My last Thoughts von lovelykotori (Winter is here) ================================================================================ Kapitel 1: Winter is here ------------------------- „Es tut mir wirklich sehr leid, eure Majestät.“ Tommen Baratheon schluckte einen trockenen Kloß seinen Hals hinunter. Sein Blick war starr und er sah mit halb offenem Mund auf die Zerstörung und den Rauch, der nicht aufhörte, emporzusteigen. Jenen Ort, an dem viele Menschen den Tod gefunden hatten. Das Ereignis war so unwirklich, es zu realisieren fiel ihm unsagbar schwer. Das Ganze war wie ein Traum, den er immer und immer wieder träumte. Die grünen Flammen, die King's Landing umhüllten und sich in jeden Stoff und Holz saugten. Es musste schnell passiert sein, denn Tommen wusste, dass das grünlich-durchsichtige Seefeuer bei dem kleinsten Funken sofort entflammte. In seinen Gedanken hörte er die Schreie jener, die diesem Wahnsinn zu Opfer gefallen waren, die dem nicht löschbaren Feuer ausgeliefert waren. Es war genauso furchtbar wie unerwartet. Das Schlimmste an der ganzen Sache war jedoch, dass eine für ihn wichtige Person in diesem Feuer umgekommen war. Die Einzige, die für ihn essenziell war und die er von ganzem Herzen geliebt hatte und es noch immer tat. „Wirklich sehr leid“, wiederholte der Überbringer der Nachricht seine Worte und bekundete mit gesenktem Kopf sein Beileid. So als ob er verstünde, was in diesen Sekunden in Tommen vorging. Doch dieser Bote hatte keine Ahnung, wie er sich fühlte. Keine Ahnung, welchen Schmerz er durch diese wenigen Worte verursachte. Der junge König mit den goldblonden Haaren hinterfragte nicht, ob der Mann, der ihm dies mitteilte, schon einmal einen geliebten Menschen verloren hatte. Jetzt gab es für ihn nur seine Welt. Eine Welt, in der nur er allein unsagbares Leid empfand und es niemanden gab, der je etwas Vergleichbares gefühlt hatte. Niemand, der sich annähernd in ihn hineinversetzen konnte. Unsagbarer Kummer, der an seinem Herzen nagte, gerade dass es nicht zerbrach. Der König schloss seine Lippen und dachte intensiv an seine geliebte Frau. Er sah ihr dichtes, weiches, braunes Haar, das lang nach unten hing und sich gegen Ende kräuselte. Ihre großen, rehbraunen Augen sowie ihre makellose Haut und ihre schlanke Figur. An ihr ehrliches Lächeln, wie sie ihn immer angesehen hatte. Ihm die Dinge so erklärt hatte, wie sie sie sah. Doch je mehr er versuchte sich krampfhaft an ihr Äußeres zu erinnern, desto mehr verschwamm es. Ihre Haare wurden zu Staub und Asche. Sie war nur mehr der Rauch, der von dem Wind weg geweht wurde. Das, was von ihr übrig blieb, verschwand aus King's Landing. Dem Ort, an dem sie beiden regierten. Doch nun war er allein. Neben dem Schmerz, der unsagbaren Trauer, machten sich auch Wut, Hass und Schuld in ihm breit. Er war so gefangen in seinen Gedanken, dass er nicht einmal mitbekam, wie die andere anwesende Person den Raum gemächlich wieder verließ und er mit seinem Scherbenhaufen alleine gelassen wurde. Alleine mit seinen Emotionen, die er zu verarbeiten hatte. Tommen erinnerte sich an das Gespräch mit seinem Onkel Jaime. Daran, wie er zu ihm gesagt hatte, er sei der Beschützer des Reiches. An jenen Satz, den er nicht mehr vollenden konnte ... „Wenn ich meine eigene Frau und meine Mutter nicht beschützen kann, dann ...“ Jenen Satz hatte er weder zu Ende sprechen, noch zu Ende denken können. Wer war er, wenn er seine eigene Frau nicht beschützen konnte? Er war kein König. Ja, nicht nur das. Er war kein Mann. Tommen fasste nach der Krone auf seinem Kopf und nahm sie vorsichtig herab. Er blickte auf das Symbol seiner Herrschaft und dachte daran, wie stolz er war, als er gekrönt wurde. Auch an die Hochzeit mit seiner Geliebten Margaery Tyrell. Alles schien so weit weg und immer mehr zu verblassen. Der junge Mann mit den goldblonden Haaren wollte dieses Ding nicht länger tragen. Nicht, wenn sie nicht mehr an seiner Seite war. An eine erneute Heirat wollte er nicht einmal denken. Auch wenn die braunhaarige Schönheit tot war, fühlte er sich als würde er sie betrügen. Nie im Leben würde er eine andere Frau anfassen. Nie würde es je eine geben, die ihr das Wasser reichen würde. Niemand. Der König nahm seinen Blick von der Krone und sah zum wiederholten Male auf den Rauch. Dorthin, wo einst die große Septe von Baelor stand. Tommen war nicht dumm. Er wusste, wer hinter diesem grauenvollen Anschlag stand. Die Tatsache, dass Robert Strong ihn zurückgehalten hatte, verdeutliche noch mehr, dass sie nicht nur davon wusste, sondern es eiskalt geplant hatte. Doch er hätte nie gedacht, dass seine eigene Mutter soweit gehen würde. Der Gedanke daran, ihr wieder in die Augen zu blicken, verursachte in ihm eine unglaubliche Übelkeit. Wie sollte er mit ihr und mit dem Wissen, dass sie für den Tod dutzender Menschen verantwortlich war, weiterleben? Tief zog er Luft ein und drehte sich abrupt um. Ging zu einem kleinen Tisch, an dem er seine mit Stolz getragene Krone hinlegte. Bevor er von ihr abließ, streifte er mit seinen Fingern ein letztes Mal über die Verschnörkelungen. Es war ein Abschied, der ihm seltsamerweise nicht zu schwer fiel. Zu viele schlechte Gefühle und Erinnerungen waren an jene Krone geknüpft. Tommen wollte auch keine Sekunde länger mehr damit vergeuden, diese Bürde zu tragen. Als er seine Hand wieder zurückzog, fühlte er die Erleichterung, die aber nur kurz anhielt. Der Schmerz über seine Geliebte blieb noch immer bestehen und er wusste, dass es nur einen Weg gab, sich von diesem für immer zu befreien. Gemächlich drehte er sich um und blickte ein letztes Mal auf das offene Fenster, das ihm ein zerstörtes King's Landing zeigte. Als er den ersten Schritt trat, dachte er daran, dass es besser war, nicht mehr bei diesem Spiel mitzumachen. Er war dafür einfach nicht geschaffen. Das Spiel der Throne war etwas, das anderen vorbehalten war. Der zweite Schritt folgte zugleich und das schlechte Gefühl in seiner Magengegend schien langsam zu verschwinden. Es war keine Vorfreude, die er fühlte. Es war Erleichterung. Erleichterung, dass diese Sorgen bald alle vergessen sein würden und somit beschleunigte der gerade noch amtierende König seine Schritte, bis er schließlich das Fenster erreichte und sich auf das Fensterbrett stellte. Dort nahm er einen letzten, tiefen Atemzug und dachte daran, dass er bald mit seiner Geliebten vereint sein würde. Zwar würde er nicht wie sie zu Staub werden, doch er würde fliegen. Fliegen wie der weiße Vogel, der den Winter in King's Landing angekündigt hatte. Als Tommen sich fallen ließ, fühlte er die kalte Brise, die ihn empfing. Bevor sein Leben endgültig zu Ende und nicht mehr viel von ihm übrig war. Die wenigen Sekunden in der Luft vergingen wie in Zeitlupe. Es war, als ob er sein Leben noch einmal von Anfang bis Ende sah. Sein ganzes Leben im Schnelldurchlauf mit Höhen und Tiefen, ausgeschmückt mit schönen und schrecklichen Dingen. Doch am Ende blieb nur der Tod. Es war nicht Schwärze, die ihn empfing, sondern weißes Licht. Ja, der Winter war da. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)