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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
In diesem Kapitel kommt nun auch der dritte, reguläre POV dazu. Im Moment sind es vier, zwischen denen ich mich regelmäßig abwechsle, wobei aber Cullen und Dorian weiterhin im Mittelpunkt stehen. :)
Seht es mir bitte nach, dass Vivienne in diesem Kapitel auftaucht, obwohl sie eigentlich erst nach dem Besuch in Val Royeaux zur Inquisition stößt. Das hatte ich damals beim Schreiben nicht bedacht. *hust* Komplett anzeigen

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Lavellan

Val Royeaux war nicht das, was sie erwartet hatte.

Ellana war mit Denerim vertraut und hatte auf ihrer Reise nach Haven auch viele der anderen größeren Städte Fereldens kennengelernt. Doch keine davon ließ sich mit der Pracht und Dekadenz der orlaisianischen Hauptstadt vergleichen.

Val Royeaux breitete sich endlos vor ihnen aus. Prunkvolle Paläste wechselten sich ab mit malerischen Parkanlagen und lebendigen Marktplätzen, und goldene Brücken spannten sich über die zahlreichen Flüsse und Kanäle der Stadt, auf denen buntgeschmückte Gondeln fuhren.

Wo sie auch hinsah, trugen die Menschen Masken – vergoldete oder versilberte, schlicht gehalten oder mit zahlreichen Details, mit Tiergesichtern oder Pflanzenmotiven.

Es wurde schwerer und schwerer, ihr Erstaunen über die vielen verschiedenen Eindrücke zu verbergen. Ihr innerer Kampf musste sich deutlich auf ihrem Gesicht abzeichnen, als sie eine der überlebensgroßen Marmorskulpturen anstarrte, die die breiten Prachtstraßen flankierten, denn sie konnte Varric an ihrer Seite leise lachen hören.

„Zu viel des Guten?“, fragte er.

Ihr Blick richtete sich auf die Plakette am Sockel der Skulptur, die verkündete, dass es sich dabei um einen bedeutenden orlaisianischen Schriftsteller handelte.

„Das wäre eine Untertreibung“, erwiderte sie kopfschüttelnd und setzte ihren Weg fort. „Der Reichtum, der hier öffentlich zur Schau gestellt wird, ist schlichtweg obszön... Bitte verzeiht mir die Wortwahl, Madame Vivienne.“

„Oh, Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, meine Liebe“, entgegnete die Magierin jedoch nur amüsiert, „Ihr habt vollkommen Recht.“

„Aber wenn dies der Sitz der Kirche ist“, fuhr Ellana fort, „sollten die Prioritäten nicht woanders liegen? Wenn ich tatsächlich die Heroldin Andrastes bin...“ Ihre Stimme wurde leiser. „... dann kann diese Dekadenz doch nicht das sein, wofür ich stehe.“

Cassandra schenkte ihr einen mitfühlenden Blick.

„Val Royeaux ist nichts als ein verzerrtes Bild der Realität“, sagte sie. „Eine Illusion. In vielen anderen Städten von Orlais haben die Menschen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, wie in Ferelden. Aber als Hauptstadt muss Val Royeaux ein gewisses Bild wahren... auch wenn es nicht jedermanns Geschmack ist.“

Die Elfe seufzte auf. „Ich nehme an, Ihr habt Recht.“

„Ich verstehe, dass es Euch nicht leicht fällt“, sprach Cassandra. „Aber Ihr macht Eure Arbeit gut. Denkt an das, was Euch Josephine gesagt hat, und man wird Euch Gehör schenken.“

Ellana nickte. „Ich will es versuchen.“

Vor ihrer Abreise hatte sie einen Nachmittag mit Josephine verbracht und versucht, möglichst viele der Ratschläge zu verinnerlichen, die sie ihr ans Herz gelegt hatte.

„Verkauft Euch und Euer Anliegen niemals für unter Wert“, hatte die Beraterin gesagt. „Steht zu dem, was Ihr denkt und fühlt. Ihr seid eine Frau mit einer Vielzahl von Erfahrungen, die Euch niemand nehmen kann. Tragt sie wie eine Rüstung.“

Als sie sich Josephines Worte wieder in Erinnerung rief, kehrte ein Teil ihrer Selbstsicherheit zurück und eine tiefe innere Ruhe begann sie zu erfüllen.

„Lauft stets mit geradem Rücken und erhobenem Kopf. Eure Haltung allein wird Euch Respekt einbringen.“

Ellana straffte die Schultern und hob das Kinn, Entschlossenheit im Blick.

„Sehr gut“, hörte sie Cassandras leise Stimme. „Genau so.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Passanten stehenblieben und ihnen neugierig nachsahen, und Ellana musste innerlich vor Stolz lächeln. Wenn Cullen sie jetzt sehen könnte...

„Verdammt“, sagte Varric, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und lachte auf. „Wenn Ihr mich auf diese Weise anseht, könntet Ihr mir befehlen, mich nackt auszuziehen und in einem dieser Springbrunnen zu baden, und ich würde es mit Freude tun.“

Cassandra gab einen angewiderten Laut von sich. Varrics Grinsen wurde breiter.

„Oh, seht mich nicht so an, ich habe nicht gesagt, dass ich es tun werde, Sucherin“, fuhr er fort. „Nur, dass es mir eine Freude wäre, sollte die Heroldin es je von mir verlangen. – Oder hättet Ihr etwa ebenfalls Interesse?“

„Ich glaube, Ihr vergesst Euch, Ser Tethras“, sagte Cassandra nur mit eisiger Stimme.

Ellanas Mundwinkel zuckten. Die Sticheleien zwischen dem Zwerg und der Sucherin hatten sich zu einem anhaltenden Spektakel entwickelt, und sie war sich schon längst nicht mehr sicher, ob Cassandra Varrics Bemerkungen tatsächlich als unangenehm empfand oder sie schlichtweg nur noch aus Gewohnheit abschmetterte, während sie tief im Inneren ihre Freude daran hatte.

Bevor das Gespräch jedoch weiter ausarten konnte, wechselte Vivienne das Thema.

„Ihr wart bei der Stadtwache in Denerim, habe ich gehört?“, fragte sie, während sie an Ellanas Seite trat. „Bitte erzählt doch mehr darüber.“

„Ich-... Selbstverständlich“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

Dies war vertrautes Terrain, diese Geschichte hatte sie schon oft erzählt.

„Ich war Teil der Stadtwache, die im Gesindeviertel gearbeitet hat“, begann sie. „König Alistair hatte diese Wache extra ins Leben gerufen, um die Kriminalität in dem Viertel unter Kontrolle zu bekommen und den Elfen eine Gelegenheit zu geben, sich selbst zu überwachen. Darum wurde jedem menschlichen Wachmann ein elfischer Partner des gleichen Geschlechts zur Seite gestellt, der mit den hiesigen Bewohnern vertraut war und ihre Sprache sprach. Im Gegenzug sollte der menschliche Wächter verhindern, dass sein elfischer Partner Selbstjustiz verübten. Auch wenn es hin und wieder ein paar unglückliche Missverständnisse gab, war es doch eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit, die viele Vorurteile zwischen den Rassen abbaute.“

Ellanas Augen leuchteten. Sie war so stolz darauf gewesen, als man sie in die Wache aufgenommen hatte.

„Es war das erste Mal überhaupt, dass man Elfen einen Platz in der Wache gewährt hat. Mittlerweile patrouillieren sie auch in anderen Teilen der Stadt und allmählich gewöhnen sich die Menschen an ihren Anblick... Denerim ist in den letzten zehn Jahren sehr viel offener geworden. Es gibt noch immer viele Konflikte, und ich erfuhr trotz meiner menschlichen Partnerin manchmal noch immer Anfeindungen,  aber der Fortschritt ist dennoch unaufhaltsam.“

Darüber zu sprechen hatte wieder die Sehnsucht aufkommen lassen – nicht nur nach Denerim, sondern auch nach ihrem Leben dort. Ein Leben, das sie in dieser Form nie wieder führen würde.

Ellana schüttelte seufzend den Kopf.

„Das ist beeindruckend“, meinte Vivienne, und es war kein Sarkasmus in ihrer Stimme, sondern ehrliches Erstaunen. „Ich hatte gehört, dass der König und die Königin Fereldens sich für viele solcher Projekte eingesetzt hatten, aber es ist das erste Mal, dass ich einen persönlichen Erfahrungsbericht höre.“

„Ich habe auch davon gehört“, sagte Cassandra und nickte. „Die Kommandantin der Stadtwache von Kirkwall war davon so begeistert, dass sie überlegt hatte, das Experiment ebenfalls durchzuführen, um die bisherigen starren Strukturen etwas zu lockern.“ Sie senkte die Stimme. „Andraste allein weiß wie bitter nötig Kirkwall es hätte.“

„Das war die Idee“, entgegnete Ellana mit einem Lächeln. „Anderen ein Vorbild zu sein. Es freut mich, dass es uns gelungen ist.“

„Nun, das erklärt auch Euren Umgang mit dem Schwert“, meinte Varric und grinste. „Cullen sagte mir, dass Ihr ganz schön schmutzig kämpft.“

„Hat er das?“ Sie konnte spüren, wie ihre Ohren heiß wurden.

„Er schien sehr beeindruckt“, erwiderte Varric. „Ihr scheint während Eurer Zeit bei der Wache eine Menge nützlicher Tricks aufgeschnappt zu haben.“

„Nun...“ Ellana senkte verlegen den Blick. „Meine menschliche Partnerin – Delilah war ihr Name – brachte mir vieles bei. Ihr müsst verstehen: bevor ich der Wache beitrat, hatte ich noch nie im Leben ein Schwert in der Hand. Und ich hatte vieles gutzumachen für meine mangelnde Körpergröße. Fairness in einem Kampf gegen mehrere ausgewachsene Männer war darum leider nicht immer eine Option...“

„Oh, davon kann ich ein Lied singen“, entgegnete Varric und winkte nur ab. Ellana musste lachen.

„Ihr müsst Eurer Partnerin sehr dankbar sein“, sagte Cassandra. „Wisst Ihr, wo sie jetzt ist?“

Schlagartig erstarb das Lächeln auf Ellanas Lippen.

Delilah.

Oh, sie wusste, wo sie war. Und sie würde auf ewig dankbar dafür sein, dass sie ihren verbrannten Leichnam nie hatte sehen müssen.

„Sie war wie ich Teil der Eskorte, die die Ehrwürdige Mutter der Kirche von Denerim zum Tempel der Heiligen Asche begleitet hat“, erzählte sie leise. „Was dann passierte... das wisst Ihr.“

Stille legte sich über die kleine Gruppe.

„Ich hatte nicht-... Bitte verzeiht mir.“ Cassandra schüttelte bedauernd den Kopf und seufzte. „Ich habe Euch durch meine unüberlegte Frage Schmerz zugefügt.“

„Das konntet Ihr nicht wissen“, erwiderte Ellana sanft.

Doch ihr Lächeln kehrte für den Rest der Unterhaltung nicht wieder zurück.

 

Das Gespräch mit den überlebenden Mitgliedern der Kirche verlief nicht so, wie gehofft, und die kurze Begegnung mit den Templern eröffnete nur mehr neue Fragen.

„Etwas stimmt nicht mit den Templern“, sagte Cassandra, nachdem Lordsucher Lucius mit seinen Anhängern den Sommerbazar verlassen hatte. „Lucius ist nicht mehr derselbe Mann, den ich in Erinnerung habe. Wir sollten vorsichtig sein.“

Ellana stimmte ihr zu. Sie hatte geahnt, dass der Dialog mit der Kirche schwierig werden würde, doch obwohl sie sich im Vorfeld innerlich dagegen gewappnet hatte, hatten sie manche der Bemerkungen dennoch tief getroffen.

‚Ihr wollt die Heroldin Andrastes sein? Eine Elfe?‘

Delilah hatte ihr die Lehren Andrastes nähergebracht, nachdem sie der Wache beigetreten war, und obwohl Ellana sich nicht als gläubig bezeichnen würde, verstand sie doch, weshalb das Wort der Prophetin so vielen Menschen Hoffnung gab.

Es waren gute und wichtige Grundsätze, nach denen zu leben einer Person Frieden bringen konnte. Sie musste nur an Cullen denken, den sie so oft bei den täglichen Messen mitbeten sah, völlig versunken in seine Rezitation des Gesangs des Lichts. Dieser Mann hatte Schreckliches durchstanden, das spürte sie, doch die Worte Andrastes gaben ihm die Kraft, um weiterzumachen.

Die Kirche war eine Macht, die nicht zu unterschätzen war, und die sich mit ihr als Heroldin von Andraste vielleicht auch allmählich den anderen Rassen öffnen würde. Zumindest war dies eine Chance, die sie nicht ungenutzt lassen konnte.

„Mit den Templern auf unserer Seite wird uns auch die Kirche freundlicher gesinnt sein“, sagte sie, als sie später am Nachmittag Val Royeaux den Rücken kehrten.

„Ich denke, wir sollten uns zuerst um Lucius und den Orden kümmern.“

Cassandra nickte, offenbar froh darüber, dass sie diese Entscheidung getroffen hatte.

Varric hingegen schien wenig begeistert. Vivienne schenkte ihr jedoch ein Lächeln.

„Was auch immer die Magierrebellen in Redcliffe planen, sollte nicht ignoriert werden“, sagte sie. „Doch die Templer als Verbündete zu gewinnen, ist ebenso wichtig. Ich denke, Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen, meine Liebe.“

„Ich danke Euch, Madame Vivienne“, erwiderte Ellana, erfreut und erleichtert über ihren Zuspruch.

„Lasst uns also zunächst nach Haven zurückkehren“, fuhr sie fort und richtete den Blick wieder nach vorn. „Danach werden wir Therinfals Schanze einen Besuch abstatten und dieses Mysterium hoffentlich klären können...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-10T21:20:09+00:00 10.11.2016 22:20
Ach Varric :'D
Man muss ihn einfach lieben, allein der Sprüche wegen.
Ich finde es gut, dass du etwas zu Lavellans Vergangenheit schreibst, die Geschichte ist sehr interessant.
Vivienne mag ich auch sehr, vor allem ihre Haltung, sie strahlt so viel Stolz aus. Und dass sie so gut wie jeden Satz mit "meine Liebe" beendet, macht sie doch irgendwie sehr sympatisch. (gerade weil man sich bei ihr manchmal nicht sicher ist, ob sie es aus Sarkasmus oder Höflichkeit hinzufügt)
Antwort von: Morwen
12.11.2016 14:41
Alle lieben Varric. Das steht im Grundgesetz. xD
Ich habe Lavellans Geschichte etwas abgeändert, weil ich die reine Dalish-Herkunft recht unspektakulär finde und das Ganze etwas spannender machen wollte. :)
Ich werde in Zukunft auch noch öfter vom Canon abweichen, teilweise sogar... massiv. *hust* Aber dafür ist Fanfiction ja da. :D
Ich mag Vivienne auch auf ihre Art... Aber ja, es ist manchmal schwer, bei ihr zwischen Sarkasmus und Ernst zu unterscheiden. Ich denke aber, in diesem Fall meint sie es sogar mal ernst. :)
Danke!


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