Secret Santa von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Manchmal gab es Momente, in denen Nico sich fragte, warum sie nicht einfach eine Einzelkarriere als School-Idol durchgezogen hatte. Diese Momente kamen nur selten und Nico ignorierte diese Momente stets. Jetzt war zum Beispiel einer dieser Momente. „Jetzt“ stand sie mit dem Rücken zur Wand, schutzlos ihren Klassenkameradinnen und μ's-Mitgliedern Nozomi und Eri ausgeliefert, die sie finster anblickten. An Flucht war nicht zu denken. Nozomi hatte eine Hand neben ihrem Gesicht platziert, während die andere bedrohlich über Nicos Oberweite schwebte, bereit zuzupacken, wenn Nico irgendeinen Fluchtversuch starten würde. Eri stand indes an der abgeschlossenen Tür und versperrte ihr somit den einzigen Ausgang aus der Abstellkammer, in die die beiden sie gezerrt hatten, nachdem … nun, nachdem Nico etwas getan hatte, was der Meinung ihrer Freundinnen nach einem Landesverrat gleich kam … ihre Freundinnen übertrieben gerne, wenn man Nico fragte. So schlimm war das nun wirklich nicht gewesen. „Nicocchi!“ Nozomis Stimme klang zuckersüß und doch hörte Nico einen drohenden Unterton. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück – und stieß nur auf die kalte Wand hinter ihr. Sie schluckte und wappnete sich für das, was nun kommen würde. „Hast du vor, es uns zu zu erklären?“, fragte Eri kopfschüttelnd. „Euch was erklären?“ Sich dumm stellen war sicher eine gute Idee. Und vielleicht würde ihr dann auch einfallen, wie sie aus dieser Bredouille entkommen könnte. „Das, was du eben im Clubraum gesagt hast!“, erinnerte Nozomi sie. „Du weißt genau, dass Makicchi immer noch daran glaubt.“ „Geglaubt hat, nachdem was du gesagt hast“, korrigierte Eri ihre beste Freundin. „Ich konnte doch nicht wissen, dass sie einfach so in den Clubraum platzen würde“, verteidigte sich Nico hastig. „Ach, wirklich?“ Nozomis kritischer Blick traf ihren und sie verstummte. Natürlich musste sie damit rechnen, dass Maki jederzeit im Clubraum auftauchen würde. Immerhin war auch sie ein Teil von μ's und den letzten Tag vor den Winterferien hatten sie dafür genutzt, eine kleine Weihnachtsfeier im Clubraum zu veranstalten. Da die Drittklässlerinnen schon eine Stunde eher Schulschluss gehabt hatten waren die drei die Ersten im Raum gewesen und hatten den Raum geschmückt. Sie hatten sich unter anderem über das zweite Trainings Camp in den Bergen unterhalten. Wer konnte schon ahnen, dass Maki einfach so in den Raum platzen würde? „Es ist mir einfach rausgerutscht“, wiederholte Nico zähneknirschend. Ihrer Meinung nach war es wirklich zum Schießen, aber scheinbar sahen ihre Freundinnen das anders. Unauffällig lugte sie zu Eri hinüber. Dass gerade die sonst so erwachsene und reife Eri sauer auf sie war, weil sie Maki dieses Geheimnis verraten hatte, konnte sie irgendwie nicht fassen. „Wenn ihr wollt, dann werde ich mich bei Maki entschuldigen“, schlug sie nun vor und hoffte, dass die beiden mit diesem Vorschlag einverstanden sein würden. Sie würde sich entschuldigen und dann wäre die Sache erledigt. „Denkst du wirklich, dass das ausreichend ist? Du hast Makis Kindheit zerstört, Nicocchi. So etwas kannst du mit einer einfachen Entschuldigung nicht wieder gerade rücken.“ Was sollte sie sonst machen? In der Zeit zurückreisen, um sich selbst daran zu hindern, diesen einen Satz auszusprechen? „Früher oder später hätte sie sowieso die Wahrheit erfahren. Da ist es doch ganz gut, wenn es jetzt geschehen ist. Stellt euch vor, irgendjemand hätte sie vor aller Augen bloßgestellt, dass sie immer noch daran glaubt.“ „Und was du getan hast, war also besser?“ „...“ „Mag ja sein, dass es albern ist von Makichan, dass sie immer noch daran glaubt. Allerdings hat sie sich dadurch ihre unschuldige Seite bewahrt und die hast du nun für immer zerstört, Nico. Also lass dir etwas einfallen, wie du es wieder gutmachen kannst.“ Eri griff nach Nozomis Hand und zog sie zu sich. „Werd ich jetzt etwa hier drinnen eingesperrt?“, fragte Nico nach. „Wir sind doch keine Monster. Du kannst jederzeit gerne wieder mitkommen. Aber wir erwarten von dir, dass du dich bei Maki entschuldigst. Lass dir also etwas einfallen.“ Zurückgehen? Aus irgendeinem Grund wurde Nico übel bei dem Gedanken daran, dass sie Maki unter die Augen treten musste. Weshalb stellte sie sich so an? Es war doch nichts schlimmes gewesen. Eri und Nozomi blickten sie noch einige Sekunden lang abwartend an, doch als sie sich nicht rührte, verließen die beiden die kleine Abstellkammer wieder. Nico blickte ihnen nachdenklich nach, wie sie Händchen haltend den Clubraum von μ's betraten. Laute Weihnachtsmusik drang heraus und ein Lächeln umspielte kurz ihr Gesicht, ehe sich die Tür wieder schloss. Was die beiden wohl sagen würden? Seufzend ließ auch Nico die Kammer hinter sich, doch anstatt den gleichen Weg einzuschlagen, führten ihre Füße sie an dem Clubraum vorbei. „Warum denn so betrübt, junge Dame?“ Überrascht blickte sie auf. Ein fremder Herr mit schneeweißen Haaren und einem ebenso weißen Bart stand vor ihr und blickte sie freundlich lächelnd an. Er trug einen dunkelblauen Overall und hielt in seiner rechten Hand einen Werkzeugkoffer fest. War das der Hausmeister? Nico konnte sich nicht an sein Aussehen erinnern. „Ich hab was falsch gemacht und eine Freundin von mir damit verletzt“, meinte sie, noch ehe sie es sich anders überlegen konnte. „Ach wirklich? Nun, warum entschuldigst du dich dann nicht bei deiner Freundin? Eine wahre Freundin würde dir deinen Fehler verzeihen können“, schlug der Hausmeister ihr vor. „Was ich getan habe, kann man durch eine Entschuldigung nicht wieder gut machen“, wiederholte sie das, was ihre Freundinnen vorhin noch zu ihr gesagt hatten. „So schlimm?“ Er stellte seinen Werkzeugkoffer ab und setzte sich auf eine der Treppenstufen. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, sich neben ihn zu setzen. Zögernd folgte Nico seinem Angebot und ließ sich in sicherem Abstand neben ihm nieder. „Lachen Sie bloß nicht“, verlangte Nico und er nickte knapp. Sie zögerte noch einmal, doch etwas in dem warmen Blick des alten Mannes verriet ihr, dass er wirklich nicht lachen würde. „Meine Freundin glaubt immer noch an den Weihnachtsmann. Oder genauer gesagt, sie hat daran geglaubt, denn ich hab mich vorhin darüber lustig gemacht, dass sie noch daran glaubt.“ „Nun, das war wirklich nicht nett von dir gewesen“, meinte er ohne Umschweife. „Das haben meine anderen Freundinnen auch zu mir gesagt“, meinte Nico leise. „Aber?“ „Aber ich hab es wirklich nicht mit Absicht getan. Mir ist es einfach rausgerutscht, ohne dass ich es wollte. Warum tut jeder so, als hätte ich ein Kriegsverbrechen begangen?“ „Hast du sie denn gefragt?“ „Hab ich. Weil ich Makichans Unschuld zerstört hätte... aber früher oder später hätte sie es doch sowieso erfahren müssen. Der Weihnachtsmann existiert nun einmal nicht.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein, Yazawa Nico?“, wollte er wissen und sah sie aufmerksam an. „Weil … es ist nun mal so. Der Weihnachtsmann ist eine Lüge, die unsere Eltern uns erzählen, wenn wir klein sind.“ Eine Lüge, die sie ihren kleinen Geschwistern auch aufgetischt hatte. „Und trotzdem ist es schmerzhaft, wenn man die Wahrheit erfährt, nicht wahr?“ Zögernd nickte Nico. Es war ein Schock für sie gewesen, als sie damals früh morgens in der Küche gesehen hatte, wie ihre Mutter das Weihnachtsmannkostüm anzog und sie somit die Wahrheit erfahren musste. „Wie alt warst du eigentlich, als du die Wahrheit erfahren hast?“, fragte er nach. „Zehn, wenn ich mich nicht irre. Vielleicht auch erst neun“, erwiderte sie nachdenklich. „Zehn. Das ist auch ein ziemlich spätes Alter die Wahrheit zu erfahren.“ „J-ja.“ In diesem Moment fiel es ihr wieder ein. Sie hatte sich zwei Tage vorher noch mit einem Jungen aus der Nachbarklasse gestritten, weil dieser sie dafür ausgelacht hatte, dass sie immer noch an den Weihnachtsmann geglaubt hatte. Sie war Maki also ähnlicher als sie dachte. Eilig sprang sie auf und sah sich um. Als sie Maki zuletzt gesehen hatte, war diese hektisch aus dem Clubraum gestürzt. Wo konnte sie also sein? Sie lief die Treppenstufen hoch ins nächste Stockwerk, als ihr plötzlich etwas auffiel. Wann hatte sie diesem Fremden überhaupt ihren Namen genannt? Eilig kehrte sie wieder zurück, doch die Treppe war menschenleer. Nur der Werkzeugkoffer stand noch immer genau an seinem Platz. Zögernd trat Nico näher und öffnete diesen. Doch anstatt der erwarteten Werkzeuge fand sie einen roten Mantel und eine dazu passende rote Mütze. Unsicher griff sie nach den Sachen und stellte nach einem Blick auf das Wäscheetikett verwundert fest, dass diese ihre Größe waren. Das war doch nur ein dummer Zufall, oder? Und trotzdem schlüpfte Nico in die Sachen und eilte dann zu dem einzigen Ort von dem sie sicher war, dass Maki dort sein würde. Es war kalt draußen und doch saß Maki in der dünnen Schuluniform draußen auf dem Boden und blickte in den wolkenbedeckten Himmel. „Maki! Komm rein, du holst dir sonst noch den Tod!“ Eilig trat Nico zu ihr und zog sie ins Innere des Schulgebäudes hinein. „Was machst du denn nur für Sachen?“, fragte sie sie wütend und blickte sie vorwurfsvoll an. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“, erwiderte Maki kühl und ließ dann ihren Blick über Nicos Kostüm gleiten. „Was soll dieser lächerliche Aufzug? Denkst du, dass du mich damit aufmuntern kannst?“ „Als ob ich so etwas vorgehabt hätte“, fauchte Nico zurück. „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht und hab deshalb nach dir gesucht.“ „Du bist doch überhaupt erst Schuld daran, dass ich da draußen in der Kälte saß.“ „Und dann soll ich auch noch Schuld daran sein, wenn du dir jetzt eine Erkältung einfängst?“ Sie zog den Mantel aus und reichte ihn Maki. Sich als Weihnachtsmann zu verkleiden und so tun als ob, damit Maki wieder an ihn glaubte? Ein lächerlich dummer Plan. Maki zögerte kurz, doch dann schlüpfte sie in das warme Kleidungsstück. „Danke“, flüsterte sie leise und schenkte Nico ein warmes Lächeln. „Hör mal, es tut mir wirklich Leid“, begann Nico schließlich zögernd. Maki sah sie abwartend an. „Das, was ich gesagt hab. Ich wollte wirklich nicht so gemein zu dir sein und dir sagen, dass...“ „... dass es den Weihnachtsmann eigentlich gar nicht gibt?“, beendete Maki ihren Satz. „Nun, ja.“ „Ich war sauer auf dich“, gestand Maki ihr. „Aber in erster Linie war ich sauer auf mich, weil ich immer noch daran geglaubt habe. Ich bin schließlich eine High School-Schülerin, da sollte ich doch wirklich nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben, oder?“ Sie lehnte sich gegen das Treppengeländer und blickte betrübt nach unten. „Ich hab erst mit zehn Jahren erfahren, dass der Weihnachtsmann nicht existiert“, erzählte Nico ihr leise. Maki blickte sie verständnisvoll an und dann trat sie auf sie zu und zog sie in eine warme Umarmung. „Ich bin dir nicht mehr böse“, versicherte sie ihr aufs Neue. „Danke, dass du es mir gesagt hast, Nicochan.“ „Eigentlich hab ich es dir nicht gesagt“, meinte Nico und wollte noch hinzufügen, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass Maki genau in dem Moment auftauchen würde, als sie gerade zu Eri und Nozomi gemeint hatte, dass es doch sehr kindisch von Maki war immer noch an den Weihnachtsmann zu glauben, doch sie kam nicht dazu, denn just in diesem Augenblick beugte sich Maki nach vorne und küsste sie mitten auf den Mund. Ihre Lippen waren leicht kühl und doch fühlte es sich gleichzeitig warm an. Makis Hand suchte die ihre und drückte sie sanft und auffordernd, so als warte sie auf eine Reaktion von Nico. Und Nico erwiderte den Kuss schließlich. Manchmal gab es Momente, in denen Nico sich fragte, warum sie nicht einfach eine Einzelkarriere als School-Idol durchgezogen hatte. Doch nun war ihr klar, dass sie diesen Kuss wahrscheinlich nie erlebt hätte, wenn sie μ's nicht beigetreten wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)