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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal gibt es das neue Kapitel schon einen Tag früher, da ich morgen nicht da bin.
Dieses Kapitel (sowie Kapitel 4) spielen zeitlich etwas später, als die restlichen Kapitel, wie aus dem Kontext sicher auch ersichtlich ist. :)
... und ich kann nur wiederholen, wie sehr ich Felix liebe. <3 Komplett anzeigen

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Dorian

Die Sonne berührte noch nicht einmal den Horizont, als Dorian Redcliffe schließlich erreichte.

Es war ein entspannter Marsch gewesen und er war auf der Straße nur wenigen Menschen begegnet. Die dicke, blaue Tunika, die das Paar ihm geschenkt hatte, mochte zwar nicht sein modischstes Kleidungsstück sein, doch sie hatte ihn wie erhofft trocken – und vor allem warm – gehalten, und Dorian hatte den Bauersleuten innerlich noch unzählige weitere Male für ihre Großzügigkeit gedankt. Die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht gezogen, um neugierigen Blicken auszuweichen, war er der Straße gefolgt, die am Ufer des Sees entlanggeführt hatte und schon bessere Tage gesehen hatte. Dorian hatte bei seiner Wanderung lange überlegt, ob sie einst Teil des imperialen Straßennetzes gewesen war, das in der Vergangenheit ganz Thedas umspannt hatte, doch sie war in zu schlechter Verfassung gewesen, um es mit Sicherheit sagen zu können.

Redcliffe stellte sich als kleine, aber sehr lebendige Stadt heraus. Es wurde schnell offensichtlich, dass die vielen Magier, die sich hier versammelten, die Kapazitäten der Stadt bei weitem überstiegen. Für Dorian stellte ihre Menge einen Vorteil dar, schenkte man einem weiteren Wanderer mit Stab doch keine Beachtung. Er fragte sich jedoch, wo sie alle untergebracht waren, und wie lange die Bürger von Redcliffe diese Invasion abtrünniger Magier noch hinnehmen würden.

Während er sich auf einer Bank am Ufer des Sees ausruhte, hungrig von seiner Reise, aber auch voller Tatendrang, und überlegte, wie er Felix in diesem Chaos finden sollte, hörte er hinter sich plötzlich eine leise, nur allzu vertraute Stimme.

„Bitte sagt mir, dass das Euer Stab ist und Ihr ihn nicht einem anderen Mann abgenommen habt.“

„Felix!“ Dorian war so überrascht, dass ihm für einen Moment die Worte fehlten.

Stattdessen machte er Anstalten, sich umzudrehen, doch er hielt inne, als der andere ein warnendes Geräusch von sich gab.

„Sieh mich nicht an!“, sagte er. „Ich habe nicht viel Zeit, und ich weiß nicht, ob ich beobachtet werde. Bleib ruhig sitzen, als wärst du völlig unbeteiligt. Für einen Außenstehenden sollen wir wie zwei Fremde wirken.“

Das sagte sich leicht, wenn alles in Dorian danach schrie, sich umzudrehen und seinen lange vermissten Freund in die Arme zu schließen. Doch er konnte sich beherrschen und nickte stattdessen.

„Gut“, fuhr Felix fort, Erleichterung in der Stimme. Dann wurde sein Tonfall sanfter.

„Ich hatte gehofft, du würdest kommen. Du glaubst nicht, wie gut es tut, dich zu sehen, mein Freund. Es gab in den letzten Monaten keinen Tag, an dem ich dich nicht vermisst habe.“

Dorian schloss die Augen. Tränen brannten in seinen Augenwinkeln.

„Und ich dich“, erwiderte er mit rauer Stimme. „Du glaubst nicht, was dein plötzliches Verschwinden-... du glaubst nicht, was das mit mir gemacht hat.“

„Es tut mir leid, dass ich dir das angetan habe“, wisperte Felix und Dorian konnte an seiner Stimme hören, dass er ebenso ergriffen war.

Doch dann schien er sich einen Ruck zu geben und räusperte sich.

„Wir können uns morgen ausführlicher unterhalten“, sagte er. „Komm bei Sonnenaufgang zur Kirche, dann werde ich dir alles erzählen. Versuche bis dahin die Stadt zu meiden, hier bist du nicht sicher. Es gibt vor Redcliffe eine Reihe verlassener Gehöfte, schlage am besten dort dein Nachtlager auf.“

Er holte zitternd Luft. „Bis dann, mein Freund.“

Und dann war er ebenso lautlos wieder verschwunden, wie er an ihn herangetreten war.

Dorian saß noch für mehrere Minuten wie versteinert auf der Bank. Er hatte sich ihr Wiedersehen auf tausend verschiedene Arten ausgemalt, von einer tränenreichen Begrüßung bis hin zu verbitterten Wortgefechten. Doch jetzt, wo er Felix tatsächlich wiedergefunden hatte, waren seine Gedanken plötzlich wie leergefegt, und er erkannte, dass er nicht über diesen Zeitpunkt hinaus geplant hatte.

Doch hier konnte er auch nicht bleiben, und schließlich gab er sich einen Ruck und erhob sich von der Bank.

Der Hunger machte ihm mittlerweile schwer zu schaffen und für einen Moment spielte Dorian mit dem Gedanken, die Tunika auf dem Markt zu verkaufen, um sich wenigstens ein warmes Abendessen leisten zu können. Doch dann verdrängte er den Gedanken wieder, beschämt darüber, dass er in Betracht zog, das Vertrauen der beiden Alten auf diese Weise mit Füßen zu treten, und kehrte stattdessen Redcliffe den Rücken, so wie Felix es ihm geraten hatte.

In einem halbverfallen Bauerngehöft mehrere Kilometer vor der Stadt fand er auf dem Dachboden schließlich einen trockenen Ort zum Schlafen. Der Garten des Hofes war verwildert, doch Dorian hatte Glück und entdeckte im abendlichen Dämmerlicht einen Walnussbaum, der reiche Ernte trug. Mit einer Tasche voller Walnüsse zog er sich auf den Dachboden zurück und begann im grünen Licht eines Schleierfeuers die Nüsse zu knacken und hungrig zu verspeisen. Es war kein Ersatz für eine vollwertige Mahlzeit, doch für den Moment war zumindest sein gröbster Hunger gestillt, und wenig später schlief er erschöpft ein.

Sein Schlaf sollte zum ersten Mal seit langem traumlos sein.

Als Dorian wieder erwachte, war es noch immer dunkel. Müde suchte er seinen Sachen zusammen und schwang seinen Beutel über die Schulter, bevor er den Dachboden verließ. Am Horizont tauchten die ersten Sonnenstrahlen den Himmel in ein zartes Rot, als er ins Freie trat, und nach einem kurzen Frühstück aus Walnüssen und einigen überreifen Birnen, die er nach etwas Suchen ebenfalls im Garten entdeckte, machte er sich gestärkt wieder auf den Weg nach Redcliffe.

Etwas war jedoch anders an diesem Morgen und es dauerte eine Weile, bis Dorian erkannte, was es war. Die Natur um ihn herum schien zu neuem Leben erwacht zu sein und der Gesang der Vögel war so fröhlich und unbeschwert, wie er ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Es war, als traute sich die Welt wieder freier zu atmen, und als Dorian nach einer Weile auf einer Lichtung zwischen den Bäumen stehenblieb und sich umdrehte, erkannte er schließlich, wieso.

Der Riss im Himmel war verschwunden.

Lediglich ein feines, grünes Flimmern in der Luft zeugte davon, dass er existiert hatte, so als hatte der Himmel selbst eine Narbe davongetragen. Doch der Riss war geschlossen, unwiderruflich, und mit ihm war der stete Strom von Alpträumen und Dämonen, die sich aus dem Nichts in diese Welt gedrängt hatten, zum Erliegen gekommen.

Was auch immer die Inquisition getan hatte, sie war erfolgreich gewesen.

Mit neuem Mut setzte Dorian seinen Weg fort.

In Redcliffe herrschte trotz der frühen Stunde bereits ein reges Treiben. Gruppen von Magiern debattierten auf offener Straße miteinander und deuteten dabei immer wieder zum Himmel über den Bergen empor, wo sich noch am Abend zuvor der Riss geöffnet hatte. Dorian konnte ihre Worte jedoch nicht verstehen und wusste nicht, weshalb sie stritten. Er schlich durch die Hintergassen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, während er sich Stück für Stück der Kirche näherte.

Schließlich gelang es ihm, unbemerkt durch einen Seiteneingang in das leerstehende Kirchengebäude zu schlüpfen – nur um entsetzt nach seinem Stab zu greifen, als sich mitten im Raum ein grüner Riss vor ihm auftat. Während er hastig auf die Magie in seinem Körper zugriff und mit der Hand bereits den ersten Feuerball formte, begann der Riss jedoch plötzlich zu flackern und sich nach und nach aufzulösen.

Dorian blinzelte. Es war nur eine Illusion.

„Ich streue seit ein paar Tagen das Gerücht, dass sich in der Kirche ein Riss geöffnet hat“, sagte Felix, der in diesem Moment aus dem Schatten einer Säule trat. „Seitdem hat sich niemand mehr hierher gewagt.“

Dorian lachte auf. „Kein Wunder. Du hast mir eben mit diesem Trick eine Heidenangst eingejagt.“

Felix schmunzelte. „Wenn die Illusion sogar dich überzeugen konnte, dann muss sie gut sein. Ich sollte mir auf die Schulter klopfen.“

Er wollte noch mehr sagen, doch er kam nicht dazu, denn in diesem Moment trat Dorian auf ihn zu und zog ihn in eine feste Umarmung.

„Oh Felix... Felix“, raunte Dorian, während seine Hände ruhelos Felix‘ Rücken entlangwanderten, als müsste er sich davon überzeugen, dass sein Freund tatsächlich hier war, bei ihm. „Du glaubst gar nicht, wie sehr...“ Er unterbrach sich. „Ich dachte, ich würde dich nie–“

„Ich weiß“, murmelte Felix jedoch nur, der sich ebenso haltsuchend an ihn klammerte. „Ich weiß...“

Für eine Weile standen sie engumschlungen da, während die Erleichterung darüber, dass sie sich wiedergefunden hatten, sie den Rest der Welt für einen Moment vergessen ließ.

Schließlich wischte sich Dorian mit einer Hand über die Augen und schob seinen Freund wieder auf Armlänge von sich, um ihn anzublicken. Was er sah, beunruhigte ihn jedoch und erfüllte sein Herz mit Gram.

„Verzeih mir die Offenheit“, sagte er und schenkte dem anderen ein halbherziges Lächeln, „aber du siehst grauenhaft aus.“

Felix seufzte. Er hatte in den letzten Monaten sichtbar an Gewicht verloren und selbst seine weite Robe konnte nicht verbergen, wie ausgemergelt er war. Seine Haut hatte einen fahlen, grauen Ton angenommen, und seine Wangen waren eingefallen. Wäre nicht das Feuer in seinen dunklen Augen gewesen, Dorian hätte gedacht, er würde einem Toten gegenüberstehen.

„Fang du nicht auch noch damit an“, entgegnete Felix und erwiderte das Lächeln schwach. „Es reicht, wenn mein Vater mich rund um die Uhr bemuttert, ich muss diese Dinge nicht auch noch von meinem besten Freund hören.“

„Natürlich.“ Dorian senkte den Blick und nickte. „Verzeih mir. Du bist sicher ein großes Risiko eingegangen, um dich hier mit mir zu treffen; so viel Respekt sollte ich dir schuldig sein.“

„Du schuldest mir nichts, Dorian“, sagte Felix sanft. „Du bist aus Tevinter hierhergekommen, um mich zu finden, nachdem ich dich ohne ein Wort verlassen habe...“

„Ich habe deinen Brief gelesen.“ Dorian sah wieder auf. „Stimmt es? Was du über deinen Vater geschrieben hast?“

„Leider ja.“ Felix wandte sich ab und fuhr sich seufzend mit einer Hand über den Kopf. „Und es ist noch schlimmer, als ich gedacht hätte. Der Einfluss der Venatori reicht weiter, als ich je befürchtet hatte, und die Verbrechen, die sie begangen haben... oh, Dorian, ich finde keine Worte dafür.“

Dorian verschränkte die Arme vor der Brust und wartete geduldig, bis sein Freund sich wieder beruhigt hatte und fortfuhr.

„Ihr Anführer ist ein... Wesen, das sich der ‚Älteste‘ nennt. Ich glaube, er war einst ein Mensch – ein Magister, um genau zu sein – doch was auch immer menschlich an ihm war, ist schon vor langer Zeit gestorben. Jetzt ist er nur noch ein Monster.“

Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern, als befürchtete er, der Älteste könnte ihn hören.

„Seitdem es der Inquisition letzte Nacht gelungen ist, den Riss zu schließen, tobt er“, erzählte Felix. „Er hat die ganze Nacht damit zugebracht, die Magier zu mobilisieren, damit sie gegen die Inquisition in den Krieg ziehen. Dabei werden sie von einer Frau namens Calpernia angeführt, die eng mit dem Ältesten zusammenarbeitet.“

Felix trat an Dorian heran und griff nach seinen Handgelenken, die er mit überraschend starken Fingern umfasste.

„Du bist gerade im richtigen Moment gekommen, Dorian.“ Seine Augen musterten den anderen intensiv. „Die Magier werden im Laufe des Tages nach Haven aufbrechen – und jemand muss die Inquisition warnen. Wenn die Heroldin Andrastes erst tot ist, wird der Älteste einen neuen Riss im Himmel öffnen und ganz Thedas ins Verderben stürzen.“

Dorian starrte ihn an. Er konnte nicht glauben, was sein Freund ihm damit sagen wollte.

Ich soll die Inquisition warnen“, sagte er mit tonloser Stimme. „Nachdem ich dich gerade erst wiedergefunden habe, soll ich ein Wettrennen gegen die Zeit beginnen, in dem das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel steht...?“

„Dorian, hör mich an! Ich weiß, du bist anderer Meinung, aber ich bin nicht wichtig. Das hier, das ist wichtig!“ Felix‘ Stimme war eindringlich. „Würde es mir körperlich besser gehen, hätte ich mich schon längst selbst auf den Weg gemacht. So hingegen bleibt mir nur, dich anzuflehen, es an meiner statt zu tun, und zu hoffen, dass du mir eines Tages vergeben kannst...“

„Oh Felix“, murmelte Dorian. „Das habe ich doch schon längst getan...“

Er zog seinen Freund an sich und presste einen trockenen Kuss auf seine Lippen.

„Versprich mir, dass du am Leben bleibst, bis all das hier vorüber ist, hast du verstanden?“ Seine Stimme war rau.

„Ich danke dir, Dorian.“ Felix schloss die Augen.

Dorian hob die Hand und wischte mit dem Daumen sanft die Tränen weg, die über die Wangen seines Freundes liefen. Dann küsste er ihn erneut.

„Leb wohl, Felix.“

„Leb wohl, Dorian.“

Und das war alles, was Dorians Herz ertrug, bevor er sich ruckartig abwandte, um die Kirche zu verlassen, wohlwissend, dass er alle Pläne über Bord werfen und sofort zu Felix zurückkehren würde, sollte er sich nur einmal umdrehen.

Doch er drehte sich nicht um.

Während er Redcliffe hinter sich ließ und den langen, steinigen Weg nach Haven betrat, hatte er das Gefühl, dass dies das letzte Mal gewesen war, dass er Felix Alexius gesehen hatte.

Dorian betete, dass er sich irrte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-10T22:17:07+00:00 10.11.2016 23:17
An der Stelle mit den Walnüssen musste ich echt lachen xD
Ja, Dorian tat mir natürlich leid, aber in meiner Vorstellung, wie er da sitz und "seinen Hunger stillt" mit Walnüssen...köstlich :'D

Die Szene mit Dorian und Felix war wirklich schön. Man spürt, dass sie eine sehr enge Bindung haben. Die Grenze zwischen Freundschaft und Liebe ist hier sehr unscharf, macht das ganze aber interessant. :)
Antwort von: Morwen
12.11.2016 14:51
Na toll, jetzt kriege ich das Bild nicht mehr aus dem Kopf. xD
Aber ja, es stimmt schon, es wirkt wohl etwas eigenartig... aber ich denke immer, wenn man Hunger hat, dann nimmt man, was man kriegt. :)

Vielen Dank! Freut mich, dass es so rüberkommt, ich wollte es auch extra etwas offen lassen. :D


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