Bittersüßes oder Saures von SakuraHime19 ================================================================================ Kapitel 2: Ein Gespräch mit Sasuke und die Folgen ------------------------------------------------- Der Tisch war bereits gedeckt, als ich wenige Minuten später nach unten kam. Weingläser funkelten im Kerzenlicht und auf den Tellern lagen orangefarbene Servietten mit kitschigen Gespenstern drauf. Sasuke hatte sich mächtig ins Zeug gelegt. ,,Du auch?" Er präsentierte mir eine Flasche Rotwein. Unter dem Bund seiner Jeans schauten Boxershorts mit einem Totenkopfmuster hervor. ,,Nein." Ich schüttelte den Kopf. Ino und ich hatten uns versprochen, die Finger vom Alkohol zu lassen. ,,Cola?" Ich nickte. ,,Ananas oder Pilze?" ,,Was?" ,,Ananas oder Pilze?" ,,Ach so! Ananas!" Sasuke setzt sich, öffnete einen der Kartons, riss ein Stück von der Pizza ab und schob den zweiten Karton in meine Richtung: ,,Also, was ist, hast du keinen Hunger? Fang an!" Ich griff nach dem Messer, als Sasuke sagte: Kein Blutbad bitte!" ,,Was?" ,,Ich hoffe, du richtest kein Blutbad an." Sasuke beachtete mich unter halb geschlossenen Lidern. Wie Vom Donner gerührt saß ich da. Weshalb sagt Sasuke so etwas? Anscheinend wusste er Bescheid. Aber wer hatte es ihm erzählt? ,,Zeig doch mal die Narben!" Er fixierte meinen Unterarm. Das Blut rauschte mir in den Ohren - ich riss den Blick von Sasuke Los und starrte ebenfalls auf meinen Arm. Der linke Ärmel des Pullovers war nach hinten gerutscht und das rote Linienmuster stach ins Auge. Aber es war vorbei - ich hatte es geschworen. ,,He, die Narben sind ja perfekt", sagte Sasuke im Plauderton. Eine Sekunde herrschte Schweigen! Ich glaubte schon fast, ich hätte mich verhört, als er fortfuhr. ,,Damit hättest du heute Abend auf jeder Halloweenparty den ersten Preis gewinnen können." Seine Stimme klang ungerührt und irgendwie - kalt? Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm. Irgendwie schaffte er es immer wieder, mich zu verunsichern. Als ob er etwas über mich wusste, wovon ich keinen blassen Schimmer hatte. Schnell zog ich den Bund meines Pullovers über die Narben uns starrte auf die Pizza. Sasuke war so... Ich schaffte es einfach nicht, ihn zu durchschauen. Meistens behandelte er mich - wie eine kleine Schwester eben und dann wieder wie einen Fremdkörper in diesem Haus, einen Störenfried... ,,Sie haben gesagt, ich soll ganz normal mit dir umgehen und bloß nichts anmerken lassen", bemerkte er. Der Wind dreaußen legte an Geschwindigkeit zu. Ich hörte die Wellen gegen das Ufer schlagen, Regen prasselte mit voller Wucht an die Scheiben der Küschenfenster. Auch in mir begann es langsam zu toben. Wütend hob ich den Kopf und schaute Sasuke direkt ins Gesicht, aber er hörte nicht auf. ,,Bei mir ist auch eine in der Klasse, die sich ritzt. Die nimmt aber kein Messer, sondern Rasierklingen. Gilette Kontur - Präzisionsklingen", verkündete er. ,,Sie schwört sogar darauf - und wie ist das so bei dir?" Ich umklammerte das Messer und riss mich zusammen: ,,Kannst mir ja das nächste Mal Plastikbesteck herlegen, wenn du schoss hast", sagte ich mit ruhiger Stimme. Er lachte. ,,Warum machst du nur so eine Scheiße?" In dem Viertel, in dem ich aufgewachsen war, bauten ziemlich viele Leue viel Scheiße - aus harmloseren Gründen als ich. Ehrlich, als ich mich an jenem Abend im Heim zum ersten mal ritzte, weiß der Teufel, was da in mir vorging. Es war einfach eine Art geistiger Kurzschluss, der sich noch ein paar mal wiederholte. Ich war, so nennt man das wohl, traumatisiert. Mann, meine Mutter war tot, Ich hätte kein Zuhause mehr, womöglich musste ich Jahre im Heim verbringen. Meine erste Reaktion war Wut. Auf alles auf alle: meine Mutter, die anderen, mich selbst. Mann - ich hätte Amok laufen können. Und mal ehrlich: Besser ich hing mit dem Messer auf mich los als zum Beispiel auf Jana, meine neugierige Zimmernachbarin im Heim! Niemand bemerkte die Schnitte an meinem Linken Arm, bis mich am Morgen der Beerdigung ausgerechnet Jana erwischte, als ich mit einer Nagelschere Totenkreuze in meinen Unterarm ritzte. Klar floss Blut. Was war so schlimm daran? Aber Jana, diese elende Verräterin, hatte mich sofort bei der Heimleiterin verpetzt. Die Folge waren totale Kontrolle und Gespräche mit einer Psychologin. Diese furchtbare Frau war hinter meinen Geheimnissen her wie Jana hinter ihrem Wodka Gorbatschow. Aber ich schwieg eisern, während mein Vater versuchte, das Sorgerecht für mich zu bekommen. Das dauerte ewig. Ich musste schließlich einen Vertrag unterschreiben, den die Psychotante entworfen hatte, dass ich es nie wieder tun würde. Seitdem hatte ich mich im Griff, was besser war, als ständig kontrolliert zu werden. ,,Ich habe dich was gefragt! Hörst du nicht zu?" Sasuke hatte bereits seine ganze Pizza gegessen, während meine noch vollständig vor mir lag. ,,Was?" ,,Ob schon jemand mit dir über den Schulwechsel gesprochen hat?" Hörte ich da eine triumphierenden Unterton in seiner Stimme? ,,Ich werde nicht auf eine andere Schule gehen." ,,Wart's nur ab." Er machte eine kurze Pause. ,,Sie bringen dich schon so weit." ,,Das werden wir ja sehen!", erwiederte ich. Immer cool bleiben, wenn dir jemand zu nahe kommt. Genau das lernte man da, wo ich herkam. ,,Du behauptest, es würde dir nichts ausmachen, aber ich sehe doch, was los ist. Da drinnen ", er deutete mit dem Messer auf meine Brust, ,,da zieht gerade ein Hurrikan auf." ,,Klugscheißer!" Sasuke war wirklich unberechenbar; gerade noch hatte er mich wegen meiner Ritzerei aufgezogen, dann wieder machte er einen auf verständnisvoll. ,,Weißt du, dass sie ihm geschrieben hat, kurz vor ihrem Tod?" Sasuke sah mich mit lauerndem Blick an. Wieder hörte ich das Blut in meinen Ohren rauschen. Warum nur hatte sie ihm geschrieben und nicht mir? Und warum musste Sasuke mich mit seinen Fragen so quälen? Ich brauchte frische Luft. Ich musste hier raus. Das Messer fiel mir aus der Hand, als ich aufsprang. Ich rannte in den Flur, riss die Haustür auf und stolperte hinaus ins Freie. Eine starke Windböhe erfasste mich und Regen peitschte in mein Gesicht. Ich setzte mich auf die nasse, kalte Treppe vor dem Haus. Hinter mir ging im Flur das Licht aus. Ein ausgehöhlter Kürbis glotzte mich an, hinter dessen gezacktem, breit grinsendem Mund eine Kerze flackerte. So saß ich da, ohne mich zu bewegen, starrte hinaus in die hundert Millionen Tonnen schwere Nacht, diese riesige Finsternis, in der nichts zu hören war als das harte Prasseln des Regens, das Rauschen des Sees. Ich schnappte nach Luft. Dachte, ich müsste ersticken vor lauter Erinnerungen. Sasuke hatte mit seinen Fragen die Vergangenheit aufgewühlt. Mann, ich musste endlich aufhören, so viel nachzudenken. Ich zwang mich, die ganzen Bilder von mir wegzuschieben. Außerdem wurde mir langsam kalt, mei Hintern war nass von der feuchten Treppe und ich entschloss mich, zurück ins Haus zu gehen. Ich erhob mich, wandte mich um und - stieß gegen Sasuke. Wie ein Geist war er plötzlich aus der Dunkelheit aufgetaucht. Oder hatte er die ganze Zeit über hier gestanden? ,,Gott, hast du mich erschreckt! " ,,Sorry ich wohne hier!" Er hatte sich zum Ausgehen angezogen. Die Hand spielte mit dem Autoschlüsseln. Meine Stimme zitterte leicht: ,,Fährst du weg?" ,,Brauchst du einen Babysitter oder was?" Er grinste. ,,Quatsch!" ,,Dann ist es ja gut." Er ging die Stufen hinunter. ,,Wo gehts du hin?" ,,Ich hab was vor", rief er, ohne sich umzublicken. Ich sah ihm nach, wie er das Auto aufschloss, einstieg und ohne ein weiteres Wort losfuhr. Dann verschluckte ihn die Nacht und ich blieb zurück - mutterseelenallein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)