Die Chemie zwischen uns. von Suited ================================================================================ Kapitel 2: The New Girl. ------------------------ Ich seufze. Wie kann ich nur glauben, dass diese High School anders sein könnte? Hier gibt es sie auch: die Klischees, Gruppen und Stereotypen. Schon bevor ich einen Fuß in das Hauptgebäude gesetzt habe, kann ich schon das übertrieben gezwungene Kichern der „beliebten“ Mädchen hören, die sich um die Sportler – unverkennbar an ihren schwarz roten Team-Jacken – gescharrt haben und ihr Muskelspiel anfeuern. Ich hätte mich auf der Stelle übergeben können, aber das übernimmt ein anderer für mich. Er tut es zwar nur mimisch, zieht aber dennoch die Aufmerksamkeit der Sportler auf sich, die ihn bedrohlich anfunkeln. Man, kann der auf einmal schnell laufen. Aber für diese Aktion, hat er auf jeden Fall meine Sympathie gewonnen. Vor mir erstreckt sich ein langer Gang mit Schließfächern und kleinen Grüppchen von Schülern, die sich angeregt unterhalten. Hier und da schnappe ich ein paar Wortfetzen auf von Lieblingsfilmen, Musik und Schulaufgaben, aber im Großen und Ganzen sprechen alle über ihre Ferien und wie sie sie verbracht hatten. Alle scheinen sich darüber einig zu sein, dass sie viel zu schnell vergangen sind. Ich muss schmunzeln. Auch für mich waren sie viel zu kurz. Die meiste Zeit haben wir mit Umzugsvorbereitungen verbracht. Tagelang haben wir alles in Kartons gepackt, die Wohnung ausgeräumt und gestrichen und dann noch die Malerarbeiten in unserem neuen Haus. Meine Ferien waren gefühlt schon vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatten. Eines kann ich aber sagen: Malern und Tapezieren stehen definitiv nicht auf meiner Liste für beliebte Ferienaktivitäten; dicht gefolgt von Umziehen und Schule wechseln. Selbst hier kann man die unterschiedlichen Typen von High Schoolern ausmachen. Es gibt die Skater, Nerds, Hipster, Punks und die, die ein wenig zu gut drauf sind. Natürlich gibt es noch diejenigen, die keiner dieser groben Gruppierung zugehörig sind – so wie ich. Während ich so durch den Gang laufe und mir die jungen Menschen ansehe, die von nun an meine Klassenkameraden sein werden, fällt mir auf, dass ich keine Ahnung habe, wo ich hinlaufe. Ich sollte doch zum Sekretariat. Ich schaue mich kurz um, ziehe die Kopfhörer aus meinen Ohren und spreche die nächst beste Person an. „Hey.. uhm entschuldige, aber kannst du mir sagen, wo ich das Sekretariat finde?“ „Hey, bist du neu hier?“ Ein junges Mädchen mit mandelförmigen Augen lächelt mich an. „Ja, ich bin vor ein paar Tagen hierhergezogen.“ „Klasse! Ich bin Min-Sou, aber du kannst mich Min nennen.“ „Ich heiße Nora. Freut mich, dich kennen zu lernen, Min.“ „Das ist ein schöner Name, viel besser als Min“, sagt sie lachend. Ich schenke ihr ein schüchternes Lächeln. Ich mag Min sofort. Habe ich etwa direkt am ersten Tag eine Freundin gefunden? Vielleicht hat meine Mutter ja recht und hier wird es doch besser, als in der Stadt. „Das Sekretariat ist nicht so leicht zu finden. Komm mit, ich zeige dir den Weg.“ „Danke dir“, sage ich und folge ihr den Gang entlang. „Woher kommst du denn, wenn ich fragen darf?“ „Aus Brooklyn.“ „Wow“, sie reißt ungläubig ihre Augen auf. „Von einer Weltmetropole in einen Vorort. Das muss ja ein Kulturschock sein.“ „Könnte man fast meinen.“ Unweigerlich muss ich anfangen zu lachen. Es liegt weniger an ihrem erstaunten Gesichtsausdruck, sondern eher, dass mich sanfte Erleichterung umfängt. Ich habe gar nicht gemerkt wie angespannt ich war. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man ausgelassen und ehrlich lachen kann. Min sieht mich erst leicht verwirrt an, stimmt dann aber in mein Lachen mit ein. „Tut mir leid“, sage ich, während ich mir eine Freudenträne wegwische. „Aber ich bin unglaublich erleichtert, dass ich direkt an meinem ersten Tag einen netten Menschen kennen lerne.“ „Du hattest wohl schlechte Erfahrungen in deiner letzten Schule gehabt?“ „Kann man so sagen, ja.“ „Na, dann kann es nur besser werden!“, sagt sie aufmunternd, während sie mich am Arm packt und schnell hinter sich herzieht. „Dann müssen wir uns aber jetzt beeilen. Glaub' mir, falls du jetzt Mathe hast, dann willst du auf keinen Fall zu spät kommen. Herr Payne ist ziemlich unangenehm – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Unpünktlichen werden bei ihm an die Tafel geholt und müssen vor der Klasse Matheaufgaben lösen.“ „Worauf warten wir dann noch?“, frage ich lachend und beschleunige meine Schritte. Mathe gehört definitiv nicht zu meinen liebsten Fächern und wer will schon vor der gesamten Klasse Matheaufgaben lösen? Ich sicherlich nicht. Nach ein paar Schritten stehen wir vor einer milchigen Glastür. „SEKRETARIAT“ steht in goldenen Buchstaben am oberen Drittel der Tür. Der filigrane Schriftzug würde eher zu einer Edelboutique oder einem Nobelrestaurant passen, als an die Tür des Schulsekretariats. An meiner alten Schule klebte lediglich ein Zettel, der in Comic Sans bedruckt war – und häufig von irgendwelchen Schülern abgerissen wurde, sodass nur noch die Tesastreifen und Papierecken übrig blieben. Unschlüssig klopfe ich an die Tür, während Min mich aufmunternd anlächelt. Ob sie noch hier sein wird, wenn ich wieder heraus komme? „Ja?“, höre ich eine weibliche Stimme dumpf hinter der Tür sprechen. Ich drücke die Klinke herunter und trete ein. Zu meiner Verwunderung kommt Min ebenfalls mit herein. „Du hast irgendwie verunsichert ausgesehen. Ich dachte, dann komme ich lieber mit rein.“, flüstert sie mir zwinkernd zu. Sofort breitet sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Dieser Tag kann nur gut werden. Die überraschend freundliche und junge Sekretärin klärt mich über alle wichtigen Schulregeln auf – nicht rauchen, nicht trinken und keine Drogen – und gibt mir noch meinen Stunden- und einen Raumplan sowie die Schlüssel für meinen Spind. Als wir den Raum verlassen und durch den Gang schlendern, inspiziere ich meinen Stundenplan genauer. Montag beginnt der Unterricht für mich also erst ab der zweiten Periode, aber mit Chemie. Na, ob das ein guter Start in die Woche ist? Im großen und ganzen ist er jedoch sehr ausgewogen, auch, wenn ich den Matheunterricht bei Mr. Payne besuchen darf. Min vergleicht ihren Stundenplan sofort mit meinem, um nach gemeinsamen Stunden zu suchen. Glücklicherweise können wir einige Gemeinsamkeiten finden. „Da vorne müsste dann dein Spind sein.. oh mein Gott.“ Min bleibt plötzlich stehen und starrt mit geweiteten Augen nach vorne. Ich schaue in ihre Richtung, kann aber nichts seltsames entdecken, außer einem Jungen, der an den Spinds angelehnt ist und auf sein Handy starrt. „Was ist los?“ „Dein Spind ist direkt neben dem von Greyson. Du glaubst nicht wie sehr ich dich jetzt beneide.“ „Und wer ist das?“, frage ich mit gerunzelter Stirn und betrachte ihn näher. Er hat kurze braune Haare, die gewollt wild von seinem Kopf abstehen. Er trägt schwarze Bermudas und dazu ein weißes Shirt, das seine Haut gebräunt wirken lässt. Aus irgendeinem Grund kommt in mir das Gefühl auf, dass er nicht der Typ Spindnachbar ist, den ich gerne hätte. „Er ist der beliebteste Junge an dieser Schule. Jedes Mädchen schwärmt für ihn.“ Und Volltreffer. Na hoffentlich werde ich nichts mit ihm zu tun haben müssen, außer der ungewollten Nachbarschaft. „Okay, dann werde ich ihn dir nicht streitig machen“, sage ich grinsend und verdrehe dabei die Augen. „Keine Sorge. Er ist mit dem Kapitän der Cheerleader zusammen. Ich habe da keine Chance.“ Wie klischeehaft. Aber was anderes habe ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Wir nähern uns meinem Spind und ich öffne ihn mit Bedacht, um sicher zu gehen, dass der Vorbesitzer mir keine böse Überraschung hinterlassen hat. An meiner alten Schule hatte ich ein vergammeltes Eiersandwich entdeckt, weswegen ich meinen Spind für den Rest des Schuljahres nicht nutzen konnte. Aber hier ist alles in Ordnung. Wurde es sogar noch extra gesäubert? „Was erwartest du? Eine Stinkbombe?“, sie betrachtet mich mit einer Mischung aus Verwunderung und Belustigung. „Du willst nicht wissen, was zuletzt in meinem Spind war.“ Ich lache, während ich ein paar Bücher verstaue und den Spind schließe. Ihre Miene lässt schlussfolgern, dass sie zu gern wissen will, wovon ich rede. Vielleicht erzähle ich es ihr nachher. „Bist du neu hier?“ Mins Blick nach zu urteilen, ist es Greyson, der gerade gefragt hat. Ich drehe mich zu ihm, um schnell zu antworten, jedoch wird mein Blick von seinen grasgrünen Augen einen Moment zu lange festgehalten. Es scheint, als würden sie für einen Augenblick aufleuchten. „Ja, bin ich“, sage ich knapp und drehe mich wieder zum Gehen um. Min kichert neben mir, sagt zu meinem Glück jedoch nichts weiter dazu. „Ich bin Greyson, war nett dich kennen zu lernen“, höre ihn ihn leicht belustigt hinter mir rufen. „Ganz meinerseits“, antworte ich ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen. Nur schnell weg. Ich möchte nichts mit ihm zu tun haben. Beim nächsten Gang laufe ich nach rechts und schon bin ich aus seinem Blickfeld verschwunden. „Du hast es aber ganz schön eilig“, lacht Min neben mir. „Ich wollte das nicht unbedingt … vertiefen. Ich habe kein Interesse daran mich näher mit ihm zu befassen.“ „Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, so schnell ist noch kein Mädchen vor ihm geflohen. Ich hätte das fotografieren sollen.“ Sie wischt sich einige Tränen weg. „Aber er ist kein übler Kerl. Er ist eigentlich sogar ganz nett.“ „Mag sein. Aber ich hab keine guten Erfahrungen gemacht mit den beliebten Jungs.“ Bei den letzten beiden Worten mache ich jeweils mit meinen Zeige- und Mittelfingern Anführungszeichen. Sie stehen immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und was sie machen, findet immer Gefallen bei allen anderen – egal, was es ist. „Du weißt schon, dass wir wieder an ihm vorbei laufen müssen, weil in der Richtung dein Klassenraum liegt oder?“ „Ach, so ein Mist.“ Damit fängt der erste Schultag doch schon ziemlich gut an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)