinsend. Sie schaut mich zickig an, seufzt, und lässt sich neben mir auf den Stuhl fallen. Noch verwirrter als sowieso schon, schaue ich sie stirnrunzelnd an. "Bitte setzen Sie sich doch. Der Platz ist noch frei", schnarre ich, wobei ich mich fast erschreckend genau wie meine Mutter anhöre. "Vielen Dank", gluckst Petra und fummelt am Bändchen des Teebeutels herum. "Wie ist Keith denn eigentlich so? Ist er der netter Kerl von Nebenan, oder die verzogene Diva?" Er kann beides sein, aber das werde ich ihr ganz sicher nicht auf die Nase binden. "No Commend", antworte ich ihr. "Ach komm schon!" "Nein. Und seit wann duzen wir uns?" "Seit eben." Dreistigkeit verlass mich nicht. Diese Hair-Stylistin gefällt mir immer besser. "Gut, Petra", schmunzle ich. "Keith ist ..." "Ja?" "Nicht erfreut darüber, wenn man etwas über ihn ausplaudert." Petra zieht einen Schmollmund. "Na ja", seufzt sie. "Ich kann es verstehen." Welch kluge Einsicht. "Man verrät nicht denjenigen, den man liebt." Meine Ohren fangen an zu sausen. Was hat sie gerade gesagt? "Was ... was redest du denn da?", stammle ich unbeholfen und lache dümmlich. Noch verräterischer geht es nicht, denke ich bei mir, doch es ist schon zu spät. Petra sieht mich an, als wollte sie sagen: Ich habe es doch gewusst! "Woher willst du das wissen?" Sie verschränkt die Arme miteinander, was mit der halbvollen Teetasse schon eine Leistung ist. "Das du nicht auf Frauen stehst, sieht ein Blinder", meint sie. "Ach, wirklich?" Sie nickt. "Du hast noch kein einziges Mal auf meine Brüste gestarrt, obwohl ich sie dir eben quasi ins Gesicht gehalten habe." Automatisch senke ich den Blick. In Petras Dekolletee gibt es tatsächlich eine Menge zu sehen. "Das heißt aber noch lange nicht, dass ich auf auf Keith stehe. Ich mag keine geschimkten Typen." Mag ich wirklich nicht. "Keith rennt doch nicht immer mit Schminke herum, oder?" Ich schüttle schwach den Kopf. "Außerdem waren deine Blicke vorhin vor dem Sendestudio eindeutig." Scheiße! Äh ... Aber Moment mal! "Ich hatte die Brille auf." "Ich meine nicht deine Blicke", trällert Petra leise. "Oh." "Ich verrate es niemanden." Sie zwinkert mir zu. "Das wäre nett", sage ich mich räuspernd. Dass ausgerechnet sowas passieren muss! Warum haben Frauen nur so eine verdammt gute Auffassungsgabe? "Ist es denn was Ernstes? ... Nur, wenn ich fragen darf." Mir wird ganz unwohl und mein Bauch fühlt sich an, als habe einer mit der Faust reingeschlagen. "Mir wäre es lieber, wenn wir das Thema wechseln", sage ich zu ihr. "Na schön. Schade. Ich stehe auf komplizierte Lovestorys." Komplizierte Lovestory ... Sie weiß gar nicht, wie treffend diese Bezeichnung ist. Wenigstens ist sie nicht mehr lange kompliziert. Um ein paar Momente zu haben, um nachdenken zu können, was ich jetzt tue, nachdem unser Geheimnis quasi gelüftet wurde, trinke ich hastig ein paar Schlucke Kaffee. Am besten, ich drehe den Spieß jetzt mal um, und frage Petra ein wenig aus. Als Ablenkung, sozusagen. "Wie kommt es eigentlich dazu, dass eine Hair-Stylistin am Empfang eines Radiosenders arbeitet?", möchte ich als erstes von ihr wissen. Sie sieht mich an, als wüsste sie von meinem Plan, antwortet dann aber. "Das ist ganz einfach", meint sie. "Ich brauchte dringend einen Job, fand aber keinen in der Branche. Es war Zufall, dass es mich hier her verschlug, und ich Reiner kennenlernte." "Reiner? Ist das dein Boss?" Petra nickt. "Dann hast du also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen." Sie lacht auf. "Sozusagen." "Und du willst nicht mehr in deinen alten Job?" "Wer sagt denn, dass ich nicht schon längst wieder als Hair-Stylistin arbeite?", grinst sie mich an. "Die Empfangsdame spiele ich hin und wieder an den Wochenenden. Aber auch nur, wenn jemand in den Sender kommt, den ich gerne mal treffen würde." "So wie Keith?", frage ich grinsend. "Genau." Petra zwirbelt das Papierfähnchen zwischen ihren Fingern. "Verstehe mich jetzt nicht falsch. Ich bin kein verrückter Groupie oder sowas." "Für einen verrückten Groupie habe ich dich auch gar nicht gehalten." Nur für eine sehr neugierige und verrückte Empfangsdame. "Ich meine ja nur. Ich entspreche wohl nicht ganz der Zielgruppe von ihm." "Hm...", mache ich und mustere Petra eingehend. "Du bist weder ein kreischendes Mädchen um die vierzehn, noch ein Junge, der gerade seine sexuelle Orientierung auslotet, also … Nein. Seiner Zielgruppe entsprichst du eher nicht." Wir lachen leise. "Aber das bedeutet ja nicht, dass man seine Musik nicht hören kann." "Stimmt. Obwohl die nicht immer meinen Geschmack trifft." Amen Schwester! Was die neuen Songs betrifft, kannst du allerdings nicht mitreden. "Weißt du, Keith hat was an sich, das mich einfach fasziniert. Seine Stimme ist bombastisch und seine Ausstrahlung zieht einen in den Bann. Das ist es, was ihn so erfolgreich macht. Nicht das ganze bunte Drumherum." Petra sieht auf einen unsichtbaren Punkt vor sich, strafft sich, und klopft mir aufs Bein. "Aber wem erzähle ich das? Das müsstest du ja wohl am besten wissen." Wieder ein Zwinkern. Und wieder wird es mir ganz flau im Magen. Zeit, wieder abzulenken. "Kann man bei euch eigentlich die Radiosendung mitverfolgen?" "Du meinst, ob hier vorn ein Radio steht?" Ich nicke. "Nein, aber ich habe Internet und einen PC", lacht Petra und steht auf. "Komm mit. Ich schalte es ein." *** Entgegen meiner Befürchtung, habe ich mich mit Petra wirklich gut amüsiert. Ungefähr die Hälfte der Sendung haben wir noch mitbekommen, haben über die Anrufer gelacht, die teilweise sehr merkwürdige Fragen gestellt, und dabei vor Aufregung stellenweise gar kein Wort rausbekommen haben. Meilo ließ alles souverän über sich ergehen, blieb freundlich und scherzte mit dem Moderator. Alles in allem also gar kein so schlechter Tag. Jedenfalls für mich. Wie es für Meilo aussieht, weiß ich noch nicht. Während der Interviewpausen, in denen Musik lief, haben wir uns noch weiter miteinander unterhalten. Inzwischen glaube ich ihr, dass sie von ihrer Ahnung, dass Meilo und ich was am Laufen haben, niemanden etwas verraten wird. Sie erzählte mir von ihrer Anfangszeit hier, als sie als eine Art Mädchen für alles eingestellt worden ist. Doch als sie und Reiner sich näher gekommen sind, zerriss man sich schnell das Maul über die beiden. Sie wolle sich bloß hochschlafen, und solcherlei Tratsch ging hinter ihrem Rücken herum. "Ich war so froh, dass ich dann eine Stelle in einen Frisörsalon bekommen habe", sagte sie abschließend. "Es war echt furchtbar und bedrückend, dass schlecht über unsere Beziehung geredet wurde. Und für jemanden wie Keith, der so in der Öffentlichkeit steht, muss das noch ein vielfaches furchtbarer sein. Deswegen verstehe ich es, wenn man sowas nicht öffentlich breittretet." Vielleicht mag es verrückt klingen, aber ich glaube ihr. Aus diesem Grund bin ich in ihrer Gegenwart auch viel entspannter, als noch vor einer Stunde. Trotzdem passe ich peinlich genau auf, dass mir nichts verräterisches über die Lippen kommt, denn Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, wie man bekanntlich weiß. "Noch einen Kaffee?" Petra wedelt mit meiner Tasse. "Nein danke. Keith müsste bald auftauchen." Petra schmollt. "Was denn?" "Na ja", trugst sie herum. "Wenn du noch eine Tasse trinken würdest, müsstet ihr doch sicher noch etwas länger bleiben ..." "Hinterhältiges Biest", feixe ich. "Na schön. Kaffee her." "Supi!" Sie springt auf und füllt mir nach. "Ich kann aber nicht garantieren, dass ich ihn noch austrinken darf." Gerd wird das sicher nicht gefallen. Deshalb: "Mach die Tasse schön voll." "Das hatte ich auch vor." Hinten im Gang geht die Tür zum Studio auf. Lautes Geplapper. Der Moderator schüttelt Meilo die Hand, spricht noch einige Worte mit ihm, dann entlässt er ihn. Gerd bleibt noch bei ihm stehen, während Meilo mit ausladenden Schritten auf mich zu kommt. "Auch einen Kaffee?", frage ich ihn. "Kaffee?" Meilo runzelt die Stirn. Sicher denkt er, ich würde so schnell wie möglich von hier weg wollen. "Ja. Der ist gut." Ich sehe ihn eindringlich an. "Okay ... Ich nehme einen." "Supi", imitiere ich Petra. "Noch eine Tasse", richte ich mich an sie. Sie lächelt selig und holt eine Tasse aus dem Schrank. "Nic?", flüstert Meilo mir zu und guckt mich fragend an. "Komm mit. Setzen wir uns." Ich nicke mit dem Kopf zu der kleinen Bank neben dem Empfang. Zögernd folgt er mir. "Was soll das?" "Gerd ärgern", wispere ich leise, ziehe die Sonnenbrille wieder runter und tue ganz lässig. Meilos Manager stampft just in diesem Moment auf uns zu. "Wir müssen los", blafft er auch schon. "Hier. Bitte sehr. Ihr Kaffee." Petra taucht im genau richtigen Moment auf und reicht Meilo den bestellten Kaffee. Entspannt lehne ich mich zurück und genieße das bittere Getränk. Gerd droht innerlich zu zerplatzen, so stelle ich ihn mir jedenfalls vor. Ganz weit weg von der Wahrheit ist das hundert pro nicht. "Keith? Wir haben noch Termine." "Heute noch?", frage ich ruhig. "Sagtest du nicht, bis auf das Radiointerview wäre heute nichts?" "Stimmt. Gerd muss sich vertan haben", bestätigt Meilo. Kawoom! Gertilein feuert giftige Blicke auf mich ab. Geb's auf. Die wirken auch jetzt nicht bei mir. "Gut. Wir haben gleich noch einiges zu besprechen", erwähne ich ganz nebenbei. Gerd sieht immer wütender aus. "Noch fünf Minuten", bellt er schließlich. "Dann müssen wir los. Ich habe auch nicht den ganzen Tag Zeit. Ich warte im Auto." Und weg ist er. Ich atme laut aus. "War der schon immer so?" "Nein. Erst seit ... Du weißt schon." Ich nicke wissend. Dass Keith bald verscheiden wird, sollte er besser nicht in einem Radiostudio erwähnen. Das schlechte Gewissen sucht mich heim. Nein, nicht wegen Gerd. Wegen Meilo. "Sag jetzt bitte nicht, dass er dich wegen dem hier in irgendeiner Weise piesacken wird", flüstere ich ihm zu. "Das wird er nicht", winkt Meilo ab. "Dazu hat er gar keine Zeit mehr." Mein Schatz lächelt mich an. Ich schmelze dahin … Jemand räuspert sich in unserer unmittelbaren Nähe. Petra! Sie steht vor uns und grinst sich einen ab. Ich bin über ihr Erscheinen nicht halb so erschrocken wie Meilo. "Siehst du jetzt, was ich meine Logan?", fragt Petra mich kichernd. Meilo wird immer blasser. "Ihr müsst wirklich besser aufpassen, dass das mit euch nicht rauskommt." Nach den ersten Schrecksekunden wirbelt Meilos Kopf zu mir. Ihm fallen fast die Augen raus. "Guck mich nicht an. Ich trage eine Sonnenbrille." Ich deute auf mein schickes Brillengestell. "Du bist derjenige, der mir in aller Öffentlichkeit schöne Augen macht." In aller Öffentlichkeit ist eventuell zu viel gesagt, aber sei es drum. "Hast du es ihr gesagt?" "Ich habe gar nichts gesagt. Petra hat das ganz von selbst herausgefunden." Obwohl ich zugeben muss, uns an meiner Reaktion vorhin doch irgendwie verraten gehabt zu haben. "Eure gegenseitigen Blicke sagen mehr als tausend Worte", lacht Petra. Meilo schluckt hart und macht den Eindruck, als wolle er am liebsten sofort flüchten. "Ganz ruhig Keith", versuche ich ihn zu beruhigen. "Niemand erfährt etwas." "Ehrenwort", schwört Petra und hebt die rechte Hand. "Euer Geheimnis ist bei mir sicher." Mein Schatz scheint nicht überzeugt. Er sieht merkwürdig aus. Seine Augen irren durch den Raum und von seiner Blässe ist auch nichts mehr zu sehen. Auf einmal steht er ruckartig auf, stellt die Tasse am Empfang ab und ruft mich zu sich. Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie er aus der Tür verschwunden ist. "Scheiße", murmelt Petra. "Ich hab's verbockt." "Ach, keine Sorge. Solange du nichts sagst, hetzt er auch nicht seine Anwälte auf dich." "Sehr beruhigend", seufzt sie. "Geh ihm lieber nach." "Bin schon auf den Weg." Auch ich stehe auf, stelle die Tasse neben Meilos und drücke Petra kurz an mich. "Mach's gut. War schön dich kennenzulernen." "Dito." Nochmal angelächelt, sehe ich zu, dass ich hinter Meilo her komme. Draußen kann ich ihn nirgends sehen, weshalb ich ihm im Auto vermute. Ich behalte Recht. Weil Gerd auch mit im Auto sitzt, kann ich nichts zu Meilo sagen, doch seine Anspannung ist fast greifbar. Als wir losfahren, nachdem Gerd mir im Rückspiegel noch einen weiteren feindseligen Blick zugeworfen hat, werde ich mit jedem gefahrenen Meter nervöser. Diesmal weiß ich, dass Meilo sauer auf mich ist. So verbissen, wie er nach vorn schaut, sich noch nicht mal um seine Fan schert, die immer noch vorm Radiosender ausharren und hysterisch loskreischen, als wir an ihnen vorbeifahren, ist das nur zu offensichtlich. Während der Fahrt lege ich mir ein paar Erklärungen zurecht, versuche Worte zu finden, die ihn überzeugen, dass Petra nichts ausschwatzt, aber so recht will mir nichts einfallen. Im Grunde könnte sie jetzt, in diesem Moment, überall breittreten, dass Keiht Kandyce einen schwulen Lover hat. Mir wird heiß. Das wird sie nicht tun. Aber was wäre, wenn doch? ... "Einen schönen Tag euch noch", zischt Gerd, als wir endlich vor Meilos Wohnung stehen und aussteigen. Meilo erwidert nichts, sondern verschwindet umgehend im Hausflur, ich eile abermals hinter her. Ich schaffe es noch gerade so, in den Aufzug zu schlüpfen, bevor sich dessen Türen schließen. Ich will gar nicht erst nachfragen, ob Meilo mir die Türen aufgehalten hätte, falls ich es nicht mehr rechtzeitig gepackt hätte. Meine Nerven liegen Mittlerweile blank. Unruhig warte ich, dass Meilo was sagt, aber das tut er nicht. Auch nicht, als er seine Wohnungstür aufschließt, eintritt, und seinen Mantel aufhängt. Während ich meine Jacke aufhänge, läuft er mir wieder davon. Im Esszimmer finde ich ihn. Er steht angelehnt an dem Esstisch und schaut aus dem Fenster. Ich räuspere mich. "Meilo?" Er reagiert nicht. Ich werde immer nervöser. "Es tut mir leid", wispere ich. "Ich hätte Petra irgendeine Lüge auftischen, und sie nicht mehr beachten sollen. Aber ich war so erschrocken darüber, dass sie gemerkt hat, das da was zwischen uns ist, dass ich nicht reagieren konnte." Langsam dreht Meilo sein Gesicht zu mir. Nichts in seinem Blick verrät, was er gerade denkt, und das macht mir ziemlich Angst. "Was meinst du?", fragt er mich plötzlich. Meine Stirn legt sich in Falten. "Was ich meine?" Er nickt. "Die Sache mit Petra. Dass sie Bescheid weiß. Über dich und mich." "Und wieso tut dir das leid?" Bin ich im falschen Film, oder was? "Du bist doch sauer deswegen, oder?" "Auf Petra?" "Nein auf mich!" "Bin ich nicht." "Nein?" "Nein." "Und warum spielst du stummer Fisch und siehst mich nicht mal mehr mit dem Hintern an?" Ich dreht gleich durch! "Ich war in Gedanken." "In Gedanken", hauche ich ungläubig. "Hmhm." Meilo stößt sich vom Tisch ab und überbrückt die wenigen Meter, die uns voneinander trennen. Eine seiner Hände schiebt sich in meinen Nacken, und dann liegen auf einmal seine Lippen auf meinen. Ich bin zu überrumpelt, um den Kuss zu erwidern. "Was war denn das?", japse ich anschließend. "Na wenn du das nicht weißt ...", grinst er. "Mensch Meilo! Sag mir jetzt, verdammt nochmal, was eben mit dir war!" Ich dreh hier noch durch! Der Kerl macht mich sprichwörtlich wahnsinnig! "Ich steh hier und hab eine scheiß Angst, weil ich dachte, du machst dir tierische Sorgen darüber, dass jemand von uns erfahren könnte und mir dafür die Schuld gibst, und dann knutschst du mich einfach?" Kann sein, dass ich ein klitzekleines bisschen überreagiere, aber seht es mir nach. Eben noch ging mir der Arsch auf Grundeis, und jetzt erfahre ich, dass ich dafür anscheinend gar keinen Grund hatte. Ich bin leicht stinkig! "Du hattest Angst?" "Ja, verdammt!" Sauer verschränke ich die Arme vor der Brust. "Du bist wie von der Tarantel gestochen aus dem Radiosender geflohen und hast mich im Auto nicht mehr beachtet. Klar habe ich Angst!" "Das tut mir furchtbar leid. Das wollte ich nicht." Nun steht wieder mein alter, treudoofer Freund vor mir, und es ist egal, dass er noch so aussieht wie ein glitzerndes Transen-Popsternchen. "Ich bin nicht aus dem Sender geflohen, weil ich sauer auf dich war, oder weil ich Angst hatte, dass diese Frau uns verrät." "Warum dann?" "Weil ich fast geplatzt wäre." Mir fällt alles aus dem Gesicht. "Geplatzt?!", schnaufe ich. "Ja. Geplatzt." "Wieso? Ist dir der Kaffee nicht bekommen?" Meilo lacht schief. "Von dem Kaffee habe ich kaum was getrunken", winkt er ab. "Das weiß ich. Das sollte auch bloß ein Scherz sein." Unruhig tippe ich mit dem linken Fuß auf den Fußboden. "Gut, ich gebe zu, anfangs war ich erschrocken darüber, dass ich so unvorsichtig war, und diese Frau am Empfang etwas bemerkt hat." "Petra." "Was?" "Diese Frau heißt Petra und sie ist wirklich nett." Ich wollte es nur nochmal erwähnt haben. "Okay, die nette Petra eben", schmunzelt Meilo. "Als der erste Schreck allerdings überwunden war, da ... ich weiß auch nicht. Es fühlte sich kurz so an, als wäre es endlich vorbei." "Was wäre endlich vorbei?", frage ich perplex nach. "Dieses ganze Versteckspiel. Ich war kurz davor es einfach laut hinauszuschreien, verstehst du?" Ehrlich gesagt, verstehe ich gerade rein gar nichts mehr. Ich schüttle den Kopf. "Was wolltest du hinausschreien?" "Na das ich dich liebe, du Dussel!" Arme legen sich um meine Taille. "Das ich dich liebe, mit dir zusammen bin, dass wir uns ein Haus kaufen wollen, heiraten ... einfach alles." Mein Mund wird trocken und fusselig. Ich starre Meilo in die grünen Augen, die noch grüner zu strahlen scheinen, als sie es ohnehin schon tun. Unten, in meinem Bauch, scheinen abertausende Schmetterlinge zu schlüpfen. Dieser Mann ist doch wirklich ... unfassbar! "Und als mir bewusst wurde, was ich damit vielleicht ins Rollen bringe, habe ich mich zusammengerissen, bin aufgestanden und schnurstracks ins Auto gestiegen." "Das war's?", frage ich ihn noch immer leicht ungläubig. "Du warst gar nicht sauer oder besorgt über Petra, dass sie das mit uns in der Öffentlichkeit hinausposaunt?" "Nein. Und wenn schon. Soll sie doch. Bis das anläuft bin ich schon aus dem Vertrag." Nun schlägt mein Unterkiefer vollends auf den Boden auf. Jedoch eins muss noch geklärt werden. "Und das im Auto? Warum hast du mich nicht beachtet?" "Erklärt sich das nicht von selbst?" Ich verneine. "Wenn schon dieser Petra meine Blicke dir gegenüber aufgefallen ist, dann wird es Gerd sicher auch auffallen. Falls sie es nicht längst schon sind ..." "Oh Shit!" Bloß nicht! "Meinst du, er ahnt doch was?" "Keine Ahnung. Und wenn schon. Ist mir egal. Solange es nicht zu offensichtlich ist, wird er schon die Füße still halten. Hat er bei Benedikt ja auch." Ich atme tief ein und lehne mich mit der Stirn gegen Meilos Schulter. "Was für ein Tag. Ich bin dieses Wochenende sicher um zehn Jahre gealtert." Meilo lacht leise und drückt ich fest an sich. "Meilo? Du bist echt gagga", schnaufe ich grinsend. "Manchmal schon", schmunzelt er. "Daran bist du aber meist nicht ganz unschuldig dran." "Dachte ich mir schon. Anders herum ist es übrigens genau so." "Solange es nichts schlimmeres ist", lacht mein Schatz und lässt mich wieder los. "Was meinst du? Bestellen wir uns noch was leckeres zu Essen auf Kosten meiner Plattenfirma, bevor du wieder nach Hause fährst?" "Erinnere mich nicht an die Rückfahrt", jammere ich. "Aber ja. Bestellen wir uns noch was." "Klasse! Ich hole die Karten." Hoffentlich braucht der Lieferdienst ganz lange mit dem Liefern. *** "Komm gut Zuhause an." "Werde ich", antworte ich und versuche zu lächeln. Dass das nicht so klappt, wie ich das gern hätte, dürfte nicht überraschen. Noch einmal drückt mich Meilo fest an sich. Meine Finger, die auf seinem Rücken liegen, krallen sich in seinen Mantel. "Versuch dich nicht allzu sehr stressen zu lassen, okay?" Ein vermessener Wunsch, aber was soll ich sonst sagen? "Ich probiere es. Und falls der Stress doch zuschlägt, denke ich einfach an dich und unser baldiges Zuhause." "Genau. Und daran, dass wir uns in elf Tagen wiedersehen, wenn du wieder du selbst sein darfst." Ich werde leicht euphorisch, als ich mir diese Tatsache wieder wachrufe. Nicht mehr lange, und wir sind diese dicken Keith Kandyce Fesseln los! "Ich freue mich schon so darauf", flüstert Meilo und lässt mich zögernd los. "Ich mich auch." Ein eisiger Wind zieht auf. Ich schlage meinen Kragen höher und fummle mit klammen Fingern meine Autoschlüssel aus der Jackentasche. "Danke, dass du da warst." "Immer wieder gern", scherze ich, lege meine Arme um Meilos Nacken und küsse ihn noch einmal zum Abschied. "Geh besser schnell wieder rein. Es sieht aus, als kommt da gleich was runter." Dunkelblaue Wolken ziehen über den Himmel. Richtig ekeliges Winterwetter. "Wir hören uns." "Tun wir", nickt Meilo. Ihn loszulassen, und zu wissen, dass wir uns die kommenden Tage nicht mehr sehen, ist jedes Mal aufs Neue ein furchtbares Gefühl. Deswegen mache ich es kurz und schmerzlos, drücke die Zentralverriegelung auf und steige schnell ein. Meilo läuft rüber auf die andere Straßenseite und winkt mir zu, während ich langsam aus der Parklücke rolle. Nochmal winken, und weg bin ich. Ich atme tief ein. "Das ist das letzte Mal", sage ich zu mir. Das letzte Mal, dass wir uns trennen müssen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf, geht es mir schon wieder etwas besser. Bleibt zu hoffen, dass es Meilo auch so geht und er sich während der letzten Tage nicht unterkriegen lässt. Aber wenn wir die letzten Monate schon geschafft haben, dann schaffen wir die letzten paar Tage auch noch. Ganz sicher. Vor einer roten Ampel bleibe ich stehen. Ich schalte das Radio an, starte den Sendersuchlauf und muss nicht lange warten, bis Musik aus den Lautsprechern trällert. Sofort singe ich gut gelaunt mit. "You had your time, you had the power you've yet to have your finest hour radio. All we hear is radio ga ga."* ****** * Natürlich ist das ein Song von Queen ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)