My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 15 - Offiziell und Inoffiziell ---------------------------------------- Love bite 15 - Offiziell und Inoffiziell Unruhig tippe ich mit dem Zeigefinger auf der Schreibtischplatte herum. Der Bildschirm meines Laptop leuchtet mich kühl an. Wenigstens etwas, zu das er nutze ist, den viel verändern tut sich darauf nichts. Es ist nicht zu fassen, aber ich kann mich nicht konzentrieren! Sonst ist es meist so, dass wenn ich vor meinem Programm sitze, dass ich sofort ganz dabei bin, und alles vergessen kann, was mich den Tag über so beschäftigt hat. Heute: Fehlanzeige. Ich tippe nur Mist zusammen, verhasple mich ständig in den Zeilen und muss zigmal nachschauen, wo ich denn eigentlich gerade bin, und überlege dann jedes Mal, was ich überhaupt eingeben wollte. Sowas ist mir wirklich noch nie passiert! Jedenfalls nicht so extrem wie heute. Daran ist nur Meilo schuld! Er und seine blöde SMS! Vorhin erreichte mich seine Nachricht, dass er unser Telefonat auf morgen verschieben muss, weil er es heute Abend nicht mehr schafft. Eine Aftershowparty, auf die er sich unbedingt sehen lassen muss. Und als ich ihn zurück rufen wollte, war sein bereits Handy aus. "So ein Käse!" Ich stoße mich vom Schreibtisch ab und rolle ein Stück nach hinten, um aufzustehen. Mein Weg führt mich ins Badezimmer, wo ich mich erleichtere und dann die Hände waschen gehe. Im Spiegel begegnet mir mein müder Blick. Ich hab Tränensäcke, so groß wie die Ringe des Saturn. Ich mustere mein Gesicht. Es sieht nicht nur aus, als hätte ich die letzten drei Nächte durchgemacht, ich fühle mich auch so. Es macht mich echt fertig, dass ich noch nicht mit Meilo telefonieren, und mit ihm über dieses Gerücht sprechen konnte. Ich hab Schiss, dass er deswegen Stress mit seiner Plattenfirma bekommt. Wer weiß schon, wie die darauf reagieren, wenn sie das lesen, was Nicole in diesem Forum entdeckt hat. Ich wische mir mit der noch feuchten Hand über die geschwollenen Augenränder und schlurfe aus dem Bad. Wieder vor dem Schreibtisch hockend, schließe ich mein Programm. Heute wird das nichts mehr. Ich will den Laptop gerade runterfahren, da halte ich inne. Ich muss es einfach wissen! Den Browser angeklickt, taucht meine Startseite auf. Wie hatte Nicole gesagt? Das Keith Kandyce Fanforum? Ich geb's einfach mal in die Suchmaschine ein, dazu das Wort Freundin (mir stinkt es langsam, dass ich ständig als Frau betitelt werde) und drücke auf Enter. Ich habe Glück, oder Unglück, je nach dem wie man es sehen will. Gleich die erste angezeigte Seite ist ein Treffer. Ich klicke drauf und warte die grausamen Sekunden, bis sich die Seite vollständig aufgebaut hat. Meilo springt mir in knalligen Farben vom Header entgegen. Na danke auch! Als ob ich nicht schon genug leiden würde! Ich scrolle runter, nur weg mit dir, du geschminkte Version meines Liebsten, und überfliege die Kommentare. Damit es schneller geht, gebe ich in die Suchleiste Freundin ein, und siehe da: 'Angeblich hat er eine Freundin. Ist das zu fassen?! Wer ist diese Bitch?! WIESOOO?!' Heul doch, Kandy-Fan_01! "So eine Scheiße", knurre ich und lese weiter. Eigentlich steht dort nichts wirklich aufschlussreiches mehr. Nur Geheule von kleinen Mädchen, die ihre Träume, ihrem geschminkten und obendrein schwulen Superstar jemals nahe zu kommen, in die Mülltonne kloppen können. Ja, die Realität ist hart, ihr kleinen Mäuse. Man bekommt nicht immer, was man will. Manchmal bekommt man sogar viel mehr als man möchte. Wie schön wäre es, wenn Meilo ein stinknormaler Typ mit einem langweiligen Bürojob wäre! Aber dann wäre er ja nicht mein Meilo. Obwohl die Kommentare allesamt nutzlos für mich sind, klicke ich mich durch die noch nachfolgenden vier Seiten und überfliege sie alle. Ich bin fast am Schluss angekommen, da entdecke ich einen Link. Darunter nur ein 'AHHHHHHHHH!!!' und ein freudig grinsendes Smilie. Ich öffne den Link. Ich gelange anscheinend auf die offizielle Seite von Keith Kandyce. Wieder sein Konterfei, diesmal nicht so knallig und sogar recht natürlich, dennoch weicht es noch sehr von meinem Meilo ab. Zum Glück! Ich bin auf der News Seite gelandet. Der neuste Eintrag dort, wurde vor nicht mal einer Stunde veröffentlicht. Mir wird leicht übel, als ich ihn lese. Ich wische mir noch einmal über die Augen und atme tief durch. 'Keinen Grund zur Panik!', mache ich mir klar. 'Das hat nichts mit uns zu tun.' Ich lese den Eintrag ein weiteres Mal durch. Nur um sicher zu gehen, dass ich auch alles richtig verstanden, und nichts überlesen habe. Dort steht: 'An meine besorgten Fans, sicher habt ihr schon davon gehört, dass das Gerücht umgeht, ich hätte eine Freundin. Ich kann euch allerdings beruhigen und sagen, dass ich weder eine Freundin habe, noch in einer Beziehung bin. ...' Und so weiter und so fort. Ab da an kommt nur noch Fantalk. Ich lehne mich zurück. Das Quietschen des Bürostuhls kommt mir unheimlich laut diesmal vor. Er hat es dementiert. Eigentlich gut, oder? Er hat keine Freundin, stimmt ja auch. Allerdings "Er ist in keiner Beziehung", flüstere ich und starre dieses Wort stoisch an. "Das muss er so schreiben", bete ich mir selbst vor. Da bin ich mir absolut sicher, doch es schmerzt. Jetzt fühle ich mich wie das kleine, arme Mädchen, das seiner Illusion beraubt wird, dabei habe ich gar keinen Grund dazu. Mit einem leisen Klicken klappe ich den Laptop zu und stehe auf. Nachdenken hat keinen Sinn mehr heute Nacht. Ich muss mir einfach bewusst machen, dass das nicht Meilos Kommentar ist, sondern der von Keith Kandyce und seiner Plattenfirma. Nicht mehr und nicht weniger. *** "Du isst ja schon wieder nichts", schnauft meine Mutter mich ärgerlich an. "Du fällst mir noch vom Fleisch!" "Tue ich bestimmt nicht", murmle ich verschlafen. "Brütest du was aus?" Jetzt ist auch noch mein Vater besorgt und schielt mich skeptisch an. "Tue ich nicht." "Du bist auch viel früher auf als sonst." "Konnte nicht schlafen." "Warum denn?", fragt meine Mutter, die nun eher besorgt als ärgerlich dreinschaut. Ich seufze. Warum sollte ich es ihr nicht erzählen? "Ich musste die ganze Nacht über an Meilo denken", beginne ich, komme aber nicht weiter, weil meine Schwester in die Küche gestürmt kommt. Sie strahlt über beide Ohren. "Er hat keine Freundin!", ruft sie und quietscht. "Keith ist Single!" Ich schaue Mama an. Sie schenkt mir einen tröstenden Blick. Wetten, sie denkt, wir hätten uns getrennt? So wie sie guckt, denkt sie das mit Sicherheit. Ich schüttle leicht den Kopf. Sie runzelt die Stirn, woraufhin ich ihr ein stummes Nachher entgegen hauche. "Ach ich bin so froh!", jauchzt Nicole und setzt sich neben mich an den Tisch. Beherzt greift sie sich ein Brötchen und schneidet es auf. Ich schnappe mir meine Tasse Kaffee und stehe auf. "Ich muss nochmal weg. Bis später." Ich verkrümel mich in mein Zimmer und schlüpfe in meine Schuhe. Unterdessen wähle ich zum wiederholten Male Meilos Nummer, doch sein Handy ist noch immer aus. Er schläft bestimmt noch, und tut dies unter Garantie noch eine Weile lang. Das tut er immer nach einem Konzert, was ja auch logisch ist. Trotzdem will ich hier nicht weiter hocken bleiben, und auf seinen Rückruf warten. Deswegen werde ich mich rüber zu Ed und Ingo machen, und bei den beiden ein wenig Zerstreuung suchen. Schnell noch die Kaffeetasse geleert, dann kann es auch schon losgehen. Mein Handy bleibt hier. Ich habe keine Lust, ständig drauf zu schauen. Also beuge ich dem gleich vor. Es ist ja nicht so, dass ich mir Sorgen darüber mache, dass zwischen uns was falsch läuft. Ich weiß ja, dass er das sagen muss, und es ist auch in Ordnung für mich, dass das mit uns noch geheim bleiben muss, aber der schale Nachgeschmack dieses Posts bleibt. Und das tut er so lange, bis ich mit ihm geredet habe, seine Stimme gehört, und ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe, und er es mir ebenfalls gesagt hat. Drüben klopfe ich an die angelehnte Werkstatttür. Drinnen klappert es metallisch. "Herein!", ruft Ed und ich trete ein. "Moin Ed. Ich bins." Ed, der gerade unter einem aufgebockten Bike liegt, schiebt seinen Kopf darunter hervor. "Moin. Was treibt dich denn hier her? Macht deine Karre wieder Mucken?" "Nein, nein", winke ich ab und muss leicht schmunzeln. Das fragt er mich jedes Mal, wenn ich ihn besuchen komme. Als ob das der einzige Grund wäre, um ihm einen Besuch abzusatten. "Mir war nur danach, mich mal mit jemanden zu unterhalten, der nicht mit mir verwandt ist." Ed lacht. "Kann ich verstehen. Familienaktion kann stressig sein." "Wem sagst du das!" Er dreht eine Schraube am Bike fest und richtet sich ächzend auf. Notdürftig wischt Ed sich die Hände an seinem Blaumann ab und zeigt hinter sich. Dort stehen zwei Klappstühle. "Bier?" "Gern." Ja, es ist noch früh, aber was solls? Ich bin arbeitslos. "Wo ist Ingo?" Ed weicht meinem Blick aus und wenn mich nicht alles täuscht, wird er einen Hauch dunkler um die Nase herum. "Der schläft noch", murmelt er und reicht mir eine Bierflasche. "Ah ja. Schlafen also." Ich zwinkere ihm zu. Jetzt wird er aber wirklich rot. "Jetzt guck nicht so! Ich weiß doch über euch Bescheid!" "Und? Du musst aber nicht alles wissen." "Würdest du nicht jedes Mal so reagieren, wie eine keusche Nonne in einem Strippclub, nachdem ihr zusammen im Bett wart, würde ich darüber auch gar nichts wissen" lache ich. "Ich bin keine Nonne", murmelt Ed und schaut zur Seite. Wie kann man nur so verklemmt sein? Bei einem Kerl wie Ingo, müsste er doch schon längst abgeklärt sein. Aber gerade das macht Ed ja auch so sympathisch. "Mensch, ich freue mich doch für euch. Ingo ist ein super Kerl. Verkrampf nicht immer gleich, wenn es um diesen wundervollen Teil eurer Beziehung geht. ... Oder stimmt was nicht?" "Es ist alles in Ordnung mit unserer Beziehung", versichert er mir und trinkt einen Schluck vom Bier. "Ich will nur nicht über Bettangelegenheiten reden." "Du hast damit angefangen", kläre ich ihn auf, grinse und weide mich an Eds Scham. "Habe ich nicht!" "Doch, und du tust es wieder. Du wirst schon wieder so rot wie ein Ferrari, wenn du auch nur an Sex mit Ingo denkst." Und als ob ich noch einen Beweis für meine Behauptung bräuchte, glüht Edilein schon wieder in bester Ferrari-Manier auf. "Soll ich dir lieber von meinem Sexleben erzählen?" "Bloß nicht!", stößt Ed hervor und steht auf. So kenne ich ihn. Jetzt schraubt er lieber wieder an seinem Bike herum, als sich normal mit mir zu unterhalten. "Du bist so süß, wenn du dich schämst", necke ich ihn zum letzten Mal heute. Ich verspreche es! "Halts Maul und reich mir mal den Schraubenschlüssel, der neben der blauen Werkzeugkiste liegt." "Aye, aye Meister! Lehrling Niclas schreitet zur Tat." Ich schnappe mir den Schraubenschlüssel und lege ihn in Eds ausgestreckte Handfläche. Er liegt inzwischen wieder unter dem Bike. "Kann Ingo eigentlich wieder Fahren, oder muss er sich noch schonen?" "Er muss sich noch schonen", ächzt Ed und popelt an einer festgerosteten Schraube herum. "Wehe, er hält sich nicht dran. Gestern habe ich ihn erwischt, wie er sich auf sein Bike gesetzt hat ... Gibst du mir mal die Sprühflasche auf dem Regal? Den Rostenferner." "Klar ... Ist er losgefahren?" "Nein. Zum Glück nicht. Mit seinem Fuß kann er es auch gar nicht starten, aber er hätte umknicken können, dieser Idiot!" Ich muss grinsen. "Ihr zwei seid echt ein süßes Pärchen." Ed gibt einen grunzähnlichen Laut von sich und nimmt mir den Rostentferner ab. "Das meine ich ernst." Ich höre Eds Stiefel über den Betonboden schaben. Kurz danach taucht sein Kopf wieder unterm Bike auf. Er mustert mich. Und zwar gründlich. So lange hat er mich, glaube ich, noch nie an einem Stück angeschaut. "Du siehst so aus, als würdest du jemanden vermissen", stellt er plötzlich fest. Treffer versenkt. Er erstaunt mich doch immer wieder. Ich seufze und lehne mich gegen den langen Tisch, der Ed als zusätzliche Werkzeugablage und Ersatzteilanhäufung dient. "Vermissen wäre zu einfach ausgedrückt", antworte ich ihm. "Wie haltet ihr beide das nur aus? Ich meine, wenn Ingo unterwegs ist und Rennen fährt? Er ist doch manchmal für Wochen weg." Ingo fährt sogar im Ausland Rennen. Die gehen manchmal eine Woche lang. Doch mit An- und Abfahrt zieht sich das Ganze länger hin. Und Ed kann nicht immer mitfahren. Er hat ja auch genug Arbeit hier. "Es war Anfangs schwer, aber es ist zum Aushalten. Wir telefonieren viel. Manchmal ist er einfach nur am Telefon, während ich schraube. Das gibt mir das Gefühl, er sei bei mir." Ed lächelt verlegen und zückt einen größeren Schraubendreher. Ohne Alkohol im Blut (der kleine Schluck Bier von eben zählt nicht), habe ich ihn noch nie so redselig erlebt. Das freut mich. "Das hört sich vielleicht irgendwie verrückt an, aber wenn man den Anderen liebt, ist das sicher normal. ... Oder?" Er sieht mich kurz an, krabbelt dann erneut unter das Bike. "Soll ich ehrlich antworten?" Er nickt kaum sichtbar. "Bei Kilian und mir war das nie so. Ich habe ihn zwar auch vermisst, wenn er beruflich unterwegs war, aber nicht so sehr, wie mir Meilo fehlt." Und wie sehr er mir fehlt! Als hätte jemand einen wichtigen Teil von mir mit der Kreissäge entfernt. "Dann hat die Chemie zwischen dir und Kilian nicht gestimmt", meint Ed gelassen. Welch weise Worte, mein Freund. "Könnte sein. Weißt du, bei Kilian hatte ich immer das Gefühl, er sei immer ein Stückchen weit von mir entfernt. Das hat mich allerdings nicht gestört. Das war eben seine Art. Er hat so eine leichte Unnahbarkeit, die mir am Anfang sogar gefallen hat. Bei Meilo war das von Anfang an anders. Wir sind auf gleicher Augenhöhe, obwohl er ein komplett anderes Leben führt und das lässt mich auf der anderen Seite ruhig schlafen, wenn wir voneinander getrennt sind, weil ich mir sicher bin, dass er nichts mit anderen Männern anfängt, aber auf der anderen Seite hält es mich auch wach, weil er nicht neben mir liegt. ... Es ist komisch zu beschreiben." Ich kratze mit dem Fingernagel über die Holzplatte des Tisches. "Das ist verrückt, kann ich dir sagen." Werkzeug klappert. Ed taucht wieder auf und steht auf. Gelassen greift er sich eins der ölverschmierten Tücher, die hier herumliegen, und wischt sich die Finger sauber. "Das ist nicht verrückt", grinst er. "Verrückt ist, dass du hier stehst und dich bei mir über eine anscheinend glückliche Beziehung ausheulst." Ich ziehe einen Schmollmund. "Ich vermisse ihn eben." "Dann ruf ihn an." "Kann ich nicht. Er pennt noch." "Du hast Luxussorgen, mein Freund." Ed lacht. "Die haben wir beide." "Hm." Er hat ja recht. Sicher würde er das anders sehen, wenn er die ganze Geschichte kennen würde. Aber ich kann ihm die Wahrheit nicht sagen. Doch nüchtern betrachtet, hat er recht. Dieses Dementi bedeutet nichts. Es soll nur die Fans beruhigen, damit sie fleißig weiter seine Musik kaufen. Man sieht es ja an Nicole. Sie ist wieder ein glückliches Fangirlie. Deprimierte Fans, die glauben, ihr Star sei vom Markt, wenden sich bald anderen Traumblasen zu. "Kommst du mit? Ingo hat sicher fertig geduscht." Mein Nachbar guckt mich fragend an. "Geduscht? Ich dachte, er schläft noch." "Ähm. Ja ..." Puff! Edilein wird rot, dreht sich von mir weg und huscht zur Tür. "Warum duscht ihr nach dem Vögeln eigentlich nicht zusammen?", lache ich und trete mir innerlich in den Hintern. Ich wollte doch aufhören, Ed zu ärgern! Trotz des Kommentars und seinem Hasswort Nummer eins, vögeln, bittet mich Ed in seine Wohnung, als wir davor stehen. "Babe? Ich hab Rührei gemacht. Möchtest du?" "Gerne Schatz, aber bitte ohne Eigelb!", rufe ich und stelle mich grinsend in die Küche neben Ingo, der in der Pfanne herumrührt. Im rechten Mundwinkel hat er eine halb aufgerauchte Zigarette hängen und dabei trägt er nichts bis auf eine ziemlich schief sitzende Unterhose. Das ist Ingo live und in Farbe. "Extrawürste gibt es bei mir nicht", blafft er mich an und droht mir mit dem Pfannenwender. "Du bist so herzlos zu mir, Sweety!", heule ich auf. Ingo lacht und nimmt die Pfanne vom Herd. Mir ist jedoch das Grinsen vergangen. Bei dem Wort Sweety musste ich unwillkürlich wieder an Meilo denken. Ob er schon wach ist? Ich hätte mein Handy mitnehmen sollen! "Hey! Nic!" "Hm?" "Ob du mitessen willst, habe ich dich gefragt." "Nee, danke", sage ich zu Ingo, der schon mit Ed zusammen am Küchentisch sitzt. "Aber einen Kaffee nehme ich." "Der scheint auch nötig zu sein. Du pennst mit offenen Augen. Das ist nicht gesund." "Er hat Sehnsucht", erklärt Ed in seiner trockenen-aufklärenden Art. "Nach mir?!" "Sehr witzig Ingo", schmolle ich, stibitze mir eine Kaffeetasse aus dem Schrank und setze mich zu ihnen. "Nach deinem Meilo?", fragt Ingo mich. Ed nickt, da er ein vollen Mund hat und ich brumme nur ein "Ja". "Dann warst du nicht lange genug bei ihm", philosophiert Ingo. "Da sagst du mir nichts neues." Ich schütte den bitteren Kaffee in meine Kehle. Ingo kocht eher Teer, als Kaffee, aber er macht munter. Ed braucht das sicher, so lange, wie er immer arbeitet. "Wann seht ihr euch wieder?" Ingo hört sich schon an wie meine Mutter. "Keine Ahnung." "Wo ist er den gerade?" "In Leipzig." "Dann ab in dein Auto und fahr zu ihm." "Ha ha", grummle ich. "Sprit fällt leider nicht kostenlos vom Himmel." "Zug?" "Genauso teuer." "Dann musst du eben solange warten, bis ihr euch wieder sehen könnt", schließt Ingo und schaufelt sich eine Gabel voll Rührei in den Mund. "Muss ich wohl ..." Seufzend stütze ich mein Kinn auf meinen angewinkelten Arm ab. Eine Weile gucke ich den beiden beim Frühstücken zu, dann stehe ich auf. "Willst du schon gehen? Wir könnten gleich an der Konsole zocken." "Kann es sein, dass dir langweilig ist?", frage ich Ingo schmunzelnd. "Ein bisschen. Ed hat ja keine Zeit für mich." "Ey! Ich hab extra eine halbe Stunde später in der Werkstatt angefangen!", beschwert sich dieser. "Eine ganze halbe Stunde. Hörst du Nic? Ich durfte eine ganze halbe Stunde mit meinem Süßen spielen." "Ingo!" Ed entflammt schon wieder. Ob das gesund ist? Ich grinse in mich hinein. "Klärt das mal schön unter euch. Ich gehe rüber und versuche Meilo zu erreichen." "Na dann viel Glück." "Danke", antworte ich Ingo, der nun wiederum schmollend dasitzt, und Ed versucht weichzukochen, noch ein paar halbe Stunden mehr dranzuhängen, bevor er wieder in die Werkstatt geht. Vielleicht klappt es ja, wenn ich weg bin. Zu wünschen wäre es ihm. Ed kann doch sicher noch einmal für eine halbe Stunde der Werkstatt fern bleiben, oder? Zuhause herrscht angenehme Ruhe. Nicole ist bei einer ihrer Freundinnen, Papa ist arbeiten und Mama treibt sich sonst wo herum. Ich beeile mich, in mein Zimmer zu kommen, werfe die Tür hinter mir zu und schließe ab. Schon von der Tür aus kann ich mein Handy blinken sehen. Meilo! Ich stolpere beinahe über meine eigenen Füße, als ich zu meinem Handy rüber renne, mich aber wieder fange, und das blinkende Ding schnappe. Und tatsächlich! Meilo hat mich zwei Mal versucht zu erreichen! Ich wähle seine Nummer und werfe mich aufs Bett. Es klingelt, klingelt noch einmal, dann /Nic?/ Wie verschlafen sich seine Stimme anhört. "Morgen Sexy. Ausgeschlafen?" Ich kann nicht anders und muss lachen. /Wie man es nimmt/, brummelt er. /Ich liege schon wieder flach./ "Was?!" Schluss mit lachen. "Wie schlimm ist es?", möchte ich besorgt wissen und richte mich auf. /Na ja. Mein Hals tut weh, mein Kopf pocht und ich habe Fieber./ Mir wird ganz anders. "War schon ein Arzt bei dir?" /Ja. Hab auch schon Medis bekommen./ "Gut", antworte ich. "Soll ich kommen?" /Lieber nicht./ Autsch! /Versteh mich nicht falsch, ich hätte dich gern bei mir, aber ich penn sowieso nur, und Gerd wacht diesmal über mich wie eine Glucke./ "Verstehe. Wenn man sich gut um dich kümmert, ist es ja gut." Mit dem kleinen Nachteil, dass ich mich viel lieber um ihn kümmern würde. Aber das wäre zu auffällig. "Ruh dich gut aus." /Ich wünschte, das ginge so einfach./ "Deine Termine?" /Auch ... Nein, es ist .../ Meilo seufzt. /Ich muss dir was sagen./ Mir sackt das Blut in die Beine und mir wird schwindelig. Ich muss dir was sagen ... So hat Kilian begonnen, als er mich abgeschossen hat. "Ich liebe dich." Der Satz ist schneller raus, als ich nachdenken kann. Er passt nicht ins Gespräch, aber ich muss es ihm sagen! Ich höre Meilo leise schmunzeln und werde noch verwirrter. /Ich dich auch/", wispert er mit schwacher Stimme. /Ich möchte nicht mit dir Schluss machen./ Als hätte er meine Gedanken gelesen. "Was musst du mir denn dann sagen?" Nervös knibble ich an der Bettwäsche herum. /Ich musste gestern etwas tun/, beginnt er. Vor meinem geistigen Auge tun sich verschiedene Szenarien auf. Keine davon erfüllt mich mit Freude. /Love bites hat größere Wellen geschlagen, als ich beabsichtigt habe. Deshalb .../ Bei mir fällt endlich der Groschen. "Warte mal!", unterbreche ich ihn. "Geht es etwa um dieses Dementi auf deiner Webseite?" Ich war so abgelenkt davon, dass Meilo schon wieder erkältet ist, dass ich an diesen Zirkus gar nicht mehr gedacht habe. /Du weißt davon?/, fragt er mich erstaunt. "Ja. Ich hab's gelesen." Meilo atmet laut aus. /Und du bist nicht sauer?/ "Nein. Ich weiß doch, dass du das schreiben musstest." Das es mich schon irgendwie getroffen hat, verrate ich ihm nicht. Ihm geht es schon schlecht genug. /Ich wollte das nicht/, fiepst er. "Ist doch schon gut. Wir hatten doch darüber gesprochen." Was hat er denn auf einmal? /Sie haben es einfach umgeändert, bevor es raus ging./ "Wie umgeändert?" Hä? /Ich habe nur geschrieben, dass ich keine Freundin habe und keiner meiner Fans deswegen traurig sein muss, aber mein Management hat noch hinzugefügt, dass ich in keiner Beziehung bin. Das wollte ich nicht./ Ich halte kurz die Luft an. Zu sagen, es würde mich nicht glücklich machen, dass genau dieser Teil nicht aus Meilos Feder stammt, wäre gelogen. /Ich habe gedacht, es würde reichen, eine FreundIN zu dementieren, was ja auch stimmt, aber da hatte meine Plattenfirma wohl andere Vorstellungen./ "Lass sie. Schlimmer wäre es, wenn sie von uns wüssten." /Ja/, sagt er gedehnt. /Dass ich offiziell keinen Freund haben darf, nervt./ Ich muss lachen. "Gut, dass es dafür inoffiziell geht." Nun lacht er ebenfalls, wird dann aber wieder ernst. /Ich laste dir ganz schön was auf. Das tut mir leid./ "Ach was", weiche ich aus. Was soll ich auch sonst sagen? /Und dann noch diese Scheiße von meiner Plattenfirma letzte Nacht!/ "Mach dir keine Gedanken darüber", sage ich leise. "Ich weiß doch Bescheid." /Ich hatte so eine Angst, als ich das vorhin gelesen habe. Ich dachte, wenn du das liest, bevor ich es dir erklären kann, dann wäre es das mit uns./ Mir wird es ganz klamm ums Herz. Hat er wirklich so wenig Vertrauen in mich? Ich würde ihn das gerne fragen, doch ich lasse es. Meilo braucht Ruhe. Deshalb sage ich nur eins zu ihm, dass ich ihn liebe und versichere ihm, dass ich niemals etwas glaube, was irgendwo über ihn geschrieben steht, außer er sagt mir persönlich, dass es so ist. /Danke/, antwortet er schwach. /Ich will dich nicht verlieren./ "Ich dich auch nicht." Seine Stimme wird immer dünner. "Schlaf ein bisschen ja? Melde dich, wenn du wieder fitter bist." /Ist gut./ "Werd schnell wieder gesund Schatz." /Versuchs/, haucht er und legt auf. Seufzend lande ich auf der Matratze. Was würde ich jetzt dafür geben, bei ihm sein zu können! *** Zwei Tage später hört sich mein Schatz schon wieder viel besser an. Sie haben ihn mit Medikamenten vollgestopft und jeden Tag war ein Arzt bei ihm. Außerdem hat er mir verraten, dass er sich streng an meine Obst- und Tee-Regel gehalten hat. Es scheint geholfen zu haben. /Ich hab wieder richtig Hunger!/, verkündet er mir gut gelaunt. "Dann iss, damit du zu Kräften kommst." /Das hat Niklas auch gemeint./ Niklas! Dieser kleine Knilch! /Hör auf so ein Gesicht zu ziehen. Er ist und bleibt nur ein Freund./ "Woher willst du wissen, was für ein Gesicht ich gerade ziehe?", frage ich ihn. /Dazu muss ich dich noch nicht mal sehen, um zu wissen, wie du aus der Wäsche guckst, wenn ich seinen Namen sage./ Tzäh! "War Niklas heute lange bei dir?" Jetzt, wo wir schon beim Thema sind, kann ich ihn das auch fragen. /Nein. Ich bat ihn zu gehen, weil ich schlafen wollte./ "Gut. Ich mag es nicht, wenn er bei dir herumwuselt." Meilo kichert. /Er wuselt nicht bei mir herum. Er flirtet mit mir./ "Was?!" Nun bricht Meilo in lautes Gelächter aus. /Beruhige dich! Ich gehe doch nicht darauf ein. Ich habe doch dich./ "Na das will ich aber auch schwer hoffen." Beleidigt lehne ich mich auf der Wohnzimmercouch zurück. /Das weißt du doch. Nur bei dir fühle ich dieses Ziehen in mir .../ "Sprich weiter", vordere ich ihn auf und fühle eben jenes Ziehen in mir aufflammen. /Das Kribbeln, das in mir einsetzt, wenn ich deine Stimme höre. Wenn ich mir vorstelle, wie du mich anfasst mich küsst, dann kann ich dich beinahe körperlich spüren .../ Ich atme langsam aus. Meilos Stimme und seine Worte machen mich sofort scharf. /Dein heißer Körper ... Wie er mich umfängt, sich schwer auf mich legt, wenn du tief in .../ "MAMA?!" Plopp! Die schöne Seifenblase, in der ich mich gerade mit Meilo befunden habe, zerplatzt. "MAAAMA!" Nicole ist nach Hause gekommen und schreit das ganze Haus zusammen. /Deine Schwester?/ "Richtig geraten", knurre ich. "Bleib dran." Ich stehe auf und rausche aus dem Wohnzimmer. "Ey! Schrei mal nicht so laut hier rum! Ich telefoniere!" "Leck mich!" Wie bitte? "Wo ist Mama?" "Die hab ich gegessen", zicke ich sie an. Mit einem gelassenen Augenaufschlag erwidere ich ihren ausgestreckten Mittelfinger. "Würde ich gern, aber du Bratze hinderst mich ja dran." "Was?" Das versteht sie jetzt nicht. "Nichts! Mama ist nicht da, also sei ruhig." Sie verdreht die Augen, wirft mir ein "Ohhhhrchhhh!" Um die Ohren und saust in ihr Zimmer. "Weiber!" Ich höre Meilo am anderen Ende der Leitung lachen. "Sei froh, dass du so etwas nicht mitmachen musst." /Irgendwann habt ihr euch sicher ganz doll lieb/, kichert Meilo. "Das dauert noch mindestens zehn Jahre." Oder noch länger bei meinem Glück. In der Zwischenzeit bin ich in mein Zimmer gelaufen und habe die Tür verriegelt. Jetzt, wo unser Telefonat doch eine so exquisite Wendung genommen hat, bleibe ich ganz sicher nicht mehr im Wohnzimmer hocken. Apropos. "Wo waren wir stehen geblieben?", frage ich Meilo und steige ins Bett. /Ich wollte dir gerade erzählen, wie heiß es mich macht, wenn ich daran denke, wie du mich Fickst./ Zuckende Blitze schlagen in meinem Schoß ein. Er kann ja so versaut sein! "Erzähl mir mehr davon", flehe ich, knöpfe mir die Hose auf, halte aber kurz danach wieder inne. "Kannst du denn überhaupt? Geht es dir wieder soweit gut, dass wir ..." /Sonst hätte ich nicht davon angefangen/, versichert er mir und seufzt wimmernd in die Sprechmuschel. Ich beeile mich, aus meiner Hose zu kommen. Ich habe keine Ahnung, ob es eine Weltmeisterschaft in Telefonsex gibt, aber falls ja, dann sind Meilo und ich die ungekrönten Sieger. Okay, ich weiß nicht, ob Ed und Ingo das auch machen, doch falls ja, wären sie bestimmt unsere Konkurrenten. Aber warum denke ich jetzt an Ingo und Ed, wenn ich doch Meilos Stöhnen und Keuchen lauschen kann? "Beschreib mir, wie ich dich berühren soll", vordere ich ihn auf und schließe die Augen. /Streichle über meinen Bauch und küss mich./ Jetzt muss ich keuchen. Wie gern würde ich das jetzt tun! Die Vorstellung reicht bei weitem nicht aus, aber es muss leider. "Liege ich auf dir?" /Ja ... Aber ich werfe dich herum und klettere auf deinen Schoß./ Meine Mundwinkel wandern nach oben. Einen stürmischen Meilo habe ich immer gern. "Und dann? Soll ich weiter damit machen, dich zu streicheln?" /Ja/, keucht er. /Aber nicht mehr nur meinen Bauch./ "Ich soll also deinen harten Schwanz anfassen, habe ich das richtig interpretiert?" /Oh ja!/ "Wie wäre es, wenn ich eine Hand unter deine Hoden schiebe und mit der anderen anfange dich zu pumpen?" Meilo stöhnt laut. Hoffentlich hat er noch genügend Medizin für seinen Hals da, nicht, dass er einen Rückfall bekommt. "Das fasse ich mal als ein Ja auf", kichere ich und berühre mich selbst. "Kannst du mich auch berühren?" /Kann ich/, antwortet er. /So, wie du mich?/ "Ja." Ich stelle mir vor, dass es Meilos Hand ist, die mich langsam streichelt. "Meilo? Ich wandere nun tiefer und fange an, um deine Rosette zu kreisen." /Hm ... Ich fühle es./ "Ich drücke gegen deinen Muskel und dringe langsam in dich ein." /Oh ja ... Ich bin schon längst bereit für dich./ Sag das noch mal, und ich setze mich umgehend ins Auto, und fahre zu dir! Ich seufze und schiebe das Telefon neben mir zwischen Kissen und Ohr, damit ich beide Hände frei habe. "Schatz? Mach das Selbe bei mir." /Mache ich/, säuselt er. /Ganz langsam dringe ich in dich ein./ Ich ahme es nach und stöhne auf. Mein Becken zuckt nach oben. /Ich krümme meinen Finger, so wie du bei mir ... Uhhmmhh ...!/ "Oh Meilo!" Meine Bewegungen werden schneller. "Schneller!" /Ja!/ Wir müssen nichts mehr sagen. Die Geräusche, die wir beide machen, reichen aus, um unser Kopfkino zu füttern. Ich fasse mich fester an, ändere immer wieder den Winkel, mit dem ich mich verwöhne und denke dabei an Meilos heißen Körper, wie er auf mir liegt und mich berührt. Mein Becken jagt nach oben und ich zucke heftig zusammen. "Gleich!", keuche ich ins Telefon. /Nic!/ Meilo atmet heftiger und hält ächzend die Luft an. /Ohh ...!/ Er kommt und die Vorstellung lässt auch mich über die Klippe springen. "Meilo!" Mich durchflutet das Hochgefühl des Höhepunktes und für wenige Sekunden kann ich mich der Illusion hingeben, mein Schatz wäre bei mir. Doch wie immer: Diese Illusion hält nicht lange an. Ich hebe meine besudelte Hand hoch, seufze und angle nach der Taschentuchbox. Notdürftig abgetupft, steige ich wieder in eine Jogginghose, oder wie ich sie nenne, meine derzeitige Arbeitslosenuniform, und lege mich wieder hin. Meilo atmet immer noch schwer. "Geht es dir gut?", frage ich ihn besorgt. /Ja/, japst er. /Nur etwas aus der Puste./ "Du bist eben noch nicht ganz gesund." Er brummt etwas in den Hörer, das ich nicht verstehe. "Wann fährst du morgen los?" Morgen muss er wieder weiter. Drei Tage Zwangspause. Mehr war nicht drinnen für meinen armen Schatz. /Schon Morgens./ "Das heißt, du muss früh ins Bett?" /Leider ja./ "Dann wiegst du mich heute Abend nicht in den Schlaf?" Meilo lacht. Zur Info, das war ein Insider. Gestern ist Meilo beim Telefonieren eingeschlafen und hat leise geschnarcht. Ich war so fies, hab es aufgenommen, und ihm per Handy geschickt, mit dem Spruch: Danke für deinen Gutenachtsong. /Das ist gemein!/, schmunzelt er. /Warte nur, bis dir mal so etwas passiert. Dann ziehe ich dich auch damit auf./ "Muss ich dich erst an das Cock-Foto erinnern? Damit ärgerst du mich auch die ganze Zeit über." /Gar nicht wahr!/ "Wohl wahr!" Wir fangen an zu lachen. Aber mal was anderes: "Wohin geht es morgen eigentlich?" Durch seine Erkältung kam ich gar nicht dazu, ihn das zu fragen. /Nach Lübeck. Und über das Wochenende bin ich in Essen./ "Voller Terminplan also." /Es geht. Ein Auftritt und sonst nur Pressetermine. In Essen bereiten wir die Vorstellung der neuen Live-DVD vor./ Live DVD? Die versuchen ja wirklich nochmal alles aus Keith Kandyce rauszuholen. "Nicole hat mir noch gar nichts von einer DVD erzählt", überlege ich laut. Normal plappert sie von nichts anderem mehr, wenn so ein 'Ereignis' ansteht. /Die Bekanntmachung ist auch noch nicht raus. Nächste Woche erst./ "Montags?" /Ja. Warum?/ "Och nur so. Vielleicht fällt mir da was ein, wie ich Nicole ärgern kann." Meilo gibt einen brummenden Laut von sich. /Aber nicht zu früh. Das soll wirklich erst nächste Woche verkündet werden./ "Ich merke es mir", verspreche ich ihm. "Ich rufe dich nachher noch mal an. So um neunzehn Uhr?" /In Ordnung/, sagt er und gähnt. /Falls ich bis dahin noch nicht schlafe./ "Ich lasse es nur kurz klingeln." /Ist gut. Bye./ "Bye. Liebe dich, Sexy." /Ich dich auch, Sweety./ Aufgelegt. Ich hätte gerne noch länger mit ihm geredet, aber er soll sich noch schonen. Ich weiß, Telefonsex ist dabei nicht gerade hilfreich, aber ich bin auch nur ein Mann. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon halb drei durch ist. Ich lege die Stirn in Falten. Halb drei, und im Haus ist es noch ruhig? Da heute Mamas allwöchentlicher Backclub im Hause ihrer Freundin gastiert, dürfte unter normalen Umständen ein gewisser Teenager die Boxen ihrer Anlage zum Glühen bringen wollen. Tut gewisser Teenager jedoch nicht. Alles ist ruhig. Weil ich aber immer brav von den weiseren und älteren Mitbürgern dieses Hauses gelernt habe, weiß ich, das ruhige Teenager höchst verdächtig sind. Deshalb rapple ich mich auf, mache mich im Bad schnell frisch und steuere dann Nicoles Zimmer an. Lauschend horche ins Innere hinein. Ganz leise höre ich Musik laufen. Mehr nicht. Sehr ungewöhnlich und sehr beunruhigend. Was treibt sie da drin? Doch noch wichtiger ist, will ich das überhaupt wissen? "Nicole?" Ich muss. Das gebietet schon allein mein Alter, das darauf pocht, die jüngere Generation strengstens im Auge zu behalten. "Nicole?", wiederhole ich noch einmal, da sie mir nicht antwortet. "Wasn?" Hö?! Keine Beleidigungen?! Kein Geschrei?! "Alls in Ordnung bei dir?" "Logo." Logo? Da kann was nicht stimmen! "Kann ich reinkommen?" "Wenn's sein muss." Oh Gott! Es muss was furchtbares passiert sein! Ich reiße die Zimmertür auf und wappne mich auf den Anblick, der da kommen mag. Doch trotz böser und grauenhafter Vorstellungen: Nicole sitzt brav an ihrem Schreibtisch und schreibt etwas auf einen Block. Wer hätte denn so was ahnen können?! "Hausaufgaben?", frage ich sie und lasse es ganz beiläufig klingen. "Nope." Ich grinse schief. "Ein Liebesbrief?" Sie zieht die Nase kraus und sieht zu mir auf. "So in etwa", murmelt sie und läuft rosarot an. "Wirklich?" Erleichterung macht sich in mir breit. "Du bist in jemanden verschossen?" Heißt das jetzt, kein Keith Kandyce mehr?! "Das weißt du doch", grantet sie und widmet sich wieder ihrem Blatt Papier. "Der ist für Keith." Schock schwere Not! "Jetzt schreibst du ihm auch noch Liebesbriefe? Die liest er doch sicher gar nicht." Oder? Mein armer Schatz! Teenie-Liebesgesülze! "Erstens, liest er das bestimmt! Keith veröffentlicht sogar einiges von seiner Fanpost. Und zweitens, ist das nicht bloß ein Liebesbrief. Das hier wird ein Geburtstagsgeschenk für Keith." "Geburtstag? Keith hat bald Geburtstag?" Bedeutet das, Meilo hat auch Geburtstag? "Ja. Dieses Wochenende. Am Samstag, um genau zu sein. Und ich habe ihm schon eine Karte gebastelt, den Brief schreibe ich gerade, und ich habe ein kleines Geschenk für ihn." "Wow." Das plättet mich nun aber. "Wie lieb von dir." Nicole guckt mich mit einer Mischung aus Skepsis und Verwunderung an. "Du hast mir noch nie eine Karte zum Geburtstag gebastelt." "Sehr witzig", zischt sie und tüftelt weiter an dem Brief herum. "Dann viel Erfolg dabei." "Werde ich haben." Wie ein geprügelter Hund schleiche ich aus Nicoles Reich, natürlich nicht ohne auf die vielen Poster zu starren. Keith hat am Samstag Geburtstag. Wie bekomme ich jetzt nur raus, ob das auch Meilos richtiger Geburtstag ist? Klar, ich könnte ihn fragen, aber was dann? Zu ihm fahren? Er ist in Essen. Hm … Das wäre zu schaffen. Vielleicht kann ich mir etwas Kohle bei Mama schnorren. Der Plan reift schnell in mir voran, und als ich zurück in meinem Zimmer bin, ist es schon beschlossene Sache. Mal sehen, ob ich nachher was aus Meilo kitzeln kann, dass mir weiterhilft. Bis es so weit ist, suche ich die Fahrstrecke raus und suche im Internet nach einem Geschenk. Ersteres ist nicht schwer, letzteres dagegen sehr. Was schenkt man seinem Liebsten zum Geburtstag? Mir fällt es schon immer schwer, passende Geschenke für meine Familie oder Freunde zu finden. Aber für Meilo fällt es mir noch schwerer. Sonst hilft mir in solchen Fällen immer ein Gutschein weiter, aber das geht doch nicht bei ihm! Viel zu unpersönlich und zu fantasielos. Doch was dann? Kleidung? Näh! Ein Buch? Keinen Dunst was er liest. Schmuck? Vielleicht, aber was gefällt ihm? Parfüm? Meilo ist doch nicht meine Mutter. Irgendwas Musikmäßiges. Hat er bestimmt schon alles was er braucht und bis auf leere Notenblätter finde ich nichts geeignetes. Ich schließe alle Seiten und gehe die Sache ganz anders an. In die Suchmaschine gebe ich 'persönliche Geschenke' ein. Prompt liefert man mir viele verschiedene Antworten. Vom gebackenen Kuchen bis zu frickeligen Näharbeiten. Was mir aber sofort ins Auge sticht: Fotos. Wäre das was? Mir fällt da auch schon ein bestimmtes Foto ein, aber was mache ich damit? Mal sehen, ob ich was finde. Wäre doch gelacht, wenn mir nichts einfällt! Abends lehne ich mich zufrieden in meinem Bürostuhl zurück. Ganz schönt teuer, aber was tut man nicht alles für seinen Schatz? Overnightexpress ist auch nicht gerade billig, aber bis Samstag ist es nicht mehr lange. Ein Tag nur noch, um genau zu sein. Wenn ich das schaffen möchte, was ich vorhabe, dann brauche ich die Bilder so schnell wie möglich. Ich freue mich schon richtig darauf, Meilos Überraschung zu 'basteln'. Was Nicole kann, kann ich ja wohl schon lange! Apropos Meilo. Es wird Zeit ihn anzurufen. Mit dem Handy am Ohr schlurfe ich rüber in die Küche. Mein Bauchi knurrt, und soweit ich mich recht erinnere, war noch was vom Mittag über. Es geht doch nichts über Frikadellenbrötchen. /Hey Sweetheart/, meldet sich Meilo, als ich gerade im Kühlschrank herumwühle. "Hey Zuckerhase. Noch wach?" Meilo lacht. /Ich habe auf deinen Anruf gewartet./ "Das höre ich doch gerne", schnurre ich und fummle die Tupperdose mit den übrig gebliebenen Frikadellen und die Senftube aus dem Kühlschrank. Beides stopfe ich mir unter den Arm und kicke die Kühlschranktür wieder zu. "Wie geht es dir?", frage ich standardmäßig. Das soll nicht heißen, dass es mich nicht interessiert, und ich das aus reiner Höflichkeit frage. Eher im Gegenteil. /Gut. Ich habe das Abendessen verschlungen, als hätte ich Jahre lange nichts mehr gegessen./ "Super! Dann bist du fit fürs Wochenende?" Ich halte die Luft an. War die Frage zu offensichtlich? /Hn ... Ja. Wieso fragst du?/ Oh oh. Er ahnt was, oder? "Na wegen deinen ganzen Presseterminen", weiche ich aus. /Ah so. Die sind morgen. Aber auch nur zwei kurze Interviewstunden./ "Und was machst du dann in Essen?" Ich muss einfach fragen! Warum sagt er mir nicht, dass er übermorgen Geburtstag hat? Das heißt, wenn er denn auch wirklich hat. /Och, wir wollen bloß ein bisschen Feiern./ "Gibt's einen Anlass dafür?" Muss ich ihm denn alles aus der Nase ziehen? Seit wann ist er so verschwiegen? /Na ja ... Die Tour läuft gut, und wie gesagt, die DVD kommt raus .../ "Mehr nicht?" /Nee. Mehr nicht./ Mir vergeht gerade der Appetit. Er lügt mich an! "Okay. Schön. Also dann ... Schlaf gut. Du musst dich doch bestimmt noch ausruhen." Ich kann förmlich sehen, wie Meilo die Stirn runzelt, aber ich kann nicht anders. Ich bin enttäuscht. Sehr sogar. /Mir geht es wieder gut/, sagt er leise. Ich höre ihm an, dass er sich wundert. /Ich dachte, ich soll dir noch ein Schlaflied singen?/ Er versucht heiter zu klingen, aber es klappt nicht. "Heute nicht", winke ich ab. "Ich esse jetzt was, und dann lege ich mich hin. Ich habe auch noch viel vor am Wochenende." /Oh ... Okay./ "Ja, ich bin mit ein paar Kumpels unterwegs." Ich wische mir über die Augen. Was mache ich hier eigentlich? Ich belüge meinen Freund! Und das, obwohl es sowieso schon eine so dämliche Situation ist, in der wir versuchen müssen unsere Beziehung zu führen. Ich muss ihm sagen, dass ich von dem Geburtstag weiß! "Nein, das ist nicht wahr", gebe ich deshalb zu. "Ich weiß, dass du ..." "Sind noch Frikadellen da?" Nicole! Wieso platzt sie immer im ungünstigsten Moment rein? Das hat sie schon bei ihrer Geburt gemacht. "Ja. Hier." Ich deute auf die Tupperdose und sehe zu, dass ich Land gewinne. Das hier möchte ich ganz sicher nicht in ihrer Gegenwart besprechen. "Meilo?" /Ja?/ Uff! Er ist noch dran! Ich lehne mich mit dem Rücken gegen meine geschlossene Zimmertür und begutachte das Chaos, dass in meinem Zimmerchen herrscht. Ich sollte mal wieder aufräumen. "Ich weiß von Nicole, dass du, oder beziehungsweise, das Keith am Samstag Geburtstag hat." Jetzt bin ich mal gespannt, was er darauf zu erwidern hat. /Das weißt du?/, seufzt er. "Ja. ... Heißt das, dass du in Wirklichkeit am Samstag Geburtstag hast?" /Habe ich./ Ich habs geahnt! "Warum hast du mir das verschwiegen?", blaffe ich ihn an. Wieder seufzt er. Es raschelt. Eindeutig Bettwäsche. /Mein Geburtstag bedeutet mir nicht viel/, sagt Meilo lapidar. "Ach so. Und deswegen denkst du, mir wäre er auch nicht wichtig?" Langsam werde ich wirklich sauer. Es ist ja schön und gut, wenn er nicht feiern will, wobei ich ja weiß, dass er es tut, aber ich wäre über diesen Tag gern informiert worden, da ich ihm doch eine Freude machen möchte. Ist doch verständlich. /Nein, das denke ich nicht/, antwortet er hastig. /Es ist nur ... Ich wollte nicht, dass du dich gezwungen siehst, zu mir zu kommen./ Wie bitte?! "Ich sehe mich gezwungen?! Woher denn?" Ich stoße mich von der Tür ab und laufe unruhig im Zimmer herum. "Willst du nicht, dass ich komme?" /Doch!/, japst er. /Aber seit ich als Keith auftrete, sind meine Geburtstage immer ... also sie sind ... Furchtbar!/ Ich bleibe stehen. "Wieso denn das?", frage ich verwirrt. "Es ist doch dein Geburtstag. Was soll daran furchtbar sein?" Meilo ringt mit sich, gurgelt verschiedene Laute ins Telefon, die ich mal als Herumdrucksen bezeichne. "Jetzt sag's doch einfach", feuere ich ihn an. /Also schön./ Na endlich! /Die Party schmeißt immer meine Plattenfirma. Alle möglichen Leute sind dort, auch andere Musiker, die bei ihnen unter Vertrag sind. Die Presse ist dort und auch ein paar von meinem Fanclub. Die Musik ist kacke, und spätestens bis elf Uhr sind alle stockbesoffen. Dann gibt es überall Tänzerinnen, halb bekleidete Bedienungen, und alle von ihnen versuchen an mich ran zu kommen. Es ist nervig, Nic. Ich möchte dir das nicht antun./ Ich plumpse auf mein Bett. Tänzerinnen? Presse? Besoffene? Ich will es nicht, doch ich fange an zu lachen. "Nicht dein Ernst!", gackere ich und kugle mich auf meinem Bettchen herum. /Nic! Hör auf zu lachen! Das war mein voller Ernst!/ "Sorry", hickse ich und wische mir über die Augen. "Aber ... Aber ... Phaaahaha!" Ich kann es nicht verhindern, aber das hört sich alles so verrückt an, dass es schon wieder lustig ist. /Danke auch/, brummt er schmollend. /Ich hasse diesen Tag inzwischen./ Ich beruhige mich wieder und rolle mich auf die Seite. "Das tut mir leid, Schatz", tröste ich Meilo, was ich ernst eine. "Seinen Geburtstag sollte man nicht hassen." /An dem ist ja auch nichts falsch. Nur diese dämliche Feier immer./ "Und wenn du krank feierst? Täusche einen Rückfall vor." Als kleiner Junge hatte ich so etwas voll drauf! /Geht nicht. Der Termin ist wichtig. Promotion./ "Wie furchtbar!" Diesmal lache ich nicht. Ich rapple mich wieder auf und lasse die Beine über der Bettkante schweben. "Wie können die deinen Geburtstag für so etwas ausnutzen?", frage ich ihn leise. /Damals hat es mich nicht sonderlich gestört/, erzählt er mir. /Aber egal jetzt! Es ist das letzte Mal. Meinen nächsten Geburtstag feiere ich mit dir und meiner Familie./ Hört sich das schön an! "Und ich backe dir einen Kuchen", kichere ich. /Das kannst du?/ Nein, aber ich habe vorhin leckere Rezepte gefunden, die jeder Dummarsch hinbekommt. Perfekt für mich! Bleibt nur zu hoffen, dass ich trotz leichter Backanleitung nicht die Küche abfackle ... "Mit Hilfe meiner Mutter kann ich so was." Sicher ist sicher. Meilo lacht und mein Appetit kommt zurück. Er hat mir seinen Geburtstag also nicht verschwiegen, weil er mich nicht bei sich haben wollte. Jedenfalls nicht aus Gründen, die mein Vertrauen in ihm schmälern könnten. /Nächstes Jahr kannst du dich gerne an einem Kuchen austoben, aber für dieses Jahr müssen wir es leider verschieben./ "Kein Problem. Wir holen es nach." Oder auch nicht. Oder meint ihr etwa, ich ließe Meilo bei seinem Geburtstagshorror alleine? Ähäh! /Ich freue mich drauf./ Und ich mich erst! Als wir aufgehört haben, miteinander zu telefonieren, ist gut eine Stunde ins Land gezogen. Meilo hat mich nicht gefragt, ob ich den geplant hatte, zu ihm zu kommen, wenn ich schon von seinem Geburtstag gewusst hatte. Zum Glück, denn a: ich kann schlecht lügen, und b: nicht, dass er mir davon abgeraten hätte, auch wenn ich meine Pläne von ihm geheim halten hätte können. Meilo, mein Schatz, ich werde auf deine furchtbare Geburtstagsparty kommen! Egal was passiert. Und sollte ich doch, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu dir gelassen werden, warte ich eben im Hotelzimmer auf dich, versüße dir dann den restlichen Abend und scheuche die Tänzerinnen und die Kellnerinnen aus seinem Kopf. Schließlich gehörst du mir, mein Hübscher. Erst recht an deinem Geburtstag. Mann! Ich freue mich schon darauf! ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)