Herzenswille von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 11: Winter der Liebe ---------------------------- Leise Musik füllte die Räume und Gänge des Anwesens de Jarjayes, brachte mit sanftem Klang die Herzen zum Schmelzen und überdeckte sogar die großen Uhren an der Wand, die gerade Mitternacht schlugen. Oscar konnte schon immer gut Klavier spielen und heute verzauberte sie André damit aufs Neue. Entspannt wartete er darauf, bis sie zu Ende gespielt hatte, um ihr die Neuigkeiten mitzuteilen, die er heute Abend vor kurzem in Paris erfahren hatte. Draußen schneite es schon seit Stunden – die dicken Schneeflocken fielen genauso leise wie die taktvolle Melodie von Oscars Klavierspiel. André stand hinter ihr und seine Hände ruhten auf ihren schmalen Schultern, unter ihrer blonden Haarpracht und seine Daumen massierten ihr zärtlich den Nackenwirbel.   Mit jeder wechselnder Berührung ihrer zartgliedrigen Fingern auf den weißen und schwarzen Klaviertasten spürte er die kleinen Bewegungen ihrer Armmuskeln unter seinen Handflächen. Da sie beide sich sicher waren, dass alle um diese Zeit auf dem Anwesen bereits schliefen, kosteten sie diese seltenen Momente ihrer ungestörten Zweisamkeit aus. Das war schwer, aber im fünften Monat ihrer heimlichen Liebe gewöhnte man sich daran, ein Doppelleben zu spielen... Es war qualvoll ihre Sehnsüchte vor Augen der Welt zu verbergen und so zu tun, als wären sie langjährige Freunde und nicht mehr oder weniger... Womit nur würde das alles enden?   Natürlich mit nichts Gutem... Es würde gravierende Folgen für ihn und Oscar haben, wenn ihre Liebesbeziehung aufliegen sollte... Deshalb müsste alles noch geheim bleiben. Und zurzeit waren noch andere Sorgen unterwegs: Die Zustände des Landes besserten sich nicht - mehr Bürger gingen auf die Straßen, mehr Versammlungen fanden statt und mehr dunkle Vorahnungen wuchsen in Oscar. In Versailles tat sich noch immer nichts, um gegen Not der Menschen eine Lösung zu finden und bescherte ihr mehr und mehr Kopfzerbrechen. André konnte sie verstehen wie kein anderer, denn ihn plagte das Gleiche... Er entließ einen tiefsinnigen Seufzer, beugte sich etwas vor und hauchte einen Kuss auf den Scheitel seiner Geliebten.   Oscar spürte alles: seine Nähe, seinen Kuss und seine Hände, was ihr Geborgenheit und Wärme schenkte. Es tat ihr auf dem Herzen gut, ihn an ihrer Seite zu wissen und seine bedingungslose Liebe zu genießen. Ach, wenn sie schon viel früher seine Liebe erwidert hätte... Tiefe Zuneigung und Sehnsucht durchströmte ihren Körper und sie konnte sich nicht mehr so richtig auf das Klavierspiel konzentrieren. Dennoch beendete sie das Musikstück und verharrte einen Augenblick reglos – die liebliche Melodie hallte noch wie ein Echo in ihrem Kopf und sie ließ das tief in sich wirken, bevor sie aufstand, den Klavierdeckel zuklappte und sich umdrehte. „André...“ Vertraulich lehnte sie sich an seine Brust und hörte durch sein Hemd seinen gleichmäßigen Herzschlag. „Geliebter... Hast du etwas in Paris herausfinden können?“ Sie beide hatten heute Nachmittag Dienstfrei genommen und André war noch etwas in der Stadt geblieben, während sie auf das Anwesen geritten war. Er sollte sich unter den Menschen mischen und an einer dieser Versammlungen auf der Straße teilnehmen, um herauszufinden, was da vor sich ging und welche Stimmung die Bevölkerung hatte. Als Bürgerlicher wäre er nicht so unter seinesgleichen aufgefallen wie Oscar in ihrer Uniform eines adligen Befehlshabers.   „Ja.“ André legte sachte um sie seine Arme, vergrub seine Nase in ihren weichen Locken und genoss den milden Duft, der ihm dabei in der Nase stieg. „Ich habe Bernard getroffen.“   „Bernard?“ Oscar hob ihren Kopf von seiner Brust und sah ihn wunderlich an. Bernard Châtelet war ein Journalist und Gerichtsschreiber. Er arbeitete für Robespierre, der sich als Anwalt für das Volk bezeichnete und für dessen Rechte er sich auch einsetzte. Bernard gehörte zu einem seiner Schüler und vor nicht allzu langer Zeit hatte er als schwarze Ritter die Adelshäuser unsicher gemacht und seine Beute an die Ärmsten der Armen verteilt. Und ausgerechnet ihm verdankte André die Verletzung an seinem linken Auge. Wie wütend und außer sich Oscar danach war! Sie wollte ihm das Gleiche antun, was er André angetan hatte und als sie ihn endlich gefangengenommen hatte, hatte ausgerechnet André ihr Vorhaben vereitelt, Rache zu nehmen. „Wir können nichts gegen Armut des Volkes unternehmen, aber der schwarze Ritter schon... Deswegen finde ich, du sollst ihn dem Richter nicht übergeben lassen...“, war seine Begründung gewesen. Oscar hatte ihn nicht verstanden und dennoch hatte sie den schwarzen Ritter gehen lassen... Da sie ihm, bevor sie ihn gefangen hatte, in die Schulter geschossen hatte, musste er noch gepflegt werden und deswegen hatte sie ihn zu Rosalie geschickt.   Rosalie... Wie es ihr jetzt wohl ging?   Das bürgerliche Mädchen, das sie einstmals bei sich aufgenommen hatte, war ihr sehr ans Herz gewachsen und wohnte jetzt aber seit einer langen Zeit in Paris...   Oscar hob ihre Hand und strich die Haarsträhnen von Andrés erblindeten Auge. Die rosige Narbe, die vom Wangenknochen bis zur Augenbraue verlief, kam wie ein Mahnmal zum Vorschein und Oscar fuhr vorsichtig mit ihren Fingern darüber.   André zuckte leicht zusammen und entfernte sachte ihre Finger von dort. Ihm tat dabei nichts weh, es war ihm nur unangenehm. Er ahnte, dass Oscar seine Verletzung und Erblindung des linken Auges zu schaffen machte, immerhin hatte er den Lockvogel für sie gespielt und er wollte nicht, dass sie deshalb sich selbst die Schuld dafür gab. Auf ihre Finger, die er noch in seiner Hand umschlossen hielt, hauchte er einen zärtlichen Kuss und versuchte ihr damit die Schuldlast zu nehmen. Oscar verstand ihn ohne weitere Worte und bat ihn daher weiter zu erzählen, was André auch tat: „Bernard ist Vorsprecher in einer der Bewegungen. Seine Reden, die Sagen, dass das einfache Volk das gleiche Recht hat wie die Adligen, sie klingen überzeugt und geben den Menschen Mut. Und Rosalie hilft ihm auch dabei.“   „Rosalie?“ Das war für Oscar wirklich überraschend. Was hatte denn Rosalie mit Bewegungen zu tun?   „Ja, Oscar, sie arbeitet jetzt auch für Robespierre und verteilt Handzetteln.“ Andrés Mundwinkel zogen sich dabei immer mehr nach oben. „Bernard hat mich auf eine Tasse Tee eingeladen und ich habe sie bei ihm dann getroffen. Sie beide sind miteinander verheiratet und Rosalie lässt dir schöne Grüße ausrichten.“   „Danke.“ Oscar konnte noch immer nicht so recht glauben, dass ihre liebe Rosalie den ehemaligen schwarzen Ritter geheiratet hatte. Sie ließ sich das durch den Kopf gehen und schmunzelte leicht angetan. „Sie hat ihr Glück also gefunden. Ich freue mich für sie. Rosalie ist ein liebes Mädchen, so rein und klar, wie ein Sonnenstrahl. Ich wünsche ihr von Herzen, dass sie glücklich wird.“   „Das wünsche ich ihr auch, von ganzem Herzen. An Bernards Seite sieht sie wirklich glücklich aus.“ André ließ sich noch einmal das Gespräch mit Bernard durch den Kopf gehen und machte eine Pause. Oscar sah an seinem glanzvollen Blick, dass das noch nicht alles war, dass er noch etwas zu erzählen hatte und wurde ungeduldiger. André zog es in die Länge, bis sie kurz davor stand, ihn mit ihrem eisigen Blick zu strafen und auf diese Weise herauszufordern, dann erst machte er den Mund auf: „Die Dreiständekammer ist bestätigt!“   „Ist es wahr?“ Oscar erstrahlte, Glückseligkeit und Hoffnung breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als er zustimmend nickte und genauso fröhlich hinzufügte: „Einer von Bernards Männern kam herein und hat das bestätigt. Am ersten Mai wird die Dreiständekammer eröffnet.“ Dass der König dazu keine andere Wahl hatte, blieb erst einmal ungesagt. Durch die Missernten, Hungersnot und ständige Erhöhung der Steuern wäre eine Zusammensetzung aller drei Kammern berechtigt, um nach einer Lösung zu finden und das Land aus der finanziellen Krise zu retten.   „Das Volk hat schon lange darauf gewartet!“ Oscar lehnte sich erneut an ihren Geliebten. „Endlich wird etwas getan!“ Sie hörte wieder seinem gleichmäßigen Herzschlag zu, der sie melancholischer stimmte und eine Sehnsucht nach ihm am ganzen Körper verbreiten ließ. Seit sie aus der Normandie im August zurückgekehrt waren, hatten sie kaum Zärtlichkeiten miteinander getauscht. „Und wenn das alles vorbei ist, dann heiraten wir!“, murmelte sie in sein Hemd.   „Oscar!“ Hatte er das gerade richtig gehört? Überrascht schob er sie etwas von sich und suchte nach Bestätigung in ihren fröhlich glänzenden Augen. Oscar schmunzelte unwillkürlich. Sie konnte seine Verwunderung nachvollziehen, denn von ihr so etwas wie Heirat gehört zu bekommen, war für ihn völlig unerwartet und auch sie war über sich selbst leicht überrascht. Aber vielleicht lag es an ihrer Liebe zu ihm, die ihr die Kraft gab, über ihren eigenen Schatten zu springen und ihm all das zu geben, was sie schon längst hätte geben sollen. „Ja, André, egal wie die Sache ausgeht und was dabei rauskommt, wir werden trotzdem heiraten!“   „Das ist doch wunderbar!“ Ja, wunderbar und gleichzeitig bescherte es ihm ein mulmiges Gefühl. „Aber willst du denn so jemanden wie mich, einen Habenichts, zum Mann nehmen? Ich meine...“   „Das macht mir nichts aus... Und du hast mehr, als du es wahrnimmst...“ Oscar legte ihm sachte die Hand auf den Brustkorb. „Hier, dein Herz, das so viel Liebe und Kraft besitzt... Und ich liebe den Mann in dir... Ich brauche nichts, ich bin glücklich mit dem was ich habe... Ich bin glücklich mit dir... Nur mit dir – du bist mein Ein und Alles.“   „Das kann ich nur zurückgeben...“ André wollte sie küssen, sie liebkosen und mit ihr in Leidenschaft versinken, aber stattdessen verharrte er reglos. „Willst du das wirklich?“, fragte er vorsichtig und erklärte sogleich ganz leise: „Ich meine, nicht das wir ertappt werden...“   „André, wir haben ein Uhr nachts und alle schlafen schon längst...“, erinnerte Oscar ihn zweideutig und André fühlte sich schon etwas leichter. „Da hast du recht.“ Er hob sie schwungvoll auf seine Arme und trug sie auf das Bett. Gepackt von dem Verlangen und der Sehnsucht nach ihr, zog er ihr beinahe hastig das Hemd aus, streichelte lustvoll ihre Brust, ihr flachen Bauch, öffnete ihren Hosenbund und zog ihr die Hose aus. Oscar half ihm derweilen aus seinen Sachen raus zukommen und dann war er schon über ihr. Sie liebten sich ausgiebig mit all den Zärtlichkeit und kosteten ihre Leidenschaft immer aus.             „So können wir weiter machen“, gestand Oscar atemlos, als André nach dem gemeinsamen Liebesspiel sich neben sie legte und ihren Hals noch etwas mit seinen Lippen liebkoste. „Ich will deine Liebe nicht missen.“   „Mir ergeht es ebenso mit dir, meine geliebte Oscar...“, hauchte er ihr verführerisch ins Ohr und seine Geliebte drehte sich dann plötzlich zu ihm. „Dann lass uns jede Nacht ausnutzen, die uns zur Verfügung steht.“, schlug sie ihm schelmisch vor und kaum das André seine Zustimmung abgeben konnte, stieg sie auf ihn schon rittlings auf. Ein sehr reizvoller Vorschlag ihrerseits, dem er nicht widerstehen konnte. So machten sie das und verbrachten den Winter in verborgener Liebe, Lust und Leidenschaft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)