My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 52 - Schöner wohnen ----------------------------- Hey ihr Lieben. Eigentlich sollte dieses Kapitel schon gestern Abend von mir hochgeladen werden, aber leider saß ich wütend auf den Bildschirm, wo eine meiner Storys unter anderen Namen als Ebook angeboten wurde. Zum Glück ist das Ding jetzt rausgenommen worden. Ruhe hatte ich heute trotzdem nicht, und ich kam erst wieder runter, als ich mit meinen Pferden etwas die Sonne genießen konnte. Schlechte Neuigkeit Nummer zwei des Tages, die Adventsstory, die ich heute fertig bekommen wollte, dümpelt jetzt deswegen immer noch unangetastet auf meinem PC herum. Vielleicht klappt es nächste Woche damit. Morgen muss ich mich nämlich endlich mal an die Weihnachtsgeschenke machen. Die liegen auch noch unangetastet im Wohnzimmer herum. ^^“““ Eure müde, immer noch verstimmte Fara Love bite 52 - Schöner wohnen "Vielen Dank." Die Verkäuferin lächelt mich freundlich an und überreicht mir die Tüte. "Auf Wiedersehen." "Wiedersehen." Ich lächle zurück und verlasse beschwingt den kleinen Antiquitätenladen. Endlich habe ich ein Weihnachtsgeschenk für Meilo! Und zwar ein richtig tolles, will ich meinen. Es war richtig teurer. Solche Geschenke mache ich eigentlich nur an Geburtstagen, aber als ich dieses Teil gesehen habe, musste ich einfach zuschlagen. Hoffentlich hat er sowas nicht schon. Falls ja, dann aber bestimmt nicht so eins. Glücklich über meinen Kauf, laufe ich in der Einkaufspassage an den vielen Geschäften vorbei. Es ist mächtig was los. Alle scheinen noch den letzten Weihnachtsgeschenken nachzujagen. 'Sie tun mir ja gar nicht leid', denke ich schadenfroh, denn ich habe schon für jeden was gefunden. Nur noch eins muss ich jetzt noch kaufen, und zwar das für Clem und Kilian. Ja, ich weiß. Es fühlt sich komisch an, dass ich was für meinen Ex zu Weihnachten kaufe, aber ich will Clem nicht leer ausgehen lassen, und aus diesem Grund kann ich auch Kilian nicht vergessen, obwohl ich es gerne täte. Doch um diese Zwickmühle zu lösen, ist mir das perfekte Geschenk eingefallen. Ein Gutschein bei Kilians Lieblingsitaliener. So, wie ich Kilian kenne, hat er Clem dort mit Sicherheit schon mal hingeschleift. Und bei aller Fairness, der Italiener ist wirklich lecker. Von dem Gutschein haben beide was davon, und es ist zudem eine ganz unverfängliche Sache. Problem gelöst, würde ich behaupten. Wie gut, dass der Italiener zufällig hier ganz in der Nähe ist. Ich muss nur eine Station mit der Straßenbahn fahren. Wie der Zufall aber manchmal so spielt, kommt mir auf dem Weg zur Station plötzlich Clem entgegen. "Nici!", ruft er mir schon von weitem zu und winkt fröhlich. "Hey Clem", begrüße ich ihn. Freudestrahlend kommt er auf mich zu. Er ist mit einer Unmenge Taschen und Tüten bepackt. "Hast du die Läden überfallen?", frage ich ihn schmunzelnd. "Es war eher anders herum", meint er. "Die Preise kurz vor Weihnachten sind teilweise wirklich unerhört! Aber was will man machen?" Ich zucke nur mit den Schultern. Was dazu zu sagen, würde ihn nur noch mehr anstacheln. Ich kenne Clem inzwischen ganz gut. "Und du? Auch am Weihnachtsshoppen?" Er deutet auf mein Tüte, die im Vergleich zu seinem Sammelsurium total kläglich aussieht. "Ja. Bin aber schon fertig damit." "Fertig?" Clem guckt mich schier fassungslos an. "Mit nur einem Einkauf?" "Den Rest habe ich schon vorher besorgt. Der schlaue Mann kümmert sich schon zeitig darum. Dann sind die Preise auch noch nicht so hoch." Ich grinse ihn frech an. "Püh!" Der Seitenhieb musste jetzt sein. Aber wie Clem nun mal ist, lässt er sich das nicht gefallen und erwischt mich postwendend an einer sehr empfindlichen Stelle. "Und wie war dein Wochenende bei Meilos Eltern?" Wie fies dieser lange Lulatsch lächeln kann! Aber was er kann, kann ich schon lange. "Wunderbar", schwärme ich. "Meilos Eltern betreiben ein richtig romantisches Burg-Hotel." "Echt?" Wie erwartet macht Clem große Augen. "Hmhm", nicke ich. "Es liegt in einem wunderschönen Wäldchen. Sie haben vier große Hunde, Pferde, einen sagenhaften Pool und ein riesiges, tropisches Gewächshaus." Clem fällt die Kinnlade runter. "Ach ja. Und Doro und Eberhard sind natürlich auch wahnsinnig nett." Fast macht es den Anschein, als würde Clem in sich zusammensinken. "Wollen wir unsere Schwiegereltern tauschen?" Ich fange an zu lachen. "Nein, danke. Von Kilians Eltern habe ich definitiv genug." Clem zieht nen Flusch. "Vergiss Kilians ignorante Eltern." "Das sagt sich so leicht", seufzt er. "Haben sie wieder versucht auf Kilian einzureden?" "Nein. Aber das Thema nervt mich einfach." "Sieh's doch positiv", schlage ich ihm vor. "So musst du ihnen wenigstens kein überteuertes Weihnachtsgeschenk kaufen." "Ha ha." Armer Clem. Ich glaube, ich heitere ihn besser wieder etwas auf. "Weißt du was? Meilo und ich sind endlich bei unserer Wohnungssuche fündig geworden." "Ja? Und wo?" "Ganz in der Nähe vom Weinkeller", antworte ich ihm. "Cool! Zeigst du es mir?" "Äh ... Jetzt?" "Klar. Oder hast du noch was vor?" "Äh ..." Eigentlich wollte ich noch den Gutschein holen, aber das kann ich auch noch nachher auf dem Heimweg machen. "Nein", sage ich deshalb und schüttle den Kopf. "Hab nichts mehr vor." "Klasse! Dann nix wie los! Bin ich gespannt!" Sag bloß. Wir legen den Weg zu Fuß zurück. Mit der Straßenbahn währen wir fast genauso lange unterwegs, und mit Clems Tüten und den vielen einkaufswütigen Menschen, die sich vor dem Bahnsteig tummeln, ist Laufen einfach bequemer und stressfreier. "Habt ihr den Mietvertrag denn schon unterschrieben?", möchte Clem von mir wissen. "Nein, und das werden wir auch nicht." "Wie jetzt? Ich dachte, ihr hättet eine Wohnung gefunden?" "Haben wir ja auch", druckse ich herum. Beim Thema Hauskauf fühle ich mich immer noch nicht wirklich wohl. "Aber sie ist nicht zum Vermieten." Clem sieht mich ratlos an. "Es ist eine Eigentumswohnung", rattere ich schnell runter. Clem bleibt stehen und glotzt wie ein Fisch. "Ihr kauft euch eine Wohnung?!" "Nicht ganz ... Eher ein ... Haus." Wieso ist mir das nur so unangenehm? "Is nicht wahr!" "Doch ist es. Bis jetzt ist es zwar noch nicht sicher, weil es erst noch versteigert wird, aber ..." "Ahhh! Ist das geil!" Clem springt mir in die Arme. Mit so viel Überschwänglichkeit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet. "Ihr kauft euch ein eigenes Häuschchen!" "Es ist doch noch gar nicht sicher, ob wir es bekommen", japse ich und schiebe Clem von mir. "Ach, das wird schon", winkt er ab. "Wenn ihr das wirklich wollt, dann bekommt ihr das auch!" Ich schlucke hart, lächle aber. Wenn wir es wirklich wollen ... "Los! Ich will es endlich sehen!" Clem stürmt voran, ich hinterher. Dass er gar nicht genau weiß, wo das Haus steht, scheint er vergessen zu haben. Ich hole schnell auf und führe uns weiter bis wir in der Straße angekommen sind, in der Meilos und meine eventuelle Bleibe steht. "Das hier ist es", sage ich schließlich, und bleibe vor dem Haus stehen. "Das hier?" Ungläubig zeigt Clem auf das Haus. Ich nicke. "Schick! Echt. Richtig schnuckelig." "Hmhm, ist es", sage ich leise und starre auf die Fassade des Häuschens. Clem plaudert als weiter. Ich nicke nur, lächle mal, bin sonst aber still. Zu sehr bin ich damit beschäftigt, dieses irrationale ängstliche Gefühl zu verbannen, das mich beim Anblick des Hauses heimsucht. Wieso fühle ich so? Ich dachte, jetzt, wo wir alles geklärt haben, ginge es mir mit dem Hauskauf besser, doch dem ist nicht so. Es bleibt immer noch ein schaler Nachgeschmack. Ob wir es doch lassen sollten? Aber Meilo hat sich schon so hierauf gefreut, hat Pläne gemacht und auch ich finde den Gedanken, hier mit Meilo zu leben, unbeschreiblich schön. Doch wieso macht es mir so eine Angst? Irgendwie ist die ganze Haussache noch gar nicht richtig greifbar für mich. Genau wie dieses Verlobtsein. Ich seufze. Für ein Wochenende waren das bestimmt viel zu viele wichtige Entscheidungen. Sicherlich muss sich das alles bei mir noch setzen, beziehungsweise, mein Hirn muss das noch verarbeiten. Und bis das soweit ist, werde ich mit dem Grummeln im Bauch leben müssen. "Wenn ihr das Teil ersteigert habt, machen wir eine riesige Einweihungsfete, ja?", sagt Clem zu mir. "Machen wir", flüstere ich. "Mir vieeel Alkohol." Ehrlich gesagt, könnte ich jetzt schon einen Schluck vertragen. Oder zwei. Oder drei ... *** Als ich meinen Eltern davon erzählt habe, dass wir uns dazu entschlossen haben, ein Haus zu kaufen, oder vielmehr, dass Meilo dies vorhat, sind sie aus allen Wolken gefallen. "Und was wird aus unserem Haus?", hat meine Mutter mich gefragt. "Was soll mit dem sein?" "Was wird daraus, wenn dein Vater und ich nicht mehr sind?" "Nicole ist doch auch noch da", wendete ich ein. "Wir werden ganz sicher später nicht zusammen hier wohnen." Allein die Vorstellung. Ich mit Meilo und Nicole mit wem auch immer ... Gruselig! Doch trotz meiner Erklärung, die Bestürzung blieb. Vielleicht hatte ich deshalb so ein ungutes Gefühl, als ich mit Clem vor dem Haus stand. Eventuell haben die Bedenken meiner Eltern meine wieder geschürt. Gut möglich. Dennoch will ich das durchziehen. Ich will mit Meilo ein neues Leben aufbauen. Allen Bedenken, von wem auch immer, zum Trotz. Meilo gebe ich nie wieder her. "Weißt du was?", fragt mich Clem, mit dem ich wieder auf dem Rückweg bin. "Was denn?" "Komm doch heute Abend zu uns." "Was?" Ich drehe erschrocken den Kopf zu Clem. "Ich soll zu euch kommen?" "Warum denn nicht? Du warst noch nie bei mir." Das stimmt schon, aber ... "Kilian wird auch da sein, oder?" "Natürlich wird er das. Er hat keine Probleme damit." "Sicher?" Clem nickt. "Frag ihn lieber erstmal. Nicht, dass er wieder auf die Eifersuchtsschiene gerät." "Das wird er schon nicht. Das liegt hinter uns." Ich lächle Clem an. "Das freut mich für euch. Ehrlich, aber in seiner Nähe ist mir immer noch nicht ganz wohl." Wenn ich da an unser letztes Zusammentreffen in diesem Café denke ... "Ach was!", winkt Clem ab. "Kilian wird brav sein. Ich verspreche es." "Na wenn du das sagst ..." Ich hab trotzdem kein gutes Gefühl dabei. Mit dem Neuen seines Ex befreundet zu sein, ist echt eine merkwürdige Situation. "Auf deine Verantwortung." "Kein Prob", lacht mein Arbeitskollege. Meine linke Augenbraue wandert nach oben. In letzter Zeit kürzt er immer wieder wahllos Worte ab. Ich kann nicht behaupten, dass mir das gefällt, aber wenn er meint, das sei nötig, dann bitte. Irgendwann geht auch das vorbei. "Also gebongt. Um neunzehn Uhr bei Kilian und mir. Die Adi hast du?" "Ja." Mit Adi meint er Adresse. "Fein! Dann bis heute Abend. Ich gehe bis dahin noch ein wenig shoppen. Tschauiii!" "Tschau." Und weg ist er. Schleift sich mit seinen ganzen Tüten durch die faul bummelnden Menschen. "Ein Abend mit Kilian. Jipie." Was Meilo dazu wohl sagen wird? Zuhause versuche ich ungesehen in mein Zimmer zu gelangen, doch daraus wird nichts. Meine Mutter hat schon hinter einer Ecke auf mich gelauert. "Niclas?" "Ja Mama?" Ertappt bleibe ich vor meiner Zimmertür stehen. "Ich will das Haus sehen." Ich atme tief ein. "Ich habe morgen frei. Wir könnten hinfahren und ..." "Jetzt!" "Jetzt? Wieso ausgerechnet jetzt?" Was geht denn jetzt ab?! Ist heute Hausbesichtigungstag, oder was? Meine Mutter wirkt auf einmal sehr geschäftig. Sie stampft auf die Garderobe zu, wickelt sich schwungvoll einen Schal um den Hals und zieht danach ihre Jacke über. Die Schuhe hat sie schon an, stelle ich nebenbei fest. "Weil ich wissen will, was das für eine Bruchbude ist, für die ihr euer Geld rausschmeißen wollt", zetert sie los. "Bist du immer noch sauer, weil ich als Stammhalter nicht unser Haus übernehme?", frage ich sie genervt. "Nur zur Info: Nicole ist die Stammhalterin. Von mir werdet ihr keinen Erben erwarten dürfen." Nicht solange Männer Babys bekommen können. Und dann auch nur, falls Meilo die glückliche Glucke spielen möchte. "Darum geht es doch gar nicht", seufzt meine Mutter theatralisch auf. "Sondern?" Sie sieht mich mit ihrem besten 'ich bin zwar deine Mutter, aber trotzdem bin ich sehr enttäuscht von dir'-Blick an, zieht den Reißverschluss ihrer Jacke nach oben und stemmt ihre Arme in die Seiten. "Wie kann man nur so blöd sein, und bei dieser Wirtschaftslage ein Haus kaufen?" "Öhhh ..." Hä? "Nochmal nebenbei bemerkt: Meilo kauft, ich miete." "Papalapap!", schnaubt sie. "Das glaubst du doch selbst nicht, dass du Miete zahlen wirst." "Sag mal", japse ich fassungslos. "Für wen hältst du mich denn? Meinst du, ich schnorre Miete?" Jetzt ist es an mir, die Arme in meine Seiten zu stemmen. "Wem gehört dieses Haus hier?", fragt sie mich und deutet auf den Fußboden. "Na uns", antworte ich, und gerate immer tiefer in das Tal der Verwirrung. Was will sie mir damit nun sagen? "Nein", belehrt sie mich. "Es gehört deinem Vater. Er hat es von deinem Opa abgekauft, damit er sich noch einen schönen Lebensabend machen konnte." Ich komm nicht mit. "Wenn das jetzt wieder mit dem Stammhalter und so anfängt, bin ich raus", sage ich verärgert. Ich verstehe es echt nicht! "Darauf will ich doch gar nicht hinaus." "Auf was denn sonst?" Erklärt sie es mir endlich mal? "Glaubst du, ich bezahle deinem Vater etwa Miete?" "Soweit ich weiß nicht." Wäre auch irgendwie komisch. "Na eben", pustet sie. "Und?" "Wie und?" "Ja und, und?" Sie legt den Kopf schief. "Sieh mich nicht so an! Ich bin kein kleiner Junge mehr." "Du stellst dich aber gerade an wie einer", schnarrt sie. "Dann erkläre es mir doch endlich!" Himmel noch eins! Langsam werde ich wütend. "Okay, dann nochmal für Doofe." "Ey!" "Ruhe!" Ist das zu fassen? Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. Jetzt muss ich mich schon als Doofie betiteln lassen. Von der eigenen Mutter! "Weißt du eigentlich, was da für Kosten auf euch zukommen werden?" "So ungefähr", antworte ich ihr. "Den schlussendlichen Kaufpreis wissen wir noch nicht, aber ..." "Ich rede doch nicht vom Kaufpreis!", unterbricht sie mich. "Ich spreche davon, dass ihr noch gar nicht ahnt, was da alles noch auf euch zukommt." Ich schaue meine Mutter neugierig an. Darüber habe ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht nachgedacht. "Zuerst einmal kostet das Gebäude selbst, das Grünstück müsst ihr ebenfalls bezahlen." "Das Grundstück? Ich dachte, das gehört zum Haus dazu?" Sie schüttelt den Kopf. "Hattet ihr einen Makler?" Ich bejahe. "Der bekommt natürlich auch seinen Anteil. Danach kommt der Notar, dann die Grundgewerbesteuer. Möchtet ihr was Umbauen? Sanieren?" "Ja. Meilo benötigt ein Tonstudio." "Ein Tonstudio? Du liebes Lottchen!" "Er arbeitet damit, vergessen?" "Ja, ja. Verstanden." Ich verdrehe die Augen. "Gut, dann eben noch ein Tonstudio. Dazu kommen sicher noch die ein oder anderen Möbel hinzu. Eine Küche womöglich. Und wenn das alles gestemmt ist, kommt noch der Umzug. Der kostet ja auch. Genau wie das Ummelden auf dem Amt. Tja. Und dann geht es richtig los." Sie hebt ihre Hand und zählt an den Fingern folgendes auf: "Die laufenden Kosten. Nebenkosten wie Müllabfuhr, Heizung, Wasser, Grundsteuer, Strom, Gebäudeversicherungen, die Haftpflicht sowie Kabel- und Telefongebühren. Und vergesst nicht, dass das Haus auch instandgehalten werden muss, ganz zu schweigen, falls mal irgendein Gerät kaputt geht." Ich werde immer kleiner. An dieses ganze Zeug habe ich ganz sicher noch nicht gedacht. "Miete?", fragt meine Mutter und lacht auf. "Davon träumst du nur!" Ich würde ihr ja jetzt gern um die Ohren schmettern, dass sich Meilo darum schon irgendwie kümmert, und ich bei ihm alles abstottern werde, aber das kann ich nicht. "Wenn ihr zusammen lebt, habt ihr auch zusammen die Kosten zu tragen. Und, so leid es mir tut, das kann sich auch ganz schön auf die Beziehung auswirken." Da werde ich jetzt aber hellhörig. "Inwiefern?" "Ach Niclas. Ich kenne dich einfach zu gut. Und Meilo kann ich inzwischen auch ganz gut einschätzen", lächelt sie. "Du machst dir Gedanken darum, weil er für euch das Haus gekauft hat, willst ihm deshalb mit unterstützen, aber er wird es nicht zulassen. Ihr geratet aneinander, streitet, und hinterher sitzt du wieder bei mir und kotzt dich aus. Aber darum geht es mir eigentlich nicht." "Wie nett", brumme ich. "Ihr werdet es schon überleben. Haben dein Vater und ich ja schließlich auch. Nein. Ich rede davon, dass ich mir Sorgen darüber mache, dass ihr euch da ein klein wenig überschätzt." Ich atme tief ein. "Jetzt, wo du mir das alles gesagt hast ... Keine Ahnung." Betrübt starre ich auf den Fußboden zwischen uns. "Ach Nicilein", säuselt meine Mutter und nimmt mich in den Arm. "Das sähe schon ganz anders aus, wenn du endlich einen guten Job hättest, aber so?" Fängt das jetzt schon wieder an?! "Ich bin doch dabei, mich zu bewerben", fauche ich. "Mit deinem Computerfirlefanz?" Sauer trete ich einen Schritt zurück. "Ja! Mit meinem Computerfirlefanz! Und dann werde ich mit Meilo zusammen in unserem Haus wohnen und glücklich sein!" Ich funkle sie wütend an, dann marschiere ich auf mein Zimmer zu. "Niclas! So meinte ich das doch gar nicht! Warte doch!" Laut schlägt die Tür hinter mir zu. Ein paar mal tief durchgeatmet, wische ich mir übers Gesicht. Scheiße! Warum habe ich mir vorher keine Gedanken über die ganzen Kosten gemacht? Jedenfalls nicht genau. Ich hätte mich schon längst mal darüber schlau machen können, aber ich hab's nicht. Weil ich bei Meilos Eltern war, und weil ich erst seit einem Tag wieder Zuhause bin. Da kommt ganz schön was auf uns zu, und wie meine Mutter schon gesagt hat, ich werde Meilo das nicht auch noch alles bezahlen lassen. Wenigstens haben wir keine Energiekosten. Vorsichtig stelle ich das Geschenk für Meilo auf meinen Schreibtisch ab, bevor ich mich an ihn dran setze und meinen Laptop hochfahre. Ich muss mich da jetzt genauer informieren! Und danach muss ich mit Meilo darüber sprechen. Sonst bekomme ich gar keine Ruhe mehr! *** /Nic. Das bekommen wir hin./ "Das sagst du jetzt! Wenn es aber soweit ist, dann ..." /Dann werde ich das noch immer sagen/, lacht er. /Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen./ "Das kann ich aber nicht." Nicht nachdem, was ich alles im Internet gelesen habe. Man kann sich so schnell verschulden, ohne dass man es richtig bemerkt. "Wie sollen wir das denn schaffen?", frage ich Meilo noch einmal. /Das wird schon/, meint er optimistisch. /Andere Leute bekommen das auch gestemmt. Sieh deine Eltern an, oder meine. Die sind am Anfang fast in den Schulden ertrunken als sie das Hotel aufgebaut haben, aber sie haben es geschafft, da wieder raus zu kommen. Und wir haben sogar den Vorteil, dass ich es mir leisten kann, ein Haus samt Grundstück zu kaufen./ Ich knirsche mit den Zähnen. Und da hätten wir es wieder. Er kann es sich leisten. /Nic? Hör auf so verbissen zu gucken./ "Du weißt doch gar nicht, wie ich gucke", murre ich. /Oh doch mein Süßer. Ich sehe dich ganz genau vor mir./ "So? Hast du eine Kamera in meinem Zimmer versteckt?" /Hey. Das wäre gar keine Schlechte Idee/, lacht er doch tatsächlich. /Dann könnte ich dich beobachten wann immer ich will./ Ich knurre unwillig, was nicht an seiner schmutzigen Fantasie liegt. /Ach Nic. Hör bitte auf dir Sorgen ums Geld zu machen. Der allergrößte Batzen ist das Tonstudio, und darum kümmere ich mich. Der Rest ist kaum der Rede wert./ Das kann auch nur er sagen! /Falls es dich beruhigt, ich habe mich schon mal schlau gemacht und alles grob durchgerechnet. Am Ende, nach dem Kauf und dem Umbau, werden die monatlichen Kosten nicht viel mehr, als wir für eine Mietwohnung bezahlen würden./ "Sicher?", frage ich ihn. /Sicher/, verspricht Meilo mir. /Nächstes Jahr können wir ja nochmal alles ganz genau ausrechnen, okay? Noch vor der Auktion./ Das hört sich vernünftig an. Ergeben lehne ich mich auf meinem Bett zurück. Wenn Meilo schon alles ausgerechnet hat, und wir es nochmal alles ganz genau durchgehen werden, bevor wir für das Haus bieten, klingt das sehr vernünftig. Es beruhigt mich richtig. "Ich fasse es nicht, dass du mich jedes Mal wieder um den Finger wickeln kannst." Meilo lacht. /Du bist mir eben verfallen./ "Mit Haut und Haar", kichere ich. "Wie geht es dir? Schon wieder voll im Arbeitsstress." /Frag lieber nicht/, antwortet er verdrossen. "So schlimm?" /Schlimmer, aber das erzähle ich dir heute Abend, ja? Ich muss gleich wieder weiter./ "Ist gut", seufze ich. Doch dann fällt mir ein, dass ich heute Abend gar nicht da bin. "Es könnte aber spät werden bei mir. Ich bin bei einem Kumpel. Er hat mich eingeladen, ihn mal zu besuchen." /Okay/, sagt Meilo gedehnt. /Kenne ich ihn?/ "Ja. Es ist Clem." /Okay/, wiederholt er. "Und Kilian wird auch dabei sein." Es bleibt still am anderen Ende der Leitung. "Meilo?" /Bin noch da./ Uff. /Dann wünsche ich dir einen schönen Abend. Trotz Kilian./ Ich bin erleichtert, dass sich Meilo nicht sauer anhört. "Ich könnte ja Ingo fragen, ob er mitkommt. Die beiden können sich so gar nicht riechen", lache ich. /Wenn das so ist, dann nimm Ingo ja mit!/, schmunzelt mein Liebling. /Erzähl mir nachher, wie es war, ja?/ "Mach ich. Und du pass auf, dass sie dich nicht zu sehr Triezen, sonst bekommen die was von mir zu hören!" /Ich werde es ihnen sagen./ Schön wäre es, wenn er das könnte. /Ich liebe dich./ "Und ich dich erst", hauche ich in den Telefonhörer, bevor Meilo auflegt. Mit gemischten Gefühlen lege ich das Telefon beiseite. Hoffentlich steht Meilo die wenigen Tage noch durch. Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz nach fünf. Ich sollte mich langsam mal fertig machen. Außerdem wollte ich nochmal mit meiner Mutter reden. Vorhin habe ich sie ja ziemlich angekackt. Vielleicht fahre ich doch noch heute mit ihr zum Haus rüber. Und wer weiß? Vielleicht beruhigt sie es ja, wenn sie es sieht. Denn renovierungsbedürftig ist das Gebäude auf keinen Fall. "Mama?" Ich finde sie im Wohnzimmer. Sie sitzt zusammen mit Nicole vor der Glotze. "Endlich abgeregt?", fragt sie mich, sieht mich jedoch nicht an. "Ich habe gerade mit Meilo telefoniert." "Hast du ihm schöne Grüße von mir bestellt?" Nicole sieht mich wissbegierig an. "Sorry. Habe ich vergessen." "Oh du Dödel!", krächzt sie beleidigt. "Na also! Nicole! Dödel sagt man nicht!" He he. Jetzt hat sie Mamas Zorn auf sich geladen. "Was denn? Zu einem Kerl kann man das doch sagen." "Nicole!" "Ich unterbreche ja ungern euer Dödel-Gespräch, aber erstens sind mir Frauen, die über Dödel reden, unheimlich und zweitens würde mich gern nochmal mit dir unterhalten, Mama. Wegen vorhin." "Bin ganz Ohr", sagt sie. "In der Küche?" Sie beäugt mich ein paar Sekunden lang, dann nickt sie. "Nicole wird doch ungehalten, wenn man sie beim Fernsehen stört", grinse ich, als wir am Küchentisch sitzen. "Auch wieder wahr", meint Mama und schiebt eine Klatschzeitung auf dem Tisch herum. "Und? Was wolltest du mit mir bereden?" "Willst du das Haus immer noch sehen?" "Falls es dir nichts ausmacht ..." Sie ist immer noch eingeschnappt. "Macht es nicht", gebe ich mich kleinlaut. "In Ordnung. Aber wehe, du lässt mich wieder unverrichteter Dinge in meinen dicken Winterklamotten im Flur stehen." "Werde ich nicht." Sie nickt und steht auf. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg. "Also was die Energiekosten angeht", erkläre ich ihr im Auto. "Das Haus hat Solar und nutzt Erdwärme. Und alles, was nicht verbraucht wird, wird ins Netz eingespeist. Wir verdienen damit sogar noch Geld." "Ach? So etwas gibt es?" "Ja", nicke ich, froh darüber, dass sie nicht mehr einen so arg besorgten Eindruck macht. "Und ich habe mal durchgerechnet. Mit dem, was ich im Weinkeller verdiene, stehe ich ganz gut da." KP bezahlt ja auch gut. "Und nächstes Jahr kann ich dann auch mehr Schichten übernehmen. Es sei denn, ich bekomme eine Anstellung als Programmierer. ... Wehe du sagst was!" "Bin schon ruhig." "Gut." Ich kann es bald nicht mehr hören. Als wäre ich ein Vollidiot, der an einer Sache hängt, die zu gar nichts führt. Doch das tut sie, wenn nur mal jemand das Potenzial darin erkennen würde. "Weißt du Niclas, ich würde mich wirklich für dich freuen, wenn du als Programmierer arbeiten könntest. Ich sehe ja, wie glücklich dich das macht, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man damit Geld verdienen will." Ich lächle schmal. "Wenn man es richtig anstellt, kann man davon sogar ein Haus abbezahlen", sage ich. "Aber darum geht es mir nicht. Nicht nur. Klar möchte ich gern davon leben können, aber das Programm ist mein Baby. Allein mein Werk. Und es macht mich fertig, das niemand erkennt, wie wundervoll es ist! ... Das ist schwer zu erklären." "Hm", macht sie. "Du sprichst wie eine Mutter." "Mama!" Was redet die da? "Ich bin keine Mutter, oder sehe ich so aus?" Sie lacht herzhaft auf. "Nein, aber du redest wie eine. Voller Stolz kämpfst du für dein Baby und verteidigst es sogar vor deiner geliebten Mutter." Es passt mir nicht, aber sie hat gar nicht mal so unrecht. Ich kämpfe für mein Programm-Baby, doch nicht nur für das. Auch für Meilo und wie man sieht, auch für unsere Zukunft. Sonst säße ich jetzt nicht hier und würde meine Mutter überzeugen wollen, dass das Haus genau das Richtige für uns ist. Ich atme tief ein. Unser Haus … Vorsichtig horche ich in mich hinein. Kein Bauchgrummeln. Keine besorgten Gedanken. Meilo konnte mich eben am Telefon wirklich beruhigen. Anscheinend habe ich mich endgültig entschieden. Egal was noch auf uns zukommt, ich will das mit Meilo stemmen. Es wird nicht leicht werden, sicher nicht. Vielleicht werden wir uns auch hin und wieder zoffen, aber das überstehen wir schon. "Wie lange fahren wir denn noch?", fragt mich meine Mutter. "Wir sind gleich da." Sie atmet laut aus. "Ich bin wirklich gespannt, in was für eine Bruchbude ihr euch verguckt habt." "Das Haus ist keine Bruchbude", seufze ich leicht genervt "Abwarten." Sie kann es nicht lassen. "Sobald du davor stehst, wirst du es selbst sehen." Meine Mutter verschränkt die Arme miteinander, bleibt ansonsten aber den Rest der Fahrt über still. Als ich schließlich parke, wir aussteigen und ich auf das Haus zugehe, mustert sie es skeptisch. "Das ist es?", fragt sie mich nach einer Weile. "Das ist es", bestätige ich. "Ganz net." Ui! Ein Lob. "Wie sieht es von drinnen aus?" "Ganz net", ahme ich sie grinsend nach. "Ich will es sehen!" Voller Tatendrang stürmt sie durch das Gartentor auf das Haus zu. "Warte! Ich glaube nicht, dass wir hier einfach herumstromern dürfen!" Noch gehört uns das Häuschen nicht. "Wir wollen es kaufen, also dürfen wir es uns auch ansehen." "Wir?" "Ja, wir. Alles was dich betrifft, geht uns letztendlich auch was an." Ich verdrehe die Augen. Eltern! Müssen überall ihre neugierigen Nasen reinstecken. Ich lasse meiner Mutter ihren Willen, ihr zu verbieten, sich alles genauer anzuschauen, hätte sowieso keinen Sinn, und folge ihr eilig. Sollten wir Ärger bekommen, ist es wenigstens nicht meine Schuld. Als ich bei ihr ankomme, steht sie auf der kleinen Veranda, die Handkanten am Fenster und das Gesicht dazwischen, damit sie hineinschauen kann. "Viel sieht man ja nicht", meckert sie. "Versuch doch mal das andere Fenster", schlage ich kopfschüttelnd vor. "Hm", macht sie, strafft sich und marschiert tatsächlich zum anderen Fenster, auf der gegenüberliegenden Seite der Haustür. "Vorhänge." Ich schmunzle leise. Sie schenkt mir einen mahnenden Blick, dreht sich um und rauscht die Stufen hinab. Ihr Weg führt sie neben am Haus entlang. Anscheinend möchte sie einmal um das ganze Haus herumlaufen. Also ihr nach. Wir schlagen uns durch immergrüne Büsche und feuchten Boden. "Im Garten muss eindeutig noch viel gemacht werden. Guck dir diesen Wildwuchs an!" "Ich mag Wildwuchs." "Ich rede nicht von Männern, Niclas!" Ich rümpfe die Nase. "Tue ich auch nicht." Wildwuchs bei Männern. Uwähgs! Ich ducke mich unter einem tief hängenden Ast hindurch, und schon stehen wir im Garten hinter dem Haus. Meine Mutter steht schon vor der Terrassenfront. Ich geselle mich zu ihr. "Und? Nett, oder?" Ich grinse sie über die Glasscheibe hinweg an. "Die Küche ist ziemlich klein", mäkelt sie los. "Wie wollt ihr da anständig kochen?" "Die Küche reicht vollkommen", sage ich. "Zum Kochen völlig ausreichend." "Wenn ihr meint ..." Ihre Gesichtsmuskeln spannen sich an. "Sonst noch was am Haus auszusetzen?" Sie schaut an der Fassade hoch, dann wieder ins Innere. Prüfend kratzt sie mit ihrem Schuh über die Holzterrasse. "Ist das Teak?" "Kann sein." Ich zucke mit den Schultern. "Und du sagtest, es gäbe eine Solaranlage?" "Und eine Anlage für Erdwärme", ergänze ich. Sie nickt. "Gut." "Wie, gut?" Neugierig starre ich sie an. "Bedeutet das, du gibst auf?" "Ich gebe niemals auf!", mahnt sie mich. "Aber ich muss zugeben, bis auf den verwilderten Garten ist das Gebäude ganz passable." Wow! Hat sie das gerade wirklich gesagt? Schmunzelnd lege ich meinen Arm um sie. "Na wenn das mal keine gute Neuigkeiten sind." Und da fällt mir ein, dass ich noch mehr Neuigkeiten habe. Ich habe meinen Eltern noch gar nicht von der Einladung zum Neujahrsessen gesagt. "Mama? Für das zweite Wochenende im Januar dürft ihr euch nichts vornehmen." "So? Warum denn nicht?" "Meilos Eltern haben uns alle zu sich zum Neujahrsessen eingeladen." Sie hebt mit ihren Kopf entgegen. "Und das sagst du mir erst jetzt?!" "Wieso? Ist doch noch Zeit bis dahin." Meine Mutter seufzt auf und windet sich aus meinem Arm. "Du weißt doch, was man für so einen Anlass vorher alles erledigen muss. Ein Outfit shoppen, ein Geschenk, deinen Vater drauf vorbereiten ..." Oh, stimmt ja. Papa ist da immer etwas eigen. Im Januar hat er Urlaub und da würde er am liebsten den ganzen Tag auf seiner Couch herumlümmeln. "Papa wird ja mal für zwei Tage auf seine Couch verzichten können", motze ich. "Versuch ihm das mal beizubringen", lacht Mama und nimmt mich bei der Hand. "Weißt du was? Wenn wir schon mal in der Stadt sind, können wir gleich das mit dem Outfitshoppen in Angriff nehmen." "Was?!", japse ich. "Jetzt?!" "Ja, jetzt", grinst sie breit. "Endlich mal mit meinem Sohn in Ruhe durch die Läden tigern." Sie schmiegt sich an meine Schulter und blinzelt süßlich zu mir auf. Ich schließe die Augen und brumme genervt. "Aber nicht zu lange. Ich bin heute Abend noch bei Clem eingeladen. Um halb sieben muss ich bei ihm sein." Das ist zwar gelogen, aber so habe ich noch ein wenig Spielraum. Ich kenne doch meine Mutter. "Ach das schaffen wir schon", winkt sie an und zerrt mich zurück durch die Büsche. Ob wir das wirklich schaffen, wage ich stark zu bezweifeln. Warum habe ich auch nicht meine Klappe gehalten, und ihr später von der Einladung erzählt? Das habe ich nun davon. Hilfe! *** Viertel nach sieben. So schlecht liege ich gar nicht in der Zeit. Ich bin so abgehetzt, nach der Shoppingtour mit meiner Mutter, dass ich noch nicht mal mehr das unangenehme Ziehen in meinem Bauch spüre, das ich sonst immer habe, wenn ich weiß, dass ich gleich Kilian gegenüberstehen werde. Ungerührt betätige ich die Klingel. "Komme!", schallt es jenseits der Wohnungstür. Keine Sekunde später wird sie vor mir aufgerissen. "Da bist du ja endlich!", schnaubt Clem. "Sorry. Meine Mutter meinte, mit mir Kleidung kaufen zu müssen." "Was schönes gefunden?" "Nein", murmle ich und erinnere mich mit Schrecken an die letzten Stunden zurück. "Sie konnte sich nicht entscheiden und ich war ihr zu unmotiviert." "Das Gefühl kenne ich", lacht Clem und lässt mich eintreten. "Das nächste Mal gehst du mit ihr", knurre ich. "Aber gerne doch. Sagt mir Bescheid und ich bin da." "Das Angebot gebe ich gern weiter." Mama wird sich freuen. Das hat sie sich ja schon mal gewünscht. Einen schwulen, einkaufssüchtigen Berater. Nachdem ich meine Jacke ausgezogen, und Clem sie aufgehängt hat, nimmt er mich am Arm und zieht mich in die Wohnung hinein. "Komm! Ich zeig dir alles." Clem führt mich von Zimmer zu Zimmer. Bad, Wohnzimmer, ein Esszimmer hat er ebenfalls, und sogar ins Schlafzimmer lässt er mich einen Blick werfen. Etwas, das ich nicht unbedingt sehen wollte, wie man sich vielleicht denken kann. Zum Schluss ich die Küche dran. "Das ist unsere Küche und den Typen am Herd kennst du schon, denke ich." "Tue ich", lächle ich verkniffen. Kilian steht vor besagtem Herd und rührt in einem Topf herum. Der Geruch kommt mir bekannt vor. "Ist das Ratatouille?", frage ich neugierig. "Richtig geraten!", frohlockt Clem. "Kilians Ratatouille ist das Beste! Das muss man probiert haben." "Ich weiß", sage ich und schaue Clem amüsiert an. "Oh. Ach ja." Schon irgendwie lustig, dass ihm immer mal wieder entfällt, dass ich Kilian und ich mal zusammen gewesen sind. "Deshalb wolltest du das machen, oder?" Clem glotzt Kilian an. Doch nicht böse oder eifersüchtig. Eher verblüfft, weil ihm eben erst ein Licht aufgegangen ist. Kilian zuckt wiederum nur mit den Schultern. Ja, so kennen wir ihn. Ich stelle mich neben Kilian und schaue in den Topf hinein. "Das Rezept rückst du immer noch nicht raus, oder?" "Ganz sicher nicht", grinst er. "Familiengeheimnis. Wenigsten eins, das nicht durchzogen von Lügen und Intriegen ist." Hektisch rührt er im Topf herum. Ich kenne dieses Verhalten. Elternfrust gepaart mit Weihnachten. Er scheint in seinem alljährlichen Weihnachtsblues zu stecken. Ob Clem davon weiß? Ich bezweifle es. "Der Tisch ist schon gedeckt", meint mein Arbeitskollege. "Willst du mit rüber kommen? Dann kann der Meister in Ruhe schalten und walten." "Ähm, ja. Klar." Clem liegt wohl auch was auf dem Herzen. Drei mal dürft ihr raten, was das ist. Im Esszimmer rückt er auch sofort mit der Sprache raus. "Ist dir was an Kilian aufgefallen?", fragt er mich leise. Furcht spiegelt sich in seinen Augen. "Nicht direkt", lüge ich. Selbst wenn sich Kilian wieder mit seinen Eltern gezofft hat, er kommt damit klar. Ein, zwei Tage, und er hat sich wieder beruhigt. "Sicher nicht?" Ich verneine und frage ihn, wie er darauf kommt. "Als ich vorhin Zuhause angekommen bin, war er plötzlich so still. Er stand in der Küche und schnippelte angespannt die Paprika. Helfen lassen wollte er sich auch nicht von mir." "Lässt er dich denn sonst helfen?" Beim Kochen ist der Herr eigen. "Eigentlich schon", erwidert Clem. "Er sagte bloß, dass er das allein machen wollte, und ich mich um andere Dinge kümmern soll." "Das muss nichts heißen. So ist Kilian hin und wieder. Er braucht Zeit für sich." Aber auch nicht zu viel. Was dabei herausgekommen ist, sieht man ja an ihm und mir. "Gib ihm die Zeit und nachher sucht er sicher wieder deine Nähe." "Ich weiß nicht", murmelt Clem und schielt unsicher Richtung Küche. "Vielleicht ... also, es kann ja sein, dass ... Ist er eventuell wegen dir so?" "Wegen mir?" "Psst!" Clem hält mir die Hand vor den Mund. "Nicht so laut." "Orry", murmle ich gegen seine Handfläche, ehe er meinen Mund wieder frei gibt. "Wie kommst du darauf?" "Na weil du heute hier bist, und er für dich kocht." "Er kocht nicht für mich, sondern für uns", erinnere ich ihn. "Ja, aber auch für dich. Sein Lieblingsgericht. Das du ebenfalls zu lieben scheinst." Unglücklich mustert Clem die Tischdeko bestehend aus Kerzen und einem Meer aus glitzernden Sternen. Seufzend lehne ich mich gegen die Stuhllehne. "Es ist nicht wegen mir, glaube mir", versuche ich seine trüben Gedanken zu verjagen. "Und woher willst du das wissen? Vielleicht hat er doch noch Gefühle für dich." Ich lache auf. "Niemals! Das ist vorbei. Er liebt dich. Er lässt dich sogar mit ihm zusammen kochen." Wenn das nicht Liebe ist! "Heute aber nicht", flüstert Clem traurig. "Na gut", gebe ich nach. "Dann sage ich es dir." Es hat ja eh keinen Zweck, es ihm zu verheimlichen. Alles ist besser, als seine Vermutung, Kilian würde noch Gefühle für mich haben. "Was sagst du mir?" "Ich kenne Kilian. Und wenn er so ist, dann hat das was mit seiner Familie zu tun." "Woher weißt du das?" "Was glaubst du, wieso er Weihnachten nicht leiden kann?" Er zuckt mit den Schultern. "Weihnachten erinnert ihn immer an seine Familie. Trotz allem vermisst er sie, auch wenn er es niemals zugeben würde, aber er tut es. Und seit sie wissen, dass er nicht der gute, brave, heterosexuelle Stammhalter ist, meiden sie ihn. Bis auf ihre gelegentlichen Versuche, ihn wieder 'auf Spur' zu bekommen. Es liegt nicht an mir, dir oder dem Ratatouille. Es liegt an den Feiertagen und an seiner Familie." Jedes Jahr das Selbe. Vielleicht hätte ich Clem schon früher warnen sollen, doch ich hatte geglaubt, dieses Jahr würde es vielleicht nicht so werden. Kilian hat sich so sehr verändert in der kurzen Zeit nach unserer Trennung und seiner Beziehung mit Clem, dass das ja hätte sein können. Wieso also schlafende Hunde wecken? "Das bedeutet, er hat keine Gefühle mehr für dich?" "Hundert pro nicht. Aber sprich ihn nicht drauf an, ja? Wenn, dann warte, bis er es anschneidet, und wenn nicht, keine Panik. Das legt sich auch alles wieder. Spätestens in eurem Urlaub." Clems Augen fangen endlich wieder an zu strahlen. "Danke Nic", lächelt er und steht auf. "Ich gehe mal zu ihm, und lenke ihn etwas ab. Bedien dich ruhig an den Getränken, ja?" "Werde ich tun", schmunzle ich und schaue ihm nach. Wenn einer es schafft, Kilian abzulenken, dann wohl nur er. Ich schenke mir ein Glas Wasser ein und trinke ein paar Schlucke. Danach stehe ich auf, behalte das Glas jedoch in der Hand. Neugierig schaue ich mich um. Clems Wohnung ist wirklich schick. Bis auf die teilweise kitschige Einrichtung, aber so ist er eben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass vor Kilians Einzug hier noch viel mehr Kitschkrams gestanden hat. Man muss eben Kompromisse machen, wenn man zusammenzieht. Erst recht, wenn man ein ganzes Haus für sich und seinen Partner kauft. Ich bin wirklich gespannt, was da noch auf Meilo und mich zukommen wird. Langsam wandere ich rüber ins Wohnzimmer. Gegenüber der großen Couch, die von Clem sein muss, denn wir hatten damals eine Andere, steht Kilians TV-Schrank. Wie auch schon bei uns ist hier neben dem Fernseher auch eine Anlage untergebracht. DVDs, CDs, Bilder. Das einzig Neue sind die darauf abgebildeten Gesichter. Nicht Kilian und ich, sondern Clem und er. Ich werde leicht wehmütig. Auch als ich den die etwa dreißig Zentimeter große Corvette sehe, die Kilian schon seit seiner Kindheit hat. Sie steht ihrem seinem alten Platz. Vorsichtig fahre ich mit meinem Finger über den schwarzen Lack. Eine Corvette C1 Cabrio. Eine aus den 50ern. Kilians Traumauto. Irgendwann will er sich eine kaufen, hat er mir mal gesagt. Wie oft habe ich das Modell schon abgestaubt? Ich weiß es nicht mehr. Ein komisches Gefühl, dass ich das nun nicht mehr machen muss. Ich stromere weiter durch das Wohnzimmer, entdecke überall Zeug von Kilian, ordne es in Gedanken in unsere alte Wohnung zurück, schüttele jedoch nach kurzer Zeit über mich selbst den Kopf. Das ist vorbei. Warum denke ich noch daran? Ich trinke noch einen Schluck und verlasse das Wohnzimmer wieder. Im Esszimmer stelle ich das Glas ab und laufe zur Küche. Mal sehen, was die beiden treiben. Das Ratatouille duftet so lecker, dass mein Magen inzwischen wie ein hungriger Bär knurrt. Ein Blick in die Küche jedoch lässt mich abrupt innehalten. Na da schau an! Clem hat es anscheinend geschafft, Kilian von seinem Weihnachtsblues abzulenken. Da kann ich jetzt unmöglich stören! Clem und Kilian stehen eng umschlungen mitten in der Küche. Ob sie sich küssen, kann ich nicht sehen, aber das muss und will ich auch gar nicht. So leise es geht, trete ich den Rückzug an. Lassen wir ihnen noch ein wenig ihre Zweisamkeit. ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)