My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 10 - Crazy little thing called Love --------------------------------------------- So! Endlich habe ich es geschafft das nächste Kapitel hochzuladen! Das nächste Mal bin ich hoffentlich wieder pünktlich. Hab endlich URLAUB! *freu* Jetzt wünsche ich euch erstmal einen schönen Sonntag und viel Spaß mit Nic und Meilo. Besonders mit Nic, denn der darf heute eine schöne Busfahrt über sich ergehen lassen xD Love bite 10 - Crazy little thing called Love Ich mag seine Hand am liebsten gar nicht mehr loslassen. Aber noch viel lieber würde ich mich komplett an ihn hängen, und jedem zeigen: Schaut her! Das hier ist meiner! So ein Verhalten kenne ich von mir gar nicht. Bei Kilian und mir ist das jedenfalls nicht so gewesen, mal ganz abgesehen davon, dass er es mir erst gar nicht hätte durchgehen lassen, wenn ich mich in aller Öffentlichkeit an gehängt, oder seine Hand gehalten hätte. Doch bei Meilo könnte ich das, das weiß ich. Und ich bin wirklich kurz davor es zu tun. Mich hat es echt heftig erwischt! "Wie wäre es noch mit einem Eis?" Meilo, der langsam mit mir an den vielen kleinen Lädchen vorbeischlendert, lächelt mich an. "Klar. Warum nicht?" Meine Mutter wäre stolz auf mich. Heute bin ich nur am essen. Und am Knutschen, mal so nebenbei bemerkt. Liebe macht hungrig. Nicht nur auf Lebensmittel ... Bevor wir also das Kaufhaus verlassen, halten wir noch kurz vor dem kleinen Eisstand, den es in der Nähe des Ein- und Ausganges gibt. Die Schlange ist groß, aber das ist egal. Ich stehe gern neben Meilo. Von mir aus auch stundenlang. "Was möchtest du?" Meilo zückt seinen Geldbeutel. "Ähm ..." Ich strecke mich, um die Schildchen vor den Eissorten lesen zu können. "Banane, Sahne-Kirsch, Mokka, Stracciatella und Pfefferminze." Meilo guckt mich an, als würden mir soeben kleine Regenbogen aus den Ohren fliegen. "Sonst noch was?", fragt er. "Sahne, Schokosoße, bunte Streusel?" Bunte Streusel hätten was … Ihr wisst schon. Regenbogen und so. "Nein. Nur Eis", antworte ich jedoch und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Nur ist gut", murmelt er. "Becher oder Waffel?" "Becher. Wie will ich sonst die fünf Kugeln sicher durch die Gegend tragen?" Als wir an der Reihe sind, bestellt Meilo wie gewünscht meine Geschmacksrichtungen und sich selbst ganze zwei Kugeln in der Waffel. "Übertreibe es nicht", kichere ich, als wir das Kaufhaus verlassen. "Nicht, dass dein Bäuchlein drückt." "Wenn jemand nachher einen Eisbauch hat, dann ja wohl du." Er piekst mir mit der Eishand in den Bauch. "Tzäh!" Ich schiele ihn schnippisch an, muss dann aber hart schlucken. Gott, ich wünschte, ich wäre die Eiskugel, die sich an seiner flinken Zunge erfreuen darf! "Was denn?" Er hat anscheinend bemerkt, wie ich ihn angaffe. "Mach das noch mal." "Was?" "Leck noch mal am Eis." Aus Meilos verwirrten Stirnrunzeln wird ein amüsiertes Glucksen. Er bleibt stehen und tunkt mit der Zungenspitze zwischen Eiskugel und Waffel. Langsam gleitet sie dazwischen, das Eis schmilzt und läuft an der Waffel hinab. Mir rutscht beinahe der Eisbecher aus der Hand und in meiner Hose wird jemand extremst Liebesbedürftig. Leider ist das ganze Schauspiel schnell wieder vorbei. Meilo leckt schnell das hinab gelaufene Eis weg und legt den Kopf schief. "Ich glaube, wir sollten schnellstmöglich in mein Hotelzimmer." "Glaube ich auch", krächze ich. Wir laufen weiter, doch Meilo stoppt nochmal. "Warte kurz! Ich muss noch was loswerden." Was ist denn nun wieder? Mit wenigen, ausladenden Schritten ist er bei dem viereckigen Mülleimer vor dem Kaufhaus angekommen und kramt in seiner Hosentasche herum. Als ich sehe, was er da hineinwirft, fängt meine Birne an zu glühen. Wenigstens ist es im Taschentuch eingewickelt, aber trotzdem ... "Alles erledigt", schmunzelt er, nachdem er wieder bei mir ist. "Können wir?" Lässig legt er seinen Arm um mich und ich habe Mühe, mein Eis runter zu bekommen, was nicht an der Menge der Kugeln liegt. *** Weil ich mit dem Bus in die Stadt gegurkt bin, fahren wir gemeinsam mit Meilos Auto zum Hotel. Unten in dem hoteleigenen Parkhaus steigen wir aus. "Nun, Herr Sotterbach zu Großfels. Darf ich annehmen, dass Sie mich wieder für heute Nacht buchen möchten", säusle ich in Meilos Ohr, während wir auf den Aufzug zulaufen. "Darum bitte ich sogar", kichert er und zieht mich an sich, nachdem er auf den Aufzugknopf gedrückt hat. "Und dafür werde ich keine Kosten und Mühen scheuen." Zärtlich schmust er über meinen Mund. "Das hört sich höchst verlockend an ... hmm ..." Dieser Herr von und zu Großfels Sotterbach kann aber auch küssen! Das leise Klingeln des Aufzugs beendet unsere Knutschorgie. Jedoch nicht für lange. Als sich die Aufzugtüren wieder schließen, drückt mich Meilo in die Ecke und presst sich an mich. Sein Körper ist so heiß. Er glüht regelrecht. "Ich halte es kaum noch aus", keucht er und schiebt seine Hände unter mein Shirt. "Frag mich mal." Ich bin jetzt schon wieder so spitz, dass mein Schwanz bereits beginnt, sich durch meine Jeans zu bohren. "Hält der Aufzug ... erst unten in der ... Lobby?", frage ich ihn stockend. "Nein", japst er. "Moment." Er lässt mich los. Hey! "Hab vergessen zu drücken", grinst er verlegen. Jetzt merke ich es auch. Wir fahren noch gar nicht. "Das liegt an dir. Du bringst meinen Kopf dazu, alles zu vergessen, außer dich." Der Aufzug fährt los und Meilo stellt sich wieder ganz dicht vor mich. Seine Hände liegen auf meinen Hüftknochen. Ein Prickeln jagt durch meinen Körper. "Tue ich das?", frage ich ihn atemlos und starre ihn begehrlich an. "Hmhm", nickt er schwach, dann fallen wir erneut übereinander her. Hoffentlich will sonst keiner mit dem Aufzug fahren. Aber wie das Leben so spielt, wird das Scheißding nach kurzer Fahrt langsamer. Notgedrungen lösen wir uns voneinander und richten eilig unsere Kleidung. Ein Anzugtyp steigt ein und drückt ausgerechnet auf das Stockwerk über unserem. Klasse! Jetzt müssen wir warten, bis wir im Hotelzimmer sind. Blöder Spielverderber! Da der Kerl aber vor uns steht, und uns deshalb nicht sehen kann, schiebe ich meine Hand in Meilos. Ich höre ihn leise seufzen, bekomme davon eine Gänsehaut und muss mir auf die Zunge beißen, um nicht jedes bisschen Anstand in mir über Bord zu werfen, und ihn zum wiederholten Male anzuspringen. Endlich in unserem Stockwerk angekommen, nehmen wir die Beine in die Hand. "Beeil dich", keuche ich Meilo zu, der nach der Zimmerkarte kramt. "Mach ich doch." Ungelenkt zieht er die Karte durch den Scanner. Das rote Licht wird grün, es knackt und wir können ins Hotelzimmer. Arm im Arm stolpern wir hinein. Meilo kickt mit dem Fuß die Tür hinter uns zu. Allein. Endlich! Ich werde Richtung Schlafzimmer dirigiert, Meilos Lippen fest auf meinen. Gegenseitig schälen wir uns aus den Klamotten, die kreuz und quer durch das Hotelzimmer fliegen. Als ich mit den Waden gegen die Bettkante stoße, lasse ich mich einfach fallen und ziehe Meilo auf mich. "Au! Du bist schwer", feixe ich und wühle mit den Fingern durch sein eben noch so fein gestyltes Haar. "Bin ich das?" "Hmhm." Ich nicke und beiße mir auf die Unterlippe. "Soll ich wieder runter?" "Ähäh." Ich schüttle den Kopf. "Bloß nicht!" "Hätte ich auch nicht anders erwartet." Seine Lippen senken sich auf meine. Seufzend schließe ich die Augen. Verlangend reibe ich meinen Körper an seinem, dessen Schwere sich so unvergleichlich gut auf mir anfühlt. Meilos Fingernägel kratzen hauchzart über meine Seiten, meinen Bauch und meine Oberschenkel. Die Gänsehaut, die sie hinterlassen, lässt mich erschaudern. Ich bin bis in die kleinsten Nervenzellen erregt. Wie macht er das nur? "Ich liebe dich." Leise, gewisperte Worte an mein Ohr. Mein Herz klopft schnell. Und laut. Verflucht laut. ... Stopp mal! Das ist nicht mein Herz! "Meilo?" "Hm?" "Da klopft jemand." Meilo stockt und scheint zu lauschen. "Hörst du?" Und plötzlich ruft jemand seinen Namen. "Shit!" Sein glühender Körper verschwindet. Allein und fröstelnd bleibe ich auf dem Bett zurück. "Warte hier." Er zieht sich einen Bademantel über und schließt die Schlafzimmertür. Wer kann denn das sein? Sicherheitshalber ziehe ich mir auch etwas über. Die Jeans muss reichen. Ich will eigentlich nicht, aber als Stimmen ertönen, höre ich gespannt zu. "Wo warst du?", fragt eine dunkle, männliche Stimme. "Weg", antwortetMeilo genervt. "Weg?" "Shoppen." "Und warum hast du dein verdammtes Telefon nicht bei dir?" "Akku war leer." War er das? "War Spike bei dir?" "Nein." Ein Seufzen. "Ich will auch mal für mich sein", zischt Meilo. "Warum bist du hier? Um nachzuprüfen, ob ich brav im Hotelzimmer herumhocke?" "Du weißt, wieso", brummt der Kerl resigniert. "Warum hast du das gesagt?" "Was?" "Was wohl?!" Ich zucke zusammen. Wie es sich anhört, ist mit dem Typen ist nicht gut Kirschen essen. "Ich habe es gesagt, weil es stimmt. ... Können wir das nicht wann anders besprechen Gerd? Ich wollte gerade duschen." "Wir klären das jetzt! Ich muss eine Pressemitteilung rausgeben." Oh oh. Soll ich raten, um was es geht? "Also stimmt das, was du gesagt hast?" "Ja." Ich zucke zusammen. Warum lügt Meilo nicht? "Himmel-Herr-Gott-nochmal, Meilo!" "Was regst du dich so auf? Bald ist sowieso alles vorbei." "Das mag sein, aber du bekommst Schwierigkeiten mit der Plattenfirma! Was soll ich denen sagen? Hä?" "Das, was du in der Pressemitteilung sagst. Alles nur ein werbewirksamer Publicitytrick." Stille. Wenn ich doch nur was sehen könnte! "Warum hast du das überhaupt auf der Bühne hinausposaunt? Du weißt doch, dass so etwas gleich große Wellen schlägt." "Ich musste", sagt Meilo leise. "Er war im Publikum." Mein Bauch fängt an zu kribbeln und mir wird ganz heiß. "Ach Mensch", seufzt der Typ erneut. "Und ich darf es wieder ausbaden." "Das bekommst du schon hin." "Und wie?" Wieder folgt eine kurze Gesprächspause. Dann spricht Meilo wieder. "Sag, dieser jemand, den ich gemeint habe, sei etwas ganz besonderes für mich. Der mich inspiriert, und der mich zum Songschreiben anregt." "Das wird sie nicht zufriedenstellen. Erst recht nicht deine Fans." "Dann bleib bei der Puplicitysache. Sag der Plattenfirma, das wäre auf meinem Mist gewachsen." "Hoffentlich geht das gut." "Das wird schon", schließt Meilo und verabschiedet sich von diesem Gerd. "Hast du das eben gehört?", fragt er mich, als er zurück ins Schlafzimmer kommt. "War schwer, es nicht zu hören", gebe ich zu. "Du hast Ärger am Hals. Und das wegen mir." "Quatsch! Du konntest nichts dafür. Ich hab das gesagt, und nicht du." "Ja, aber WEGEN mir." Ich fühle mich wirklich schlecht. "Warum hast du diesem Gerd doch die Wahrheit gesagt?" Er wollte es ihm doch verschweigen. "Weil er gemerkt hätte, das ich lüge", antwortet Meilo schlicht. "Und jetzt? Meinst du, er verpfeift dich?" "Wird er schon nicht." "Sicher?" "Sicher. Vor allem, da ich ihm in ein paar Tagen sagen werde, dass das mit uns vorbei ist." Was? "Du willst mit mir Schluss machen?" Meilo nickt und mir sackt das Herz in die Hose. "Nur vor Gerd", grinst er. "Ich werde natürlich nicht wirklich mit dir Schluss machen." Uff! Für ein paar Sekunden hatte ich Angst. "Das wird mir Gerd eher glauben, als wenn ich ihn von Anfang an belüge." "Wenn du das sagst." "Sage ich", schmunzelt er. "Bis dahin muss ich eben mit seinem Gezeter leben." Armer Meilo. "Kann ich irgendwas für dich tun?", möchte ich von ihm wissen. Meilo nickt und öffnet seinen Bademantel. "Kannst du. Hör auf darüber zu reden, und lass uns diese Nacht miteinander genießen." Die Matratze senkt sich, als Meilo zu mir aufs Bett steigt. "Aber nur, weil du mich so nett darum bittest", flüstere ich und empfange ihn in meinen Armen. *** "Wir telefonieren." "Jeden Tag. Und das mehrmals", wispert Meilo mir ins Ohr, während wir uns fest in den Armen halten. Mein Herz fühlt sich so schwer an, als würde es mehrere Tonnen wiegen. Ich will Meilo nicht gehen lassen, aber ich muss. "Gute Fahrt", wünsche ich ihm und lasse ihn widerwillig los. "Danke." Wir stehen vor seinem Wagen in der Garage des Hotels. Weit und breit ist niemand zu sehen. Wir sind zum Glück alleine, weshalb wir uns diesmal anständig voneinander verabschieden können. Unsere Hände halten sich noch immer fest umschlungen. Keiner mag den anderen loslassen. "Wie lange fährst du?", frage ich ihn, um noch ein bisschen gemeinsame Zeit herauszuschlagen. "So ca. sechs Stunden." "So lange?" Augenblicklich mache ich mir Sorgen um ihn. Was, wenn er in einen Unfall gerät? Okay, jetzt denke ich Unsinn, aber es könnte doch passieren, oder? Unfälle passieren täglich, sogar stündlich! "Warum fliegst du nicht?" "Fliegen?", lacht er. "Das lohnt sich doch gar nicht." "Und mit dem Zug?" "Was ist denn plötzlich los mit dir?" Meilo zieht an meinen Händen. "Hey. Mach nicht so ein Gesicht. Lächle doch bitte für mich." Ich schlucke hart und zwinge meine Mundwinkel nach oben. Fuck! Mir geht es echt dreckig! "Das üben wir aber nochmal", schmunzelt Meilo und küsst mich. Ich schließe die Augen, doch leider trennt er sich wieder von mir, noch ehe ich den Kuss richtig genießen kann. "Ich muss jetzt wirklich langsam los." "Ich weiß." Wieder versuche ich zu lächeln, doch ich weiß, dass es gezwungen aussieht. Meilos Lächeln tut dies ebenfalls. "Ich rufe sofort an, wenn ich angekommen bin." "Versprochen?" "Natürlich." Noch ein Kuss, dann steigt er ein. "Soll ich dich wirklich nicht nach Hause fahren?" "Lieber nicht", winke ich ab, auch wenn mein Herz mich anbrüllt und mich zwingen will, auf der Stelle in den Wagen zu steigen, und am besten nie wieder auszusteigen. Nicht ohne ihn. "Fahr vorsichtig." "Immer." Der Motor heult auf. "Ich liebe dich." "Ich dich auch." Wir schauen uns an, dann rollt der Wagen rückwärts aus der Parklücke. Ich hebe die Hand und winke. Die Hupe hallt durch das gesamte Parkhaus, dann ist Meilos Flitzer um die Ecke verschwunden. "Oh Fuck!" Ich atme tief durch. Ich kann es nicht glauben, dass er schon wieder weg ist. Mit langsamen, schlurfenden Schritten verlasse ich das Parkhaus. Meine Brust fühlt sich an, als habe jemand alles aus ihr herausgeschnitten und durch dreckigen Matsch ersetzt. Gibt es denn so etwas? Nach nur zwei Tagen fehlt er mir jetzt schon so sehr, als wären wir seit unserer Geburt erstmals voneinander getrennt. Wenigstens haben wir noch den gestrigen restlichen Tag und die letzte Nacht nur für uns gehabt. Doch selbst das ist mir noch viel zu wenig! Ich möchte bei ihm sein! Jetzt! Auf der Stelle! Aber da das nicht geht, werde ich mich jetzt in den nächsten Bus Richtung Heimat setzten, mich in mein Zimmer schleichen und vor dem Handy auf seinen Anruf warten. Mann, was bin ich nur für eine Jammergestalt, was? An der Bushaltestelle lehne ich mich gegen das kleine Wartehäuschen und starre auf einen unsichtbaren Punkt vor mir. Eine Frau mit Kinderwagen steht neben mir. An ihrer linken Hand hat sie ein zweites, schreiendes Bündel hängen, das gerade so laufen kann. Die Gute wirkt etwas genervt. Ich kann es verstehen. Am liebsten würde ich mich neben das plärrende Kleinkind stellen und mitheulen. Ich will meinen Meilo wieder haben! Buwäääähhh! Glücklicherweise kommt just in diesem Moment der Bus quietschend und zischend angerauscht. Womöglich hätte ich mich wirklich noch neben das Kind gehockt und herumgeschrien. Da man jeden Tag eine gute Tat vollbringen sollte, helfe ich der Frau noch schnell den Kinderwagen in den hinteren Teil des Busses zu heben, löse erst dann ein Ticket und fläze mich gleich ganz vorn auf den Sitz. Gelangweilt schaue ich aus dem Fenster, während die Stadt an mir vorbeirauscht und wir Haltestelle um Haltestelle abklappern. Der Bus wird immer voller, und so kommt es, wie es kommen muss. Eine vollgepackte Oma mit diesen zweirädrigen Einkaufshilfen in der einen, und eine ganze Ladung Einkaufstüten in der anderen Hand, setzt sich neben mich. Sie keucht und schnauft wie eine Dampflok, wuchtet ihre Taschen vor sich auf den eng begrenzten Boden, und die Rolltasche neben sich in den Flur. Pech nur, dass sie damit den ganzen Verkehr aufhält. Der Busfahrer guckt genervt in den Spiegel, sagt aber nichts. Liegt anscheinend daran, dass die alte Dame den Eindruck macht, als kippe sie gleich vor Erschöpfung vom Sitz. Der Bus setzt sich wieder in Bewegung und als die nächste Haltestelle in Sicht ist, graut es mir richtig. Sie ist voll mit Schulkindern in jeglichen Alter. Oh nein! Hätte ich doch nur auf den nächsten Bus gewartet! Lautes Geschrei, hirnloses Gedränge und wild herumwirbelnde Grundschulkinder stürmen den Bus. Sieht aus, als wären die Bälger auf den Weg ins Schwimmbad. Und mitten drin die Einkaufhilfe der Oma. Sie versucht ihren Shopper krampfhaft festzuhalten, damit er im Strom der Hosenscheißer nicht mitgerissen wird. Mein Gute-Tat-Konto braucht etwas Aufstockung, weshalb ich beherzt zugreife, das Teil hochhieve und vor meine Beine wuchte. "Danke", schnauft die Oma. "Keine Ursache." Ich drehe mich wieder zum Fenster. Bitte zieh mich jetzt in kein Gespräch! Tut sie zum Glück nicht. Sie schnauft einfach weiter und schnäuzt in ihr Taschentuch. Ehhh! Nachher schnell Hände waschen! Der Lärm im Bus ist ohrenbetäubend. Die Bälger machen so einen Krach, dass ich mir am liebsten die Finger in die Ohren stecken würde. Ich bekomme Kopfschmerzen. Wäre ich doch nur mit Meilo gefahren. Ich trete mir selbst in den Arsch, was ich eigentlich gar nicht muss, denn das übernimmt schon das Balg hinter meinem Sitz. Verärgert gucke ich in die Scheibe vor mir, in der sich das tretende Gör spiegelt. Ein Junge, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, macht sich an meinem Sitz zu schaffen und schlägt mit den Fäusten dagegen. Mir reißt endgültig der Geduldsfaden. "HEY!", brülle ich durch den Bus und drehe mich um. "Mach das noch ein mal und ich binde dich an diesem scheiß verfickten Sitz fest!" Der Junge glotzt mich verschreckt an. Damit hat er nicht gerechnet. Zufrieden mit mir gleite ich zurück auf meinen Platz. Die Oma neben mir grinst verstohlen. Sie wird mir langsam sympathisch. Irre ich mich, oder ist es nach meiner Ansprache im Bus ein klein wenig ruhiger geworden? Entspannt lehne ich mich gegen das kühle Fenster und schließe die Augen. Noch drei Haltestellen, dann darf ich aussteigen. Hoffentlich steigt die alte Dame vor mir aus, sonst gibt das ein ganz schönes Kuddelmuddel. "Hast du das schon?" "Nee! Zeig mal!" Die Mädels in der Sitzreihe nebenan kichern leise. Ihr Gekicher erinnert mich an Nicole. Mit ihr muss ich auch noch reden. Davor graut es mir. Vielleicht lasse ich es auch einfach auf mich zukommen. Spätestens, wenn sie vor Meilo steht, wird bei ihr der Groschen fallen. Na ja, eventuell auch nicht. Meilo sieht ganz anders aus ohne Schminke. Doch ich befürchte, Nicole als Hardcore-Fan wird das dennoch auffallen. "Oh. Das ist ja toll!" Leises Gequieke. "Soll ich es mal anschalten?" "Nein! Bloß nicht", kichert die eine ihrer Freundin verschämt leise zu. Teenies! "Nur ganz kurz." "Okay ... Aber mach es ganz leise!" "Ja, ja." Genau. Egal was ihr machen wollt, macht es leise. Zwischen das Kichern mischt sich immer wieder ein Quieken. Ich komme mir vor wie auf einer Meerschweinchenfarm. Laute Musik ertönt. Total übersteuert. "Schhhhht!", zischt die eine panisch, wieder Gekicher. Die Musik wird leiser, und man kann nun erkennen, um was es sich für Musik handelt. Dahin ist meine Zufriedenheit. Mei... äh Keith Kandyce dröhnt aus den kleinen Handylautsprechern. Was bringt kleine Mädchen auch sonst zum Kichern und Quieken? Ich hätte es mir normalerweise denken können. Habe ich aber nicht, weswegen ich sehnsuchtsvoll aufseufze und Meilo vor meinem inneren Auge auftauchen sehe. Wenn die kleinen Biester nur wüssten! Oh, besser nicht, denn das, was ich in diesem Moment vor mir sehe, darf kein anderer jemals zu Gesicht bekommen. Mein Meilo, wie er vollkommen entblößt auf mich zukommt, sich auf mich legt und mich mit lustverhangenen Augen anschaut ... Ich zwinge meine Gedanken in eine andere Richtung. Wenn ich jetzt an ihn denke, springe ich noch bei voller Fahrt aus dem Bus, und das will niemand, am wenigsten ich wohlgemerkt. Endlich zuhause, verkrieche ich mich in meinem Zimmer. Meine Mutter ist zum Glück nicht da, meine Schwester auch nicht und mein Vater arbeitet noch. Selige Ruhe. Ich schalte meinen Laptop und meine Anlage an, an die ich diesmal meinen Mp3-Player hänge. Abschalten ist angesagt, und das kann ich am besten mit Musik und beim Programmieren. Obwohl es mir wie eine Ewigkeit vorkommt, als ich das letzte Mal an meinem Programm weitergearbeitet habe, bin ich schnell wieder drinnen und finde sogar ein klitzekleines Fehlerchen, dass ich das letzte Mal aus Versehen fabriziert habe. Es klappt sogar so gut, dass ich alles andere um mich herum vergesse. Ich bin in meiner Welt. Leise summe ich die Melodien mit, die im Hintergrund laufen, wippe im Takt mit den Füßen mit, bin aber ansonsten total konzentriert, bis ... Ja bis ich mich beim Singen ertappe. Für den ein oder anderen mag das nichts Ungewöhnliches sein, aber ich singe normalerweise nicht. Schon gar nicht unter der Dusche oder beim Programmieren. Dennoch singe ich leise den Text mit und bemerke, dass meine Finger still stehen. Ich stocke und nehme die Hände von der Tastatur. Was habe ich denn da geschrieben? Ich singe nicht nur, ich tippe auch noch den Text mit?! "Was soll das denn jetzt?" Verärgert lösche ich die Passage. Ich meine, was hat Crazy little thing called Love in einem Code zu suchen? Womit mal wieder bewiesen wäre, dass ich nicht multitaskingfähig bin. Singen und was anders schreiben klappt nicht. Ich überlege kurz und speichere meine bereits getane Arbeit ab. Jetzt wieder hineinzufinden würde eh nicht funktionieren. Dafür lenkt mich das Lied zu sehr ab. Dieses kleine Ding namens Liebe, oder besser gesagt, namens Meilo füllt mein Denken. Müsste er nicht schon längst an seinem Zielort angekommen sein? Ich schaue auf die Uhr. Müsste er! Sechs eineinhalb Stunden ist unsere Verabschiedung jetzt her. Warum meldet er sich nicht? Ich stehe auf und laufe zu meinem Handy. Nichts. Keine SMS, kein Anruf. Ich werde unruhig und wähle seine Nummer. Es klingelt und klingelt, aber niemand geht ran. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch lege ich auf und schreibe ihm eine SMS, dass er mich zurückrufen soll und ob alles mit ihm okay ist. Um mich abzulenken verlasse ich mein Zimmer und gehe ins Wohnzimmer, von wo aus leise Stimmen kommen. Der Fernseher. Meine Schwester hockt davor und versucht nebenbei ihre Hausaufgaben zu machen. "Klappt das überhaupt, wenn du die ganze Zeit über in die Glotze starrst?", frage ich und setze mich neben sie. "Was geht's dich an?", keift Nicole mich an. "Ich frag ja nur." Ist die schlecht gelaunt. Ist sie immer noch sauer auf mich? "Du hör mal ... wegen gestern. Es tut mi..." "Spar es dir!" "Aber ..." "Ich will von dir nie wieder einen Ton über Keith hören! Und jetzt lass mich meine Hausaufgaben machen." Huh. Aber gut, wenn sie es so will. Dann sage ich ihr eben nicht, dass ich mit Keith in die Kiste springe, in ihn unsterblich verliebt bin, und ich auf heißen Kohlen sitzend auf seinen Anruf warte. Nicole kritzelt ahnungslos in ihrem Aufgabenheft herum, in der Glotze läuft irgendein Anime mit fliegenden, gelben Eichhörnchen* und ich drücke mein Handy wund. Mein Schwesterherz seufzt, nimmt den Tintenkiller in die Hand und löscht das soeben niedergeschriebene. "Bio?" Sie nickt. "Brauchst du Hilfe?" "Nein." Puh. Wollte ja nur höflich sein. "Ich kapier das nicht!", jammert sie allerdings nach wenigen Minuten und wirft den Killer auf den Tisch. "Lass mich mal sehen." Sie lässt es zu, dass ich mir ihr Buch vornehme und die aufgeschlagene Seite schnell überfliege. Ich war zwar in Bio nie eine große Leuchte, aber Vererbungslehre bekomme ich gerade so noch hin. Gierig saugt sie meine Worte auf und ich habe tatsächlich das Gefühl, dass sie versteht, was ich ihr da erkläre. Vielleicht sollte ich mich als Nachhilfelehrer bewerben, wenn das mit meinem Traumjob nichts wird? Lieber nicht. Ich kann Kinder und Teenies nicht ab. Beweisstück A sitzt neben mir, auch wenn ich zugeben muss, momentan ist sie ein recht nettes Exemplar der Teeniespezies. "Alles klar?" "Denke schon. Danke." "Wow! Ein Lob vom Diktator persönlich! Welch Ehre." Nicole wirft mir böse Blicke zu. "Nenn mich nicht so!" Ich grinse sie an und lasse mich gegen die Rückenlehne des Sofas fallen. Just in diesem Augenblick rappelt mein Telefon. "Meilo?!" /Hallo Sweety./ Oh Gott sei Dank! "Ist irgendwas passiert?", frage ich ihn und überhöre den gewöhnungsbedürftigen Kosenamen. Ich muss mich wohl daran gewöhnen. /Nein. Wieso fragst du?/ "Na weil du jetzt erst anrufst." Meilo lacht leise. Uhhh! Ich will zu ihm! /Ich musste erst ins Hotel Einchecken. Das wollte ich noch erledigt haben, bevor ich dich anrufe./ Ich Idiot! "Ach so. Daran habe ich nicht gedacht." /Du hast dir doch keine Sorgen gemacht, oder?/ Ertappt. "Vielleicht ...", druckse ich. /Mensch, bist du niedlich./ Öhm. Was bin ich? "Red nicht!" /Das stimmt aber./ "Unmöglich!" /Doch./ "Nein!" "Ohhhch! Kannst du nicht wo anders herumschwuchteln?!" Mir knallt die Kinnlade nach unten. Was hat mich meine Schwester da gerade von sich gegeben?! "Fräulein, noch einmal so ein Schimpfwort, und ich leg dich übers Knie!" "Mach doch, dann verpetze ich dich bei Mama." Oh, diese kleine ... /Störe ich?/, höre ich Meilo fragen. "Nein, tust du nicht. Warte kurz." Ich stehe auf und schnippe mit dem Zeigefinger gegen Nicoles Ohr. Das hat sie verdient. Die brüllt wie am Spieß los und wirft mir ihr Federmäppchen hinterher. Nicht getroffen! "So. Jetzt", seufze ich in den Hörer und schließe meine Zimmertür hinter mir. "T'schuldige. Meine Schwester." /Habe ich mir schon fast gedacht/, schmunzelt Meilo. /Hast du es ihr gesagt?/ "Nein. Ich wollte, aber noch bevor ich anfangen konnte, maulte sie mich an, ich soll nichts über Keith sagen, also ließ ich ihr ihren Willen." /Was dir unglaublich gut in den Kram passt./ "Was soll ich tun?" Ich zucke mit den Schultern, was er ja gar nicht sehen kann. "Ich werde es ihr schon noch beibringen. ... Irgendwie." Und irgendwann. In ferner, ferner Zukunft. "Wie war die Fahrt?" /Ich bin gut durchgekommen, aber jetzt freue ich mich echt auf eine Dusche und was zu Essen./ "Du Armer." Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich hätte mitfahren sollen. Zeit genug hätte ich alle mal. Und meine Bewerbungen rennen mir nicht davon. Die, die mir am wichtigsten sind, laufen sowieso Online. Die Schriftlichen sind nur Beruhigungsfutter fürs Amt, und eine eventuelle Zwischenlösung, bis ich den Job habe, das ich auch wirklich will. "Wie lange bleibst du in der Stadt?" /Bis Mittwoch Mittag. Dann fahre ich weiter nach Bremen. Da bleibe ich bis zum Wochenende./ Bis zum Wochenende? Das wären dann vier Tage. Soll ich? /Nic?/ "Ähm ja?" /Dachte schon, die Verbindung wäre unterbrochen worden./ "Nein, hab nur nachgedacht." /Über was denn?/ Darüber, ob ich mich am Mittwoch ins Auto setzen, und zu dir nach Bremen fahren soll. "Über gestern und die beiden letzten Nächte", sage ich stattdessen. Von meinen eventuellen Plänen ihn zu besuchen, verrate ich lieber nichts. Hinterher kommt mir was dazwischen. Es reicht, wenn einer von uns deswegen enttäuscht wäre. "Es war so schön mit dir zusammen zu sein." /Finde ich auch./ Ich schlucke und reibe mir über die Augen. /Ich wäre am liebsten bei dir geblieben./ Die Liebe ist wirklich ein verrücktes, kleines Ding. Erst denkt man, man hat sie sicher in der Tasche, lebt glücklich und zufrieden dahin, bis die kleine Liebesseifenblase zum Platzen gebracht wird, und kaum dass man sich versieht, schwebt man wieder in ihr zum nächsten siebten Himmel und sogar darüber hinaus. Echt verrückt. *** "Hast du es ihr immer noch nicht gesagt?" Mama, die neben mir vor dem Sofa steht, blinzelt mich streng an. "Nein. Es ergab sich noch nicht." Sie seufzt, schüttelt den Kopf und setzt sich neben mich. "Wann seht ihr euch wieder?" "Wer? Nicole und ich?" "Nein", schnarrt sie. "Du und der Papst! ... Meilo und du natürlich." "Sag das doch gleich." Mütter! "Mittwoch Abend wahrscheinlich", antworte ich voller Vorfreude. "So früh schon? Kommt er wieder hier her?" "Nein, ich fahre zu ihm." Das heißt, wenn ich ihm beim nächsten Telefonat irgendwie unauffällig den Namen seines Hotels entlocken kann. Meine Mutter klopft mir auf den Oberschenkel. Aua. "Sehr gut. Schnapp ihn dir!" Ich fange an zu grinsen. "Hab ich doch schon längst." Ihre Augen werden groß. "Nein!" "Doch!", äffe ich ihren Tonfall nach. "Seit wann?" "Seit gestern." Mein Bauch kribbelt immer noch, sobald ich daran denke. "Scheiße Ma. Ich bin total verknallt." Ich atme laut aus und drücke die Fernbedienung in meiner Hand wund. "Das ist doch gut. Und ich gönne es dir von ganzen Herzen." Sie lächelt mich an. Ob ich ihr von Kilian erzählen soll? Ich beschließe, nein. Kilian ist Geschichte. Er kann mich mal. "Ach! Da fällt mir ein, heute war Post für dich im Briefkasten. Sie liegt auf dem Schuhschrank im Flur. Sieht wichtig aus." Und das sagt sie mir erst jetzt? "Okay. Danke." Ich stehe auf und schaue mal nach, was da so wichtig aussieht. Ein kleiner Umschlag erwartet mich, und die Absenderadresse kommt mir irgendwie bekannt vor. Habe ich mich dort nicht beworben? Da der Brief unmöglich meine Bewerbungsunterlagen enthalten kann, nehme ich stark an, dass ich zu einem Einstellungsgespräch eingeladen werde. Es ist keiner meiner Traumjobs, eher etwas, um Geld zu verdienen, bis ich hoffentlich eine der Stellen bekomme, die ich mir erträume, aber immerhin. "Sehr geehrter Herr Ittninger, bla bla bla, deshalb laden wir sie zu einem Vorstellungsgespräch am Mittwoch den 19.8. ... Was?!" Mittwoch?! Den kommenden Mittwoch meinen die?! Tatsache! "Shit!" Ich überfliege die Zeilen, um die Uhrzeit herauszufinden. Natürlich habe ich erst um fünfzehn Uhr diesen beschissenen Termin! "So ein Mist!" Am liebsten würde ich den Wisch zusammenknüllen und in den nächsten Mülleimer werfen, aber das kann ich nicht. Ich kann den Termin auch nicht verschieben oder gar schwänzen. Erstens wirft kein gutes Licht auf mich, und zweitens würde das dem Arbeitsamt so gar nicht gefallen. Ich frage mich, warum die überhaupt ein Vorstellungsgespräch wollen? Die Stelle, auf die ich mich beworben habe, ist für schnöde Lagerarbeiten in einem Transportunternehmen ausgeschrieben. Was bedeutet, ich muss bloß mit einem Gabelstapler von A nach B fahren. Das bekomme ich im Schlaf hin. Die Dinger bin ich schon gefahren, da hatte ich noch gar keinen Führerschein. Aber na gut. Aufregen bringt nichts. Außerdem wird die Stelle gut bezahlt, was nicht immer üblich ist. Soweit ich mich erinnern kann, ist die auch Zeitlich begrenzt, was auch nicht zu verachten ist. Dann muss ich mich meinem Schicksal stellen, und eben danach zu Meilo nach Bremen brausen. "So ein Jammer!" *** Klack, klack. Mein Koffer ist gepackt und der Zielort im Navi eingespeichert. "Prima!" Ich schaue auf die Uhr. Halb zwei. Bald muss ich los. Ich bin aufgeregt, doch nicht wegen des Vorstellungsgesprächs. Meine Sehnsucht nach Meilo wird von Minute zu Minute stärker. Der Montag war die Hölle, der Dienstag hat mich beinahe um den Verstand gebracht und heute Morgen saß ich die ganze Zeit über auf heißen Kohlen und verfluchte den Uhrzeiger dafür, dass er so kriechend langsam dahinglitt. Ich will endlich los! Wäre das Vorstellungsgespräch nicht, wäre ich schon längst unterwegs. Andererseits kann ich froh sein, dass es heute ist, und nicht morgen. "Niclas?!" Ach wie schön. Das holde Stimmchen meiner Schwester kräht nach mir. "Ja?!" "Ich bin weg! Bin bei Penelope!" "Ist gut!" Wumms. Die Tür ist zu. Ich habe Nicole immer noch nichts von Meilo erzählt. Schimpft mich einen Feigling, aber ich will keine schreiende und heulende Schwester vor mir haben. Glauben würde sie mir wahrscheinlich sowieso wieder nicht. Also was solls? Irgendwann wird sie es herausfinden. Irgendwann, an einem furchtbar verregneten Septembermorgen ... Mich überläuft es kalt. Ich schnappe mir meinen Koffer und trage ihn runter ans Auto. Dann kann ich gleich nach dem Vorstellungsgespräch losdüsen. Zu Meilo. Meinem Meilo ... "Nic?" Ich schaue auf. "Tachchen!" "Hallo Ingo!" Ich winke meinem Nachbarn zu. Er hockt auf einem Plastikgartenstuhl neben einer großen Maschine, an der Ed gerade herumwerkelt. "Willst du weg?" "Ja. Habe ein Vorstellungsgespräch." "Und da nimmst du einen Koffer mit?" Ich schüttle lachend den Kopf und laufe über die Straße. Muss ja nicht jeder in der Nachbarschaft unserem Gespräch folgen. "Danach fahre ich nach Bremen", erkläre ich ihm. Ed schaut von seinem Gewerkel auf. "Was willstn da?", fragt er mich und steht auf. "Meinen Freund besuchen." Mein Bauch kribbelt. Ich habe eben wirklich mein Freund gesagt. Wir gut sich das anfühlt! "Du hast wieder jemanden?" "Etwa diesen Meilo?", will Ingo wissen, der ja schon über ihn Bescheid weiß. "Meilo? Der Typ mit dem geschroteten Kühler?" "Ja." Ich nicke. "Wohnt der nich in Berlin?" "Schon ... Er arbeitet aber gerade in Bremen." "Ach. Ein Weltenbummler, dein Meilo." "Genau", pflichte ich Ed bei. Mehr müssen sie nicht über Meilo wissen. Keine Ahnung, ob es ihm recht wäre, wenn ich jedem davon erzähle, dass er sich fast jeden zweiten Abend in eine geschminkte Light-Transe verwandelt. "Dann meinen herzlichsten Glückwunsch und dir viel Spaß auf deiner 'Reise'", zwinkert Ingo mir zu. "Vielen Dank. Und du schone dich ordentlich." Ich zeige auf Ingos eingegipsten Fuß, den er locker lässig auf einen leeren Bierkasten abgelegt hat. "Dafür sorgt mein Hase schon", lacht er, weil Ed anfängt zu brummen. Kosenamen kann er ja gar nicht ab. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Ich verabschiede mich von den beiden und laufe zurück ins Haus, wo ich im Flur stehen bleibe und mir meine guten Schuhe anziehe. In einer halben Stunde muss ich los. Lieber zu früh dort sein, als nachher im Stadtverkehr stecken zu bleiben. Als ich mich wieder aufrichte, gleitet mein Blick zu Nicoles Zimmer. Jetzt hat sie sogar schon draußen an der Tür eins von Keiths Konterfeis aufgehängt! Lasziv leckt sich mein Süßer über die Lippen und blinzelt mich auffordernd mit seinen stechend grünen Augen an. Trotz der ganzen Schminke, die er auf diesem Poster trägt, muss ich einfach lächeln und gehe auf die Tür zu. Seine Lippen sind knallig pink und er trägt so viel Rouge, damit könnte man ein ganzes Varietétheater ausstatten, aber es ist unverkennbar mein geliebter Meilo, der unter der Tonne Schminke steckt. Mein Meilo … 'Den Nicole anbetet, als sei er Gott höchstpersönlich.' Fuck! "Wie soll ich ihr das bloß erklären?" Meine Hand hebt sich, und ehe ich mich versehe, liegt sie auch schon auf der Türklinke. Ob ich es wagen, und mich Nicoles Keith-Wahnsinn nochmal stellen soll? Nur um herauszufinden, wie groß dieser Wahnsinn wirklich ist. Als kleine Vorwarnung sozusagen, für den Tag, an dem ich vor ihr die große Beichte ablege. Leise und vorsichtig betrete ich das Zimmer meiner Schwester. Eigentlich unsinnig, weil sie ja gar nicht zuhause ist. Vielleicht die Macht der Gewohnheit. Als befürchte mein Unterbewusstsein, gleich was gegen den Kopf geschmissen zu bekommen. Drinnen erschlägt mich wieder mal die schiere Bildüberreizung an Wänden und Decke. Sind alle Mädchen in ihrem Alter so schlimm und tapezieren sich die Wände mit ihren Idolen?** Ich schaue mich weiter um, begutachte jedes noch so kleine Schnipselchen, das Keith zeigt. Nicole ist wirklich verrückt nach ihm. Das ist gar nicht gut. Überhaupt nicht. Ich bekomme ein mehr als ungutes Gefühl in meiner Magengegend und spüre regelrecht, wie die mehr als tausend Augenpaare Keiths auf mir ruhen. Sehr schwachsinnig, was? Denn im Grunde sind es ja Meilos Augen, aber hier, im Reich meiner Schwester, fühlt es sich höchst beklemmend an, von ihnen angestarrt zu werden. Eigentlich auch kein Wunder. Es ist nicht Meilo, der da von den Wänden starrt, sondern sein Alter Ego. Das Unbehagen in mir wird immer größer. Ich muss hier raus! Beim Rausgehen allerdings, fällt mir ein großer Ordner auf, der halb unter Nicoles Bettdecke hervorlugt. Er ist knallig pink und von außen mit Bildern beklebt. Drei mal dürft ihr raten, was auf den Bildern zu sehen ist. Kurz ringe ich mit mir, meine Neugierde gewinnt jedoch schneller, als mir lieb ist. Schon habe ich den Ordner in der Hand und öffne ihn. Ein gezeichneter Keith Kandyce! Wer auch sonst? Mein Schwesterlein hat sich künstlerisch betätigt, und ihren Superstar wirklich gut hinbekommen. Das muss ich ihr lassen. Fotos vom Konzert sind auch dabei, kleine verliebte Kritzeleien und ein Bild, das ihr anscheinend besonders gut gefällt, denn es ist eingerahmt von bunten Linien und kleinen Blumen. Also nichts, was mich auch nur annähernd interessiert, außer natürlich der Kerl, der unter all der Schminke und dem Glitzer steckt. Ich will den Ordner schon wieder weglegen, als mir eine bedruckte Seite ganz hinten auffällt. "Meine Nacht mit einem Superstar", lese ich laut vor. "Von Keith_Lover_69." Mir schwant Böses. Ich brauche die Zeilen bloß zu überfliegen, um zu wissen, um was für einen Schweinekram es sich dabei handelt. In der Story hat Mei... Äh Keith Sex mit einem weiblichen Wesen! "Ehhhh!" Bei allem was heilig und unheilig ist! Bitte lass das nicht meine Schwester geschrieben haben! Schnell packe ich den Ordner wieder unter die Decke und bin froh, dass ich ihn nicht mehr in Händen halte. Jetzt aber wirklich nichts wie raus hier! Das ist echt zu viel für mein verliebtes Herz. ****** * Pikaaatchuuuu xD ** Antwort: Ich war es auf jeden Fall! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)