My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 05 - Ein Date unter Herkules -------------------------------------- Ihr seid ja schon alle ganz gespannt auf das Konzert, wie ich feststellen durfte. Aaaaber. Bevor Niclas mit seiner Schwester ins Konzert 'darf', gönnen wir ihm noch einen kleinen Ausflug. Sozusagen als Erholung. ;-) Was den Titel des heutigen Kapitels betrifft, ein Schelm, wer dabei an etwas Versautes denkt! xD Love bite 05 - Ein Date unter Herkules Der Anruf kam plötzlich und überraschend. Ich hatte noch nicht mal groß Zeit zum Nachdenken, weil ich mich sofort entscheiden musste. Trotzdem habe ich ja gesagt, bin in meine Karre gestiegen, habe sie für einen mehr als unverschämt hohen Literpreis vollgetankt, und bin losgebraust. Ich konnte einfach nicht anders. Ich musste es tun, denn Meilo hat mich zu sich gerufen. Aufgeregt werfe ich einen Blick auf mein Navi. Nur noch wenige Kilometer. Es ist nicht mehr weit. Bald bin ich da. Ich bin jetzt schon über zwei Stunden unterwegs, aber die Fahrt kam mir doppelt so lange vor, was nicht nur am mörderischen Verkehr lag. Mein Auto konnte gar nicht so schnell fahren, wie ich es gerne über die Fahrbahn gejagt hätte. Selbst wenn die Autobahn vollkommen leer gewesen wäre, hätte es das unmöglich gekonnt, denn falls doch, müsste es schon dazu imstande sein, sich zum Ziel zu beamen. Und dass das nicht geht, muss ich nicht groß erklären. Ich bin so aufgeregt! Aufgeregt, nervös, gespannt und angespannt, alles nur wegen Meilos Anruf heute Morgen, aber vor allem freue ich mich. Endlich werden wir uns wiedersehen! Und das noch vor dem 14ten, an dem wir uns eigentlich erst wieder treffen wollten. Da spielt es auch keine Rolle, dass während der Fahrt in mir die leise Frage aufkam, aus welchem Anlass er mich zu sich eingeladen hat. Was ist das heute? Ist das ein Date, um uns besser kennenzulernen, und weil er mich auch gern wiedersehen möchte und es bis nächste Woche nicht mehr aushält, oder hat Meilo mich nur angerufen, weil er jemanden für sein Bett will und sich gedacht hat, wo er schon mal in der Nähe ist, ruft er mich eben dazu an? Auch wenn ich es nicht will, und eigentlich weiß, dass er mich nicht nur für das Eine will, geistert mir diese Scheiße unaufhörlich in meinem Kopf herum. Ich weiß, dass ich mir sehr wahrscheinlich unnötig darüber den Kopf zerbreche, aber dennoch kann ich nicht aufhören, mir diese Frage zu stellen. Ich habe Angst, dass letzteres eintreffen könnte, und dass Meilo nicht mehr von mir will, als eine lockere Bettgeschichte, was mir wiederum bloß nochmal verdeutlicht hat, dass ich auf jeden Fall mehr von ihm will. Viel, viel mehr. Vielleicht sogar zu viel, wenn man bedenkt, dass ich gerade erst aus einer Beziehung komme. Jedoch ändert das eben nichts daran, dass ich es will. Umso mehr bereitet es mir Panik, wenn ich an die 'nur Bettgeschichte' denke. Ich klammere mich ans Lenkrad und atme tief durch. Ich werde Meilos Beweggründe auf keinen Fall herausfinden, wenn ich dem nicht nachgehe, nicht wahr? Und ganz ehrlich, wenn ich an das Telefonat heute Morgen denke, kann ich sowieso nicht wirklich daran glauben, dass Meilo nur auf das Eine aus ist. Dazu hat er sich viel zu nervös angehört. Man hätte schon taub sein müssen, um nicht mitzubekommen, dass er versucht hat, seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen, aber er konnte mir nichts vormachen. Und diese Tatsache macht mich noch immer furchtbar glücklich. Er will mich genau so gern wiedersehen, wie ich ihn. Und das bestimmt nicht nur, weil er jemanden für sein Bett braucht. Daran muss ich nur festhalten. Als ich wieder an seinen Anruf denke, wird mir ganz warm ums Herz. "Es hat sich was ergeben", sagte er heute Morgen in aller Herrgottsfrühe zu mir. "Ich bin in der Nähe, und dachte ... ähm ... vielleicht hast du Lust vorbei zu kommen? Wir könnten was Essen gehen und ein wenig Zeit miteinander verbringen." Ich konnte nur mit großer Mühe einen Jubelschrei verhindern, sprang allerdings aus meinem Bett und lief unruhig ihm Kreis umher. Und wie ich Lust darauf hatte! Da machte es mir auch nichts aus, dass Meilo mit 'in der Nähe', die Nordhessische Stadt Kassel gemeint hat. Deutschlandweit betrachtet ist Kassel quasi ein Katzensprung weit von uns entfernt. Was sind da schon zweieinhalb Stunden Fahrt? Bis auf die grauen Haare, die mir vor lauter Ungeduld während des ganzes Weges gewachsen sind, nicht viel. Hibbelig tippe ich mit meinem rechten Zeigefinger auf meinem Lenkrad herum. Stau. Natürlich. Dabei bin ich schon so nah! Müssen die ausgerechnet gerade jetzt eine Baustelle aufstellen? So kurz vor Kassel? Apropos. Ich muss auf die andere Fahrspur, damit ich nicht die Ausfahrt verpasse. Ich hasse sowas! Stau, Baustelle, dichter Verkehr, Spurwechsel. Ein Albtraum! Und dann kenne ich mich auch nicht in der Gegend aus. Wie schafft Meilo das nur? Der gondelt doch ständig auf fremden Straßen herum. Ich an seiner Stelle wäre sicher schon durchgedreht. Vielleicht hat er ja deshalb seinen Arbeitsvertrag nicht verlängert. Mich würde es ankotzen, ständig unterwegs sein zu müssen. Wie auch immer, ich setze den Blinker und hoffe auf gnädige Autofahrer, die mich rauslassen. Ich habe Glück, hebe brav mein Patschehändchen, um mich bei meinem Hintermann zu bedanken, und quetsche mich in die entstandene Lücke. Und wieder stehe ich Stoßstange an Stoßstange. Ein Hoch auf meine Klimaanlage, kann ich da nur sagen. Die Sonne scheint. Ich mag zwar schönes Wetter und vor allem die angenehme Wärme im Sommer, doch wenn man im Stau steht, ist der Sommer nicht allzu schön. Wer sitzt schon gern in einem Backofen aus Leder und Stahl? Mein tippender Zeigefinger wird immer nervöser. Ich will endlich vorankommen! Und dann, als hätte jemand vom Straßenverkehrsamt meinen stummen Wunsch vernommen, fährt die Blechlawine vor mir plötzlich los. Ich gebe Gas und schaffe ganze fünf Meter, bis ich zwar auf der Ausfahrt stehe, doch wieder auf die Bremse treten muss. Bravo! Wenn das in dem Tempo weitergeht, bin ich erst heute Abend an unserem ausgemachten Treffpunkt angekommen. Ich bin jetzt schon spät dran, nur mal so nebenbei bemerkt. Dämliche Autobahn! Dämliche Baustelle! Dämliche andere Autofahrer! Ich hätte den Zug nehmen sollen … Es dauert eine geschlagene viertel Stunde, bis ich endlich runter von der Ausfahrt bin und wieder stehe. Diesmal vor einer roten Ampel. Na ja, wenigstens mal ein anderes Bild als Nummernschilder und Stoßstangen. Der Verkehr in der Stadt ist zäh, aber er rollt wenigstens. Schon mal ein Fortschritt. Meilo will mich auf einem Parkplatz in der Wilhelmshöher Allee treffen, und mit mir in ein Restaurant gehen. Er hat das mit dem Essen wörtlich gemeint. Mich freut es total, nicht nur, weil ich schon seit gut einer Stunde richtig Kohldampf schiebe. Ich bin heute Morgen nicht wirklich zum Frühstücken gekommen, wie man sich vielleicht denken kann. Mein Navi lotst mich sicher von Ampel zu Ampel, bis ich auf die Allee einbiege. Sie sieht ziemlich lang aus. Lang und kerzengerade, und je weiter ich fahre, desto länger kommt sie mir vor. Als dann auch noch Wiesen und Bäume, anstatt Häuser und Beton neben mir aufragen, frage ich mich, ob ich nicht doch irgendwo falsch abgebogen bin, aber mein Navi beruhigt mich. Laut seiner Aussage soll ich gleich links abbiegen. Da bin ich mal gespannt, denn wo zum Teufel hier ein Restaurant, geschweige denn ein Parkplatz sein soll, das bleibt mir vorerst noch ein Rätsel. Nur noch ein paar hundert Meter, laut der Anzeige auf dem Bildschirm vor mir. Ich bremse schon mal ab und halte die Augen offen. Irgendwo auf der linken Seite muss es sein. Das meint auch die Ilse aus meinem Navi. Gleich soll ich angeblich den Parkplatz erreichen. Und tatsächlich taucht eine kleine Seitenstraße auf. Ich bremse, setze den Blinker und biege ab. Langsam tuckere ich den Weg entlang, und Überraschung: Der versprochene Parkplatz! Er ist gut besucht, stelle ich fest. Dann mal auf zur Parkplatzsuche. Ich habe Schwein, und muss nicht lange suchen. Vor mir leuchten Rückfahrleuchten auf. Der Parkplatz gehört gleich mir! Eingeparkt, stecke ich Handy und Geldbeutel ein, dann steige ich endlich aus. Hinter mir knallt die Autotür zu und ich strecke erst einmal meine von der Fahrt verspannten Muskeln, bevor ich mich nach Meilo umschaue. Ob er schon hier ist, oder besser gesagt, ob er noch hier ist? Ich schaue auf die Uhr. Viertel nach elf. Er wollte um halb elf hier sein. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, weil ich viel zu spät bin und Meilo so lange schon warten muss. Ich habe ihm zwar eine SMS geschrieben, dass ich später komme, aber es nervt mich trotzdem. Wäre der dämliche Verkehr nicht gewesen, und die verdammten allgegenwärtigen Baustellen, wäre ich schon eher hier gewesen. Doch sei es drum, nun bin ich ja da. Hoffentlich ist es Meilo auch noch. Bitte, bitte! Ich laufe ein paar Meter und halte die Augen offen. Vielleicht sehe ich Meilos Schlitten irgendwo stehen, doch das muss ich gar nicht mehr, denn plötzlich höre ich die mir nur allzu bekannte Stimme. "Nic!" Gegenüber, jenseits der Parkreihe rechts neben mir, steht er und winkt mir mit beiden Armen zu. Ein heißer Schauer breitet sich von meinem Bauch in meinen gesamten Körper aus, der dann ganz von allein reagiert und losmarschiert. Er ist noch da! "Meilo!" Ich nehme die Beine in die Hand und quetsche mich durch die parkenden Autos hindurch. "Da bist du ja endlich", lacht er, bevor ich überhaupt bei ihm bin. In mir kommt wieder das schlechte Gewissen auf. "Tut mir leid!", rufe ich ihm zu. "Unterwegs waren lauter Baustellen und der Verkehr war furchtbar." "Ach kein Ding", winkt er ab. Das erleichtert mich. Er scheint nicht sauer zu sein. "Hauptsache du bist da." "Bin ich", antworte ich mit einem ebenso fetten Grinsen im Gesicht, wie Meilo es zur Schau stellt. "Hallo." Endlich stehen wir uns gegenüber. Live und in Farbe. "Hallo", ahmt Meilo mich nach und zieht mich kurzerhand an sich. Mit wild schlagenden Herzen erwidere ich seine Umarmung. Meine Nackenhärchen stellen sich auf und meine Haut kribbelt wie wahnsinnig. Ich drücke meine Nase gegen seine Schulter. Ich hatte ganz vergessen, wie gut dieser Kerl duftet! Und wie wundervoll es sich anfühlt, ihn endlich wieder zu spüren. Ich habe ihn wirklich vermisst ... Wir halten uns ziemlich lange in den Armen, jedenfalls länger, als es bei einer normalen Begrüßungsumarmung von zwei Freunden der Fall sein sollte. Ein eindeutiges Zeichen, dass da mehr zwischen uns ist, als eine einfache Zufallsbekanntschaft, die sich zu einem Quickie trifft. Als wir uns wieder voneinander lösen, nur ein kleines Stückchen, tauche ich ab in Meilos grüne Augen. Jetzt erst fällt mir richtig auf, wie sehr ich ihn doch eigentlich vermisst habe. Mehr, als mir die ganze Zeit über bewusst gewesen ist. Es ist verrückt, aber so ist es. Dass ich diesen Kerl, dem ich bis jetzt nur einmal begegnet bin, endlich wiedersehe, bringt mein Herz zum Stolpern und meinen Bauch zum Kribbeln. Meine Mutter hatte heute morgen recht. Ich musste ihm nur nochmal begegnen, um mir meiner Gefühle voll und ganz sicher zu sein. Nach Meilos Anruf war ich so durch den Wind gewesen, dass ich meiner Mutter gleich von seiner Einladung erzählen musste. Insgeheim erhoffte ich mir einen guten Rat von ihr, irgendwas, was mir die Nervosität hätte nehmen können, aber das konnte sie nicht. Sie versuchte mir zwar Mut zu machen, und sagte, dass das Treffen doch perfekt dafür wäre, um mir endlich klar darüber zu werden, wie das mit uns weitergehen soll. Meinen Einwand, dass Meilo vielleicht gar nicht will, dass das mit uns weitergeht, als bloß bis ins nächste Bett, wollte sie nicht hören. "Fahr hin und werde schlauer. Ich wette mit dir, wenn ihr euch gegenüber steht, dann siehst du einiges klarer." Wie gesagt, sie hatte recht. Ich sehe klarer und eindeutiger kann die Reaktion meines Körpers auf ihn echt nicht sein. Ich will Meilo nicht mehr gehen lassen, auch wenn mein Kopf immer noch nicht ganz davon überzeugt zu sein scheint. Aber den bekomme ich auch noch dazu. Hundert pro. Ich kann mich an Meilos Augen nicht satt sehen, jedoch muss ich unbedingt etwas anderes begutachten, das mir zuvor schon aufgefallen ist. "Neue Frisur?" Meilo grinst verlegen. "Ich dachte, ich mach mich ein wenig hübsch für dich." Das dachte er? "Gefällt mir." Tut es wirklich. Ich kann nicht anders, und muss durch die hochgestylten Haare fahren. "Die Seiten sind auch kürzer, oder?" "Ja, wurde mal wieder Zeit. Die wachsen immer so schnell." "Schick." Auch dort muss ich meine Finger drüberfahren lassen. Ich liebe kurz rasierte Haare. So weich ... Ich kann nicht aufhören seine Seiten zu kraulen. "Bevor das hier jetzt ausartet", kichert Meilo und schnappt sich meine Hände. "Lass uns rüber zum Restaurant laufen. Ich habe einen mordsmäßigen Hunger." "Geht mir auch so", grinse ich. Obwohl ... Plötzlich ist mein zuvor verspürter Hunger wie weggeblasen. An was das wohl liegt? Oder besser gesagt: An wen das wohl liegt? *** "Verrätst du mir jetzt, wozu wir den brauchen?" Skeptisch mustere ich den Rucksack, den Meilo sich vor unserem Aufbruch ins Restaurant aufgeschultert hat. Weder was er damit vor hat, noch was er darin verstaut hat, wollte er mir verraten. Er hat ihn einfach neben sich auf den Stuhl gestellt, so, als ob er mich damit extra ärgern wollte. "Da ist mein Geld drinnen", meint er lapidar. "Du musst aber viel Geld haben, wenn du schon einen riesigen Rucksack dafür brauchst." Meilo grinst breit. "Nun sag schon. Was ist da in Wirklichkeit drinnen?" "Na schön", seufzt er, grinst jedoch noch immer. "Den brauchen wir für nachher." "Und was tun wir nachher?" Ich fühle mich kurz ganz schrecklich unwohl, weil ich wieder daran denken muss, was mir während der Fahrt durch den Kopf ging. Was ist, wenn er Wechselkleidung in dem Rucksack hat? Wenn er mich hiernach in ein Hotelzimmer schleifen will? Verflucht noch eins! Ich will keine bloßen Sex-Dates mit Meilo! Nicht nur zumindest. Ich will mehr, ihn kennenlernen, einen schönen Tag mit ihm verbringen, mit ihm reden, lachen, knutschen, aber nicht nur mit ihm vö... "Wandern", sagt er auf einmal und zerschlägt all meine Befürchtungen. Ich atme erleichtert laut aus, was Meilo allerdings missversteht. "Dumme Idee?", fragt er mich unsicher. "Dann lassen wir es. War nur so eine Überlegung von mir." Seine erneute Verlegenheit bringt mich zum Lächeln. "Nein. Das ist keine dumme Idee", beruhige ich ihn. Jetzt ist es an Meilo, erleichtert auszuatmen. "Da bin ich aber froh", meint er. "Ich dachte schon, du fändest die Idee bescheuert oder wärst enttäuscht." Er senkt den Blick und kratzt an dem Ledereinband der Bestellkarte herum. "Wieso sollte ich enttäuscht sein?" "Weil ... Ich hatte Angst, du wärst nur gekommen, weil du dachtest, dass wir beide ... Na ja, du weißt schon." Den Kopf noch immer gesenkt, sieht er mich peinlich berührt an. Nicht zu fassen, aber Meilo hatte die selben Gedanken und Befürchtungen wie ich! Allein das zeigt doch, dass er ebenfalls auf Mehr aus ist. Am liebsten würde ich über den Tisch hechten, und ihm meine Lippen aufdrücken. Nur die anderen Restaurantgäste hindern mich daran. "Das dachtest du?", frage ich ihn lächelnd. "Echt?" Er nickt. "Willkommen im Club", kichere ich. "Die selbe Befürchtung hatte ich auch." "Wie jetzt?", fragt er. "Ehrlich?" "Ehrlich", gestehe ich. "Oh Mann", gluckst Meilo und lehnt sich zurück. "Vielleicht hätte ich mich heute Morgen am Telefon genauer ausdrücken sollen. Dann wäre uns beiden das erspart geblieben." "Ja, das hättest du mal besser getan", grinse ich und klappe die Speisekarte zu. Das scheint das Stichwort der Kellnerin zu sein, die umgehend auf uns zugeflitzt kommt. Wir bestellen, sie notiert sich alles fleißig, und rauscht wieder davon. Ich weiß nicht wieso, aber ihr Auftauchen scheint uns irgendwie die Gesprächsthemen genommen zu haben. Stille. Meilo und ich schweigen, lächeln uns unsicher an und hören bloß das Plappern der Leute um uns herum, sowie das Klimpern ihrer Bestecke. Okay. Das ist, gelinde gesagt, eine verflucht dumme Situation. Sich anzuschweigen ist nicht gut. Ganz und gar nicht. "Ist nett hier", sage ich aus diesem Grund unbeholfen. "Warst du schon mal hier?" Wenigstens ist mir noch mehr eingefallen, außer, dass das Restaurant nett ist. Hoffentlich fällt mir noch mehr ein, oder Meilo tut irgendwas, dass das Gespräch wieder in Schwung bringt. Mein Hirn ist plötzlich wie leer gefegt. Muss ein Nebeneffekt der Nervosität sein. Oder einer der Erleichterung. Wie auch immer, es nervt mich. Schalt dich wieder ein, da oben! "Nein", antwortet er mir. "Ich war zwar schon ein paar Mal in Kassel, aber noch nie auf Wilhelmshöhe." "Und warum hast du mich dann gerade in dieses Restaurant bestellt?" Auf dem Weg hier her habe ich genügend andere nette Restaurants gesehen. Aber nein, er wollte, dass ich fast bis in die Botanik fahre. Er muss sich also was dabei gedacht haben. "Wegen dem hier", sagt er schlicht und klopft auf den Rucksack. Allem Anschein nach gucke ich ziemlich dämlich aus der Wäsche, denn Meilo fügt erklärend hinzu: "Ich wollte mir dir den Herkules besuchen." Es dauert ein paar Stirnrunzler und Gedankengänge, bis kapiere, was er meint. "Ach den Herkules! Du meinst diese Statue." Ich weiß zwar nicht viel über Kassel, aber die große nackte Herkules-Statue kenne sogar ich. "Wen hätte ich denn sonst meinen sollen?", fragt Meilo mich schmunzelnd. "Ich weiß nicht. Vielleicht hast du ja einen Freund, der diesen wohlklingenden Namen trägt", erwidere ich frech. "Du glaubst, ich habe einen Freund, der Herkules heißt?" "Könnte doch sein." Ich zucke unschuldig mit den Schultern, und bin froh, dass unsere Unterhaltung wieder Fahrt aufgenommen hat. Meilo stürzt die Lippen und blickt nachdenklich drein. "Ich kenne wirklich jemanden, der so heißt." Veräppelt der mich grade? "Einen Hund." Oller Scherzbold! "Ein Hund zählt nicht", sage ich. "Nicht?" Ich schüttle den Kopf. "Und der Herkules hier? Zählt der?" "Hm ... Eher nicht", finde ich. "Ein Herkules aus Kupfer zählt auch nicht." "Aber ...", überlegt Meilo "dann zählt es doch hoffentlich, dass ich mit dir hier bin?" Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. "Ich kann jetzt zwar nur für mich sprechen, aber für mich zählt das einiges." Meilo nippt lächelnd an seinem Getränk. "Mehr wollte ich nicht hören", nuschelt er in sein Glas, wobei mir seine Augen lüstern fixieren. Mir wird heiß und ich muss mich räuspern. Ein Schluck Wasser täte mir sicher auch ganz gut. Das Essen kommt recht zeitig, was mich verwundert, bei dem riesigen Gästeansturm hier. Wir waren froh, dass wir überhaupt einen Platz bekommen haben, und nicht draußen sitzen müssen. Ich hätte auch keine große Lust dazu gehabt, mein Essen mit einem Schwarm Wespen zu teilen, auch wenn es draußen sehr wahrscheinlich schöner gewesen wäre. Hinterher hätte unser Date im Krankenhaus stattfinden müssen, weil so ein Mistvieh einen von uns noch gestochen hätte. Apropos Date. Ich muss ihn einfach fragen. "Sag mal Meilo … Ist das hier jetzt eigentlich … ein Date?" Abwartend und ein kleines bisschen unsicher schaue ich ihn an. Er war grade im Begriff, sich eine der Tortellini in den Mund zu schieben, hält jedoch inne und sieht mich ebenfalls an. "Da ich dich angerufen, und zum Essen eingeladen habe … Ja, das hier ist ein Date." Heftiges Kribbeln in meinem Bauch. Oh Mann! Ein Date! Wer sagt´s denn? "Es sei denn, du fühlst dich deswegen unwohl, dann …" "Nein, nein! Das tue ich nicht", unterbreche ich ihn heftig. Vielleicht etwas zu heftig, denn Meilo lacht amüsiert. "Das freut mich", grinst er und fischt sich die Tortellini von der Gabel. "Warum sollte es mir auch unangenehm sein. Zum Essen lässt sich doch jeder gerne ausführen", necke ich ihn und zwinkere ihm zu. "Ich dachte, dir wäre es vielleicht noch zu früh. Wegen Kilian." "Oh." An den habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Das sage ich Meilo auch. "Dann bist du wirklich über ihn hinweg?" Ich höre sofort aus Meilos Stimme, dass er sich nicht sicher ist, ob er mich das fragen sollte. Das Thema Kilian blieb bei unseren Telefonaten meist tabu. Ich erwähnte es nicht, weil ich schlichtweg nicht mehr an meinen Ex denken musste, und Meilo ließ das Thema Ex sicherlich auch unangetastet, weil er Bedenken hatte, es anzusprechen und damit die Wunde erneut zu öffnen. Doch dafür gab und gibt es keinen Grund. Kilian ist ein Arsch, aber ich werde einen Teufel tun, und mich weiterhin deswegen schlecht zu fühlen. Ich habe ja auch gar keinen Grund mehr dazu. Und das habe ich dem heißen Kerl mir gegenüber zu verdanken. "Ich schätze schon, dass ich über ihn hinweg bin", gebe ich Meilo zur Antwort. "Ich denke nur noch selten an ihn." Dafür an jemand anderen … Meilo sieht erleichtert aus. Ein wahrer Strom an Glücksgefühlen übermannt mich, als ich das sehe. Seine Reaktion ist mehr wert, als tausend Worte. "Mein Ex kann mich mal!", rufe ich ekstatisch, ernte einige komische Blicke der um uns sitzenden Gäste, was mir allerdings auch am Hintern vorbeigeht, und erhebe mein Glas. Meilo tut es mir gleich und stößt mit mir an. "Auf dein Singledasein", grinst er und zwinkert diesmal mir zu. "Auf mein Singledasein", wiederhole ich und grinse ebenfalls. Single … So schön wie das ist, aber mit einem Typen wie Meilo vor der Nase, der ganz offensichtlich an mir interessiert ist, ist das nicht ganz so verlockend, wie man vermuten könnte. Wenn ich es mir recht überlege, ist sogar das Gegenteil der Fall. Zwar will ich mich immer noch nicht in die nächste Liebschaft stürzen, doch mein Herz hat schon längst entschieden, dass es genau das ist, was ich in Wirklichkeit möchte. Es versucht immer noch krampfhaft meinen Verstand davon zu überzeugen, und seit ich Meilo wieder getroffen habe, schwindet sein Widerstand immer mehr. So auch jetzt. Allerdings gibt es da eine winzige Kleinigkeit, die meinen Verstand noch immer beschäftigt. Während ich in meinem Essen herumstochere, komme ich nicht umhin, Meilo genaustens zu mustern. Ich weiß ja, dass er gut aussieht, nett und ein lustiger Typ ist, gut im Bett und ein echt hervorragender Küsser ist, aber was weiß ich eigentlich sonst noch von ihm? Nicht viel. Nur das, was er mir am Telefon über sich erzählt hat, und diese Infos sind sehr überschaubar. Das sollte ich schleunigst ändern, findet zumindest mein noch nicht ganz überzeugter Verstand. Also schön. Wenn ich meinen Verstand nur damit herumbekomme, werde ich Meilo mal ein wenig ausquetschen. "Du wohnst also in Berlin, wenn du nicht in der Weltgeschichte herumgondelst", ergreife ich auch sogleich die Initiative. "Tue ich." "Direkt in der Stadt, oder außerhalb?" "In Mitte." "Wow. Sicher teuer, oder?" "Es geht", meint er und spießt gleich drei Nudelteilchen auf, die postwendend in seinem Mund landen. Habe nur ich das Gefühl, der versucht er mir auszuweichen? "Wohin musst du denn als nächstes fahren?" "Frankfurt am Main." "Fährt man lange von hier aus?" "Nein. So ungefähr, zwei, drei Stunden." Ich nicke und lächle schmal. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Meilo nicht darüber reden möchte. Erst wurmt es mich, macht mich wieder skeptisch, aber eigentlich ist es auch verständlich, wenn ich genauer darüber nachdenke. Er hat mich zu einem spontanen Date eingeladen, und das, obwohl er so gut wie keine Zeit hat. Da möchte er sicher nicht über seine Arbeit reden. Ich wechsle am besten das Thema, aber über was könnte ich denn mal reden? "Wie läuft es mir deinem Programm?", fragt er mich allerdings schon, bevor mir was Sinnvolles einfallen möchte. Noch ein Hinweis, dass er nicht über seine Arbeit sprechen will. Er versucht abzulenken. Gönnen wir es ihm. "Ganz gut", sage ich. "Nur will mich leider immer noch keiner in diesem Bereich." Echt frustrierend. "Werden Programmierer nicht immer gesucht?" "Schon, aber irgendwie will es noch nicht so laufen bei mir. Außerdem werde ich oft wegen der von mir verwendeten Programmiersprache belächelt, weil das, was ich mache, mit dieser Sprache angeblich nicht umsetzbar ist. Ist es aber. Und das werde ich allen noch beweisen." Diese Idioten erkennen gar nicht, was da für ein Potenzial dahinter steckt! Noch nicht. "Ich muss einfach Geduld haben und ordentlich die Werbetrommel rühren", seufze ich. In den Fach-Foren bin ich schon einschlägig bekannt. Teilweise auch als dummer Spinner, aber wie gesagt: Ich werde es denen schon noch beweisen. "Verzeih, wenn ich frage, aber gibt es denn so viele verschiedene Programmiersprachen?" "Klar. Und jeder Programmierer schwört auf seine." Manche werden sogar richtig zickig, wenn man behauptet, jene oder diese Sprache sei besser. Ich durfte das schon am eigenen Leib erfahren, und halte mich deshalb in Zukunft aus solchen Diskussionen raus. Ich lasse einfach meine Arbeit in diesem Bereich für sich sprechen. Und bald wird man darüber sprechen. Ganz sicher. "Ah so …" Ich lache leise. Meilos resignierten Gesichtsausdruck kenne ich. "Ist dir zu hoch, hm?" "Etwas, ja. Aber ich kenne mich auch nicht so wirklich damit aus. Computer sind für mich nur gut, wenn man sich damit Musik auf seinen Mp3-Player ziehen, und Schuhe kaufen kann." Schuhe? Interessant. "Verstehe", kichere ich und hebe mir das Thema Schuhe erst einmal auf. "Dann werde ich dich mal nicht mit Einzelheiten langweilen." "Das kannst du ruhig, aber du musst dich damit abfinden, dass ich kein Wort davon verstehen werde." "Keine Sorge. Da bist du nicht der Einzige aus meinem Freundeskreis." Inzwischen habe ich mich damit abgefunden, dass niemand von meinen Bekannten und Verwandten meinen Erklärungen lauschen möchte. Es ist eben nicht ihr Ding. "Was hörst du denn gerne für Musik?", frage ich nach, wenn er mir schon eine Vorlage bietet. "So gut wie alles, eigentlich. Am liebsten Rock. Aber auch House, Musik aus den Achtzigern, aktuelle Musik, was eben so im Radio läuft." "Wie bei mir", nicke ich. In puncto Musik sind wir uns schon mal ähnlich. Ein nicht unwichtiges Kriterium. Es gibt nichts schlimmeres, als sich über die Musik zu streiten, oder welchen Sender man im Auto hört. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche. Dazu siehe man nur Beweisstück A an: Meine Schwester. "Und was für Schuhe kaufst du dann, wenn du Musik auf deinen Mp3-Player gezogen hast?" Ich grinse ihn breit an. "Du willst es aber genau wissen, was?" "Dazu sind Dates doch da." Meilo lacht, nickt dann und legt die Gabel weg, um einen Schluck zu trinken. "Hauptsächlich Sneakers", antwortet er mir. "Schuhe eben." "Hört sich ja interessant an. Was für Farben kaufst du denn so? Rot? Blau? Bunt?" Ich muss mich beherrschen, damit ich nicht anfange zu lachen. Meilo guckt irritiert, ein Bild für die Götter, sage ich euch, doch dann kapiert er, dass ich ihn nur veräppelt habe, und lacht leise. "Manchmal auch Grüne", feixt er. "So wie die, die ich heute anhabe." Ich wage einen Blick unter den Tisch. "Grüne Chucks. Sehr fein", lautet mein Urteil. "Ein Mann mit Geschmack." "Mit einem sehr guten, will ich meinen", grinst er und sieht mich intensiv an. Nein, gegen seinen Geschmack ist echt nichts zu einzuwenden ... Wir unterhalten uns noch eine Weile lang miteinander. Über dies und jenes, eher belangloses Zeug, aber das macht mir nichts aus. Es ist schön, sich endlich mal von Angesicht zu Angesicht mit Meilo unterhalten zu können, und nicht immer nur am Telefon. Nach einer Weile schiebt Meilo dann jedoch seinen leeren Teller von sich, und auch ich habe längst aufgegessen. "Noch einen Nachtisch?", fragt er mich. "Lieber nicht. Sonst darfst du mich zum Herkules hinauftragen." Ich reibe mir über den Bauch. Noch ein Bissen, und ich kann mit Sicherheit nicht mehr aufstehen. "Willst du gleich los, oder können wir noch ein paar Minuten sitzen bleiben?" "Sitzen bleiben", ächzt Meilo. "Bist du auch so vollgegessen wie ich?" "Mindestens. Und das bei der Hitze." Da hat er nicht ganz unrecht. Vielleicht hätten wir weniger essen sollen, aber ich hatte Hunger und es war so lecker. "Hast du genügend Wasser in deinem Rucksack?" "Hab ich. Und Obst. Für den Fall, dass wir wieder am Verhungern sind." Meilo schmunzelt während ich gequält mit den Augen rolle. "Kein Ton von Essen bitte." "Ich wollte es nur erwähnt haben." "Beruhigend zu wissen", lache ich und winke die Kellnerin heran. Meilo übernimmt die Rechnung, er hat mich ja auch eingeladen, aber unangenehm ist es mich schon irgendwie. "Das nächste Mal zahle ich", verspreche ich ihm daher. Er grinst nur, als ob er sagen wollte: Glaubst du ja selbst nicht. Ich lass das mal so stehen. "Okay. Können wir?" Ich prüfe meinen Gemütszustand und spanne den Bauch an. "Ich denke ja", entgegne ich schließlich. "Dann mal los!" Meilo steht auf und schultert voller Tatendrang seinen Rucksack. Irgendwie schon goldig, wie er sich darauf vorbereitet hat, und dass er sich so sehr auf diese Wanderung mit mir freut. Mir geht es nicht anders, auch wenn wir von mir aus auch bis heute Abend hier sitzen, und uns unterhalten könnten, anstatt durch die Hitze zu latschen. Aber Hauptsache, wir sind zusammen. Draußen empfängt uns, wie erwartet, die unbarmherzige Sommerhitze. "Wir suchen uns nachher am besten schattige Wege unter den Bäumen", schlägt Meilo vor und setzt sich eine Sonnenbrille auf. "Ganz deiner Meinung." Ist das warm! Wir sind keine fünf Meter gelaufen, schon läuft mir der Schweiß an den Schläfen hinab. Ekelig! Und das während unseres ersten Dates. Eigentlich sollte man erst so ins schwitzen geraten, wenn man anschließend zusammen in der Kiste liegt. Bei dem Gedanken wird mir sofort noch heißer und ich muss zwangsläufig an unsere gemeinsame Nacht denken, wie so oft, doch Meilo dabei in meiner unmittelbaren Nähe zu haben, lässt die Erinnerung noch lebendiger werden. Ich versuche mich zusammen zu nehmen. Ich kann jetzt unmöglich an Sex mit ihm denken! Das geht doch nicht! Aber einmal in Gang gesetzt, will der Film in meinem Kopf nicht enden. Ich kann ihn nicht anhalten, und das, obwohl mein Verstand sich noch immer so vehement dagegen sträubt, das, was ich für Meilo empfinde, anzuerkennen. Daraus soll einer schlau werden! Ich versuche die Bilder in meinem Kopf im Zaum zu halten, bis wir an Meilos Auto angekommen sind. Mit ihm wollen wir ein Stück näher an den Wilhelmshöher Park fahren, dort einen Parkplatz suchen, und von da aus loslaufen. Von hier aus zu Fuß loszumarschieren würde zu lange dauern, vor allem, da der Park an sich schon groß genug ist, um sich die Füße platt zu latschen. "Ich habe vorhin schon mal auf dem Handy nach einer guten Marschroute geschaut", erklärt er und fährt los. "Zuerst könnten wir uns das große Gewächshaus ansehen. Über die Sommermonate ist es zwar geschlossen, aber es ist auch von außen schön. Danach wäre es am gescheitesten, wenn wir rüber zu den staatlichen Museen gehen. Was meinst du?" "Ähm, ja. Hört sich gut an", stammle ich und kämpfe immer noch gegen die Erinnerungsfetzen an. Ich kann ihm gar nicht in die Augen sehen! Ich studiere meine Sneakers und bekämpfe das aufkommende Pochen in mir, was ganz und gar nicht leicht ist, wenn Meilo so nahe neben mir sitzt. "Nic? Alles klar bei dir? Du bist krebsrot im Gesicht. Verträgst du die Hitze nicht?" Na klasse! Er hat es gemerkt. "Geht schon. Das Essen drückt bloß noch im Bauch", versuche ich meinen Zustand zu erklären und lächle schwach. "Magst du einen Schluck trinken? Dann wird es vielleicht besser." Er ist im Begriff, nach hinten zu greifen, wo er seinen Rucksack deponiert hat. "Nein lass nur!", halte ich ihn auf, nicht nur, weil er das beim Fahren nicht machen sollte. "Nach ein paar Schritten geht es bestimmt." "Wie du meinst. Sag Bescheid, wenn du deine Meinung änderst." "Mach ich", verspreche ich ihm und atme tief ein. Lenke deine Gedanken wo anders hin Nic! Ich atme ein zweites Mal tief ein, weil das erste Mal erstaunlich gut gegen die Bilderflut in meinem Kopf geholfen hat, und betrachte die vorbeiflitzende Umgebung. Kein Anzeichen mehr, dass wir eben noch in einer Großstadt waren. "Richtig schön hier", sage ich. "So viel Natur, und das so unmittelbar zur Stadt." "Warte ab, bis wir im Park sind", freut sich Meilo. "Ich dachte, du warst hier noch nie." "War ich ja auch noch nicht, aber wenn es auch nur halb so schön wird, wie es auf Maps ausgesehen hat, dann wird es klasse." "Na wenn es auf Maps schon gut ausgesehen hat, dann muss es ja stimmen", grinse ich. "Ich bin gespannt." Meilo schenkt mir einen amüsierten Seitenblick und setzt den Blinker. Wir biegen auf nächsten Parkplatz ein. Um hier parken zu dürfen, müssen wir ganze sieben Euro berappen. Skandalös, besonders, weil wir drei Runden fahren, bis wir eine freie Lücke gefunden haben. "Dafür, dass der Park so groß sein soll, haben die hier aber wenige Parkplätze", grante ich, nachdem ich mich aus dem Auto gequetscht habe. "Ist ja nicht so, als gäbe es hier keinen Platz." Wiesen gäbe es zur Genüge. "Meckere nicht, wir haben doch einen Parkplatz bekommen", feixt Meilo und schultert den Rucksack. "Ist ja gut. Ich bin schon ruhig." "So ist es brav." Grüne Augen, die mich frech anfunkeln. "Ich hatte fast vergessen, wie frech du sein kannst." "Ich erinnere dich immer wieder gerne daran", lacht Meilo. Sein rechter Arm legt sich über meine Schulter, dann zieht er mich mit sich. Wieder reagiert mein Körper äußerst heftig auf seine Berührung. Mein Herz schlägt so laut, dass ich es trotz des Verkehrslärm wummern hören kann. Sieh es endlich ein, Hirn. Ich bin unrettbar in Meilo verknallt. Wir laufen über Wiesen, an der Hauptstraße entlang, bis Meilo anhält und mit mir die Straße überquert, was meine Libido wieder runterschraubt. Ich will ja schließlich nicht umgefahren werden. Ein ganz schöner Verkehr hier. Jedoch sind nicht nur Autos unterwegs. "Hier ist ja der Teufel los", stelle ich fest. Überall Besucher. Wohin man auch sieht. "Ferien und schönes Wetter", meint Meilo. "Wir können froh sein, dass nicht Wochenende ist." Da hat er sicher recht. Dann wäre hier noch mehr los. Etwas, auf das ich gerne verzichte. "Erst zum Gewächshaus?" "Klingt gut." Gemütliches Schlendern ist angesagt. Meilos Arm ist inzwischen wieder von meiner Schulter gerutscht. Zwar gefällt mir der Körperkontakt, doch bei der Hitze fängt man sofort an zu kleben. Wie bereits erwähnt, außerhalb des Bettes ist sowas nicht gerade toll. "Das ist ganz schön groß", sage ich, als wir direkt vor dem Gewächshaus stehen. "Es heißt ja auch so", schmunzelt Meilo. "Wie alt das wohl ist?" "Errichtet wurde es um 1822." "Das weißt du?" Ich bin verblüfft. "Es gibt so eine Erfindung, die heißt Internet. Da kann man sowas nachlesen." Er wedelt mit seinem Handy. Ich lege den Kopf schief und verpasse ihm einen Knuff in die Seite. Aber dabei fällt mir was ein. "Ich mach ein Foto! Stell dich davor." Ich krame mein Handy raus, dann die Ernüchterung: "Shit! Akku leer!" Ich Dussel hab vergessen, es im Auto an den Zigarettenanzünder zu hängen. "Komm her. Stell dich neben mich", fordert Meilo mich auf. Knips. Fertig ist das Selfie zu zweit. "Das musst du mir aber schicken", sage ich schmollend, weil ich selbst so gern Fotos schieße. "Mach ich." "Danke." Wenigstens ein kleiner Trost. "Guck doch nicht so. Oder bist du einer von der Sorte, die ohne Handy nicht können?" "Das ist es nicht", murmle ich. "Ich mach eben gern Fotos." Das meine Mutter mich schon als einen verkappten Japaner bezeichnet hat, weil ich immer und überall Fotos mache, wenn wir unterwegs sind, auch früher schon mit unserer alten Kamera, erwähne ich lieber nicht. Sie ist da jedoch genauso wie ich. Nur dass sie früher immer von Nicole und mir tausende Fotos geschossen hat. Meilos Mundwinkel zucken. "Dann übernimm du das doch", meint er schließlich und reicht mir sein Handy. "Ach was! So dringend muss ich das auch nicht", winke ich ab. Eigentlich würde ich schon gern, aber das ist mir jetzt doch leicht unangenehm. "Doch, mach ruhig. Ich hab da kein Händchen für." Verführerisch wedelt Meilo mit seinem Handy vor meiner Nase herum. "Wenn du meinst …", sage ich und nehme es an mich. "Aber wehe du beschwerst dich, wenn hinterher dein Speicher voll ist." "Falls du das schaffst, bin ich beeindruckt", tönt er. Meilo hat ja keine Ahnung, wie viele Speicherkarten ich schon voll mit Fotos vollgestopft habe. Darin bin ich ein Meister. Ich lege auch gleich los, ändere vorher noch schnell die Fotoeinstellungen, damit auch die Qualität stimmt, stelle mich auf die Wiese vor dem Gewächshaus und versuche das Gewächshaus per Panoramamodus der Länge nach drauf zu bekommen. Nachdem ich das geschafft habe, präsentiere ich Meilo das Ergebnis. "Wenn du lauter Panoramaaufnahmen machst, ist es auch kein Wunder, wenn mein Speicher schnell voll wird", grinst er. "Das schaffe ich auch im Normalmodus. Wirst schon sehen", antworte ich und knipse gleich noch eins von Meilo. "Wow. Du strahlst ja richtig." Quer über das Foto ziehen sich goldene Sonnenstrahlen. "Musst du erst ein Foto schießen, um das zu bemerken?" "No Comment", lache ich, werfe ihm einen frechen Blick zu und marschiere an ihm vorbei. "Kommst du? Ich will noch mehr Fotos machen!" Ich höre Meilo leise lachen, dann Schritte, die mir folgen und mich kurz danach einholen. "Bin schon bei dir", raunt er mir ins Ohr und tätschelt dabei für eine winzige Sekunde meinen Hintern. Ein heißes Pochen jagt durch mich hindurch. "Ich spüre es", krächze ich leise. 'Und wie ich es spüre ...' ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)