My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 53 - Irgendwas ist doch immer --------------------------------------- Ahoi-hoi. Dachte gerade so bei mir, hau doch noch ein Kapitel raus. Ich hab erst überlegt, ob ich nicht doch schon mal die ersten beiden Kapitel von der geplanten Adventsstory hochladen soll, aber ich will das Ding dann doch lieber erstmal nochmal komplett durchackern. Dann gibt’s eben ein paar Knutschflecke, dachte ich so bei mir xD Ich allen viel Spaß mit Kapitel 53 ^^ *bussi* Love bite 53 - Irgendwas ist doch immer Seufzend studiere ich zum wiederholten Mal den Kalender. Morgen muss ich von dreizehn bis achtzehn Uhr arbeiten. "Shit!" Ich kaue mir unschlüssig auf der Unterlippe herum. Ob ich ihn anrufen soll? Er bleibt meine letzte Möglichkeit. Eigentlich wollte ich das vermeiden, aber mir bleibt keine andere Wahl. Nicht, wenn es klappen soll, und das muss es. Unbedingt! Ich nehme mein Handy in die Hand. Oh, das wird mich nächstes Jahr eine Menge Tage kosten! Doch das ist immer noch besser, als die Alternative. In der Anruferliste habe ich ihn schnell gefunden. Drauf geklickt, es tutet. /Nic!/ "Hallo Clem." /Den gestrigen Abend schon verdaut?/ "Ja", antworte ich. Clem wird hellhörig. /Oh je. Wo drückt diesmal der Schuh?/, fragt er mich belustigt. Wieder seufze ich. "Du weißt, warum ich anrufe?" /Klar/, meint er und schmatzt in meine Ohrmuschel. Der Kerl futtert! Wehe, es sind die Reste von dem sau leckeren Ratatouille! Mein Magen meldet sich, als ich an das leckere Zeug denke, aber ich ignoriere ihn. Seit heute Morgen tue ich das schon. Ich bekomme einfach keinen Bissen runter. /Du rufst eigentlich nur an, wenn du mich bitten willst, für dich einzuspringen./ Das schlechte Gewissen meldet sich. Bin ich wirklich so egoistisch, dass ich Clem nur anrufe, wenn ich etwas von ihm möchte? Bin ich, meint mein Gewissen. Daran ändert auch der zugegebenermaßen schöne Abend mit Clem und Kilian nichts. Ich sollte die beiden mal zu uns einladen, sobald wir umgezogen sind. Meilo und meinen Ex halten wir dann eben mit Eisenketten von einander fern. "Ich mache es wieder gut", schwöre ich ihm. "Wirklich!" /Kein Ding. Solange du mich an Weihnachten nicht hängen lässt./ "Niemals! Du kannst dich auf mich verlassen!" An Weihnachten habe ich ja sowieso nichts besseres zu tun, als zu arbeiten. /Cooljo. Also? Von wann bis wann?/ "Morgen von dreizehn bis achtzehn Uhr." /Hm .../, macht er nachdenklich und mir rutscht das Herz in die Hose. Bitte sag jetzt nicht, dass du was vor hast! /Dreizehn Uhr. Das wird knapp./ Oh nein! "Ich habe mit Ricco gesprochen. Er könnte bis kurz vor zwei." Ricco ist eine Aushilfe, die KP zusätzlich vor dem Weihnachtsgeschäft eingestellt hat. Eine sehr weise Entscheidung, wie sich gerade herausstellt. /Wenn das so ist, dann geht's./ "Super! Danke Clem! Du bist ein Schatz!" /Lass das nicht Kilian hören/, lacht er. /Sag aber Ricco noch Bescheid, ja?/ "Mach ich! Sofort." /Okay. Dann wünsche ich dir viel Spaß mit deiner besseren Hälfte./ "Werde ich haben." Hoffe ich. "Tschau." /Bye bye mein Schnucki./ Aufgelegt. Ich puste laut durch meine Lippen. "Das wäre geschafft." Jetzt muss nur noch alles andere klappen. Nachdem ich Ricco gemailt habe, dass Clem für mich einspringt, vielleicht aber etwas später kommt, und er mir sein Okay gegeben hat, laufe ich in die Küche. Keiner Zuhause. Meine Mutter hilft ehrenamtlich im Altenheim und backt mit den Bewohnern Weihnachtsplätzchen. Papa muss mithelfen. Der Arme. Er tut mir gar nicht leid. Nicole hängt bei einer ihrer Freundinnen herum und ich, ich renne seit gestern Abend, nach dem Essen bei Clem und Kilian, mit argen Bauchschmerzen und übersprudelnden Gedanken durch die Gegend. Sie halten immer noch an, obwohl ich gehofft hatte, dass sie sich verziehen, sobald ich jemanden gefunden habe, der morgen für mich im Weinkeller einspringt. Doch nix is. Sie sind noch da, triezen mich, treiben mich zur Eile an, und sie haben recht. Ich muss mich beeilen! "Koffer packen", sage ich zu mir selbst und eile wieder in mein Zimmer. Was ich eigentlich in der Küche wollte? Woher soll ich das wissen? Mein Kopf ist mit anderen Dingen beschäftigt. Nämlich mit Meilo, dem es schlecht geht. So schlecht, dass ich gestern Abend einen riesigen Schrecken am Telefon bekommen hatte, als wir miteinander telefoniert haben. /Sie haben noch einen Videodreh dazwischen gequetscht/, erklärte er mir mit tonloser Stimme. /Mein einziger freier Tag ist damit auch gestrichen./ "Aber das können sie doch nicht tun!", rief ich aufgebracht. /Doch, können sie. Kohle will verdient werden. Erst recht, wenn die Quelle dafür bald versiegt ist./ Ich kann euch gar nicht sagen, wie wütend ich auf diese verfluchte Plattenfirma wurde! Ich musste mich beherrschen, damit ich nicht zu laut redete, und somit das halbe Haus aus den Träumen riss. Meilo hörte sich so müde, so kaputt an, dass es mir das Herz brach. "Und wie lange geht der Dreh?", wollte ich von ihm wissen, nachdem ich meine Wut wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, was sehr, sehr schwer war. /Von Donnerstag bis Samstag. Und dazwischen sind noch Interviewtermine./ Meilo tat mir so leid! So viel Stress, weil er von Morgens bis Abends Arbeiten, und von einem Termin zum nächsten hetzen musste, und nun auch noch dieser verfluchte Videodreh. Ich musste handeln! Ich erinnerte mich daran, was ich mir letztens geschworen hatte, unten im Keller, als ich Meilos und Mamas Gespräch belauscht habe. Dass ich bis zum Jahres Ende besonders auf Meilo achten werde, egal wie sich das bewerkstelligen lässt, ich passe auf ihn auf. Das habe ich ja auch Doro versprochen, und ich gedenke dieses Versprechen auch zu halten. Und nun ist es soweit. Schon eher als gedacht. Deshalb der Anruf bei Clem. Ich werde zu ihm fahren, komme was wolle, ihm den Rücken stärken, und zwar auf der Stelle! Ich werfe ein paar Kleidungsstücke in meine Reisetasche, renne ins Badezimmer und packe auch dort alles Wichtige, was ich für die kommenden Tage benötige, zusammen. Als ich die Tasche schließen möchte, halte ich jedoch inne. Ob Logan Wittmen mitfahren soll? Ich bin nicht gerade scharf drauf, als Niclas beim Videodreh aufzutauchen, falls ich mich überhaupt dort blicken lassen werde. Kommt ganz auf Meilo an. Außerdem könnte ich auf diesem Wege Gerd gleich nochmal klar machen, dass Meilo Keith Kandyce lebe wohl sagen wird. Dann mal nichts wie her mit meiner Verkleidung! Fertig gepackt, rausche ich hinaus in den Flur. Kurz vor Wohnungstür fällt mir wieder ein, was ich in der Küche wollte. Meinen Eltern eine Notiz an den Kühlschrank hängen, dass ich zu Meilo unterwegs bin. Ich schlage mir innerlich gegen die Stirn. Beinahe hätte ich das vergessen! Dies auch erledigt und alles im Auto verstaut, fällt mir jedoch auf, dass ich gar nicht genau weiß, wo Meilo gerade steckt. Ich weiß nur soviel, dass er in Berlin ist. Diesmal in keinem Hotel, denn er wohnt ja in unserer Hauptstadt. Logisch habe ich seine Wohnadresse, aber das dürfte mir auch nicht viel nutzen, denn wer soll mich in die Wohnung lassen, wenn niemand da ist? Wo der Videodreh stattfindet, hat er mir nicht gesagt, und ihn jetzt anzurufen und zu fragen wäre zwecklos. Während der Arbeit hat er sein Handy auf lautlos gestellt und mir bliebe nur, auf seine Mailbox zu sprechen, oder ihm eine SMS zu schreiben. Da ich aber keine anderen Alternativen habe, gebe ich schlussendlich Meilos Wohnadresse ein. Fahren wir erstmal dorthin. Alles weitere klärt sich dann schon, hoffe ich. Und wenn alle Stricke reißen, suche ich mir ein nettes Café, in dem ich auf Meilos Rückruf warten kann. Eigentlich kein schlechter Plan, finde ich. *** "Oh das gibt's doch nicht. Fahr los, du Volltrottel!" Am liebsten würde ich ins Lenkrad beißen vor Zorn. Findet in Berlin mal einen freien Parkplatz! Und falls man mal einen findet, dann kommt so ein Arschloch vorbei, und schnappt ihn einem vor der Nase weg. Das ist mir heute schon drei mal passiert. "Arsch!", brülle ich und sause an der vergebenen Parklücke vorbei. Ich hab's satt! Diese ganze Stadt kotzt mich an! Ich weiß, dass die Stadt dafür nichts kann. Und höchstwahrscheinlich gibt's in allen größeren Städten akuten Parkplatzmangel, aber das hier ist die Stadt, in der Meilo zur Zeit quasi gefangen ist. Und das macht sie für mich mehr als unsympathisch. Einfach alles hier bringt mich auf die Palme. Ich setze den Blinker und versuche es in der angrenzenden Straße nochmal. Ein Blick in den Rückspiegel, diesmal folgt mir keiner. Vielleicht habe ich ja dieses mal Glück. Langsam tuckere ich an der Reihe parkender Autos vorbei und "Bingo!" Drei Autos weiter leuchten Rückscheinwerfer auf. Ich halte an, setzte den Blinker. Das ist meiner! Und tatsächlich. Als der Wagen rausgefahren ist, stehe ich sofort in der freien Lücke. Sieg! Eine Fanfare bitte. Froh, den Motor endlich ausstellen zu können, atme ich tief durch, ehe ich aussteige und mich umschaue. Durch die Herumsucherei habe ich leicht die Orientierung verloren, aber ich werde das Haus schon wieder finden. Hab mir die Fassade gemerkt. Mit den Händen in den Hosentaschen, die Nase in meinem warmen Schal vergraben, latsche ich los. Nach einem kleinen Irrweg (ich bin eine Straße zu weit gelaufen, und musste sie wieder zurückgehen), stehe ich endlich vor dem hohen Gebäude, in dem Meilos Wohnung liegt. Nobel, nobel. Ich mag gar nicht wissen, was das Ding an Miete kostet. Aber das bezahlt ja alles die Plattenfirma. Sollen die ruhig ordentlich für eine Bude blechen, in der Meilo so gut wie nie ist. Trottel! Verdient haben sie es. Ich stelle mich in den kleinen Hausaufgang und lese die Klingelschilder. Und da steht er! M. Haug. Oberste Etage. Aus einer Laune heraus klingle ich, bekomme aber keine Antwort, was mir schon im Vornherein klar war. Es ist gerade mal halb fünf. Meilo ist sicher noch unterwegs. Fröstelnd schaue ich mich um. Gibt es hier irgendwo ein Café? Ich meine, vorhin bin ich an einem vorbeigefahren. Finden wir es heraus. Ich marschiere einfach den Gehweg weiter entlang. Irgendwas wird sich schon finden. Ein paar Modeläden reihen sich aneinander, aber kein Café, doch in einer Seitenstraße entdecke ich einen Bäcker, der noch geöffnet hat. Als ich hineinspähe, sehe ich eine kleine Sitzecke mit noch freien Plätzen. Na das ist doch schon mal was. Und die Torten sehen auch verdammt lecker aus. Mein Magen scheint endlich wieder aufnahmebereit zu sein. Drinnen suche ich mir ein lauschiges Plätzchen, bestelle mir einen Kaffee und ein Stück Erdbeersahnetorte. Während ich darauf warte, zücke ich mein Handy. Anrufen oder eine SMS? Ich entscheide mich für die SMS. *Ruf mich bitte an, sobald du Zeit hast. Ist dringend*, schreibe ich Meilo. Als sie verschickt ist, ärgere ich mich jedoch. Das Wörtchen dringend hätte ich weglassen sollen. Sehr ärgerlich, aber jetzt ist es zu spät. Mein Handy wandert vor mir auf den Tisch, um es schnell greifbar zu haben, wenn Meilo sich meldet. Nachdem ich meine Torte und den Kaffee serviert bekommen habe, lasse ich es mir schmecken, wobei ich mir viel Zeit lasse. Genug davon habe ich ja. Vor sechs Uhr rechne ich mit keiner Antwort von meinem Liebsten. Hm ... "Entschuldigen Sie?", richte ich mich an eine der Verkäuferinnen. "Wie lange habe Sie geöffnet?" "Bis achtzehn Uhr", antwortet sie mir, was ich mir schon gedacht habe. Mist! Dann muss ich mir ein anderes warmes Plätzchen zum Warten suchen. Aber nun gut. Vielleicht meldet sich Meilo ja schon eher, und ich kann zu ihm fahren. Obwohl ich ja dann meinen hart umkämpften Parkplatz aufgeben müsste. Irgendwas ist doch immer. Ein Tortenstück und zwei Tassen Kaffee später, fühle ich mich angenehm träge. Die Wärme hier drinnen trägt ihr Übriges dazu bei. Ich schaue auf die große Uhr über der Theke. In zehn Minuten muss ich hier raus sein. Och Meilo! Schau doch bitte mal auf dein Handy! Und als hätte er meine Gedanken gehört, piepst meins plötzlich. Eine SMS von meinem Schatz! *Ich bin gleich auf dem Heimweg. Reicht es, wenn ich dich von meiner Wohnung aus anrufe? Dauert so ca. eine halbe Stunde.* 'Ne halbe Stunde bloß? Oh yes! *Klar, das reicht. Bis nachher.* Und senden. Das lief ja besser als gedacht! Ich stehe auf und gehe rüber zur Bedientheke, um meine Rechnung zu begleichen. Nachdem auch das erledigt ist, frage ich, ob es hier irgendwo einen Italiener oder ein ähnliches Restaurant gibt. "Die Straße weiter, bis zur nächsten Kreuzung, dann rechts. Dort gibt es einen kleinen Griechen", erklärt mir die Verkäuferin. "Perfekt", strahle ich sie an. Sie blinzelt verlegen und lächelt süßlich. Meine Mundwinkel fallen wieder nach unten. Ich sollte meine Gefühlsausbrüche zügeln, bis ich wieder mit Meilo vereint bin, glaube ich. Auf flirtende Konditorinnen kann ich bestens verzichten. Wenigstens erweist sich ihr Tipp mit dem Griechen als wertvoll. Ich finde ihn auf Anhieb und bestelle nach einem kurzen Blick in die Karte, zwei mal die griechische Spezialitätenplatte ohne Knoblauch. Meilo kann Knoblauch ja nicht leiden. Keine zwanzig Minuten später halte ich meine Bestellung in den Händen. Gut in Alufolie verpackt und bereit zu Meilo geschleppt zu werden. Ich gebe Vollgas, einerseits, weil ich zu Meilo will, und er inzwischen bald Zuhause sein müsste, und andererseits, damit das Essen nicht kalt wird. Außerdem muss ich noch meine Tasche aus dem Auto holen. Das erledigt, mache ich mich schnellstens wieder auf den Weg. Und wieder ist Meilos Timing heute fast erschreckend perfekt, denn als ich in Sichtweite von Meilos Wohnung bin, klingelt mein Handy. Umständlich krame ich es aus der Hosentasche. "Meilo?" /Hey Sweety/, meldet er sich bei mir. Wieder hört er sich müde und geschafft an. "Anstrengenden Tag gehabt?" /Und wie/, seufzt er. "Oh je. Hast du schon was gegessen?" /Nein. Keinen Hunger./ Das sagt er jetzt. "Das kannst du mir nicht antun!", poltere ich laut los. "Ich packe das nicht alleine." /Was?/ Ich kann förmlich sehen, wie Meilo die Stirn runzelt. /Wie meinst du das?/ Ich bleibe ihm eine Antwort schuldig und drücke stattdessen an seiner Türklingel. Gleich bin ich bei dir, mein Liebling! Ich höre, wie es oben bei Meilo läutet. "Besuch?", frage ich scheinheilig nach. /Eigentlich nicht/, wundert er sich. /Ich mach nicht auf. Bin nicht da./ WAS?! "Und was, wenn es etwas Wichtiges ist?" /Das kann nichts Wichtiges sein. Außerdem ist nichts wichtiger als du./ Das erwärmt zwar mein Herz, aber davon hat das langsam auskühlende Essen leider nichts. Und meine Füße, die sich mit jeder Sekunde mehr in einem Eisklumpen verwandeln, auch nicht. Ich klingle nochmal. Doch diesmal bleibt mein Finger auf dem kleinen Knopf liegen. /Verdammt noch eins!/, knurrt Meilo. /Was ist denn das für ein Spinner?/ "Hört sich wichtig an", sagt der Spinner an der Klingel unschuldig. "Guck doch schnell nach, wer das ist, und ruf mich danach zurück, ja?" /Na gut/, gibt mein Schatz sich geschlagen. /Der bekommt gleich was zu hören!/ "Mach ihm die Hölle heiß, mein Süßer." /Darauf kannst du wetten./ Ui! /Ich melde mich gleich wieder./ Oder auch nicht. "Tu das. Bis gleich." Ich lege auf, stecke das Handy weg und warte. Die Gegensprechanlage knackt. /WAS?/, kackt mich eine metallisch klingende Stimme, die nur entfernt an Meilo erinnert, an. "Hier ist der griechische Lieferdienst", säusle ich. "Ihre Bestellung ist da." /Ich hatte nichts bestellt./ "Vielleicht nicht mit Worten, aber ich spüre, wenn mein Verlobter mich braucht." Verlobter ... Ich habe mich immer noch nicht so recht dran gewöhnt. Es dauert ein paar Sekunden, bis Meilo schaltet. /Nic?/ "Eben der", lache ich. "Machst du mir jetzt endlich mal auf, oder soll ich vor der Tür essen?" Der Türöffner summt. "Dankeschön." /Achter Stock/, höre ich einen immer noch verwirrt klingenden Meilo sagen, ehe sich die Tür hinter mir wieder schließt. Ich stürme hinein, auf den Aufzug zu und drücke ungeduldig den Knopf. "Na komm schon!", flehe ich ihn an. "Beeil dich doch!" Als er da ist und die Türen sich öffnen, springe ich mit einem Satz hinein. Die Acht gedrückt, Türen zu, es geht aufwärts. Endlich angekommen, steht Meilo schon vor dem Aufzug und sieht mich so überrascht an, dass ich gar nicht anders kann, als loszulachen. "Du bist wirklich da", wispert er. "Na was denkst du denn? Dass ich dich hier alleine lasse, wenn es dir schlecht geht?" "Aber ich dachte, du musst arbeiten?" "Hab getauscht." "Ja, aber wie ..." "Meilo?", fahre ich ihm dazwischen. "Können wir in deine Wohnung? Das Essen wird sonst wirklich noch kalt." Ich halte die Tüte hoch, aber Meilo regt sich nicht. "Meilo? ... Meilo alles in Ordn... ung?!", japse ich, da er mir plötzlich um den Hals fällt. "Ich bin so froh, dass du hier bist", raunt er in mein Ohr. "Logisch bin ich hier", antworte ich mit kratziger Stimme. "Sobald du mich brauchst, bin ich bei dir. Ob du mich drum bittest, oder nicht." Ich streichle ihm sanft über die Schulter. "Jetzt lass uns aber langsam mal in die Wohnung gehen." Zögernd lässt er mich wieder los, behält jedoch meine linke Hand in seiner. "Ja ... klar." Ich muss hart schlucken, als ich in Meilos müdes Gesicht sehe. Es scheinen Welten zwischen unserem letzten Wiedersehen zu liegen, dabei waren es doch bloß zwei Tage! Was haben die nur mit ihm gemacht?! Meilo führt mich den hell beleuchteten Flur entlang, auf eine Tür zu. Ich bin wirklich gespannt, wie er lebt. Wenn er denn mal Zuhause ist und nicht in irgendwelchen Hotels. Er lässt mir den Vortritt und nimmt mir die Tüte ab. Neugierig schaue ich mich um. Ich stehe in einem relativ kleinen Flur mit Kommode und Garderobe, allerdings tut sich zwei Meter vor mir eine geräumige Wohnung auf. Eine ziemlich leere Wohnung und viele "Umzugskartons? Du hast schon gepackt?" Ich laufe weiter in den Raum hinein. "Ehrlich gesagt, habe ich das schon vor ein paar Monaten", erklärt er mir. "Und wirklich viel hatte ich vorher auch gar nicht ausgepackt. Zu wenig Zeit, zu wenig in Berlin." Wie furchtbar! Er hatte die letzten paar Jahre nie wirklich ein Zuhause, wenn man es recht bedenkt. Eigentlich kein Wunder, dass er sich gleich ein ganzes Haus kaufen möchte. "Nimmst du das alles mit ins Haus? Also, falls wir es überhaupt bekommen." "Nicht alles. Das Meiste spende ich. Ich brauche es nicht mehr." "Wie nobel", grinse ich und schmiege mich an ihn. "Wir haben uns noch gar nicht richtig begrüßt." "Wie konnte denn das passieren?" Glücklich beobachte ich, wie das gewohnte Leuchten in Meilos Augen zurückkehrt, und er wieder eine halbwegs normale Gesichtsfarbe bekommt. "Weiß nicht. Wir haben es wohl vergessen." "Schande über uns." "Aber echt ..." Ich schließe die Augen und erwidere Meilos Kuss. Sanft kraule ich ihm über den Rücken. Ich kann seine innere Anspannung regelrecht spüren. Darum muss ich mich nachher unbedingt kümmern. Wie gut, dass ich alles Wichtige dafür eingepackt habe. "Zeigst du mir jetzt deine Küche?", frage ich ihn, nachdem wir uns voneinander gelöst haben. "Von mir aus gern, aber da gibt es nicht mehr viel zu sehen." "Gabel und Messer wirst du doch hoffentlich noch da haben." "Ehh ... Irgendwo in einem Karton bestimmt." "Ups." Daran hätte ich vielleicht auch mal selbst denken können. "Dann müssen wir eben mit den Fingern essen", kichere ich und schnappe mir Meilos freie Hand. "Und wo ist nun die Küche?" *** Meilo hat dann doch noch Messer und Gabeln gefunden, und sogar zwei Teller. Nun hocken wir an einem riesigen Esstisch, der mitten im Wohnbereich steht, dahinter, in einer großen Nische, das Wohnzimmer. Direkt neben uns, ein bodentiefes Fenster mit Blick auf die Stadt inklusive Fernsehturm. "Eins muss ich zugeben, deine Bude hat eine mordsmäßige Aussicht", sage ich und schaue auf das Lichtermeer Berlins. "Ja, ganz nett", murmelt Meilo, der mir gegenüber sitzt. Berlin ist vergessen. Sofort hat er wieder meine volle Aufmerksamkeit. "Willst du dich auskotzen?", frage ich ihn und lege das Besteck weg. Ich kann nicht mehr. Mein Magen muss geschrumpft sein. Meilo sieht mich an und nickt kaum sichtbar. "Rate mal, mit wem das Video drehen muss?" Ich überlege angestrengt, passe dann allerdings. "Mit meinem Nachfolger. Jared." "Deinem Nachfolger? Der Kerl, der dich ersetzen soll?" Meilo nickt. "Die haben extra einen meiner neueren Songs neu abgemischt und angepasst, damit wir beide ihn singen können. Eingesungen haben wir ihn gestern, was Stunden gedauert hat, weil dieser verdammte Idiot keine Spur von Timing hat, aber das Selbstbewusstsein eines drei Meter großen Pfaus! Er meinte ständig auf dicke Hose machen zu müssen und versucht ständig mich auszuspielen." Das hört sich ja grauenhaft an! Ich hasse diesen Jared auf Anhieb. Der soll mir mal unter die Augen kommen. "Anfangs ignorierte ich ihn, doch das ist kaum möglich." "Kann ich mir denken." "Vielleicht liegt es auch nur daran, weil ich keinen Bock mehr auf das alles habe, denn früher hat es mir immer sehr viel Spaß gemacht, mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten. Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist es eine Kombi aus beidem." Ich schiebe meinen Stuhl zurück, stehe auf und gehe um den Tisch herum. Rittlings setze ich mich auf Meilos Schoß und lege meine Arme auf seine Schulter, während ich meine Stirn gegen seine lege. "Kann gut sein", erwidere ich. "Aber versuche dich deswegen nicht selbst runterzumachen, ja? Das gönnen wir diesen Idioten nicht." "Ich versuche es", sagt er, hört sich aber immer noch niedergeschlagen an. Dagegen muss ich was tun! "Soll ich morgen mitkommen?", frage ich ihn daher. "Ich habe meine Verkleidung dabei." "Logan?", fragt mich Meilo und bringt tatsächlich wieder ein kleines Lächeln zustande. "Eben der." "Den habe ich lange nicht mehr gesehen." "Ich weiß. Und er dich auch nicht." "Hm ... Wieso eigentlich nicht? Wenn du da bist, ist das Ganze eventuell auszuhalten." "Eventuell?!", empöre ich mich, lache aber. "Na lieben Dank auch!" "Du ahnst ja gar nicht, wie furchtbar ein Videodreh sein kann", meint Meilo. "Ganz, ganz furchtbar." "Dann denke nicht mehr darüber nach. Heute Abend ist arbeitsfreie Zone. Deswegen bin ich nämlich hier." Ich stehe wieder auf und halte Meilo die Hand hin. "Zeigst du mir jetzt dein Schlafzimmer, oder muss ich es suchen gehen?" Meilo grinst verschmitzt. Erleichtert grinse ich zurück. "Warum eigentlich nicht?", fragt er frech und ergreift meine Hand. "Geh es suchen und ich folge dir." "Okay, aber du trägst meine Tasche." "Muss das sein?" "Jepp. Darin habe ich feine Sachen für dich verstaut." Dem kann mein neugieriger Meilo natürlich nicht widerstehen. Nachdem er meine Tasche in Beschlag genommen hat, gehe ich auf die Suche nach Meilos Schlafzimmer. Da ich schon weiß, wo die Küche ist, bleiben nicht viele Möglichkeiten. Der relativ kleine Flur, von wo aus man in den großen Wohnbereich kommt, geht nach dem Wohnbereich weiter. Er ist länger, und auch breiter. Dort gehen drei Türen ab. Eine links, eine rechts, die Dritte geradeaus am Flurende. Schwer wird es nicht, das Schlafzimmer zu finden, denn ich tippe mal, dass die Tür am Flurende das Schlafzimmer beherbergt. Dennoch öffne ich zuerst die rechte Tür. "Eine Rumpelkammer", kommentiere ich das Zimmer, das ungefähr so groß ist, wie meins in meinem Elternhaus. Auch hier nur Kartons. "Das hatte ich mal als Gästezimmer vorgesehen, aber es endete als ..." "Rumpelkammer", falle ich Meilo ins Wort. "Als Abstellraum für meine Umzugskartons", korrigiert er mich. "Die hier habe ich seit meinem Einzug nicht angefasst." "Ein Umzugskartonzimmer also", gluckse ich. "So ungefähr." "Aber schlafen kann man hier schlecht, also ..." Ich schließe die Tür wieder und suche weiter. Die linke Tür ist dran. Wie ich schon vermutet habe ist hier das Badezimmer. Es ist riesig, im Vergleich zu der Umzugsrumpelkammer. Zwei Waschbecken, eine große Eckbadewanne, eine Dusche, in der mehr als zwei Personen reinpassen. Alles sehr modern und rechteckig, aber es wirkt keineswegs kühl. Früher hätte mich das Bad wahrscheinlich aus den Latschen kippen lassen, doch seit ich mit Meilo in allerlei Hotels war, behalte ich meine Latschen an. Allerdings kommt mir da eine Idee. "Meilo?" "Ja?" "Kleine Planänderung", verkünde ich und nehme ihm die Tasche ab. Sie landet auf einem der Waschbecken. "Zieh dich aus." "Ganz?" "Nee, halb", lache ich. "Natürlich ganz. Mit Kleidung am Leib klappt mein Meilo-Verwöhnprogramm nicht." "Ziehe nur ich mich aus, oder ..." "Wirst du schon sehen. Los! Mach dich nackig." "Wie du willst", schmunzelt mein Liebling und beginnt sich zu entblößen. Ich öffne derweil meine Tasche und krame mich durch mein Zeug. Wo habe ich denn nur ...? Ah, da ist es ja! Damit Meilo noch nicht sieht, was ich in der Hand habe, lege ich es wieder in die Tasche zurück und decke es mit einem meiner Pullover ab. Anschließend beginne auch ich mich auszuziehen. Weil es zu lange dauern würde, die Badewanne zu füllen, führe ich Meilo in die Dusche. Als er die Tür schließen möchte, halte ich ihn auf. "Muss gleich noch was holen", erkläre ich. "Dreh dich um und entspanne dich einfach." "Aye, aye", sagt Meilo und dreht sich um. Ich stelle das Wasser an, das sofort eine angenehme Temperatur hat. Rauschend prasselt es auf uns hinab, als ich beginne, Meilos Rücken zu streicheln. Sanft fahre ich an den festen Muskelsträngen entlang, fange dann jedoch an, sie fester zu massieren. Meilo keucht wohlig auf. Wie ich mir schon gedacht habe: "Total verspannt." "So ein Videodreh ist auch ohne einen nervigen Nachfolger anstrengend", murmelt Meilo. "Scht!", mache ich. "Die Arbeit ist bis morgen früh tabu!" "Sorry. Hatte ich vergessen." "Vergessen ist ein gutes Stichwort. Nicht bewegen und nicht schmulen." Ich klopfe ihm sachte auf den Po, ehe ich aus der Dusche springe und auf meine Tasche zulaufe. Ein kurzer Blick, Meilo guckt brav geradeaus, also kann ich das kleine Fläschchen gefahrlos aus meiner Tasche ziehen. Wieder bei Meilo, schließe ich die Tür. Es wird gleich viel wärmer in der Kabine. Ich schalte das Wasser aus. "Was hast du vor?", möchte mein neugieriger Verlobter wissen. "Das wirst du schon sehen." Oder besser gesagt, er wird es fühlen. Ich bin ja mal gespannt, ob er errät, was ich gleich auf seine Haut massieren werde. Falls nicht, wäre ich leicht gekränkt. Schließlich habe ich die Flasche von ihm stibitzt, damals, als wir in Passau waren. Ich öffne den Drehverschluss der kleinen Flasche und gebe mir eine großzügige Menge auf die Handfläche. Das Fläschchen stelle ich hinter mir auf die kleine Ablage, auf der allerlei Duschzeug steht. Das Öl in meinen Händen verrieben, beginne ich, Meilo den Rücken zu massieren. Es dauert nicht lange, und der Wärmeeffekt setzt ein. "Du kleiner Dieb", schmunzelt Meilo. "Du hast mir das Gleitöl gemoppst! Und ich dachte schon, ich hätte es im Hotel liegen gelassen." "Dachtest wohl, Anne und Thorsten hätten es sich unter den Nagel gerissen, hm?" "Wenn, wäre es auch nicht schlimm gewesen", säuselt Meilo und entspannt sich immer mehr. "Aber dass du es dir einfach genommen, und mir nichts davon gesagt hast ... schäme dich." "Sobald ich Zeit habe, tue ich das vielleicht", entgegne ich und knete Meilos Schultern durch. "Oh ist das schön", stöhnt er und legt den Kopf in den Nacken. Wie soll ich ihn denn bitte schön so massieren? Meine Hände gleiten an Meilos Armen hinab und ich lehne mich gegen seinen Rücken. Mit dem Mund schmuse ich über seine linke Ohrmuschel. "Bist du allmählich entspannt?", frage ich ihn leise. "Noch nicht ganz. Mach noch ein bisschen weiter." Wie er will. Mit den Fingerspitzen gleite ich über jede Stelle, die ich in unserer momentanen Position erreichen kann. Zeitgleich verteile ich hauchzarte Küsse über seinen Hals und Nacken. Nicht so, dass es Knutschflecken gibt. Die kann er gerade auf keinen Fall gebrauchen. Noch mehr Stress, und mein armer Schatz klappt womöglich wirklich zusammen. Daher belasse ich es bei unverfänglichen Liebkosungen, schmecke das Öl und Wasser. Meilo seufzt immer wieder und reibt sich in langsamen Bewegungen an meinem Körper. Ich schlinge meine Arme um seinen Bauch und kraule dort über die feuchte Haut, während ich mich auf die Zehenspitzen stelle und Meilos Mund einfange. Wasser regnet auf uns hinab. Meilo hat die Brause erneut angestellt. Mit den Armen drücke ich ihn noch ein wenig fester gegen mich, genieße das Gefühl seiner warmen Haut an meiner. Nach einer Weile ist uns das allerdings nicht mehr genug. Ohne unseren Körperkontakt oder unseren Kuss groß zu unterbrechen, dreht sich Meilo in meiner Umarmung zu mir herum. Hände legen sich auf meinen Rücken, wandern auf und ab, und lassen auf ihm eine Gänsehaut entstehen. Wir beide sind schon spürbar erregt, doch das ist bloß Nebensache. Viel wichtiger ist es, dass wir hier sind, zusammen, und ich ihn die vergangen Stunden in Berlin vergessen lassen kann. Als wir den Kuss beenden, fühlen sich meine Lippen ganz mitgenommen an. Auch Meilos sind leicht geschwollen und glänzen verführerisch dunkel. Am liebsten würde ich meinen Mund gleich wieder auf sie drücken, doch eine Bewegung im Augenwinkel lenkt mich ab. Meilo hat sich eine der Duschgelflaschen gegriffen, schnippst den Verschluss auf und gibt sich etwas von dem blass blauen Gel auf die Hand. "Du auch?" Mit nach oben gezogenen Augenbrauen sieht er mich fragend an. "Her damit", raune ich und nehme sie ihm ab. Wir seifen uns gegenseitig ein, begleitet von weiteren Küssen und gelegentlichem leisen Lachen, immer dann, wenn einer von uns versucht, den anderen mit dem glitschigen Zeug zu ärgern. Das endet alles leider nur allzu schnell, als Meilo die Brause abnimmt, und uns beide von dem Schaum befreit. Draußen, vor der Duschkabine, reicht mir Meilo ein Handtuch. "Fühlst du dich jetzt entspannter?", frage ich ihn und rubble mich trocken. "Und wie", schmunzelt er. "Das liegt aber nicht nur an deiner Massage." Meilo schmiegt sich erneut an mich. Seine Haut ist stellenweise noch feucht, was meine Bemühungen, trocken zu werden, wieder zunichte macht. "Danke, dass du gekommen bist." Ich sage nichts, küsse ihn, was Antwort genug ist. "Ins Bett?" Ich nicke. Im Flur nehme ich abermals seine Hand und führe ihn zielsicher in sein Schlafzimmer. Wie anfangs vermutet, befindet es sich hinter Türchen Nummer drei, am Ende des Flurs. Auch hier gibt es nicht mehr viel zu sehen, weil das Meiste schon verpackt zu sein scheint. Ganz rechts steht der schwarze Flügel, von dem Meilo mir des öfteren erzählt hat. Links das obligatorische Schminktischchen und in der Mitte, direkt vor uns: "Nettes Bett." Es ist riesig. "Da passen mehr als zwei Leute rein." "Das dachte ich mir auch, als ich es gekauft habe." "Was?" Entsetzt drehe ich mich zu meinem Freund um. "War ein Scherz", lacht Meilo. "Als ich es gekauft habe, habe ich gar nicht wirklich über seine Größe nachgedacht." Verlegen kratzt er sich im Nacken. "Warum auch? In dein Schlafzimmer würden nochmal zwei davon reinpassen." Mindestens! "Deswegen habe ich nicht darüber nachgedacht", sagt Meilo leise und zieht mich neben das Bett, wo er sich hinsetzt und mich auf seinen Schoß zieht. "Nachdem ich Benedikt mit einem anderen erwischt hatte, konnte ich nicht mehr in unserem alten Bett schlafen. Am nächsten Tag habe ich das erstbeste Bett gekauft, dass mir auch nur ansatzweise gefallen hatte." "Oh", hauche ich. "Verstehe." Ich hätte mich auch nicht mehr in ein Bett legen können, in dem man mich betrogen hätte. Ständig müsste man daran denken, was dort passiert ist, wo man gerade liegt ... Plötzlich fängt Meilo an zu lachen. "Was ist?" "Rate mal, was ich mit dem alten Bett gemacht habe." "Verbrannt?", rate ich ins Blaue. Das stelle ich mir jedenfalls sehr heilsam vor. "Nein", antwortet er mir. "Als ich Benedikt nach der Geschichte rausgeschmissen hatte, ist er zurück in seine alte WG gezogen. Dorthin hatte ich ihm das Bett kurzentschlossen hinliefern lassen. Die Möbelpacker haben es bis zu der Wohnungstür getragen. Seine Mitbewohner müssen ganz schon angepisst gewesen sein, als das Teil vor ihrer Bude stand. Und nicht nur die. Auch die anderen Hausbewohner. Der halbe Hausflur war unzugänglich." Meilo kichert immer noch. "Das hast du echt gemacht?" Er nickt grinsend. "Meinen Respekt", lache ich. "Ich wusste nicht wohin mit dem Teil. Es zu entsorgen kam mir zu einfach vor. Ich dachte nur, wenn er schon in unserm Bett schon fremdvögelt, dann kann er es auch gleich behalten." "Eigentlich logisch", finde ich. "Ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen. Und die seiner wütenden Mitbewohner, die über das Bett klettern mussten, um in die Wohnung rein und wieder raus zu kommen." "Rache kann so schön sein", gluckse ich und umfasse Meilos Gesicht. "Und sehr heilsam." Mir hatte es damals auch verdammt gut getan, Kilian im Café anzubrüllen, ungeachtet dessen, was die anderen Gäste über uns denken mochten. Auch wenn ich es damals noch nicht so empfunden hatte, tat es am Ende doch gut, mir Luft zu machen. Doch das, was danach passierte, war noch viel, viel besser ... "Schon ... irgendwie", sagt Meilo. "Aber nichts ist so heilsam, wie dich bei mir zu haben." Lächelnd schmuse ich über seinen Mund. "So etwas ähnliches dachte ich eben auch." Bevor Meilo etwas erwidern kann, stürme ich seinen Mund. Kichernd lässt er sich fallen, zieht mich mit und verfrachtet mich auf die Matratze. Eilig verschwinden wir unter der Bettdecke, kuscheln uns aneinander und schmusen noch ein wenig miteinander, bevor wir beide vor Müdigkeit einschlafen. *** Der nächste Morgen kommt viel zu früh. Meilos Wecker klingelt uns schon um halb sechs aus den Federn. Für einen passionierten Langschläfer wie mich, eine unmenschliche Zeit zum Aufstehen. "Mach's aus", krächze ich verschlafen. "Bin schon dabei." Das Klingeln verstummt. Neben mir raschelt und wackelt es. "Du willst jetzt nicht wirklich schon aufstehen", murmle ich ins Kissen. "Ich muss", schnaubt Meilo. "Um halb acht muss ich am Set sein." "Die spinnen doch." Alles Verrückte im Showbiz! Ich drücke mein Gesicht tief ins Kissen und hänge dem schönen Gefühl nach, dass man hat, wenn man morgens im warmen, kuscheligen Bett liegt. Leider macht Meilo dieses Gefühl schnell zunichte, denn er steigt aus dem Bett und tappst durchs Schlafzimmer. Unter großen Qualen stemme ich mein linkes Auge auf und versuche zu erkennen, was er tut. Meilo schlurft auf einen Durchgang zu, der mit einem grauen Vorhang abgehängt ist. Er ist so schnell dahinter verschwunden, dass ich gar nicht sehen konnte, was sich dahinter verbirgt. Trotz der frühen Stunde und meiner Müdigkeit, hat mich schnell die Neugierde gepackt. Ich schäle mein Gesicht aus dem Kopfkissen und setze mich auf. Gähnend kratze ich mich am Kopf, starre mit halb geschlossenen Augen weiter auf den Vorhang und befehle meinem Körper, ebenfalls aufzustehen. Es braucht einige Anläufe, bis er mit gehorcht. In die Bettdecke gewickelt, durchquere ich den Raum, bis ich vor dem Vorhang stehe. "Meilo?" "Hm?" "Bist du hier drinnen?" "Ja." Wollte nur nochmal sicher gehen. Ich stecke den Kopf durch den Vorhang und sehe: Leere Wandregale. Nach einem kurzen Rätselraten, was das sein könnte, betrete ich den Raum nun ganz. Meilo steht zirka zwei Meter von mir entfernt und kramt in einem Koffer herum. "Was ist das hier?", frage ich ihn müde. Er schaut zu mir auf und grinst dabei. "Mein Geheimzimmer. Jeder, der es betritt, wird umgehend zum Schweigen gebracht." "Solange ich danach weiterschlafen kann ...", gähne ich. Lachend richtet sich Meilo auf und kommt auf mich zu. Wie kann er so früh morgens schon lachen? "Das ist mein Kleiderschrank. Na ja, er war es vielmehr mal. Das Meiste ist schon verpackt." "Ein Kleiderschrank?" Ich schaue mich um. "Du musst aber viele Klamotten haben", überlege ich. "Wo willst du die unterbringen?" Ich glaube nicht, dass wir so viel Platz in unserem Haus haben. "Um die Kleidung mache ich mir keine Gedanken. Ich habe einiges ausgemistet und vieles davon war noch von meiner Zeit als Keith. Viel mehr Kopfzerbrechen machen mir da meine Sneakers. Die werde ich nicht alle unterbekommen, fürchte ich." In meinem Kopf rattert es. Ja, da war mal was. Meilo und seine Sneakers. "Sind das denn so viele?" "Ein Paar sind es." "Viel viele genau?" "So um die zweihundertfünfzig. Eher etwas mehr." Ich blinzle einige Male, bis die Info mein noch schlafendes Gehirn erreicht. "Zweihundertfünfzig?" Meilo nickt. "Eher etwas mehr?" Wieder ein Nicken. Ich atme tief ein. "Wozu braucht man zweihundertfünfzig Sneakers?", möchte ich wissen. Unschuldig zuckt Meilo mit den Schultern. "Ich mag Sneakers. In allen Farben und Formen. Immer, wenn ich ein schönes Paar sehe, kaufe ich es." Sprachlos schaue ich ihm dabei zu, wie er seelenruhig seine Kleidung zusammensucht und sich dann damit bepackt an mir vorbei drängelt. "Ich gehe schnell duschen. Das Frühstück müsste schon vor der Haustür stehen. Schaust du mal nach?" "Frühstück? Vor der Haustür?" Bin ich im falschen Film aufgewacht?! "Jaha!", ruft er mir von jenseits des Vorhangs zu. "Das bekomme ich morgens immer gebracht." Natürlich bekommt Mr. Kandyce sein Frühstück gebracht. Selbst Zuhause. Warum frage ich auch so blöd? Ich glaube, ich lege mich nochmal ins Bett, versuche einzuschlafen, und wenn ich wieder aufwache, ist hoffentlich wieder alles beim Alten. "Begehbare Kleiderschränke. Zweihundertfünfzig Sneakers. Frühstückslieferdienst ..." Ich glaube, zum Frühstück reicht mir heute eine Aspirin. ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)