SHaRKY SCaM von King_of_Sharks (SouRin) ================================================================================ Kapitel 8: Lass die Wärme in dein Herz -------------------------------------- Der Winter kündigte sich im folgenden Monat mit seinen ersten Schneestürmen an, die man von den vergitterten Fenstern und der großen Glasfront im Aufenthaltsraum beobachten konnte. Das rege Treiben der Schneeflocken faszinierte Rin, gleichermaßen wie es ihn ängstigte. Dieses Wetter war er nicht gewöhnt, da die Region in Japan, aus der er stammte, in den Wintermonaten zwar von einer weißen Decke übersäht war, doch derartig heftigen Niederschlag hatte es nie gegeben. Mitte Dezember hatte es auch noch nicht geschneit, so wie es hier der Fall war. Sogar Sousuke ging langsam dazu über, zusätzlich zu seinen Oberteilen eine Sweatshirtjacke anzuziehen. Im November hatte er meistens ¾ lange Shirts angehabt und war auch nicht verfroren, doch wie er prophezeit hatte, funktionierte die Heizung nicht richtig und das alte Gemäuer trug auch nicht dazu bei, dass es innen wärmer wurde. Hatte sich Rin auch zunächst dagegen gesträubt, befolgte er inzwischen doch den Ratschlag des anderen und ließ zumindest die Haare an Armen und Beinen stehen. Tatsächlich hatte er das Gefühl, dass das etwas brachte und ihn wärme…ganz wohl fühlte er sich damit trotzdem nicht. Doch besser war es in jedem Falle, ein paar Haare mehr am Körper zu haben, anstatt unnötig zu frieren. „Hast du dich inzwischen gut eingelebt?“, wollte Kisumi beim Mittagessen von Rin wissen. „Es wird leichter“, nickte Rin auf Kisumis Frage hin. Sie saßen zu viert an einem Tisch. Seit Kisumi und Chigusa öfter mit ihnen aßen, hatte Rin mehr das Gefühl, nicht alleine zu sein. Nicht, dass er ihm nicht mit Sousuke alleine auch so gegangen wäre, aber mit den beiden stellte sich ein gewisses Gefühl der Normalität bei ihm ein. So konnte er sich selbst vormachen, dass die Klinik auch nicht viel anders als ein Internat war, das er mit Gleichaltrigen besuchte. Chigusa und Rin waren 16, Sousuke 17 und Kisumi 18, sodass sie mit ein wenig Fantasie im Außenleben auch die selbe Klasse besuchen hätten können. Es war auch gut zu wissen, dass nicht jeder hier total abgedreht war – wobei man dazu sagen musste, dass die wirklich schweren Fälle in anderen Etagen untergebracht waren. Weswegen die anderen sich an diesem Ort befanden, das hatte der Rothaarige noch nicht in Erfahrung bringen können. Es war auch nicht so, dass es ihn brennend interessierte, neugierig war er aber schon. Bisher wusste auch nur Sousuke über ihn Bescheid und das hatte er auch so schnell nicht vor zu ändern. Nach dem Essen gingen sie gemeinsam in den Aufenthaltsraum, auch wenn man Sousuke ansehen konnte, dass dieser lieber in seinem Zimmer lesen würde. Chigusa wurde derzeit von Kisumi belabert, schien sich aber nicht daran zu stören und hörte ihm gespannt zu. Sousuke und Rin liefen ein kleines Stück hinter ihnen her und sahen sich mit einem vielsagenden Blick an, der bedeuten sollte: Gut, dass wir nicht an ihrer Stelle sind. In den eineinhalb Monaten hatte sich die beiden nicht nur angefreundet, sondern fungierten inzwischen auch als Ventil bzw. Gesprächstherapiepartner des anderen für alles mögliche, das ihnen widerfuhr. Natürlich vertrauten sie sich nicht alles an – ein bisschen was behielt man immer für sich – doch im Großen und Ganzen bekamen sie alles mit, das dem anderen passierte. Im Gegensatz zu ihrem Leben in der Anstalt, wussten sie aber noch nicht viel über das Leben des anderen davor. Vielleicht würde sich in nächster Zukunft Gelegenheit dazu ergeben, auch über privatere Dinge zu sprechen, doch so eilig hatte es Rin nicht damit, Sousuke noch weniger. Nachdem die vier sich in den Aufzug gestellt und nach oben gefahren waren, stürmte Kisumi mit seiner überschwänglichen Art den Aufenthaltsraum, der im Grunde ein ganzes Stockwerk einnahm, und steuerte auf eine der Eckbänke zu, die an den Wänden ohne Fenster befestigt waren. An diesem Tag war das oberste Stockwerk gut besucht und Rin kam es so vor, als würden sich jeden Tag mehr und mehr Leute hier einfinden. Sousuke erklärte ihm, dass das daran lag, dass es im Aufenthaltsraum wärmer als in den Zimmern war, da die ganze Wärme von den unteren Stockwerken nach oben stieg und die Heizung in diesem außerdem besser funktionierte. Die 6., oberste Etage, war so aufgebaut, dass sich an einer Seite die gewöhnlichen drei Aufzüge befanden, von denen die äußeren beiden für jeden zugänglich waren, allerdings nur in der 2., 3., 5. und 6. Etage, sowie dem Untergeschoss, hielten. Der mittlere war nur für das Personal mithilfe eines passenden Schlüssels zugänglich. Rechts und links befanden sich Eckbänke, Stühle und Tische, sowie in der Mitte eine mit Gitter überdachte Terrasse lag, die von allen vier Seiten mit Glasfronten eingesäumt war. Diese war im Winter nicht zugänglich und es verspürte sowieso wohl keiner das Bedürfnis, sich bei diesen Temperaturen und Schneefall draußen aufzuhalten. An den Ecken der Seite der Aufzüge konnte man ins Treppenhaus gelangen, das meist verschlossen war, an den anderen beiden befanden sich Toiletten. Links die der Damen, rechts die der Herren. Außerdem befanden sich Getränke- und Snackautomaten in Nähe des Sofas, das an der übrigen Seite, gegenüber der Aufzüge, stand. Den Fernseher und dieses einst schwarze Monstrum, konnte man durch die beiden Scheiben der Terrasse erkennen, auch wenn das dank des Schneefalls zunehmend schwerer fiel. Sousuke, Rin und Chigusa bogen nach rechts ab und folgen somit Kisumi, der sich soeben auf einer freien Eckbank niederließ. Das einzige Mädchen der Gruppe ließ sich neben ihm nieder, woraufhin sie augenblicklich wieder in ein Gespräch verwickelt wurde. Die anderen beiden nahmen auch Platz, hatten aber nicht das Bedürfnis sich zu unterhalten. So saßen sie schweigend nebeneinander und während der Rothaarige sich die übrigen Personen ansah, die in größerem Abstand im Raum verteilt, teilweise zu zweit, oder in Kleingruppen, meistens jedoch allein, saßen, beobachtete Sousuke die Schneeflocken, die langsam nach unten segelten, ehe sie auf dem Boden zur Ruhe kamen. „Bis später dann!“, riss Kisumi Rin aus seinen Gedanken, die er sich machte, während er sich noch immer umblickte. Chigusa hatte sich von ihrem Platz erhoben und bewegte sich in Richtung der Aufzüge, wobei sie den anderen beiden noch kurz zuwinkte, ehe sie hinter den Schiebetüren verschwand. „Sie hat jetzt ihre Therapiestunde“, erklärte Kisumi Rin, der ihn fragend angesehen hatte. „Weswegen ist sie überhaupt hier?“, wollte der Rothaarige dann wissen, da das Thema gerade passte. „Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf, aber…es ist auf jeden Fall nichts, wofür sie etwas kann“, lächelte Kisumi und wirkte dabei leicht traurig, sein Blick schweifte in die Ferne ab. „Frag sie am besten selber mal.“ „Okay, mach ich“, verstand Rin, weswegen er nicht sofort aufgeklärt wurde. Er hätte auch nicht gewollt, dass Sousuke überall herumerzählte, dass er schwul war. Bei diesem musste man sich keine Sorgen machen, dass er etwas ausplauderte. Dazu war er viel zu verschwiegen und sprach ohnehin mit niemandem, abgesehen von Kisumi und Chigusa. „Haaaa…ich muss auch bald los“, beschwerte sich der anderen nun und ließ die Beine baumeln. „Ich hab noch fast ‘ne Stunde“, war Rin erleichtert, Sousuke sagte nichts dazu. Dieser war noch immer damit beschäftigt, das kleine bisschen Natur zu beobachten, das ihnen in Form der Dachterrasse vergönnt war. Wenn es wärmer war, blühte dort bestimmt die eine oder andere Blume, sowie die kahlen Sträucher Grün tragen würden. Momentan war von dieser Farbe der Hoffnung jedoch weit und breit nichts zu sehen. Rin ging wieder dazu über, die anderen Menschen zu beobachten, während er Kisumis Beschwerden über dies und das, nur mit dem halben Ohr zuhörte. Ihm fiel ein Mann auf, der im Rollstuhl saß und mit starrem Blick ins Leere blickte. Ihm hing ein Speichelfaden vom rechten Mundwinkel, der sich seinen Weg weiter nach unten zu dessen Kinn bahnte. Kisumi, der bemerkte, dass sein ‚Gesprächspartner‘ ihm nicht mehr zuhörte, tippte diesen nun an, ehe er dessen Blick folgte. „He, was ist denn mit dir los?“, wollte er außerdem wissen, als sein Blick bei dem Mann angelangte. „Transorbitale Lobotomie“, schaltete sich Sousuke dazwischen, der es inzwischen leid war, dem Schneetreiben zu folgen. Ihm war Rins Blick nicht entgangen und er konnte sich denken, was diesem durch den Kopf gehen mochte. Es war immerhin kein alltäglicher Anblick, schon gar nicht für jemanden, der sich noch nicht lange in der Klink befand. „…Was?“, drehte sich der Kleinere abrupt zu seinem Mitbewohner und inzwischen auch Freund um. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Das ist wenn sie dir einen Eispickel ins Hirn rammen“, merkte Kisumi sehr schlau an. Rin wusste, was dieser Begriff bedeutete, hatte aber geglaubt, dass diese Technik schon lange nicht mehr angewandt werden würde. Offenbar hatte er sich da getäuscht… Diese neue Information musste sich erst mal setzen und tat das sehr erfolgreich, indem es ihm flau im Magen wurde. Hätte er sich beim Mittagessen doch nur nicht so den Bauch vollgeschlagen! „Hast du Familie?“, wollte Sousuke nun, scheinbar völlig aus dem Zusammenhang gerissen wissen. Darauf nickte Rin nur abwesend und versuchte seine Übelkeit irgendwie in den Griff zu bekommen. Dass die anderen beiden ihn dabei anstarrten, half dabei nicht sonderlich. „Dann brauchst du dir keine Sorgen machen. Das machen sie nur bei den Leuten, die keine Angehörigen haben. Bei denen keiner Fragen stellt“, versuchte Kisumi den Kleineren zu beruhigen, erreichte dabei aber das Gegenteil. „Ich glaube, mir ist schlecht…“, hielt sich dieser nun eine Hand vor den Mund, erhob sich rasch und rannte dann in Richtung der Herrentoiletten, die glücklicherweise um die Ecke lagen. Kisumi mit einem unmissverständlichen Blick strafend, stand Sousuke nun auch auf und ging Rin hinterher. Der Zurückgelassene atmete hörbar aus und fragte sich, was mit den anderen los war, dass sie sich so verhielten. Dann fiel ihm wieder ein, dass nicht jeder so abgestumpft sein konnte wie er und streckte sich. Die violetten Augen fixierten den Mann im Rollstuhl, dessen Gesichtsmuskeln sich schon seit längerem nicht mehr geregt hatten, genauso wie der Rest seines Körpers. Wie fühlte es sich wohl an, sich in einem dauerartigen Trancezustand zu befinden? Viel eher stellte Kisumis ich die Frage, wie es sich anfühlen musste, jemand anderem ein eispickelartiges Werkzeug durch die Augenhöhle ins Gehirn zu rammen. Gab dieser Eingriff wohl ein besonderes Geräusch von sich? Mit wesentlich mehr Motivation als zuvor, schwang sich Kisumi auf und machte sich mit dem Vorsatz, seinem all zu lieben Doktor diese Frage zu stellen. Dieser hatte bestimmt schon einmal eine Lobotomie bei einem der Patienten durchgeführt, war vielleicht sogar für die des Typen im Rollstuhl verantwortlich! Im Fahrstuhl war Kisumi bester Laune und summte leise vor sich hin, es vor Vorfreude kaum erwarten zu können, zu seiner Therapie zu gelangen. Währenddessen übergab sich Rin auf der Toilette, die abgesehen von ihm glücklicherweise leer war. Es war schon peinlich genug, dass seine Freunde mitbekommen hatten, dass ihm so etwas zusetzte. Da wollte er nicht noch, dass ein fremder mitbekam, wie sein Mittagessen wieder zum Vorschein kam. Die Tür wurde geöffnet und Sousuke sah sich prüfend um, ehe er schnell die einzige Kabine entdeckte, die zugesperrt war. „Rin?“, fragte er nach dem Kleineren und stellte dabei die lautlose Frage ob es diesem gut gehe. „Moment“, hustete dieser und erhob sich gerade wieder vom hellgrün gefliesten Boden, der aussah, als stamme er noch aus der Nachkriegszeit. Die Kabinentür öffnete sich und Rin trat daraus hervor, noch blasser im Gesicht aussehend als sonst. Er hielt sich noch immer die Hand vor den Mund, doch diesmal, da er befürchtete, es könnte übel daraus riechen und nicht, weil ihm noch immer schlecht war. Wortlos schritt der Rothaarige an eins der drei Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf und spülte sich mit dem kühlen Nass den Mund aus. Der beißende Geschmack verflüchtigte sich langsam aus seiner Nase und seinem Mund. Trotzdem war ihm klar, dass er danach definitiv eine Cola brauchte, um ihn endgültig loszuwerden, aber auch, weil er Lust darauf hatte. Wenigstens sein Lieblingsgetränk wurde ihm hier nicht verwehrt. „Geht es dir besser?“, wollte der Größere von ihm wissen, als Rin das Wasser abgestellt hatte. „Ein bisschen…schlecht ist mir zumindest nicht mehr“, lachte er humorlos. Es befand sich zumindest nichts mehr in seinem Magen, das er noch hätte von sich geben können. „Wenn wir wieder in unserem Zimmer sind, muss ich dir was sagen“, wechselte Sousuke das Thema nun. Seit Rin ihm gesagt hatte, dass er in einem Schwimmclub gewesen war und sie sich des Öfteren über diesen Sport unterhalten hatten, spukte in seinem Kopf eine waghalsige Idee. Normalerweise war Sousuke nicht der Typ, der die Regeln absichtlich brach, doch in diesem Fall wäre es etwas anderes. Wenn er damit erreichen konnte, dass es dem Rothaarigen besser ging, war es das Risiko allemal wert. „Okay?“, wusste Rin nicht, was er von dieser Aussage halten sollte, war aber auch eher darauf fixiert, zum Getränkeautomaten zu gelangen. So öffnete er die Tür, die zurück in den Aufenthaltsraum führt, hielt sie für den Größeren noch kurz offen und eilte dann zum Objekt seiner Begierde. Er drückte auf den Button mit der Colaflasche, über der das Logo in Kyrillischen Lettern bangte. Wäre das rot-weiße Logo nicht gewesen, hätte er sich nie merken können, welches der richtige Button war. Ein Klacken ertönte, als die Dose den Schacht hinunter in das Fach fiel, aus der Rin sie sofort holte und anschließend öffnete. Die gekühlte, dunkle Flüssigkeit rann seinen Rachen hinab und spülte den unangenehmen Geschmack mit sich in die Tiefe. „Jetzt geht’s mir besser“, wischte sich der Rothaarige grinsend über die Lippen, nachdem der die Cola in einem Zug geleert hatte. Sousuke nickte und drehte sich dann schon um, dass sie in ihr Zimmer gehen konnten. Die Reaktion des anderen konnte er nur zu gut nachvollziehen. Dieser war noch nicht lange hier und wusste noch nicht über alles Bescheid, das im Hintergrund ablief. Hätte Rins Körper und Geist nicht schockiert auf die neue Erkenntnis geantwortet, hätte es den Dunkelhaarigen mehr gewundert. Andernfalls wäre das ein Indiz dafür gewesen, dass er so abgestumpft und krank wie Kisumi war und das konnte Sousuke nicht gebrauchen, oder gut heißen. Doch so war er sich endgültig sicher, dass dieser nicht in die Klinik gehörte. Wegen seiner Sexualität nicht und wegen seiner Person erst recht nicht. Gäbe es doch nur eine Möglichkeit, ihn aus der Anstalt heraus zu bringen… Als sie in ihrem Zimmer angekommen waren, hatte Rin noch eine gute ¾ Stunde, bevor er zur Behandlung musste. Also setzten sie sich, wie so oft, auf Rins Bett, auf dem dieser schon darauf gespannt war, was Sousuke ihm unbedingt sagen musste. „Also…es gibt ein Schwimmbecken in der unteren Etage“, begann der Größere und man konnte schon sehen, wie die roten Augen größer wurden. „Der Haken daran ist, dass nur das Personal Zutritt hat.“ „Gibt es keine Möglichkeit, dass wir trotzdem reinkommen?“, wollte Rin dann vor freudiger Erregung wissen. Wenn es schon eine Möglichkeit gab, wie er schwimmen konnte, dann würde er diese auch nutzen! Egal, ob es gegen die Regeln war! „Gibt es, aber es ist natürlich nicht erlaubt und ein bisschen riskant“, nickte Sousuke daraufhin, der nichts anderes erwartet hatte, als dass der Kleinere sich freuen würde. „Solange ich ins Wasser komme, ist mir das gleich“, drängte Rin den anderen nun, dessen Plan endlich zu verraten. „Gut“, verstand der Größere und fuhr dann fort. „Wir können entweder einem der Pfleger eine Karte stehlen, oder ich schau, dass ich eine von unseren manipuliere.“ „Du kannst sowas?“, blinzelte der Rothaarige überrascht. „Ja, hab ich schon mal gemacht…mir war es aber zu gefährlich, es auf Dauer zu tun, vor allem, weil ich so schon viel Ärger am Hals hab“, bestätigte Sousuke. „Eine Karte zu klauen ist auffälliger, aber um eine zu manipulieren, brauch ich einen Computer.“ „Dann wäre es das einfachste, wenn ich schmiere steh und du in einem der Schwesternzimmer das erledigst.“ „Ja, seh ich genau so.“ Das letzte Mal hatte ihm Kisumi geholfen, doch dabei wären sie fast aufgeflogen. Vielleicht konnte Rin besser darauf aufpassen, dass er ungestört seien Arbeit erledigen konnte. Viel Zeit, um den Plan auszuarbeiten blieb ihnen nicht, da Rin schon bald los musste, doch es reichte aus, dass sie festlegten, diesen die kommende Woche durchzuführen. Nachdem Rin seine Therapiestunde hinter sich gebracht hatte, lag er noch eine halbe Stunde alleine im Zimmer auf seinem Bett und hörte Musik übers Handy, da Sousuke immer eine halbe Stunde später als er dran war. Als dieser zurückkehrte, lächelte der Kleinere ihn erleichtert an, da es ihm gut zu gehen schien. Die Verletzung an der Wange war auch gut abgeheilt, sodass man inzwischen nichts mehr davon sah. Trotzdem hatte Rin jeden Tag Angst, dass Sousuke mit einer neuen zurückkehren würde. Wer wusste schon, wer Dienst hatte und was man mit dem Größeren anstellte? „Ach ja, wegen vorhin: Ich hab wohl ein bisschen überreagiert“, nuschelte Rin dann seine Erklärung hin, weswegen er sich übergeben hatte, doch Sousuke schüttelte den Kopf. „Ich denke, das war wohl die normalste Reaktion“, meinte er dann und ließ sich neben dem immer noch auf dem Rücken liegenden Rothaarigen nieder. „Findest du?“, war sich dieser dessen unsicher und wurde leicht rot, da der Größere ihm so nahe gekommen war. „Ja“, bestätigte Sousuke dann, dem nicht bewusst war, dass es dem anderen unangenehm sein könnte, wenn keine fünf Zentimeter zwischen ihnen waren. Rin entschied sich, dass er etwas an seiner Position ändern musste, ging mit dem Oberkörper nach oben und rutschte neben den anderen, sodass er nicht mehr ganz so nervös wegen dessen Anwesenheit zu sein brauchte. „Du hast gesagt, du hättest noch Verwandte“, blickte Sousuke nachdenklich an die Decke. „Wissen die, dass du hier bist?“ „Ich denke nicht“, seufzte Rin. „Aber sicher bin ich mir nicht. An den Abend, als sie mich mitgenommen haben, kann ich mich nicht erinnern.“ „Es ist eher unwahrscheinlich, dass deine Eltern Bescheid wissen“, überlegte der andere weiter. „Niemand würde zustimmen, dass das eigene Kind nach Russland in eine Irrenanstalt gebracht wird.“ „Da hast du recht“, war sich der Kleinere sicher, dass seine Mutter es nie zugelassen hätte, dass man ihn aus dem Land brachte. Vor allem nicht wegen so einem an den Haaren herbeigezogenen Grund. „Kaa-san hätte das nie zugelassen…meine Schwester auch nicht.“ Die Erinnerungen an Zuhause machten Rin melancholisch und trieben ihm Tränen in die Augen. Er vermisste seine Mutter, die ihn immer gut bekocht und sich um ihn gesorgt, so wie ihm bei allem unterstützt hatte. Auch merkte er, dass seine Schwester fehlte, die ihn sonst auf Schritt und Tritt verfolgt hatte – sofern sie die Möglichkeit dazu gehabt hatte – und beinahe herausgefunden hätte, dass er schwul war. Sie interessierte sich auch für Sport, aber eher im theoretischen Sinne. Außerdem liebte sie Muskeln, welches wohl den Hauptgrund für ihr Interesse bildete. „…und dein Vater?“, fragte Sousuke nach, dem nicht aufgefallen war, dass der Kleinere kurz vom Heulen stand, da er noch immer seinen nachdenklichen Blick gen Decke berichtet hatte. „Mein Vater ist schon lange tot“, wischte sich Rin über die Augen und tastete nach der Packung mit Taschentüchern, die auf seinem Nachtisch lag. „…ich wollte dir nicht zu nahe treten“, bemerkte der andere endlich die Stimmung des Kleineren, als er sich zu diesem umdrehte, der sich gerade die Nase schnäuzte. „Ist schon okay…ich musste nur an Zuhause denken“, murmelte Rin. Dabei musste er daran denken, dass Kisumi gesagt hatte, dass man sicher war, solange es jemanden gab, der einen vermissen würde. Hatte Sousuke auch so jemanden? Dieser hatte noch nie von seiner Familie gesprochen… „Hast du auch noch Verwandte?“, wollte der Rothaarige wissen, als er sich beruhigt hatte. „Nicht dass ich wüsste…“, senkte Sousuke den Blick. „Deine Eltern…?“, hakte Rin vorsichtig nach, weil er an der Reaktion des anderen schon ablesen konnte, dass die Antwort nicht so rosig wie seine ausfallen würde. „Meinen Vater kenne ich nicht, weil er vor meiner Geburt abgehauen ist…und meine Mutter…ist auch tot“, rückte der Dunkelhaarige langsam mit der Sprache heraus, wobei sein Blick glasig wurde. Ihm war bewusst, weswegen Rin ihn das hauptsächlich fragte. Doch als er an seine Mutter dachte, drifteten seine Gedanken ab und er vergaß alles um sich für einen Moment. „Das tut mir leid“, fühlte sich der Rothaarige schuldig, dass er nachgefragt hatte, doch wurde ihm im nächsten Moment bewusst, was das bedeuten konnte… „Aber sie haben nicht vor, das bei dir zu machen, oder?“ Der Kleinere sah besorgt und fast panisch zu Sousuke, der in der Zeit, in der sie sich kannten, unglaublich wichtig geworden war. Es war nicht nur so, dass er ihm half, mit seiner Lage zurecht zu kommen und sie sich gegenseitig halfen, nein, es fühlte sich fast an, als würden sie sich schon ewig kennen. Rin wüsste nicht, was er tun sollte, wenn man aus dem Größeren menschliches Gemüse machen würde, indem man ihm etwas ins Hirn rammte. „Solange ich mich benehme, dürfte alles in Ordnung sein“, kam Sousuke wieder zu sich, als er die besorgte Stimme vernahm. „Ich muss mich nur zusammenreißen…“ Dessen Fürsorge war ihm nach wie vor ein Mysterium, doch es gefiel ihm, so umsorgt zu werden. Das war etwas, das er nicht kannte und machte es ihm so warm ums Herz; so als ob er etwas wert wäre. „Versprich es mir!“, berührte Rin ihn am Arm und sah dabei so verzweifelt wie noch nie zuvor aus. „Ich…“, wurde Sousuke völlig aus dem Konzept gebracht und merkte dabei nicht einmal, dass der Kleinere ihn noch immer berührte. Als sich ihre Augen trafen, machte sein Herz einen kleinen Sprung. Dieses schöne rot, dessen Besitzer ihn voller Sorge ansah. Rins Lippen bebten und seine Wangen waren gerötet, der sanfte Griff an seinem Arm fühlte sich warm an. „Ich verspreche es dir. Es wird alles gut“, schloss Sousuke die Augen und lächelte dabei leicht. Das hatte er schon seit so langer Zeit nicht mehr getan, dass er sich nicht einmal daran erinnerte, wann er das letzte Mal glücklich gewesen war. Welche Hintergründe das schöne Gefühl hatte, das sich in seiner Brust ausbreitete, hinterfragte er nicht, denn diesen Moment wollte er genießen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)