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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Eeeep, 100.000 Wörter! :D Komplett anzeigen

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Cullen

Cullens stille Hoffnung, er könnte nach den Anstrengungen des letzten Tages am Morgen eine ruhige Stunde mit Dorian im Bett verbringen, erfüllte sich leider nicht.

Sie waren kaum wach, als es im Arbeitszimmer unter ihm an der Tür klopfte.

„Kommandant Cullen!“, ertönte eine weibliche Stimme. „Verzeiht die Störung. Die Inquisitorin hat den Kriegsrat einberufen und bittet um Eure Anwesenheit!“

Die Botin zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: „Und um die von Serah Pavus.“

Cullen tauschte einen Blick mit Dorian, der nur vielsagend eine Augenbraue hob.

Er seufzte. So viel zu einem ruhigen Morgen.

„Teilt der Inquisitorin mit, dass wir in zehn Minuten da sein werden“, rief er zurück. Dann schob er die Decke zurück und stand auf.

„Was, kein Widerspruch? Keine Bemerkung, dass du mich auf deinem Weg zum Rat über das Treffen informieren wirst?“, fragte Dorian spöttisch, während auch er sich erhob und seine Hose anzog. „Wenn das so weitergeht, ist es bald ein offenes Geheimnis, wo ich meine Nächte verbringe.“

Cullen streifte sein Hemd über.

„Dein Zimmer liegt näher, als meines“, erwiderte er. „Ich bin mir sicher, dass sie es dort bereits versucht haben. Also warum sollte ich mir die Mühe machen und sie anlügen, wenn offensichtlich ist, dass du hier bist?“

Er griff nach seinem Schwertgürtel und legte ihn um, bevor er seine Stiefel anzog und sie zuschnürte. Er sah für eine Weile nicht auf, weshalb er Dorians Reglosigkeit erst bemerkte, als er schließlich wieder den Kopf hob.

„Dorian...?“, fragte er besorgt und hielt inne. Hatte er etwas Falsches gesagt...?

„Meinst du das ernst?“, entgegnete der andere leise.

Cullen sah ihn verständnislos an.

Dorian holte tief Luft. „Macht es dir wirklich nichts aus, wenn die ganze verdammte Himmelsfeste von unserer Beziehung erfährt?“, fragte er. „Du bist nicht irgendwer, du bist der Kommandant der Inquisition. Dir muss klar sein, dass das Folgen hat.“

„Möglich.“ Cullen zuckte mit den Schultern. Er hatte zu viele andere Sorgen, um sich auch noch darüber den Kopf zu zerbrechen. „Vielleicht wird es uns die Unterstützung mehrerer einflussreicher adliger Familien kosten, die sich Hoffnungen auf eine politische Ehe gemacht haben. Doch die Inquisition wird es überleben.“

Dorians Zweifel schienen damit jedoch noch nicht aus der Welt geräumt, denn er sah ihn weiterhin zögernd an.

„Also bin ich nicht...“, begann er leise, bevor er wieder verstummte und den Kopf schüttelte.

„Bist du was?“, fragte Cullen, dem die plötzliche Unsicherheit des anderen ein Rätsel war. Dorian zögerte sonst nie, offen seine Gedanken auszusprechen, ob es dem Rest der Welt passte oder nicht. Er war ein Mann, der zu dem stand, was er sagte. Selbst aus seinen Präferenzen hatte er nie ein Geheimnis–

Moment.

Cullen hielt inne. Und hätte sich am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen, als er endlich verstand.

Dorian war aus Tevinter, wo Beziehungen wie die ihre alles andere als gern gesehen oder gar gesellschaftlich akzeptiert waren. Hier im Süden konnte er sie zum ersten Mal offen ausleben, während sie in seiner Heimat selbst jemanden aus einer so einflussreichen Familie wie der seinen den Ruf oder die politische Karriere kosten würde, wenn er nicht vorsichtig war.

Dass jemand wie Cullen, der eine wichtige politische Position hatte, offen zu ihm stand, musste ihm darum völlig fremd sein.

Cullen stand auf und trat auf Dorian zu.

„Du bist nicht mein Geheimnis“, stellte er klar und ergriff seine Hände. „Und ich habe nicht vor, diese Sache zu leugnen, sollte sie erst mal an die Öffentlichkeit kommen. Ich habe mich für dich entschieden, Dorian, und ich stehe dazu. Meinetwegen kann die ganze verdammte Welt davon erfahren.“

Doch der Magier starrte ihn nur weiterhin wortlos an. Cullen konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten und er fragte sich, ob er etwas übersehen hatte.

„Dorian...?“, sagte er leise und legte eine Hand an die Wange des anderen Mannes. „Bitte sprich mit mir. Was macht dir solche Sorgen...?“

Dorian schloss für einen Moment die Augen und hob die Hand, um sie auf die von Cullen zu legen.

„Es mag dir nichts ausmachen, ob der Rest der Welt davon erfährt“, entgegnete er. „Doch dein Ruf ist nicht das einzige, was auf dem Spiel steht...“

Cullen öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch wieder, als ihm bewusst wurde, dass Dorian Recht hatte.

Natürlich.

Mit einem Mal fühlte er sich sehr närrisch.

Keinen Augenblick lang hatte er bedacht, wie Dorian sich bei der ganzen Sache fühlte – und dass die politischen Auswirkungen ihrer Beziehung nicht nur Cullen treffen würden, sondern auch ihn. Gewiss, die Beziehung zu seiner Familie mochte nicht mehr zu reparieren sein, doch Dorian hatte auch noch andere Kontakte in Tevinter, die seine Entscheidungen zweifellos ebenso in Frage stellen würden, wie sein Vater. Und je mehr Freundschaften er einbüßte, desto schwieriger würde es für ihn werden, wieder in seine Heimat zurückzukehren, sobald dieser Krieg vorüber war.

Cullen seufzte und senkte den Blick.

„Verzeih mir“, sagte er. „Ich bin ein Idiot. Ich hätte zuerst mit dir darüber reden sollen, anstatt davon auszugehen, dass ich auch in deinem Interesse handle.“

„Stimmt“, meinte Dorian und Cullen sah ihn an. „Das hättest du.“

In seiner Stimme war jedoch keine Schärfe.

„Aber was geschehen ist, ist geschehen“, fuhr er fort und drehte das Gesicht, um einen Kuss auf Cullens Finger zu pressen. „Ich werde schon einen Weg finden, um damit umzugehen.“

Dann ließ er die Hand sinken und wandte sich ab.

„Lass uns gehen“, sagte er leise. „Wir sollten die Inquisitorin nicht warten lassen.“

Cullen folgte ihm mit einem schlechten Gewissen.

 

Ein Dutzend Augenpaare richteten sich auf sie, als sie eintraten.

Neben der Inquisitorin und den übrigen Beratern waren auch Blackwall, Madame de Fer, der Eiserne Bulle und Cole, sowie Ser Barris mit mehreren seiner Männer anwesend.

„Ah, Cullen“, begrüßte ihn die Inquisitorin, die an diesem Morgen ungewöhnlich blass und müde wirkte, und schenkte ihnen ein Lächeln. „Und Serah Pavus.“

Dorian verbeugte sich kurz. „Mylady Lavellan.“

Auch ihm schien die Erschöpfung der jungen Frau nicht zu entgehen, und er warf Cullen einen fragenden Blick zu, den dieser jedoch nur mit einem Schulterzucken erwiderte. Wenn Lavellan in ihrem Zustand eine Versammlung abhalten wollte, dann konnte er sie nicht daran hindern.

„Leliana“, sagte die Inquisitorin dann an ihre Beraterin gewandt. „Vielleicht solltet Ihr vorerst übernehmen und berichten, was Ihr erfahren habt.“

Die andere Frau nickte und trat vor.

„Heute Morgen traf eine Nachricht von Hawke aus den Westgraten ein“, erzählte sie. „Sie ist mit Varric und Loghain auf Spuren der Grauen Wächter gestoßen, sowie auf fragwürdige Aktivitäten der Venatori in dieser Region. Aufgrund der Vielzahl von Dämonen, die ihnen dort begegneten, konnten sie jedoch keine weiteren Nachforschungen anstellen und mussten sich wieder zurückziehen.“

Sie warf Dorian einen Blick zu. „Ihre Beobachtungen decken sich zum Großteil mit den Informationen, die wir aus Briefen von den Venatori an die Grauen Wächter gewonnen haben. Serah Pavus hat uns einen großen Dienst erwiesen, indem er sie für uns übersetzt hat.“

Cullen sah überrascht zu Dorian hinüber. Der andere hatte am Morgen kein Wort über seine Arbeit für Leliana verloren.

„Den Briefen zufolge geht die Zusammenarbeit der Venatori mit den Grauen Wächtern noch wesentlich weiter, als wir gedacht hatten“, fuhr Leliana fort. „Ihr Einfluss auf die Wächter scheint groß genug zu sein, dass sie selbst vor Blutmagie nicht länger zurückschrecken. Was auch immer sich in den Westgraten also gerade zusammenbraut, wir müssen es herausfinden, und zwar bald – und dann mit aller Härte dagegen vorgehen.“

Sie wandte sich an Ser Barris. „Da die Gefahr größer ist, als wir vermutet haben, möchte ich Euch bitten, ein Dutzend Eure zuverlässigsten Männer auszuwählen und die Inquisitorin auf ihrer Reise zu begleiten. Was auch immer Ihr an Ausrüstung benötigt, Sir Morris wird es für Euch besorgen. Er wurde bereits informiert.“

Barris nickte. „Wie Ihr wünscht, Mylady.“

Gemeinsam mit seinen Männern verließ er den Raum.

„Madame de Fer“, wandte sich Lavellan dann an Vivienne. „Unsere Reise wird uns einmal quer durch Orlais führen, wo die Inquisition nicht immer gern gesehen ist. Ihr verfügt über Kontakte, die uns unsere Reise sehr erleichtern würden, weshalb es mir eine Ehre wäre, Euch auf unserem Weg an meiner Seite zu wissen.“

Vivienne lächelte knapp. „Es wäre mir eine Freude, meine Liebe. Ich habe schon seit einer Weile auf die Gelegenheit gewartet, meiner Heimat einen Besuch abzustatten.“

„Ich danke Euch“, erwiderte Lavellan und machte eine erleichterte Miene. Vivienne war undurchschaubar, man konnte nie vorhersagen, wie sie reagieren würde.

„Blackwall“, fuhr sie dann fort. „Ihr–“

„– wollt mich als Vertreter der Grauen Wächter dabeihaben“, beendete Blackwall ihren Satz. „Keine Sorge, Mylady, Ihr könnt auf mich zählen.“

Cole und der Eiserne Bulle stimmten ebenfalls zu, doch als Dorian an der Reihe war, zögerte er kurz.

Sein Blick flog für den Bruchteil einer Sekunde zu Cullen hinüber und eine Vielzahl verschiedener Ausdrücke huschte über sein Gesicht, die der andere nicht so recht deuten konnte. Schließlich wandte er sich wieder der Inquisitorin zu und holte tief Luft.

„Ich bin dabei“, sagte er fest.

Und es war eine logische Wahl: Dorian war der einzige, der die Sprache und Schrift der Venatori verstand, seine Hilfe war unverzichtbar. Doch als Cullen daran dachte, dass er seinen Seelenpartner für mehrere Wochen gehen lassen musste, schien sich ihm das Herz in der Brust zusammenzuziehen...

Die Inquisitorin nickte Dorian zu, dann straffte sie sich und warf einen Blick in die Runde.

„Ich danke Euch allen“, sagte sie. „Damit ist es also beschlossen: morgen früh brechen wir auf.“

 

„Du hättest mich vorwarnen können“, sagte Cullen, nachdem die Versammlung vorüber war und die Inquisitorin sie entlassen hatte, damit sie sich auf die Reise vorbereiten konnten. „Bis zu den Westgraten ist es ein weiter Weg, auf dem viel passieren kann.“

„Was hätte das geändert?“, fragte Dorian. „Du hättest nur früher damit angefangen, dir Sorgen zu machen.“

„Ich wäre immerhin nicht aus allen Wolken gefallen“, meinte Cullen, auch wenn er wusste, wie kindisch seine Vorwürfe waren. Wäre er in Dorians Situation gewesen, hätte er zweifellos genauso gehandelt.

Und der andere Mann machte sich erst gar nicht die Mühe, auf seine Bemerkung einzugehen, sondern warf ihm nur einen mitleidigen Blick zu.

Cullen blieb seufzend stehen und rieb sich das Gesicht.

„Verzeih mir, Dorian“, sagte er. „Heute ist nicht mein bester Tag.“

„In der Tat“, entgegnete der andere, doch ein leichtes Lächeln spielte dabei um seine Lippen.

Cullen erwiderte es dankbar, bevor er zum Himmel hinaufsah, um den Stand der Sonne abzuschätzen.

Dann nickte er Dorian zu.

„Triff in Ruhe deine Vorbereitungen“, meinte er. „Ich habe selbst noch einige Dinge zu erledigen, bevor die Inquisitorin wieder aufbricht.“

Dorian schien einen Moment zu überlegen.

„Sehen wir uns heute Abend wieder?“, fragte er dann.

Cullen dachte an ihr Gespräch am Morgen zurück und rieb sich unsicher den Nacken.

„Meine Tür steht dir jederzeit offen“, entgegnete er. „Aber... Dorian, du sollst wissen, dass du nichts tun musst, womit du nicht–“

Was geschehen ist, ist geschehen“, wiederholte der andere leise seine Worte vom Morgen. „Und ich habe meine Wahl ebenso getroffen, wie du.“

Er trat einen Schritt näher an Cullen heran, bis seine Lippen nur noch wenige Zentimeter von seinem Ohr entfernt waren.

„Und wenn dies unsere letzte gemeinsame Nacht ist, bevor wir für viele Wochen auseinandergehen“, raunte er mit samtweicher Stimme, „findest du nicht auch, dass es eine Nacht werden sollte, an die wir uns beide noch für eine Weile erinnern werden...?“

Er machte wieder einen Schritt zurück und nickte Cullen zu. Dann wandte er sich ab und ging mit einem selbstzufriedenen kleinen Lächeln auf den Lippen davon.

Cullen starrte ihm nach, und obwohl die Sonne warm auf ihn herabschien, lief ein Schauer über seinen Rücken.

Er hatte Dorian unterschätzt.

Der Abend konnte nicht früh genug kommen.



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