For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky von Morwen ================================================================================ Kapitel 31: Lavellan -------------------- Das leise Rascheln von Papier weckte Ellana am Morgen aus dem Halbschlaf. Schläfrig drehte sie den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und sah Solas neben sich auf dem Bett sitzen, Dutzende von Pergamenten um sich herum ausgebreitet, und vertieft in die Lektüre eines Manuskripts. Er war nackt bis auf seine Unterhose und das schlichte Band an seinem Handgelenk. Für eine Weile betrachtete Ellana ihn still. Ihr Blick wanderte über die langen Beine, die er auf dem Bett ausgestreckt hatte, hinauf zu dem schlanken, aber muskulösen Oberkörper und die beim Lesen leicht nach vorne gebeugten Schultern, die ein Hauch von Sommersprossen zierte. Seine Haut war heller als die ihre, doch seine Blässe unterstrich nur die natürliche Schönheit seines Körpers, den sie letzte Nacht zum ersten Mal mit Händen und Lippen hatte erkunden können. Ein Lächeln schlich sich bei der Erinnerung daran auf ihr Gesicht, und er schien es aus dem Augenwinkel zu bemerken, denn er hob den Kopf und sah sie an. „Guten Morgen“, sagte er und erwiderte das Lächeln. „Ich hoffe, Ihr hattet eine geruhsame Nacht?“ „Mm-hm“, machte sie nur und nickte, bevor sie sich aufsetzte, wobei sie die Decke um ihre nackten Schultern schlang. „Auch wenn ich nicht glaube, dass nach der letzten Nacht noch Formalitäten nötig sind“, fügte sie dann schmunzelnd hinzu und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. „Wenigstens, solange wir unter uns sind.“ Er griff nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit den ihren, wobei er ihren Blick mit einer Sanftheit erwiderte, die ihr Herz schneller klopfen ließ. „Wie du wünschst, ma vhenan.“ Sie schloss die Augen, als er sich vorbeugte und sie küsste – und oh, wie sie seine Küsse liebte. Am Anfang waren sie immer hauchzart, beinahe keusch, doch dann wurden sie fordernder und leidenschaftlicher, und als Solas schließlich wieder von ihr abließ, lag ein solches Begehren in seinem Blick, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagte. „Verzeih mir“, sagte er seufzend und küsste die Innenseite ihrer Hand, bevor er sie wieder losließ. „Wenn du mir nahe bist, vergesse ich mich manchmal selbst...“ „Das ist der Plan“, erwiderte sie und lachte auf, als er vorwurfsvoll eine Augenbraue hob. Es tat gut, seine sonst so stoische Fassade zu durchdringen. Dann sah sie auf die Pergamentrollen hinab, die das Bett bedeckten. „Was sind das für Texte?“, fragte sie. Sie erkannte Solas' Handschrift, auch wenn sie die Worte nicht lesen konnte, da ihr die Sprache fremd war. „Beobachtungen, die ich auf meinen Reisen gemacht habe“, entgegnete er und griff nach einem älteren, schon etwas vergilbten Blatt. „Diese hier stammt aus dem Kammwald.“ Der Kammwald. Sie fröstelte, als sie sich an ihre Reise dorthin erinnerte; an den See voller Toten und die untergegangene Stadt, die geflutet worden war, um die unliebsamen Kranken aus dem Weg zu schaffen... Sie hatte nicht zurückgeblickt, als sie dem Ort damals den Rücken gekehrt hatte, auch wenn sich die Gegend seitdem gebessert hatte, wie Harding ihr später berichtet hatte. „Warum das plötzliche Interesse daran?“ Sie sah ihn fragend an. „Nun...“ Er räusperte sich. „Lady Cassandra war vorhin hier, um dir mitzuteilen, dass Hawke eine Nachricht von ihrem Kontakt bei den Grauen Wächtern bekommen hat“, erklärte er dann. „Er hat mittlerweile den Kammwald erreicht und wünscht dich dort zu treffen.“ „... oh.“ Ellanas Augen weiteten sich. Sie versuchte sich den Ausdruck auf Cassandras Gesicht vorzustellen, als sie das Zimmer betreten und die schlafende Inquisitorin mit ihrem Liebhaber vorgefunden hatte. „Hat... sie sonst noch etwas gesagt?“, fragte sie dann. Solas schüttelte den Kopf. „Nein.“ Dann legte sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. „Aber sie wurde sehr rot und ist schnell wieder gegangen.“ Ellana schmunzelte. „Du hast es genossen, gib es zu.“ „Niemals“, wehrte Solas ab, doch als sie ihn vielsagend ansah, zuckte er ergeben mit den Schultern. „... na schön, vielleicht ein wenig.“ „Hah!“, machte Ellana nur und lachte.   Wenig später standen sie endlich auf und zogen sich an, und so wie Ellana den Elf zuvor beobachtet hatte, so spürte sie jetzt ihrerseits seinen Blick auf sich ruhen. Es war ein aufregendes Gefühl, begehrt zu werden, und dann auch noch von dem Mann, den das Schicksal ihr zugeteilt hatte, und von dem sie lange geglaubt hatte, dass sie ihn niemals finden würde. Doch seit dem Beginn dieser chaotischen Reise war Solas der Fels in der Brandung gewesen, auf den sie sich stützen konnte, wann immer sie an sich und ihrer Aufgabe zu zweifeln begann, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie sich nicht auch dann in ihr verliebt hätte, wenn er nicht ihr Seelenpartner gewesen wäre. Solas warf ihr einen fragenden Blick zu, als er das Lächeln sah, das sich unbewusst auf ihre Lippen geschlichen hatte. Ellana schüttelte jedoch nur den Kopf und gab ihm im Vorbeigehen einen schnellen Kuss auf die Wange, bevor sie nach ihrem Schwertgurt griff und ihn anlegte. Wenn sie den Stand der Sonne richtig eingeschätzt hatte, stand die nächste Übungseinheit mit Cullen im Hof an, und sie wollte den Kommandanten nicht warten lassen. Erst recht, da sie vermutlich den Rest des Tages damit zubringen würde, sich auf die Reise zum Kammwald vorzubereiten. Hand in Hand stiegen sie die Treppe zur großen Halle hinab und küssten sich an ihrem Fuße ein letztes Mal, bevor sie die Tür der Halle aufstießen und ihre Wege sich für die nächsten Stunden trennten.   Cullen wirkte an diesem Vormittag ungewohnt unkonzentriert. Immer wieder gelang es Ellana, mit einem geschickten Hieb seine sonst so undurchdringliche Abwehr zu überwinden und seinen Arm oder sogar seine Brust zu treffen. Schließlich machte sie ein paar Schritte zurück und ließ kopfschüttelnd das Schwert sinken. „So wird das nichts“, sagte sie. „Ihr seid gar nicht richtig anwesend.“ Cullen starrte sie an und sah dann auf sein Schwert hinab, als würde ihm erst jetzt bewusst werden, wo er sich befand. Dann steckte er die Klinge weg und folgte Ellana an den Rand des Übungsrings, der sofort von einer Gruppe Templern in Beschlag genommen wurde, kaum, dass sie ihn verlassen hatten. „Was ist los mit Euch?“, fragte Ellana, während sie ihren Handschuh auszog, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. „So kenne ich Euch gar nicht.“ Cullen trank einen Schluck Wasser aus einer Flasche, wobei er sie nicht ansah. „Es ist nichts“, entgegnete er schließlich, nachdem er die Flasche wieder abgesetzt hatte. „Macht Euch keine Sorgen.“ Ellana widerstand dem Drang, frustriert aufzuseufzen, und legte stattdessen eine Hand auf seinen Arm. „Was es auch ist, Ihr könnt es mir sagen“, sagte sie sanft. „Ihr seid mein Freund, Cullen, es würde mir nie in den Sinn kommen, Euer Vertrauen zu missbrauchen. Alles, was ich will, ist Euch zu helfen.“ Er sah sie einen Moment lang zögernd an, dann seufzte er schließlich und nickte. Er sah kurz zu den Templern hinüber, von denen einige ihnen bereits neugierige Blicke zuwarfen, dann deutete er auf die Treppe, die zur Mauer hinaufführte. „Lasst uns auf die Wehrmauer gehen, dort sind wir ungestört.“ „Wie Ihr wünscht“, sagte Ellana und folgte ihm.   „Ich... ah... weiß nicht so recht, wie ich beginnen soll“, sagte Cullen, während er den Blick über die schneebedeckten Gipfel der Berge schweifen ließ. Ellana drängte ihn nicht, sondern wartete geduldig, bis er sich gefasst hatte und schließlich fortfuhr: „Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.“ Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als ein eisiger Wind vom Tal hinaufwehte. „Was für einen Fehler?“, fragte sie behutsam. Er schwieg für eine Weile, dann löste er den Blick von den Bergen und sah sie an. „Ihr wisst um meine Verbindung zu Dorian“, entgegnete er. Sie nickte. „Ihr tragt seinen Namen.“ „Ja.“ Er seufzte. „Und es... kann sein, dass ich letzte Nacht meine Gefühle ihm gegenüber deutlich gemacht habe.“ „Oh!“ Sie hob überrascht die Augenbrauen. „Wie hat er reagiert?“ „Da liegt das Problem“, erwiderte er und rieb sich den Nacken. „Ich weiß es nicht. Ich bin gegangen, bevor er mir eine Antwort geben konnte.“ Er senkte den Blick. „Was er jetzt nur von mir denken muss... Ich hätte niemals etwas sagen sollen.“ Ellana musterte ihn für eine Weile, ohne etwas zu erwidern. Tausend Fragen lagen ihr auf der Zunge, doch eine drängte sich schließlich in den Vordergrund. „Wünscht Ihr Euch denn eine Beziehung mit ihm?“, fragte sie. „Ich... verstehe nicht.“ „Cullen...“ Ellana trat einen Schritt näher und sah ihm in die Augen. „Mögt Ihr ihn?“, fragte sie sanft. „Ja“, sagte er ohne Zögern und erwiderte offen ihren Blick. „Und wollt Ihr mehr als nur ein Freund für ihn sein?“ „Ja.“ „Was ist dann das Problem?“, fragte sie leise. „Ich...“ Er schien sie nicht länger ansehen zu können und wandte sich ab, wobei er sich nervös mit einer Hand durch die Haare fuhr. „Ich weiß so gut wie nichts über ihn“, entgegnete er schließlich. „Ich weiß nicht, ob er seine anzüglichen Bemerkungen ernst meint oder ob er nur Abwechslung sucht, während sein Seelenpartner in Tevinter auf seine Rückkehr wartet. Ich weiß nicht, wie er reagieren wird, wenn er den Namen sieht – und ob ich es ertragen könnte, ihn wieder nach Tevinter zurückkehren zu lassen, wenn all dies vorbei ist. Ich...“ Er ließ hilflos die Hand sinken. „Ich weiß schlichtweg nicht, ob es eine gute Idee ist, ihm auf die Art nahe zu sein, wie ich es mir wünsche... oder ob es ihn am Ende nur verletzen würde.“ Ellana nickte. Manche dieser Fragen hatte sie sich auch bei Solas oft gestellt. „Ich verstehe Eure Zweifel“, sagte sie. „Ihr wünscht Euch mehr Sicherheit, bevor Ihr den nächsten Schritt wagt...“ „Ich will nur, dass er glücklich ist, Ellana.“ Cullens Stimme war leise und es lag eine Entschlossenheit in seinem Blick, die ihr das Herz brach. Sie zweifelte nicht daran, dass er auf sein eigenes Glück verzichten würde, solange er nur die Sicherheit hatte, dass es Dorian gut ging. „Und Ihr glaubt, dass er es bei Euch nicht wäre?“, fragte sie. Cullen schwieg, womit er ihre Frage beantwortete. „Woher wollt Ihr wissen, ob es funktionieren wird, wenn Ihr dem Ganzen keine Chance gebt?“, fuhr sie mitfühlend fort. „Selbst wenn es am Ende nicht klappen sollte... ist die Gewissheit darüber denn nicht besser, als es nicht einmal versucht zu haben?“ Sie senkte die Stimme. „Ich würde die Zeit mit Solas nicht missen wollen, wie auch immer dieser Krieg ausgehen mag“, sagte sie. „Und auch Ihr habt es verdient, glücklich zu sein, Cullen...“ Sie legte eine Hand auf seinen Rücken. „Sprecht mit ihm. Nicht nur, weil Ihr ihm eine Erklärung schuldig seid... sondern auch Euch selbst.“ Er sah sie lange an und nickte schließlich, und Ellana spürte seine Erleichterung darüber, endlich eine Entscheidung getroffen zu haben. „Danke“, sagte er leise, „dafür, dass Ihr meinen Sorgen Gehör geschenkt habt.“ „Es gibt nichts zu danken“, erwiderte sie lächelnd. „Ich wünsche Euch viel Glück, Cullen.“ Ellana sah ihm nach, als er sich abwandte und die Treppe in den Hof hinabstieg. Sie selbst blieb noch für eine Weile auf der Wehrmauer stehen und sah auf das Heerlager der Inquisition hinab, das sich unterhalb der Mauern ausbreitete und Tag für Tag an Größe gewann. Schließlich kehrte sie ihm den Rücken zu und ging mit einem Lächeln auf den Lippen zurück zur Festung.   „Ich habe gehört, dass sich der Kommandant heute in einer privaten Angelegenheit an dich gewendet hat“, sagte Solas an diesem Abend, als Ellana nach den Vorbereitungen für ihre nächste Reise in ihr Turmzimmer zurückgekehrt war. Sie lehnte sich zurück, als er von hinten die Arme um sie schlang und das Kinn auf ihre Schulter legte. „Das ist richtig“, entgegnete sie. „Und ich habe ihm Diskretion versprochen.“ Er küsste ihre Schläfe und sie spürte, wie sich dabei ein Lächeln auf seine Lippen legte. „Keine Sorge“, meinte er. „Ich habe nicht die Absicht, nach seinen Geheimnissen zu fragen. Ich bin mir sicher, er hatte seine Gründe.“ „Ja“, sagte sie und seufzte. „Die hatte er allerdings...“ Sie drehte sich in seinen Armen herum und schmiegte die Wange an seine Schulter. Er hielt sie fest und für eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort. Schließlich hob Ellana den Kopf. „Sag, ma vhenan... was wirst du tun, wenn der Krieg vorbei ist?“ Solas' Miene war unergründlich, als er über diese Frage nachdachte. „Was auch immer passiert“, antwortete er schließlich und lehnte den Kopf an ihre Stirn, „nichts würde mich glücklicher machen, als dich an meiner Seite zu wissen.“ Ihr Herz machte einen Sprung bei diesen Worten. Das Gespräch mit Cullen hatte sie für einen Augenblick nachdenklich gemacht, doch als sie nun die grenzenlose Zuneigung in Solas' Augen sah, fragte sie sich, wie sie jemals hatte zweifeln können. Sie hob eine Hand und legte sie sanft an seine Wange. „Und ich dich an meiner“, entgegnete sie leise. Er schenkte ihr ein kleines Lächeln, dann küsste er sie. Ar lath ma, dachte Ellana und schloss die Augen, während sie die Arme um seinen Hals schlang. Nichts soll uns jemals trennen.   Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich irrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)