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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Gott, ich liebe Felix. <3 Komplett anzeigen

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Dorian

Der Sturm schien kein Ende nehmen zu wollen.

Gischt regnete durch das kleine Fenster auf Dorian hinab und er wandte ihm mit einem leisen Fluch den Rücken zu.

Schon seit Tagen regnete es ununterbrochen, fast als hätte der Himmel selbst beschlossen, ihn daran zu hindern, sein Ziel zu erreichen. Nicht, dass er sich die Mühe überhaupt hätte machen müssen – Dorian bereute auch so schon jede Sekunde lang den Moment, in dem er an Bord des Schiffes gestiegen war.

Stöhnend rollte er sich auf seiner Matte zusammen und wartete, bis die Übelkeit wieder etwas nachgelassen hatte und er nicht länger das Bedürfnis hatte, seinen Mageninhalt auf den Planken zu entleeren. Er hätte eh nicht viel hochwürgen können, da er schon seit Tagen außer Wasser und warmer Suppe nichts hinunterbekam. Zwar hatte er sich, seitdem er seine Reise begonnen hatte, daran gewöhnt, manchmal tagelang ohne Nahrung auskommen zu müssen, doch aus den zwei Tagen, die die Überfahrt nach Orlais hätte dauern sollen, waren aufgrund des Sturms mittlerweile vier geworden, und der Hunger machte ihm nun doch langsam spürbar zu schaffen.

Noch war er nicht gänzlich entkräftet, doch wenn sie nicht bald Land erreichten, würde er seinen Selbsterhaltungstrieb gewiss über Bord werfen – und sich selbst gleich hinterher. Dann würde das Elend wenigstens endlich ein Ende haben.

Dorian gab ein Lachen von sich, das rau und ohne Humor war. Den Ketten seines Vaterhauses zu entkommen, nur um anschließend als freier Mann auf See zugrunde zu gehen...? Was für eine bittere Vorstellung.

Er schlang seinen Umhang fester um seinen Körper und zog die Knie an seine Brust. Nein, er würde nicht sterben. Nicht hier und ganz gewiss nicht so. Pure Sturheit würde ihn selbst dann noch am Leben erhalten, wenn sein Körper versagte. Denn er hatte gewiss nicht so hart gekämpft, diesen Punkt zu erreichen, um jetzt zu scheitern.

Er würde nicht scheitern. Er durfte nicht scheitern.

Dorian schloss erschöpft die Augen und nachdem er den klammen Stoff seines Umhangs mit Magie etwas angewärmt hatte, sank er schließlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

 

Als Dorian wieder erwachte, fielen ihm zwei Dinge auf: zum einen die Stille – sah man von dem gelegentlichen Knarren der Planken und den Schritten der Seeleute auf dem Deck ab – und zum anderen das Licht der Sonne, das durch das runde Fenster hoch oben in der Bordwand in die kleine Kammer fiel.

Der Sturm war vorbei.

Mit bleiernen Gliedern und blassem Gesicht stand Dorian nach ein paar Minuten auf und stellte fest, dass die Übelkeit vom Vorabend fast völlig nachgelassen hatte. Zwar spürte er weiterhin ein flaues Gefühl im Magen, doch für den Augenblick konnte er es ignorieren, und trotz seiner körperlichen Erschöpfung und des überwältigenden Hungers fühlte er sich so gut, wie schon seit Tagen nicht mehr.

Auf wackeligen Beinen ging er zur Tür. Bevor er sie öffnete, fuhr er sich aus Gewohnheit mit der Hand durch die Haare und stellte fest, dass sie sich fettig und verschwitzt anfühlten. Dorian verzog angewidert das Gesicht. Was er nicht alles geben würde für ein warmes Bad und die Möglichkeit, sich endlich wieder zu rasieren... aber damit musste er wohl warten, bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Nachdem er seine kurze Selbstinspektion beendet hatte, verließ er seine Kammer und trat auf das Deck hinaus. Weder die Besatzung, noch der Rest der Passagiere schenkten ihm Beachtung, nur der Kapitän, ein Hüne mit der Statur eines Felsblocks und einem nicht uncharmanten orlaisianischen Akzent, begrüßte ihn mit einem breiten Lächeln und einem kräftigen Klaps auf den Rücken, der Dorian fast wieder die Stufen hinunterstolpern ließ, die er sich kurz zuvor hinaufgeschleppt hatte.

„Ah, schön, Euch zu sehen, Serah Pavus“, sagte er, während Dorian sich noch von der überschwänglichen Begrüßung erholte. „Wie geht es Euch?“

„Besser“, murmelte Dorian nur und versuchte, die Erinnerung an die letzten Tage zu verdrängen, die er in so kläglichem Zustand unter Deck verbracht hatte. „Ich befürchte, nicht jeder von uns ist dafür gemacht, sein Leben auf dem Wasser zu verbringen.“

Die Bemerkung brachte den anderen zum Lachen.

„Da habt Ihr nicht Unrecht“, entgegnete er mit einem Zwinkern, das Dorian unter anderen Bedingungen mit einem Zwinkern seinerseits, sowie einem lasziven Lächeln erwidert hätte. Doch im Moment fühlte er sich nicht danach, und so nickte er nur wortlos.

„Nun, es freut mich, Euch wieder unter den Lebenden zu wissen“, fuhr der Kapitän fort und nickte dann in Richtung der Treppe, die unter Deck führte. „In der Kombüse gibt es noch Brühe von gestern und Rauchwurst, falls Ihr Hunger habt. Es ist nicht mehr viel da, aber für Euch dürfte es reichen.“

Dorian bezweifelte, dass er trotz seines Hungers viel hinunterkriegen würde, doch er nickte dem anderen Mann dankbar zu.

Dann ließ er den Blick über das Meer schweifen. Der Himmel war strahlend blau und außer einem leichten Dunstschleier war am Horizont nichts zu sehen.

„Wie weit ist es noch?“, fragte er.

„Wir sind bald da“, entgegnete der Kapitän.

„Woher wisst Ihr das? Es ist kein Land zu sehen“, entgegnete Dorian mit zweifelnder Miene.

„Aber Seevögel“, erklärte der andere und deutete auf eine Reihe weißer Punkte am Himmel. „Und wo Seevögel sind, da ist auch Land. Ich verspreche Euch beim Grabe meines Vaters, dass Ihr heute Abend wieder auf festem Boden stehen werdet, Serah Pavus.“

„Gut“, war alles, was Dorian dazu einfiel, doch der andere Mann schien ihm die wortkarge Antwort nicht übel zu nehmen, sondern nickte nur zufrieden.

Dorian wandte sich ab und stieg erneut in den Bauch des Schiffes hinab, um sich zur Schiffsküche zu begeben.

Der kleine Raum war leer, was Dorian nur recht war, und er füllte sich eine Schale mit Brühe und setzte sich an den Tisch. Nach ein paar anfänglichen Schwierigkeiten, bei denen ihm das Essen beinahe wieder hochgekommen wäre, schaffte er es schließlich, die komplette Schale zu leeren und ihren Inhalt auch in seinem Magen zu behalten. Nachdem die Leere in seinem Bauch halbwegs gefüllt war und der Hunger ihn nicht mehr ganz so sehr quälte, nahm er sich auch das Stück Rauchwurst, das vom Frühstück übrig geblieben war, und verspeiste es in kleinen Bissen. Dieses Mal behielt er die Nahrung problemlos unten, und als er seine Mahlzeit schließlich beendet hatte, fühlte er sich wesentlich gestärkter, als zuvor.

Er kehrte zu seiner Kammer zurück und machte eine kurze Bestandsaufnahme seines Gepäcks. Viel war es nicht, was er besaß: außer seinem Umhang, dem Stab, seinem Lederbeutel und den Kleidern, die er am Leib trug, hatte er nichts bei sich. Selbst das kleine Säckchen an seinem Gürtel, das seine letzten Ersparnisse enthalten hatte, war seit dem Beginn seiner Seereise leer.

Während er den Beutel in der Hoffnung durchwühlte, wenigstens ein frisches Unterhemd samt Unterhosen zu entdecken, die er anziehen konnte, flatterte ein zusammengefaltetes Stück Pergament zu Boden.

Dorian zögerte kurz, bevor er danach griff und es vorsichtig auseinanderfaltete. Es war ein Brief, den er in den letzten Monaten so oft gelesen hatte, dass die Kanten brüchig geworden waren.

 

Dorian,

 

wenn du diese Zeilen liest, dann bin ich schon längst nicht mehr hier. Es schmerzt mich, dass ich so plötzlich verschwinden muss und dir nicht Lebewohl sagen kann, du bist mir stets ein guter Freund gewesen der beste, den ich je hatte und hast Besseres verdient.

Seitdem du uns verlassen hast, ist mein Vater rastlos und scheint sich Tag für Tag mehr in sich selbst zurückzuziehen. Ich mache mir große Sorgen um ihn, besonders seitdem er Kontakt mit einer Gruppe von Magiern aufgenommen hat, die sich selbst als „Venatori“ bezeichnen. Was auch immer die Ziele sind, die sie mit dieser Zusammenarbeit verfolgen, er ist seitdem wie ausgewechselt. Er legt ein fast manisches Verhalten an den Tag, das mit einer Fröhlichkeit gepaart ist, die so künstlich ist, dass man es kaum ertragen kann.

In letzter Zeit hat er oft davon gesprochen, wie sehr er es bedauert, dass du gegangen bist, und dass er wünschte, du würdest zurückkehren. Ich glaube allerdings, dass es weniger mit dir zu tun hat, als damit, neue Mitglieder für die Venatori zu rekrutieren. Bislang habe ich nicht herausfinden können, was die Absichten dieser Gruppe sind, aber mein Gefühl sagt mir, dass ihnen nicht zu trauen ist.

Vor ein paar Tagen äußerte mein Vater dann plötzlich den Wunsch, Tevinter für eine Weile zu verlassen und in den Süden zu gehen. Er schob meine Gesundheit als Grund für diese Entscheidung vor und meinte, die kalte Luft würde mir gut tun, doch ich vermute, dass mehr dahintersteckt.

Ich werde mit ihm gehen, auch wenn ich das Ziel unserer Reise nicht kenne. Doch er ist immer noch mein Vater und ich liebe ihn, und wenn eine Möglichkeit besteht, ihn vor den Venatori und sich selbst zu beschützen, dann werde ich sie nicht ungenutzt lassen.

Pass gut auf dich auf, Dorian. Ich weiß, dass die letzten Jahre nicht einfach für dich waren, doch ich vertraue auf deine Stärke, deinen Intellekt und deinen Charme, um auch die schwierigen Momente zu meistern.

Ich vermisse dich mehr, als ich in Worte fassen kann, mein Freund, und ich hoffe, dass sich unsere Wege eines Tages wieder kreuzen werden.

 

Bis dahin verbleibe ich in Liebe und Achtung,

Felix

 

Dorian ließ den Brief sinken und starrte für einen Moment blicklos ins Leere, bevor er ihn langsam wieder zusammenfaltete und ihn sicher in seinem Beutel verwahrte.

Wie immer, wenn er ihn gelesen hatte, spürte er auch dieses Mal ein Brennen in den Augen, während er sich fragte, wohin es seinen besten Freund wohl mittlerweile verschlagen hatte.

Es war fast sieben Monate her, seitdem ihm ein Diener der Familie Alexius den Brief übergeben hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte sich die Spur von Felix und Gereon Alexius schon längst verloren, und in seinem Schmerz und seiner Verzweiflung hatte sich Dorian im nächsten Gasthaus besinnungslos getrunken. Wenig später hatten ihn dann die Diener seines Vaters gefunden und ihn gegen seinen Willen zurück zum Anwesen der Familie Pavus gebracht. Die Monate, die er danach in Gefangenschaft in seinem eigenen Vaterhaus verbracht hatte, waren die schlimmste Zeit in Dorians bisherigem Leben gewesen und hatten beinahe seinen Willen gebrochen.

Erst, als sein Vater versucht hatte, Blutmagie gegen ihn zu verwenden, um ihn gefügig zu machen und ihn unwiderruflich zu verändern, war Dorian wieder aus der Starre seiner Verzweiflung erwacht und hatte die erstbeste Möglichkeit genutzt, um sich davonzumachen.

Seitdem war er auf dem Weg nach Süden, in der Hoffnung, Felix wiederzufinden – und dabei so weit wie möglich von dem Ort wegzukommen, an dem sich sein Vater befand.

Und anders als die Male zuvor war er sich sicher, dass er dieses Mal Erfolg bei seiner Flucht haben würde. Sein Vater mochte zwar ein einflussreicher Mann sein, aber dieser Einfluss reichte gewiss nicht bis nach Orlais.

Dorian spielte sogar mit dem Gedanken, nach seiner Ankunft in der orlaisianischen Hafenstadt Jader nach Ferelden weiterzureisen. In einem derartig wilden und unzivilisierten Land würde sein Vater ihn niemals finden, ein Umstand, für den Dorian sogar bereit war, weiterhin auf sämtlichen Luxus und alle Annehmlichkeiten zu verzichten, die das Leben zu bieten hatte, bis er einen Ort gefunden hatte, an dem er dauerhaft bleiben konnte.

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Es mochte kein großartiger Plan sein, aber es war ein Plan, und solange er sich aus dem anhaltenden Konflikt zwischen Magiern und Templern im Süden heraushielt, sollte er auf der sicheren Seite sein.

 

Und dieser Ansicht blieb Dorian auch – bis ein paar Tage später der Himmel aufriss und sich alles verändern sollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-05T14:27:11+00:00 05.11.2016 15:27
Der arme Dorian, ich frage mich, ob er nicht Magie hätte einsetzten können, um sich ein bisschen seefester zu machen. xD Und ich frage mich, ob er insgeheim Gefühle für Felix hat/hatte oder ob es sich bei den beiden nur um eine tiefe Freundschaft handelt, hmmmm
Antwort von: Morwen
06.11.2016 11:08
Vielleicht konnte er nicht, weil das unter Heilmagie fällt, und er so gar kein Talent für Heilmagie hat...? xD
Aber gute Frage. Im Spiel wurde irgendwo mal erwähnt, dass er seekrank wird, also scheint er dafür tatsächlich keine Lösung gefunden zu haben.
Ich denke, das zwischen Dorian und Felix ist eine sehr tiefe, aber dennoch rein platonische Liebe. Sie haben vielleicht irgendwann mal darüber nachgedacht, einen Schritt weiter zu gehen, aber dann beide beschlossen, dass es eine schlechte Idee wäre, die ihrer Freundschaft langfristig nur schaden würde, weshalb es dann doch nie dazu kam. :)
Danke!


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